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#2221
Quote[...] STUTTGART dpa/taz/afp | Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen den Grünen und ihrem umstrittenen Mitglied Boris Palmer hat sich verschärft. Der Vorstand der Südwest-Grünen forderte den Tübinger Oberbürgermeister zum Parteiaustritt auf. ,,Der Landesvorstand erwartet, dass Boris Palmer unsere Partei verlässt", teilte die Partei am Freitagabend in Stuttgart mit. Palmer fällt seit Jahren mit provokanten Äußerungen auf. Zuletzt sorgte er mit einer Wortwahl zum Umgang mit älteren Corona-Patienten für Empörung. Palmer will aber bei den Grünen bleiben. Damit droht der Konflikt zu eskalieren.

Unklar ist, was auf Palmer jetzt zukommt. Die Satzung der Landespartei listet mögliche Ordnungsmaßnahmen gegen Parteimitglieder auf: Verwarnungen, Aberkennung der Leitungsfunktion, zeitweiliges Ruhen der Mitgliedsrechte bis zu zwei Jahren, Ausschluss aus der Partei. Auf der Bundesebene strebt man derzeit jedoch kein Ausschlussverfahren an.

,,Die kursorische Prüfung hat gezeigt, wie schwer die Erfolgsaussichten einzuschätzen sind", sagte eine Parteisprecherin am Samstag in Berlin. ,,Wir legen deswegen unser gemeinsames Augenmerk auf die politischen Maßnahmen." Der Bundesvorstand habe Anfang der Woche deutlich gemacht, dass er Palmer politisch nicht mehr unterstützen werde.

Gegenüber der Presseagentur dpa sagte Palmer: ,,Ich bin aus ökologischer Überzeugung Grüner. Deswegen bleibe ich Mitglied." Er forderte die Grünen zu einer öffentlichen, argumentativen Auseinandersetzung mit ihm auf. Er werde verurteilt für etwas, was er nicht gesagt habe. Die Grünen beteiligten sich daran, die Demokratie zu einer ,,Empörungsarena" umzugestalten, meinte er.

Palmer hatte in einem Interview zur Conona-Pandemie gesagt: ,,Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." Er erklärte seine Aussage mit der Sorge um armutsbedrohte Kinder vor allem in Entwicklungsländern, deren Leben durch die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns bedroht sei. Palmer räumte nach Kritik aber ein, dass sein Satz ohne den Kontext und wegen seiner scharfen Formulierung Anlass zum Missverständnis gegeben habe. Das bedauere er. Er habe nicht davon gesprochen, alte und kranke Menschen aufzugeben. ,,Ich erwarte selbstverständlich, dass jeder Mensch die bestmögliche medizinische Versorgung erhält." In einem Gespräch mit der taz hatte er sich für eine temporäre Quarantäne von Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen ausgesprochen.

Unterstützung bekam Palmer von dem früheren SPD-Politiker Thilo Sarrazin, der ebenfalls seit Jahren mit seiner Partei im Streit liegt. Offensichtlich sei, dass die Grünen Palmer mehrheitlich schon länger nicht mehr mögen würden, sagte Sarrazin am Samstag den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. ,,Jetzt sehen viele einen willkommenen Anlass, in Bezug auf Boris Palmer ,reinen Tisch' zu machen."

Palmers Äußerungen zu den Corona-Kranken entsprächen ,,in etwas gröberer Form etwa dem, was Wolfgang Schäuble etwas abstrakter geäußert hatte", sagte Sarrazin. Die SPD versucht seit Jahren, Sarrazin wegen islamkritischer Bücher und Thesen aus der Partei auszuschließen.

Schon am Montag hatten Bundes- und Landesspitze erklärt, Palmer nicht mehr unterstützen zu wollen. Der Landesvorstand bekräftigte nun: ,,Boris Palmer spricht nicht für die Grünen und die Grünen stehen nicht hinter Boris Palmer." Für einen Parteiausschluss gibt es hohe Hürden. Führende Grünen hatten sich deshalb bislang gegen die Einleitung eines solchen Verfahrens ausgesprochen.

In einem vor der Entscheidung des Landesverbandes geführten Interview mit dem Spiegel sagte die Bundesvorsitzende Annalena Baerbock über Palmer: ,,Wir sind ein freies Land, da kann jeder sagen, was er will. Aber wir haben die Freiheit, deutlich zu machen, dass wir eine weitere Kandidatur und seinen Wahlkampf nicht unterstützen werden. Boris stellt sich immer wieder bewusst provokativ gegen die Werte unserer Partei und schadet ihr."


Aus: "Sarrazin springt Palmer bei" (9.5.2020)
Quelle: https://taz.de/Streit-zwischen-Gruenen-und-Tuebingens-OB/!5683719/

QuoteLinksman

"...Empörungsarena..."

Haha, das sagt ausgerechnet derjenige, der sich ständig über Migranten, Tübinger Studenten oder Bahnwerbung empört...


QuoteUlrich Stähle

Hallo Taz, ist folgender Satz über Sarrazin nicht etwas sehr verharmlosend?

"Die SPD versucht seit Jahren, Sarrazin wegen islamkritischer Bücher und Thesen aus der Partei auszuschließen."

Das Problem ist ja nicht die "Kritik" sondern die bewusste Hetze gegen soziale Minderheiten, die damit ausgegrenzt werden.


Quotesb123

Hier mal die vollständige Antwort auf eine Frage des Moderators bezüglich der Aussagen Wolfgang Schäubles:

"Ich glaube, dass es ihm darum geht, dass wir alle irgendwann mal sterben und auch das Grundgesetz das nicht verhindern kann. Und wenn Sie die Todeszahlen anschauen durch Corona, dann ist es bei vielen so, dass eben Menschen über 80 insbesondere sterben, und wir wissen: Über 80 sterben die meisten, irgendwann. Also ist Corona nicht wie Ebola eine Krankheit, die 20-Jährige mitten aus dem Leben reißt, sondern tödlich ist sie für hochaltrige Menschen, fast ausschließlich. Und insoweit müssen wir abwägen. Ich sag's Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären, aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen, aber die weltweiten Zerstörungen der Weltwirtschaft sorgen nach Einschätzung der UNO dafür, dass der daraus entstehende Armutsschock dieses Jahr eine Million Kinder zusätzlich das Leben kostet. Da sieht man: Es ist ein Medikament mit Nebenwirkungen, wir müssen es richtig dosieren."


QuoteRudolf Fissner

@einBadener Ja die Wahrheit ist brutal und Palmers Hinweis direkt.

Es hat Deutsche noch nie sonderlich interessiert, dass Weltweit Millionen an Hunger sterben. Da sind auch die kommenden Ernährungsnotstände wg. Corona wurst. Hauptsache Kinderspielplatz, Fussball und Kneipe geht wieder.

Das hat jeder verstanden. Und es wird trotzdem von jedem ignoriert. Das Ignorieren war in den vergangenen Jahrzehnten kein Ausrutscher und das Ignorieren der Aussage ist auch jetzt kein Ausrutscher.

Man quasselt über den roten Herring um sich nicht mit dem wesentlichen auseinandersetzen zu müssen.


QuoteHeinz Herrmann

Verantwortungsethik versus Gesinnungsethik, geübte Praktiker tendieren zum Utilitarismus, oder noch besser Konsequenzalismus - was zählt ist das Ergebnis. Erlebte Erfahrung, die Tübinger zurecht mit einem hohen Wahlergebnis für Boris Palmer honoriert haben. Wie einfach die Gesinnungsethik : billig zu haben, hohes emotionales Potenzial, einfach darzustellen, gutes Medienformat, gut präsentiert von Anna Lena Bärbock . Kühl rationale Kosten-Nutzen Analysen geraten schnell zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit - die Stunde der Berufsempörten ! Insgesamt eher eine schwache Darstellung der grünen Parteispitze, aber keinesfalls eine schwache Leistung eines Boris Palmers, der letztlich nichts anderes sagt, als eine schwedische Regierung tut. Eine Partei, die lange Zeit für das breiteste Meinungsspektrum in der Parteienlandschaft stand, kann sich die Meinung eines Boris Palmer nicht mehr leisten - ein Armutszeugnis an Kleinmut und Kleingeistigkeit.


...
#2222
Quote[...] Auf der ganzen Welt sind Feierlichkeiten anlässlich des "Tags der Befreiung" wegen der Corona-Krise stark eingeschränkt. Nicht so in Belarus: Das Land feiert die einzige Militärparade weltweit, die Menschen stehen dicht an dicht. Präsident Lukaschenko sieht in Covid-19 kein Problem.

Die Ex-Sowjetrepublik Belarus (Weißrussland) hat trotz der Corona-Pandemie als einziges Land weltweit eine riesige Militärparade zum 75. Jahrestag des Sieges über den Hitlerfaschismus gefeiert. "Der Feiertag ist uns heilig", sagte Präsident Alexander Lukaschenko in Minsk. Der 9. Mai ist der wichtigste Feiertag des Landes.

Er wandte sich in seiner Rede auch an Kritiker der Parade in Zeiten des lebensgefährlichen Coronavirus. "Wir können nicht anders", betonte er. Belarus sei das den Opfern des Zweiten Weltkrieges schuldig. "Sie alle wollten leben, aber starben, damit wir leben", sagte Lukaschenko. "Das ist keine Demonstration der Stärke, sondern ein Gedenken an die heroische Geschichte", betonte der autoritär regierende Staatschef in Paradeuniform.

Belarus gehörte zu jenen Ländern, die am meisten unter der Nazi-Herrschaft zu leiden hatten. In der Hauptstadt Minsk marschierten Tausende Soldaten ohne Virenschutz dicht an dicht durch das Zentrum, wie das Staatsfernsehen Belarus24.ru im Internet zeigte. Auch der berühmte sowjetische Weltkriegs-Panzer T-34 fuhr durch die Stadt - neben anderem schweren Kriegsgerät, darunter moderne Raketen. Am Himmel flogen Hubschrauber und Kampfflugzeuge.

Auf einer festlich geschmückten Tribüne saßen auch die mit Weltkriegsorden dekorierten Veteranen und ihre Angehörigen. Die wenigsten trugen Mund- und Nasenschutz gegen das auch in Belarus grassierende Virus. Tausende Zuschauer, darunter Kinder und ältere Menschen, verfolgten bei sonnigem Wetter und Orchestermusik die Parade vom Straßenrand aus. Neben Freude über den historischen Sieg gab es auch Tränen der Trauer um die Opfer.

Den ganzen Tag waren in dem Land festliche Massenveranstaltungen geplant - trotz Warnungen auch von der Weltgesundheitsorganisation vor einer Ausbreitung des Virus. Insgesamt geht das Leben in dem Land zwischen dem EU-Mitglied Polen und Russland im Grunde weiter wie gewohnt.

Lukaschenko hatte die Einschränkungen in anderen Ländern immer wieder als Panikmache bezeichnet. Sein Land komme gut zurecht mit der Versorgung von Kranken. Belarus lasse sich nicht unterkriegen, hatte er betont. Weißrussland hat keine Ausgangssperre oder Abstandsregeln zur Eindämmung der Pandemie verhängt und anders als andere Länder weltweit seine Grenzen offengelassen. Lukaschenko hat die Angst vor dem Coronavirus als "Psychose" abgetan und stattdessen Wodka-Trinken, Saunabesuche oder Eishockey-Spiele zur Bekämpfung des Virus empfohlen.

Nachbar Russland kritisierte die Veranstaltung als unvernünftig. Präsident Wladimir Putin hatte die größte Militärparade in seinem Land wegen der Gefahr durch das Virus auf einen späteren Zeitpunkt verlegt. In einer Rede zum 75. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland hat er sein Land zur Einigkeit aufgerufen. Russland sei "unbesiegbar", wenn alle Russen zusammenstünden, sagte Putin in der im Fernsehen übertragenen Ansprache am Grabmal des unbekannten Soldaten in Moskau. In der Parkanlage beim Kreml legte Putin einen Kranz ab.

Den Sieg über Nazi-Deutschland bezeichnete Putin als "heiligen" Tag für Russland. 27 Millionen sowjetische Soldaten hätten im Zweiten Weltkrieg "das Heimatland und das Leben der folgenden Generationen gerettet, Europa befreit und die Welt verteidigt". Die im Krieg gefallenen Soldaten würdigte er mit einer Schweigeminute. Nach Putins Rede flogen Kampfjets über das menschenleere Zentrum der russischen Hauptstadt und zogen die Farben der russischen Flagge in den Himmel.

Zum 75. Jahrestag des Kriegsendes war ursprünglich eine große Gedenkveranstaltung mit 15.000 Soldaten geplant, zahlreiche Staats- und Regierungschefs waren eingeladen. In seiner Rede versprach Putin, das Gedenken an den Sieg über Nazi-Deutschland werde zu einem späteren Zeitpunkt "angemessen" nachgeholt.

Quelle: ntv.de, mdi/dpa/rts/AFP


Aus: "Belarus hält trotz Krise Militärparade ab" (Samstag, 09. Mai 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Belarus-haelt-trotz-Krise-Militaerparade-ab-article21769886.html
#2223
Quote[...] Update vom 09. Mai 2020, 08.00 Uhr: Die Zahl der Corona-Todesopfer in Brasilien steigt weiter rasant an. Binnen 24 Stunden seien 751 Menschen nach einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus gestorben, teilte das Gesundheitsministerium mit. Es war die bislang höchste Zunahme der Sterbefälle innerhalb eines Tages.

Insgesamt gibt es nach Angaben des Ministeriums inzwischen 9897 Corona-Todesfälle in Brasilien. Die Zahl der bestätigten Infektionen habe sich innerhalb eines Tages um mehr als 10.000 auf gut 145.000 erhöht. Experten ziehen die offizielle Statistik wegen der geringen Testdichte jedoch in Zweifel, sie gehen davon aus, dass die Zahl der Infizierten in Brasilien bis zu 20 Mal höher liegen könnte. ...


Aus: "Situation in Brasilien wird immer dramatischer: Zahl der Corona-Todesfälle steigt weiter deutlich an" (09.05.2020)
Quelle: https://www.fr.de/politik/corona-brasilien-mehr-100000-corona-faelle-brasilien-13642304.html

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Quote[...] Dennis Kremer wurde am 11. August 1979 in Köln geboren. Nach Abitur und Zivildienst besuchte er die Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft und studierte Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Köln und im französischen Clermont-Ferrand. Während des Studiums führten ihn Praktika unter anderem zum ,,Tagesspiegel", zum ,,Focus" und zur ,,Zeit". Von März 2008 bis Februar 2012 arbeitete er als Redakteur im Ressort Finanzen des Wirtschaftsmagazins ,,Capital". Im Jahr 2011 war er als Stipendiat der Internationalen Journalistenprogramme (IJP) zwei Monate lang als Gastredakteur bei der brasilianischen Tageszeitung ,,Folha de São Paulo" tätig. Seit März 2012 Redakteur im Ressort Wirtschaft und ,,Geld & Mehr" der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Gewinner des Econsense-Journalistenpreises 2010 sowie des State-Street-Preises für Finanzjournalisten 2010, 2015 und 2017.

Vom ,,schlimmsten Tag" sprachen Brasiliens Medien in der vergangenen Woche, als die Zahl der neuen Covid-19-Toten mit 751 auf einen Rekord hochschnellte. Fast 10000 Corona-Tote hat das Land mittlerweile zu beklagen und rund 145000 Infizierte. Zahlen, die auf den ersten Blick gar nicht so hoch zu sein scheinen, schließlich hat Brasilien mehr als 210 Millionen Einwohner. Aber Brasilien ist auch eines der Länder, das am wenigsten auf das Virus testen lässt. Mit gerade einmal 1600 Tests je eine Million Einwohner liegt man beispielsweise weit hinter den Vereinigten Staaten mit 20000 Tests je eine Million Menschen. Die wahre Zahl der Infizierten dürfte also viel höher sein, zumal das Virus erst spät in Lateinamerika ankam. Erst Ende Februar wurde der erste Brasilianer positiv getestet. Die Pandemie steht dort also wirklich noch ganz am Anfang.

... Bolsonaro folgt einem Plan, der in gewisser Weise bislang aufgeht. Welches Kalkül ihn dabei antreibt – warum er Corona kleinreden und dafür trotzdem mit Unterstützung rechnen kann –, lässt sich aus einer in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten Fernsehansprache des Präsidenten aus dem März herauslesen.

Mit der brasilianischen Landesfahne im Hintergrund stellte der ehemalige Offizier Bolsonaro bei dieser Ansprache klar: Er werde wenig tun, um sein Land gegen den unsichtbaren Feind Corona zu verteidigen. Alle redeten von Italien, sagte er, aber das Land habe doch viel mehr Alte und ein anderes Klima als Brasilien. Personen in der Corona-Risikogruppe seien älter als 60 Jahre. Warum also die Schulen schließen? 90 Prozent der Menschen würden im Falle einer Infektion nichts spüren. Und falls jemand auf die Idee käme, den 65-jährigen Präsidenten selbst zur Risikogruppe zu zählen, hatte er sich auch dafür etwas zurechtgelegt: ,,Als ehemaliger Athlet würde ich bei einer Infektion nichts spüren, höchstens eine kleine Erkältung oder eine kleine Grippe." Fast schon spielerisch fügte er Halbwahrheiten und Unwahrheiten über das Virus zusammen – immer so, wie es am besten in die Argumentation passt. Sein Vortrag gipfelte in dem Satz: ,,Unser Leben muss weitergehen, Arbeitsplätze müssen erhalten bleiben."

In der Abwägung zwischen gesundheitlichen Risiken durch das Virus und dem Schaden für die Wirtschaft hat sich Bolsonaro klar entschieden: Arbeitsplätze gehen vor. Das ist seine zugegebenermaßen riskante Strategie. ,,Jair Bolsonaro tut alles, um die Verantwortung für die wirtschaftliche Krise von sich fernzuhalten", sagt der Deutschbrasilianer Oliver Stuenkel, Professor der renommierten Getúlio-Vargas-Stiftung in São Paulo. ,,Er rechnet damit, dass die Wirtschaftskrise viele Brasilianer stärker beschäftigen wird als das Virus."

Da der Präsident als Corona-Bekämpfer ausfällt, haben sich die Gouverneure der meisten Bundesstaaten der Sache angenommen. So gilt beispielsweise in São Paulo mittlerweile eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum. Das gibt Bolsonaro die Möglichkeit, ständig gegen die Maßnahmen zu wettern: ,,Es ist unverantwortlich, was manche Gouverneure da tun. Der Preis wird hoch sei – Arbeitslosigkeit, Elend. Das Land wird Probleme haben, das wissen wir heute schon."

Dass solche Aussagen bei nicht wenigen Brasilianern verfangen, hat viel mit der Wirtschaftsstruktur des Landes zu tun. Mindestens zehn Millionen Brasilianer sind im informellen Sektor tätig, wie die Ökonomen das nennen, also ohne Arbeitsvertrag. Exemplarisch hierfür steht der Verkäufer, der an der Ampel Süßigkeiten feilbietet. Hinzu kommen viele Selbstständige und eine hohe Zahl an Arbeitslosen, von denen nicht wenige schwarzarbeiten. Kommt das Wirtschaftsleben plötzlich zum Erliegen, stehen diese Menschen von heute auf morgen ohne Einnahmen da und wissen nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen. Das kann dem gefährlichsten Virus den Schrecken nehmen. Zudem können die Leute in der Enge der Favelas, aus denen viele von ihnen stammen, sowieso nicht den Mindestabstand einhalten. Auch ,,Home Schooling" zu Hause ist unmöglich, weil die Internetverbindung dafür nicht taugt, so es sie denn überhaupt gibt. ,,Die Corona-Krise bringt die enorme Ungleichheit zwischen den Klassen, die in Brasilien ohnehin herrscht, noch deutlicher zum Vorschein", sagt Oliver Stuenkel von der Getúlio-Vargas-Stiftung. Die Behauptung, vor dem Virus seien alle gleich, treffe in kaum einem Land so wenig zu wie in Brasilien.

Auch wenn die Ärmeren anfangs nicht zu den größten Unterstützern des Präsidenten zählten (über Schwarze hat er mal den rassistischen Satz gesagt: ,,Es besteht keine Gefahr, dass sich meine Söhne in eine Schwarze verlieben, sie wurden gut erzogen"), so spricht er ihnen jetzt aus der Seele. Und Bolsonaro nutzt die Mittel seines Amtes, um sich bei ihnen beliebt zu machen: Er wird nicht müde, die Soforthilfen anzupreisen, die seine Regierung beispielsweise Selbständigen anbietet – auch wenn ihr Umfang mit umgerechnet nicht einmal 100 Euro je Person doch eher bescheiden ist.

Die Stimmung im Volk erspürt der Präsident auch über seine Söhne, von denen die drei Ältesten ebenfalls in der Politik aktiv sind. Sie bespielen die Social- Media-Kanäle des Vaters, der die reichlich merkwürdige Angewohnheit hat, seine erwachsenen Kinder nicht mit ihren Vornamen anzusprechen. Stattdessen benutzt er eine Sprache, die Militärs bei Geheimoperationen verwenden. Sein Ältester heißt bei ihm ,,Null Eins" (Zero Um), der zweite Sohn ,,Null Zwei" (Zero Dois), der Dritte ,,Null Drei" (Zero Três). Seine jüngste Tochter Laura nennt er dagegen beim Vornamen.

Es ist nicht die einzige Merkwürdigkeit im Leben des Jair Messias Bolsonaro. Geboren 1955 im Bundesstaat São Paulo, wurde er in seiner Jugend ,,Palmito" gerufen – wegen seiner weißen Beine, die an ein Palmenherz erinnerten. Als junger Mann besuchte er die Militärakademie und wurde Fallschirmjäger, was seine Begeisterung für militärische Sprache und seinen in aller Regel zackigen Vortragston erklärt. Es war die Zeit, als die Militärs in Brasilien die Macht hatten. Bolsonaro verherrlicht diese Jahre der Diktatur von 1964 bis 1985 als ,,glorreiche Epoche" und sagte dazu den bemerkenswerten Satz: ,,Der große Fehler der Diktatur war es, dass sie Menschen nur gefoltert hat. Nicht getötet." Ein Satz, der schon faktisch nicht stimmt, weil damals auch Menschen zu Tode gefoltert wurden.

Nach 17 Jahren schied Bolsonaro aus dem Militärdienst aus. Brasilien war mittlerweile eine Demokratie geworden, und der frühere Hauptmann beschloss, in die Politik zu gehen. Er kandidierte zunächst für das Stadtparlament von Rio und kam dann 1991 in den brasilianischen Kongress. Dies ist das Ironische an seiner Geschichte: Als er im Präsidentschaftswahlkampf 2018 versprach, endlich mit den alten Seilschaften in der Hauptstadt Brasília aufzuräumen, verschwieg er geflissentlich, dass er in Wahrheit einer der Abgeordneten mit der längsten Dienstzeit im Land war.

Doch die Rhetorik verfing bei der Mehrheit der Brasilianer und brachte den Mann, der jahrzehntelang ein politischer Außenseiter gewesen war, mit 55 Prozent Zustimmung ins Amt. Neben einer geschickten Social-Media-Kampagne trug zu dem Erfolg auch bei, dass Bolsonaro wenige Wochen vor der Wahl ein Messerattentat überlebte. In den Augen vieler gläubiger Brasilianer war dies ein Zeichen dafür, dass Jair Messias Bolsonaro tatsächlich ein Auserwählter sei.

In weiten Teilen der Wirtschaft dachte man pragmatischer: Bolsonaro machte den liberalen Ökonomen und einstigen Investmentbanker Paulo Guedes zum Wirtschaftsminister, das gefiel der Unternehmerschaft. Doch Guedes ist mittlerweile im Kabinett isoliert, was sich auch daran zeigt, dass er der einzige Minister ist, der regelmäßig mit Maske zu den Sitzungen erscheint. Manche interpretieren dies als stummen Protest gegen Bolsonaros Politik. Gravierender ist, dass sein vernünftiger politischer Ansatz seit Corona aus der Zeit gefallen scheint: Auf weniger Staat und mehr Globalisierung zu setzen ist angesichts gestörter Lieferketten und geschlossener Grenzen schwierig. Die Isolation von Guedes führt zu der interessanten Konstellation, dass große Teile der Wirtschaftselite von Bolsonaro abrücken, die Zustimmung in der einfachen Bevölkerung für ihn aber wächst.

Dies könnte sich allerdings ändern, je schlimmer die Pandemie in Brasilien wütet. Das ist Bolsonaros Risiko. Dem staatlichen Gesundheitssystem, selbst in normalen Zeiten überlastet, droht der Kollaps. Die Zeitungen berichten in manchen Gegenden schon von Staus vor den Friedhöfen. Währenddessen schüttelt Bolsonaro Hände und umarmt, was das Zeug hält. Er leugnet, dass die Todesfälle alle mit dem Virus zu tun hätten.

Es sieht so aus, als würde Jair Messias Bolsonaro weiter daran arbeiten, seinem zweiten Vornamen möglichst wenig Ehre zu machen.



Aus: "Wirtschaft gegen Gesundheit : Bolsonaros Spiel mit dem Virus" Dennis Kremer (09.05.2020)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/bolsonaro-wirtschaft-wichtiger-als-covid-19-bekaempfung-16762055.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

#2224
Quote[...] Nurses with National Nurses United, a nationwide union of registered nurses, are planning to protest Friday at 139 hospitals across 13 states. They're demanding more personal protective equipment (PPE) as they treat patients with COVID-19, according to the union.

More than 60 nurses across the country have died of COVID-19, according to NNU. The union says, however, that number is likely higher due to a lack of testing.

"Nurses signed up to care for their patients. They did not sign up to sacrifice their lives on the front lines of the COVID-19 pandemic," said NNU executive director Bonnie Castillo, RN, in a press release from the union.

