LINK ACCUMULATOR

REALITY.SERVICES [REALITAETS.DIENSTE] => Erweiterter Machtdiskurs (Politik) => Topic started by: Link on July 22, 2018, 11:36:20 AM

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on July 22, 2018, 11:36:20 AM
Kategorie:Umweltgefährlicher Stoff
https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Umweltgef%C3%A4hrlicher_Stoff

Kategorie:Ökotoxikologie
https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:%C3%96kotoxikologie

Glyphosat ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phosphonate. Es ist die biologisch wirksame Hauptkomponente einiger Breitband- bzw. Totalherbizide und wurde seit der zweiten Hälfte der 1970er Jahre von Monsanto als Wirkstoff unter dem Namen Roundup zur Unkrautbekämpfung auf den Markt gebracht. Weltweit ist es seit Jahren der mengenmäßig bedeutendste Inhaltsstoff von Herbiziden. Glyphosatprodukte werden mittlerweile von mehr als 40 Herstellern vertrieben. ... Ausgehend von Medienberichten und einigen kontrovers diskutierten Studien über mögliche Gesundheitsgefahren von Glyphosat hat sich seit Jahren eine intensive öffentliche und wissenschaftliche Debatte entwickelt. Ab 2015 verschärfte sich die Diskussion zusehends. Eine europäische Bürgerinitiative forderte mit fast 1,1 Millionen gültigen Unterschriften das Verbot von Glyphosat....
https://de.wikipedia.org/wiki/Glyphosat

"EU verlängert Glyphosat-Zulassung um fünf Jahre" (27.11.2017)
Glyphosat ist ein hoch umstrittenes Unkrautvernichtungsmittel, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Die EU-Kommission hat die Zulassung des Pestizids nun um fünf Jahre verlängert. ... 18 Mitgliedstaaten hätten für den Vorschlag der Kommission für eine Verlängerung um fünf Jahre gestimmt, neun dagegen, ein Land habe sich enthalten. Damit sei die nötige qualifizierte Mehrheit erreicht. Auch Deutschland hat für die weitere Zulassung gestimmt. ... Behörden, die sich um Risikobewertung kümmern, kommen im Zusammenhang mit Glyphosat zum Schluss, dass keine Gefahr für den Verbraucher besteht. So etwa die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit Efsa, die Chemikalienagentur Echa und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung.
Unabhängig davon gibt es Bedenken, unter anderem beim Umweltbundesamt, gegen die Vernichtung von Kräutern und Gräsern auf Ackerflächen. Damit werde Insekten und Feldvögeln großflächig die Lebensgrundlage entzogen. Bauernverbände warnen hingegen, sie müssten bei einem Verbot noch schädlichere und gleichzeitig weniger wirksame Pestizide einsetzen.
Die EU-Kommission wollte ursprünglich eine Verlängerung der Lizenz um zehn Jahre. Dafür bekam sie aber im Kreis der EU-Mitgliedsländer keine Unterstützung. Auch ein neuer Antrag auf Verlängerung um fünf Jahre fiel Anfang November zunächst durch. Daraufhin beantragte die Brüsseler Behörde das Vermittlungsverfahren, das nun erfolgreich war. Nach Angaben der EU-Kommission darf jedoch jedes Mitgliedsland noch selbst entscheiden und bei ernsten Bedenken den Verkauf von Glyphosat verbieten.
Die deutsche Bundesregierung, die seit der Bundestagswahl nur noch geschäftsführend im Amt ist, ist sich nicht einig. Das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium war für und das SPD-geführte Umweltministerium gegen eine weitere Zulassung. Wegen dieses Widerspruchs enthielten sich deutsche Vertreter bei den vorangegangenen Abstimmungen - ein wesentlicher Grund, dass zuvor weder für noch gegen die Zulassung die nötige Mehrheit der Mitgliedstaaten zustande gekommen war.
http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/glyphosat-eu-verlaengert-zulassung-um-fuenf-jahre-a-1180544.html

"Argentinien: Krank durch Glyphosat?" Simon Plentinger (21.07.2018)
In Argentinien werden Glyphosat und andere Agrarchemikalien in riesigen Mengen eingesetzt, vor allem beim Anbau von genmodifiziertem Soja. Es gibt zwar wissenschaftliche Hinweise, dass dies auf Kosten der Gesundheit der Landbevölkerung geht. Aber in Politik und Medien findet keine Diskussion darüber statt. ...
https://www.deutschlandfunk.de/argentinien-krank-durch-glyphosat.724.de.html?dram:article_id=423508

"Washington: USA: Glyphosat auf der Anklagebank" Dirk Hautkapp (16.07.2018)
Tausende Krebskranke wollen Chemiekonzern Bayer wegen seines Unkrautvernichters verklagen. Die Chemikalie trage Schuld an ihrer Erkrankung ... Bevor Johnson stirbt, so sagt sein Anwalt Timothy Litzenburg, soll in einem Jahrhundert-Prozess der Verursacher der Erkrankung haftbar gemacht werden. Nach Überzeugung von Johnson ist das der just für rund 63,5 Milliarden Dollar im deutschen Bayer-Konzern aufgegangene Agrar-Chemie-Riese Monsanto. Genauer: dessen weltweit jährlich rund fünf Milliarden Dollar einbringender Verkaufsschlager im Segment der Unkrautvernichter: Glyphosat. In Amerika und andernorts unter dem Namen ,,Roundup" im Handel....
Dagegen steht ein Gutachten der zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörenden Internationalen Agentur für Krebsforschung (IARC). Dort hatten Wissenschaftler 2015 konstatiert, dass Glyphosat ,,wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" sei. Kalifornien, regelmäßig progressiver in Umweltfragen als andere Bundesstaaten, stufte Glyphosat danach als krebserregend ein.
Die Anwälte von Dewayne Johnson wissen, dass ihnen der lückenlose wissenschaftliche Nachweis der Krebsgefahr bei Glyphosat kurzfristig nicht gelingen kann. Stattdessen, so zeichnete sich beim Prozessauftakt am 9. Juli ab, unternehmen sie den Versuch, die Neutralität und Gründlichkeit der Untersuchungen zu erschüttern, die zur behördlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung geführt hat.
Unabhängige Wissenschaftler, die Zweifel an der Monsanto-Lesart hegten, seien unter Druck gesetzt worden. Wisner will dies unter anderem anhand von internen Unterlagen belegen, die man von ehemaligen Monsanto-Angestellten bekommen habe.
Die Papiere werfen ein ungünstiges Licht auf das Unternehmen. Eine Mitarbeiterin konstatiert: ,,Wir haben keine Krebsstudien mit Roundup gemacht." In einem anderen Schriftverkehr heißt es, dass Monsanto-Angestellte als ,,ghostwriter" an oberflächlich unabhängigen Studien mitgetextet haben sollen, was Monsanto bestreitet.
Im Gericht, so schilderte der Jurist Robert Kennedy Jr., der 800 Glyphosat-Opfer vertritt, wurde bereits der frühere Chef-Toxikologe Monsantos, Mark Martens, vernommen. Er soll geschildert haben, wie die Firma in den 90er-Jahren Studien wegdrückte, die Glyphosat als potenziell schädlich für die menschliche Genetik einstuften. Als der damals weithin anerkannte Experte Dr. James Parry als Gegengutachter angeheuert wurde, den prekären Befund jedoch bestätigte, soll die damalige Produktionsleiterin von Monsanto, Donna Farmer, erwogen haben, den Wissenschaftler zu bestechen, damit er seine Resultate abschwächt.
Damit fangen für Bayer die Probleme aber erst an. Parallel zum Präzedenzfall Johnson hat in der vergangenen Woche ebenfalls in San Francisco Bundesrichter Vince Chhabria die Schleuse für 400 weitere Klagen gegen Monsanto wegen Glyphosat geöffnet. Der Konzern hatte bis zuletzt erbittert um die Abweisung der Anträge gekämpft, hinter denen sich Landwirte, Gartenbaubetriebe und private Nutzer von ,,Roundup" befinden. ...
https://www.morgenpost.de/web-wissen/article214853361/USA-Glyphosat-auf-der-Anklagebank.html

"BSAG rückt von Glyphosat ab" Elke Hoesmann (22.07.2018)
Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hat erstmals seit Jahren das Unkraut auf ihren Gleisanlagen nicht mit glyphosathaltigen Mitteln bekämpft. Aus eigenem Antrieb geschah das aber nicht. ... Es war vielmehr der Pflanzenschutzdienst des Landes, der einen BSAG-Antrag auf Ausbringen von Glyphosat ablehnte. Begründet wurde dies mit einem neuen Bürgerschaftsbeschluss. SPD, Grüne und Linke im Landesparlament hatten der BSAG vergangenen Dezember einen Denkzettel verpasst.
Das kommunale Verkehrsunternehmen soll keine Produkte mit Glyphosat mehr verwenden, wurde beschlossen. Außerdem sollen für diese Mittel keine weiteren Nutzungsgenehmigungen in Bremen ausgestellt werden. Kurz vor dem Votum hatte der WESER-KURIER berichtet, dass die BSAG zweimal jährlich glyphosathaltige Unkrautvernichter aufs Gleisbett bringt – insgesamt knapp 120 Liter auf zwölf Hektar....
... Die Substanz werde direkt auf das Schotterbett verteilt, erläutert Holling, so gebe es keinen Sprühnebel. Etwa eine Woche später welken die Pflanzen und sterben ab. Der Dienstleister protokolliert den Einsatz, der Pflanzenschutzdienst erhält die Aufzeichnungen. Laut Gesundheitsbehörde nahm der Dienst sogar eine Bodenprobe, um zu überprüfen, dass kein Glyphosat im Spiel war.
Kampf gegen Wildwuchs ohne Chemie – in kleinerem Umfang wird das in Bremen schon seit Längerem praktiziert. Auf Glyphosat und andere Pflanzenschutzmittel verzichten zum Beispiel der Umweltbetrieb oder Werder Bremen. Und bereits seit etlichen Jahren wird am Flughafen  das Unkraut mit heißem Schaum oder heißem Wasser niedergemacht. Auch Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) will nun den Glyphosat-Einsatz erheblich einschränken – aber wohl nicht im Gleisbereich: Ihre für nächstes Jahr geplante Verordnung soll kein Anwendungsverbot für die Deutsche Bahn enthalten....
https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-bsag-rueckt-von-glyphosat-ab-_arid,1751029.html
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on July 22, 2018, 06:28:44 PM
Quote[...] Chlordecon rettete einst Bananenplantagen. Nun vergiftet es die Menschen auf den französischen Antillen. Der Fall zeigt, wie unberechenbar Pestizide sind. ... Ohne Pestizide könnte die Landwirtschaft nicht genug Nahrung für die Welt produzieren. Heißt es. Also wird schnellstmöglich gespritzt, was erlaubt ist  – ohne, dass langfristige Folgen abzusehen sind. In den aktuellen Debatten über das Unkrautgift Glyphosat oder die Insektenvernichter Neonicotinoide stehen sich Befürworter und Gegner dieser Stoffe unversöhnlich gegenüber. Dabei ließe sich aus der Geschichte lernen: Kaum ein Stoff hat besser gezeigt, wie riskant der exzessive Umgang mit Pestiziden ist wie Chlordecon.
Das Gift ist ein Musterbeispiel dafür, wie Behörden und die Lobby der Landwirtschaft mit falschen Entscheidungen die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürgern bedrohen, weil der Profit der Ernte über alles gestellt wird.
Galt Chlordecon in den Siebzigerjahren noch als Retter für die Bananenplantagen auf den französischen Antillen, ist es heute der Feind. So befreite Chlordecon einst die Stauden von Rüsselkäfern, die sich in Scharen über die Bananen hermachten, sich in die Früchte bohrten und sie faulen ließen. Doch fest steht auch: Die heute als krebserregend eigestufte PCB-Verbindung hat für Jahrhunderte Gewässer und Böden verseucht sowie Nahrungsmittel vergiftet.

Bereits 1979 schätzte die Weltgesundheitsorganisation WHO den Stoff als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Er gehört zum "Dreckigen Dutzend", einer Gruppe von zwölf Chemikalien, die sich im Körper anreichern, über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte, in der Umwelt bestehen bleiben und über Nahrung in den Körper gelangen können. "Chlordecon ist ein monströser, bislang noch völlig unterschätzter Skandal", sagt Suzanne Dall, Agrarexpertin von Greenpeace in Frankreich. Zum ersten Mal sei ein Zusammenhang zwischen Erkrankungen wie Prostatakrebs und einem Pestizid nachgewiesen worden. "Die Bauern haben es massiv versprüht und über so große Flächen, dass die Folgen unbestreitbar sind." Erst 1993 wurde die Chemikalie verboten.

Noch heute, fast dreißig Jahre nach dem Verbot von Chlordecon, müssen die Antillaisen aufpassen, was sie trinken. Wenn die Kohlefilter auf der Inselgruppe ausfallen, fließt das Pestizid wieder aus dem Hahn. Zuletzt geschah das im Mai. Den gesamten Monat lang tranken die Anwohner verseuchtes Wasser, bis die Gesundheitsbehörde schließlich einschritt und Plastikwasserflaschen verteilte. Nun sollen die Kohlefilter erneuert werden.

Der aktuelle Fall zeigt einmal mehr: Chlordecon ist ein dramatisches Beispiel dafür, wie über Jahrzehnte die Schäden von Pestiziden unterschätzt wurden. Heute streiten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit darüber, ob Glyphosat krebserregend ist – die internationale Agentur für Krebsforschung IARC der WHO stuft Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" ein, während die Gesundheitsbehörden der europäischen Länder diese Krebsgefahr als nicht bewiesen ansehen. Auch die Debatte um Chlordecon war vor drei Jahrzehnten lange nicht entschieden: Die Wissenschaftler waren sich über die Schädlichkeit von Chlordecon so wenig einig wie sie es heute bei Glyphosat sind. Die Bananen wiesen weder damals noch heute Rückstände von Chlordecon auf, weswegen das Pestizid fälschlicherweise als unschädlich eingestuft wurde. Dass sich der Stoff Jahre später in Wurzelgemüsen und in Flüssen und Trinkwasser wiederfinden würde, war damals nicht klar.

Alleine die USA verboten Chlordecon bereits 1976, weil in einer ihrer Produktionsfirmen die Angestellten unter Gedächtnisstörungen, unwillkürlichen Augenbewegungen und depressiven Verstimmungen litten. Drei Jahre später dann schätzte die IARC Chlordecon als "möglicherweise krebserregend" ein. Inzwischen gilt es sogar als "bewiesenermaßen krebserregend".

Die französischen Behörden wollten bis vor wenigen Jahren die potenziellen gesundheitlichen Schäden ihrer Bürgerinnen und Bürger nicht erforschen. Erst knapp zwanzig Jahre nach dem Chlordecon-Verbot auf den Antillen bewies eine Studie des staatlichen Pariser Forschungsinstituts Inserm im Jahr 2012: Kinder, die schon während der Schwangerschaft oder auch nach der Geburt Chlordecon ausgesetzt sind – etwa durch das Trinkwasser oder verseuchte Nahrung – entwickeln sich körperlich und kognitiv schlechter als nicht belastete Kinder. Beispielsweise konnten sie sich insgesamt später Bilder merken und auch ihre motorischen Fähigkeiten, etwa kleine Dinge zu greifen und zu bedienen, entwickelten sich schlechter. Eine weitere Studie desselben Instituts bewies, dass Kinder von Müttern mit Chlordecon im Körper häufiger zu früh und unterentwickelt zur Welt kommen.

Noch immer hat Frankreich keine Eile, auf den Antillen über die Folgen des Pestizids aufzuklären. Eine erste staatlich finanzierte, inselweite Studie über die Folgen des Gifts für die Bürgerinnen und Bürger wurde 2013, ein Jahr nach dem Start, beendet. Das Argument: Der wissenschaftliche Beirat befand, die Methode sei nicht fehlerfrei. Noch heute sagt der Hauptautor der geplanten Studie, seine Forschungen seien gestoppt worden, weil der Regierung die Ergebnisse nicht gepasst hätten. Die französische Gesundheitsministerin Agnès Buzyn will Geld zur Verfügung stellen, um eine neue Studie auszuschreiben. 2018: Das ist 25 Jahre nach dem Ende von Chlordecon in den Plantagen und fast fünfzig Jahre, nachdem Arbeiter begannen, die Inseln in einen Pestizidnebel zu versenken.

Da stellt sich die Frage: Hat Frankreich seine Bürgerinnen und Bürger in den Überseeregionen nicht ausreichend geschützt? Auf französischen Feldern in Europa war der Stoff schon 1990 verboten, auf den Antillen erst drei Jahre später. Eine Klage gegen unbekannt wegen der "Gefährdung Dritter und Nutzung von schädlichen Substanzen" wurde zwar von Umweltorganisationen vor dem Pariser Verwaltungsgericht schon 2006 eingereicht. Die Ermittler sind aber noch immer mit der Beweisaufnahme beschäftigt.

Selbst eine Entschädigung könnte den Bewohnern der Antillen nicht mehr ihr fruchtbares Land zurückbringen. Denn nicht nur die Plantagen sind belastet, sondern auch die umliegenden Felder und privaten Kleingärten. Die zuvor autarke Bevölkerung ist heute darauf angewiesen, ihre Lebensmittel zu importieren, um kein Chlordecon zu schlucken. So kam eine Studie der französischen Behörde Anses im Dezember 2017 zu dem Schluss, dass vor allem Fische aus den Bächen sowie Gemüse und Obst aus Familiengärten mehr Giftstoffe enthielten, als zulässig ist. Besonders also die ärmeren Menschen essen verseuchte Lebensmittel. Tatsächlich hat die Pariser Behörde Chlordecon in auf den Antillen weitverbreiteten Lebensmitteln gefunden – in Eiern, Süßkartoffeln, Fisch und der Ignamwurzel. Die Empfehlung der Behörde, nur noch viermal in der Woche Fisch zu essen und zweimal Wurzelgemüse, befolgen die rund 800.000 Bewohner bislang kaum. Beides gehört zu ihren Grundnahrungsmitteln. Es ist in etwa so, als ob deutsche Gesundheitsbehörden Kartoffeln und Brot auf den Index stellen würden.

Selbst diejenigen, die ihr Essen aus Importwaren bestreiten, sind laut der Pariser Zeitung Le Monde vor dem Pestizid nicht sicher. Eine Studie, die im Herbst dieses Jahres erscheinen soll, weist bei 90 Prozent der Bevölkerung einige Milligramm Chlordecon pro Liter Blut nach. Und: Schon 2010 bewiesen Forscher auf den Antillen, dass die Bewohner ein deutlich höheres Risiko haben, an Prostatakrebs zu erkranken – Männer leiden demnach 50 Prozent häufiger an diesem Krebs als beispielsweise in Europa (Journal of Clinical Oncology: Multigner et al., 2010).

Was bedeutet das nun für aktuelle Debatten um Pestizide? Zunächst einmal: Nur was verboten ist, wird nicht mehr gespritzt. Weder der Skandal um Chlordecon noch die Streitigkeiten um Glyphosat und Neonicotinoide haben den Verbrauch von Pestiziden verringert. Laut Bundesumweltamt sind zurzeit mehr als 750 Substanzen zugelassen, die auf Feldern weltweit versprüht werden dürfen. Und: Landwirte und Landwirtinnen nutzen seit Jahrzehnten ständig mehr von dieser Chemie. Obwohl sie eben nicht für eine ertragreiche Landwirtschaft nötig wäre, wie die Vereinten Nationen (UN) betonen.

Das Gegenteil sei der Fall. Pestizide würden die weltweite Nahrungsproduktion gefährden, weil sie Felder und Menschen vergiften. "Es ist ein Mythos der Chemielobby, dass nur mit Pestiziden die Menschheit ernährt werden kann", sagt Hilal Elver, Berichterstatterin für das Recht auf Nahrung bei der UN. Im Gegenteil: Pestizide zerstörten fruchtbare Landschaften. Langfristig könne nur eine ökologische, kleinteiligere Landwirtschaft den Hunger besiegen.

Quote
Schillerschuppe #15

Der Wahnsinn so was. Aber man sieht ja an Bayer/Monsant, dass die Lobby eine gewaltige Macht hat.

Eine kritische Bemerkung hätte ich zum Artikel aber, wo die Pestizid-Problematik so schon erklärt wurde. Eher geographischer Art. Man könnte die Inseln zum besseren Verständnis mal benennen: Guadeloupe, Martinique, Saint-Martin und Saint-Barthélemy. Es gibt noch eine Menge mehr Inseln, die zu den Antillen gehören.


...


Aus: "Chlordecon: Das Pestizid, das aus dem Wasserhahn tropft" Annika Joeres (21. Juli 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2018-06/pestizid-chlordecon-gift-glyphosat-antillen/komplettansicht
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on July 22, 2018, 06:39:41 PM
Quote[...] Meda ist eine von vielen kleinen Städtchen in der Lombardei – und außerhalb von Italien wäre sie den meisten Menschen unter normalen Umständen heute wohl völlig unbekannt. Doch in den Tagen nach dem 10. Juli 1976 gelangt der Ort zu trauriger Berühmtheit. In der Stadt unweit von Mailand ereignet sich an diesem Samstag einer der größten Chemieunfälle in der Geschichte Europas. Mittags um 12.37 Uhr kommt es in der dort ansässigen Chemiefabrik Icmesa zu einem fatalen Fall menschlichen Versagens. Durch einen Bedienungsfehler steigt die Temperatur in einem Behälter der Anlage immer weiter an und die Überhitzung erzeugt eine starke Druckerhöhung. Das Problem: In dem Behälter wird Trichlorphenol (TCP) produziert, ein Stoff, der noch heute als Vorprodukt für die Desinfektionsmittelherstellung verwendet wird. Läuft dieser Prozess bei zu hohen Temperaturen ab, entstehen große Mengen des Umweltgiftes Dioxin.

Diese werden in die Luft geblasen, als ein Sicherheitsventil des Kessels dem rasanten Temperatur- und Druckanstieg irgendwann nicht mehr standhalten kann. Die angeheizte Reaktion endet in einer gewaltigen Explosion. Mehrere Kilogramm 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-Dioxin (TCDD) werden dabei mutmaßlich freigesetzt – wie viel genau, weiß niemand.

Die giftgeschwängerte Gaswolke breitet sich nach dem Unfall blitzschnell aus und verseucht nicht nur Wiesen, Bäume und Ackerflächen rund um das Fabrikgelände. Sie treibt mit dem Wind auch in Orte wie Seveso – tagelang schwebt die Wolke über der Gemeinde, die dem Unglück später seinen Namen gibt. Insgesamt verteilt sich das Gift Schätzungen zufolge über eine Fläche von 320 Hektar.

Pflanzen, Tiere und Menschen sind in den betroffenen Gebieten akuter Gefahr ausgesetzt. Denn TCDD hat es in sich. Es gilt als eines der stärksten Gifte überhaupt. Schon ein Millionstel Gramm Dioxin reicht völlig aus, um Nagetiere wie Ratten oder Meerschweinchen zu töten. Beim Menschen hat es unter anderem eine krebsauslösende Wirkung. Trotzdem informiert die Firmenleitung die Öffentlichkeit zunächst nicht über die möglichen Risiken des Vorfalls. Auch die Produktion in der Fabrik geht erst einmal ohne Einschränkungen weiter.