NNU has already held several protests calling for more PPE. On April 21, a cohort of the union's nurses stood in front of the White House holding photos of fellow registered nurses and other health care workers who have become infected or died from COVID-19 while at work.

The NNU is holding their latest protest on May 1 — International Workers Day, also known as May Day. "On this day that celebrates the labor movement and working people, union nurses are standing up to demand the protections they need now!" Castillo said.

The union is calling on its employers and the government to provide nurses and other health care workers with better protection. The union has specifically cited a need for more gloves, N95 respirator masks, which block at least 95 percent of very small particles, as well as full-body coverings like Powered Air Purifying Respirators, called PAPRs, and coveralls that incorporate head coverings and shoe coverings.

"Otherwise, hospitals will remain fomites for infection, say NNU RNs, and nurses and health care workers will continue to get sick and sidelined, die, and be unable to care for the next wave of patients," reads NNU's press release.

According to the union, the PPE industry has not ramped-up production in response to shortages. Instead, NNU says it has urged health care workers to reuse and decontaminate PPE that is intended for single-use. NNU called the practice "unacceptable and unsafe."

One month after its first coronavirus-related protests, the union is once again calling on President Trump to fully invoke the Defense Production Act, ordering manufacturers to urgently increase the production of respirators, face shields, coveralls, gowns, gloves, testing equipment and supplies.

The NNU has also urged the Occupational Safety and Health Administration (OSHA) to pass an "emergency temporary standard" that mandates all healthcare employers be provided with protections necessary to safely treat COVID-19.

First published on May 1, 2020


From: "Nurses holding May Day protests nationwide demanding PPE, union says" Audrey McNamara (May 1, 2020)
Source: https://www.cbsnews.com/news/may-day-protest-nurses-ppe/

"We are not heroes. We're human beings and we are susceptible just like everyone else is. And if we are dying then we can't take care of our patients," said Britta Breenan, a critical care nurse at Washington Hospital Center and member of Nurses United. "We have had nurses from our hospital die from COVID-19. And they are not dignified deaths."... (April 21, 2020)
https://www.cbsnews.com/news/nurses-protest-unsafe-conditions-white-house/

ICU nurse who silently protested, faced insults at Phoenix reopening rally speaks out
Richard Ruelas Arizona Republic
Published 4:11 PM EDT Apr 24, 2020
https://eu.usatoday.com/story/news/nation/2020/04/23/phoenix-arizona-reopening-protest-icu-nurses-viral-counter-protest/3011737001/

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Joshua Potash @JoshuaPotash
Today at the White House nurses protested for PPE, with 88 pairs of shoes to represent each nurse who has died from coronavirus.
Yet they didn't get the attention a few angry white men with guns get.
https://twitter.com/JoshuaPotash/status/1258568872988413954

https://twitter.com/MSNBC/status/1256403313018302464

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Quote[...] At the end of another long shift treating coronavirus patients, Dr. Hadi Halazun opened his Facebook page to find a man insisting to him that "no one's dying" and that the coronavirus is "fake news" drummed up by the news media.

Hadi tried to engage and explain his firsthand experience with the virus. In reply, another user insinuated that he wasn't a real doctor, saying pictures from his profile showing him at concerts and music festivals proved it.

"I told them: 'I am a real doctor. There are 200 people in my hospital's ICU,'" said Halazun, a cardiologist in New York. "And they said, 'Give me your credentials.' I engaged with them, and they kicked me off their wall."

"I left work and I felt so deflated. I let it get to me."

Halazun, like many other health care professionals, is dealing with a bombardment of misinformation and harassment from conspiracy theorists, some of whom have moved beyond posting online to pressing doctors for proof of the severity of the pandemic.

And it's taking a toll. Halazun said dealing with conspiracy theorists is the "second most painful thing I've had to deal with, other than separation of families from their loved one."

Several other doctors shared similar experiences, saying that they regularly had to treat patients who had sought care too late because of conspiracy theories spread on social media and that social media companies have to do more to counteract the forces that spread lies for profit.

Dr. Duncan Maru, a physician and epidemiologist in Queens, New York, said he had heard from colleagues that a young patient had come into the emergency room last week with damage to his intestinal tract after having ingested bleach. The incident occurred just days after President Donald Trump suggested that "injection" of disinfectants should be researched as a potential coronavirus treatment.

"Folks delaying seeking care or, taking the most extreme case, somebody drinking bleach as a result of structural factors just underlines the fact that we have not protected the public from disinformation," Maru said.

The structural factors in this case include Facebook, YouTube and Twitter, which have struggled to contain the spread of misinformation, some of it coming from positions of authority.

Social networks have taken a variety of steps in recent weeks to thwart misinformation, such as providing dedicated portals for vetted information from public health officials and banning content related to conspiracy theories around 5G wireless technology.

Despite the efforts, the distribution networks built up in recent years by fringe media personalities and activists on tech platforms and through websites have proven resilient.

Whitney Phillips, a assistant professor of communications who studies the spread of disinformation at Syracuse University, said the coronavirus outbreak offers a look at how conspiracy thinking is now, in some ways, more organized.

"With conspiracy theories, the reason they're impervious to fact-checking is that they have become a way of being in the world for believers," Phillips said. "It isn't just one narrative that you can debunk. It is a holistic way of being in the world that has been reinforced by all the other bulls--- that these platforms have allowed people to consume for years."

Organized harassment campaigns, lies and urban legends targeting doctors are a real-life symptom of what the World Health Organization dubbed the "infodemic" as the coronavirus started to spread throughout the world earlier this year.

Halazun has since stopped engaging with the trolls on Facebook, some of whom claimed that "the hospitals are empty" and that the virus was part of a plot to vaccinate or microchip U.S. citizens — just two of the many conspiracy theories that have swirled around the coronavirus.

But he was still left with big questions: How can people believe this stuff? And do they understand the algorithms and opportunistic extremists that led them to believe it?

"It scares me more than anything that there are people who are basically controlled — and in the same way they feel they're fighting against that control," he said. "They go to YouTube, where they're really being controlled, and they don't realize it. That's what's scary."

Maru also said he felt that tech platforms need to do more to deal with disinformation, but he acknowledged that there is no easy fix.

"I do think it's a monumental task to hold these companies to account, but in the COVID case, they truly have blood on their hands," Maru said.

Beyond emergency rooms and internet platforms, there are hints of how far some coronavirus misinformation has spread. Dr. Rajeev Fernando said that when he takes questions about the coronavirus on radio shows, one out of every two callers refers to 5G towers or conspiracy theories about labs in Wuhan, China.

On the phone, sometimes they'll listen to reality, said Fernando, an infectious diseases specialist at Stony Brook Southampton Hospital in New York.

"Some people have an agenda, and you can't help that," Fernando said. "But for other people, I say, 'Let me try to answer your questions and see why you think this way and why I think this is an appropriate answer.'"

Still, Fernando believes social media networks need watchdogs, including physicians, to identify disinformation before it once again becomes a public health crisis.

"We have to understand these [conspiracy theorists] are criminal organizations which really stop at nothing to get disinformation out," Fernando said.

Well-organized, professional disinformation peddlers in the QAnon and anti-vaccination movements have gained new audiences during the coronavirus pandemic by coalescing around two primary boogeymen: Bill Gates and 5G towers.

Halazun heard it all firsthand. He didn't know where it all began or how to stop it.

"These anti-vaccination people were telling me I'm a sheep," Halazun said. "Dr. Fauci this, Bill Gates that. And I don't really care what you think about Bill Gates. It doesn't affect me. But it does affect me when they tell me what we're doing is not real and that the hospitals are really empty. It hurts."

In January, a well-known promoter of QAnon, the baseless conspiracy theory that Trump is secretly dismantling a pedophile-cannibal cabal that runs the U.S. government, pushed a conspiracy theory that Gates "patented" the coronavirus based on a mischaracterized public patent search.

The patent was created by a Gates-aligned research institute to research a vaccine, a common practice among researchers, and it covered a previous coronavirus, not the one that causes COVID-19.

Still, the tweet helped spark a focus on Gates that has permeated the various conspiracy theory networks that have developed on the internet in recent years.

The same QAnon promoter later promoted a diluted form of bleach called "Miracle Mineral Solution" as a possible way to kill the coronavirus.

Similarly, the anti-vaccination movement has pushed a false conspiracy theory that 5G towers are weakening immune systems throughout the world and that COVID-19 is a cover story for the colossal death tolls around the world.

After a prominent anti-vaccination figure posted a video on Instagram of a man alongside a destroyed 5G tower, several arson fires were set on towers across Europe and Canada.

Brian Keeley, a professor of philosophy at Pitzer College in California who studies why people believe in conspiracy theories, said some people in times of crisis look to far-fetched ideas with simple answers for complex problems.

Providing a straightforward, extinguishable enemy — whether it's a well-known celebrity like Gates or a mysterious concept like the illuminati — gives conspiracy theorists hope, agency and power in a time of chaos. In reality, those recognizable, often mortal figures are simply scapegoats for an act of God.

"People are looking for these kinds of explanations to control something in their lives," Keeley said.

Keeley, who's been researching conspiracy theories for over 20 years, said he has abandoned using Facebook because of the "depression that comes from looking at that."

"It's sort of an informational quarantine," he said. "You don't want to be exposing yourself to a different kind of virus."

After researching why people believe in the conspiracy theories, Halazun has come to the same conclusion: Right now, it's not worth it for a doctor to spend any time on Facebook.

"We're limited in our emotional capacity. I'm not going to spend whatever I have left after a long day of work trying to convince a conspiracy theorist," Halazun said. "They're immune to any evidence. You're not going to change their mind."

As Halazun stepped outside after his Facebook experience, he heard the bang of pots and pans and whoops and hollers. It was 7 p.m., and New York City residents were participating in their nightly salute to health care workers on the front lines of fighting the coronavirus pandemic.

"I just started crying," Halazun said. "I thought, 'What do I believe here?' It almost made me question myself. Some people are out there who are sitting in their homes, going on these videos and then telling us it's fake while we're saving lives.

"I felt like 'What are we doing this for?'"

Ben Collins covers disinformation, extremism and the internet for NBC News.


From: "What are we doing this for?': Doctors are fed up with conspiracies ravaging ERs" Ben Collins (May 6, 2020)
Source: https://www.nbcnews.com/tech/tech-news/what-are-we-doing-doctors-are-fed-conspiracies-ravaging-ers-n1201446?cid=sm_npd_nn_tw_ma



#2225
Quote[...] Seit mehreren Wochen befindet sich die Zahl der Neuinfektion in Neuseeland im einstelligen Bereich; sogar Tage ohne neue Covid-19-Fälle wurden vermeldet. Von den 1441 Erkrankungen (Stand 8.Mai), die das Land bisher verzeichnete, endeten ,,nur" 21 tödlich. Zeitungen wie die "New York Times" loben die Fünf-Millionen-Einwohner-Insel für ihren Umgang mit dem Virus. Doch es gibt eine Kehrseite der Erfolgsstory aus Down Under.

Für den glimpflichen Verlauf der Corona-Pandemie gibt es verschiedene Gründe. Während in Italien die Zahl der Neuinfektion in der ersten Märzwoche auf die Tausendermarke zusteuerte, verzeichnete Neuseeland gerade einmal sechs aktive Fälle. Schon am 28. Februar hatte die Regierung die Reisebeschränkungen auf Risikoländer wie Iran oder Italien ausgeweitet, bevor gut drei Wochen später, am 20.März, die Grenzen des Landes komplett geschlossen wurden.

Neben zusätzlicher Vorbereitungszeit half Neuseeland auch seine geografische Lage als Inselstaat. Ein unbemerkter Massenimport an Corona-Fällen, wie in Europa etwa aus den Skiressorts der Alpen, wurde durch die Kontrolle von Flug und Fährverbindungen verhindert.

Bis hierhin waren die Maßnahmen durchaus vergleichbar mit denen anderer Inselregionen, wie beispielsweise Taiwan oder dem oftmals als Bruderstaat bezeichneten Australien. Dann jedoch entschieden sich Neuseelands Politiker dazu, das Virus auf eine Art zu bekämpfen, die man sonst in autokratischen Staaten vermutet hätte.

Am 25. März verkündete die Regierung den nationalen Notstand, um tags darauf die Risikostufe des Covid-19-Notfallplans von drei auf vier anzuheben. Das Land wurde schockgefroren. ,,So einen extremen Lockdown gab es wahrscheinlich nirgendwo sonst auf der Welt", berichtet Oliver Hartwich, ein Deutscher, der in Neuseeland das Forschungsinstitut für Wirtschaft "The New Zealand" leitet. Die Zahl der Neuinfizierten stieg an diesem Tag auf 78, bei landesweit 283 bestätigten Fällen.

Erlaubt waren ab diesem Zeitpunkt nur noch Kontakt mit Personen aus dem eigenen Haushalt; der Bewegungsradius im Freien wurde auf den eigenen Stadtteil begrenzt. ,,Die Bewohner wurden von der Polizei aufgehalten, wenn sie in einen anderen Stadtteil wollten", beschreibt Hartwich die strikten Kontrollen durch die Behörden. Pech hatten zudem diejenigen, die sich zum Zeitpunkt des Lockdowns in einem anderen Teil des Landes befanden. Denn auch Reisen im Inland waren nicht mehr möglich. Und selbst der Besuch von sterbenden Verwandten fiel den strikten Auflagen zum Opfer.

Arbeiten konnten alle Kiwis, ausgenommen systemrelevante Berufe wie Gesundheitspersonal, nur noch von Zuhause aus. Bis auf größere Supermärkte und Gesundheitseinrichtung kam das öffentliche Leben zum Erliegen.

Seit etwas mehr als einer Woche hat Neuseeland seine Bestimmungen leicht gelockert (Risikostufe 3), doch die massiven Einschnitte der vergangenen Wochen haben Spuren hinterlassen. Neuseelands größte Tageszeitung ,,New Zealand Herald" liegen Dokumente vor, wonach die Maßnahmen der Regierung nach Einschätzung des eigenen Verfassungsgerichts rechtlich nicht durchsetzbar gewesen seien. Der oberste Rechtsberater der Regierung, David Parker, wiederum spricht lediglich von einem Entwurf, nicht aber von einer tatsächlichen Empfehlung seiner Behörde.

,,Ein Skandal", sagt Hartwich. Die Regierung habe sich über den Rat aus dem eigenen Haus hinweggesetzt. ,,Normalerweise müsste der Justizminister nach so einem Vorfall zurücktreten." Deutlich macht die Episode, wie nahe sich die Regierung an die Grenzen der Demokratie gewagt hat, um das Virus frühzeitig einzudämmen.

Neuseelands Bürger stört das alles kaum. Die jüngsten Zustimmungswerte für Premierministerin Ardern liegen bei 65 Prozent, die ihrer sozialdemokratischen Labour-Partei bei 55 Prozent. Um Ardern und die Regierung ,,ist ein regelrechter Hype ausgebrochen", berichtet Hartwich.

Ein Grund sei die exzellente Krisenkommunikation der Regierung. Nahezu täglich und pünktlich um 13.00 Uhr erfährt die Nation seit mehreren Wochen alles Wichtige über den Verlauf des Virus im Land und das Vorgehen ihrer Notstandsregierung. Zudem wurden Lohnzuschüsse – ähnlich dem deutschen Kurzarbeitergeld – unbürokratisch bewilligt. Auch das steigere, neben den geringen Fallzahlen, die Popularität, sagt Hartwich.

Umstritten bleibt jedoch, ob die tiefgreifenden Einschnitte der Regierung in das Privatleben der Bürger überhaupt notwendig waren. Ausgerechnet der Blick auf Neuseelands großen Bruder Australien rücken die Maßnahmen in ein anderes Licht. Gemessen an der größeren Bevölkerung befinden sich dort die Fallzahlen auf einem ähnlich niedrigen Niveau, obwohl nie ein vollständiger Lockdown ausgerufen wurde und das öffentliche Leben ähnlich dem in Deutschland weiter begrenzt stattfinden konnte. "Australien wird deswegen auch wirtschaftlich besser aus der Krise kommen", meint Wirtschaftsexperte Hartwich.

Aus Sicht Hartwichs sei die Regierung Neuseelands ,,trotz geringer Fallzahlen in Panik verfallen". Der Grund: Die Politik habe kaum über die Leistungsfähigkeit des eigenen Gesundheitssystem Bescheid gewusst. Eine Anfrage seines Instituts zu Beginn der Krise, wie viele Intensivbetten und Beatmungsgeräte im Land verfügbar wären, konnte nicht beantwortet werden.

Kommenden Montag entscheidet das Kabinett nun über weitere Lockerungsmaßnahmen. Doch schon jetzt mehren sich die Stimmen, die Regierung und die Premierministerin würden die gesundheitspolitischen Maßnahmen als Wahlhilfe nutzen. Gewählt wird in Neuseeland am 19.September.

Die Gratwanderung zwischen Gesundheitsschutz und persönlicher Freiheit der Bürger ist vor allem in Deutschland ein vieldiskutiertes Thema. Wie weit darf der Staat gehen, wenn es um die Eindämmung des Virus geht? In Neuseeland haben sie sich dazu klar positioniert: sehr weit.


Aus: "Neuseeland drückt Corona-Neuinfektionen auf 0, doch der Preis dafür ist hoch" Benjamin Hirsch (Freitag, 08.05.2020)
Quelle: https://www.focus.de/perspektiven/gesellschaft-gestalten/strikter-lockdown-neuseeland-drueckt-corona-neuinfektionen-auf-0-doch-der-preis-dafuer-ist-hoch_id_11968565.html
#2226
Quote[...] Nach vorläufigen Ergebnissen liegen die Sterbefallzahlen in Deutschland seit der 13. Kalenderwoche (22. bis 29. März 2020) über dem Durchschnitt der jeweiligen Kalenderwochen der Jahre 2016 bis 2019. In der 13. Kalenderwoche sind mindestens 19 385 Menschen gestorben, in der 14. Kalenderwoche (30. März bis 5. April) mindestens 20 207 und in der 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) mindestens 19 872. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, war die Abweichung der Sterbefallzahlen nach oben in der 15. Kalenderwoche mit knapp 2 000 Fällen beziehungsweise 11 % über dem vierjährigen Durchschnitt am größten. Im Vergleich zu den einzelnen Jahren liegen die Sterbefallzahlen dieser Woche in einer Spannweite von 18 % über den Zahlen von 2017 und 4 % über denen von 2018. Die aktuelle Entwicklung ist auffällig, weil die Sterbefallzahlen in dieser Jahreszeit aufgrund der ausklingenden Grippewelle üblicherweise von Woche zu Woche abnehmen. Dies deutet auf eine Übersterblichkeit im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hin.

Eine Übersterblichkeit nach der hier verwendeten Definition liegt dann vor, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt im Jahresverlauf mehr Menschen sterben als nach der Sterblichkeit in den vergangenen Jahren (hier der Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019) zu erwarten gewesen wären.

Überdurchschnittliche hohe Sterbefallzahlen auch in anderen Staaten Die gesamten Sterbefallzahlen werden derzeit in vielen Ländern herangezogen, um zu bewerten, ob es im Zusammenhang mit der Pandemie eine erhöhte Sterblichkeit gibt. Zu einer solchen Entwicklung können gemeldete und nicht gemeldete COVID-19 Todesfälle beitragen, aber auch Todesfälle, die nur indirekt oder in gar keinem Zusammenhang mit der Pandemie stehen. Im europäischen Vergleich ist der Umfang der Übersterblichkeit in Deutschland bislang gering. Beispielsweise weisen gegenwärtig die nationalen Statistischen Ämter Belgiens, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, der Niederlande, Österreichs, Schwedens, der Schweiz und Spaniens zum Teil wesentlich höhere Sterbezahlen im Vergleich zum Durchschnitt der Vorjahre aus. Dagegen werden etwa für Norwegen und Tschechien keine auffälligen Veränderungen aufgezeigt. Die Angaben dieser Staaten beruhen auf den jeweiligen nationalen Methoden und zeitlichen Abgrenzungen der Daten. Zum Teil beziehen sie sich auf das Meldedatum und nicht auf den tatsächlichen Todestag. Auch die Anteile fehlender Meldungen sind unterschiedlich.

Eigene Auswertungen zum Jahresverlauf der Sterbefallzahlen sind auf Basis der Sonderauswertung ,,Sterbefälle – Fallzahlen nach Tagen, Wochen, Monaten, Altersgruppen und Bundesländern für Deutschland 2016 bis 2020" möglich. Für die Jahre 2019 und 2020 werden erste vorläufige Daten dargestellt. Ein Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019 beinhaltet folglich sowohl endgültige als auch vorläufige Daten. Bei den vorläufigen Daten handelt es sich um eine reine Fallzahlauszählung der eingegangenen Sterbefallmeldungen aus den Standesämtern ohne die übliche Plausibilisierung und Vollständigkeitskontrolle der Daten. Die Angaben beziehen sich auf den Todestag und nicht auf das Meldedatum.

Durch gesetzliche Regelungen zur Meldung von Sterbefällen beim Standesamt und Unterschiede im Meldeverhalten der Standesämter an die amtliche Statistik sind aktuelle Aussagen zur Zahl der Sterbefälle mit einem Verzug von etwa vier Wochen möglich. Durch die verzögerten Meldungen können sich die ersten Ergebnisse für das Jahr 2020 noch leicht erhöhen. Die Sonderauswertung wird ab sofort wöchentlich aktualisiert. Eine neue Veröffentlichung mit aktualisierten Fallzahlen und ersten Daten für die 16. Kalenderwoche (13. bis 19. April 2020) wird am 15. Mai 2020 vorliegen.


Aus: "Corona: Sterbefallzahlen seit Ende März über dem Durchschnitt" (8. Mai 2020)
Quelle: https://www.ruhrbarone.de/corona-sterbefallzahlen-seit-ende-maerz-ueber-dem-durchschnitt/184653#more-184653

https://www.swp.de/panorama/corona-coronavirus-tote-sterblichkeit-uebersterblichkeit-statistik-aktuell-news-46053044.html

"Schockierende Daten aus Bergamo: Pandemie-Hotspot Italien: Studie zeigt Übersterblichkeit von bis zu 578 Prozent" (Freitag, 08.05.2020)
Italien ist von der Coronapandemie besonders stark betroffen. Doch ein Blick auf die Apennin-Halbinsel zeigt extreme Unterschiede bei Infektions- und Sterblichkeitsquoten auf. Am Beispiel der besonders schwer betroffenen Region um Bergamo zeigt sich, dass auch fatale Fehler von Krankenhäusern und Behörden die verheerende Ausbreitung des Virus erheblich erleichterten. Die Zahlen sprechen für sich: Knapp 30.000 Coronatote in Italien und 213.000 Infizierte. In Deutschland hingegen, das rund 23 Millionen Einwohner mehr hat als Italien, sind es derzeit etwas mehr 7000, denen das Virus ihr Leben nahm, rund 167.000 Menschen habe sich hierzulande infiziert. Damit ist Italien mit Großbritannien das in Europa am stärksten betroffen Land. ...
https://www.focus.de/politik/ausland/schockierende-daten-aus-der-region-bergamo-pandemie-hotspot-italien-horrende-uebersterblichkeit-und-desastroeses-krisenmanagement_id_11963098.html

Sterbefälle und Lebenserwartung Sonderauswertung zu Sterbefallzahlen des Jahres 2020
https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/sterbefallzahlen.html
#2227
Quote[...] WhatsApp- und Telegram-Nutzer wissen Bescheid: Ibuprofen verschlimmert Covid-19, Knoblauch hält das Coronavirus auf Abstand, warmer Ingwertee tötet es ab. In der Krise blühen neben derlei weit geteilten "Fake News" zudem Verschwörungstheorien: Bill Gates steckt hinter SARS-CoV-2, das als Bio-Waffe in einem chinesischen Labor entwickelt wurde, die Erkrankung selbst wird von 5G-Strahlung verursacht.

Richtig eintauchen in die Szene der Verschwörungsideologen könne man auch auf den samstäglichen Kundgebungen gegen die Corona-Einschränkungen an der Volksbühne in Berlin, berichtete die Netzaktivistin Katharina Nocun am Donnerstag auf der ins digitale Exil geflüchteten re:publica. "Den Bonzen stinkt es schon lange, dass wir auf dieser Welt rumlaufen", bekomme man dort etwa zu hören, von Nazi- und Stasi-Methoden und dem drohenden Impfzwang sei dort die Rede.

Die Demonstranten als "besorgte Bürger" einzuschätzen, greift laut Nocun zu kurz. Wenn etwa zu hören sei, dass die BRD besetzt sei, verweise dies auf die Reichsbürgerszene. Ein Q-Zeichen signalisiere die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Online-Gruppe QAnon, die wiederum eng mit der Querfront-Strategie verknüpft sei. Dazu komme ein Hauch neue Weltordnung alias NWO als antisemitische Verschwörungserzählung. Der Topos der Gedankenkontrolle sei typisch für "esoterische Gruppen, die nach rechts offen sind".

Im Kern handle es sich bei vielen auf solchen Aufläufen aktiven Personen und sich ähnlich äußernden rechtsextremen YouTubern und Ideologen um dieselbe Klientel wie bei den Klimawandel-Leugnern, meint die Bloggerin. In Remix-Tradition hätten diese an Corona angedockt. Aus der NWO werde dabei ein "globaler Putsch der Elite", der durch den strikten Lockdown alles verändere. Aus rassistischen Erzählungen würden chinesische Bio-Waffen, da alles Böse aus der Fremde komme. So werde die Pandemie "zum Teil einer umfassenden Verschwörung, eines Mythos gemacht".