Erst eine Woche nach dem Unglück wird bekannt, was die Icmesa-Betreiber von Beginn an wussten. Dass etwas nicht stimmt, bemerken die Menschen jedoch schon vor der offiziellen Bestätigung. Denn in den folgenden Tagen hinterlässt das Gift ein Bild der Verwüstung: Blumen verwelken, Bäume lassen ihre Blätter hängen, Tiere wirken aufgebläht und verenden. Kadaver säumen die Straßen.

Menschliche Todesopfer gibt es bis heute offiziell zwar nicht. Allerdings erkranken zahlreiche Bewohner der Gegen an einer gefährlichen "Chlorakne" mit den typischen, chronischen Hautveränderungen – betroffen sind fast ausschließlich Kinder. Sie sind es auch, die Untersuchungen zufolge seit dem Unglück vermehrt unter Entwicklungsstörungen leiden. Mehrere Studien haben zudem mittlerweile festgestellt, dass sich in den damals durch das Dioxin verseuchten Gebieten, tatsächlich bestimmte Krebsformen und Hautgeschwüre in der Bevölkerung häufen.

Die Schuld an dem Dioxin-Desaster will naturgemäß niemand tragen. Nach dem Ereignis mehren sich jedoch Hinweise darauf, dass nicht nur die schlampige Arbeit einer Person zu dem Unfall geführt hat. Es ist von Managementfehlern und mangelndem Wissen über die Gefahren des Trichlorphenols die Rede.

Zudem kursieren Gerüchte, dass das Dioxin in der Icmesa-Fabrik womöglich sogar mit Vorsatz erzeugt worden sein könnte: Als Zutat für die Produktion von Agent Orange – jenes Entlaubungsmittels, dass von den USA im Vietnam-Krieg massiv als chemische Waffe eingesetzt wurde. Ob an solchen Vermutungen etwas dran ist, ist auch lange nach dem Seveso-Unglück nicht endgültig geklärt.

In Meda erinnert 40 Jahre nach dem Vorfall kaum noch etwas an die Icmesa-Anlage und das, was dort am 10. Juli passierte. Auf dem Gelände der abgerissenen Fabrik befindet sich heute ein Sportplatz. Lediglich der Straßenname "Via Privata Icmesa" zeugt von der einstigen Chemiefabrik.

Aus: "40 Jahre Seveso-Unglück: Giftwolke über Italien" (2016)
Quelle: https://www.wissen.de/40-jahre-seveso-unglueck-giftwolke-ueber-italien (https://www.wissen.de/40-jahre-seveso-unglueck-giftwolke-ueber-italien)

Das Sevesounglück war ein Chemieunfall, der sich am Samstag, 10. Juli 1976, in der chemischen Fabrik Icmesa im italienischen Meda, 20 Kilometer nördlich von Mailand, ereignete. Icmesa war ein Tochterunternehmen von Givaudan, das wiederum eine Tochter von Roche war. Das Betriebsgelände berührte das Gebiet von vier Gemeinden, unter ihnen Seveso, das Namensgeber des Unglücks wurde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Sevesoungl%C3%BCck

"Die Fässer von Seveso" (2007)
In den 41 Fässern lagerte Abfall, kontaminiert mit 200 Gramm einer Chlorverbindung: TCDD-Dioxin, eines der stärksten je synthetisierten Gifte. Ein Millionstelgramm genügt, um einem Meerschweinchen den Garaus zu machen. Das Material stammte aus einem havarierten Chemie-Reaktor der Firma Icmesa bei Seveso, nördlich von Mailand. Icmesa gehörte zu Givaudan, einer Tochter des Basler Pharmaziekonzerns Roche. ... Der Chemieunfall in der Firma Icmesa bei Seveso ereignete sich am 10. Juli 1976. Sechs Jahre später sollten die hochgiftigen Rückstände aus dem Chemie-Reaktor an einem geheim gehaltenen Ort entsorgt werden. Die Fässer verschwanden, doch unter dem Druck der Öffentlichkeit wollten auch die Regierungen Italiens, Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz bald Klarheit. Der skandalöse Umgang mit dem Giftmüll hatte positive Seiten: 1989 einigten sich 116 Staaten auf die «Konvention von Basel», die unter anderem grenzüberschreitende Giftmülltransporte stark einschränkt. Diese sogenannten Seveso-Richtlinien sind 1999 durch griffige Haftpflichtbestimmungen ergänzt worden. In der Schweiz trat 1983 aufgrund des Skandals ein wirksames Umweltschutzgesetz in Kraft. (AdM.)
https://www.nzz.ch/die_faesser_von_seveso-1.559284

"Dementis, Lügen und verlorene Fässer - Die Praktiken der Chemiebosse" (Dieter Lohmann, Stand: 12.11.2010)
In den Tagen und Wochen nach dem Seveso-Unglück gab die Icmesa – ein Tochterunternehmen eines Tochterunternehmens des Pharmakonzerns Hoffmann-La Roche – ein denkbar schlechtes Bild ab.
http://www.scinexx.de/dossier-detail-518-7.html
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on July 22, 2018, 06:45:10 PM
""Agent Orange" im VietnamkriegDer größte Chemie-Angriff der Geschichte" Otto Langels (Kalenderblatt / Archiv | Beitrag vom 07.02.2017)
Im Krieg gegen die Vietcong versprühte die US-Luftwaffe jahrelang tonnenweise Entlaubungsmittel über Vietnam. Doch es enthielt hochgiftiges Dioxin und hatte verheerende Folgen – bis heute. Vor 50 Jahren begann der flächendeckende Einsatz von "Agent Orange". Über 70 Millionen Liter Herbizide versprühte die US-Luftwaffe, darunter allein 45 Millionen Liter "Agent Orange" mit mehreren hundert Kilogramm Dioxin, die ein Siebtel der Gesamtfläche Vietnams langfristig kontaminierten. Die Folgen waren verheerend, denn Dioxin schädigt das Erbgut über Generationen und führt zu Missbildungen. ...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/agent-orange-im-vietnamkrieg-der-groesste-chemie-angriff.932.de.html?dram:article_id=378270

Agent Orange ist die militärische Bezeichnung eines chemischen Entlaubungsmittels, das die USA im Vietnamkrieg und im Laotischen Bürgerkrieg großflächig zur Entlaubung von Wäldern und zum Zerstören von Nutzpflanzen einsetzten. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Agent_Orange




Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on November 17, 2018, 06:05:31 PM
"Dioxinfund in Hamburg "Kinder sollten Spielplätze in der Umgebung nicht benutzen"" Ein Interview von Astrid Ehrenhauser  (2018)
Im Osten Hamburgs hat die Umweltbehörde hohe Dioxinwerte gemessen. Eine Toxikologin erklärt, wie gefährlich das für Menschen in der Nähe ist - und was man auf keinen Fall tun sollte. ...
http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/boberger-niederung-hamburg-wie-gefaehrlich-ist-der-dioxin-fund-a-1238844.html

"Boberger Niederung: Sehr hoher Dioxin-Wert" (08.11.2018)
Nach dem Fund von krebserregendem Dioxin im Naturschutzgebiet Boberger Niederung hat Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) am Donnerstag erste Ergebnisse der Bodenuntersuchungen mitgeteilt. Die Dioxin-Konzentration liegt demnach in dem betroffenen Gebiet bei 700 Mikrogramm pro Kilogramm. Schon ab einem Mikrogramm müssen Behörden Schutzmaßnahmen ergreifen. Da bislang nur das Ergebnis einer einzelnen Messung vorliege, sei noch nicht klar, ob es sich um eine punktuelle oder großflächige Belastung handele, so Kerstan. Ergebnisse weiterer Proben sollen im Januar vorliegen. Unabhängig von der Größe des Gebiets handele es sich schon angesichts des jetzt vorliegenden "sehr, sehr hohen Wertes" um ein "schweres Umweltvergehen". ...
https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Boberger-Niederung-Sehr-hoher-Dioxin-Wert,dioxin628.html

"Frühere Dioxin-Funde in Hamburg - Die zwei Skandale" (9.11. 2018)
Nicht zum ersten Mal wurde in Hamburg Dioxin gefunden. Ein Chemiewerk Boehringer und eine Mülldeponie waren mit dem Gift verseucht. ...
http://www.taz.de/!5549285/

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on February 07, 2019, 09:50:41 AM
"Tickende und leckende Zeitbomben im Meer" (06.02.2019)
Der Meeresboden in der Ost- und Nordsee ist an vielen Stellen übersät mit tickenden Zeitbomben. «In der Kieler Bucht liegen in Sichtweite beliebter Strände Torpedokopf neben Sprengmine», sagt der Meeresbiologe Matthias Brenner vom Alfred-Wegener-Institut Helmholtz Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Der Großteil davon stammt aus dem Zweiten Weltkrieg. Allein auf deutschem Gebiet sollen insgesamt 1,6 Millionen Tonnen an konventionellen Waffen in Nord- und Ostsee liegen. Dazu kommen 300 000 Tonnen chemischer Waffen in der Ost- und Nordsee. «Das ist gewaltig, was da liegt», sagt Brenner. ...
... 70 Jahre lang habe es kaum jemanden interessiert, was in den Meeren vor sich hin rostet. «Am besten rührt man es nicht an. Das zersetzt sich sowieso, hieß es lange», sagt Brenner. Dass das falsch war, sehe man heute: Viele Bomben können immer noch explodieren. Mit der Zeit werden sie sogar immer empfindlicher. Eine geringe Druckänderung oder ein Schlag können sie zur Detonation bringen. «Die Munitionskörper sind teilweise komplett verrottet. Aus anderen tritt Sprengstoff aus», sagt Brenner. Diese giftige Substanzen sowohl aus chemie- als auch aus konventionellen Waffen gelangen ungehindert ins Meer. Die Folgen für die Umwelt sind erheblich.
Das AWI und Partner haben in dem Projekt «Chemsea» vor einigen Jahren die Auswirkungen der Chemikalien auf die Umwelt erforscht. Der Meeresbiologe Brenner sagt, bei zehn bis 13 Prozent des Speisefisches Ostseedorsch seien Stoffe aus chemischen Waffen im Filet nachgewiesen worden. Die Menge sei zwar gering. «Es kann aber sein, dass so ein Fisch auch auf dem Teller landet», sagt er. Inwiefern diese geringen Mengen Auswirkungen auf den Verbraucher haben, sei noch nicht erforscht.
Im Februar endet das Nachfolgeprojekt «Daimon» («Decision Aid for Marine Munition»), wieder in Zusammenarbeit mit nationalen wie internationalen Partnern. Anfang Februar fand die Abschlusskonferenz in Bremerhaven statt. Die Forscher hatten den Effekt von konventionellen Waffen auf die Umwelt untersucht. Das Thünen-Institut für Fischereiökologie hat den Plattfisch Kliesche unter die Lupe genommen, der am Meeresboden in der Kieler Bucht lebt. In diesem Gebiet lägen etwa 35 000 Tonnen konventioneller Munition, sagt Thomas Lang, stellvertretender Leiter des Instituts.
Bei 25 Prozent der Exemplare fanden die Forscher Lebertumore. In unbelasteten Gebieten liegt die Quote dagegen bei nur 5 Prozent. «Am Boden gibt es TNT-Klumpen, die sich im Wasser lösen. Die Abbauprodukte gelangen über das Wasser oder die Nahrung in den Organismus», sagt Lang. Laborversuche haben gezeigt, dass die Abbauprodukte von TNT die DNA von Fischen schädigen, was eine mögliche Erklärung für die hohe Tumorrate sei. Gefischt und vermarktet werde die Kliesche allerdings nicht, so dass für den Menschen keine Gefahr bestehe.
Neben Umweltschützern hat allerdings auch die Wirtschaft ein Interesse daran, den Meeresboden von Munition zu befreien. «Die Munition stellt ein Risiko für die Schifffahrt dar und für den Bau von Windkraftanlagen und das Verlegen von Seekabeln», sagt Lang. Taucher sind daher laufend damit beschäftigt, Fahrrinnen von Minen zu befreien, die eigentlich als unbelastet galten. ...
https://www.tagesspiegel.de/wissen/munitions-altlasten-tickende-und-leckende-zeitbomben-im-meer/23956860.html

QuoteBabsack 07:41 Uhr

    70 Jahre lang habe es kaum jemanden interessiert, was in den Meeren vor sich hin rostet. «Am besten rührt man es nicht an. Das zersetzt sich
    sowieso, hieß es lange», sagt Brenner. Dass das falsch war, sehe man heute


So sind wir nicht nur eine Generation,die kommenden Generationen einige unangenehme Überraschungen aus wirtschaftlichen Interessen hinterläßt,sondern sind vielleicht in ein paar Jahren auch selbst noch Opfer einer Generation,die es sich nach dem Krieges einfach machen wollte und das Meer als Mülleimer unendlichen Fassungsvermögens begriff.
Bis jetzt haben alle nachkriegsgeborenen Generationen ja wirklich nur die Schokoladenseite all des skrupellosen Wirtschaftens und Waltens genießen dürfen.
Übrigens ist Fisch,besonders fetter Fisch, aus der Ostsee schon heute extrem belastet,so dass er größtenteils nicht in den Verkauf an Menschen geht,sondern man es etwas trickreicher gestaltet,indem man daraus Fischfutter herstellt,mit dem dann der "gute Norwegische Zuchtlachs" gefüttert wird,der dadurch und durch Medikamente zum giftigsten Lebensmittel wird,was man im Supermarkt noch legal kaufen kann.
Aber auch hier gilt selbstverständlich:
Was uns nicht umbringt,reichert sich langsam an.


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on March 07, 2019, 01:25:24 PM
Quote[...] Rom/Straßburg – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat ein Verfahren gegen Italien wegen der illegalen Giftmüllentsorgung in der von der Camorra kontrollierten Gegend zwischen Neapel und Caserta aufgenommen, die als "Feuerland" bekannt ist. Der EGMR nahm einen dementsprechenden Antrag von Bürgern und Verbänden an, die ihr Recht auf Gesundheit gefährdet sehen, berichteten italienische Medien. Die Kritiker behaupten, dass der italienische Staat ungenügende Maßnahmen zur Reduzierung der Risiken für die öffentliche Gesundheit ergriffen habe, obwohl er sich über die Gefahren im Klaren sei. Wegen illegaler Müllentsorgung sei in den vergangenen Jahren die Zahl der Krebserkrankungen in der Gegend besonders stark gestiegen. Betroffen seien vor allem Kinder.

Schätzungen zufolge wurden in den Jahren 1991 bis 2013 rund zehn Millionen Tonnen Industrieabfall in dem Landstrich verbrannt, obwohl offene Mülldeponien in der Europäischen Union verboten sind. Das Geschäft mit dem Mist ist seit dem Ende der 1980er-Jahre eine lukrative Einnahmequelle für die neapolitanische Mafia. Die Camorra lässt selbst giftige Abfälle wie Asbest, Lösungsmittel, Autoreifen und Kühlschränke auf den Feldern auskippen und zündet sie unterschiedslos an. Der Begriff "Feuerland" leitet sich von den hunderten brennenden Mülldeponien ab, auf denen die Müllmafia, die sich mit der Giftmüllentsorgung bereichert, riesige Mengen von Haushalts- und Industrie- sowie Sonderabfall illegal ablagert und verbrennt. Internationale Aufmerksamkeit erfuhr die Region durch den Bestsellerautor Roberto Saviano, der in seinem Buch "Gomorrha" aus dem Jahr 2006 über die Camorra schrieb. Unternehmen im ganzen Land zahlen demnach lieber Schmiergeld an die Mafia, als seriöse Müllfirmen damit zu beauftragen, ihren Unrat zu entsorgen. Durch diese Praxis werden nicht nur gesundheitsschädigende Gase freigesetzt, sondern auch die Erde und das Grundwasser verseucht. Viele Feldfrüchte sind mit Arsen und Schwermetallen belastet. (APA, 6.3.2019)


Aus: "Menschenrechtsgericht leitet wegen Giftmülls Verfahren gegen Rom ein" (6. März 2019)
Quelle: https://derstandard.at/2000099027221/Menschenrechtsgericht-leitete-Verfahren-gegen-Rom-wegen-Giftmuell-ein (https://derstandard.at/2000099027221/Menschenrechtsgericht-leitete-Verfahren-gegen-Rom-wegen-Giftmuell-ein)
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on March 21, 2019, 10:22:24 AM
Quote[...] Schwarze Klumpen an Surfstränden, verklebte Vögel und sterbende Austern: An der westfranzösischen Küste erwarten die Menschen eine Ölpest. 330 Kilometer vor dem Festland ist vor wenigen Tagen das Containerschiff Grande America havariert. Dabei sind rund 2.000 Tonnen Schweröl ausgelaufen; Wellen und Strömungen im Atlantik werden bestimmen, wann der Dreck die Küste erreicht. Betroffen sein werden die Regionen, die im Sommer die meisten Touristen anziehen: die Strände nördlich von Biarritz, wo Surferinnen wellenreiten, die Vogelinseln vor Arcachon, die Stadt mit der höchsten Düne Europas, und die Bucht südlich von Bordeaux, in der Austern gezogen werden.

Die spektakuläre Havarie zeigt, dass der Schiffsverkehr in Europa und weltweit für das Meer insgesamt bedrohlich geworden ist. Mehr als 80 Prozent aller Waren werden inzwischen über das Meer transportiert, vor allem, weil es so günstig ist. Dabei wird alles immer größer, wie Zahlen des französischen Meereswirtschaftsinstituts ISEMAR zeigen. Heute ist ein durchschnittliches Frachtschiff 350 Meter lang und es transportiert 16.000 Container – viermal so viele wie noch vor 20 Jahren. Diese große Fracht wird von vergleichsweise wenigen Menschen begleitet, nur 16 Besatzungsmitglieder fahren durchschnittlich mit, die meisten stammen aus dem Exportland China. Weil die Lohnkosten dort niedrig sind, macht der lange Weg bei einem von China nach Deutschland transportierten Fernsehers oder Staubsaugers am Ende nur rund ein Prozent des Preises aus.

Der Preisdruck bringt zwei Gefahren mit sich. Erstens müssen kleine Crews mit immer größeren und oft auch brennbaren oder explosiven Ladungen fertig werden. Zweitens fahren die meisten Tanker mit Schweröl, das billig ist, aber besonders viele schädliche Abgase produziert.

Auch die Grande America fuhr mit Schweröl. Diese 2.000 Tonnen Schweröl aus dem Tank sind es auch, die nun an die Küsten gespült werden. Am 8. März war das Schiff um 3 Uhr nachts aus dem Hamburger Hafen ausgelaufen. Am Abend des 10. März brach ein Feuer aus. Die Löschung der haushohen Flammen dauerte nicht nur einen ganzen Tag, sie verursachte möglicherweise auch die Havarie des Bootes. Wahrscheinlich führten die vielen Kubikmeter Löschwasser erst zu einer Schlagseite und ließen das Boot schließlich auf den 4.600 Meter tiefen Grund des Atlantik sinken. Die 27 Männer und Frauen an Bord konnten gerettet werden, aber das Schiff und seine Ladung liegen nun im Meer.

Laut der italienischen Grimaldi Group, die das Schiff besitzt, bestand die Ladung aus 2.100 neuen und gebrauchten Fahrzeugen. Außerdem waren knapp 400 Container an Bord, davon 45 mit gefährlichen Stoffen. Details nannte sie nicht.

Dieser Informationsmangel ist typisch für die rasant wachsende Branche. Weder der Hamburger Hafen noch die Firma, die den Tanker beladen hat, weiß, welche Waren vor ihren Augen umgeschlagen wurden. Inzwischen hat die französische Präfektur bekannt gegeben, dass unter den gefährlichen Stoffen Salz und Schwefelstoffe waren. Die Grimaldi Group hingegen hatte ausgeschlossen, dass das Schiff korrosive Stoffe, zu denen Schwefel gehört, an Bord führte.

Ein offensichtlicher Widerspruch, die französische NGO Robin Hood fordert Aufklärung: "Wir verlangen von den französischen Behörden eine vollständige Liste der Stoffe", schreibt die Umweltorganisation. Die Organisation hatte zuvor bereits angekündigt, die Grimaldi Group wegen "Verschmutzung des Meeres und des Zurücklassens von Abfällen", zu verklagen. "Die Grande America war ein Schrottschiff, das Schrott transportierte", schreiben sie.

Tatsächlich lässt sich auf der Seite von Equasis, einer Seite, die Informationen über die Sicherheit der Schifffahrt sammelt und zur Verfügung stellt, nachvollziehen, dass bei der Grande America im Laufe der vergangenen Jahre zahlreiche Mängel festgestellt wurden. Vor allem mangelhafter Feuerschutz wird in der von der Europäischen Union gegründeten Datenbank immer wieder erwähnt.

Das scheint allerdings kein Grund gewesen zu sein, das Schiff aus dem Verkehr zu ziehen. Die Grande America habe vier- bis sechsmal pro Jahr im Hamburger Hafen angelegt, sagt Kai Gerullis, Sprecher der Hamburger Hafenbehörde, es habe keine besonderen Vorkommnisse gegeben.

Dass Unfälle von Containerschiffen zunehmen, kann das Havariekommando in Cuxhaven, das für Unfälle auf der Nord- und Ostsee zuständig, aus seinen Statistiken nicht erkennen. "Die Unfallzahlen schwanken stark – mal haben wir zwei, mal neun sogenannte komplexe Schadenslagen pro Jahr", sagt Simone Starke von der Bundesbehörde. Seit der Gründung des Havarkiekommandos vor 16 Jahren habe es 79 Schiffe in der Ostsee und der deutschen Nordsee bei Unfällen helfen müssen, bei denen Menschenleben und die Umwelt in Gefahr gewesen seien. Im Januar dieses Jahres verlor das Frachtschiff MSC Zoe 270 Container auf offener Nordsee; es dauerte Wochen, bis sie geborgen werden konnten. Doch nicht all diese Unfälle werden auch öffentlich bekannt. 

Viele Französinnen und Franzosen erinnern sich angesichts des Unfalls der Grande America heute an die Ölpest, die das vor der Bretagne gestrandete Ölschiff Erika 1999 verursachte. Monatelang sammelten damals Freiwillige Ölklumpen vom Strand, Zehntausende Tiere verendeten mit verklebten Gefiedern oder Kiemen. Dieses Mal, beschwichtigen die französischen Behörden, werde voraussichtlich dreimal weniger Öl angeschwemmt.

"So eine Havarie mit Schweröl an Bord ist aber in jedem Fall eine Katastrophe. Zuallererst für die Vögel", sagt der Meeresexperte Kim Detloff vom Naturschutzbund Nabu. Mehr als 130.000 Arten von Vögeln lebten in den möglicherweise betroffenen französischen Feuchtgebieten. Schon ein walnussgroßer Ölklumpen auf einem Vogel lasse ihn verenden, denn das Gefieder verliere dadurch seine isolierende Wirkung, die Tiere erfrören. Auch um die Blauwale der Region macht sich Detloff Sorgen. "Die Biskaya ist ein Hotspot für Blauwale und seltene Schnabelwale, weil das Land dort so tief absinkt."