Dahinter stehen Nocun zufolge keine Theorien, da Verschwörungsideologen wissenschaftliche Methoden entschieden ablehnten. Es handle sich vielmehr um den Glauben, dass als mächtig wahrgenommene Gruppen oder Individuen wichtige Ereignisse in der Welt beeinflussten, um der Bevölkerung gezielt zu schaden, diese aber über die eigenen Ziele im Dunkeln zu lassen. Daraus leite sich etwa der Wahn ab, dass Politik und Medien alle unter einer Decke steckten.

Ein wichtiges Narrativ sei: "Wir gegen den Rest der Welt, andere sind Mitläufer der Bösen", führte die Autorin des Buchs "Fake Facts" aus. Daraus speise sich ein "immenses Gruppengefühl". Dazu trete oft der "Teflon-Effekt" ein, wonach gerade über die "Systempresse" verbreitete Faktenchecks falsch sein müssten. Hinzu komme der Gedanke, man könne innerhalb eines demokratischen Systems nichts bewegen, der bereits mit als "Radikalisierungsbeschleuniger" für viele rechtsextreme Attentäter gedient habe.

Verschwörungserzählungen entsprängen dem Gefühl, "machtlos einer Situation ausgeliefert zu sein", und stellten eine "Kompensation von Kontrollverlust" dar, ergänzte Nocuns Ko-Autorin Pia Lamberty. Viele Anhänger solcher Ideologien hätten auch ein starkes Bedürfnis, einzigartig zu sein. Sie glaubten, "große Ereignisse müssen große Ursachen haben", weiß die Psychologin. Ein "böser Verschwörer" stecke also dahinter. Derzeit sie diese Geisteshaltung besonders gefährlich, da die Betroffenen weniger Maßnahmen folgten, die die Pandemie eindämmen könnten. Der Irrglaube wirke sich so direkt auch auf die Gesundheitsvorsorge aus.

Verschwörungstheorien, Hate Speech und Hetze bedrohten darüber hinaus die Demokratie, monierte Ben Scott von der Denkfabrik Reset in einem Panel zu Desinformation auf der parallel gestreamten Media Convention Berlin. Der von den Big-Tech-Firmen praktizierte Überwachungskapitalismus befördere diese Entwicklung. Diese seien nur darauf aus, "dass wir am Bildschirm bleiben und Anzeigen gucken". Sensationelle Inhalte würden daher mit Algorithmen hochgepusht. "Fake Accounts" und Bots täten das Übrige, um eine Story aufzublasen. Dagegen helfe nur, die Datensammlung einzuschränken, das Kartellrecht nachzujustieren, Clickbaits zu verbieten und in Medienkompetenz zu investieren.

Der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, Tobias Schmid, sprach sich dafür aus, die reine Selbstregulierung der großen Plattformen im Kampf gegen Falschnachrichten in eine den Staat einbindende Ko-Regulierung weiterzuentwickeln. Nötig sei ein Gesetz gegen Fake News, um die "unheimlich sensible Balance" in diesem Bereich zu halten. "Wir agieren am offenen Herzen der Meinungsfreiheit", gab der frühere RTL-Medienpolitikchef zu bedenken.

Auf Basis eines aktuellen Berichts der Europäischen Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (Erga) kritisierte Schmid, dass sich die Wirksamkeit des etwa von Facebook, Google, Microsoft und Twitter unterzeichneten EU-Verhaltenskodex zum Kampf gegen Desinformation von außen nur schwer überprüfen lasse. Herausgegebene Daten seien meist nicht auf Mitgliedsstaaten heruntergebrochen und es bleibe offen, ob sie vollständig oder manipuliert seien. Am künftigen Medienstaatsvertrag der Länder begrüßte er vor allem, dass die Regulierer künftig gegen Verstöße gegen journalistische Sorgfaltspflichten auch im Internet vorgehen könnten. So lasse sich zumindest ein "Teil von Fehlinformation" aussortieren, der "im Gewand des Journalismus" mit "perfider Wirkmacht" daherkomme.

Betreiber sozialer Netzwerke hätten ein Eigeninteresse, "Falschinformationen ausfindig zu machen und zu reduzieren", hielt Googles hiesige Regulierungschefin Sabine Frank dagegen. Das Vertrauen der Nutzer und der Werbetreibenden wäre sonst rasch dahin. In der Corona-Krise verlinke die Tochterfirma YouTube schon auf der Startseite auf Qualitätsinhalte, die Sichtbarkeit "grenzwertiger" Beiträge werde reduziert, eindeutig rechtswidrige entfernt. Just bei Desinformation und Verschwörungen handle es sich aber um eine "raffinierte Verflechtung von Wahrem und Falschem", warf Juliane von Reppert-Bismarck von der Organisation Lie Detectors ein. An diesem Mix scheitere so mancher von den Plattformen eingesetzte Algorithmus. (kbe)


Aus: "re:publica: Vom Klimawandel-Leugner über die Querfront zum Corona-Verschwörer" Stefan Krempl (08.05.2020)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/re-publica-Vom-Klimawandel-Leugner-ueber-die-Querfront-zum-Corona-Verschwoerer-4717006.html

Quote

    Puri, 08.05.2020 09:13

weil gesunder Menschenverstand aus der Mode ist..

müssen wir uns über solche blödsinnigen Theorien überhaupt Gedanken machen. Ich denke manchmal: Internet und Social Media fressen Hirn auf. Früher haben wir uns über die amerikanisch orientierten Bedienungsanleitungen amüsiert (nicht die Katze zum Trocknen in die Microwelle) - heute sind wir genauso blöd. ...


Quoteherzbluten, 08.05.2020 11:15

"esoterische Gruppen, die nach rechts offen sind"

Ja, gibt es definitiv.

Aber typisch für die großteils Linken von re:publica, den ganzen nicht minder esoterischen linken Dreck wegzuschweigen.

Dabei sind es besonders Linke, die gerne an Homöopathie und Weltenverschwörungen und anderen dummen Schwachsinn glauben - an "militärisch-industrieller Komplex", an giftige 5G-"Verstrahlungen", an vergiftetes Essen, das nur Veganismus moralisch ok sei, glauben an esoterischen erwiesenen Schwachsinn wie Kommunismus oder Sozialismus oder Bachblütentherapie, an Trommelurschreitherapie, an Tanz-Deinen-Namen, glauben das man keine Armee oder Polizei benötig, Drogen aber problemfrei sind, das man alles, was nichts links ist, abfackeln und zum Schweigen bringen muss, wobei der Zweck die Mittel heiligt, und so weiter und so fort.

Auf dem linken Auge blind nennt man das.
Bei mir sind es eher die linken Gesellen, die im ganzen "Corona-Quatsch" eine Weltenverschwörung sehen, natürlich von Rechten, die nun alle Bürger unterdrücken wollten.

Tatsächlich treffen auf Anti-Corona-Maßnahmen-Demos linke wie rechte Radikale fröhlich und friedlich zusammen (zumindest nach innen hin), denn der gemeinsame Feind ist ja sowieso die Mitte und das Bürgertum und der demokratische Staat.

Fröhlich werden diese linken wie rechten Schwachköpfe und *köpf*Innen von russischer Deppenpropaganda aufgestachelt - wobei es auch genügend inländische Schwachköpfe gibt, keine Frage :-)

Linke wie rechte antiwissenschaftliche Faktenleugner bitte alle in einen Sack und dagegen Stellung beziehen - aber NIEMALS auf einem Auge blind sein, das ist entlarvend!

Schweigen kann ein lautes Brüllen sein ...

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.05.2020 11:18).


Quoteleed, 08.05.2020 10:55

Irgendwie immer dasselbe Muster

In Sozialen Medien haben ein paar Leute mit dem Verschwörungsmist angefangen. Auch draussen auf der Strasse hört man gewisses.

Doch was sie alle gemeinsam haben, sie verbreiten einfach jeden Mist, der ihnen grad in die Finger gelangt. Sie verfolgen keine klare Linie, glauben nicht an eine spezifische Theorie. Geht es gegen die Corona Massnahmen, wird es ohne irgendwelche Überprüfungen gleich weiter geteilt.

Ich finde man darf ruhig kritisch sein. Doch dafür reichen die offiziellen quellen (Bund, Who, Medien etc) völlig aus. Da gibt es genug zum Hinterfragen. Kein Grund gleich Echsenmenschen, Illuminaten, Ufos und 5G Strahlungsparanoia auszupacken.

Genauere Auseinandersetzung mit diesen Personen führte zur Einsicht, dass diese alle auf ihre eigene Art verärgert sind, mit dem Umgang in der Coronakrise. Ein paar Beispiele.

- Eigenes Geschäft von durch die Krise im Konkurs
- Finanzielle Probleme aufgrund von Kurzarbeit
- Aktivist der von der eigenen Partei enttäuscht wurde
- Traumabedingte Probleme mit dem Tragen einer Maske

...alles in allem nur emotionale Ausbrüche. Reine Abneigung gegen die aktuelle Situation. Keine ernstzunehmende Überlegungen dahinter.


...

-

Quote[...] Jede Aussage, jedes Ereignis wird in die Weltanschauung integriert. Es gibt keine äußere Wirklichkeit mehr, nur noch ein Nichtwissen der anderen. Deswegen lassen sich Verschwörungstheorien auch nicht auf der inhaltlichen Ebene bekämpfen, sondern, wenn überhaupt, nur sehr viel früher an ganz anderer Stelle. Bei dem, was der österreichische Psychiater Reinhard Haller "die Macht der Kränkung" nennt. Denn es scheint, es gebe nicht nur die von Freud geprägten "Kränkungen der Menschheit", sondern auch sehr folgenreiche Kränkungen der Männlichkeit. Kränkungen, die ihre Träger deshalb so tief verwunden, weil sie von Anfang an glauben gemacht werden, sie hätten einen Anspruch auf Macht, Autorität, Erfolg, Gehorsam, Hörigkeit, Bewunderung und Gefolgschaft. Man könnte meinen, es handle sich dabei um eine Verschwörung. Aber ich lasse mich von Ihnen gerne vom Gegenteil überzeugen. (Nils Pickert, 9.5.2020)


Aus: "Gekränkte Männer und krude Theorien" Nils Pickert (9. Mai 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000117347191/gekraenkte-maenner-und-krude-theorien
#2228
Quote[...] WhatsApp- und Telegram-Nutzer wissen Bescheid: Ibuprofen verschlimmert Covid-19, Knoblauch hält das Coronavirus auf Abstand, warmer Ingwertee tötet es ab. In der Krise blühen neben derlei weit geteilten "Fake News" zudem Verschwörungstheorien: Bill Gates steckt hinter SARS-CoV-2, das als Bio-Waffe in einem chinesischen Labor entwickelt wurde, die Erkrankung selbst wird von 5G-Strahlung verursacht.

Richtig eintauchen in die Szene der Verschwörungsideologen könne man auch auf den samstäglichen Kundgebungen gegen die Corona-Einschränkungen an der Volksbühne in Berlin, berichtete die Netzaktivistin Katharina Nocun am Donnerstag auf der ins digitale Exil geflüchteten re:publica. "Den Bonzen stinkt es schon lange, dass wir auf dieser Welt rumlaufen", bekomme man dort etwa zu hören, von Nazi- und Stasi-Methoden und dem drohenden Impfzwang sei dort die Rede.

Die Demonstranten als "besorgte Bürger" einzuschätzen, greift laut Nocun zu kurz. Wenn etwa zu hören sei, dass die BRD besetzt sei, verweise dies auf die Reichsbürgerszene. Ein Q-Zeichen signalisiere die Zugehörigkeit zur rechtsextremen Online-Gruppe QAnon, die wiederum eng mit der Querfront-Strategie verknüpft sei. Dazu komme ein Hauch neue Weltordnung alias NWO als antisemitische Verschwörungserzählung. Der Topos der Gedankenkontrolle sei typisch für "esoterische Gruppen, die nach rechts offen sind".

Im Kern handle es sich bei vielen auf solchen Aufläufen aktiven Personen und sich ähnlich äußernden rechtsextremen YouTubern und Ideologen um dieselbe Klientel wie bei den Klimawandel-Leugnern, meint die Bloggerin. In Remix-Tradition hätten diese an Corona angedockt. Aus der NWO werde dabei ein "globaler Putsch der Elite", der durch den strikten Lockdown alles verändere. Aus rassistischen Erzählungen würden chinesische Bio-Waffen, da alles Böse aus der Fremde komme. So werde die Pandemie "zum Teil einer umfassenden Verschwörung, eines Mythos gemacht".

Dahinter stehen Nocun zufolge keine Theorien, da Verschwörungsideologen wissenschaftliche Methoden entschieden ablehnten. Es handle sich vielmehr um den Glauben, dass als mächtig wahrgenommene Gruppen oder Individuen wichtige Ereignisse in der Welt beeinflussten, um der Bevölkerung gezielt zu schaden, diese aber über die eigenen Ziele im Dunkeln zu lassen. Daraus leite sich etwa der Wahn ab, dass Politik und Medien alle unter einer Decke steckten.

Ein wichtiges Narrativ sei: "Wir gegen den Rest der Welt, andere sind Mitläufer der Bösen", führte die Autorin des Buchs "Fake Facts" aus. Daraus speise sich ein "immenses Gruppengefühl". Dazu trete oft der "Teflon-Effekt" ein, wonach gerade über die "Systempresse" verbreitete Faktenchecks falsch sein müssten. Hinzu komme der Gedanke, man könne innerhalb eines demokratischen Systems nichts bewegen, der bereits mit als "Radikalisierungsbeschleuniger" für viele rechtsextreme Attentäter gedient habe.

Verschwörungserzählungen entsprängen dem Gefühl, "machtlos einer Situation ausgeliefert zu sein", und stellten eine "Kompensation von Kontrollverlust" dar, ergänzte Nocuns Ko-Autorin Pia Lamberty. Viele Anhänger solcher Ideologien hätten auch ein starkes Bedürfnis, einzigartig zu sein. Sie glaubten, "große Ereignisse müssen große Ursachen haben", weiß die Psychologin. Ein "böser Verschwörer" stecke also dahinter. Derzeit sie diese Geisteshaltung besonders gefährlich, da die Betroffenen weniger Maßnahmen folgten, die die Pandemie eindämmen könnten. Der Irrglaube wirke sich so direkt auch auf die Gesundheitsvorsorge aus.

Verschwörungstheorien, Hate Speech und Hetze bedrohten darüber hinaus die Demokratie, monierte Ben Scott von der Denkfabrik Reset in einem Panel zu Desinformation auf der parallel gestreamten Media Convention Berlin. Der von den Big-Tech-Firmen praktizierte Überwachungskapitalismus befördere diese Entwicklung. Diese seien nur darauf aus, "dass wir am Bildschirm bleiben und Anzeigen gucken". Sensationelle Inhalte würden daher mit Algorithmen hochgepusht. "Fake Accounts" und Bots täten das Übrige, um eine Story aufzublasen. Dagegen helfe nur, die Datensammlung einzuschränken, das Kartellrecht nachzujustieren, Clickbaits zu verbieten und in Medienkompetenz zu investieren.

Der Direktor der Landesanstalt für Medien NRW, Tobias Schmid, sprach sich dafür aus, die reine Selbstregulierung der großen Plattformen im Kampf gegen Falschnachrichten in eine den Staat einbindende Ko-Regulierung weiterzuentwickeln. Nötig sei ein Gesetz gegen Fake News, um die "unheimlich sensible Balance" in diesem Bereich zu halten. "Wir agieren am offenen Herzen der Meinungsfreiheit", gab der frühere RTL-Medienpolitikchef zu bedenken.

Auf Basis eines aktuellen Berichts der Europäischen Regulierungsstellen für audiovisuelle Mediendienste (Erga) kritisierte Schmid, dass sich die Wirksamkeit des etwa von Facebook, Google, Microsoft und Twitter unterzeichneten EU-Verhaltenskodex zum Kampf gegen Desinformation von außen nur schwer überprüfen lasse. Herausgegebene Daten seien meist nicht auf Mitgliedsstaaten heruntergebrochen und es bleibe offen, ob sie vollständig oder manipuliert seien. Am künftigen Medienstaatsvertrag der Länder begrüßte er vor allem, dass die Regulierer künftig gegen Verstöße gegen journalistische Sorgfaltspflichten auch im Internet vorgehen könnten. So lasse sich zumindest ein "Teil von Fehlinformation" aussortieren, der "im Gewand des Journalismus" mit "perfider Wirkmacht" daherkomme.

Betreiber sozialer Netzwerke hätten ein Eigeninteresse, "Falschinformationen ausfindig zu machen und zu reduzieren", hielt Googles hiesige Regulierungschefin Sabine Frank dagegen. Das Vertrauen der Nutzer und der Werbetreibenden wäre sonst rasch dahin. In der Corona-Krise verlinke die Tochterfirma YouTube schon auf der Startseite auf Qualitätsinhalte, die Sichtbarkeit "grenzwertiger" Beiträge werde reduziert, eindeutig rechtswidrige entfernt. Just bei Desinformation und Verschwörungen handle es sich aber um eine "raffinierte Verflechtung von Wahrem und Falschem", warf Juliane von Reppert-Bismarck von der Organisation Lie Detectors ein. An diesem Mix scheitere so mancher von den Plattformen eingesetzte Algorithmus. (kbe)


Aus: "re:publica: Vom Klimawandel-Leugner über die Querfront zum Corona-Verschwörer" Stefan Krempl (08.05.2020)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/re-publica-Vom-Klimawandel-Leugner-ueber-die-Querfront-zum-Corona-Verschwoerer-4717006.html

Quote

    Puri, 08.05.2020 09:13

weil gesunder Menschenverstand aus der Mode ist..

müssen wir uns über solche blödsinnigen Theorien überhaupt Gedanken machen. Ich denke manchmal: Internet und Social Media fressen Hirn auf. Früher haben wir uns über die amerikanisch orientierten Bedienungsanleitungen amüsiert (nicht die Katze zum Trocknen in die Microwelle) - heute sind wir genauso blöd. ...


Quoteherzbluten, 08.05.2020 11:15

"esoterische Gruppen, die nach rechts offen sind"

Ja, gibt es definitiv.

Aber typisch für die großteils Linken von re:publica, den ganzen nicht minder esoterischen linken Dreck wegzuschweigen.

Dabei sind es besonders Linke, die gerne an Homöopathie und Weltenverschwörungen und anderen dummen Schwachsinn glauben - an "militärisch-industrieller Komplex", an giftige 5G-"Verstrahlungen", an vergiftetes Essen, das nur Veganismus moralisch ok sei, glauben an esoterischen erwiesenen Schwachsinn wie Kommunismus oder Sozialismus oder Bachblütentherapie, an Trommelurschreitherapie, an Tanz-Deinen-Namen, glauben das man keine Armee oder Polizei benötig, Drogen aber problemfrei sind, das man alles, was nichts links ist, abfackeln und zum Schweigen bringen muss, wobei der Zweck die Mittel heiligt, und so weiter und so fort.

Auf dem linken Auge blind nennt man das.
Bei mir sind es eher die linken Gesellen, die im ganzen "Corona-Quatsch" eine Weltenverschwörung sehen, natürlich von Rechten, die nun alle Bürger unterdrücken wollten.

Tatsächlich treffen auf Anti-Corona-Maßnahmen-Demos linke wie rechte Radikale fröhlich und friedlich zusammen (zumindest nach innen hin), denn der gemeinsame Feind ist ja sowieso die Mitte und das Bürgertum und der demokratische Staat.

Fröhlich werden diese linken wie rechten Schwachköpfe und *köpf*Innen von russischer Deppenpropaganda aufgestachelt - wobei es auch genügend inländische Schwachköpfe gibt, keine Frage :-)

Linke wie rechte antiwissenschaftliche Faktenleugner bitte alle in einen Sack und dagegen Stellung beziehen - aber NIEMALS auf einem Auge blind sein, das ist entlarvend!

Schweigen kann ein lautes Brüllen sein ...

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (08.05.2020 11:18).


Quoteleed, 08.05.2020 10:55

Irgendwie immer dasselbe Muster

In Sozialen Medien haben ein paar Leute mit dem Verschwörungsmist angefangen. Auch draussen auf der Strasse hört man gewisses.

Doch was sie alle gemeinsam haben, sie verbreiten einfach jeden Mist, der ihnen grad in die Finger gelangt. Sie verfolgen keine klare Linie, glauben nicht an eine spezifische Theorie. Geht es gegen die Corona Massnahmen, wird es ohne irgendwelche Überprüfungen gleich weiter geteilt.

Ich finde man darf ruhig kritisch sein. Doch dafür reichen die offiziellen quellen (Bund, Who, Medien etc) völlig aus. Da gibt es genug zum Hinterfragen. Kein Grund gleich Echsenmenschen, Illuminaten, Ufos und 5G Strahlungsparanoia auszupacken.

Genauere Auseinandersetzung mit diesen Personen führte zur Einsicht, dass diese alle auf ihre eigene Art verärgert sind, mit dem Umgang in der Coronakrise. Ein paar Beispiele.

- Eigenes Geschäft von durch die Krise im Konkurs
- Finanzielle Probleme aufgrund von Kurzarbeit
- Aktivist der von der eigenen Partei enttäuscht wurde
- Traumabedingte Probleme mit dem Tragen einer Maske

...alles in allem nur emotionale Ausbrüche. Reine Abneigung gegen die aktuelle Situation. Keine ernstzunehmende Überlegungen dahinter.


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#2229
Quote[...]  Obwohl Schweden der eigenen Wirtschaft keine Zwangspause verordnet hat, erwarten Experten einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Der Autohersteller Volvo hat Ende April etwa angekündigt, 1.300 Stellen im Land zu streichen.

Der schwedische Weg durch die Corona-Pandemie ist ein eigener. Aber es kann keine Rede davon sein, dass in Schweden alles seinen gewohnten Lauf nimmt. "Normalerweise sind 70 Leute im Büro, jetzt sitze ich mit zwei Kollegen allein hier", erzählt Erik Spector, Leiter der Konjunkturforschung am Nationalen Institut für Wirtschaftsforschung in Stockholm. Binnen weniger Wochen musste sein Team die Prognosen für die schwedische Wirtschaft massiv nach unten korrigieren. Vor der Krise erwarteten sich die Forscher ein Wachstum von 1,7 Prozent.

Noch Anfang April rechneten die Ökonomen damit, dass die Wirtschaftsleistung heuer nur um drei Prozent einbricht. Inzwischen sieht es nach einem Minus von sieben Prozent aus – damit wäre die Rezession in Schweden in etwa so tief wie in Österreich. Wie kann das sein, wo doch alle Welt Schweden als Feldexperiment betrachtet, bei dem das wirtschaftliche und soziale Leben als Reaktion auf die Pandemie im Vergleich zu anderen Ländern kaum eingeschränkt wurde?

Schweden ist so wie Österreich eine kleine offene Volkswirtschaft, die stark vom Außenhandel abhängig ist, erklärt Spector. "Durch die Krise ist nicht nur die Nachfrage nach unseren Produkten eingebrochen, den Fabriken fehlten auch wichtige Bauteile." Als China in den Shutdown ging, brachen wesentliche Lieferketten für die Industrie zusammen. Der Autobauer Volvo etwa hat seine Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und seine Fabrik nahe Göteborg für einen Monat zugesperrt. Außerdem trennte sich der Konzern von 1.300 Büromitarbeitern.

Ein Blick auf die wichtigsten Handelspartner Schwedens zeigt, dass allen eine vergleichbar schwere Rezession bevorsteht. Mitgehangen, mitgefangen gilt für Schwedens Wirtschaft unabhängig von heimischen Einschränkungen.

Die enge Verflechtung mit dem Ausland ist aber nur ein Aspekt. Müssten die Schweden nicht von ihrem weniger restriktiven Ansatz, die Wirtschaft nicht per Gesetz herunterzufahren, profitieren? Immerhin dürfen Geschäfte, Restaurants und Hotels mit kleinen Einschränkungen so weitermachen wie früher.

"Die Behörden haben kaum Einschränkungen des öffentlichen Lebens verordnet, aber es gibt eine Menge Empfehlungen der Gesundheitsexperten", sagt Spector. "Diese werden von vielen Menschen befolgt." Etliche Restaurants hätten geschlossen, Umsätze in der Hotellerie seien rund 95 Prozent eingebrochen, und kaum jemand würde noch verreisen, schildert der Ökonom. Der Dienstleistungssektor sei dadurch hart getroffen.

Die Konjunkturforscher rechnen damit, dass die Schweden im laufenden Jahr um drei Prozent weniger konsumieren werden. Das entspricht laut dem Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) dem heurigen Konsumverzicht der Österreicher, die vermeintlich strikte Ausgangsbeschränkungen erlebten und – wenn sie das Haus verließen – vor allem an behördlich geschlossenen Läden und Gasthäusern vorbeijoggen mussten. Ob das Geschäft wegbricht, weil die Leute zu Hause bleiben müssen oder weil sie dies freiwillig tun, spielt wirtschaftlich letztlich keine Rolle.

Weil die schwedischen Konsumenten sich selbst einschränken, versiegten auch die Investitionen der Unternehmen. Statt sich für die Zukunft zu wappnen, mussten viele Firmen Mitarbeiter entlassen. Die Arbeitslosenrate soll, je nach Prognose, im skandinavischen Land heuer auf rund zehn Prozent klettern. Laut EU-Prognose wird sich die Arbeitslosigkeit auch 2021 nur auf 9,3 Prozent verringern. Das ist fast doppelt so hoch wie die für Österreich erwarteten fünf bis sechs Prozent, nach EU-Definition.