Zwar baue die französische Marine derzeit Ölbarrieren auf, aber sie würden in dem riesigen Gebiet kaum helfen. Detloff ist pessimistisch. "Es ist nicht ein Unglück in einem gesunden System. Sondern eine ökologische Katastrophe in einem Meer, das ohnehin chronisch vergiftet ist." Die Schifffahrt wird laut Detloff viel zu wenig kontrolliert. "Zu Unrecht gelten Meeresfrachter als umweltfreundliches Transportmittel."

Tatsächlich existieren für die Schifffahrtsbranche bislang Sonderregeln. Bei der Weltklimakonferenz 2015 in Paris waren beispielsweise viele Expertinnen und Experten überrascht, wie es die Lobby der Transporteure und Handelskonzerne geschafft hatte, CO2-Einsparziele für Schiffe zu vertagen. Dabei gelten die Abgase der Schiffe nicht nur als schädlich für das Klima, sondern auch für die menschliche Gesundheit. Einige Studien (CEEH Scientific Report No 3, Jorgen Brandt et al., 2011) kamen zu dem Ergebnis, dass jährlich 50.000 Menschen in der Europäischen Union frühzeitig sterben, weil sie toxischen Abgasen der Schiffe in Küstengebieten ausgesetzt sind.

Der wichtigste Grund dafür ist das Schweröl im Tank, das eigentlich ein Abfallprodukt der Benzinindustrie ist und günstiger als Marineöl. Einige Häfen lassen Schiffe nur noch anlegen, wenn sie mit normalem Benzin fahren. Allerdings haben manche Reedereien dafür eine gemischte Lösung gefunden: Viele Schiffe fahren mit zwei Tanks, einem großen mit Schweröl für die offene See und einem kleineren mit gereinigtem Benzin für die Häfen. Die Abgase von der See erreichen die Städte trotzdem. Der Nabu hatte beispielsweise am Hamburger Hafen eine hundertmal höhere Belastung an Feinstaub gemessen, als gesundheitlich akzeptabel sei. Immerhin hat die Weltschifffahrtsorganisation IMO den erlaubten Schwefelgehalt im Schweröl ab 2020 von 3,5 auf 0,5 Prozent gesenkt. 


Aus: "Schifffahrt: Eine Havarie mit Schweröl ist immer eine Katastrophe" Eine Analyse von Annika Joeres (19. März 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2019-03/schifffahrt-schweroel-frankreich-container-transport-meere-verschmutzung/komplettansicht (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2019-03/schifffahrt-schweroel-frankreich-container-transport-meere-verschmutzung/komplettansicht)

QuoteLoveIsTheLaw #6

In der Doku - schwarze Tränen des Meeres - , gesendet von ARTE, ging es um ein viel größeres Problem. Es liegen weltweit tausende Schiffe mit großen Mengen an Treibstoff und Kampfmitteln in den Meeren und Binnengewässern. Diese Altlasten stammen aus den vergangenen Weltkriegen. Ein besonders hervorzuhebenes Details ist die Schuld Deutschlands an dieser Misere. Jedoch ist derzeit ausschliesslich Norwegen dazu bereit auf eigene Kosten die Altlasten soweit noch möglich aus den Wracks die in norwegischen Gewässern liegen zu beseitigen. Deutschland ruht sich auf der Ausrede des Kriegsfalls aus und zieht sich somit aus der Affäre. Das in der Ost und Nordsee in Küstennähe schon zahlreiche Schiffe undicht sind und schleichend das Ökosystem töten spielt dabei offensichtlich keine Rolle. Ganz nach dem Motto, soll es doch die Zukunft von selbst richten. Ich würde mich sehr über eine Berichterstattung seitens deutscher Journalisten freuen, besser auch gleich offensiv auf die Politiker zugehen.  ...

[ [27.04.2017] Der Boden ist durch auslaufendes Schweröl aus dem Wrack kontaminiert. Eine Fläche, so groß wie 50 Fußballfelder, ist mittlerweile verseucht. Teilweise werden Umweltgrenzwerte für krebserregende polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe um das Tausendfache überschritten. Insgesamt 450.000 Kubikmeter Meeresgrund müssten entsorgt werden. Und das Wrack der "Stuttgart" ist nur die Spitze eines gefährlichen Eisbergs. ... https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/schiffwracks-100.html (https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/w-wie-wissen/schiffwracks-100.html) ]


Quotexy1 #6.2

Man sollte auch die im Hafen von Murmansk in freier Luft oder in geringer Tiefe verrottenden Kernreaktoren aus den Altbeständen der Sowjetmarine nicht vergessen.


QuoteHorst44a #12


Bei der Verarbeitung von Erdöl entsteht Schweröl als Rückstand der Destillation oder aus Crackanlagen. Es müßte aufwendig entsorgt werden oder aber, es wird in Seeschiffen zwecks Antrieb und Stromerzeugung als sehr kostengünstiger Kraftstoff verbrannt.
Kleiner Vergleich zum Thema Kreuzfahrt-Schwerölschiff:
Das neue (gefeierte!) größte Kreuzfahrtschiff der Welt befördert 9000 Passagiere. Nach Angaben von WDR2 benötigt es pro Tag 360.000 Liter Kraftstoff. Das bedeutet pro Passagier und Tag (nur) 40 Liter. Schweröl ist aber 2500-mal schwefelhaltiger als Straßenfahrzeug-Diesel. Also produziert jeder Passagier Schwefeldioxid-Abgase als würden 40 x 2500 Liter Normaldiesel verbrannt, am Tage dann also wie von 100.000 Liter Auto-Diesel ohne Abgasreinigung in die Umwelt gesetzt!
Schwefeldioxid ist giftig bei Einatmen und verursacht konzentriert Verätzungen der Haut und Augenschäden.
Beim Feinstaub sieht die Rechnung etwas anders aus. Schwerölabgase sind eher Grobstaub.
Die Kraftstoffqualität hat entscheidenden Einfluss auf die Schwefeldioxid-Anteile im Abgas. Die Binnenschifffahrt fährt nicht mit Schweröl sondern mit Schiffs-Diesel (Marinedieselöl). Dieser hat meist (nur) 100 mal so viel Schwefelanteile wie Auto-Diesel, bei See-Frachtern und Bespaßungs-Kreuzfahrtschiffen mit Schwerölantrieb ist bis zu dem 3500fachen erlaubt!

[ ... "Die Kreuzfahrtschiffe seien auf hoher See immer noch mit giftigem Schweröl unterwegs und deshalb dreckige Rußschleudern...."
QUELLE: https://www.abendblatt.de/hamburg/article108212711/Naturschutzbund-Aida-Schiffe-sind-schlimmste-Russschleudern.html (https://www.abendblatt.de/hamburg/article108212711/Naturschutzbund-Aida-Schiffe-sind-schlimmste-Russschleudern.html) ... ]


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on May 28, 2019, 04:50:23 PM
Quote[...]  "Das geht den Bach hinunter", sagt man, wenn etwas schief läuft oder im Niedergang befindlich ist. Nach einer Studie britischer Wissenschaftler kann man dies buchstäblich nehmen. Die Wissenschaftler von der University of York haben Flüsse wie die Donau, den Mekong, die Themse, die Seine oder den Tigris in 72 Ländern auf allen Kontinenten nach 14 weit verbreiteten Antibiotika untersucht und sind darauf gestoßen, dass Antibiotika, oft in hohen Konzentrationen, in vielen Flüssen zu finden sind.

Gefunden haben sie Antibiotika-Konzentrationen in Flüssen in Bangladesch, die die als unbedenklich oder sicher geltende Konzentration um das 300-Fache übersteigen. Das ist der Fall bei Metronidazol, einem Antibiotikum gegen Haut- und Mundinfektionen, das die höchste Belastung verursacht. In der Themse und einem ihrer Zuflüsse wurde eine maximale Antibiotika-Konzentration von 233 Nanogramm pro Liter gemessen, in Bangladesch war sie um 170 Mal höher. Nach der AMR Industry Alliance sind Konzentrationen, abhängig von den Antibiotika, zwischen 20 und 32.000 Nangramm pro Liter "sicher".

An 65 Prozent der Stellen, an denen sie gemessen haben, wurden Antibiotika festgestellt. Am meisten kommt Trimethoprim vor, das meist bei Harnwegsinfekten und Infektionen der oberen Luftwege eingesetzt wird. Es wurde an 307 der 711 Messstellen gefunden. Ciproflaxacin, das gegen Darminfektionen und viele andere Infektionen verschrieben wird, überschritt am meisten die Sicherheitswerte, nämlich an 51 Messstellen.

Über die Flüsse verbreiten sich Antibiotika auf Felder oder ins Grundwasser und tragen damit zur wachsenden Antibiotikaresistenz bei. Die Weltgesundheitsorganisation WHO bezeichnet die Antibiotikresistanz gehöre zu den "größten Bedrohungen der menschlichen Gesundheit und der Lebensmittelsicherheit". Sie führe zu längeren Krankenhausaufenthalten, steigenden Kosten und ansteigender Mortalität. Die Gefahr besteht, dass manche Infektionen nicht mehr behandelt werden können. In manchen Regionen habe die Antibiotikaresistenz bereits eine gefährliche Höhe erreicht.

Besonders gefährdet durch die Belastung der Flüsse sind Asien und Afrika, aber da auch in Europa, Nord- und Südamerika hohe Konzentrationen gefunden wurden, sprechen die britischen Wissenschaftler von einem "globalen Problem". Am schlimmsten belastet sind Flüsse in Bangladesch, Kenia, Ghana, Pakistan und Nigeria, in Europa ergab eine Messstelle an der Donau in Österreich die höchsten Werte. Hier wurden sieben Antibiotika gefunden, darunter vor allem Clarithromycin zur Behandlung von Atemwegsinfektionen. Die Konzentration lag vierfach über dem sicheren Grenzwert. Überhaupt war die Donau in Europa, wo an 8 Prozent der Messstellen erhöhte Konzentrationen gefunden wurden, am stärksten kontaminiert. Aber auch die niedrigen Konzentrationen in Europa können die Resistenzentwicklung fördern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Resistenzgene weiter gegeben werden.

In aller Regel wird hohe Belastung durch fehlende oder mangelhafte Kläranlagen oder Klärschlammverklappung verursacht, also wenn Antibiotika nicht ausgefiltert werden. Problematisch können aber auch Konfliktgebiete sein wie die Grenze zwischen Israel und Palästina.

Die Untersuchung wird als die bislang umfassendste bezeichnet. Bislang habe man vor allem in Europa, Nordamerika oder China die Antibiotika-Belastung gemessen, und das auch nur für wenige Antibiotika. John Wilkinson, der die Untersuchung koordiniert hat, sagt: "Wir wissen sehr wenig über das Ausmaß des Problems global." Man habe aber jetzt auch in Ländern gemessen, in denen man dies zuvor nie gemacht habe.

Noch ist unklar, wie stark die Antibiotika-Belastung bei Tieren ist. Die Wissenschaftler wollen die Folgen u.a. auf Fische, Wirbellose und Algen untersuchen und erwarten massive Auswirkungen. So sei die Belastung in einigen Flüssen in Kenia so hoch, dass dies keine Fische überleben konnten. Man könnte sich zynisch beruhigen und sagen, dass die Folgen doch lokal beschränkt seien. Aber die durch Antibiotika-Belastung steigende Antibiotika-Resistenz bleibt in einer globalen Welt nicht Kenia. (Florian Rötzer)


Aus: "Weltweite Antibiotika-Belastung von Flüssen" Florian Rötzer (28. Mai 2019)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Weltweite-Antibiotika-Belastung-von-Fluessen-4433628.html (https://www.heise.de/tp/features/Weltweite-Antibiotika-Belastung-von-Fluessen-4433628.html)

QuoteTsu Tang, 28.05.2019 14:34


Hi, interessant, dass auch Gewässer in Ländern kritisch belastet sind an denen keine größeren Herstellstätten liegen (Kenia).
Das deutet auf massiven Fehlgebrauch der Arzneimittel hin. Gerade Antibiotika sollten immer nur nach Rezept abgegeben werden. Aber in vielen Ländern werden die eingeworfen wie Gummibärchen.

Bye


QuoteHans, 28.05.2019 14:26

Multiresistente Keime längst im Fluss/Seewasser

In allen Proben fanden die Forscher Keime, denen mindestens zwei der vier Standard-Antibiotikaklassen nichts anhaben können. Besonders viele solcher Erreger waren in Proben aus einem Fluss, in den geklärtes Abwasser der Stadt Osnabrück geleitet wurde. Die Forscher zählten 3870 Keime auf 100 Milliliter. Aber auch in den Proben von zwei Badestellen fanden die Forscher resistente Keime – und zwar 2,7 und 6,6 auf 100 Milliliter. Unter den Erregern waren Darmkeime, die zu schweren Erkrankungen führen können. An fünf der zwölf Probenorte konnten Resistenzen gegen das Reserveantibiotikum Colistin nachgewiesen werden.

https://www.nwzonline.de/wirtschaft/weser-ems/bad-zwischenahn-hannover-gesundheit-multiresistente-keime-in-gewaessern_a_50,0,3485572074.html (https://www.nwzonline.de/wirtschaft/weser-ems/bad-zwischenahn-hannover-gesundheit-multiresistente-keime-in-gewaessern_a_50,0,3485572074.html)

Laut Experten sollten vor allem Kranke und Menschen mit Verletzungen an der Haut beim Baden in öffentlichen Gewässern vorsichtig sein.



-

Quote[...] Die Verhütung per Pille ist eine gut wirksame Sache. Allerdings hat sie weitreichende Folgen: Sie kann nicht nur verhindern, dass Frau schwanger wird, sondern auch aus einem Froschmännchen ein Froschweibchen machen. Wie sich Östrogen-Rückstände im Wasser genau auf das Geschlecht von verschiedenen Amphibien-Arten auswirken, haben Forscher des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin in Zusammenarbeit mit Forschern der Universität Wroclaw herausgefunden.

Für ihre Untersuchungen testeten die Forscher die Wirkungen von EE2 an drei verschiedenen Amphibienarten. Sie zogen den Afrikanischen Krallenfrosch (Xenopus laevis), Kaulquappen des Laubfrosches (Hyla arborea) und der Wechselkröte (Bufo viridis) in Wasser auf, das unterschiedliche Konzentrationen von EE2 enthielt und verglichen die Tiere mit Kontrollgruppen, die in EE2-freiem Wasser aufwuchsen. Zudem wurde das genetische Geschlecht bei dieser Untersuchung mittels modernsten molekularen Verfahren festgestellt. Die Forscher untersuchten auch das Erscheinungsbild der Geschlechtsorgane und das Aussehen der Gewebe unter dem Mikroskop. Erst der Vergleich von genetischem und phänotypischem Geschlecht hat es ermöglicht, die Wirkung von EE2 vollständig zu erfassen.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass nach der Exposition mit EE2 bei allen drei Amphibienarten eine Geschlechtsumkehr von genetisch männlichen zu weiblichen Tieren auftritt, der Anteil dabei reicht von 15 bis zu 100 Prozent. Die drei Arten reagieren allerdings unterschiedlich empfindlich auf das Hormon. "Die Verweiblichung von Populationen kann neben anderen schädigenden Hormonwirkungen zum Aussterben von Amphibienarten beitragen," sagt Studienleiter Matthias Stöck vom IGB.

Doch nicht nur die Amphibien scheinen durch Hormone im Wasser gefährdet zu sein. Co-Autor und Ökotoxikologe Professor Werner Kloas betont: "EE2 ist auch in unserem Wasserkreislauf enthalten und stellt zusammen mit anderen östrogenartig wirkenden Stoffen nicht nur für Amphibien, sondern auch für uns Menschen eine ernst zu nehmende Beeinträchtigung dar."

Quelle: n-tv.de, jaz


Aus: "Hormone im Wasser Pillenreste verursachen Verweiblichung" (Dienstag, 05. April 2016)
Quelle: https://www.n-tv.de/wissen/Pillenreste-verursachen-Verweiblichung-article17389461.html (https://www.n-tv.de/wissen/Pillenreste-verursachen-Verweiblichung-article17389461.html)

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on June 15, 2019, 04:33:27 PM
Quote[...] Fast 50 Jahre ist es her, dass ein amerikanisches Flugzeug letztmals in den Himmel über Vietnam stieg, um literweise unverdünntes Entlaubungsmittel über dem Land zu versprühen. Bekannt geworden ist das Umweltgift unter dem militärischen Namen »Agent Orange«, chemisch bestand es aus zwei Herbiziden und einem verhängnisvollen Nebenprodukt. Der Name Agent Orange, benannt nach den Etiketten auf den Fässern, steht wie kein anderer für eines der größten Kriegsverbrechen der USA.

Mehr als 45 Millionen Liter gingen zwischen 1962 und 1971 während der Operation Ranch Hand über dem Land nieder. Zählt man die anderen Herbizide noch hinzu, verdoppelt sich die Zahl fast auf 80 Millionen Liter. Agent Orange entlaubte Wälder und vernichtete Ernten, im tropischen Regenwald sollte es den Vietcong-Kämpfern die Deckung nehmen. Am Ende des Kriegs war fast ein Viertel des gesamten Landes von der Entlaubungsaktion betroffen. Große Landstriche sahen aus wie nach einem Atomangriff.

Der Krieg ist lange aus, aber das Gift ist geblieben. Doch lange Zeit haben weder die amerikanische Regierung noch die Chemiekonzerne für das erlittene Leid in Vietnam Verantwortung übernommen. Erst allmählich tut sich etwas. Ein verseuchtes Gebiet, der Flughafen in Da Nang, ist seit November 2018 vollständig saniert. Und jetzt wollen auf der ehemaligen Militärbasis in Bien Hoa, 40 Kilometer nordöstlich von Ho-Chi-Minh-Stadt, dem früheren Saigon, Amerikaner und Vietnamesen gemeinsam die Spätfolgen beseitigen. Der Stützpunkt gilt als Mega-Hotspot der Verseuchung mit Agent Orange. Jahrelang wurden dort die Fässer mit dem Pflanzengift gelagert, heute leben hier eine Million Menschen. Innerhalb von zehn Jahren soll die Airbase von den Altlasten gesäubert sein, kündigten Regierungsvertreter Ende April 2019 an. Die Kosten werden auf mindestens 300 Millionen Dollar geschätzt, die amerikanische Regierung will 183 Millionen Dollar übernehmen.

Die Gründe für den Sinneswandel sind wohl geopolitischer Natur. Jahrzehntelang haben US-Gerichte jede Schuld an den gesundheitlichen Folgen bestritten. Mehr als drei Millionen Opfer von Agent Orange zählt die Vietnamese Association of Victims of Agent Orange auf, noch immer leiden hunderttausende Vietnamesen an den Spätfolgen, noch immer werden missgebildete Kinder geboren. Doch jetzt brauchen die USA dringend neue Verbündete gegen die aufstrebende Supermacht China. Die Zusage umfasst allerdings nur die Beseitigung der Altlasten an einem Ort – und keine flächenhafte Sanierung. Die bräuchte es nach dem veritablen Ökozid vor Jahrzehnten aber dringend, um die Folgen des Pflanzengifteinsatzes endlich in den Griff zu bekommen. Denn nach wie vor ist das Ausmaß der Verseuchung gravierend, auch derzeit Mensch und Natur leiden stark unter den Folgen des Herbizideinsatzes.

In einer Übersichtsarbeit haben nun zwei Agrarwissenschaftler aus Illinois und Iowa die Langzeitfolgen der größten Militäroperation der amerikanischen Streitkräfte genauer unter die Lupe genommen. Die Studie erschien Anfang 2019 im Fachjournal »Open Journal of Soil Science«. Darin gehen die Autoren davon aus, dass Vietnam weitere Jahrzehnte an den Spätfolgen leiden wird, da sich ein Großteil des Gifts in Böden und Sedimenten angereichert hat. Sie zeigen zudem einen Weg auf, wie man das Land sanieren könnte. Doch es fehlt der Wille – und auch das Geld.

Dass das Land immer noch mit der Verseuchung zu kämpfen hat, liegt eigentlich gar nicht an den Pflanzenschutzmitteln, aus dem Agent Orange bestand. Die beiden Verbindungen aus der Chlorchemie, Dichlorphenoxyessigsäure und Trichlorphenoxyessigsäure, waren im gleichen Verhältnis in Agent Orange enthalten; sie regen Pflanzen zu übermäßigem Wachstum an, so dass diese bald von selbst eingehen. Vor allem Dichlorphenoxyessigsäure ist weiterhin im Einsatz gegen Unkräuter, das Mittel wird bis heute bei Anhängern eines gepflegten Rasenrechtecks versprüht. Da die Halbwertszeit der beiden Verbindungen jedoch nur bei einigen Tagen oder Wochen liegt, wurden die Herbizide bis heute weder in Böden noch im Wasser nachgewiesen.

Die wahre Ursache der immensen Folgen für Mensch und Natur ist ein unerwünschtes Nebenprodukt, das bei der Herstellung von Trichlorphenoxyessigsäure entstehen kann. Es trägt den Namen Tetrachlordibenzodioxin, kurz TCCD, und gehört zur Stoffgruppe der rund 300 Dioxine. TCCD entsteht bei der Synthese unter erhöhten Reaktionstemperaturen, meist zwischen 300 und 600 Grad Celsius. Die Verbindung ist langlebig und die giftigste aller Dioxine. Schon geringste Mengen können schwere Organschäden und Krebs auslösen. Zudem gilt sie als Hormonstörer und führt zu schweren Fehlbildungen bei Kindern.

TCCD kam in den auf den Stützpunkten gelagerten Fässern in unterschiedlichen Konzentrationen vor. Jedes Fass beinhaltete 208 Liter Flüssigkeit. Der Umgang mit dem Inhalt war nicht immer sorgfältig – deshalb kamen auch zehntausende Soldaten in Kontakt mit dem hochgiftigen Material. Vor allem waren diejenigen betroffen, die die Fässer entluden, die Tanks befüllten und die Fässer transportierten. Außerdem waren die Piloten dem Gift ausgesetzt.

Luftwaffenstützpunkte wie Bien Hoa, aber auch wichtige Routen und Hochburgen der Gegner gelten daher bis heute als von der Verseuchung am stärksten betroffen. Agent Orange wurde vor allem entlang des Ho-Chi-Minh-Pfads auf der Truong-Son-Gebirgskette versprüht. Der Pfad galt als wichtige strategische Versorgungsroute der nordvietnamesischen Truppen. Da der Dschungel hier extrem dicht war und der Weg aus der Luft nicht zu erkennen, kam an diesen Stellen besonders viel Agent Orange zum Einsatz. Außerdem besprühten und bombardierten die Amerikaner das weit verzweigte Tunnelnetz der Vietcong-Kämpfer.

Weitere Ziele der Entlaubungsaktionen der Amerikaner waren zudem die Feuchtgebiete, Flüsse und Kanäle sowie der Südzipfel Cà Mau mit seinen einzigartigen Mangrovenwäldern. Schließlich machten die Amerikaner auch nicht vor den landwirtschaftlichen Flächen Halt. Ihr Ziel war es, die Gegner auszuhungern. Doch Analysen nach dem Krieg zeigten, dass darunter zu einem Großteil nicht die Guerillas litten, sondern die Bevölkerung. Hunderttausende Südvietnamesen hungerten.