"Schweden hatte schon vor der Krise eine hohe Arbeitslosigkeit", sagt Spector. Konkret: 2019 lag sie bei 6,8 Prozent. Der Grund ist laut Spector auch, dass ein breiter Teil der Gesellschaft am Erwerbsleben teilnimmt. Jugendliche, die Ferialjobs machen, sind genauso arbeitslosenversichert wie ältere Menschen, die im fließenden Übergang in die Pension noch am Arbeitsmarkt mitwirken. Der Anteil der Menschen in einer Volkswirtschaft, die entweder arbeiten oder eine Stelle suchen, nennen Ökonomen Erwerbsquote. Mit 83 Prozent hat Schweden die höchste Erwerbsquote in der EU, Österreich liegt mit zuletzt 77 Prozent im guten Mittelfeld.

Wenn in einem Land wie Schweden viele Menschen am Arbeitsmarkt teilnehmen, führt eine Wirtschaftskrise, die kaum einen Sektor auslässt, zu mehr Arbeitslosen. Der Vorteil einer hohen Erwerbsquote ist, dass weniger Menschen von öffentlichen oder privaten Transfers leben, sondern im Gegenteil die Staatseinnahmen durch Steuern und Abgaben erhöht werden.

Entsprechend weniger Schulden musste Schweden in den vergangenen Jahren aufnehmen, sie belaufen sich auf 35 Prozent der Wirtschaftsleistung. "Wir erwarten, dass die Verschuldung wegen der Krise auf etwa 45 Prozent klettert", bedauert Spector. In Österreich lag die Schuldenquote zuletzt bei 70 Prozent, krisenbedingt soll sie laut Wifo im kommenden Jahr auf über 80 Prozent steigen. Der finanzielle Spielraum ist wichtig. Denn Stockholm nimmt rund 20 Milliarden Euro in die Hand, um Kurzarbeit und andere Förderungen für schwedische Unternehmen und deren Mitarbeiter zu finanzieren. Auch in dieser Hinsicht unterscheidet sich das skandinavische Land nicht von Österreich.

Aus wirtschaftlicher Sicht ist Schweden keinen Sonderweg in der Corona-Krise gegangen. Wer glaubt, die Länder mit strikten Lockdowns hätten ihrer Wirtschaft unnötig geschadet, kann sich an dem nordischen Land kein Vorbild nehmen. Zu eng sind moderne Volkswirtschaften verflochten, als dass man einer weltweiten Krise entkommen könnte. Und wenn die Bevölkerung freiwillig auf Kinobesuche, Urlaube und Cocktails verzichtet, leiden Dienstleister wie unter einem echten Lockdown.

Offen ist die Frage, wie Schwedens Wirtschaft dastehen würde, wenn es tatsächlich zur zweiten Welle der Corona-Pandemie kommen sollte und die wichtigsten Handelspartner der Skandinavier ihre Länder womöglich erneut herunterfahren. Ob sich der schwedische Weg mittelfristig auch wirtschaftlich auszahlt, ist kaum zu sagen. Zu viele Unbekannte spielen mit. Aber selbst wenn es Schweden bis dahin zur Herdenimmunität gebracht haben sollte: Eine globale Wirtschaftskrise würde das Land in jedem Fall zu spüren bekommen.

Klar ist, dass nur wenige Länder so viel finanziellen Spielraum haben wie Schweden, um die Wirtschaft wieder aus der Krise zu führen, ohne künftigen Generationen dafür die Rechnung zu hinterlassen. (Leopold Stefan, Aloysius Widmann, 7.5.2020)


Aus: "Von Sonderweg keine Spur: Schwedens Wirtschaft ist massiv getroffen" Leopold Stefan, Aloysius Widmann (7. Mai 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000117323103/von-sonderweg-keine-spur-schwedens-wirtschaft-ist-massiv-getroffen

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chezgarando

in einem land wurde mit den einwohnern umgegangen wie mit freien erwachsenen. in einem anderen land wie mit einem dümmlichen volk, das dem führer Dollohr zu gehorchen hat


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Greg Darvin

das gegendteil ist richtig. selbst die who lobt schweden
https://www.merkur.de/welt/schweden-corona-sonderweg-zahlen-who-regeln-kritik-anders-tegnell-lob-mike-ryan-stockholm-lockdown-zr-13746997.html

Offensichtlich ist der standard auch von der pharma gesponsert


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Tvirus99

Hinter mir die Sintflut, solange ich ins Kino, Lokal etc gehen kann ist mir egal wenn Menschen ersticken oder ihr restliches Leben Probleme mit der Lunge haben.
Diese ICH BIN DAS WICHTIGSTE Mentalität ist echt ein Übel in der Westlichen Zivilisation...


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topfenmeister1

Schauen wir wies es aussieht wenn dann die Insolvezwellen losgehen.
Eines ist klar, anders als bei uns hat sich Schweden in keinen Polizeistaat verwandelt und hat die schwedische Regierung ihre Bevölkerung nicht wie geistig unzurechnungsfähig Personen behandelt.
Ich frage mich was für eine Demokratie wir eigentlich sind, wenn Regierung und Medien davon ausgehen, dass wir alle so blöd sind, dass wir von ihnen beschützt und erzogenwerden müssen.
In einem Jahr wird sich wahrscheinlich kein Mensch mehr für Corona interessieren. Da haben wir dann eh andere Probleme.


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pkf

der schwedische ansatz besteht zunächst mal aus der idee, risikogruppen spezifisch zu schützen.
man muss nicht allem in diesem interview zustimmen, aber die schilderung des ansatzes ist informativ: https://www.addendum.org/coronavirus/interview-johan-giesecke/
während ich in den österreichischen medien schon den eindruck habe, man muss kommunizieren, dass die schweden am holzweg seien und unser jubelbasti 100% richtig liegt.
dabei ist die vergleichbarkeit das größte problem. die zahl der toten zu vergleichen macht wenig sinn, wenn die zahl der verfügbaren intensivbetten pro kopf sich so dramatisch unterscheidet und vermutlich noch zig andere faktoren hier reinspielen. man wirds wohl erst in einem jahr sagen können.


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#2230
Quote[...] Ein Heilmittel gegen das Coronavirus gäbe es am besten schon heute. Forscherinnen und Forscher arbeiten seit dem Ausbruch der Pandemie daran, wie man die Lungenkrankheit am besten bekämpfen kann. Eine mögliche therapeutische Unterstützung für manche Covid-19-Patienten könnte eine Plasmaspende eines bereits genesenen Patienten sein.

Das sagte auch Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bei einer Pressekonferenz am Donnerstagvormittag mit Expertinnen und Experten. Ohnehin wolle man in den nächsten Wochen Therapieansätze gegen das Coronavirus vorstellen, um auch der Bevölkerung Ängste zu nehmen. Mit der Plasmatherapie hat Robert Krause bereits Erfahrungen. Er leitet die Abteilung für Infektiologie und Tropenmedizin an der Med-Uni Graz und konnte am Mittwoch den ersten Patienten mit Plasmatherapie nach fünf Wochen im Spital gesund entlassen.

Krause betont: "Das eine spezifische Medikament für Corona gibt es nicht." Die sogenannte rekonvaleszente Plasmatherapie wird in Österreich derzeit bei Patienten angewendet, die selbst keine Antikörper bilden können. Eine sogenannte passive Immunisierung wird dies genannt. Denn Antikörper sind notwendig, um eine Infektion zu bekämpfen. Einfach gesagt binden sie sich an das Virus, können es so unschädlich machen und zeigen dem Immunsystem, dass das Virus zerstört werden soll.

Krauses Patient hatte aufgrund der angeborenen Immunschwäche keine Antikörper. Und einen schweren Krankheitsverlauf: Er wurde am 11. März positiv auf Covid-19 getestet, war zwei bis drei Wochen zu Hause, doch es ging ihm nicht besser. Auch im Krankenhaus, wo er mit unterschiedlichen Therapieansätzen behandelt wurde, konnte die Infektion nicht kuriert werden. Der Patient kam in die Uniklinik. "Das Einzige, was wir da noch tun konnten, um ihn zu retten, war, ihm das zu geben, was ihm fehlt: Plasma eines genesenen Patienten", sagt Krause. Bereits vier Tage nach der Therapie am 10. April habe sich der Krankheitszustand verbessert, und der Patient wurde auf die normale Station verlegt, am Mittwoch wurde er entlassen.

"Das war ein experimenteller Ansatz", sagt Infektiologe Krause, der betont, dass man das in Österreich bereits sehr früh gemacht habe. Er und sein Team haben den Ansatz auch bei zwei weiteren schweren Covid-19-Fällen, die eine Immunschwäche aufgrund anderer Krankheiten erworben haben, durchgeführt. Und sie zeigte Wirkung – einer der beiden ist laut Krause bereits wieder zu Hause und auf dem Weg der Besserung.

Aber: "Wir wissen nicht, ob diese Plasmatherapie bei allen Covid-19-Patienten wirkt", sagt Krause. Dazu liefen derzeit Studien. Die Therapie sei auch nicht ohne Nebenwirkungen, weil körperfremde Stoffe etwa eine allergische Reaktion oder eine Lungenschädigung durch die Transfusion auslösen könnten und sich so womöglich die Krankheit verschlimmert. Bei den behandelten Patienten sei dies nicht der Fall gewesen, sagt Krause, aber es sei immer eine Nutzen-Risiko-Abwägung für ausgewählte Patienten.

Um zu diesem Plasma zu kommen, benötigt es Spenden von wieder gesunden Covid-19-Erkrankten – Rekonvaleszentenplasma wird das genannt. Der Orthopäde und Unfallchirurg Georg Mair ist einer von 200 Spenderinnen und Spendern, die ihr Plasma anderen Patienten zur Verfügung gestellt haben. Mair hat Anfang März erste Symptome bekommen, nachdem er einen symptomlosen Patienten, der zuvor in Ischgl war, behandelt hat und so vermutlich angesteckt wurde. Nach einem "eher leichteren Verlauf" wollte er sein Plasma spenden und hat sich mit dem Roten Kreuz, das dafür zuständig ist, in Verbindung gesetzt. Nach einem Test, bei dem seine Antikörper auf die Tauglichkeit für eine Spende untersucht wurden, hat er vier Wochen nach seiner Genesung – so ist die Regel – gespendet.

"Das dauert nur eine Stunde, aber für einen Patienten kann es einen riesigen Unterschied machen", sagt Ursula Kreil. Sie ist stellvertretende Leiterin der Blutspendezentrale beim Österreichischen Roten Kreuz. Dieses trifft eine Spenderauswahl, stellt das Plasma her und den Behandlern zur Verfügung. "Uns ist wichtig, dass wir dieses Plasma jederzeit in seiner sehr guten Qualität und hohem Sicherheitsstandard, in richtiger Blutgruppe und ausreichender Menge zur Verfügung stellen können", sagt Kreil. Das Plasma halte sich gelagert über ein Jahr und diene auch zur Vorbereitung, sollte es zu einer zweiten Infektionswelle kommen. Mittlerweile seien österreichweit 20 Patienten so behandelt worden.

Trotzdem betont Kreil: Man habe zwar mit der passiven Immunisierung mit Coronaviren der Sars-1- und Mers-Epidemien, aber auch bei Ebola bereits Erfahrungen, dennoch brauche es "viele Daten, Erfahrungen un Erkenntnisse, um die Behandlungsformen auf eine breite und sichere Basis zu stellen". Auch um zu wissen, welche Patientengruppen zu welchem Zeitpunkt und in welcher Dosis von einer Plasmatherapie profitieren könnten. Sie setzt Hoffnungen in eine dazu laufende, randomisierte Studie in Deutschland mit 100 Probanden. Was man aber schon wisse: Die Anzahl der Antikörper im Blut bleibt nach der Krankheit nicht auf einem hohen Niveau, was für die Spende aber entscheidend ist. Deshalb plädiert Ursula Kreil: "Jetzt ist der Zeitpunkt, wo wir sammeln können." (set, 7.5.2020)


Aus: "Erster Patient mit Plasmaspende gesund aus Spital entlassen" (7. Mai 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000117217112/erster-patient-mit-plasmaspende-gesund-aus-spital-entlassen

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WakFU

Na vielleicht sollten die Propagandamedien halt auch dazu sagen wie massiv die Kosten für eine solche Therapie sind und wie aufwendig sie ist und das sie daher nicht für die Masse geeignet ist.


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ScottHastings1

Was ist jetzt genau die Propaganda?


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Never86

Erstaunlich dass das Thema noch immer 24/7 rauf und runter gespielt wird.

Später in den Geschichtsbüchern wird diese Zeit als die erfundene Pandemie bezeichnet werden. Obwohl alle Daten dafür zur Verfügung standen und jeder Mensch durch ein bisschen nachdenken, recherchieren und die logischen Schlüsse darauf ziehen, es ganz einfach merken hätte können, hat die Psychologie der Massenmedien es geschafft die Angst so tief in die Köpfe der Menschen zu pflanzen, dass sie totalitäre Maßnahmen akzeptiert haben. Durch diese Pandemie wurde die größte Wirtschaftskrise der Welt eingeläutet. Aufgrund der verherrenden Auswirkungen, haben die Menschen dann ein System akzeptiert was sie völlig ihrer Freiheit beraubt - es galt damals als alternativlos.


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Lieber rot als tot

Man hat auch die gleichen Trickfilmspezialisten wieder engagiert, die damals schon für die "Übertragungen" der Mondlandung verantwortlich waren. Diesmal haben sie halt überfüllte Intensivstationen, Fake Videos mit behandelnden Ärzten und Kolonnen mit Leichenlastern inszeniert - letztendlich eine leichte Übung. Die Bots zu programmieren, die auf tausenden Weltnetzseiten gefälschte Statistiken platzieren, war dank russischer Unterstützung ebenfalls kein Problem. Am schwierigsten war es angbelich, die Bilderberger zu überzeugen: Die Kapitaleigner unter ihnen wollten zunächst nicht so recht mitmachen, weil sie Profiteinbußen durch Lockdowns befürchteten. Letztendlich aber haben sich die Echsenmenschen und ihre Verbündeten durchgesetzt - auch wenn ihre Intrige leicht zu durchschauen war.


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Never86

Ich weiß zwar nicht was die Mondlandung, Bilderberger oder die Russen mit diesem Thema zu tun haben, aber Sie werden es schon wissen.
Vielleicht sollten Sie versuchen Fakten von irgendwelchen Spinnereien zu trennen.

Achso, Moment, ich vergaß. So Menschen wie Sie, die immer sagen man muss differenzieren, stecken einfach alle Kritiker in die selbe Schublade und versuchen Sie damit lächerlich zu machen und ihnen ihre Meinung abzusprechen. So richtig demokratisch von Ihnen. Können Sie sich auf die Schulter klopfen und wieder ein bisschen besser fühlen, aufgrund Ihres überragenden Intellekts.


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gesellschaftsfeind

Wow, Sie beweisen uns Ihre Ahnungslosigkeit nochmals! Ironieerkennungsbefreit diesmal.


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Lieber rot als tot

Wenn Sie eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Ihren Thesen wünschen, dann sollten Sie die Fakten dazu liefern, auf die sich Ihre Behauptungen stützen.


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Never86

Die Fakten sind alle bekannt. Dazu müssen Sie nur ein wenig recherchieren und nicht nur die täglichen Horrormeldungen wahrnehmen und somit der Angsttaktik des Kurz zu folgen.
Alleine schon die Messmethode und wer alles als Coronatoter in die Statistik geht, ist eine einzige Farce und ist Wissenschaft aus dem Mittelalter.
Alleine der Umstand dass das RKI die Anweisung rausgibt keine Obduktionen durchzuführen, spricht Bände. Lächerliche Begründung: Man dürfe die obduzierenden Ärzte keinem Risiko aussetzen, wo diese Ärzte normalerweise Menschen obduzieren die viel gefährlichere Viren in sich tragen und daher auch die Schutzmaßnahmen in diesem Bereich ohnehin besonders hoch sind.
Die Statistiken sind für die Tonne, weil völlig fehlerhaft.


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Ah Ha

"Die Erfundene Pandemie" echt jetzt !
"Totalitäre Maßnahmen" wirklich !
Ich glaube an die Märchen der Lügenmedien schon lange nicht mehr.
UFOs, es waren die UFOs und die Aliens, die alle die keinen Alu-Hut tragen, bereits aus dem Weltall steuern ! Die sind in Bill Gates Kopf eingedrungen, haben ihn übernommen und bereiten die Übernahme der Weltherrschaft vor. Die Pandemielüge ist ihr erster Anschlag ....


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Never86

Ich kann diese Emotionalisierung dieses Themas nicht mehr hören/lesen. Und habe auch keine Lust mehr irgendjemandem den Sachverhalt zu erklären. Wenn Sie das befolgen was ich oben geschrieben habe, (selber denken, recherchieren, logische Schlüsse ziehen) dann kommen auch Sie dahinter.

Ihr Post ist halt ein Paradebeispiel wie man eine faktenbasierte Diskussion zerstört:

- Emotionalisierung
- Angst erzeugen
- Dem anderen unterstellen er wäre unmenschlich und ihm wären Menschenleben egal.


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global_services

Einfache Geister würden so denken, andere zählen die Übersterblichkeit im Jahresverlauf...und hier wird Corona in der Statistik in den meisten Staaten keine Erhöhung bewirken,,,,und ein Mensch welcher nicht versteht wie Stagnation in der globalen Wirtschaft sich unmittelbar auf Hunger und Leid in der Welt auswirkt hat vom Leben wenige Ahnung....die 8 Millionen verhungerte Kinder pro Jahr sind evident und die wirtschaftliche Krise wird 100.000 zusätzliche Opfer fordern.....aber wie sollten Hysteriker wie Sie solche Dinge wahrnehmen...


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Lieber rot als tot

Die hungernden Kinder, die Tatsache, dass COVID-19 in manchen Ländern (wie in GB) extrem viele Todesopfer fordert (u.a. auch unter dem medizinischen Personal) und die Befürchtung, dass die Lockdowns (obwohl sie in den meisten Ländern weder die Güterproduktion noch den Primärsektor betreffent) Auswirkungen auf die breite Bevölkerung haben werden ... all dies hat in der Tat einen gemeinsamen Nenner: Ein globalisiertes neoliberales Wirtschaftsregime, das zum Nutzen sehr weniger und zum Nachteil der Vielen funktioniert. Alle diese Probleme lassen sich nur gemeinsam lösen - wer die Toten der Pandemie gegen hungernde Kinder aufrechnet, hat sich schon auf den Holzweg begeben.


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Gutdannebennicht

Ich bin aufgrund einer Autoimmunerkrankung selbst auf regelmäßige Infusion angewiesen die aus Plasma gewonnen werden. Jedesmal wenn ich im Krankenhaus zur Behandlung bin denke ich an die Menschen deren immungloboline ich verabreicht bekomme. Ich würde so gerne mal von Herzen Danke sagen an die Menschen denen ich verdanke dass ich ein normales Leben führen kann, es gibt gar keine Worte dafür wie wertvoll diese Spenden für mich sind .....auch im Namen meiner Kinder die mich noch sehr brauchen weil sie noch klein sind. Danke an euch Spender, Ihr schenkt mir mein Leben !!!!!


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Europa21

Gute Geschäfte für das rote Kreuz und Oktapharma auf lange Zeit.


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Lieber rot als tot

Im Kapitalismus ist - oh Wunder! - alles ein Geschäft, weil Dinge wegen ihres Tausch- und nicht wegen ihres Gebrauchswerts produziert und angeboten werden. Das hindert aber nicht, dass viele der angebotenen Dinge auch einen hohen Gebrauchswert haben (Plasma und Impfungen zum Beispiel).
Natürlich wäre (vor allem beim heutigen Produktivitätsniveau) ein System wünschenswerter, das nur Gebrauchswerte hervorbringt. Aber da wären die Kapitaleigner unglücklich - und wer will das schon.


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ScottHastings1

Schlecht? Warum soll jemand nicht daran verdienen dürfen?


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#2231
Quote[...] Der angebliche US-Söldner Denman gibt in einem Video die Beteiligung an einer versuchten Entführung des venezolanischen Präsidenten Maduro zu. Schon lange gilt die US-Regierung als erbitterter Gegner Maduros. Kritiker haben jedoch starke Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Verschwörungstheorie.

Ein angeblich bei einem Invasionversuch in Venezuela festgenommener amerikanischer Söldner hat erklärt, dass das Ziel der Aktion die Entführung des venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro gewesen sei. Er sei angewiesen worden, den Flughafen von Caracas zu sichern und die Landung eines Flugzeugs zu ermöglichen, das Maduro in die USA bringen sollte, sagte Luke Denman in einem Video, das der venezolanische Fernsehsender VPI zeigte.

Darin beantwortete Denman Fragen aus dem Off auf Englisch. Venezuela hatte vermeldet, Denman, einen weiteren US-Amerikaner und andere Söldner an der Küste des südamerikanischen Landes festgenommen zu haben, die in Verbindung mit terroristischen Aktionen gegen Venezuela stünden. Hinter der gescheiterten Aktion soll Medienberichten zufolge die von einem früheren US-Elitesoldaten geleitete Söldnerfirma Silvercorp USA stehen. "Donald Trump ist der direkte Chef dieser Invasion", hatte Maduro gesagt.

US-Außenminister Mike Pompeo wies eine direkte Beteiligung aber zurück. "Wenn wir an dieser Operation beteiligt gewesen wären, dann wäre sie anders verlaufen", sagte er. Falls es sich wirklich um US-Amerikaner handle, würde man aber alles daran setzen, sie zurückzuholen. Kritiker werfen der autoritären Maduro-Regierung vor, schon öfter Invasionsversuche inszeniert zu haben, etwa um gegen die Opposition vorzugehen. Die USA hatten den autoritär regierenden Maduro im März aber auch des Drogenhandels angeklagt und eine Art Kopfgeld von 15 Millionen Dollar ausgesetzt. Die US-Regierung gehört zu den härtesten Gegnern Maduros.

Quelle: ntv.de, can/dpa


Aus: "Angeblicher Söldner gesteht USA planten wohl Entführung Maduros" (Donnerstag, 07. Mai 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/USA-planten-wohl-Entfuehrung-Maduros-article21764728.html

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Quote[...] Caracas - Auch mehrere Tage nach Aufdeckung der sogenannten Operation Gedeón ist nicht restlos klar, ob diese Landung vermeintlicher Söldner an der venezolanischen Küste am Wochenende eine Räuberpistole aus der Feder von Nicolás Maduro ist. Oder ob wirklich ein Haufen venezolanischer Soldaten, Söldner und US-Bürger versucht hat, nahe Caracas an Land zu gehen und einen Aufstand gegen die chavistische Regierung zu beginnen und Zellen im ganzen Land zu stationieren.

Die Regierung in Caracas jedenfalls ist sich sicher: Geplant war die Ermordung des linksnationalistischen Machthabers. Maduro präsentierte am Montagabend bei einer Live-Rede im Fernsehen die Pässe der beiden festgenommenen US-Bürger, die für die in Florida ansässige Sicherheitsfirma ,,Silvercorp" gearbeitet haben sollen. ,,Sie haben Rambo gespielt, wollten Helden sein!", sagte Maduro triumphierend. Aber seine Geheimdienste hätten die Gruppe infiltriert und die eigentlich für den 10. März geplante Landung entlarvt. ,,Wir wussten, was sie sagten, aßen, was sie tranken und nicht tranken", behauptete Maduro. Und er hätte gewusst, wer sie finanziert.

,,Diese Narcoterroristen-Operation wurde von den Regierungen in den USA und Kolumbien unterstützt". Aber sowohl Kolumbiens Staatschef Iván Duque als auch US-Präsident Donald Trump* wiesen jede Verantwortung für die Operation Gedeón zurück. Auch Oppositionschef Juan Guaidó behauptet, mit dieser mehr oder minder dilettantischen Aktion nichts zu tun zu haben. Aber die Frage bleibt: Wer hat dieses Himmelfahrtskommando in Auftrag gegeben, bei dem acht Personen getötet und rund ein Dutzend festgenommen wurden?

In Florida meldete sich der ,,Silvercorp"-Inhaber und Ex-US-Elitesoldat Jordan Goudreau zu Wort und behauptete, es sei trotz des Auffliegens der Operation gelungen, ,,tief in der Hauptstadt Caracas" Kampfzellen zu stationieren. Auch in anderen Landesteilen seien Zellen aktiv und würden den Kampf aufnehmen. An der Landeaktion seien 60 Mann beteiligt gewesen, vorübergehend aber sei man auf dem ,,strategischen Rückzug", behauptete Goudreau in einem Zeitungsinterview. Der Ex-Soldat hatte Guaidó im Februar 2019 kennengelernt und anschließend seine Dienste für einen Sturz Maduros angeboten. Guaidó verneint, das Angebot angenommen zu haben.

Maduro regiert Venezuela seit mehr als sechs Jahren und behauptet regelmäßig, die kolumbianische Regierung oder die US-Administration trachteten ihm nach dem Leben. Tatsächlich hat es seit Maduros umstrittener Wiederwahl 2018 inklusive des aktuellen Vorfalls sechs Versuche gegeben, ihn mit undemokratischen Mitteln aus dem Amt zu befördern. Der umfassendste war ein Putschversuch Ende April 2019, als Guaidó und sein Mentor Leopoldo López vergeblich versuchten, durch einen Putsch die Armee auf ihre Seite zu bringen.

Jedenfalls dient der Vorfall vom Wochenende dazu, von der prekären Situation im Land durch die Corona-Krise abzulenken. Denn die Pandemie bringt den dauerkriselnden Staat noch näher an den Rand des Kollapses. Die Menschen müssen seit rund 50 Tagen zu Hause bleiben, haben nichts zu essen oder können die Lebensmittel nicht bezahlen. Eine strenge Benzinrationierung führt dazu, dass Obst und Gemüse verdirbt, weil Bauern es nicht auf die Märkte bringen können. Angesichts der Verzweiflung der Menschen kommt es zunehmend zu Plünderungen im Land.

Das Virus habe Venezuelas Krise in einen ,,perfekten Sturm" verwandelt, unterstreicht Luis Vicente León, Chef des Umfrageinstituts Dataanálisis. Ende April führte die Regierung wieder eine Preiskontrolle auf 27 Grundnahrungsmittel ein. Dies wirke wie ein ,,Brandbeschleuniger", ist sich León sicher. Die Menschen bekämen Panik, dass Nahrungsmittel durch die Kontrollen wieder vom Markt und aus den Supermärkten verschwänden, wie es früher passierte. Das erhöhe das Risiko der Plünderungen enorm.

Laut UN-Welternährungsprogramm (WFP) wird die Krise Venezuela eine Hungersnot ,,biblischen Ausmaßes" bringen. Das einst reiche Öl-Land befindet sich damit in der Gesellschaft von Staaten wie Südsudan, Syrien, Afghanistan oder Haiti. ,,In all diesen Ländern gibt es schon jetzt mehr als eine Million Menschen, die am Rand des Hungertodes stehen", betonte WFP-Direktor David Beasley.


Aus: "Venezuela: Zwischen einer gescheiterten Invasion und einer drohenden Hungersnot" Klaus Ehringfeld (07.05.2020)
Quelle: https://www.fr.de/politik/venezuela-verharrt-seiner-dauerkrise-13752565.html
#2232
Quote[...] Im Kampf gegen das Coronavirus sind gute Ideen gefragt. Doch weltweit beschreiten einige Menschen dabei unkonventionelle Wege: von alternativen und skurrilen bis zu absurden oder gar gefährlichen Heilmitteln. Pflanzliche Heilmittel sind in vielen Kulturen tief verankert.

Madagaskar

Der Präsident der Afrika vorgelagerten Gewürzinsel Madagaskar etwa stellte jüngst einen "Covid Organics" genannten Gesundheitsdrink vor. Das auf Basis der heimischen Artemis-Pflanze hergestellte Getränk soll nach seinen Worten Immunität stärken, vor vielen Viren und Fieber schützten - vor allem vor Lungenkrankheiten. Der Trank wurde an Schülerinnen und Schüler im Land verteilt, inzwischen haben auch andere afrikanische Länder Lieferungen bestellt. Allerdings warnte unter anderem der Leiter der medizinischen Akademie der Insel, der wissenschaftliche Erfolg des Trunks sei nicht nachgewiesen.

Indien

In Indien verkündete das Ayurveda-Ministerium bereits kurz nach dem Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle, dass traditionelle Medizin gegen Covid-19 helfen könnte. Doch nach Kritik sagte die Regierung lediglich, dass Alternativmedizin das Immunsystem gegen das neuartige Coronavirus stärken könne, aber keine Heilung sei. Das Ministerium behauptete zunächst auch, dass Prinz Charles durch eine Ayurveda-Behandlung von Covid-19 geheilt worden sei - dies wies das Büro des Prinzen aber zurück.

Venezuela

In Venezuela gab es einen ähnlichen Vorschlag von Nicolás Maduro: Der Präsident empfahl zunächst auf Twitter eine Kräutermischung als Heilmittel gegen das Coronavirus. Der Post wurde inzwischen aber wieder gelöscht. Und Chinas Präsident Xi Jinping sagte, 90 Prozent der wieder genesenen Corona-Patienten hätten auch traditionelle chinesische Medizin erhalten. In etlichen Ländern wird in der Corona-Krise auf traditionelle Medizin gesetzt.

Bolivien

Etwa in Bolivien, wo es einen großen Anteil an Indigenen in der Bevölkerung und einen Minister für Traditionelle Medizin gibt. "In Bolivien haben wir Pflanzen, die helfen können", meinte jüngst der stellvertretende Minister für traditionelle Medizin, Felipe Quilla Muni. Beliebt ist ein Dampf aus Eukalyptus und Kamille. Die Leute atmen diesen ein; etwa in Dampfkabinen, die in der Nähe einiger Krankenhäuser und Banken aufgestellt wurden.

Indonesien

In Indonesien ist seit Beginn der Covid-Krise die Nachfrage nach rotem Ingwer gestiegen, der das Immunsystem besonders stärken soll. Dadurch schossen die Preise in die Höhe. Ähnlich war das auf Sri Lanka bei Kurkuma-Pulver. Daraufhin setzte die Regierung dort eine Preisobergrenze fest.

Doch bei all dem Hype um pflanzliche Medikamente gegen Covid-19 mahnte jüngst die Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Vorsicht. Auch bei traditioneller Medizin und Praktiken müsse "die Wirksamkeit und Sicherheit durch rigorose klinische Studien" getestet werden. Manche lehnen sich bei Vorschlägen zu Do-it-yourself-Heilmitteln ziemlich weit aus dem Fenster.

Nepal

In Nepal etwa empfahl der Premierminister Khadga Prasad Sharma Oli, dass man sich vor einer Coronavirus-Ansteckung schützen könne, indem man heißes Wasser trinke und Dampf-Therapie mache. Das Video wurde vielfach angesehen.

USA

Auch Donald Trump ließ die Öffentlichkeit an einigen ungewöhnlichen Ideen teilhaben: Der Präsident der USA ermunterte bei einer Pressekonferenz Forscher dazu, Möglichkeiten zu prüfen, Menschen Desinfektionsmittel zu spritzen. Außerdem sinnierte er über Optionen, starkes Licht "in den Körper" zu bringen, um Corona-Infektionen zu behandeln. Später betonte er, dies sei nur "Sarkasmus" gewesen.

Tansania

Wenn all das nicht gegen Covid-19 wirkt, hilft aus Sicht des Präsidenten Tansanias vor allem eins: beten. Im Vergleich zu den meisten anderen afrikanischen Staaten hat John Magufuli in dem ostafrikanischen Land wenig strenge Maßnahmen verhängt. "Es hat keinen Sinn, Kirchen oder Moscheen zu schließen, denn das sind die einzigen Orte, an denen wir Gott um Vergebung bitten können. Wir sollten weiterhin beten, damit Gott uns vor diesem Unheil bewahren kann", sagte Magufuli jüngst. Auch andere Länder wie Kenia riefen wegen der Corona-Krise einen nationalen Tag des Betens aus; die Bürger wurden aber gebeten, diesen zu Hause zu begehen.

Italien

Im besonders stark von der Lungenkrankheit betroffenen Italien werden inzwischen die Corona-Maßnahmen langsam gelockert. Da drehen sich Ideen nicht um Covid-19 selbst, sondern wie die Strandsaison 2020 gerettet werden könnte. Sonnenbaden in Corona-Zeiten? Kein Problem: etwa mit transparenten Plastikbarrieren und eingebauten Desinfektionsmittel-Spendern oder Plexiglas-Boxen um Sonnenliegen.

Quelle: ntv.de, Gioia Forster, Ralf Krüger und Anne-Sophie Galli, dpa


Aus: "Covid-Kräuter und Dampftherapie Das sind die skurrilsten Mittel gegen Corona" (Donnerstag, 07. Mai 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Das-sind-die-skurrilsten-Mittel-gegen-Corona-article21764550.html

#2233
Quote[...] Wegen der Coronavirus-Pandemie bekommt laut einer Studie fast jedes fünfte Kind in den USA nicht genug zu essen. In einer Studie der Brookings Institution gaben 17,4 Prozent der Mütter mit Kindern im Alter von bis zu zwölf Jahren an, aus Geldmangel könnten sie ihren Nachwuchs nicht ausreichend ernähren. US-Kinder erlebten derzeit eine "Ernährungsunsicherheit von in der Moderne nie da gewesenem Ausmaß", erklärte Studienleiterin Lauren Bauer.

Schätzungen zufolge leben in den USA insgesamt rund 60 Millionen Kinder unter 14 Jahren. Seit 2018 habe sich die Ernährungsunsicherheit bei US-Haushalten mit Kindern im Alter unter 18 Jahren um rund 130 Prozent erhöht, erklärte Bauer. Die Lage während der Corona-Pandemie sei schlimmer als während der Finanzkrise von 2008.

Bauer sprach von "alarmierenden" Ergebnissen. In vielen Familien kämen jetzt kleinere Portionen auf den Tisch, viele Kinder müssten Mahlzeiten ausfallen lassen, sagte sie der "New York Times". Der Ausfall von Schulessen während der Schulschließungen könne ebenfalls dazu beitragen, dass Kinder in der Corona-Krise weniger zu essen bekämen. Geschwister müssten um die begrenzten Vorräte in den Haushalten miteinander konkurrieren.

Infolge der Corona-Krise haben mindestens 30 Millionen US-Bürger ihren Job verloren. Im für morgen erwarteten jüngsten Arbeitsmarktbericht dürfte die Arbeitslosenquote erneut in die Höhe schnellen. In den USA wurden bislang fast 1,2 Millionen Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus registriert, rund 72.000 Menschen starben.

Quelle: ntv.de, mra/AFP


Aus: ""In Moderne nie da gewesen" Millionen US-Kinder hungern in Corona-Krise" (Donnerstag, 07. Mai 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Millionen-US-Kinder-hungern-in-Corona-Krise-article21764816.html

#2234
Quote[...]  Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer hat nach seinen umstrittenen Äußerungen zum Umgang mit Corona-Patienten Morddrohungen bekommen. Der Grünen-Politiker sagte, dass auch seine Familie bedroht werde. Er reiche Briefe und Mails an Polizei und Staatsanwaltschaft weiter. Ein Sprecher der Tübinger Staatsanwaltschaft bestätigte, dass ein Teil bereits eingegangen sei. Den Verfassern drohen Geldstrafen oder Haft bis zu einem Jahr.

Palmer hatte zum Umgang mit hochbetagten Corona-Kranken gesagt: "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären." Viele Grünen-Mitglieder machten sich daraufhin für einen Parteiausschluss stark. Am Montag entzog ihm die Parteispitze jegliche Unterstützung. An diesem Freitag berät der baden-württembergische Grünen-Vorstand über Ordnungsmaßnahmen. Ein Parteiausschlussverfahren gilt als unwahrscheinlich.



Aus: "Palmer bekommt Morddrohungen wegen Corona-Äußerungen" (Donnerstag, 07. Mai 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/der_tag/Donnerstag-der-7-Mai-2020-article21764348.html
#2235
Quote[...] Da wird von allen wochenlang gefordert, man müsse die Kurve abflachen, wochenlanges Daheimbleiben für alle, und wenn die Mission gelingt, steht schon ein Männerchor in den Startlöchern und weiß alles besser. Ja, auch da gibt es Ausnahmen, Männer, die vernünftig für die Grundrechte kämpfen, aber die Regel sind die Vernuftbetonten nicht. Die Regel ist derzeit: Je lauter ich die Virologen niederstampfe, je länger mein Zeigefinger in Richtung Schweden deutet, desto heldenmutiger bin ich. Ich übe Widerstand, also bin ich, denken unsere selbsternannten Helden der Pandemie, Schreimänner nenne ich sie.

In China sind seit Ausbruch des Virus mehrere Männer verschwunden, weil sie öffentlich angeprangert haben, die Verwaltungen gingen zu fahrlässig mit der Bevölkerung um. Sie drehten Videos von mangelnden Hygienemaßnahmen, kritisierten Feste, die nicht hätten stattfinden dürfen. Die Regierung habe ihre Maßnahmen nicht den Erkenntnissen der Wissenschaft angepasst. Den Fakten. Sie handle irrational und gefährde so die Bevölkerung. Diese Männer, es ware viele, sind derzeit verschwunden. Im Westen kennt man nicht einmal ihre Namen.

Bei uns hingegen wird die Regierung für ebensolch faktenbasiertes Handeln und erfolgreiches Krisenmanagement nicht gelobt. Nein, bei uns wird das zum Vorwurf. Hier wird, Demokratie sei Dank, auch niemand eingesperrt, aber die Schreimänner führen sich auf wie Maulhelden, die es besser wissen als jene, die Deutschland gerade erfolgreich durch die Krise manövrieren. Und sie nerven. Die Grundthese ist: Ganz egal, wie viele Leute in den USA, in Spanien oder Italien sterben, die deutsche Regierung hat einfach Mist gebaut und die Wirtschaft für etwas Grippeartiges gegen die Wand gefahren. Als stünden Länder, die später zum Lockdown fanden, ökonomisch besser da.

Was daran nervt? Die Schreimänner werden gehört und kommen öffentlich durch. Sie demaskieren ihre Eitelkeiten. Um jeden Preis versuchen sie die Debatte über eine historische Pandemie zu assimilieren zu einer gewöhnlichen Meinungsdebatte. Sie könnten ja unwichtig werden, während die Virologen nun die Podcast-Charts anführen. Ach je, dann wären diese wichtigen Männer ja nur noch wie Frauen. Wie diese nervigen Frauen, von denen man gerade nur noch hört, dass ein Backlash für den Feminismus zu erwarten sei, die Geld verlangen für ihre Zeit mit Kindern – als hätten sie sich nicht selbst Kinder gewünscht, diese Frauen! So unwichtig wollen die Schreiherren keine sechs Wochen lang werden! Virologen? Weg damit!

Für Frauen droht unterdessen der Backlash in die Fünfziger. Das weiß seit einem grandiosen Artikel in The Atlantic die ganze Welt. Und jetzt? Was brauchen Frauen jetzt, um das zu verhindern? Selbst die klügsten Frauen ächzen auf Twitter unter der Last und wiederholen das Mantra der Fünfziger, die uns drohen; es ist wie bei diesen Geduldswürfeln früher, man kann es drehen und wenden, wie man will: Bis zum Sommer wird es wohl keinen normalen Schulunterricht geben.

Doch wo sind zumindest drei Forderungen, was Eltern oder Familien nun brauchen, damit Frauen das nicht alleine auffangen? Wie verhindern, dass Frauen an den Haushalt gebunden werden, vom öffentlichen Reden und nichtöffentlichen Denken aber abgehalten werden? Im englischsprachigen Raum reichen Akademiker derzeit Papiere ein ohne Ende, die Pandemie bekommt den Wissenschaftlern gut, während die Akademikerinnen als Verfasserinnen von Papers verschwinden.

Selbst in gebildeten und sozio-ökonomisch privilegierten Milieus schnappen in der Krise also die alten Rollen zu. Man muss hier auch über die fehlenden Fortschritte im Feminismus durch die Komplizenschaft der Frauen sprechen. Es gibt ein Milieu, das aufgeklärt genug wäre, finanziell gesichert genug, um sich jetzt gegen den Backlash zu wehren. Es ist in meiner Generation Feministinnen jedoch nicht gewünscht, mit der Rhetorik von ,,Frauen müssen jetzt ..." zu arbeiten. Wer aber soll jetzt, wenn nicht wir? Wenn man nur das Bedrohungsszenario an die Wand malt, erschrecken zwar alle, doch keiner weiß, was dagegen zu tun wäre.

Die Forderung nach Teilhabe und Befreiung von Sorgearbeit darf jetzt nicht von der Empörung überlagert werden, sonst rollt sich das Worst-Case-Szenario für Frauen aus. Die Herren (!) der Lage sind, abgesehen von Merkel und zwei Ministerpräsidentinnen, Männer. Es liegt in ihren Händen und es interessiert sie nur in Interviews, ob Frauen unter der Arbeit stöhnen. Das zeigte selbst Alexander Kekulé, der zwar keine politische Verantwortung trägt, aber doch kräftig mitmischt: Er bedauerte seine Frau derzeit für die Sorgearbeit – in einem TV-Interview. Thank you, darling.

Es braucht jetzt schnell fünf klare Forderungen für Frauen, wie sie trotz Pandemie weiter am Arbeitsleben teilhaben können. Das Grundeinkommen ist keine davon, das Grundeinkommen in solchen Zeiten wäre eine Art Herdprämie. Es geht um Entlastung von Sorgearbeit. Teilhabe am Diskurs und an Schlüsselstellen in Wirtschaft, Politik, Kultur und Verwaltung. TV-Redakteure sollten in Kommunen Frauen in Verantwortung finden, die vom Krisenmanagement berichten. Sichtbarkeit ist das Gebot der Stunde.

Um Entlastungsstrategien zu finden, braucht es die Beratung der Virologen, weil der Schutz des Lebens zur Fürsorgepflicht des Staates gehört. Das ist nicht verhandelbar, wie wieder andere Männer so prominent ins Land schreien. Die Lautstärke drosseln, vor allem für das Telegram-Dreamteam Naidoo und Hildmann. Immerhin: Selbst unter den Verschwörungstheoretikern setzte sich zum Glück keine Frau durch. Die lauten Schreimänner, die nun alles Erreichte verhöhnen, indem sie die Pandemie kleinspielen, die braucht es jetzt nicht. Aber die Frauen, die mehr sind als die Sorgearbeiterinnen, auf die sie derzeit festgelegt werden sollen, die braucht es jetzt dringend.


Aus: "Geschlechterrollen in Coronazeiten: Die Stunde der Schreimänner" Kommentar von Jagoda Marinić (6. 5. 2020)
Quelle: https://taz.de/Geschlechterrollen-in-Coronazeiten/!5680001/

QuoteSchnurzelPu

Also in Deutschland kann man sich den Kerl aussuchen, mit dem man zusammenlebt. Also Augen auf beim Eierkauf und nicht nur auf Bauch, Beine, Po achten.


Quoteresto

Bei uns gibt es jene Menge Frauen, die das Virus klein reden. So die Taxifahrerin, die Bistrobetreiberin, die Nachbarin.... Übrigens sehe ich keinen Backslash für uns Frauen sondern die Chance, uns endlich ernsthaft und vor allem konsequent in der Art, wie wir leben, für unsere Interessen einzusetzen. Und wer im Stil der 1950er weiterleben will, die soll.


...

Quote[...] Jede Aussage, jedes Ereignis wird in die Weltanschauung integriert. Es gibt keine äußere Wirklichkeit mehr, nur noch ein Nichtwissen der anderen. Deswegen lassen sich Verschwörungstheorien auch nicht auf der inhaltlichen Ebene bekämpfen, sondern, wenn überhaupt, nur sehr viel früher an ganz anderer Stelle. Bei dem, was der österreichische Psychiater Reinhard Haller "die Macht der Kränkung" nennt. Denn es scheint, es gebe nicht nur die von Freud geprägten "Kränkungen der Menschheit", sondern auch sehr folgenreiche Kränkungen der Männlichkeit. Kränkungen, die ihre Träger deshalb so tief verwunden, weil sie von Anfang an glauben gemacht werden, sie hätten einen Anspruch auf Macht, Autorität, Erfolg, Gehorsam, Hörigkeit, Bewunderung und Gefolgschaft. Man könnte meinen, es handle sich dabei um eine Verschwörung. Aber ich lasse mich von Ihnen gerne vom Gegenteil überzeugen. (Nils Pickert, 9.5.2020)


Aus: "Gekränkte Männer und krude Theorien" Nils Pickert (9. Mai 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000117347191/gekraenkte-maenner-und-krude-theorien

Quote
gaunka

Das hat mit Männlichkeit nichts zu tun. Es sind nur schlicht idR Männer stärker politisch interessiert als viele Frauen.
Gerade was Impfgegner angeht sind außerdem wohl Frauen deutlich in der Mehrzahl, da hat mans mehr mit naturverbundenem Selbstheilungskram und irgendwelchen Kräutertees die Krebs heilen können (angeblich). Man muss dazu nur anhören was manche Hebamme an Schwachsinn von sich gibt.


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Quote[...] Zu meiner Geburt bekam meine Mutter ein praktisches Geschenk von meinem Vater: ein Bügelbrett mit silbern glänzendem Bezug. Die Familie steckte zu dieser Zeit mitten im Umzug in ein eigenes Reihenhaus im Kölner Norden. Ein Fortschritt natürlich, ersetzte es doch eine viel zu kleine Mietwohnung. Das Bügelbrett war sicher auch ein Fortschritt zum Vorgängermodell. Der Vater hatte zu arbeiten, also Geld zu verdienen, während meine Mutter Hausbau, Umzug und Kinder zu regeln hatte, was Frau eben so regelte und was unter dem subsumiert wurde, das Gerhard Schröder Jahrzehnte später "Gedöns" nennen sollte.

Meine Mutter machte ihrerseits nicht viel Gedöns um sich und die Überforderung jener Tage, die sie in einen, nie so benannten, gleichwohl folgenschweren Zusammenbruch führte und ihre Töchter in ein Kinderheim, in dem solche Kollateralschäden des Wirtschaftswunders verwaltet wurden. Man sprach nicht darüber in jenen Jahren, weil es ein Eigentliches gab, über das zu sprechen sich weitaus mehr lohnte. Den Aufstieg des Vaters vom Buchhalter zum Personalchef und schließlich zum Chef einer Klinik etwa. "Meine Frau muss nicht arbeiten", war das Credo jener Ehemänner, die später freundlich über den milden Spott in Johanna von Koczians Gassenhauer Das bisschen Haushalt lächeln konnten. Das bisschen Rückenfreihalten, Affären dulden und entfremdete Kinder reintegrieren füllte zusätzlich jene Uneigentlichkeit aus, in der sich Frauenleben in den Sechzigerjahren abspielten.

Gerahmt, ja, zementiert wurden diese Leben von den vier Wänden, eigenen wie gemieteten, in denen es sich abspielte, dem Zuhause, neudeutsch home. Wenn das Büro, neudeutsch office, als jener Ort definiert wird, an dem Arbeitsgeräte zum Einsatz kommen, so arbeiten Hausfrauen seit jeher im home office. Dort also, wo die Waschmaschine, das Bügeleisen und der Staubsauger stehen. Und natürlich der Herd, für dessen emsige Bedienung durch die Hausfrau, wiederum Jahrzehnte später, von der CSU eine Prämie ausgelobt wurde.

Wir Boomer machten, dass wir wegkamen aus dieser Welt der so abwesenden wie abweisenden Väter und stets sehr bemühten Mütter. Mich verschlug es im Rahmen eines Auslandsstipendiums nach Williamsburg, Virginia, in die Familie Brice. Sie bestand aus Mutter Brice, ihren zwei leiblichen und zwei Pflegekindern. Vater Brice war bei der Armee, was Betty ermöglichte, die umfangreichen Einkäufe im Angehörigen der Armee vorbehaltenen Supermarkt tätigen zu können. Die erledigte die zierliche Frau nach ihrem Rezeptionsdienst im örtlichen Holiday Inn. Sie machte keinen Hehl daraus, dass die erheblich verbilligte Ware in den braunen Packpapiertüten das Beste war, was sie von ihrem Mann hatte. Während seiner sehr seltenen Besuche drangen unerfreuliche Auseinandersetzungen durch die verschlossene Schlafzimmertür, über die eine sehr bleiche Betty am nächsten Morgen kein Wort verlor. Sie machte das Frühstück, brachte uns in ihrer grüngelben Uniform mit dem angesteckten Namensschild zum Schulbus und fuhr dann zum Dienst ins Holiday Inn. Ich schrieb meiner Mutter aus den USA Briefe auf Luftpostpapier, nach meinem Vater fragte ich darin ebenso wenig, wie ich am Frühstückstisch nach Vater Brice fragte.

Als ich schwanger wurde, sagten alle, die davon erfuhren, erfreut: "Machste allein, ne?", obschon dies gar nicht der Plan war. Nur meine, inzwischen geschiedene, Mutter war nicht erfreut: "Mach das nicht", sagte sie entsetzt. "Du hast doch so ein schönes Leben." Ich war 26 Jahre alt, als ich anhand dieses Ausbruchs erstmals begriff, wie unglücklich meine Mutter all die Jahre gewesen war. Wie so gar nicht schön sie ihr Leben als Mutter und alles, was damit verbunden war, erlebt hatte. Und wie sehr sie sich wünschte, dass ich es einmal besser hätte als sie. Ja, es bereits so viel besser hatte, konnte ich doch kinderlos in der Welt herumreisen, Interviews mit mehr oder weniger berühmten Menschen führen und Männer verschleißen, wie ich lustig war. Weit entfernt von einem gar nicht lustigen Heim, in dem man verschlissen wird von der Anwesenheit wie der Abwesenheit jener Männer, die dieses Heim bezahlen. Ein Heim ohne Verheißung, aber voll mit Geräten in immer schickeren Ausführungen.

Ich habe es dann doch allein gemacht mit meiner Tochter, Plan hin oder her. Oder eben doch nicht allein, denn im Haus gegenüber wohnte Seyma, eine Muslima aus dem bosnischen Goražde. Ihr deutscher Ehemann, der viele Jahre in Bosnien gelebt hatte, war vor Jahren mit ihr nach Köln gezogen. Sie sprach kein Deutsch und verließ die Wohnung nur zum Einkaufen. Selbst kinderlos kümmerte sie sich voller Freude um die Nachbarskinder und rasch auch um meine Tochter – bei Bedarf rund um die Uhr. Als die Jugoslawienkriege sich nach Bosnien ausbreiteten und Goražde unter serbische Belagerung fiel, schwoll ihr kleiner Haushalt an. Bis zu einem Dutzend Frauen jeden Alters und kleine Kinder lebten als geduldete Flüchtlinge in der Dreizimmerwohnung. Die Kinder gingen zur Schule und lernten rasch Deutsch. Die Frauen nicht, sie blieben zu Hause und saßen meist gemeinsam in der Küche, redeten, kochten und buken Brot. Das Kriegsende brachte nach sechs Jahren die unausweichliche Rückführung von Seymas Hausgästen in deren verwüstete Heimat mit sich. Allein in ihrer jetzt viel zu großen Wohnung rauchte sie Kette und schaute Homeshopping-Sendungen in Dauerschleife, bis der Mann von der Arbeit kam.