Das hochgiftige TCCD kann zwar nicht von Pflanzen aufgenommen werden und ist auch kaum wasserlöslich, doch dafür bindet es sich in tropischen Böden und Sedimenten an organische Substanzen und Tonpartikel. Einziger Vorteil: Ins Grundwasser sickerte es dadurch sehr wahrscheinlich nicht. An der Oberfläche zerfällt es jedenfalls innerhalb von ein bis drei Jahren, im Boden und in Fluss- wie Meeressedimenten kann es allerdings mehr als 100 Jahre bestehen.

Über Flüsse, Wind, Erdrutsche und die starke Bodenerosion während des Monsuns breitete sich TCCD in den Ökosystemen aus und kam auf diesem Weg auch in die Nahrungskette. Vor allem die Gebiete rund um die verseuchten Stützpunkte sind mittlerweile belastet. Viele Vietnamesen sind diesem Gift deshalb bis heute ausgesetzt. Sie atmen kontaminierten Staub ein, bestellen verseuchte Felder und kommen mit dem Gift dadurch direkt in Kontakt. Da Reis und Fisch die Hauptnahrungsquellen der Bevölkerung sind, nimmt die Bevölkerung den gefährlichen Stoff auch über die Nahrung auf. Von allen Lebensmitteln sind vor allem Fisch und Fleisch gefährlich, denn TCCD reichert sich in Fett an. Da Tiere am Ende der Nahrungskette stehen, vergrößert sich die TCCD-Konzentration dutzendfach. Seen in der Nähe von Stützpunkten dürfen zwar nicht befischt werden. Wie Messungen zeigen, findet sich das Gift trotzdem im lokalen Nahrungsangebot.

Zehn ehemalige Stützpunkte in Vietnam gehören zu den Hotspots der Verseuchung, darunter auch die Millionenstadt Bien Hoa, die mit TCCD wahrscheinlich am stärksten kontaminiert ist. Zwölf Studien wurden zwischen 1990 und 2016 erstellt, an 76 Standorten wurden 1300 Proben entnommen. Das Ergebnis: Mehr als die Hälfte aller Proben wiesen erhöhte Dioxinwerte auf. Vom Fischverzehr wurde in dieser Region darum wegen hoher Gesundheitsgefahr abgeraten, Trinkwasser hingegen ist sicher.

Die amerikanische Behörde für internationale Entwicklung (USAID) finanzierte im Jahr 2016 die neueste Studie. Diese kam zu dem Schluss, dass nur eine umfassende Altlastenbeseitigung das Dioxinproblem lösen kann. Etwa 350 000 bis 400 000 Kubikmeter Boden müssten saniert werden, schätzte die Behörde und machte vor drei Jahren eine große Rechnung auf. Je nach Methode koste die Sanierung zwischen 126 und 600 Millionen Dollar – allein in Bien Hoa. Schließlich versprach der damalige Präsident Barack Obama im Mai 2016 eine Beteiligung an der Beseitigung der Altlasten.

Jetzt ist die Sanierung endgültig beschlossen, fast 500 000 Kubikmeter Boden sollen von dem Dioxin befreit werden. Die sicherste und beste Methode hierfür wäre eigentlich die Verbrennung. Bei Temperaturen von 870 bis 1200 Grad Celsius bleibt von der Verbindung nichts mehr übrig; in speziellen Drehöfen würde TCCD vollständig zerstört. Doch es gibt ein Problem – die Kosten. Die Oxidation des gesamten Materials ist die teuerste Sanierungsmethode und würde sich wohl auf deutlich mehr als eine Milliarde Dollar belaufen. Daher kommt nun eine andere, billigere Methode zum Einsatz. Gering belastetes Bodenmaterial kommt auf die Deponie, und nur die stark belasteten Flächen werden in speziellen Öfen bei 335 Grad Celsius saniert. Es handelt sich um dieselbe Methode, die auch beim Flughafen Da Nang eingesetzt wurde. Sie gilt nach Expertenmeinung als ähnlich geeignet wie die Hochtemperaturverbrennung. Am Ende entscheiden allerdings die Messwerte über den Erfolg.

50 Jahre nach Ende der Mission Agent Orange ist immerhin ein Anfang gemacht, um gegen das vorherrschende Umweltproblem vorzugehen. Doch es ist auch höchste Zeit: Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Hälfte der hochgiftigen TCCD-Verbindungen noch immer im Boden ist.


Aus: "Das Gift, das bleibt" Andreas Frey (15.06.2019)
Quelle: https://www.spektrum.de/news/das-gift-das-bleibt/1652026? (https://www.spektrum.de/news/das-gift-das-bleibt/1652026?)
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 27, 2019, 09:36:08 AM
Quote[...] BERLIN taz | Chlorpyrifos ist ein Klassiker unter den Pestiziden. Seit den 1960er Jahren töten Bauern in vielen Staaten mit dem Wirkstoff Schildläuse, Raupen oder andere Schädlinge. Immer hieß es von Herstellern und Behörden: Alles geprüft, kein Risiko.

Das war ein fataler Irrtum. Denn erst jetzt hat die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) Chlorpyrifos als zu gefährlich eingestuft. Das Insektizid könne ungeborene Kinder schädigen, erklärte das Amt in einem Anfang August veröffentlichten Gutachten. Zudem sei nicht hinreichend auszuschließen, dass das in Deutschland seit 1973 genehmigte Insektengift das Erbgut beeinträchtigt. Deshalb könnten keine sicheren Grenzwerte festgelegt werden und Chlorpyrifos dürfe nicht zugelassen sein, so die Behörde.

Sie beruft sich vor allem auf Hinweise aus einem Tierversuch, dass die Substanz Gehirnen von ungeborenen Kindern schade. Da sie schon vorlagen, als die EU das Mittel zuließ, sagen Kritiker: Die Zulassungsbehörden schützen Verbraucher und Landwirte unzureichend vor gefährlichen Pestiziden – so wie beim unter Krebsverdacht stehenden Unkrautvernichter Glyphosat.

In Deutschland darf Chlorpyrifos anders als in Spanien, Polen und 18 weiteren EU-Ländern seit 2015 nicht mehr gespritzt werden. Laut Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit wurde das Pestizid aber beispielsweise 2017 vor allem in importierten Orangen, Mandarinen sowie Grapefruits gefunden. 44 Prozent der untersuchten Grapefruits und 37 Prozent der analysierten Orangen waren demnach positiv. Treffer gab es auch etwa bei Äpfeln, Spargel und Tafelweintrauben.

Der Efsa zufolge war Chlorpyrifos eines der 2017 am häufigsten gefundenen Pestizide in Lebensmitteln. Das Bundesagrarministerium stellte aber schon im Juli 2017 fest, bei Chlorpyrifos werde aufgrund der gemessenen Rückstände ,,eine akute Beeinträchtigung der Gesundheit als möglich erachtet".

,,Der Fall Chlorpyrifos zeigt ähnlich wie bei Glyphosat und den Bienenkillern Neonikoti­no­i­den, dass die Zulassungsverfahren nicht einwandfrei funktionieren", sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner der taz. ,,Offensichtlich haben die Behörden bei Chlorpyrifos unkritisch die Herstellerschlussfolgerungen über Tierversuche mit dem Stoff übernommen." Das scheine gang und gäbe zu sein bei Pestizidzulassungen in der EU.

Tatsächlich hatte ein Ausschuss der Europäischen Kommission und der Mitgliedstaaten 2005 festgestellt, dass Chlorpyrifos alle gesetzlichen Anforderungen erfülle, also sicher sei. Daraufhin beschlossen sie eine Verordnung, um den Stoff zu erlauben.

Zuvor hatte Spanien über mehrere Jahre hinweg die Chemikalie im Auftrag der EU überprüft. Wie immer bei solchen Verfahren in Europa, den USA oder Kanada beriefen sich die spanischen Regierungsexperten vor allem auf Studien, die Hersteller des Pestizids in Auftrag gegeben und für die Behörden zusammengefasst hatten.

,,Chlorpyrifos hätte niemals zugelassen werden dürfen", sagt der Grüne Ebner. Die Zulassungsbehörden hätten ,,übersehen", dass schon 1998 eine vom Hersteller Dow beauftragte Studie Belege für die hirnschädigende Wirkung von Chlorpyrifos geliefert habe.

Tatsächlich bestätigt die jeglicher Nähe zu Umweltschützern unverdächtige Efsa: Die Spanier hatten die Studie falsch eingeschätzt. Es sei besorgniserregend, dass in dem Versuch die Kleinhirne derjenigen Ratten kleiner gewesen seien, deren Eltern Chlorpyrifos gefressen hatten, schreibt die EU-Behörde. Das spanische Amt dagegen hatte kein Problem gesehen. Lediglich die Ratten mit extrem hohen Dosen des Pestizids hätten weniger gewogen.

Offenbar hatte sich die Behörde nur auf den Ergebnisbericht des Herstellers verlassen. Wissenschaftler um den Chemiker Axel Mie von der schwedischen Medizin-Universität Karolinska-Institut dagegen werteten die Rohdaten, also zum Beispiel die Gehirngewichte, selbst aus. Im vergangenen Jahr veröffentlichten sie ihr Fazit: Die Kleinhirne von Jungratten waren kleiner, selbst wenn ihre Mütter nur sehr geringen Chlorpyrifos-Mengen ausgesetzt waren.

Dies habe die Versuchszusammenfassung schlichtweg nicht erwähnt, berichteten die Forscher in der Fachzeitschrift Environmental Health. Der Hersteller habe ,,irreführende" Angaben gemacht. Die spanische Behörde hat das nicht gemerkt. Sie antwortete bis Redaktionsschluss nicht auf eine Bitte der taz um Stellungnahme.

Wie stark Pestizide wie Chlorpyrifos aus der Gruppe der Organophosphate Menschen schädigen können, legen besonders drei Studien aus den Jahren 2005 bis 2016 über Personen mit und ohne Kontakt zu solchen Stoffen nahe. Laut EU-Lebensmittelbehörde belegen die Untersuchungen kognitive und Verhaltensdefizite bei Kindern, die im Mutterleib dieser Pes­tizid­art ausgesetzt werden. ,,Es ist ein Skandal, dass Chlorpyrifos trotzdem zugelassen wurde", sagt Peter Clausing, Vorstandsmitglied der Umweltorganisation Pestizid-Aktionsnetzwerk.

Doch damit nicht genug: Eigentlich hätte die EU-Zulassung am 30. Juni 2016 auslaufen sollen. Doch Hersteller Dow beantragte, die Genehmigung zu erneuern. Aber die Behörden schafften es nicht, rechtzeitig darüber zu entscheiden. Deshalb verlängerte die EU die Zulassung durch Verordnungen dreimal, zuletzt bis Ende Januar 2020.

Kein einziges Mal prüften die Behörden die Risiken. Auch nicht, als die kritische Auswertung der Tierversuche schon veröffentlicht war. Der Grund für die Verlängerungen war den Verordnungen zufolge einzig, dass ,,sich die Bewertung dieser Wirkstoffe aus Gründen verzögert hat, die die Antragsteller nicht zu verantworten haben". Solche ,,blinden" Zulassungen gibt es auch für andere Pestizide, die zum Beispiel im Verdacht stehen, Krebs auszulösen.

Der Vorgang erinnert an den Umgang der Behörden mit dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat. Auch hier wollten die Zulassungsämter, allen voran das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung, keine relevanten Hinweise auf Gesundheitsrisiken in Tierversuchen erkannt haben. Externe Wissenschaftler machten aber auf erhöhte Tumorraten aufmerksam. Im Unterschied zu Glyphosat hat bei Chlorpyrifos sogar eine Behörde den Stoff als zu gefährlich eingestuft.

Wie bei Glyphosat weist die Industrie auch die Vorwürfe gegen Chlorpyrifos vehement zurück: ,,Kein Wirkstoff ist gründlicher untersucht worden als Chlorpyrifos", teilte der taz József Máté, Sprecher des US-Agrarchemiekonzerns Corteva, mit, in dem Dow nach einer Fusion aufgegangen ist. Genau jenes Argument hatten Glyphosat-Verteidiger für ihr Produkt benutzt – was die Frage aufwirft, welches Pestizid denn nun wirklich am besten geprüft wurde.

Corteva jedenfalls schreibt weiter: ,,Die Efsa-Schlussfolgerungen stimmen nicht überein mit denen anderer wichtiger Regulierungsbehörden wie der US-Umweltbehörde, der australischen APVMA oder der Weltgesundheitsorganisation."

Dänemarks Regierung beispielsweise überzeugt das nicht. Sie droht bereits mit einem nationalen Importverbot für mit Chlorpyrifos behandelte Lebensmittel, wie die Onlinezeitung EUObserver berichtete. Der deutsche Grüne Ebner forderte daraufhin, dass sich die Bundesrepublik der dänischen Initiative anschließt.

Doch davon ist Bundesagrarministerin Julia Klöckner weit entfernt. In einer Stellungnahme für die taz verweist das Ministerium der CDU-Politikerin darauf, dass die EU mehrmals die erlaubten Mengen des Pestizids in Lebensmitteln gesenkt habe. Gerade überprüfe sie die Genehmigung für Chlorpyrifos. Tatsächlich teilte Anca Păduraru, Sprecherin der EU-Kommission, der taz mit: ,,Die Kommission wird den Mitgliedsländern vorschlagen, die Zulassung der Substanz nicht zu verlängern."

Kritik am Zulassungssystem wies Păduraru zurück. Gerade wegen ,,des funktionierenden EU-Systems und der EU-Regulierung" könne die Kommission den Mitgliedstaaten Verordnungsentwürfe vorlegen, um, wenn nötig, die Zulassung eines Wirkstoffs auslaufen zu lassen.

Ebner sieht das ganz anders: ,,Der Fall Chlorpyrifos zeigt auch, dass wir dringend eine umfassende Reform der Pestizid-Zulassungsverfahren brauchen", sagt der Grünen-Abgeordnete. Es verlasse sich zu stark auf Herstellerangaben.

,,Die Studien müssen künftig vollkommen herstellerunabhängig durchgeführt werden, finanziert über Gebühren der Antragsteller", verlangt Ebner. ,,Nur so kann wirklich verhindert werden, dass wichtige Erkenntnisse verschleiert werden." Der Parlamentarier kritisierte, Hersteller würden die Studien selbst quasi vorschreiben und die Behörden das dann nur noch zum größten Teil einfach übernehmen. ,,Auch ohne jede Absicht wird dabei allzu leicht etwas übersehen."


Aus: "Gefahr für ungeborene Kinder" Jost Maurin (26. 8. 2019)
Quelle: https://taz.de/Giftiges-Pestizid-an-Zitrusfruechten/!5617071/ (https://taz.de/Giftiges-Pestizid-an-Zitrusfruechten/!5617071/)
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on November 13, 2019, 06:50:02 PM
Quote[...] Bleirecycling ist in Afrika ein weit verbreitetes Geschäft. Die Gesundheits- und Umweltbedingungen sind desaströs. Oft arbeiten die Menschen mit einfachster Technik und ohne Arbeitsschutz. Bleistaub landet auf Haut, Kleidung und im Grundwasser. Die Krankheitsraten sind dramatisch hoch. Betroffen sind nicht nur die Arbeiter, sondern auch ihre Familien. Viele sterben an den Folgen der Vergiftung. Das zum Teil aus europäischen Batterien recycelte Blei landet wieder auf dem Weltmarkt. Vor allem in den Industrieländern steigt die Nachfrage stetig. Ein Großteil des Rohstoffes wird in die EU exportiert. Auch Deutschland importiert Blei aus Afrika, oft über Umwege und Zwischenhändler. ...


Aus: "Kampf gegen Bleischmelzen" (23.09.2019 )
Quelle: https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/ttt-22092019-phyllis-omido-100.html (https://www.daserste.de/information/wissen-kultur/ttt/sendung/ttt-22092019-phyllis-omido-100.html)

https://www.oeko.de/forschung-beratung/themen/rohstoffe-und-recycling/toedliches-geschaeft-bleirecycling-in-afrika/ (https://www.oeko.de/forschung-beratung/themen/rohstoffe-und-recycling/toedliches-geschaeft-bleirecycling-in-afrika/)

"Bleirecycling in Kenia - ,,Das Blei ist überall!"" Interview: Leonie Asendorpf (13.11.2019)
Die kenianische Aktivistin Phyllis Omido kämpft für strengere Umweltauflagen beim Recyceln von Blei. Auch Deutschland stehe in der Verantwortung. ...
https://taz.de/Bleirecycling-in-Kenia/!5637071/ (https://taz.de/Bleirecycling-in-Kenia/!5637071/)

https://de.wikipedia.org/wiki/Phyllis_Omido (https://de.wikipedia.org/wiki/Phyllis_Omido)


Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on November 16, 2019, 11:33:37 AM
Quote[...] Einen Kilometer flussaufwärts beginnen die ersten Felder. Dort stehen Kohl, Raps, Rettich und Salat. Alle 100 Meter eine Pumpanlage am Ufer für die Bewässerung. Mittlerweile zeigen Studien aus dem ganzen Land, dass die Nahrung mit Schwermetallen und Pestiziden belastet ist. Im Bundesstaat Punjab sind es überwiegend Chrom und Kupfer im Reis. In Kolkata wurden Bleiwerte im Gemüse gemessen, die den Grenzwert um das 2000-Fache übersteigen.

So überrascht es nicht, dass Produkte aus Indien zu denen gehören, die mit am öftesten von der amerikanischen Zollbehörde abgelehnt werden. Darunter bis zu 41 Prozent aller Gewürze. Im letzten Jahr verbot die US-Zollbehörde dazu die Einfuhr von indischen Krabben, da diese zu sehr mit Antibiotika belastet waren.

... Doch es wird auch klar, dass nicht nur die Industrie den Hindon-Fluss vergiftet. Dutzende Abwasserkanäle von Ghaziabad entlassen ihre stinkende Brühe in die Auslaufzonen des Hindon, die mit Plastikabfällen bedeckt sind.

... Der Westen braucht Indien, damit er weiter das System Wirtschaftswachstum verfolgen kann. Gerade Deutschland als Exportnation, dessen meist exportierte Ware immer noch Benzin- und Dieselautos sind.

Vergessen hat der Modi-Anhänger, dass der Westen Indien auch noch braucht, um dort billig Leder und andere Produkte zu kaufen, damit sie nicht daheim die Umwelt verschmutzen. Deutschland ist einer der größten Einkäufer der Leder-Gerbereien Indiens, die dort die Flüsse verdrecken.

... Wenn auch aus Deutschland Indien vorgeworfen wird, dass das Land einer der größten Verursacher von CO2-Emissionen ist, so ist das scheinheilig. Genauso, wenn die aufgeklärten Deutschen Indien vorwerfen, sich noch im religiösen Mittelalter zu befinden: Es sind auch die deutschen Gläubigen des "freien Marktes" die immer noch nicht verstanden haben, dass die Umweltschäden für mehr Wirtschaftswachstum das Leben auf der Erde gefährden.

Die Chemiebrühe des Hindon River fließt übrigens in den Yamina Fluss und der endet im Ganges. An seinen Ufern sagte Narendra Modi vor den Wahlen 2014, dass die "Mutter Ganges" zu ihm gesprochen habe und er versprach, den Fluss in fünf Jahren zu reinigen. Doch der Ganges ist immer noch verdreckt, wie 70 Prozent des Oberflächen- und Grundwassers - Indien droht eine Trinkwasser-Katastrophe.

So darf man gespannt sein, wen Narendra Modi und die patriotischen Hindu-Fanatiker Indiens dafür verantwortlich machen werden. Nationalstolz zu fördern und Sündenböcke zu liefern, um von Wurzeln der Probleme abzulenken, ist ja nicht nur in Indien stark in Mode.


Aus: "Indien: Gift und Religion" Gilbert Kolonko (16. November 2019)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Indien-Gift-und-Religion-4587670.html (https://www.heise.de/tp/features/Indien-Gift-und-Religion-4587670.html)

QuoteKarfunkel9, 16.11.2019 11:18

Da muss ich immer an 1990 denken

wie der feine Westen auf die DDR zeigte die noch ihre eigene Umwelt verschmutze. Ja, zu der Zeit hatte der Westen seine Umweltverschmutzung bereits erfolgreich in die 2. aber vor allem in die 3 Welt geoutsourct. Es hat sich nichts geändert.


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 04, 2019, 09:50:55 AM
Quote

*    Mehrere Studien zeigen, wie schädlich das Insektizid Chlorpyrifos sein kann. Bisher ist es in der EU aber nicht verboten. Es wird vor allem bei Zitrusfrüchten häufig eingesetzt.

*    Hierzulande ist es nicht zugelassen, Dänemark prüft inzwischen sogar ein totales Importverbot von mit Chlorpyrifos belasteten Produkten.

*    Deutschland will sich bei der EU-Kommission für ein Verbot des Insektizids einsetzen. Zitrusstaaten wie Spanien, Griechenland, Italien und Portugal könnten dagegen stimmen.


Das Mittel ist in Deutschland nicht zugelassen und hätte Experten zufolge niemals auf den Markt gelangen dürfen. Seine Rückstände befinden sich auf Orangen, Bananen, Paprika oder Reis. Der Stoff soll Insekten töten, eine gute Ernte garantieren, er ist beliebt bei Gemüsebauern und Zitrusfarmern. Chlorpyrifos zählt zu den am meisten genutzten Insektiziden der Welt. Allein im Jahr 2017 fanden Kontrolleure bei Sonderkontrollen in Deutschland in mehr als jeder dritten untersuchten importierten Grapefruit und Orange und jeder vierten Mandarine Rückstände. Und auch bei jeder fünften Pfefferprobe.

Schon vor acht Jahren kamen Wissenschaftler in einer Langzeitstudie aus Kalifornien zu dem Ergebnis, dass das Pflanzenschutzmittel die Entwicklung des kindlichen Gehirns im Mutterleib schädigen kann. Die Höchstwerte wurden EU-weit heruntergesetzt, verboten wurde Chlorpyrifos nicht. Dieses Mal aber könnte es anders ausgehen. Am fünften und sechsten Dezember will die Europäische Kommission über die Zukunft von Chlorpyrifos entscheiden.

Informationen der Süddeutschen Zeitung, des Bayerischen Rundfunks, Le Monde und dem Investigative Reporting Denmark zufolge wird sich Deutschland bei der Abstimmung der EU-Kommission für ein Verbot des Insektizids einsetzen. Zitrusstaaten wie Spanien, Griechenland, Italien und Portugal könnten dagegen stimmen, dort wird Chlorpyrifos anders als in Deutschland zuhauf eingesetzt. Für ein europaweites Verbot müssen sich mindestens 65 Prozent aussprechen, also 15 Mitgliedstaaten.