Das Bügelbrett mit dem silbernen Bezug habe ich aufbewahrt. Und nie benutzt. Nicht weil ich ein anderes hätte, sondern weil ich in meinem ganzen Leben nie gebügelt habe. Oder genäht. Oder Brot gebacken. Und Haushaltsgeld entgegengenommen schon gar nicht. Weil ich, wie so viele andere Frauen, ob wir uns Feministinnen nennen oder nicht, der Hausfrauenfalle entkommen wollte. Und es uns zu gelingen schien. Weil etwa meine Tochter sich die Betreuung ihrer kleinen Tochter hälftig mit dem Vater teilt. Weil wir uns und die Gesellschaft verändert hatten. Weil wir weitergekommen waren, so viel weiter als von der Küche bis zum nächsten Supermarkt, zur nächsten Kita und dem Altersheim, das längst Seniorenresidenz heißt, zur nächsten Auseinandersetzung mit einem herrschsüchtigen Mann. Wir haben uns immer näher an das Eigentliche herangerobbt, also an Geld, Macht, Status, haben gelernt, mit den großen Jungs zu spielen, und "Gedöns" heißt jetzt Care-Arbeit.

Wir hatten es also zwar noch nicht ganz geschafft mit der Abschaffung des Hausfrauenkomplexes, waren aber immerhin auf einem guten, einem unumkehrbaren Weg. Doch dann kam Corona. Und seither ist viel von einem veritablen Backlash die Rede, weil die Männer das Heft des Handelns, Erklärens und Beratens neuerlich in die Hand nähmen, während die Frauen sich um Homeschooling, Mundschutznähen und Familie-bei-Laune-Halten kümmerten. Diese Krise katapultiere also die Frau in die Hierarchie der Fünfzigerjahre zurück, weil Krisenbewältigung immer noch und jetzt erst recht Männersache sei.

Ich glaube nicht, dass wir einen solchen Backlash erleben. Diese Krise hat die Geschlechterrollen nicht ins Gestern verschoben, sondern das Frauenschicksal vergemeinschaftet. Die Ursache dafür liegt in dem Ort, an den sie auch den männlichen Teil der Gesellschaft zurückwirft: der geschlossene Raum, die vier Wände, das Zuhause als Gefängnis. Jenes Gefängnis, das nur zum Einkaufen verlassen werden darf. Wo die Freiheit endet, beginnt die weibliche Realität. Und zwar jene vor, während und nach den Fünfzigerjahren. Eine Realität des Aushaltens. Meine Mutter, Betty, Seyma und all die anderen Gefangenen patriarchaler Lebensformen sind nicht Relikte eines sich fortlaufend abschaffenden Gesterns. Sie und ihr wunschloses Unglück haben ihre Kinder und Kindeskinder geprägt. Und nun, wo sich die gesamte Welt in einem Zuhause wiederfindet, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt, das klaglos ausgehalten werden muss, wird dieses Unglück neuerlich zementiert, und ja, schließt auch Männer auf nachgerade verquere Weise mit ein. Zumindest auf Zeit.

So ist das Los der Hausfrau eine kollektiv erfahrbare Bürde geworden. Die Verengung von Spielräumen aller Art wird, scheinbar folgerichtig, von einer Werte- oder eher Wertschätzungsverschiebung begleitet: Nähren, Versorgen, Kümmern sind die Tugenden der Sperrstunde. Nicht allein zu Hause, sondern überall dort, wo diese Hausfrauentugenden greifen. Also überall, wo Menschen, durchdrungen von – vielleicht bloß unterstellter – selbstloser Opferbereitschaft, gar nicht oder schlecht bezahlt werden. Weil es ihnen weniger um Geld als um die gute Sache geht, zu gehen hat. Und die warmen Worte, mit denen die Nutznießer ihnen dieses Opfer vergüten. Statt zum Scheckbuch wird zum Poesiealbum gegriffen. Dankbarkeit als emotionale Kryptowährung. Nicht dem mit reichlich Distinktionsgewinn versehenen Chefarzt, sondern der selbstlosen Krankenschwester wird folgerichtig die Träne im Knopfloch gewidmet.

Der Mann, so ein beliebtes Bild, ist der Jäger, der in die Wildnis zieht, um gefährliche Tiere zu jagen und zu erlegen. Nun, wo die Jagdgründe vorerst geschlossen und die Waffen nutzlos sind, feiern die Jäger die Köchinnen, die ihnen aus eigenhändig gesammeltem Fallobst was Leckeres zaubern. Wo also männliche Tugenden nicht zum Zuge kommen, werden die weiblichen ins Systemrelevante verschoben. Wie so oft erweisen sich auch hier der Kitsch und die Sentimentalität als das wirksamste Gift gegen echte Veränderung. Denn das System, in dem weibliche Tugenden Relevanz erfahren – eine Relevanz auf Zeit, wie gesagt –, ist nun mal ein System der Defekte. Derzeit jenes der eingeschränkten Bewegungsfreiheit, der fehlenden Selbstbestimmung, der gefährdeten und beschädigten Gesundheit.

Das Verwalten des Defekten und das damit einhergehende biografische, emotionale und ökonomische Zurückstecken als strukturell weibliches Dilemma ist nicht neu. Neu ist allein die Wucht, mit der es von all jenen verklärt wird, die gerade nichts Besseres zu tun haben, als an Zoom-Konferenzen teilzunehmen. Dieses Feiern des weiblich konnotierten Gedöns in Ermangelung, mindestens Einschränkung des männlich konnotierten Geweses ist so wohlfeil wie vorläufig. Mag sein, dass "nach Corona" ein paar Euro mehr für die Helden und vor allem Heldinnen des Alltags herausspringen werden, so sie denn überhaupt für ihre Arbeit bezahlt wurden und werden. Mag sein, auch wir Frauen, die sich das ermöglicht haben, was meine Mutter als "schönes Leben" empfand, lassen das Bügelbrett weiterhin im Schrank. Aber, machen wir uns nichts vor: In eben dem Maße, wie die Wirtschaft und das In-der-großen-weiten-Welt-Sein hochgefahren wird, blicken die männlichen und die Handvoll weiblichen "mover und shaker" der neuen alten Welt aus wiedergewonnener Höhe auf das herab, dem sie, so freudig wie erleichtert, entronnen sind. Die Welt der Rückenfreihalter, der Opferbereiten und die der Zuhausegebliebenen. Die Welt der Frauen.


Aus: "Der Hausfrauenkomplex" Heike-Melba Fendel (30. April 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2020-04/geschlechterrollen-hausfrauen-vaeter-kinderbetreuung-arbeit-coronavirus/komplettansicht

Quotevicusvan #18

Ein wundervoller Artikel.


QuoteHonorisCausae #1

Eine kluge Analyse, aufbauend auf der Prämisse, dass das Heim per se ein Gefängnis, eine Ehe per se nie eine liebevolle Partnerschaft, eine Frau nie gerne Carearbeiterin sein kann. Die Analyse also klug, die Prämisse meines Erachtens nach falsch. Sie weist Frauen, die NICHT movers und shakers sein wollen und NICHT mit den großen Jungs spielen wollen, um Macht, Status, Geld, eine viel zu passive Rolle zu - geknechtet, ins Häusliche verwiesen, ohne jede "agency". Ich möchte nicht mit so einem Weltbild leben müssen, das so negativ ist, nur die Defekte und Defizite sehen kann und mag.


QuoteSirikid #85

Ich bin auch kindheitsgeschädigt, aufgrund der Abwesenheit eines Vaters, eines Bruders, eines Onkels oder Großvaters. Ich wusste gar nichts über Männer. Hab' dann doch Ehe und Kinder gewagt. Mit meinen Kindern hab' ich die verlorene Kindheit nachgeholt und von ihnen mehr gelernt als sie von mir.
Was mir bei den Diskussionen immer (!) zu kurz kommt, sind die Kinder. Die sind nämlich in der Kette das allerschwächste Glied. Ich sehe in meinem Beruf viele traurige Kinderaugen, wenn zu Hause niemand erreichbar ist und das Kind allein im Sanitätsraum warten muss.
Ein Leben ohne (Erwerbs-)Arbeit fände ich langweilig. Aber meine erste Reaktion auf Corona war eine gewisse Freude darüber, dass Eltern sich auch einmal alleine um ihre Kinder kümmern müssen und die Erziehung nicht an a deren delegieren. Das war ein Gefühl, und inzwischen verblasst es und weicht dem Mitleid. Und selbstredend gehören zur Hausarbeit alle dazu, je nach Alter neben den Eltern auch die Kinder.


QuoteBauernopfer_2014 #1.3

Ja, wirklich erschreckend welche Erfahrungen die Autorin prägen.

Wie sind meine Erfahrungen, als 40 jähriger Mann?

Mein Gefängnis ist der Beruf der mich den vielfältigsten Zwängen meiner Umwelt unterwirft. Komm ich Abends nach Hause, dann ist mein "Hofgang" die Hausarbeit, welche ich mir mit meiner Partnerin teile. Ach, ich glaube wir sind einfach zu arm um diese Art von Problemen zu verstehen. In meiner Partnerschaft müssen einfach beide hart Arbeiten draußen wie drinnen.


QuoteFlorindaGrove #8

Ich bin Hausfrau und mache das sogar freiwillig (Brot backen und bügeln) 😀allerdings habe ich wohl ein selten hilfsbereites Exemplar von Mann erwischt, der a) anerkennt, dass das bisschen Haushalt & 3 Jungs wirklich Arbeit bedeutet und b) jederzeit mit anpackt und im Haushalt ,,seinen Mann" steht.....früher wollte ich nie ,,so eine" werden, aber nachdem ich wieder in den Beruf zurück gegangen war, als unser Großer knapp 9 Monate alt war, habe ich festgestellt, dass es nicht meins war, obwohl ich immer gerne in meinem Job gearbeitet habe. Es kommt halt auf die Umstände und das Umfeld an . Meine Eltern waren auch zuerst entsetzt, aber sowas muss jeder für sich entscheiden.


QuoteMama Lauda #8.1

Seien Sie beruhigt. Ich bin auch Hausfrau und meine Frau verdient dass Geld. Wäre es anders herum, wäre es auch nicht schlimm. Besser jedoch auch nicht.


QuoteMensch Hoffmann #10

Als Frau wurde mir schon früh von Eltern/Großeltern vermittelt, was sich als Frau gehört und was nicht. Ich fand diese Vorstellungen schon immer skurril. Warum sollte mein Bruder den Rasen mähen und ich das Geschirr abwaschen? Warum durfte er nicht weinen? Keine der damaligen Antworten hat mich überzeugt und so bin ich meinen eigenen (und oft steinigen) Weg gegangen.
Nach dem Schulabschluss studiert und einen typischen Männerberuf ergriffen.
Mein Fazit: Ich wurde nie diskriminiert und fühle mich bis heute sehr wohl. Außerdem habe ich immer sehr gut verdient.


QuoteHMTiburon #15

Mein Arbeitskollege müsste im Rahmen seines Scheidungsverfahrens ungefähr 500.000 Euro in Form von Trennungsunterhalt, Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt an seine wohlgemerkt Vollzeit berufstätige Ex-Frau überweisen. Dazu kommt noch der etwas schwer in einer Geldsumme zu fassende Versorgungsausgleich.

Solange die Dinge am FamG so laufen, kann ich jedes Gerede und Geschreibe von einer angeblichen strukturellen Benachteiligung von Frauen absolut nicht ernst nehmen. Solange sich Frauen wie kleine Mädchen von einem Mann das Leben durchalimentieren lassen, ist Feminismus eine Farce und Emanzipation nur Theorie.

Corona zeigt hingegen im Wesentlichen nur eins: Junge Väter betreuen heute genauso ihren Nachwuchs wie Frauen.


QuoteSebastian Nigge #15.1

Verbreiten Sie keine Unwahrheiten. Trennungsunterhalt gibt es wenn überhaupt nur noch für den Elternteil, der Kinder unter 3 Jahren betreut und dadurch am einer Erwerbstätigkeit gehindert wird. Ab dem 3. Geburtstag eines Kindes kriegt der Elternteil, der die Kinder betreut nur Unterhalt für die Kinder. In 88 Prozent der Fälle zahlen die Väter. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge erhält etwa die Hälfte der Alleinerziehenden keinen einzigen Cent von diesen Vätern. Nur ein Viertel erhält regelmäßig den ihm zustehenden Unterhalt. So viel zu dem Thema.

Die Unterhaltsreform kam 2008. Das ist also deutlich über 10 Jahre her. Früher gab es Trennungsunterhalt für den Expartner auch ohne gemeinsame vorhandene Kinder. Und ein Versorgungsausgleich ist wenn Kinder vorhanden sind sogar sehr sinnvoll, denn meistens bleiben die Frauen 1 Jahr in der Elternzeit und gehen danach in Teilzeit. Dementsprechend ist ein Ausgleich nur fair. Die Argumentation von HMTiburon da oben ist schlicht lächerlich und hat nichts mit der aktuellen Lage zu tun.


QuoteKlaus Lachshammer #15.7

Sie verbreiten hier selber Unwahrheiten. Trennungsunterhalt kann es auch ohne Kinder geben. Voraussetzungen für den Trennungsunterhalt sind:

- Die Trennung muss vollzogen sein.
- Es muss die Bedürftigkeit eines Ehepartners vorliegen.
- Der andere Ehepartner muss in der Lage sein, diesen zu unterstützen.

Schauen Sie sich mal § 1361 BGB an:
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__1361.html


QuoteHMTiburon #15.9

Es gibt mehrere Begründungen für Unterhalt, nicht nur den für Kinder.

So siehts aus. Neben Kinderbetreuung ist auch nachehelicher Unterhalt wegen Alters oder Erkrankung im Gesetz, sprich BGB, verankert. Und den zahlt man auch heute noch uU lebenslang.

Die Ehe ist, und das wissen die meisten nicht, sonst würden sie kaum heiraten, eine Verpflichtung zur Versorgung des wirtschaftlich Schwächeren, also in der Regel der Frauen, da die meistens "nach oben" heiraten. Und das wie gesagt unter gewissen Umständen auch nach der Scheidung lebenslang !

Ob das noch zeitgemäß ist ??


Quotejjkoeln #35

Mal wieder der westdeutsch sozialisierte Blick.


QuoteFlavius Ricimer #38

"das Eigentliche, also Geld, Macht, Status"

Eigentlich erbarmungswürdig, wer meint, sein Selbstwertgefühl aus diesen Dingen ziehen zu müssen. ...


QuoteElofant #33

"das Eigentliche, also Geld, Macht, Status"

Echt jetzt? Das ist ja nun wirklich von vorgestern.


QuoteSchneider_ #49

Die Autorin beschreibt sicherlich eine Zeit, die wir eigentlich hinter uns gelassen haben. Und das ist auch gut so. Die westdeutsche Hausfrauenrolle übergestülpt über die meisten Frauen damals, kann sich nur als Gefängnis anfühlen. Denn Selbstverwirklichung ist nun mal auch ein wichtiger Faktor der Selbstzufriedenheit. Die Ostdeutsche Frauenrolle gab es auch. Die Arbeitende, die ihre Kinder morgens in den Kiga bringt und nach der Arbeit abholt, nach Hause radelt und dann den Haushalt macht. Es gab hier sicherlich mehr Selbstverwirklichung, da die Arbeit wertgeschätzt wurde und sie nicht nur auf Wertschätzung ihres Mannes angewiesen war. Denn Jeder Mensch braucht Wertschätzung. Doch wurde es erwartet, dass sie alles macht auf Arbeit arbeiten, zu Hause arbeiten und die kinder groß zieht. Auch ein Gefängnis aus dem Söhne und Töchter ausbrechen wollten. Der Vorteil all dieser Entwicklungen ist doch, dass wir schon dabei sind das jeder so leben kann wie er möchte. Um nochmal zum Artikel zu kommen. Ja ich kann die Autorin verstehen, dass sich der Lockdown für viele Frauen derzeit wie ein Gefängnis anfühlt. Aber was ist mit den Männern. Redet doch auch mal über eure "Gefängnisse "!


Quotejjkoeln #49.2

Die (west-)deutsche Vorstellung, dass der Mann ranschsfft und die Familie versorgt und die Frau den Haushalt managed ist auch für den Mann die Hölle.

Die gesamte Verantwortung der Versorgung lastet auf ihm. Gerade in Zeiten wie diesen ist das ein erheblicher Druck. Und von den Kindern bekommt er wenig bis nichts mit.
Cool, wer will das heute noch?


QuoteEmma Blomma #50

Ich sehe in meinem Umfeld so viele Väter, die sich sehr selbstverständlich und umfangreich in die Carearbeit einbringen, auch schon vor Corona und Home Office Zeiten. Natürlich gibt es immer noch Familien mit sehr klass. Rollenverteilung, aber so langsam frage ich mich, in welcher Bubble Journalist_innen oder Feministinnen leben, die immer noch gebetsmühlenartig das Negativbild des karrieregeilen, sich nicht um Kinder kümmernden Vaters in ihrem Artikeln durchkauen. Sicher gibt es immer noch etwas zu verbessern, sicher gibt es immer noch Frauen, die "nur" Hausfrau sind. Diese Frauen kenne ich auch und die haben sich bewusst dafür entschieden. Der Artikel verpasst Frauen eine viel zu passive Rolle.


QuotePippilangstrumpfvictualia #51

Wir leben doch heute in einer Gesellschaft, in der sehr viele Lebensmodelle lebbar sind. Und ja, an vielen Stellen können wir durchaus Entscheidungen treffen (Berufswahl, Partnerwahl usw.). Wir sollten für diese selbst getroffenen Entscheidungen bitte aber auch die Verantwortung übernehmen und wenn sie sich als eine unglückliche Entscheidung heraus stellt, selbst eine Korrektur vornehmen bzw. das beste draus machen, aber nicht bei anderen die Schuld suchen. Das ist unreif.


QuoteHamptidamti #58

Sagen Sie einer Frau mal in der Kennenlernphase, dass sie als Mann gerne der wären, der zuhause bleibt, sich um die Kinder kümmert und den Haushalt schmeißt.

Reaktionen von: "dann hast Du ja Affairen mit den anderen Müttern" bis hin zu "Du bist dann kein richtiger Mann" war alles dabei.
Vielleicht sollten viele (schreibende) Frauen, sich mal bewusst machen, dass das Köpfchen das eine will, das Herz etwas noch anderes und der Bauch wer weiß wohin unterwegs ist.

Auch weiß man meist vorher, wen man heiratet. Danach dann überrascht zu sein, ist eigentlich naiv.
Vielleicht und das ist ernst gemeint, wäre es sinnvoll, Männern auch Kolumnen einzuräumen, dann wären zumindest mal beide Perspektiven gezeigt?


Quotebabasikander #58.1

"Männern auch Kolumnen einzuräumen"

Wozu? - Es ist doch mittlerweile Konsens, dass Männer keine Ahnung von Partnerschaft haben können, nicht?


QuotePippilangstrumpfvictualia #60

Vielleicht ist das Ganze v.a. eine Frage der Selbst(un)sicherheit in Zeiten, wo es viele verschiedene Lebensmodelle gibt?



QuoteHamptidamti #68

"und Männer verschleißen, wie ich lustig war."

Haha, bin ich geneigt zu denken. ...


QuoteFletscher Christian #66

"Heike-Melba Fendel ist Autorin und Inhaberin der Künstler- und Veranstaltungsagentur Barbarella Entertainment..." und merkt jetzt in der Corona-Krise vielleicht, dass sie gar nicht wichtig ist und wie entbehrlich sie ist und bettelt vermutlich um Staatshilfe. Und vielleicht..., vielleicht merkt sie sogar, dass die von ihr von oben herab betrachteten Hausfrauen besser dran sind, weil sie vielleicht vorgesorgt haben, eine Garten besitzen und eine Speisekammer und Essen selbst zubereiten können.
Merke: Feminismus alleine macht auch nicht satt. ...


QuoteFreigeistin #73

Eine kluge Gesellschaftsanalyse!

Die Autorin wertet übrigens nicht die Hausfrau ab, wie das einige Kommentatoren hier wohl verstanden haben. Sie zeigt lediglich historische Kontinuitäten und kulturell gewachsene Strukturen auf, deren Bedingungen wir alle (Frauen wie Männer) unterliegen.

,,Ich glaube nicht, dass wir einen solchen Backlash erleben. Diese Krise hat die Geschlechterrollen nicht ins Gestern verschoben, sondern das Frauenschicksal vergemeinschaftet."

Da wir übergangsweise alle auf den Ort des Häuslichen zurückgeworfen wurden, erfährt der Ort des Heims, der bis vor wenigen Jahren noch allein Frauen als Raum von ,,Macht" und Aneignung zugestanden wurde, mehr Aufmerksamkeit auch von Männern. ,,Vergemeinschaftet" eben.

Wenn die Autorin schreibt, dass die mover und shaker (Männer und Frauen) auf das ,,Gedöns" herabblicken, dem sie ja so freudig ,,entronnen" sind, meint sie damit auch sich selbst und nimmt sich aus dem kritischen Kontext, den Heim und Herd in diesem Text liefern, nicht aus.


Quotewaskannichwissen #79

Insgesamt ein guter Artikel. Mich nervt im Forum die weitgehend westdeutsch sozialisierte Brille. Frauen im Osten waren -dank Arbeit-erheblich gleichgestellter/ gleichberechtigter als noch heute. NichtJede musste ans Fließband radeln und nein, es war nicht alles perfekt in Sachen Gleichstellung. Aber einige Debatten (starre Rollenvorstellungen) waren längst geführt. Wenn Sie erstmal mit einer gestandenen Schlosserin oder Chemikerin gesprochen haben, erübrigten sich Klischees und Fragen. Oder: Bis zur Wende war ich ausschließlich bei Ärztinnen, jetzt lese ich manchmal die Forderungen: Frauen müssen gleichberechtigter in der Medizin sein. Manche Themen in ZON / im Forum lese ich wie Berichte aus einem seltsamen alten fernen Land.


QuoteDoris W. #81

Eine Ehe ist halt eine Partnerschaft. Beide Partner werden mit diversen Rollenerwartungen von aussen konfrontiert. Letztendlich aber darf man allein entscheiden, wie man das Leben gemeinsam meistert. Wer sagt denn, dass die "Männerwelt" so traumhaft schön ist?



QuoteHomeOffice #88

Ich halte es für einen Irrweg, wenn wir es als Zumutung empfinden, wenn sich Eltern persönlich um ihre Kinder kümmern.
Ich war in meiner Kindheit mittags mit der Schule fertig. Und meine Mama war dann auch zuhause. Ich fand das schön.


Quote123Valentino #89

So weit ich zurückblicken kann , mein Vater hatte immer Nachtschicht und verdiente vergleichbar viel Geld , geschuldet war es der Tatsache das er Bergmann war und zahllose Überschichten machte.
Gesund war das nicht.
Wir hatten damals ein großes Haus , welches der Arbeitgeber zur Verfügung stellte, großer Garten mit aller Art von Gemüse und fast allen gängigen Obstsorten.
Meine Mutter habe ich in Erinnerung , mehr als Gärtnerin , gesund stark , eine gute Köchin und bigotte Katholikin.
Die Arbeit zerrte meine Vater auf.
Ich weiß nicht, wer sich für wen opferte wenn, dann hat mein Vater Substanz gelassen , er selbst hätte das nie so gesehen und es ging vielen Vätern in vielen Familien ähnlich. Viele zahlten in den letzten Lebensjahren mit schweren Krankheiten für ihre Opferbereitschaft.
Haben aber nie in die Opferrolle angenommen und wollten stark sein als sie schon schwach waren.
Mir tun die Frauen des Bildungsbürgertums leid , meiner Mutter ist dieses, im Artikel beschriebene, Schicksal erspart geblieben.


...

#2236
Quote[...] Da wird von allen wochenlang gefordert, man müsse die Kurve abflachen, wochenlanges Daheimbleiben für alle, und wenn die Mission gelingt, steht schon ein Männerchor in den Startlöchern und weiß alles besser. Ja, auch da gibt es Ausnahmen, Männer, die vernünftig für die Grundrechte kämpfen, aber die Regel sind die Vernuftbetonten nicht. Die Regel ist derzeit: Je lauter ich die Virologen niederstampfe, je länger mein Zeigefinger in Richtung Schweden deutet, desto heldenmutiger bin ich. Ich übe Widerstand, also bin ich, denken unsere selbsternannten Helden der Pandemie, Schreimänner nenne ich sie.

In China sind seit Ausbruch des Virus mehrere Männer verschwunden, weil sie öffentlich angeprangert haben, die Verwaltungen gingen zu fahrlässig mit der Bevölkerung um. Sie drehten Videos von mangelnden Hygienemaßnahmen, kritisierten Feste, die nicht hätten stattfinden dürfen. Die Regierung habe ihre Maßnahmen nicht den Erkenntnissen der Wissenschaft angepasst. Den Fakten. Sie handle irrational und gefährde so die Bevölkerung. Diese Männer, es ware viele, sind derzeit verschwunden. Im Westen kennt man nicht einmal ihre Namen.

Bei uns hingegen wird die Regierung für ebensolch faktenbasiertes Handeln und erfolgreiches Krisenmanagement nicht gelobt. Nein, bei uns wird das zum Vorwurf. Hier wird, Demokratie sei Dank, auch niemand eingesperrt, aber die Schreimänner führen sich auf wie Maulhelden, die es besser wissen als jene, die Deutschland gerade erfolgreich durch die Krise manövrieren. Und sie nerven. Die Grundthese ist: Ganz egal, wie viele Leute in den USA, in Spanien oder Italien sterben, die deutsche Regierung hat einfach Mist gebaut und die Wirtschaft für etwas Grippeartiges gegen die Wand gefahren. Als stünden Länder, die später zum Lockdown fanden, ökonomisch besser da.