Die Experten der Europäischen Lebensmittelüberwachungsbehörde Efsa kamen jüngst auf Anfrage der EU-Kommission zu einer vernichtenden Bewertung des Pflanzenschutzmittels. Chlorpyrifos erfülle die nötigen Sicherheitsbestimmungen nicht - aufgrund der möglichen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Das amerikanische Unternehmen Corteva, das im Juni aus der Fusion von Dow, dem Erfinder des Produkts, und Dupont entstand, traf sich noch im Januar einem internen Papier zufolge mit Vertretern der Europäischen Kommission und teilte den Beamten mit, man sei der Meinung, die Regulierung von Chlorpyrifos solle nicht auf Grundlage des öffentlichen Drucks erfolgen, der von Aktivisten ausgelöst werde, sondern auf der Grundlage solider Beweise. Auf Anfrage teilt der Hersteller Corteva mit, kein Wirkstoff sei gründlicher untersucht worden als Chlorpyrifos. Man sei grundsätzlich nicht mit den Schlussfolgerungen der Efsa einverstanden.

Niemand kann sagen, wie groß der Schaden ist, den das Insektizid schon angerichtet hat. Aber die Studienergebnisse sind besorgniserregend: Wissenschaftlern zufolge lässt es Rattenhirne schrumpfen, es soll den Intelligenzquotienten von Kindern herabsenken und Aufmerksamkeitsstörungen verursachen. Auch konnte es im Urin von Landwirten nachgewiesen werden. Schon die kleinste Dosis kann sich auf das Gehirn auswirken. Zu diesem Schluss kam ein Expertenteam des schwedischen Karolinska Institutet, der Stockholm Universität und der Harvard School of Public Health vor etwa zwei Jahren.

Der Wissenschaftler Axel Mie, der in Schweden zu Pestiziden und deren Auswirkungen auf das Gehirn forscht, machte im Herbst 2017 einen spektakulären Fund. Axel Mie war im Internet auf einen Artikel zu Chlorpyrifos gestoßen, der ihm rätselhaft vorkam. Es handelte sich um eine Publikation zu einer industriefinanzierten Studie, die vor mehr als einem Jahrzehnt für die Zulassung des Pflanzenschutzmittels auf europäischer Ebene eingereicht worden war. Mie fand in einer Tabelle Hinweise darauf, dass sich das Mittel nicht nur, wie bisher bekannt, in höheren, sondern bereits in einer kleinen Dosis auf das Gehirn auswirken kann. Er dachte: "Das kann doch nicht wahr sein, dieser Effekt auf das Gehirn?"

Er schrieb eine Mail an die schwedische Überwachungsbehörde und bat um die Rohdaten der Studie. Er berief sich auf das Informationsfreiheitsgesetz, das es Bürgern ermöglicht, Akten einzusehen, die von öffentlichem Interesse sind. Kurze Zeit später bekam Axel Mie Post, das Dossier umfasste Hunderte Seiten. Der Wissenschaftler fand, was er vermutet hatte. "Die Daten zeigten, dass schon bei der kleinsten Menge Chlorpyrifos Hinweise vorliegen, dass das Gehirn verändert ist", sagt Axel Mie. "Da wusste ich, das ist ein heißes Ding."

Dieser gefährliche Effekt nämlich taucht im Fazit der Herstellerstudie nicht auf. Er blieb unentdeckt, als die zuständige spanische Behörde im Jahr 2006 die Zulassung genehmigte. Offenbar hatte man keinen Blick in die Rohdaten geworfen und sich auf die industriefinanzierten Ausführungen verlassen. Auf eine Anfrage von SZ und BR reagierte die Behörde nicht. Auch der Hersteller Corteva will oder kann den Widerspruch nicht erklären.

Der Wissenschaftler Mie sendete seine Datenfunde über die veränderten Rattengehirne im Herbst 2017 an die europaweite Überwachungsbehörde Efsa. Seine Ergebnisse, die er später im Journal Environmental Health publizierte, flossen in die Sicherheitsbeurteilung der Efsa über Chlorpyrifos ein. Die Ergebnisse der Rattenversuche seien bedenklich, heißt es in dem Statement der Europäischen Überwachungsbehörde, ebenso wie die möglichen neurologischen Auswirkungen bei Kindern. Corteva teilt auf Anfrage mit, Behörden in den USA und Australien würden andere Schlussfolgerungen ziehen.

"Chlorpyrifos hätte niemals zugelassen werden dürfen", sagt Harald Ebner, der für die Grünen im Bundestag und im Agrarausschuss sitzt. Es könne nicht sein, dass der Hersteller selbst das Studiendesign erarbeite, bestimme, wer die Studie durchführt und dann das Ergebnis an Behörden übermittele. "Es müsste eine unabhängige Stelle geben, welche die Studien vergibt", sagt Ebner. "Der Fehler hätte bereits bei der Erstzulassung erkannt werden müssen. Die spanische Behörde hat die Zusammenfassung kritiklos übernommen."

Interne Papiere zeigen nun, wie Corteva versucht, das Verbot des Pflanzenschutzmittels zu verhindern. In einem Brief an europäische Zulassungsbehörden streitet der Hersteller ab, dass Chlorpyrifos neurotoxisch wirke und das Gehirn von Mensch und Tier beeinflusse.

Auch der europäische Lobbyverband Copa-Cogeca reagiert nervös. In einem Schreiben an die Europäische Kommission, das der SZ vorliegt, heißt es, man habe "leider bis heute keine vergleichbar effizienten Alternativen", um Pflanzenschutz zu gewährleisten. Man bitte darum, Chlorpyrifos verwenden zu dürfen, bis eine adäquate Alternative gefunden sei. Andernfalls befürchte man signifikante Ernteeinbußen. Auf eine Anfrage reagierte der Verband nicht.

Aber selbst, wenn Chlorpyrifos in der Europäischen Union verboten sein sollte, werden weiterhin Zitrusfrüchte und Gemüse aus anderen Teilen der Welt importiert werden. Helfen würde ein totales Importverbot, wie es Dänemark derzeit erwägt. Das Bundeslandwirtschaftsministerium schreibt auf Anfrage, man wolle sich dafür einsetzen, die erlaubten Höchstwerte abzusenken.




Aus: "Landwirtschaft: Reich an Vitamin C - und Gift" Katrin Langhans (2. Dezember 2019)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/insektizid-chlorpyrifos-eu-verbot-1.4705018 (https://www.sueddeutsche.de/politik/insektizid-chlorpyrifos-eu-verbot-1.4705018)

Chlorpyrifos ist ein Insektizid, das von Dow Chemical Mitte der 1960er-Jahre eingeführt wurde.
https://de.wikipedia.org/wiki/Chlorpyrifos (https://de.wikipedia.org/wiki/Chlorpyrifos)
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 04, 2019, 10:00:42 AM
Quote[...] Der Bauernhof von Thomas Wyssa sieht aus wie eine Fabrik. Eine große, dunkelgraue Halle, davor steht ein Lastwagen mit der Aufschrift: "Für Ihre Gesundheit. Pour votre santé". In der Halle waschen, rüsten, portionieren ein paar Frauen und Männer Hunderte von Lauchstängel, die die Erntehelfer am Vormittag auf den Feldern von Galmiz im Freiburger Seeland geerntet haben. Die wurzligen Strünke und die struppigen Enden der Stängel lassen sie auf ein Förderband fallen.

Ein paar Schritte daneben steht ein Container, daran hängen Warnhinweise und ein Rauchverbotsschild. Bauer Wyssa klaubt einen Schlüssel hervor, schließt die Tür auf und zeigt die Töpfe, Säcke und Flaschen, die sich auf Regalen türmen: Cargon, Cuprofix, Chlorothalonil.

Für Thomas Wyssa heißen diese Präparate Pflanzenschutzmittel, und sie sind für ihn unverzichtbar. Ohne sie könne er seine 24 Gemüsesorten, die Zwiebeln und den Pak Choi, die Auberginen und die Salate nicht so produzieren, wie das von ihm verlangt werde, sagt er. Makellos und pünktlich, zuverlässig und günstig. "Eine Schnecke oder eine Laus im Salat, und ich muss die ganze Lieferung zurücknehmen!", sagt Wyssa. "Ich könnte den hohen Qualitätsansprüchen nicht gerecht werden ohne die Pflanzenschutzmittel."

Für die Grünen, die Biobauern und viele Konsumentinnen heißen die Präparate, die Bauer Wyssa in seinem Container lagert, Pestizide. Sie sind eine riesige Bedrohung für die Umwelt. Sie sind schuld am Insektensterben, eine Gefahr für das Trinkwasser und gehören verboten. Eines von ihnen sofort: Chlorothalonil.

Seit diesem Sommer ist bekannt, dass in zehn Prozent der Schweizer Trinkwasserversorgungen zu viele Metaboliten, also Abbaustoffe, dieses Pestizids vorkommen. Der Grenzwert war gesenkt worden, nachdem eine EU-Studie Chlorothalonil als krebserregend eingestuft hatte. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Abbaustoffe das Erbgut verändern.

In der Schweiz wird Chlorothalonil seit den Siebzigerjahren vor allem im Gemüse- und Weizenanbau oft und gerne gegen Pilzerkrankungen verwendet. 2018 wurden 36,9 Tonnen verspritzt. Im Vergleich zu anderen Präparaten sei das Mittel relativ günstig, sagt Bauer Wyssa: "Wir haben damit die Kosten im Griff."

In der EU ist Chlorothalonil seit Ende April verboten. Mitte Juni versprach der Schweizer Landwirtschaftsminister Guy Parmelin in der TV-Sendung 10 vor 10, Chlorothalonil auch hierzulande zu verbieten. Und zwar bis Oktober. Doch sein Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) hat dem Pestizid die Zulassung bis heute nicht entzogen.

Thomas Wyssa arbeitet seit Jahren mit Chlorothalonil, zum Beispiel in den Zwiebelkulturen. Während der 120 bis 150 Tage zwischen Aussaat und Ernte müsse er, wenn es feucht und warm sei, einmal pro Woche spritzen, um die Setzlinge vor falschem Mehltau zu schützen. Um Resistenzen zu verhindern, wechselt er nach ein paar Anwendungen das Präparat, bevor er wieder Chlorothalonil spritzt.

Wie immer, wenn Thomas Wyssa seine Pestizide vorbereitet, zieht er sich einen weißen Ganzkörperschutzanzug und eine Gesichtsmaske an. Er mischt im Tank das verdünnte Chlorothalonil an und koppelt die Pflanzenschutzspritze an seinen Traktor. Auf diese Weise kann er zwölf Beetreihen gleichzeitig behandeln. Bevor er auf die Felder fährt, zieht er den Schutzanzug wieder aus. "Sonst heißt es im Dorf: ›Thomas, gosch go giftle!‹"

Der 57-jährige Wyssa gehört mit seinen 22 Hektaren Anbaufläche zu den mittelgroßen Gemüseproduzenten in der Schweiz. Die Setzlinge importiert er zu Hunderttausenden aus den Niederlanden und Deutschland. In der Hochsaison arbeiten bis zu 50 Personen bei ihm, viele von ihnen kommen aus Portugal. Für seine Arbeit erhält er Direktzahlungen vom Bund, die rund 0,8 Prozent seines Umsatzes entsprechen. Etwa gleich viel Geld gibt er jährlich für Pfanzenschutzmittel aus.

Wyssa sitzt auch im Vorstand des nationalen Gemüseverbandes. In Galmiz führt er als Gemeindepräsident die Geschicke des Dorfes und steht der lokalen SVP vor. Als Thomas Wyssa zur Schule ging, wurde der elterliche Hof biologisch bewirtschaftet. "Der Vater blieb aber auf der Ware sitzen, die Nachfrage war nicht da." Seither wächst das Gemüse der Familie Wyssa wieder nach konventionellen Kriterien. So wie das meiste Gemüse hier im Seeland, der Schweizer Gemüsekammer.

Gut die Hälfte des in der Schweiz verkauften Gemüses wird im Inland produziert. Der Bioanteil hat sich in den vergangenen vier Jahren von acht auf zwölf Prozent erhöht. Für Bauer Wyssa ist das zu wenig, um umzusteigen und damit auf Pestizide zu verzichten. Die Sache mit dem Chloratholanil behagt aber auch ihm nicht. "Es ist nicht schön, was mit dem Trinkwasser passiert. Die Diskussionen sind gerechtfertigt. Mühsam finde ich, dass wir Landwirte die Sündenböcke sind." Er orientiere sich an der offiziellen Liste des Bundesamtes für Landwirtschaft und wende nichts an, was er nicht dürfe.

Roger Siegenthaler präsidiert den Verband der Solothurner Einwohnergemeinden. Er vertritt all jene Organisationen, die dafür verantwortlich sind, dass in jedem Haus einwandfreies Trinkwasser aus dem Hahn fließt. "Es ist doch verrückt: Wir müssen einen Stoff aus dem Trinkwasser kriegen, der weiterhin erlaubt ist!"

In seinem Kanton wurden im vergangenen Sommer bei mindestens zwölf der 100 Wasserversorgungen zu hohe Chlorothalonil-Werte festgestellt. Der höchste Wert wurde bei einer Quelle im Bucheggberg gemessen: 1,4 Mikrogramm pro Liter. Der Grenzwert liegt bei 0,1 Mikrogramm. Das Wasser dieser Quelle darf seither nicht mehr als Trinkwasser genutzt werden.

Insgesamt sind im Kanton Solothurn 150.000 Menschen betroffen, das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung. In bestimmten Regionen, etwa dem Gäu und dem Wasseramt, liege eine "nahezu flächendeckende Belastung des Grundwassers mit dem Abbauprodukt Chlorothalonil-Sulfonsäure" vor. Das schreibt der Solothurner Regierungsrat am Dienstag in seiner Antwort auf eine Interpellation aus dem Kantonsrat. In der ganzen Schweiz wurden in den vergangenen Monaten etliche Quellen vom Netz genommen und belastetes Wasser verdünnt. Auch im Berner Seeland und im Kanton Solothurn. Aber das funktioniert nicht immer: "Mit der gegenwärtigen Infrastruktur", schreibt die Solothurner Regierung, "kann nicht überall wo nötig das belastete Wasser mit unbelastetem gemischt werden."

Siegenthalers Ärger richtet sich nicht gegen die Bauern, sondern vielmehr gegen das BLW in Bern. "Inzwischen hat doch der Hinterste und Letzte begriffen, dass es ein sofortiges Verbot braucht!", sagt er. Ein solches Verbot fordern auch der Verband aller Kantonschemiker und die kantonalen Gesundheitsdirektoren. Zusätzlich verlangen sie "ein schweizweites sofortiges Verkaufs-, Aufbrauchs- und Verwendungsverbot", damit der Stoff nicht wie üblich während einer Übergangsfrist noch gespritzt werden darf. Der Schweizer Bauernverband rät seinen Mitgliedern, freiwillig auf das Pestizid zu verzichten. Fenaco, der größte Lieferant von landwirtschaftlichen Chemikalien, hat die chloratholanilhaltigen Mittel aus dem Sortiment genommen, bis die Zulassung geklärt ist.

Aber Guy Parmelin und seine Beamten lassen sich Zeit. Im August erhielten die Kantone eine Verfügung des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen, das zum Innendepartement von SP-Bundesrat Alain Berset gehört. "Darin steht, dass wir das Problem innerhalb von zwei Jahren im Griff haben müssen", sagt Siegenthaler. Ein großes Bauprojekt könnte die Lösung sein: Wasser aus der Aare oder von Juraquellen über kilometerlange, neue Leitungen dorthin führen, wo Grundwasserströme mit Chlorothalonil belastet sind. Damit das Wasser eines Tages in jeder Gemeinde von zwei hydrologisch unabhängigen Quellen stammt. "Dafür braucht es Millionen Franken und viel Zeit!", sagt Siegenthaler. "Wir erwarten, dass uns der Bund im großen Stil finanziell unterstützt. Auch brauchen wir ein beschleunigtes Planverfahren, damit Einsprachen die Sache nicht verzögern können."

All das steht in einem Brief, den er im Namen seiner 109 Gemeinden vor zwei Wochen ins Bundeshaus nach Bern geschickt hat. Der Brief ist inzwischen eingetroffen. Genauso wie die vielen Forderungen nach einem sofortigen Verbot. Passiert ist bisher nichts.

Beim Bundesamt für Landwirtschaft ist Olivier Felix, der Leiter des Fachbereichs nachhaltiger Pflanzenschutz, für das Dossier verantwortlich. "Wir sind daran, ein Verbot von Chlorothalonil zu prüfen. Das Rückzugsverfahren ist eingeleitet." Dieses könne sich aber hinziehen, weil jeder Bewilligungsinhaber seine Sicht darlegen könne und beispielsweise neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Giftigkeit der Abbauprodukte von Chlorothalonil einreichen könne. "Diese Informationen sind inzwischen bei uns eingetroffen. Nun werden sie geprüft."

Ist es also nur noch eine Formsache, bis das Pestizid vom Markt ist? Vermutlich nicht. Die 24 Unternehmen, die in der Schweiz chlorothalonilhaltige Pestizide anbieten, darunter die Agromultis Syngenta und Bayer, haben dank einer Gesetzeslücke die Möglichkeit, den Entscheid anzufechten. Wenn sie wollen, bis vor das Bundesgericht.

Bauer Wyssa wird im nächsten Frühling, wenn er wieder Zwiebeln auspflanzt, kein Chlorothalonil auf seine Felder sprühen. Auch wenn er noch Vorräte in seinem Container stehen hat. Er will aus der Liste der 3368 zugelassenen Pestizide ein anderes wählen, das vor Mehltau schützt. "Als Gemüsegärtner muss ich nicht nur Manager und Ökonom, Händler und Werbefachmann sein", sagt er, "sondern auch Chemielaborant."


Aus: "Trinkwasser in der Schweiz: "Das ist doch verrückt!"" Sarah Jäggi (2. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/2019/49/trinkwasser-schweiz-chlorothanoil-verschmutzung-pestizid-bundesrat/komplettansicht (https://www.zeit.de/2019/49/trinkwasser-schweiz-chlorothanoil-verschmutzung-pestizid-bundesrat/komplettansicht)

QuoteeinfacheLösungen #6

Das Problem sind ja nicht die 3368 Pestizide. Das Problem sind die inzwischen von der Realität vollkommen abgekoppelten Konsumenten, die eine Schnecke im Salat, eine Macke auf einem Apfel oder eine Delle auf der Birne als 'unnatürlich' ablehnen.

Als Hobby-Gärtner mit 3 Kindern, 4 Apfelbäumen, 2 Kirschen, Pflaumen, Mirabellen und vielen anderen schmackhaften und vollkommen ungespritzten Bio-Früchten staune ich immer wieder, daß meine 3 Pubertiere lieber Ware aus dem Supermarkt essen.
Aber da gibts dann eben auch nie mal eine Made, eine Macke oder Unregelmäßigkeiten.

Macht mich auch etwas ratlos, aber der Bauer ist eigentlich nur das letzte Glied in der Kette.


QuoteKMG #3

Ich komme zwar nicht aus der Schweiz, aber auch aus einem Gebiet wo quasi bei den Nachbarn ein - in der Vergangenheit erlaubter - Stoff im Wasser Probleme verursachte. Kann das ganze also sehr nachvollziehen. Es wäre halt einfach einmal nötig uns klarzumachen ob die Gesundheit Vorrang hat (und sei es nur bei Zweifel ob bestimmte Stoffe gesundheitsgefährdend sind oder nicht) oder der Profit. Ansonsten wird hier nie etwas passieren. ...


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 04, 2019, 10:19:14 AM
Quote[...] BERLIN taz | Die Deutsche Umwelthilfe klagt nach dem Dieselskandal jetzt auch gegen die Belastung des Grundwassers mit Nitrat zum Beispiel aus Gülle. Die Organisation zog am Mittwoch gegen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vor das Oberverwaltungsgericht Lüneburg, weil sie gegen die Wasserrahmenrichtlinie verstoßen hätten. Diese EU-Vorschrift fordert, dass sich alle Gewässer in einem guten ökologischen und chemischen Zustand befinden.

Doch im Ems-Gebiet der beiden Bundesländer werde der Nitrat-Grenzwert von 50 Milligramm pro Liter im Grundwasser an vielen Messstellen überschritten, teilte die Umwelthilfe mit. Die Organisation will die Behörden nun durch die Klage zu Maßnahmen zwingen, um den Grenzwert einzuhalten. Die Länder könnten zum Beispiel die Regeln gegen Überdüngung konsequenter durchsetzen.

Potenziell gesundheitsschädliches Nitrat aus Stickstoffdüngern belastet Grundwasser, aus dem das meiste Trinkwasser gewonnen wird. In der Umwelt trägt zu viel Dünger zum Aussterben von Pflanzen- und Tierarten sowie zum Klimawandel bei.

,,21 der insgesamt 40 Grundwasserkörper beziehungsweise zwei Drittel der Gesamtfläche der Flussgebietseinheit Ems auf deutschem Gebiet befinden sich in einem schlechten chemischen Zustand", so die Umwelthilfe. Hauptgrund dafür sei, dass die Bauern im Schnitt mehr mit Stickstoff düngten, als die Pflanzen aufnehmen könnten (siehe taz-Faktencheck: https://taz.de/Umweltbelastung-durch-Duenger/!5635932/ (https://taz.de/Umweltbelastung-durch-Duenger/!5635932/)). So entsorgen sie die Gülle, die etwa in Schweineställen anfällt. Die Umweltschützer kalkulieren, dass Niedersachsen 200.000 Hektar größer sein müsste, um die Massen an Exkrementen und Gärresten aus Bioagasanlagen ,,bedarfsgerecht auf die Felder auszubringen".

,,Die Wurzel allen Übels ist die auf intensive Landwirtschaft ausgerichtete Agrarpolitik", sagte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe. Den Wasserversorgern falle es immer schwerer, die Trinkwasserqualität zu erhalten, was am Ende die Verbraucher über die Wasserrechnung bezahlten. ,,Das ist die Folge jahrelangen Versagens der Bundes-, aber auch der Landesregierungen. Die Gülle steht uns bis zum Hals."

,,Wir brauchen einen fairen Umbau der Tierhaltung in Deutschland", verlangte Olaf Bandt, Vorsitzender des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Klage unterstützt. Dabei sollten ,,gute Einkommen" der Bauern sichergestellt werden. Dazu müsse der Deutsche Bauernverband seine Blockade gegen eine Umverteilung der EU-Agrarsubventionen aufgeben.

Konkret sprechen sich die beiden Umweltverbände dafür aus, dass nur noch höchstens zwei Großvieheinheiten pro Hektar gehalten werden dürfen. Das entspricht zum Beispiel 2 Milchkühen, 13 Mastschweinen oder 640 Legehennen. Dadurch würde automatisch genügend Fläche zur Verfügung stehen, um die Exkremente umweltgerecht zu entsorgen. Außerdem wollen die Umweltschützer, dass der Staat Biobauern besser fördert, da deren Höfe in der Regel eine bessere Stickstoffbilanz haben.

Die Verbände berufen sich in ihrer Klage unter anderem darauf, dass der Europäische Gerichtshof Deutschland bereits verurteilt hat, weil es seit Jahren die Nitrat-Richtlinie verletze. Weil die EU-Kommission wieder mit einer Strafzahlung gedroht hat, verschärft die Bundesregierung derzeit die Düngeverordnung von 2017. Unter anderem dagegen haben bereits mehrfach tausende Bauern demonstriert, weil sie finanzielle Verluste befürchten. Anfang Oktober entschied der Gerichtshof, dass es ein ,,Recht auf sauberes Wasser" gebe, das auch von Privatpersonen eingeklagt werden könne.

Vorbild für die Klage sind die Prozesse der Umwelthilfe wegen der zu hohen Stickoxid-Belastung der Luft in mehreren Städten. Damit erreichte die Organisation zum Beispiel Fahrverbote für besonders dreckige Dieselautos in bestimmten Straßen.

,,Die Klage der Umwelthilfe stößt bei mir auf absolutes Unverständnis", sagte Nordrhein-Westfalens Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU). Dadurch könnten Maßnahmen zur Senkung der Nitratwerte sogar ausgebremst werden. Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) teilte mit: ,,Wir haben ein Problem mit Nitratbelastung, aber wir handeln längst". Er werde die Klage ,,sorgfältig bewerten".


Aus: "Umwelthilfe klagt wegen Nitrat" Jost Maurin (20. 11. 2019)
Quelle: https://taz.de/Ueberduengung-belastet-Wasser/!5640059/ (https://taz.de/Ueberduengung-belastet-Wasser/!5640059/)

QuoteRainer B.
20. Nov, 16:11

Die Erfahrungen der vergangenen Jahre zeigen leider, dass beim Abbau von Umweltbelastungen auf Behörden praktisch überhaupt kein Verlass ist. Ohne Druck läuft da gewöhnlich gar nichts. Ich erinnere nur an die ,,Deponie Münchehagen", in der viele Jahre lang unter den Augen und mit Wissen der Behörden hochgiftige Abfälle einfach so am Waldrand verbuddelt wurden. Ohne ein energisches Eingreifen der Bürger würden da heute noch Tag und Nacht LKWs hochbrisante Giftstoffe in die Landschaft kippen. Es wurden später Dioxin-Werte dort gemessen, die so hoch wie sonst nirgends auf der Welt sind. Das ist heute der wohl giftigste Ort der Welt. Ein trauriger Weltrekord.

Die Nitratbelastung des Grundwassers durch Gülle/Dünger etc. ist auch so eine tickende Zeitbombe, die ohne ein beherztes Eingreifen der Bürgerschaft zu explodieren droht. Die Klage ist ein erster, überfälliger Schritt, dem sicher noch viele weitere folgen müssen.

Die Sonderabfalldeponie Münchehagen ist eine frühere Deponie für gefährliche Abfälle in Niedersachsen, die sich südlich des Rehburger Ortsteils Münchehagen befindet. ... Als etwa 1979 im benachbarten Wald Rinde von den Bäumen fiel, kam es 1980 zur Gründung einer Bürgerinitiative und zu Protesten. Bundesweit in die Schlagzeilen geriet die Deponie im Jahr 1983, als darin 41 aus Seveso verschwundene Dioxin-Fässer vermutet wurden. Daraufhin blockierten Angehörige der Bürgerinitiative die Deponiezufahrt. 1985 wurde auf dem Münchehagener Deponiegelände in einer Wasserprobe die bis dahin weltweit höchste Konzentration an Dioxin festgestellt. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Sonderabfalldeponie_M%C3%BCnchehagen (https://de.wikipedia.org/wiki/Sonderabfalldeponie_M%C3%BCnchehagen)

https://umweltgruppewiedensahldotde.wordpress.com/2016/06/10/kritik-am-umgang-mit-der-giftmuelldeponie-muenchehagen/ (https://umweltgruppewiedensahldotde.wordpress.com/2016/06/10/kritik-am-umgang-mit-der-giftmuelldeponie-muenchehagen/)

https://greenfairplanet.net/2012/07/01/35-jahre-giftmuelldeponie-muenchehagen/ (https://greenfairplanet.net/2012/07/01/35-jahre-giftmuelldeponie-muenchehagen/)


QuoteBauer aus Schwaben, 20. Nov, 23:09

@Rainer B. Der Vergleich von Nitrat mit Dioxin ist ähnlich dem eines Brotmessers mit einer Atombombe.


QuoteRainer B.
21. Nov, 16:23

@Bauer aus Schwaben

Ich vergleiche hier doch gar nicht Nitrat mit Dioxin, sondern weise auf den wenig vertrauenerweckenden Umgang von Behörden mit Umweltbelastungen allgemein hin. Die Langzeitfolgen von Nitrat im Grundwasser lassen sich derzeit noch gar nicht abschließend beurteilen, dürften aber alles andere als harmlos sein. Auch schleichendes Gift tötet - nur langsamer.


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 04, 2019, 01:19:31 PM
Quote[...] Indien Delhis Luft ist in katastrophalem Ausmaß verpestet. Krebs, Herzinfarkte und Asthma greifen um sich  ... Die reale Gefahr, wie sie für die Gesundheit der rund 30 Millionen Bewohner Delhis und der umliegenden National Capital Region (NCR) bestand – und weiter besteht –, lässt sich messen. Der World Air Quality Index veröffentlicht seit 2007 in Echtzeit die Werte aller weltweit angeschlossenen Messstationen. Für Delhi und Umgebung sind es 37. Gemessen werden Schadstoffe wie Feinstaub, Ozon, Schwefel- und Stickstoffdioxid, nach Gefährlichkeit für die menschliche Gesundheit kategorisiert und in sechs farblich symbolisierten Stufen abgebildet. Werte zwischen null und 50 (grün) sind unbedenklich, bis 100 (gelb) akzeptabel, bis 150 (orange) gefährlich für Risikogruppen, bis 200 (rot) gefährlich für alle und bis 300 (violett) sehr gefährlich. Werte über 300 (dunkelviolett) werden international als Alarmstufe bewertet. Indien hat seinen Alarmwert auf 500 plus hinaufgeschoben und damit so etwas wie eine ,,Zusatzkategorie 7" für sich geschaffen. ...


Aus: "Grund zur Panik" Ursula Dunckern (Ausgabe 48/2019 )
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/grund-zur-panik (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/grund-zur-panik)

---


"Glyphosat: Monsanto finanzierte auch in Deutschland verdeckt Studien" (5. Dezember 2019)
Bekannt ist, dass Expertisen zum Nutzen von Glyphosat in den USA von dessen Hersteller mitfinanziert wurden. Offenbar gilt dies auch für einen deutschen Wissenschaftler.
... Im Einzelnen geht es zunächst um eine Studie aus dem Jahr 2011. Wie sowohl der Sender als auch Lobbycontrol und die Süddeutsche Zeitung berichten, kommt Schmitz darin mit anderen Wissenschaftlern zu eindeutigen Ergebnissen: Würde man in Deutschland auf den Einsatz von Glyphosat verzichten, drohe ein "Wohlstandsverlust" in Milliardenhöhe. Die zweite betroffene Studie stammt aus dem Jahr 2015 und befasst sich laut den Recherchen mit den ökologischen Folgen des Mitteleinsatzes. Kein Problem, resümieren Schmitz und seine Kollegen darin: Glyphosat schone den Ackerboden und senke den CO2-Ausstoß.
Den Medienberichten zufolge entstand letztere Studie an einem "Institut für Agribusiness", das Schmitz Anfang der Neunzigerjahre mit Landwirtschaftspolitikern und Lobbyisten aus der Agrar-, Saatgut- oder Pflanzenschutzindustrie gegründet haben soll. Vorgestellt und auch veröffentlicht wurden die Ergebnisse aber mit Verweis auf die Alma Mater des Professors, auch wenn die Justus-Liebig-Universität Gießen mit dieser privaten Auftragsarbeit nichts zu tun hatte.
Nachzulesen waren beide Glyphosat-Studien im Journal für Kulturpflanzen, dem Fachjournal der Bundesforschungsstelle des Julius-Kühn-Instituts, sowie in der Glyphosat-Information der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft und in der Literaturliste des Bundestages. Verwendet wurde der Text auch im Zuge des Zulassungsverfahrens von Glyphosat in der EU, wie die Süddeutsche schreibt.
Nach Informationen des gesamten Lobbyverbunds nutzte auch der Bayer-Konzern, zu dem das US-Unternehmen Monsanto inzwischen gehört, bis zuletzt eine der Studien von Schmitz für seine Öffentlichkeitsarbeit. Auf seiner weltweiten Info-Seite zu Glyphosat tauchte sie bis vor wenigen Tagen als ganz normale Informationsquelle auf. Inzwischen wurde sie dort gelöscht. ...
https://www.zeit.de/wissen/gesundheit/2019-12/glyphosat-monsanto-finanzierung-studien-usa-hersteller

QuoteHKraemer #39

Mit solch fachlicher Expertise werden letztlich auch Gesetze gemacht oder politische Entscheidungen begründet.


QuoteKunigunde53 #11

"Monsanto finanzierte auch in Deutschland verdeckt Studien"
Jetzt ist der unvoreingenommene Leser genau so überrascht wie die meisten investigativen Journalisten. Damit hätte man nun wirklich nicht rechnen können.
Am Ende kommt vielleicht noch heraus, dass die so finanzierten Untersuchungen nicht zu 100% objektiv waren, denn wer solche "Studien" in Auftrag gibt und finanziert, möchte vielleicht auch auf die Ergebnisse Einfluss nehmen. Was es alles gibt.


Quote
Quer- und Weiterdenker #12

Moral ist für Monsanto ein Fremdwort, genauso wie für die bezahlten Schreiberlinge die Forschungsethik ein Fremdwort ist.


QuoteStetschkin #14

In Russland nennt man sowas Korruption.


QuoteRitzer der Kukusnuß #16

Monsanto finanzierte auch in Deutschland verdeckt Studien///

Ich kann mich noch erinnern, es ist ja noch gar nicht solange her, das dieses hier im Forum als VT markiert wurde.


Quote
Kai Ne-Ahnung #24

"Monsanto finanzierte auch in Deutschland verdeckt Studien"

Der Teufel stellt in der Hölle Heizer ein. Welch ein Überraschung, hätte ja niemand angenommen, Man hat ja gedacht Monsanto macht das überall auf der Welt, nur natürlich in Deutschland nicht. Weil wir so toll sind oder so, keine Ahnung.


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 11, 2019, 09:59:23 AM
Quote[...] Aus der Vogelperspektive sieht Runit Island zunächst nach einem Paradies aus: Türkisfarbenes Meer, der Sand so weiß, dass einem die Augen brennen. Doch das spärlich bewachsene Eiland – eine von 40 Inseln des Eniwetok-Atolls, das zum pazifischen Inselstaat der Marshallinseln gehört – beherbergt auch eine untertassenförmige Betonstruktur mit etwa hundert Metern Durchmesser.

In diesem ,,Bunker" lagern die USA seit Ende der 1970er Jahre Atommüll. Insgesamt befinden sich auf Runit Island 85 000 Kubikmeter nuklearen Abfalls, darunter Plutonium-239, eine der giftigsten Substanzen der Erde. Der Müll liegt direkt auf dem Boden der Insel, abgedeckt mit einem 50 Zentimeter dicken Betondeckel. Doch nun drohen nukleare Abfälle in den Pazifik zu fließen.

Der Nuklearabfall ist ein Überbleibsel der amerikanischen Atombombentests, die nach dem Zweiten Weltkrieg große Teile von insgesamt über 1200 Inseln im Pazifik verseuchten. Insgesamt 67 Atombomben warfen die USA zwischen 1946 und 1958 in der Pazifikregion ab. Am 1. März 1954 etwa detonierten die Amerikaner einen thermonuklearen Sprengkopf über dem Bikini-Atoll.

Die Explosion der Wasserstoffbombe setzte eine Energie von 15 Megatonnen frei – mehr als das Tausendfache der Atombombe von Hiroshima. Es war die größte Atomwaffe, die die USA jemals eingesetzt haben. Die Explosion hinterließ einen 80 Meter tiefen Krater. Eine ganze Generation sah sich mit den Folgen der radioaktiven Strahlung – Krebserkrankungen, Tumore, Fehlgeburten und Missbildungen – konfrontiert.

,,Es war nur eine Frage von zwei oder drei Jahren, bis Frauen auf der Insel begannen, Dinge zu gebären, die weniger menschlich waren", erzählte eine einheimische Frau Jahrzehnte später Diplomaten. Geburtsfehler sind auf den Inseln so häufig, dass die Menschen viele Wörter haben, um sie zu beschreiben, darunter Marlins, Teufel, Quallenkinder und Traubenbabys.

Etliche verloren ihre Heimat, mussten umsiedeln. Bis heute sind viele Inselbewohner auf amerikanische Importe angewiesen. Sie mussten ihre traditionelle Ernährung mit Fisch und lokalen Produkten wie Kokosnüssen umstellen, weil die nach wie vor zu verseucht für den Verzehr sind.

Inzwischen sind zwar einige der Inseln wieder bewohnbar, doch nun bringt der Klimawandel Probleme mit sich, mit denen vor 70 Jahren noch niemand rechnete. Denn durch den steigenden Meeresspiegel drohen tiefliegende Inseln wie Runit Island überschwemmt zu werden. In einem Bericht der ,,Los Angeles Times" heißt es, der steigende Meeresspiegel lasse die Betonkuppel inzwischen aufbrechen. Nukleare Abfälle drohten in den Pazifik zu fließen.

Bereits vor zwei Jahren hatte eine Dokumentation des australischen Senders ABC Risse in der Betonschale offenbart, und auch ein Bericht des US-amerikanischen Energieministeriums wies 2013 auf die Problematik hin. Schon damals warnte der Klimaaktivist Alson Kelen vor einem ,,verheerenden Ereignis", sollten die Lecks größer werden. ,,Wir sprechen dabei nicht nur über die Marshallinseln, sondern den gesamten Pazifik."

Obwohl die Situation inzwischen dringlich ist, wollen die USA laut der ,,Los Angeles Times" keine Verantwortung mehr für die Betonstruktur übernehmen. ,,Wie können wir für sie verantwortlich sein?", fragte Hilda Heine, die Präsidentin der Republik der Marshallinseln, im Gespräch mit der US-Zeitung. ,,Wir wollen sie nicht. Wir haben sie nicht gebaut. Der Müll drinnen gehört uns nicht."

,,Es ist schwer vorstellbar, dass die USA ihre Aktionen als ausreichend betrachten würden, wenn die Rollen vertauscht wären", wird Alex Wellerstein, Nuklearhistoriker am Stevens Institute of Technology in New Jersey, in mehreren US-Medien zitiert. Es sei eine Farce, dass die reichen USA nicht den politischen Willen finden könnten, einer kleinen, armen Nation, die viel für die nationale Sicherheit der USA geopfert habe, in dieser Situation zu helfen.

Zumindest eine Aktion zahlten die Amerikaner laut eines weiteres Berichts der ,,Los Angeles Times" letztlich dann aber doch. Sie ließen ein Graffiti entfernen, das Einheimische in großen Buchstaben auf die Betonoberfläche gesprüht hatten: ,,Nuklearmüll. Eigentum der US-Regierung. Bitte an den Absender zurückschicken."


Aus: "Betonbunker im Pazifik bricht auf - Atommüll droht, den Ozean zu verseuchen" Barbara Barkhausen (11.12.2019)
Quelle: https://www.fr.de/politik/betonbunker-pazifik-bricht-atommuell-droht-ozean-verseuchen-13277030.html (https://www.fr.de/politik/betonbunker-pazifik-bricht-atommuell-droht-ozean-verseuchen-13277030.html)

"U.S. won't clean up Marshall Islands nuclear waste dome but wants it free of anti-U.S. graffiti" Susanne Rust (11/2019)
This summer, U.S. Secretary of State Michael R. Pompeo announced that the United States intends to extend the compact. Negotiations are just beginning. ...
https://www.latimes.com/environment/story/2019-11-14/marshall-islands-runit-nuclear-waste-dome-site-graffiti
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 11, 2019, 10:56:44 AM
Teutschenthal ist eine Gemeinde im Saalekreis in Sachsen-Anhalt, weithin sichtbar mit ihrer Kalihalde und bekannt für die Motocross-Strecke. ... Im Jahr 2010 wurde durch das Landesamt für Geologie und Bergwesen bekannt, dass die Betreiberfirma, die Grube Teutschenthal Sicherungs GmbH (GTS), in diesen Hohlräumen Giftstoffe eingelagert hatte. Die Gesamtmenge dieser aus Verbrennungsanlagen stammenden ,,hochgiftigen und illegal eingelagerten Filterstäube" wird auf 11.000 Tonnen geschätzt. Nach Bekanntwerden dieser Praxis forderte die Leitung der Betreiberfirma gegenüber der sachsen-anhaltischen Landesregierung, dass ,,sich der Steuerzahler an den Kosten" für die künftige Überprüfung der ,,Abfallströme" beteiligen solle. Die Firma GTS, eine Tochter der Geiger Unternehmensgruppe, ist weiterhin mit dem Betrieb der Grube betraut. ... (20. November 2019)
https://de.wikipedia.org/wiki/Teutschenthal (https://de.wikipedia.org/wiki/Teutschenthal)

-

"Nach Grubenunglück in Teutschenthal: Bürgerinitiative wehrt sich gegen weitere Einlagerung von Gefahrstoffen" 14. November 2019 | Politik
https://hallespektrum.de/nachrichten/politik/nach-grubenunglueck-in-teutschenthal-buergerinitiative-wehrt-sich-gegen-weitere-einlagerung-von-gefahrstoffen/360527/

-

Quote[...] Ein altes Bergwerk aus DDR-Zeiten ist jetzt eine Mülldeponie. Die Anwohner leiden unter Gestank und Gesundheitsproblemen

... Das ,,Tor zur Hölle", von dem Carola Obereigner spricht, ist im Stadtteil ,,Teutschenthal Bahnhof", fünf Autominuten von Angersdorf. Bis zu 900 Tonnen hochgiftiger Lkw-Ladungen kommen hier täglich an, um ,,für immer und ewig" unter Tage zu verrotten, wie es der Grubentechnologe der GTS gegenüber einem MDR-Team formulierte.

,,Die Region ist geologisch instabil", warnt Michael Braungart von der Universität Lüneburg, Geschäftsführer der Environmental Protection Encouragement Agency (EPEA) in Hamburg. Er verweist auf das Atommüll-Lager Asse, in das Wasser eindrang. ,,Selbst wenn man den Giftmüll in Fässer füllen würde, wäre die Frage, wie lange diese Fässer halten."

Das ist der Langzeitaspekt. Was Menschen wie Carola Obereigner aber vor allem wütend macht, ist ihre Wahrnehmung der Gegenwart. ,,Dass es in Angersdorf zu bestimmten Zeiten und bei bestimmten Witterungsbedingungen stinkt, kann man nicht wegdiskutieren", sagt auch Schaar vom LAGB. Denn Teutschenthal Bahnhof ist ,,wettereinziehend", wie es im Bergmann-Jargon heißt, Angersdorf hingegen ,,wetterausblasend". Hier, am anderen Ende des Schachts, tritt der Gestank des unter Tage gebrachten Giftmülls über die abgeleitete Grubenluft, aus. Bis vor Kurzem haben auch die Menschen rund ums ,,Höllentor" unter dem Geruch gelitten. Der Grund war ein Freilager für Industrieabfälle auf dem GTS-Gelände. Zwar war das Unternehmen bereits vor 15 Jahren von offizieller Seite zum Bau einer Lagerhalle aufgefordert worden, um immissionsrechtliche Bestimmungen einzuhalten; dem ist es aber nie nachgekommen. Weshalb das so lange toleriert wurde, dazu schweigt das LAGB und will Untersuchungen des Wirtschaftsministeriums abwarten. Auf eine Anfrage des Freitag reagierte die GTS nicht.

Dank einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ist das Freilager seit August Geschichte. Den Angersdorfern ist damit nicht geholfen. Auf dem Weg hinunter von der Halde trifft man auf einen Mann, der in seiner Kleingartenparzelle werkelt. Vor allem am Wochenende fühle er sich vom Gestank belästigt, sagt er. Dann verbrächten seine Frau und er die meiste Zeit im Garten, in direkter Nachbarschaft zum Schachtausgang des Grubenfelds.

Obereigner kennt das. Die gebürtige Hallenserin ist 1996 hierhergezogen: Ruhe, ein schöner Garten, für ihr Haus habe sie damals ,,ordentlich Schulden gemacht". Heute sei es wegen des Gestanks kaum noch etwas wert. Im April 2018 nahm sie ihn zum ersten Mal wahr. Erst hatte sie den Landwirt in Verdacht. Dann wurde sie skeptisch: ,,Wieso sollte der Bauer drei Tage hintereinander Gülle ausbringen? Vor allem, wenn gar kein Regen angesagt ist?" Dass die Luft gerade seit vorigem Jahr so schlecht ist, erklärt das LAGB mit drei Abfallflüssigkeiten, die in Teutschenthal Bahnhof über längere Zeit verfüllt worden seien und vom Amt als geruchsauslösend identifiziert wurden. Obereigner, die sich selbst als ,,hyperaktiv" beschreibt, kommt fortan morgens nicht mehr aus dem Bett, die Klamotten im Schrank stinken nach Giftgrube, ihre dunkelroten Haare fallen aus. Die Augen schmerzen, brennen, ,,als würde jemand von hinten ein Nagelkissen in den Augapfel stechen". Sie geht zur Ärztin. Der Haarausfall sei ein Anzeichen für eine Vergiftung, bekommt sie dort zu hören. ,,Aber wo soll ich mich bitte schön vergiftet haben?" Sie raucht E-Zigarette, ja, ,,aber nicht so schlimm, dass ich mir Schwermetalle ins Blut gerammelt habe".

Das von ihr selbst bezahlte toxikologische Gutachten ergibt, ihr Selenhaushalt sei zu niedrig. Als möglichen Grund nennt das Schriftstück, das sie vorzeigt, die Aufnahme von Quecksilber, Arsen und Thallium. ,,Bestandteil meiner Küche ist so was nicht", sagt sie, ,,des Mülls da drüben aber schon." Das LAGB bestreitet, dass die Menschen in Angersdorf vergiftet werden. Es beruft sich auf eine Analyse der Umwelttoxikologin Heidi Foth, in der ,,keine Zusammenhänge zwischen den geruchsaktiven Stoffen und toxikologischen Endpunkten eines Gesundheitsschadens" festgestellt werden. Obereigner beklagt, das Gutachten beziehe sich allein auf Datenmaterial, das von der GTS erhoben wurde. Auch der Hinweis des LAGB, die von ihm als geruchsauslösend identifizierten Abfälle würden mittlerweile nicht mehr verfüllt, verfängt bei ihr nicht. Es stinkt ja immer noch!

Einer von Obereigners Mitstreitern in der Bürgerinitiative ist Eberhard Rothe. Er war früher selbst im Bergbau tätig. Vom Dachgeschoss seines Hauses blickt man auf das Fördergerüst am Schachtausgang. An das Erdbeben damals erinnert er sich gut, ,,da hat's tüchtig gewackelt". Schon deshalb hat hier keiner etwas gegen den Versatzbergbau zur Sicherung der Grube. Aber muss sie ausgerechnet durch Industrieabfälle stabilisiert werden? In der Nähe seines Hauses gibt es eine Salzhalde, aufgehäufte Rückstände aus Zeiten der Kaliproduktion. Deren Material könne problemlos zur Sicherung der Grube verwendet werden, meint Rothe.