Was daran nervt? Die Schreimänner werden gehört und kommen öffentlich durch. Sie demaskieren ihre Eitelkeiten. Um jeden Preis versuchen sie die Debatte über eine historische Pandemie zu assimilieren zu einer gewöhnlichen Meinungsdebatte. Sie könnten ja unwichtig werden, während die Virologen nun die Podcast-Charts anführen. Ach je, dann wären diese wichtigen Männer ja nur noch wie Frauen. Wie diese nervigen Frauen, von denen man gerade nur noch hört, dass ein Backlash für den Feminismus zu erwarten sei, die Geld verlangen für ihre Zeit mit Kindern – als hätten sie sich nicht selbst Kinder gewünscht, diese Frauen! So unwichtig wollen die Schreiherren keine sechs Wochen lang werden! Virologen? Weg damit!

Für Frauen droht unterdessen der Backlash in die Fünfziger. Das weiß seit einem grandiosen Artikel in The Atlantic die ganze Welt. Und jetzt? Was brauchen Frauen jetzt, um das zu verhindern? Selbst die klügsten Frauen ächzen auf Twitter unter der Last und wiederholen das Mantra der Fünfziger, die uns drohen; es ist wie bei diesen Geduldswürfeln früher, man kann es drehen und wenden, wie man will: Bis zum Sommer wird es wohl keinen normalen Schulunterricht geben.

Doch wo sind zumindest drei Forderungen, was Eltern oder Familien nun brauchen, damit Frauen das nicht alleine auffangen? Wie verhindern, dass Frauen an den Haushalt gebunden werden, vom öffentlichen Reden und nichtöffentlichen Denken aber abgehalten werden? Im englischsprachigen Raum reichen Akademiker derzeit Papiere ein ohne Ende, die Pandemie bekommt den Wissenschaftlern gut, während die Akademikerinnen als Verfasserinnen von Papers verschwinden.

Selbst in gebildeten und sozio-ökonomisch privilegierten Milieus schnappen in der Krise also die alten Rollen zu. Man muss hier auch über die fehlenden Fortschritte im Feminismus durch die Komplizenschaft der Frauen sprechen. Es gibt ein Milieu, das aufgeklärt genug wäre, finanziell gesichert genug, um sich jetzt gegen den Backlash zu wehren. Es ist in meiner Generation Feministinnen jedoch nicht gewünscht, mit der Rhetorik von ,,Frauen müssen jetzt ..." zu arbeiten. Wer aber soll jetzt, wenn nicht wir? Wenn man nur das Bedrohungsszenario an die Wand malt, erschrecken zwar alle, doch keiner weiß, was dagegen zu tun wäre.

Die Forderung nach Teilhabe und Befreiung von Sorgearbeit darf jetzt nicht von der Empörung überlagert werden, sonst rollt sich das Worst-Case-Szenario für Frauen aus. Die Herren (!) der Lage sind, abgesehen von Merkel und zwei Ministerpräsidentinnen, Männer. Es liegt in ihren Händen und es interessiert sie nur in Interviews, ob Frauen unter der Arbeit stöhnen. Das zeigte selbst Alexander Kekulé, der zwar keine politische Verantwortung trägt, aber doch kräftig mitmischt: Er bedauerte seine Frau derzeit für die Sorgearbeit – in einem TV-Interview. Thank you, darling.

Es braucht jetzt schnell fünf klare Forderungen für Frauen, wie sie trotz Pandemie weiter am Arbeitsleben teilhaben können. Das Grundeinkommen ist keine davon, das Grundeinkommen in solchen Zeiten wäre eine Art Herdprämie. Es geht um Entlastung von Sorgearbeit. Teilhabe am Diskurs und an Schlüsselstellen in Wirtschaft, Politik, Kultur und Verwaltung. TV-Redakteure sollten in Kommunen Frauen in Verantwortung finden, die vom Krisenmanagement berichten. Sichtbarkeit ist das Gebot der Stunde.

Um Entlastungsstrategien zu finden, braucht es die Beratung der Virologen, weil der Schutz des Lebens zur Fürsorgepflicht des Staates gehört. Das ist nicht verhandelbar, wie wieder andere Männer so prominent ins Land schreien. Die Lautstärke drosseln, vor allem für das Telegram-Dreamteam Naidoo und Hildmann. Immerhin: Selbst unter den Verschwörungstheoretikern setzte sich zum Glück keine Frau durch. Die lauten Schreimänner, die nun alles Erreichte verhöhnen, indem sie die Pandemie kleinspielen, die braucht es jetzt nicht. Aber die Frauen, die mehr sind als die Sorgearbeiterinnen, auf die sie derzeit festgelegt werden sollen, die braucht es jetzt dringend.


Aus: "Geschlechterrollen in Coronazeiten: Die Stunde der Schreimänner" Kommentar von Jagoda Marinić (6. 5. 2020)
Quelle: https://taz.de/Geschlechterrollen-in-Coronazeiten/!5680001/

QuoteSchnurzelPu

Also in Deutschland kann man sich den Kerl aussuchen, mit dem man zusammenlebt. Also Augen auf beim Eierkauf und nicht nur auf Bauch, Beine, Po achten.


Quoteresto

Bei uns gibt es jene Menge Frauen, die das Virus klein reden. So die Taxifahrerin, die Bistrobetreiberin, die Nachbarin.... Übrigens sehe ich keinen Backslash für uns Frauen sondern die Chance, uns endlich ernsthaft und vor allem konsequent in der Art, wie wir leben, für unsere Interessen einzusetzen. Und wer im Stil der 1950er weiterleben will, die soll.


...

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Quote[...] Zu meiner Geburt bekam meine Mutter ein praktisches Geschenk von meinem Vater: ein Bügelbrett mit silbern glänzendem Bezug. Die Familie steckte zu dieser Zeit mitten im Umzug in ein eigenes Reihenhaus im Kölner Norden. Ein Fortschritt natürlich, ersetzte es doch eine viel zu kleine Mietwohnung. Das Bügelbrett war sicher auch ein Fortschritt zum Vorgängermodell. Der Vater hatte zu arbeiten, also Geld zu verdienen, während meine Mutter Hausbau, Umzug und Kinder zu regeln hatte, was Frau eben so regelte und was unter dem subsumiert wurde, das Gerhard Schröder Jahrzehnte später "Gedöns" nennen sollte.

Meine Mutter machte ihrerseits nicht viel Gedöns um sich und die Überforderung jener Tage, die sie in einen, nie so benannten, gleichwohl folgenschweren Zusammenbruch führte und ihre Töchter in ein Kinderheim, in dem solche Kollateralschäden des Wirtschaftswunders verwaltet wurden. Man sprach nicht darüber in jenen Jahren, weil es ein Eigentliches gab, über das zu sprechen sich weitaus mehr lohnte. Den Aufstieg des Vaters vom Buchhalter zum Personalchef und schließlich zum Chef einer Klinik etwa. "Meine Frau muss nicht arbeiten", war das Credo jener Ehemänner, die später freundlich über den milden Spott in Johanna von Koczians Gassenhauer Das bisschen Haushalt lächeln konnten. Das bisschen Rückenfreihalten, Affären dulden und entfremdete Kinder reintegrieren füllte zusätzlich jene Uneigentlichkeit aus, in der sich Frauenleben in den Sechzigerjahren abspielten.

Gerahmt, ja, zementiert wurden diese Leben von den vier Wänden, eigenen wie gemieteten, in denen es sich abspielte, dem Zuhause, neudeutsch home. Wenn das Büro, neudeutsch office, als jener Ort definiert wird, an dem Arbeitsgeräte zum Einsatz kommen, so arbeiten Hausfrauen seit jeher im home office. Dort also, wo die Waschmaschine, das Bügeleisen und der Staubsauger stehen. Und natürlich der Herd, für dessen emsige Bedienung durch die Hausfrau, wiederum Jahrzehnte später, von der CSU eine Prämie ausgelobt wurde.

Wir Boomer machten, dass wir wegkamen aus dieser Welt der so abwesenden wie abweisenden Väter und stets sehr bemühten Mütter. Mich verschlug es im Rahmen eines Auslandsstipendiums nach Williamsburg, Virginia, in die Familie Brice. Sie bestand aus Mutter Brice, ihren zwei leiblichen und zwei Pflegekindern. Vater Brice war bei der Armee, was Betty ermöglichte, die umfangreichen Einkäufe im Angehörigen der Armee vorbehaltenen Supermarkt tätigen zu können. Die erledigte die zierliche Frau nach ihrem Rezeptionsdienst im örtlichen Holiday Inn. Sie machte keinen Hehl daraus, dass die erheblich verbilligte Ware in den braunen Packpapiertüten das Beste war, was sie von ihrem Mann hatte. Während seiner sehr seltenen Besuche drangen unerfreuliche Auseinandersetzungen durch die verschlossene Schlafzimmertür, über die eine sehr bleiche Betty am nächsten Morgen kein Wort verlor. Sie machte das Frühstück, brachte uns in ihrer grüngelben Uniform mit dem angesteckten Namensschild zum Schulbus und fuhr dann zum Dienst ins Holiday Inn. Ich schrieb meiner Mutter aus den USA Briefe auf Luftpostpapier, nach meinem Vater fragte ich darin ebenso wenig, wie ich am Frühstückstisch nach Vater Brice fragte.

Als ich schwanger wurde, sagten alle, die davon erfuhren, erfreut: "Machste allein, ne?", obschon dies gar nicht der Plan war. Nur meine, inzwischen geschiedene, Mutter war nicht erfreut: "Mach das nicht", sagte sie entsetzt. "Du hast doch so ein schönes Leben." Ich war 26 Jahre alt, als ich anhand dieses Ausbruchs erstmals begriff, wie unglücklich meine Mutter all die Jahre gewesen war. Wie so gar nicht schön sie ihr Leben als Mutter und alles, was damit verbunden war, erlebt hatte. Und wie sehr sie sich wünschte, dass ich es einmal besser hätte als sie. Ja, es bereits so viel besser hatte, konnte ich doch kinderlos in der Welt herumreisen, Interviews mit mehr oder weniger berühmten Menschen führen und Männer verschleißen, wie ich lustig war. Weit entfernt von einem gar nicht lustigen Heim, in dem man verschlissen wird von der Anwesenheit wie der Abwesenheit jener Männer, die dieses Heim bezahlen. Ein Heim ohne Verheißung, aber voll mit Geräten in immer schickeren Ausführungen.

Ich habe es dann doch allein gemacht mit meiner Tochter, Plan hin oder her. Oder eben doch nicht allein, denn im Haus gegenüber wohnte Seyma, eine Muslima aus dem bosnischen Goražde. Ihr deutscher Ehemann, der viele Jahre in Bosnien gelebt hatte, war vor Jahren mit ihr nach Köln gezogen. Sie sprach kein Deutsch und verließ die Wohnung nur zum Einkaufen. Selbst kinderlos kümmerte sie sich voller Freude um die Nachbarskinder und rasch auch um meine Tochter – bei Bedarf rund um die Uhr. Als die Jugoslawienkriege sich nach Bosnien ausbreiteten und Goražde unter serbische Belagerung fiel, schwoll ihr kleiner Haushalt an. Bis zu einem Dutzend Frauen jeden Alters und kleine Kinder lebten als geduldete Flüchtlinge in der Dreizimmerwohnung. Die Kinder gingen zur Schule und lernten rasch Deutsch. Die Frauen nicht, sie blieben zu Hause und saßen meist gemeinsam in der Küche, redeten, kochten und buken Brot. Das Kriegsende brachte nach sechs Jahren die unausweichliche Rückführung von Seymas Hausgästen in deren verwüstete Heimat mit sich. Allein in ihrer jetzt viel zu großen Wohnung rauchte sie Kette und schaute Homeshopping-Sendungen in Dauerschleife, bis der Mann von der Arbeit kam.

Das Bügelbrett mit dem silbernen Bezug habe ich aufbewahrt. Und nie benutzt. Nicht weil ich ein anderes hätte, sondern weil ich in meinem ganzen Leben nie gebügelt habe. Oder genäht. Oder Brot gebacken. Und Haushaltsgeld entgegengenommen schon gar nicht. Weil ich, wie so viele andere Frauen, ob wir uns Feministinnen nennen oder nicht, der Hausfrauenfalle entkommen wollte. Und es uns zu gelingen schien. Weil etwa meine Tochter sich die Betreuung ihrer kleinen Tochter hälftig mit dem Vater teilt. Weil wir uns und die Gesellschaft verändert hatten. Weil wir weitergekommen waren, so viel weiter als von der Küche bis zum nächsten Supermarkt, zur nächsten Kita und dem Altersheim, das längst Seniorenresidenz heißt, zur nächsten Auseinandersetzung mit einem herrschsüchtigen Mann. Wir haben uns immer näher an das Eigentliche herangerobbt, also an Geld, Macht, Status, haben gelernt, mit den großen Jungs zu spielen, und "Gedöns" heißt jetzt Care-Arbeit.

Wir hatten es also zwar noch nicht ganz geschafft mit der Abschaffung des Hausfrauenkomplexes, waren aber immerhin auf einem guten, einem unumkehrbaren Weg. Doch dann kam Corona. Und seither ist viel von einem veritablen Backlash die Rede, weil die Männer das Heft des Handelns, Erklärens und Beratens neuerlich in die Hand nähmen, während die Frauen sich um Homeschooling, Mundschutznähen und Familie-bei-Laune-Halten kümmerten. Diese Krise katapultiere also die Frau in die Hierarchie der Fünfzigerjahre zurück, weil Krisenbewältigung immer noch und jetzt erst recht Männersache sei.

Ich glaube nicht, dass wir einen solchen Backlash erleben. Diese Krise hat die Geschlechterrollen nicht ins Gestern verschoben, sondern das Frauenschicksal vergemeinschaftet. Die Ursache dafür liegt in dem Ort, an den sie auch den männlichen Teil der Gesellschaft zurückwirft: der geschlossene Raum, die vier Wände, das Zuhause als Gefängnis. Jenes Gefängnis, das nur zum Einkaufen verlassen werden darf. Wo die Freiheit endet, beginnt die weibliche Realität. Und zwar jene vor, während und nach den Fünfzigerjahren. Eine Realität des Aushaltens. Meine Mutter, Betty, Seyma und all die anderen Gefangenen patriarchaler Lebensformen sind nicht Relikte eines sich fortlaufend abschaffenden Gesterns. Sie und ihr wunschloses Unglück haben ihre Kinder und Kindeskinder geprägt. Und nun, wo sich die gesamte Welt in einem Zuhause wiederfindet, aus dem es kaum ein Entrinnen gibt, das klaglos ausgehalten werden muss, wird dieses Unglück neuerlich zementiert, und ja, schließt auch Männer auf nachgerade verquere Weise mit ein. Zumindest auf Zeit.

So ist das Los der Hausfrau eine kollektiv erfahrbare Bürde geworden. Die Verengung von Spielräumen aller Art wird, scheinbar folgerichtig, von einer Werte- oder eher Wertschätzungsverschiebung begleitet: Nähren, Versorgen, Kümmern sind die Tugenden der Sperrstunde. Nicht allein zu Hause, sondern überall dort, wo diese Hausfrauentugenden greifen. Also überall, wo Menschen, durchdrungen von – vielleicht bloß unterstellter – selbstloser Opferbereitschaft, gar nicht oder schlecht bezahlt werden. Weil es ihnen weniger um Geld als um die gute Sache geht, zu gehen hat. Und die warmen Worte, mit denen die Nutznießer ihnen dieses Opfer vergüten. Statt zum Scheckbuch wird zum Poesiealbum gegriffen. Dankbarkeit als emotionale Kryptowährung. Nicht dem mit reichlich Distinktionsgewinn versehenen Chefarzt, sondern der selbstlosen Krankenschwester wird folgerichtig die Träne im Knopfloch gewidmet.

Der Mann, so ein beliebtes Bild, ist der Jäger, der in die Wildnis zieht, um gefährliche Tiere zu jagen und zu erlegen. Nun, wo die Jagdgründe vorerst geschlossen und die Waffen nutzlos sind, feiern die Jäger die Köchinnen, die ihnen aus eigenhändig gesammeltem Fallobst was Leckeres zaubern. Wo also männliche Tugenden nicht zum Zuge kommen, werden die weiblichen ins Systemrelevante verschoben. Wie so oft erweisen sich auch hier der Kitsch und die Sentimentalität als das wirksamste Gift gegen echte Veränderung. Denn das System, in dem weibliche Tugenden Relevanz erfahren – eine Relevanz auf Zeit, wie gesagt –, ist nun mal ein System der Defekte. Derzeit jenes der eingeschränkten Bewegungsfreiheit, der fehlenden Selbstbestimmung, der gefährdeten und beschädigten Gesundheit.

Das Verwalten des Defekten und das damit einhergehende biografische, emotionale und ökonomische Zurückstecken als strukturell weibliches Dilemma ist nicht neu. Neu ist allein die Wucht, mit der es von all jenen verklärt wird, die gerade nichts Besseres zu tun haben, als an Zoom-Konferenzen teilzunehmen. Dieses Feiern des weiblich konnotierten Gedöns in Ermangelung, mindestens Einschränkung des männlich konnotierten Geweses ist so wohlfeil wie vorläufig. Mag sein, dass "nach Corona" ein paar Euro mehr für die Helden und vor allem Heldinnen des Alltags herausspringen werden, so sie denn überhaupt für ihre Arbeit bezahlt wurden und werden. Mag sein, auch wir Frauen, die sich das ermöglicht haben, was meine Mutter als "schönes Leben" empfand, lassen das Bügelbrett weiterhin im Schrank. Aber, machen wir uns nichts vor: In eben dem Maße, wie die Wirtschaft und das In-der-großen-weiten-Welt-Sein hochgefahren wird, blicken die männlichen und die Handvoll weiblichen "mover und shaker" der neuen alten Welt aus wiedergewonnener Höhe auf das herab, dem sie, so freudig wie erleichtert, entronnen sind. Die Welt der Rückenfreihalter, der Opferbereiten und die der Zuhausegebliebenen. Die Welt der Frauen.


Aus: "Der Hausfrauenkomplex" Heike-Melba Fendel (30. April 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2020-04/geschlechterrollen-hausfrauen-vaeter-kinderbetreuung-arbeit-coronavirus/komplettansicht

Quotevicusvan #18

Ein wundervoller Artikel.


QuoteHonorisCausae #1

Eine kluge Analyse, aufbauend auf der Prämisse, dass das Heim per se ein Gefängnis, eine Ehe per se nie eine liebevolle Partnerschaft, eine Frau nie gerne Carearbeiterin sein kann. Die Analyse also klug, die Prämisse meines Erachtens nach falsch. Sie weist Frauen, die NICHT movers und shakers sein wollen und NICHT mit den großen Jungs spielen wollen, um Macht, Status, Geld, eine viel zu passive Rolle zu - geknechtet, ins Häusliche verwiesen, ohne jede "agency". Ich möchte nicht mit so einem Weltbild leben müssen, das so negativ ist, nur die Defekte und Defizite sehen kann und mag.


QuoteSirikid #85

Ich bin auch kindheitsgeschädigt, aufgrund der Abwesenheit eines Vaters, eines Bruders, eines Onkels oder Großvaters. Ich wusste gar nichts über Männer. Hab' dann doch Ehe und Kinder gewagt. Mit meinen Kindern hab' ich die verlorene Kindheit nachgeholt und von ihnen mehr gelernt als sie von mir.
Was mir bei den Diskussionen immer (!) zu kurz kommt, sind die Kinder. Die sind nämlich in der Kette das allerschwächste Glied. Ich sehe in meinem Beruf viele traurige Kinderaugen, wenn zu Hause niemand erreichbar ist und das Kind allein im Sanitätsraum warten muss.
Ein Leben ohne (Erwerbs-)Arbeit fände ich langweilig. Aber meine erste Reaktion auf Corona war eine gewisse Freude darüber, dass Eltern sich auch einmal alleine um ihre Kinder kümmern müssen und die Erziehung nicht an a deren delegieren. Das war ein Gefühl, und inzwischen verblasst es und weicht dem Mitleid. Und selbstredend gehören zur Hausarbeit alle dazu, je nach Alter neben den Eltern auch die Kinder.


QuoteBauernopfer_2014 #1.3

Ja, wirklich erschreckend welche Erfahrungen die Autorin prägen.

Wie sind meine Erfahrungen, als 40 jähriger Mann?

Mein Gefängnis ist der Beruf der mich den vielfältigsten Zwängen meiner Umwelt unterwirft. Komm ich Abends nach Hause, dann ist mein "Hofgang" die Hausarbeit, welche ich mir mit meiner Partnerin teile. Ach, ich glaube wir sind einfach zu arm um diese Art von Problemen zu verstehen. In meiner Partnerschaft müssen einfach beide hart Arbeiten draußen wie drinnen.


QuoteFlorindaGrove #8

Ich bin Hausfrau und mache das sogar freiwillig (Brot backen und bügeln) 😀allerdings habe ich wohl ein selten hilfsbereites Exemplar von Mann erwischt, der a) anerkennt, dass das bisschen Haushalt & 3 Jungs wirklich Arbeit bedeutet und b) jederzeit mit anpackt und im Haushalt ,,seinen Mann" steht.....früher wollte ich nie ,,so eine" werden, aber nachdem ich wieder in den Beruf zurück gegangen war, als unser Großer knapp 9 Monate alt war, habe ich festgestellt, dass es nicht meins war, obwohl ich immer gerne in meinem Job gearbeitet habe. Es kommt halt auf die Umstände und das Umfeld an . Meine Eltern waren auch zuerst entsetzt, aber sowas muss jeder für sich entscheiden.


QuoteMama Lauda #8.1

Seien Sie beruhigt. Ich bin auch Hausfrau und meine Frau verdient dass Geld. Wäre es anders herum, wäre es auch nicht schlimm. Besser jedoch auch nicht.


QuoteMensch Hoffmann #10

Als Frau wurde mir schon früh von Eltern/Großeltern vermittelt, was sich als Frau gehört und was nicht. Ich fand diese Vorstellungen schon immer skurril. Warum sollte mein Bruder den Rasen mähen und ich das Geschirr abwaschen? Warum durfte er nicht weinen? Keine der damaligen Antworten hat mich überzeugt und so bin ich meinen eigenen (und oft steinigen) Weg gegangen.
Nach dem Schulabschluss studiert und einen typischen Männerberuf ergriffen.
Mein Fazit: Ich wurde nie diskriminiert und fühle mich bis heute sehr wohl. Außerdem habe ich immer sehr gut verdient.


QuoteHMTiburon #15

Mein Arbeitskollege müsste im Rahmen seines Scheidungsverfahrens ungefähr 500.000 Euro in Form von Trennungsunterhalt, Zugewinnausgleich und nachehelichen Unterhalt an seine wohlgemerkt Vollzeit berufstätige Ex-Frau überweisen. Dazu kommt noch der etwas schwer in einer Geldsumme zu fassende Versorgungsausgleich.

Solange die Dinge am FamG so laufen, kann ich jedes Gerede und Geschreibe von einer angeblichen strukturellen Benachteiligung von Frauen absolut nicht ernst nehmen. Solange sich Frauen wie kleine Mädchen von einem Mann das Leben durchalimentieren lassen, ist Feminismus eine Farce und Emanzipation nur Theorie.

Corona zeigt hingegen im Wesentlichen nur eins: Junge Väter betreuen heute genauso ihren Nachwuchs wie Frauen.


QuoteSebastian Nigge #15.1

Verbreiten Sie keine Unwahrheiten. Trennungsunterhalt gibt es wenn überhaupt nur noch für den Elternteil, der Kinder unter 3 Jahren betreut und dadurch am einer Erwerbstätigkeit gehindert wird. Ab dem 3. Geburtstag eines Kindes kriegt der Elternteil, der die Kinder betreut nur Unterhalt für die Kinder. In 88 Prozent der Fälle zahlen die Väter. Einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zufolge erhält etwa die Hälfte der Alleinerziehenden keinen einzigen Cent von diesen Vätern. Nur ein Viertel erhält regelmäßig den ihm zustehenden Unterhalt. So viel zu dem Thema.

Die Unterhaltsreform kam 2008. Das ist also deutlich über 10 Jahre her. Früher gab es Trennungsunterhalt für den Expartner auch ohne gemeinsame vorhandene Kinder. Und ein Versorgungsausgleich ist wenn Kinder vorhanden sind sogar sehr sinnvoll, denn meistens bleiben die Frauen 1 Jahr in der Elternzeit und gehen danach in Teilzeit. Dementsprechend ist ein Ausgleich nur fair. Die Argumentation von HMTiburon da oben ist schlicht lächerlich und hat nichts mit der aktuellen Lage zu tun.


QuoteKlaus Lachshammer #15.7

Sie verbreiten hier selber Unwahrheiten. Trennungsunterhalt kann es auch ohne Kinder geben. Voraussetzungen für den Trennungsunterhalt sind:

- Die Trennung muss vollzogen sein.
- Es muss die Bedürftigkeit eines Ehepartners vorliegen.
- Der andere Ehepartner muss in der Lage sein, diesen zu unterstützen.

Schauen Sie sich mal § 1361 BGB an:
https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__1361.html


QuoteHMTiburon #15.9

Es gibt mehrere Begründungen für Unterhalt, nicht nur den für Kinder.

So siehts aus. Neben Kinderbetreuung ist auch nachehelicher Unterhalt wegen Alters oder Erkrankung im Gesetz, sprich BGB, verankert. Und den zahlt man auch heute noch uU lebenslang.

Die Ehe ist, und das wissen die meisten nicht, sonst würden sie kaum heiraten, eine Verpflichtung zur Versorgung des wirtschaftlich Schwächeren, also in der Regel der Frauen, da die meistens "nach oben" heiraten. Und das wie gesagt unter gewissen Umständen auch nach der Scheidung lebenslang !