Politische Unterstützung für diesen Vorschlag kommt nicht einmal von den Grünen. ,,Ob das problemlos geht, da bin ich mir nicht sicher", sagt Wolfgang Aldag, umweltpolitischer Sprecher der Grünen-Landtagsfraktion, ,,das wäre auf jeden Fall teuer." Der Wissenschaftler Braungart hingegen glaubt, dadurch könnten sogar Erdbeben eher verhindert werden, weil das Salz ,,eine ganz andere Dichte" als der verfüllte Abfall aufweise.

Die Bürgerinitiative lässt nicht locker, sie trägt ihren Protest etwa nach Magdeburg, vor den Landtag – mit Schildern, auf denen Sprüche wie ,,Frische Luft statt Giftmüllduft" stehen. Der Erste, der aus dem Landtag zu ihnen eilt, ist der parlamentarische Geschäftsführer der AfD, Robert Farle. Er sagt: ,,Es kann doch nicht sein, dass eine einzige Firma eine ganze Umgebung mit Gift versorgt!" Mit progressiver Umweltpolitik hat Farle sonst nicht viel am Hut, redet gern vom ,,CO₂-Schwindel".

Den meisten der Protestierenden ist sein Parteibuch egal. Klar, das sei ein ,,zweiseitiges Schwert", meint einer, aber am Ende ginge es um die ,,Interessen der Bürger". Sie kennen keine Parteien mehr, sie kennen nur noch Giftmüllgestank. Die AfD weiß das zu nutzen.

Später steigt Sachsen-Anhalts SPD-Landeswirtschaftsminister Armin Willingmann aus seiner Limousine. Er war schon öfters inkognito in Teutschenthal, um sich ein Bild zu machen, Carola Obereigner rechnet ihm das hoch an. Doch das Geschäftsmodell der GTS stellt der Minister nicht grundsätzlich in Frage. Es sei es eine ,,notwendige Sicherheitsmaßnahme" für das ehemalige Bergwerk, die Verfüllung ungiftiger Stoffe eine rein ,,theoretische" Lösung. Damit die Menschen unter der ,,Zivilisationsfolge" Giftmüll nicht mehr leiden, sei der Bau eines Kamins geplant, der die Abwetter in großer Höhe herauspustet.

Eine ,,weitere Veralberung", findet Carola Obereigner. Es bräuchte eine Filteranlage, sonst lande weiterhin alles in der Biosphäre. Dann halt nur weiter oben.


Aus: "Nase zu in Teutschenthal" Dorian Baganz (Ausgabe 46/2019 )
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/nase-zu-in-teutschenthal (https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/nase-zu-in-teutschenthal)

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 17, 2019, 09:58:01 AM
Quote[...] 2020 wird eine aktualisierte Rote Liste der bedrohten Brutvögel herauskommen, in der sie nach Gefährdungsstatus neu eingeteilt werden. Die aktuell gültige Liste wurde im Jahr 2016 veröffentlicht und berücksichtigt Daten aus Beobachtungsstudien, die bis 2009 reichen. Sie zeigt: Vielen bei uns heimischen Vogelarten geht es nicht gut. Fast die Hälfte wird als gefährdet eingestuft. Und auch unter vielen anderen geht der Bestand zurück.

Vergleicht man Zahlen aus dem Jahr 1990 mit heutigen, nimmt der Bestand jeder dritten Vogelart ab. Bei den Agrarlandarten, die Weiden, Wiesen und Felder bewohnen, sind es einer Analyse der Deutschen Ornithologischen Gesellschaft zufolge sogar fast 70 Prozent. Vielen Menschen bleibt das Vogelsterben jedoch verborgen: Denn die oft sichtbaren Stadtvögel sind vom Rückgang kaum betroffen. Amsel und Buchfink sind mit jeweils mehr als acht Millionen Brutpaaren mit Abstand die häufigsten Vögel hierzulande.

Die auf dem Boden brütenden Vögel der Agrarlandschaft sind am stärksten in Gefahr. Nach Angaben des Bundesamts für Naturschutz aus dem Jahr 2017 ging die Zahl der auf Feldern, Äckern und Wiesen brütenden Vögel in Europa zwischen 1980 und 2010 um ganze 300 Millionen Paare zurück.*

Dieser Abwärtstrend hat sich zuletzt für einige Arten sogar noch beschleunigt. Schaut man sich den Rückgang in Deutschland an, so haben etwa Rebhuhn (Perdix perdix) und Kiebitz (Vanellus vanellus), die früher häufig im Kulturland zu finden waren, im Vergleich zu den Neunzigerjahren etwa 90 Prozent ihres Bestandes eingebüßt. Der früher als "Spatz der Wiese" bekannte Wiesenpieper verlor drei Viertel und das Braunkehlchen weit mehr als die Hälfte seiner Brutpaare.

Vor allem Hobbyornithologen beteiligen sich an Zählungen. Im Rahmen sogenannter Citizen-Science-Projekte tragen sie Vogelsichtungen zusammen, etwa auf dem Onlineportal ornitho.de. Um Brutvögel nicht zu stören, werden dabei selten Nester gesucht, stattdessen wird der Gesang eines Männchens im Frühjahr als besetztes Revier bewertet. Auch Vögel, die nur Zwischenrast einlegen oder in Deutschland überwintern, werden erfasst. Koordiniert und statistisch aufbereitet werden diese Zählprogramme vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA). Alle sechs Jahre müssen die EU-Staaten der Kommission einen Bericht zum Zustand ihrer Vogelwelt abgeben.

Zweimal im Jahr ruft zudem die Umweltorganisation Nabu zur größten Citizen-Science-Aktion des Landes auf: Zur Stunde der Gartenvögel im Mai und zur Stunde der Wintervögel im Januar. Das nächste Mal sind am zweiten Januarwochenende alle Bundesbürger aufgerufen, an einem Tag für genau eine Stunde im Garten, im Park, vom Balkon oder Fenster aus Vögel zu bestimmen und zu zählen (Wie es genau geht, erklärt das Video oben).

... Der massenhafte Einsatz von Pestiziden, von Dünger und die starke Landnutzung sind die Hauptursache für den Rückgang der Arten, was auch eine neue Analyse der Deutschen Ornithologen-Gesellschaft bestätigt. 2.500 Forschende forderten kürzlich in einem Brandbrief an das EU-Parlament eine ökologische Wende. Es gebe einen "einhelligen wissenschaftlichen Konsens" darüber, dass der Verlust der Artenvielfalt maßgeblich auf die landwirtschaftliche Praxis zurückzuführen sei.

Und auch der Klimawandel mit seinen Folgen für bestimmte Landschaften trägt zum Rückgang der Vögel bei. Einer vom Bundesamt für Naturschutz erstellten Analyse zufolge sind zwei Drittel aller Lebensraumtypen – vom Moor bis zum Trockenrasen – gefährdet. Kein Wunder also, dass etwa Moorenten (Aythya nyroca) oder diverse Regenpfeifer, die in solchen Biotopen brüten, weit oben auf der Roten Liste stehen.

Dieselben Gifte, die Bienen schädigen, können Zugvögel vom Weg abbringen, wie Forscherinnen und Forscher erst kürzlich berichteten. (Science: Eng et al., 2019). Sie hatten die Wirkung der sogenannten Neonikotinoide auf Zugvögel untersucht – Substanzen in Pflanzenschutzmitteln, die auf Bienen ähnlich wirken wie Nikotin auf Menschen, die Insekten abhängig machen und deren Nerven schädigen. Heraus kam, dass die Insektengifte das Orientierungsvermögen der Zugvögel beeinträchtigten und auch als Appetitzügler wirken. Das ist für die Vögel besonders fatal, weil sie während der Zugpausen einen starken Fressdrang haben (Hyperphagie). Dieser stellt sicher, dass sie ausreichend Fettreserven für die weite Reise anlegen.

Britische Forscher haben eine Verringerung der Insekten- und Samennahrung für Feldvögel wie Rebhuhn und Grauammer durch Herbizide nachgewiesen (Ibis: Boatman et al., 2004). Besonders der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat wird weltweit seit Jahrzehnten in Massen eingesetzt und hat nach Einschätzung von Fachleuten direkte wie indirekte Auswirkungen auf die Artenvielfalt. Das Bundesamt für Naturschutz plädiert auch deshalb für einen schnellen Ausstieg und ein sofortiges Einsatzverbot in Schutzgebieten. Da Glyphosat als Breitbandherbizid auch alle Ackerwildkräuter abtötet, schadet es den Nahrungsnetzen von Agrarvögeln und anderen Tieren.

Der Rückgang an Insekten ist eine zusätzliche Bedrohung. Alle Singvogelarten, auch solche, die als ausgewachsene Vögel pflanzliche Nahrung fressen, brauchen zur Jungenaufzucht Larven und Insekten. Lebenslange Insektenfresser verzeichnen einen besonders starken Rückgang. Mit dem Rotkopfwürger (Lanius senator) ist sogar eine auf Großinsekten spezialisierte Art in Deutschland komplett ausgestorben.

Wie enorm der Insektenbedarf sein kann, zeigt das Beispiel der Großtrappe (Otis tarda): Ein einziges Küken benötigt in den ersten Lebenswochen 1.000 Großinsekten pro Tag. Sind nur kleine Insekten verfügbar, können es 5.000 oder 6.000 werden. Alle Vögel weltweit (The Science of Nature: Nyffeler et al., 2018) benötigen pro Jahr zusammen zwischen zwei und 20 Billiarden Insekten, was einer Biomasse von 400 bis 500 Millionen Tonnen entspricht. Damit vertilgt die Vogelwelt in etwa so viel an Insekten wie die ganze Menschheit an Fleisch und Fisch.

Früher selten oder gar nicht bei uns vorkommende südliche Arten wie Bienenfresser und Orpheusspötter breiten sich seit einigen Jahren stark nach Norden aus. Manche Zugvögel, die früher im Winter wegzogen, bleiben wegen des milderen Klimas länger oder ganz in Deutschland. Kraniche etwa finden auf den kaum noch dauerhaft gefrorenen Feldern jetzt auch im Winter Nahrung. Langfristig aber sind auch sie vom Klimawandel bedroht, denn wärmere Sommer trocknen Feuchtgebiete aus, in denen die Vögel ihr Nest raubtiersicher im Wasser bauen und Nahrung finden. Ein noch größeres Problem: Der Klimawandel wirbelt den eng getakteten Jahreskalender der Vögel durcheinander.

Der Frühling in Europa beginnt eher und damit die Entwicklung von Pflanzen und Insekten. Kommen Zugvögel wie der Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) aus Afrika zurück, ist der Höhepunkt des Nahrungsangebots an Raupen überschritten, den Küken bleibt kaum Nahrung und schlimmstenfalls verhungern sie, was zu Bestandseinbrüchen bis zu 90 Prozent führen kann (Nature: Both et al. 2006). Viele Arten kommen ein bis zwei Wochen früher aus dem Süden zurück als noch vor 50 Jahren. Ob sie den Wettlauf mit dem Klimawandel gewinnen können, ist fraglich, denn er geht auf Kosten der Fitness und damit der Fähigkeit, Nachwuchs großzuziehen (Current Biology: Lameris et.al, 2018).

Viele der bei uns brütenden Vogelarten wie der Kuckuck (Cuculus canorus), die Gartengrasmücke (Sylvia borin) oder die Rauchschwalbe (Hirundo rustica) sind Zugvögel, die den Winter im nahrungsreicheren Afrika verbringen. Auf dem Weg sind sie illegaler Verfolgung durch Vogelfänger ausgesetzt. Einer Studie zufolge (BirdLife, 2017) sterben so allein im Mittelmeerraum in jedem Herbst bis zu 37 Millionen Vögel.

Noch gravierender: die anhaltende Zerstörung natürlicher Überwinterungslebensräume für europäische Brutvögel. Die meisten der hierzulande brütenden Zugvogelarten verbringen den Winter in der Sahelzone südlich der Sahara. Dort gehen einer Studie zufolge (Brink& Eva, 2009) jährlich mehr als fünf Millionen Hektar Lebensraum und damit Nahrungsraum für unsere Singvögel verloren. Aber auch hierzulande lauern Gefahren: So verunglücken Schätzungen der staatlichen Vogelschutzwarten zufolge 100 bis 115 Millionen Vögel pro Jahr an Glasflächen.

Bisher wurden in Deutschland mehr als 160 Vogelarten als Opfer von Windrädern nachgewiesen. In der Schlagopferdatei sind mehr als 4.000 Einzelfälle aufgeführt – vom Mauersegler (Apus apus) bis zum Gänsegeier (Gyps fulvus). Eine bestandsgefährdende Gefahr sind Windräder aber vor allem für seltenere Vogelarten, die in der Nähe von Windparks brüten, weniger für Zugvögel, die meist in großer Höhe ziehen. Die bislang größte systematische Untersuchung zu Kollisionsrisiken an Windrädern, die Progressstudie, kommt zu dem Ergebnis, dass für Rotmilan (Milvus milvus) und Mäusebussard (Buteo buteo) Kollisionen mit Windrädern wahrscheinlich eine Gefahr für den Bestand sind.

An der Meerenge von Gibraltar, einer der wichtigsten Vogelzugrouten nach Afrika, wirken Windräder wie Barrieren. Wie eine aktuelle Studie (Journal of Animal Ecology: Marques et. al. 2019) zeigt, meiden die Vögel die Windkraftanlagen selbst dann, wenn sie in ihrer Nähe eigentlich die besten Bedingungen zum Gleiten gehabt hätten, was zu kräftezehrenden und teils lebensbedrohlichen Umwegen führt.

Das Cornell Lab for Ornithology gibt sieben Tipps für Vogelschutz, die jede und jeder umsetzen kann:

    * Fensterscheiben in Haus oder Wohnung für Vögel sichtbar machen
    * Katzen im Haus halten
    * Einheimischen Pflanzen im Garten Vorrang vor Exoten geben
    * Keine Pestizide verwenden
    * Kaffee aus ökologischem und fairem Handel trinken (Kaffeeplantagen sind wichtige Lebensräume für Vögel)
    * Weitestgehend auf Plastik verzichten
    * Vögel beobachten und die dabei gewonnenen Daten der Wissenschaft zur Verfügung stellen

Und Biologen raten dazu, Vögel zu füttern, und zwar nicht nur im Winter. Damit hilft man zwar keinen seltenen und im Bestand bedrohten Arten, tut aber, besonders mit Kindern, etwas für die Verbundenheit mit der Natur. Und das kann sogar glücklich machen, wie Wissenschaftlerinnen herausfanden.

Gibt es Hoffnung?

Ja, denn Vogelbestände können sich rasch erholen, wenn die Ursachen für ihren Rückgang beseitigt werden. Das Insektizid DDT hat Anfang der Sechzigerjahre Wanderfalke, Uhu und andere fast ausgerottet, weil es die Eierschalen brüchig werden ließ. Die US-Wissenschaftlerin Rachel Carson machte die Welt damals in ihrem aufrüttelnden Buch Der stumme Frühling darauf aufmerksam. Seit dem Verbot der Chemikalie erleben diese Arten einen ungeahnten Höhenflug. Noch ein Beispiel: Das weitgehende europaweite Jagdverbot auf Greifvögel durch die EU-Vogelschutzrichtlinie vor 40 Jahren hat Schwarzstorch, Habicht und Seeadler zu einem enormen Aufschwung verholfen. Auch für das aktuelle Vogelsterben kennen wir die Gründe. Es wäre also noch zu stoppen. Aber nur, wenn jetzt gehandelt wird.

*Korrekturhinweis: Diese Zahl bezieht sich auf ganz Europa, was zunächst nicht deutlich wurde. Die Stelle wurde korrigiert.



Aus: "Das Sterben vom Lande" Thomas Krumenacker und Dagny Lüdemann (16. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/2019-12/voegel-deutschland-vogelsterben-artensterben-naturschutz-landwirtschaft/komplettansicht (https://www.zeit.de/wissen/2019-12/voegel-deutschland-vogelsterben-artensterben-naturschutz-landwirtschaft/komplettansicht)

https://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Umwelt/Insektensterben-Ursachen-und-Folgen_article1572509698.html (https://www.proplanta.de/Agrar-Nachrichten/Umwelt/Insektensterben-Ursachen-und-Folgen_article1572509698.html)

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 19, 2019, 11:36:28 PM
Quote[...] Es ist das Jahr sieben nach dem Beginn der Krise, aber zur Informationsveranstaltung in einer Mehrzweckhalle in Baden-Baden strömen immer noch über 200 Bürgerinnen und Bürger. Sie wollen wissen, was mit ihrem Trinkwasser ist und ob sie den Spargel und die Erdbeeren von den Feldern hier im Umland tatsächlich weiter essen können.

Konzentriert folgen sie den Fachvorträgen über lang- und kurzkettige per- und polyfluorierte Chemikalien, kurz PFC. Diese Fluorchemikalien sind es, die das Grundwasser einer ganzen Region gefährden und damit Landwirte und Konsumenten vor drängende Fragen stellen: Was, wenn das Grundwasser nicht mehr ohne Filter trinkbar ist, die Ernte auf Jahre ausfallen könnte?

,,Hat das Land genug getan?", fragen die Bürger an diesem Abend die Experten. ,,Ist es wirklich gerecht, dass für eine Filteranlage, die die Giftstoffe zurückhält, der Wasserpreis in Baden-Baden steigt? Und was ist eigentlich mit dem Verursacher dieser Umweltkatastrophe, von der eine breite Öffentlichkeit bisher noch nicht einmal Kenntnis genommen hat?

Es muss wohl Anfang der 2000er Jahre gewesen sein, als der Kompostunternehmer Franz Vogel aus Bühl Bauern in der Region Papierschlämme, gemischt mit Kompost, als Düngemittel anbot – kostenlos. In der Region gibt es viele Papierfabriken, der Schlamm fällt bei der Produktion an. Viele Papiere werden mit PFC behandelt, um sie schmutz- und fettabweisend zu machen.

Es lässt sich wohl nicht mehr lückenlos nachweisen, woher Vogel Papierabfälle für seinen Kompost bezogen hat. Sicher ist: Allein zwischen 2006 bis 2008 hat Vogel 106.000 Tonnen Papierschlämme angenommen und an Bauern in der Rheinebene abgegeben, die sie auf ihre Felder ausbrachten. Die meisten dieser Flächen weisen heute PFC-Belastungen auf.

Bislang hat man die Chemikalien auf 877 Hektar Boden gefunden. Das entspricht einer Fläche mehr als vier mal so groß wie das Fürstentum Monaco. Nach Schätzung der Rastatter Wasserwerke sind mindestens 130 Millionen Kubikmeter Grundwasser verseucht. Mindestens 150 Landwirte sind in irgendeiner Form von der PFC-Belastung betroffen.

Die Rolle der Papierfabriken und diverser Zwischenhändler im PFC-Skandal ist juristisch nach wie vor ungeklärt. Vogel selbst bestreitet, dass seine Papierschlamm-Kompostmischungen für die Verunreinigung in der Rheinebene verantwortlich seien. Im Januar 2017 wurde ein Strafverfahren gegen ihn eingestellt. Die Staatsanwaltschaft hatte nur wegen minder schwerer Umweltdelikte ermittelt, auch deshalb sind mögliche frühere Taten verjährt. Das Verwaltungsgericht geht hingegen davon aus, dass die Papierschlämme mit PFC belastet waren und für die Bodenbelastung verantwortlich sind.

Dabei sind per- und polyfluorierte Chemikalien eigentlich eine praktische Sache. Sie sind wasser-, fett- und schmutzabweisend. Man findet sie in Feuerlöschschäumen, Teflonpfannen, Outdoorbekleidung, Backpapier und Make-up-Produkten. Bisher gibt es weder eine Kennzeichnungspflicht für PFC noch bundesweite Höchstwerte. Und das, obwohl die Moleküle bisher ungehindert in die Umwelt gelangen und sich dort immer weiter anreichern. Man findet sie in Trinkwasser und Fisch, aber auch in Innereien, Milchprodukten oder pflanzlichen Lebensmitteln.

Nur für Trinkwasser gibt es verschiedene sogenannte Leitwerte, die die kommunalen Wasserversorger bei Verdacht auf PFCs untersuchen müssen. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat Ende 2018 immerhin ,,neue gesundheitsbezogene Richtwerte" für die beiden bekanntesten PFC-Verbindungen, PFOA und PFOS, veröffentlicht und die wöchentliche Menge in Lebensmitteln, die als gesundheitlich unbedenklich gilt, drastisch gesenkt.

PFC stehen im Verdacht, für den Menschen krebserregend zu sein. Die Stoffe nehmen auch Einfluss auf das Immun- und Hormonsystem. Die Universität Padua untersuchte in der Region Venetien, einer der vier am stärksten mit PFC belasteten Regionen weltweit, die Wirkung der Chemikalien auf den Hormonhaushalt. Dabei wiesen die Wissenschaftler unter anderem eine schlechtere Spermienqualität, verringertes Hodenvolumen und eine reduzierte Penislänge nach.

In den letzten Jahren wurden auch in Deutschland immer wieder neue PFC-Belastungen entdeckt. Die Wasserwerke Rastatt haben im Oktober eine bundesweite PFC-Schadenskarte erstellen lassen, die rund 250 Fälle zeigt. Nirgends ist die Kontamination stärker als in Mittelbaden.

Der belastete Boden, 877 Hektar groß, nahe dem Rhein, das ist nur ein vorläufiger Wert. ,,Ein Ende ist immer noch nicht in Sicht", sagt Reiner Söhl­mann im Landratsamt Rastatt. Einen Umweltskandal dieser Dimension kann man nicht beseitigen, man kann nur versuchen, ihn zu managen. Bei Söhlmann im Landratsamt von Rastatt laufen die Fäden in Sachen PFC zusammen. 2015 wurde hier im Zentrum des Gebiets eine PFC-Geschäftsstelle eingerichtet, einer Art Kompetenzzentrum, das mittlerweile bundesweit Anerkennung findet. Damit Landwirtschaft in der Region überhaupt noch möglich ist, haben das Landratsamt und das Regierungspräsidium Konzepte entwickelt. Es werden Bodenproben entnommen, Filter für das Grundwasser getestet und Ackerfrüchte vor der Ernte auf ihren PFC-Gehalt untersucht.

So auch Erdbeeren, Himbeeren und Spargel bei Landwirt Joachim Huber. Huber hat einen Hof in Iffezheim bei Baden-Baden. Der Ort ist vor allem wegen seiner Pferderennen bekannt. Hubers Hofladen hat in der Region einen guten Ruf zu verlieren. Außerdem betreibt er seit ein paar Jahren in der Saison auch noch ein Restaurant auf seinem Hof. Der PFC-Skandal ist nicht gut für sein ohnehin schon hartes Geschäft. ,,Das Wichtigste ist, dass in unseren Produkten nie etwas gefunden wurde", sagt Huber. Am Computer in seinem Büro plant er die kommende Erntesaison.