Ob das noch zeitgemäß ist ??


Quotejjkoeln #35

Mal wieder der westdeutsch sozialisierte Blick.


QuoteFlavius Ricimer #38

"das Eigentliche, also Geld, Macht, Status"

Eigentlich erbarmungswürdig, wer meint, sein Selbstwertgefühl aus diesen Dingen ziehen zu müssen. ...


QuoteElofant #33

"das Eigentliche, also Geld, Macht, Status"

Echt jetzt? Das ist ja nun wirklich von vorgestern.


QuoteSchneider_ #49

Die Autorin beschreibt sicherlich eine Zeit, die wir eigentlich hinter uns gelassen haben. Und das ist auch gut so. Die westdeutsche Hausfrauenrolle übergestülpt über die meisten Frauen damals, kann sich nur als Gefängnis anfühlen. Denn Selbstverwirklichung ist nun mal auch ein wichtiger Faktor der Selbstzufriedenheit. Die Ostdeutsche Frauenrolle gab es auch. Die Arbeitende, die ihre Kinder morgens in den Kiga bringt und nach der Arbeit abholt, nach Hause radelt und dann den Haushalt macht. Es gab hier sicherlich mehr Selbstverwirklichung, da die Arbeit wertgeschätzt wurde und sie nicht nur auf Wertschätzung ihres Mannes angewiesen war. Denn Jeder Mensch braucht Wertschätzung. Doch wurde es erwartet, dass sie alles macht auf Arbeit arbeiten, zu Hause arbeiten und die kinder groß zieht. Auch ein Gefängnis aus dem Söhne und Töchter ausbrechen wollten. Der Vorteil all dieser Entwicklungen ist doch, dass wir schon dabei sind das jeder so leben kann wie er möchte. Um nochmal zum Artikel zu kommen. Ja ich kann die Autorin verstehen, dass sich der Lockdown für viele Frauen derzeit wie ein Gefängnis anfühlt. Aber was ist mit den Männern. Redet doch auch mal über eure "Gefängnisse "!


Quotejjkoeln #49.2

Die (west-)deutsche Vorstellung, dass der Mann ranschsfft und die Familie versorgt und die Frau den Haushalt managed ist auch für den Mann die Hölle.

Die gesamte Verantwortung der Versorgung lastet auf ihm. Gerade in Zeiten wie diesen ist das ein erheblicher Druck. Und von den Kindern bekommt er wenig bis nichts mit.
Cool, wer will das heute noch?


QuoteEmma Blomma #50

Ich sehe in meinem Umfeld so viele Väter, die sich sehr selbstverständlich und umfangreich in die Carearbeit einbringen, auch schon vor Corona und Home Office Zeiten. Natürlich gibt es immer noch Familien mit sehr klass. Rollenverteilung, aber so langsam frage ich mich, in welcher Bubble Journalist_innen oder Feministinnen leben, die immer noch gebetsmühlenartig das Negativbild des karrieregeilen, sich nicht um Kinder kümmernden Vaters in ihrem Artikeln durchkauen. Sicher gibt es immer noch etwas zu verbessern, sicher gibt es immer noch Frauen, die "nur" Hausfrau sind. Diese Frauen kenne ich auch und die haben sich bewusst dafür entschieden. Der Artikel verpasst Frauen eine viel zu passive Rolle.


QuotePippilangstrumpfvictualia #51

Wir leben doch heute in einer Gesellschaft, in der sehr viele Lebensmodelle lebbar sind. Und ja, an vielen Stellen können wir durchaus Entscheidungen treffen (Berufswahl, Partnerwahl usw.). Wir sollten für diese selbst getroffenen Entscheidungen bitte aber auch die Verantwortung übernehmen und wenn sie sich als eine unglückliche Entscheidung heraus stellt, selbst eine Korrektur vornehmen bzw. das beste draus machen, aber nicht bei anderen die Schuld suchen. Das ist unreif.


QuoteHamptidamti #58

Sagen Sie einer Frau mal in der Kennenlernphase, dass sie als Mann gerne der wären, der zuhause bleibt, sich um die Kinder kümmert und den Haushalt schmeißt.

Reaktionen von: "dann hast Du ja Affairen mit den anderen Müttern" bis hin zu "Du bist dann kein richtiger Mann" war alles dabei.
Vielleicht sollten viele (schreibende) Frauen, sich mal bewusst machen, dass das Köpfchen das eine will, das Herz etwas noch anderes und der Bauch wer weiß wohin unterwegs ist.

Auch weiß man meist vorher, wen man heiratet. Danach dann überrascht zu sein, ist eigentlich naiv.
Vielleicht und das ist ernst gemeint, wäre es sinnvoll, Männern auch Kolumnen einzuräumen, dann wären zumindest mal beide Perspektiven gezeigt?


Quotebabasikander #58.1

"Männern auch Kolumnen einzuräumen"

Wozu? - Es ist doch mittlerweile Konsens, dass Männer keine Ahnung von Partnerschaft haben können, nicht?


QuotePippilangstrumpfvictualia #60

Vielleicht ist das Ganze v.a. eine Frage der Selbst(un)sicherheit in Zeiten, wo es viele verschiedene Lebensmodelle gibt?



QuoteHamptidamti #68

"und Männer verschleißen, wie ich lustig war."

Haha, bin ich geneigt zu denken. ...


QuoteFletscher Christian #66

"Heike-Melba Fendel ist Autorin und Inhaberin der Künstler- und Veranstaltungsagentur Barbarella Entertainment..." und merkt jetzt in der Corona-Krise vielleicht, dass sie gar nicht wichtig ist und wie entbehrlich sie ist und bettelt vermutlich um Staatshilfe. Und vielleicht..., vielleicht merkt sie sogar, dass die von ihr von oben herab betrachteten Hausfrauen besser dran sind, weil sie vielleicht vorgesorgt haben, eine Garten besitzen und eine Speisekammer und Essen selbst zubereiten können.
Merke: Feminismus alleine macht auch nicht satt. ...


QuoteFreigeistin #73

Eine kluge Gesellschaftsanalyse!

Die Autorin wertet übrigens nicht die Hausfrau ab, wie das einige Kommentatoren hier wohl verstanden haben. Sie zeigt lediglich historische Kontinuitäten und kulturell gewachsene Strukturen auf, deren Bedingungen wir alle (Frauen wie Männer) unterliegen.

,,Ich glaube nicht, dass wir einen solchen Backlash erleben. Diese Krise hat die Geschlechterrollen nicht ins Gestern verschoben, sondern das Frauenschicksal vergemeinschaftet."

Da wir übergangsweise alle auf den Ort des Häuslichen zurückgeworfen wurden, erfährt der Ort des Heims, der bis vor wenigen Jahren noch allein Frauen als Raum von ,,Macht" und Aneignung zugestanden wurde, mehr Aufmerksamkeit auch von Männern. ,,Vergemeinschaftet" eben.

Wenn die Autorin schreibt, dass die mover und shaker (Männer und Frauen) auf das ,,Gedöns" herabblicken, dem sie ja so freudig ,,entronnen" sind, meint sie damit auch sich selbst und nimmt sich aus dem kritischen Kontext, den Heim und Herd in diesem Text liefern, nicht aus.


Quotewaskannichwissen #79

Insgesamt ein guter Artikel. Mich nervt im Forum die weitgehend westdeutsch sozialisierte Brille. Frauen im Osten waren -dank Arbeit-erheblich gleichgestellter/ gleichberechtigter als noch heute. NichtJede musste ans Fließband radeln und nein, es war nicht alles perfekt in Sachen Gleichstellung. Aber einige Debatten (starre Rollenvorstellungen) waren längst geführt. Wenn Sie erstmal mit einer gestandenen Schlosserin oder Chemikerin gesprochen haben, erübrigten sich Klischees und Fragen. Oder: Bis zur Wende war ich ausschließlich bei Ärztinnen, jetzt lese ich manchmal die Forderungen: Frauen müssen gleichberechtigter in der Medizin sein. Manche Themen in ZON / im Forum lese ich wie Berichte aus einem seltsamen alten fernen Land.


QuoteDoris W. #81

Eine Ehe ist halt eine Partnerschaft. Beide Partner werden mit diversen Rollenerwartungen von aussen konfrontiert. Letztendlich aber darf man allein entscheiden, wie man das Leben gemeinsam meistert. Wer sagt denn, dass die "Männerwelt" so traumhaft schön ist?



QuoteHomeOffice #88

Ich halte es für einen Irrweg, wenn wir es als Zumutung empfinden, wenn sich Eltern persönlich um ihre Kinder kümmern.
Ich war in meiner Kindheit mittags mit der Schule fertig. Und meine Mama war dann auch zuhause. Ich fand das schön.


Quote123Valentino #89

So weit ich zurückblicken kann , mein Vater hatte immer Nachtschicht und verdiente vergleichbar viel Geld , geschuldet war es der Tatsache das er Bergmann war und zahllose Überschichten machte.
Gesund war das nicht.
Wir hatten damals ein großes Haus , welches der Arbeitgeber zur Verfügung stellte, großer Garten mit aller Art von Gemüse und fast allen gängigen Obstsorten.
Meine Mutter habe ich in Erinnerung , mehr als Gärtnerin , gesund stark , eine gute Köchin und bigotte Katholikin.
Die Arbeit zerrte meine Vater auf.
Ich weiß nicht, wer sich für wen opferte wenn, dann hat mein Vater Substanz gelassen , er selbst hätte das nie so gesehen und es ging vielen Vätern in vielen Familien ähnlich. Viele zahlten in den letzten Lebensjahren mit schweren Krankheiten für ihre Opferbereitschaft.
Haben aber nie in die Opferrolle angenommen und wollten stark sein als sie schon schwach waren.
Mir tun die Frauen des Bildungsbürgertums leid , meiner Mutter ist dieses, im Artikel beschriebene, Schicksal erspart geblieben.


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#2237
Quote[...] Die Amerikaner bezweifeln die Todeszahlen je nach politischer Ausrichtung und Medienkonsum, nur ein Drittel glaubt die offiziellen Zahlen - Skepsis gegen Regierungen und Wissenschaft wächst.

... Die meisten Amerikaner bezweifeln nach dem neuesten Axios-Ipsos Coronavirus Index die veröffentlichten Zahlen, etwa die offiziellen Fall- und Todeszahlen von der Gesundheitsbehörde CDC. Nur ein Drittel der Amerikaner geht von deren Richtigkeit aus. Die Umfrage fand zwischen 1. und 4. Mai statt und bezog sich auf den 30. April, als es in den USA 61.000 mit Covid-19 verbundene Tote gab, am Mittwochabend waren es bereits über 68.000 Tote.

Eine Mehrheit der Demokraten, die Hälfte der Unabhängigen und ein Viertel der Republikaner gehen davon aus, dass die Todeszahlen zu niedrig sind. Eine Mehrheit der Republikaner, aber nur ein Zehntel der Demokraten betrachtet sie als übertrieben. Dabei scheint auch der rechte Fox News-Sender die Meinung derer zu prägen, die die Zahlen für übertrieben halten. Wer ihn als primäre Nachrichtenquelle nutzt, neigt zu den Republikanern und zum Glauben an die übertriebenen Todeszahlen. Dabei ist in einigen Bundesstaaten deutlich eine Übersterblichkeit festzustellen, zudem schätzen Wissenschaftler, dass die Todeszahlen unterschätzt sind, da viele Gestorbene nicht getestet wurden.

Interessant ist, dass das Vertrauen in die Regierungen in Florida, Georgia und Texas, wo die Gouverneure auf schnelle Lockerungen setzen, am geringsten ist und 67 Prozent Ende März auf jetzt 50 Prozent gefallen ist, während es in Kalifornien, New York und New Jersey unverändert hoch bei 70 Prozent liegt. Hier wollen die Gouverneure an den Maßnahmen festhalten. New York und New Jersey sind aber auch die Bundesstaaten mit den höchsten Infektions- und Todeszahlen. In allen anderen Bundesstaaten sank das Vertrauen in die Regierungen von 69 auf 63 Prozent.

Das Vertrauen in die Bundesregierung in Washington fiel ebenfalls stark von 53 auf 38 Prozent ab. Bei den Demokraten von 42 auf 25 Prozent, aber auch bei den Republikanern von 74 auf 61 Prozent. Das könnte ein schlechtes Omen für Donald Trump sein, zumal mit der Pandemie die Wirtschaft einen steilen Sturz erlebt und die Zahl der neuen Arbeitslosen auf 30 Millionen geklettert ist. 22 Prozent der Amerikaner arbeiten Zuhause, 17 Prozent sind entlassen oder zwangsbeurlaubt. Nach einer Studie haben angeblich über 17 Prozent der Kinder unter 12 Jahren nicht genug zu essen, 23 Prozent der Haushalte sollen nicht genug Geld haben, um ausreichend Lebensmittel einzukaufen.

Bei den Umfrageergebnissen zur Zufriedenheit mit Trump ändert sich freilich noch nicht allzu viel. Ende April ist die Zufriedenheit nach der letzten Gallup-Umfrage sogar auf den Rekordwert von 49 Prozent angestiegen.

Trump versucht, die Schuld China in die Schuhe zu schieben. Jetzt erklärte er, die Pandemie sei ein "Angriff", schlimmer als Pearl Harbor im Zweiten Weltkrieg oder 9/11. Damit will er sagen, dass die Situation in den USA nichts mit den Pandemie-Folgen zu tun haben, man sei halt überrascht worden: "Wir haben den schlimmsten Angriff auf unser Land, den es jemals gab, erlitten. Das ist wirklich der schlimmste Angriff, den wir jemals hatten." (Florian Rötzer)


Aus: "Trump zu Covid-19: "Das ist wirklich der schlimmste Angriff, den wir jemals hatten"" (07. Mai 2020)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Trump-zu-Covid-19-Das-ist-wirklich-der-schlimmste-Angriff-den-wir-jemals-hatten-4716080.html
#2238
Quote[...] Es gibt viele Gründe, eine Affäre anzufangen. Ein Sexualleben, das kaum öfter stattfindet als der Hochzeitstag, ein Partner, der sich fast ausschließlich für die Kinder oder den Beruf aufopfert und sonst keine Interessen hat, Langeweile, Neugier, Trieb. Wer nur eine Sekunde darüber nachdenkt, wird sogar einen ganz individuellen Grund finden.

... Ein Blick in die Statistiken der Betreiber von Datingplattformen zeigt, dass die sich seit dem Ausbruch der Corona-Krise steigender Beliebtheit erfreuen. Tinder etwa gibt an, dass die Gesprächsanrufe über die Plattform nun um ein Viertel länger sind als zuvor und Unterhaltungen um 20 Prozent zugenommen haben. Bei Bumble verzeichnete man um 77 Prozent mehr Videoanrufe, heißt es von der Flirtplattform. Analysen von Social-Media-Firmen haben zudem ergeben, dass die Sex-Emojis wie Pfirsiche und Melanzani um die Hälfte öfter verschickt wurden als vor der Krise.

Es wäre natürlich ein gravierender Fehler, diese Zunahme allein Personen in die Schuhe zu schieben, die in einer Beziehung leben und das nächste Fremdgehen vorbereiten. Aber ein paar Falotten werden schon dabei sein. Vor allem Männer in der Midlife-Crisis könnten betroffen sein.

Denn während viele ein neues Glück in der bestehenden Beziehung suchen, gibt auch jene, welche die Krise für einen Neubeginn nutzen. "Da kann die Corona-Krise die eigene Krise durchaus verstärken", weiß Ferdinand Wolf, "vor allem wenn keine Kinder vorhanden sind, die immer wieder auch als Grund angeführt werden, an der Familie festzuhalten."

Was dann folgt, ist mitunter eine "Flucht in die Irrealität" und eine Kombination aus Jetzt-erst-recht, Wenn-nicht-jetzt-wann-dann und eine Portion Das-kann's-doch-noch-nicht-gewesen-sein.

Gut, nicht alle Midlife-Krisler rennen blindlings in neue Affären und Beziehungen. Manche kaufen sich ein Auto oder Motorrad, werden sogar zum Schrauber und versuchen so ihre Jugend wiederzufinden. Oder retten sich einfach vor der Beziehung in die Abgeschiedenheit der Werkstatt. (Guido Gluschitsch, 06.05.2020)


Aus: "Affären in Zeiten der Ausgangsbeschränkung" Guido Gluschitsch (6. Mai 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000117304586/affaeren-in-zeiten-der-ausgangsbeschraenkung

Quote
argent torso

Der Artikel ist, um ihn ernst zu nehmen leider zu distanziert und abgehoben geschrieben, fast schon richtend. Eigentlich schade, ob der durchaus interessanten und auch gesellschaftsrelevanten Thematik. Wer auch immer etwas anderes sagt, all das kann JEDEN einmal im Leben treffen, egal von welcher Seite. Ist auch nicht immer lustig...

Die "Selbst schuld!/Kein Mitleid!"-Rufe, vor allem die Lauten, kommen übrigens durchaus auch von Leuten, die panische Angst davor haben, dass Ihnen das selbst passieren könnte, vom Partner betrogen zu werden.

Ich habe allerdings das Gefühl, der Autor hat von alledem am wenigsten Ahnung...


Quotemeine_Meinung

Also wir haben die Zeit der Zweisamkeit genützt, um in unser Sexualleben wieder etwas mehr Schwung reinzubekommen - dieses war in Zeiten vor Corona stressbedingt manchmal etwas eingeschlafen. War schwer beeindruckt, welche Wünsche meine Frau nach 20 Ehejahren noch immer hat... :-)))


Quoteshoserl skurze : - ] 1

Habt ihr ihr einen anderen Mann bestellt? :-)


...
#2239
Quote[...] Jurassica Parka - Die Dragqueen Jurassica Parka ist in Berlin geboren und arbeitet als freie Künstlerin. Neben ihrer Nachtshow "Paillette geht immer" im BKA veranstaltet sie ihre monatliche Party "Popkicker" im SchwuZ, ist freie Autorin und YouTuberin.

... Vor dem Corona-Shutdown arbeiteten im Durchschnitt 30 junge Frauen in der Kurfürsten, das ist seit Mitte März zum Erliegen gekommen. Wie die nun ihr Geld verdienen? Keine Ahnung. Ich hoffe, sie konnten einfach wieder zurück zu ihren Familien in die Heimat. Es ist hier merkwürdig leer. Früher war das so: Blasen 15, ficken 20. Jetzt wird man nicht mehr angequatscht.

Ich kenne viele Sexarbeiterinnen vom Sehen, da gibt es die ,,Hochwertigen" ganz am Anfang der Kurfürsten vor dem Woolworth. Die haben lange blonde Extensions und kauen Kaugummi. In einem US-Teenagerfilm wären sie wohl die Cheerleaderinnen des Jahrgangs. Weiter hinten stehen die jungen Frauen aus Osteuropa, fremdbestimmt durch Zuhälter, die werden im Quartalstakt ausgetauscht. Und dann gibt es die alteingesessenen Huren. Ältere Frauen, die am späten Abend auf den Bänken sitzen, ihre Stimmen rau und tief vom Rauchen. Sie tragen Strapse und Lackpumps, kennen sich untereinander wohl lange. Die verschwinden aber immer mehr. Warum, weiß ich nicht.

... Ich sehe die Frau am Backshop, die jeden Morgen ihren Kaffee trinkt, Leute guckt und raucht. Oder meinen Hausmeister vorm Rewe. Gegenüber preist der Mann vom orientalischen Supermarkt lautstark sein Gemüse an. Die obdachlose Verrückte mit dem Einkaufswagen brüllt mal wieder Passant*innen an und trinkt Jägermeister. Ein dicker Mann diskutiert lautstark mit dem Ordnungsamt. Er versteht nicht, wieso er mit seinem SUV nicht im absoluten Halteverbot stehen darf. Die immer druffe Transgender-Sexarbeiterin läuft tränenverschmiert und wild kichernd über die rote Ampel, ihr fehlt ein Schuh.

Das Leben ist nun mal hart, dreckig und ehrlich, machen wir uns nichts vor. Ich mag es deftig. Und in der Kurfürstenstraße hat man all das auf einen Blick. An alle, die noch nie in Berlin waren, ich lade euch herzlich ein, mal mit mir in den Sexshop LSD an der Kurfürsten zu gehen. Natürlich nach Corona. Aber möglichst bald. Der Shop wird bald abgerissen und weicht einem Hotel- und Bürokomplex. Da wird der Großstadttopf wieder mal ein bisschen weniger bunt.

Was wird man wohl in 30 Jahren über die Ecke hier schreiben? Ich wünschte mir weniger Kriminalität, der Rest verwächst sich. Amüsant ist es, wenn eine verwirrte Tourist*innenfamilie vor dem U-Bahnhof Kurfürstenstraße herumirrt. Inmitten von Nutten und Nadeln suchen die dann verzweifelt das Hard Rock Café. Das befindet sich aber drei Kilometer weiter gen Westen am Kurfürstendamm.

Kurfürstenstraße, Kurfürstendamm ... das kann man schon mal verwechseln. Unterschiedlicher könnten die Welten nicht sein. Und vielleicht sehen die pubertierenden Kinder zum ersten Mal das richtige Leben außerhalb der Reihenhaussiedlung in Hinterfotzingen. Berlin ist eben nicht nur Brandenburger Tor, Fernsehturm und Checkpoint Charlie. Und letztendlich sind es doch alles nur Menschen.


Aus: "Kurfürstenstraße: Wie es ist, am einzigen Straßenstrich Berlins zu wohnen" Jurassica Parka (07. Mai 2020)
Quelle: https://ze.tt/kurfuerstenstrasse-wie-es-ist-am-einzigen-strassenstrich-berlins-zu-wohnen/

#2240
Quote[...] Jurassica Parka - Die Dragqueen Jurassica Parka ist in Berlin geboren und arbeitet als freie Künstlerin. Neben ihrer Nachtshow "Paillette geht immer" im BKA veranstaltet sie ihre monatliche Party "Popkicker" im SchwuZ, ist freie Autorin und YouTuberin.

... Vor dem Corona-Shutdown arbeiteten im Durchschnitt 30 junge Frauen in der Kurfürsten, das ist seit Mitte März zum Erliegen gekommen. Wie die nun ihr Geld verdienen? Keine Ahnung. Ich hoffe, sie konnten einfach wieder zurück zu ihren Familien in die Heimat. Es ist hier merkwürdig leer. Früher war das so: Blasen 15, ficken 20. Jetzt wird man nicht mehr angequatscht.

Ich kenne viele Sexarbeiterinnen vom Sehen, da gibt es die ,,Hochwertigen" ganz am Anfang der Kurfürsten vor dem Woolworth. Die haben lange blonde Extensions und kauen Kaugummi. In einem US-Teenagerfilm wären sie wohl die Cheerleaderinnen des Jahrgangs. Weiter hinten stehen die jungen Frauen aus Osteuropa, fremdbestimmt durch Zuhälter, die werden im Quartalstakt ausgetauscht. Und dann gibt es die alteingesessenen Huren. Ältere Frauen, die am späten Abend auf den Bänken sitzen, ihre Stimmen rau und tief vom Rauchen. Sie tragen Strapse und Lackpumps, kennen sich untereinander wohl lange. Die verschwinden aber immer mehr. Warum, weiß ich nicht.

... Ich sehe die Frau am Backshop, die jeden Morgen ihren Kaffee trinkt, Leute guckt und raucht. Oder meinen Hausmeister vorm Rewe. Gegenüber preist der Mann vom orientalischen Supermarkt lautstark sein Gemüse an. Die obdachlose Verrückte mit dem Einkaufswagen brüllt mal wieder Passant*innen an und trinkt Jägermeister. Ein dicker Mann diskutiert lautstark mit dem Ordnungsamt. Er versteht nicht, wieso er mit seinem SUV nicht im absoluten Halteverbot stehen darf. Die immer druffe Transgender-Sexarbeiterin läuft tränenverschmiert und wild kichernd über die rote Ampel, ihr fehlt ein Schuh.

Das Leben ist nun mal hart, dreckig und ehrlich, machen wir uns nichts vor. Ich mag es deftig. Und in der Kurfürstenstraße hat man all das auf einen Blick. An alle, die noch nie in Berlin waren, ich lade euch herzlich ein, mal mit mir in den Sexshop LSD an der Kurfürsten zu gehen. Natürlich nach Corona. Aber möglichst bald. Der Shop wird bald abgerissen und weicht einem Hotel- und Bürokomplex. Da wird der Großstadttopf wieder mal ein bisschen weniger bunt.

Was wird man wohl in 30 Jahren über die Ecke hier schreiben? Ich wünschte mir weniger Kriminalität, der Rest verwächst sich. Amüsant ist es, wenn eine verwirrte Tourist*innenfamilie vor dem U-Bahnhof Kurfürstenstraße herumirrt. Inmitten von Nutten und Nadeln suchen die dann verzweifelt das Hard Rock Café. Das befindet sich aber drei Kilometer weiter gen Westen am Kurfürstendamm.

Kurfürstenstraße, Kurfürstendamm ... das kann man schon mal verwechseln. Unterschiedlicher könnten die Welten nicht sein. Und vielleicht sehen die pubertierenden Kinder zum ersten Mal das richtige Leben außerhalb der Reihenhaussiedlung in Hinterfotzingen. Berlin ist eben nicht nur Brandenburger Tor, Fernsehturm und Checkpoint Charlie. Und letztendlich sind es doch alles nur Menschen.


Aus: "Kurfürstenstraße: Wie es ist, am einzigen Straßenstrich Berlins zu wohnen" Jurassica Parka (07. Mai 2020)
Quelle: https://ze.tt/kurfuerstenstrasse-wie-es-ist-am-einzigen-strassenstrich-berlins-zu-wohnen/