Seit auf seinen Äckern PFC gefunden wurde, muss er an der Fruchtfolge auf seinen Böden lange tüfteln. Belastete Äcker braucht er nicht ganz brachliegen lassen. In Freiland- und Laborversuchen hat man in den letzten Jahren herausgefunden, dass etwa Mais kaum PFC aufnimmt. In Weizen und im Pollen von Raps lagern sich PFC dagegen stark ab und gelangen auf diese Weise in Nahrungsmittel.

Huber hat keinen Kompost von Vogel angenommen, er fand das kostenlose Angebot damals schon suspekt. Aber er hat mit einem der Bauern, die wohl die belasteten Schlämme genutzt haben, Land getauscht. Jetzt hat er den Schlamassel. ,,Mir bleibt nichts, als das Problem auszusitzen, wir können ja hier nicht weg." Einmal im Jahr bekommt Huber nun Besuch vom Regierungspräsidium Karlsruhe, das ihm das aktuelle Managementkonzept für seine PFC-Flächen erläutert.

Wenn es nur der Boden wäre. Aber Joachim Huber weiß heute schon, dass seinen Hof über das Grundwasser wohl zusätzliche PFC-Schadstoffe erreichen werden. Kommen sie eines Tages in Iffezheim an, wird er wohl teure Filter einbauen müssen. Für die Beregnung ganzer Weizenfelder wird das zu teuer. Er kann dann nur noch Früchte anbauen, die er mit sparsameren Techniken bewässern kann. Huber sagt mit fatalistischem Unterton: ,,Mit diesem Problem wird sich auch noch mein Sohn herumschlagen, wenn er den Hof übernommen hat."

Die Sache mit dem Grundwasser war es, die Ulrich Schumann und Andreas Adam zu PFC-Experten hat werden lassen. Die beiden Männer stehen im idyllischen Park des Schlosses Favorite nahe Rastatt. Von hier aus kann man das Wasserwerk Kuppenheim sehen. Der Kulturhistoriker Schumann und der Jurist Adam wissen seit Sommer 2013, dass das Grundwasser hier mit PFC verseucht ist. Die Stadt hat damals pflichtschuldig im Anzeigenblatt die Bürger darüber informiert. Mehr geschah erst mal nicht. Deshalb gründeten die beiden eine Bürgerinitiative und verteilten Flugblätter über die Belastung des Grundwassers für all jene, die das Amtsblatt nicht lesen. Mittlerweile ist nach Angaben der Initiative das Kuppenheimer Trinkwasser so belastet, dass es für Säuglinge und Kleinkinder nicht mehr trinkbar sei. Die Bürgerini­tiative hat auch die ersten Blutproben in der Bevölkerung auf eigene Kosten organisiert.

Damals hat man ihnen Panikmache vorgeworfen, inzwischen hat das Landessozialministerium selbst eine groß angelegte Blutuntersuchung organisiert, die die Belastung in der Region zeigt und nun alle zwei Jahre wiederholt werden soll. Dabei wurden bei einem Landwirt nahe Baden-Baden an die tausend Mikrogramm PFOA pro Liter Blut festgestellt. Die allgemeine Grundbelastung der Bevölkerung liegt bei 6 Mikrogramm, die Werte, die das Umweltbundesamt für unbedenklich hält, liegen noch darunter.

Jetzt müssen die Trinkwasserversorger der Region die PFC-Spuren kostenintensiv herausfiltern. Die Stadtwerke Baden-Baden haben dafür eine Niederdruckumkehrosmoseanlage für über 4 Millionen Euro eingebaut, die Rastatter Wasserwerke haben sich für Aktivkohlefilter entschieden, die Kosten liegen hier bislang bei 6 Millionen Euro. Kosten, die auf den Verbraucher umgelegt werden.

Aus Sicht von Adam und Schumann wird von der Politik zu wenig getan, um die PFC aus der Natur herauszuhalten. Eine großflächige Sanierung des verunreinigten Grundwassers und der belasteten Böden, die sie sich wünschen würden, ist nach aktuellem Kenntnisstand nicht zu machen. Insgesamt hat das Land aber bereits mehr als 8 Millionen Euro in die Erfassung des Schadens, in Forschungsvorhaben und Managementansätze gesteckt.

Doch kann es tatsächlich sein, dass Bürger und Verwaltung Millionenschäden schultern müssen und die mutmaßlichen Verursacher davonkommen? Fragt man beim Verband der Papierindustrie nach, was sie tut, um Verunreinigungen wie die bei Baden-Baden künftig zu verhindern, stößt man auf ohrenbetäubendes Schweigen. Mit dem Hinweis auf laufende juristische Verfahren verweigert deren Sprecher, Gregor Geiger, jede Stellungnahme. Auch deshalb wissen Behörden bis heute nicht, welche PFC in den Papierschlämmen enthalten waren, wonach sie also gezielt suchen könnten. Unklar bleibt deshalb auch, ob anderswo in Deutschland belastete Schlämme in den Kompost geraten sind. Der ehemalige Nabu-Chef und heutige Staatssekretär im baden-württembergischen Landesumweltministerium, Andre Baummann, sprach deshalb schon vor Jahren von einem hektargroßen ,,trojanischen Pferd", das die Papierindustrie hinterlassen habe.

Wie groß das trojanische Pferd mit Namen PFC aber tatsächlich ist, das weiß nicht einmal das Umweltbundesamt. Die Behörde hat trotz bundesweiter Abfrage nur PFC-Daten aus sechs Bundesländern vorliegen. Was wohl nicht bedeutet, dass die anderen Länder keine Belastung haben, sondern eher, dass dort nicht untersucht wurde. Der Rastatter Landrat Toni Huber vermutet in den fehlenden Regionen eine Vogel-Strauß-Politik: ,,Das will keiner gern wissen. Aber wenn die mal zu suchen anfangen, dann werden die wahrscheinlich ganz schön überrascht sein", sagt er.

Um endlich einen Überblick über das Ausmaß der Belastung zu bekommen, ist das Bundesumweltministerium (BMU) dabei, eine bundesweite Untersuchung von Äckern, Wiesen und gegebenenfalls auch Wäldern auf PFC-Verbindungen zu finanzieren. Ein Verbot ist jedoch nicht einfach umzusetzen, sagt Thomas Straßburger vom BMU: ,,Es ist ein bisschen wie das Hase-und-Igel-Spiel. Die Regulierung über die europäische Chemikalienverordnung ist ein mühsamer Prozess." Vor allem aber ist es frustrierend. ,,Kaum ist die Verwendung einer bestimmten Verbindung eingeschränkt, hat die Industrie bereits neue PFC entwickelt, über die man im Zweifelsfall noch weniger weiß."

Immerhin testen Flughäfen inzwischen PFC-freie Löschschäume, Unternehmen wie Vaude und Jack Wolfskin verzichten auf PFC in ihrer Outdoorkleidung, und L'Oréal hat einige der PFC aus der Kosmetikproduktion gestrichen. Für eine EU-weite Vermeidung hat sich unter anderem auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) ausgesprochen. Bislang sind jedoch nur zwei der Stoffe, nämlich PFOA und PFOS, weltweit verboten.

Eine PFC-Verbindung alle zehn Jahre? Geht die Regulierung der rund 5.000 bekannten Verbindungen in dieser Geschwindigkeit weiter, lässt sich leicht ausrechnen, wie viele Tausend Jahre es bräuchte, um die Gefahr verseuchter Grundwässer zu stoppen.


Aus: "Verseuchter Ackerboden - Leben mit dem Gift"  Ein Artikel von Patricia Klatt und Benno Stieber (19.12.2019)
Quelle: https://taz.de/Verseuchter-Ackerboden/!5647265/ (https://taz.de/Verseuchter-Ackerboden/!5647265/)

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 23, 2019, 11:54:36 AM
Quote[...] Nach einem Schiffsunfall bei den Ga­la­pa­gos­in­seln bedroht austretender Dieselkraftstoff das Weltnaturerbe. Der ecuadorianische Umweltminister Raúl Ledesma Huerta teilte auf Twitter mit, die Regierung habe Sofortmaßnahmen ergriffen, um das Umweltrisiko zu vermindern und das Problem einzudämmen, das durch den Untergang des Schiffs entstanden sei. Der Nationalpark der Galapagosinseln twitterte, es würden Schutzbarrieren errichtet und ölabsorbierende Mittel eingesetzt. Auf dem Schiff seien umgerechnet ungefähr 2.500 Liter Dieselkraftstoff gelagert gewesen.

Das Schiff sank am Sonntag an einem kleinen Pier vor der Insel San Cristóbal. Zuvor war ein Kran während des Verladens eines Containers zusammengebrochen und dieser auf das Schiff gestürzt, wie die Zeitung El Comercio berichtete. Die Besatzungsmitglieder konnten sich ins Meer retten. Ein Mensch wurde verletzt.

Die Galapagosinseln zählen wegen ihrer besonderen Flora und Fauna seit 1978 zum Unesco-Weltnaturerbe. Der Archipel mit seinen rund 130 Inseln gehört politisch zum etwa 1.000 Kilometer entfernten Ecuador. Zu den nur dort vorkommenden Arten zählen Meerechsen, Landleguane und Galapagosfinken.


Aus: "Diesel bedroht Ga­la­pa­gos­in­seln" (23. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-12/galapagos-inseln-diesel-weltnaturerbe-ecuador (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2019-12/galapagos-inseln-diesel-weltnaturerbe-ecuador)

-

"Schiffsunfall vor den Galapagos-Inseln - Naturparadies wohl außer Gefahr" Bernd Pickert (23.12.2019)
2.500 Liter Diesel aus einem havarierten Schiff bedrohten das Weltnaturerbe vor Ecuador. Jetzt soll die Situation unter Kontrolle sein. ... BERLIN taz/dpa/afp | Nach einem Schiffsunfall vor den Galapagos-Inseln haben Ecuadors Behörden eigenen Angaben zufolge eine Naturkatastrophe verhindert: Die Ausbreitung von Dieselkraftstoff aus dem sinkenden Schiff sei ,,unter Kontrolle", teilte Ecuadors Regierung am Sonntag mit. ,,Eine Reihe von Maßnahmen wurden ergriffen, um die möglichen Auswirkungen zu mildern", erklärte das Kommunikationsbüro des Präsidenten.
Zuvor hatten die Behörden den Notstand ausgerufen, weil austretender Dieselkraftstoff von einem sinkenden Schiff die Inseln bedrohte. Es wurden ,,Sofortmaßnahmen" eingeleitet, um die Umweltgefahren für eines der empfindlichsten und unberührtesten Ökosysteme der Erde einzudämmen, wie Umweltminister Raúl Ledesma auf Twitter schrieb. Der Galápagos-Nationalpark twitterte, es würden Schutzbarrieren errichtet und ölabsorbierende Mittel eingesetzt. Auf dem Schiff seien umgerechnet ungefähr 2.500 Liter Dieselkraftstoff gelagert gewesen. Dieser drohte die empfindliche Artenvielfalt auf den Inseln zu belasten. ...
https://taz.de/Schiffsunfall-vor-den-Galapagos-Inseln/!5646992/

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 29, 2019, 08:48:47 PM
"Ostsee: Perspektiven der Kontamination"  Jens Mattern (28. Dezember 2019)
Sollte nur ein Sechstel der chemischen Stoffe aus den Behältern der mitsamt Waffen versenkten Schiffe austreten, so würde dies jegliches Meeresleben in großen Teilen der Ostsee auf über 100 Jahre hinaus unmöglich machen. Als besonders problematisch für das polnische Hoheitsgebiet der Ostsee gelten der Tanker Franken sowie das Lazarettschiff Stuttgart. ... Nach Angaben des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung lagern auf dem Grund der Ostsee 300.000 Tonnen konventioneller Munition und chemischer Kampfstoffe. Zur ersten Kategorie gehört TNT und Phosphor. Aus TNT bilden sich Arsen-Verbindungen, die zu Tumoren bei Fischen führten, zudem könnten viele Bomben noch explodieren. Zu den chemischen Kampfstoffen gehören Senfgas, Sarin, Tabun, Phosgen oder arsenhaltige Kampfstoffe, z. B. Clark I und II oder Adamsit.
Die Bundesregierung Deutschland scheut bislang die Bergung, da es dabei zum unkontrollierten Austritt der Stoffe kommen kann. Allerdings sollen die Metallmantel der Bomben und Torpedos in zwanzig Jahren brüchig werden. ...
https://www.heise.de/tp/features/Ostsee-Perspektiven-der-Kontamination-4624119.html

-

"Atomkraftwerk Philippsburg stillgelegt: KKP2 hat ausgestrahlt" (1.1.2020)
... Das Unternehmen rechnet nun damit, dass zehn bis fünfzehn Jahre nötig sein werden, um die atomaren Hinterlassenschaften aufzuräumen.
Zurück bleiben werden nach Erhebungen des Fachportals Atommüllreport 951 Tonnen Schwermetall aus Brennelementen – das ist die nüchterne Umschreibung des Atommülls, der in 35 Betriebsjahren entstanden ist und nun Millionen von Jahren strahlen wird. An welchem Ort auch immer. ...
https://taz.de/Atomkraftwerk-Philippsburg-stillgelegt/!5648972/

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on January 14, 2020, 02:54:47 PM
Quote[...] 2011 traf ein heftiger Tsunami Japan und zerstörte tausende Menschenleben und zahlreiche Gebäude. Im Atomkraftwerk Fukushima kam es zur Kernschmelze. Radioaktive Stoffe, die damals austraten, lassen sich bis heute in der Umwelt nachweisen. Inzwischen haben sie ihren Weg bis in die Beringsee vor Alaska gefunden, berichten Forscher von der University of Alaska in Fairbanks.

Ein Einwohner von St. Lawrence Island hat über Jahre an der Nordwestspitze der Insel Wasserproben genommen. 2018 waren die Werte für Cäsium 137 schließlich leicht erhöht. Die Forscher fanden 2,4 Becquerel pro Kubikmeter Wasser. Vor dem Nuklearunfall von Fukushima waren im Pazifik Werte von unter 2 Becquerel pro Kubikmeter normal.

Eine Gefahr für die Gesundheit bestehe nicht, schreiben die Wissenschaftler gleich im ersten Absatz einer Mitteilung zu dem Fund. US-Behörden halten selbst Trinkwasser mit 7400 Becquerel pro Kubikmeter Wasser für sicher - ein Wert, der mehr als dreitausend Mal höher ist als der in der Beringsee gemessene.

"Die Fundstelle ist die nördliche Grenze der radioaktiven Ausbreitung", sagt Forscherin Gay Sheffield. Cäsium 137 entsteht bei der Kernspaltung von Uran und hat eine Halbwertzeit von 30 Jahren. Nach dieser Zeit ist die Hälfte des Stoffs zerfallen. Bis dahin setzt er sich etwa im Boden fest und wird in stark betroffenen Gebieten zum Problem für die Landwirtschaft, weil es Lebensmittel kontaminiert.

Zuvor hatten Forscher radioaktive Stoffe aus Fukushima bereits an anderen Stellen der amerikanischen Westküste entdeckt, etwa vor dem kanadischen Bundesstaat British Columbia und im Golf von Alaska. 2014 hatten Wissenschaftler der amerikanischen Ozeanbehörde NOAA zudem in Muscheln aus der Beringsee Radionuklide aus Fukushima nachgewiesen. Auch im Gewebe von Seebären fanden sie den Stoff. Das Wasser wurde damals aber nicht untersucht.

Für die Bewohner von St. Lawrence Island kommt die Entdeckung nicht nur deshalb wenig überraschend. Sie hätten erwartet, dass Radionuklide irgendwann bei ihnen ankommen, erklärt Sheffield. Die Strömung im Meer sei dafür verantwortlich. "Es war klar, dass die Nuklide irgendwann kommen, die Leute wussten nur nicht genau, wann."


Aus: "Forscher weisen radioaktive Substanz vor Alaska nach" (02.04.2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fukushima-caesium-137-vor-alaska-entdeckt-a-1260717.html (https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/fukushima-caesium-137-vor-alaska-entdeckt-a-1260717.html)

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on January 15, 2020, 10:12:00 AM
Quote[...] Heute lädt das Brandenburger Imkerpaar Camille und Sebastian Seusing ganze vier Tonnen von Glyphosat-belastetem Honig vor dem Bundeslandwirtschaftsministerium ab. So wollen die Imker vom ,,Bündnis zum Schutz der Bienen" und die Demonstranten von ,,Wir haben es satt!" ihrer Wut über die Agrarpolitik Ausdruck verleihen. ...


Aus: "Morgenlage aus der Hauptstadt" (15.01.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/morgenlage-aus-der-hauptstadt-elektropanzer-fuers-schlachtfeld/25434242.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/morgenlage-aus-der-hauptstadt-elektropanzer-fuers-schlachtfeld/25434242.html)

-

Quote[...] Berlin/Bernau. Camille und Sebastian Seusing haben für diesen Mittwoch eine ungewöhnliche Aktion geplant: Um 11 Uhr will das Imkerpaar aus Bernau tonnenweise Honig vor dem Bundesministerium für Agrarwirtschaft in Berlin abladen.

Der Grund: Mehr als vier Tonnen ihres Honigs aus dem Vorjahr sind Glyphosat-belastet, wohl weil das Mittel auf Feldern verbreitet eingesetzt wird. Dieser Honig kann nun nicht mehr verkauft werden. Zum Teil wurden Grenzwert-Überschreitungen vom bis zu 152-Fachen des erlaubten Glyphosatgehalts festgestellt. Die Folgen für die Bio-Imkerei sind bedrohlich. ,,Nach dem aktuellen Stand müssen wir die Imkerei aufgeben", sagt Sebastian Seusing, der die Imkerei mit seiner Frau führt.

Für die Imker ist das nicht nur ein privates, sondern auch ein politisches Problem. Sebastian Seusing fordert daher in erster Linie ein Verbot jeglicher chemischer Spritzmittel in blühenden Pflanzenbeständen. ,,Wir sind aber auch ganz klar für einen konkreten Glyphosatstopp, möglichst schnell", sagt der Imker.

Wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft der Berliner Morgenpost mitteilte, habe die Bundesregierung den Ausstieg aus der Glyphosat-Anwendung zum klaren Ziel. Ein Totalverbot sei wegen EU-Regulierungen allerdings erst ab Dezember 2023 möglich. ,,Deshalb arbeiten wir an einer Minderungsstrategie, die den Einsatz nur noch in wenigen Fällen zulassen wird", so Pressesprecher Matthias Paul.

Dennoch: Die Agrarpolitik setze ihren Fokus auf großindustrielle Agrarwirtschaft, anstatt bäuerliche Landwirtschaft zu unterstützen und Umweltleistungen zu honoriere, sagt Seusing. Eine solche Politik lasse zu, dass Landwirte verantwortungslos Glyphosat und andere Pestizide verwenden können.

Für etwa die Hälfte des belasteten Honigs sei nachweislich ein benachbarter Landwirt verantwortlich, der auf seinen Feldern Glyphosat eingesetzt habe. Laut Johann Lütke Schwienhorst, Agrar-Referent der Stiftung Aurelia, habe das Ehepaar bereits geklagt. Die Aurelia-Stiftung, die sich hauptsächlich für den Erhalt von Bienen einsetzt, unterstützt das Ehepaar im laufenden Prozess, unter anderem mit Spenden.

Der verantwortliche Landwirt habe eine Schadensersatzzahlung vorerst verweigert. Für das Spritzmittel hatte er eine Genehmigung, die Verwendung sei nicht illegal gewesen. ,,Wer für den erstandenen Schaden haften wird, ist auf Grund rechtlicher Missstände ungeklärt", sagt Lütke Schwienhorst. Der Fall sei für ihn aber klar: ,,Das, was die Imkerei Seusing erlebt, ist ungerecht." Darüber hinaus kritisiert er die ,,unverbindlichen Empfehlungen für Glyphosat-Anwendung, die bei keinem Bauern ankommen".

Konkret bedeutet die Verunreinigung des Honigs für das Familienunternehmen nach eigenen Angaben einen direkten Schaden in Höhe von 60.000 Euro. Zusätzlich rechnen die Imker mit einem ähnlich hohen Schaden im kommenden Jahr. Hinzu kommen die Entsorgungskosten, die die Imkerei tragen muss. Bisher habe sich keine Firma für die Entsorgung bereit erklärt, da sich Honig nicht für Müllverbrennung eigne. Im Zweifel müssten die Imker eine Spezialentsorgungsfirma beauftragen.

Der Fall zeige auf, wie schnell es jede Imkerei treffen kann, sagt Lütke Schwienhorst. Besonders problematisch sei es deshalb auch, dass Imker ihr Qualitätsmanagement freiwillig betreiben. Zertifizierte Labore bieten dafür eine Untersuchung von Honigproben an, die Kosten der Analyse müssen allerdings die Unternehmen selbst übernehmen. ,,Die meisten Imker untersuchen ihren Honig daher erst bei einem konkreten Verdacht auf Verschmutzung", so Lütke Schwienhorst. Ob jeder Honig im Verkauf den Standards entspricht, könne deshalb nicht garantiert werden.

Wie Ministeriumssprecher Paul sagt, handle es sich bei der Glyphosatüberschreitung der Imkerei Seusing um einen Einzelfall. Im Jahr 2016 hätte ein spezifisches Landesprogramm zur Untersuchung von Honig gezeigt, ,,dass erhöhte Glyphosatrückstände in Honig kein flächendeckendes Problem in Brandenburg darstellen", teilt der Sprecher mit. Eine Gefahr für die Gesundheit von Verbrauchern gebe es laut des Bundesinstituts für Risikobewertung daher nicht.


Aus: "Protest gegen Glyphosat: Imkerpaar will tonnenweise Honig vor Ministerium abladen" Anna Lindemann (14.01.2020)
Quelle: https://www.morgenpost.de/berlin/article228143453/Imkerpaar-will-tonnenweise-Honig-vor-dem-Ministerium-abladen.html (https://www.morgenpost.de/berlin/article228143453/Imkerpaar-will-tonnenweise-Honig-vor-dem-Ministerium-abladen.html)

https://www.maz-online.de/Brandenburg/Imker-Protest-vor-Ministerium-Verseuchter-Honig-fuer-Julia-Kloeckner (https://www.maz-online.de/Brandenburg/Imker-Protest-vor-Ministerium-Verseuchter-Honig-fuer-Julia-Kloeckner)

"Landwirtschaft: Glyphosat im Honig" Kerstin Ewald (22.05.2019)
https://www.moz.de/landkreise/barnim/bernau/artikel3/dg/0/1/1730361/ (https://www.moz.de/landkreise/barnim/bernau/artikel3/dg/0/1/1730361/)

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on January 15, 2020, 11:59:23 AM
Quote[...] Der Geologe Jens Greinert sitzt an seinem PC am Kieler Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung und zoomt in eine bunt eingefärbte Karte. Sie zeigt das Relief des Meeresbodens, die Bathymetrie der Kieler Förde. An der Stelle, die Greinert heranzoomt, sieht es aus, als hätte jemand auf dem ebenmäßig abfallenden Boden ein paar Streusel verteilt.

,,Bei der Länge und dem Durchmesser, den ich hier sehe, kann ich sagen: Es ist wahrscheinlich eine Grundmine. Längere Körper, die sind jetzt nicht auf der Karte, die sind so fünf Meter lang, da kann ich sagen, das ist ein Torpedo."

Wie viele Minen, Torpedos und andere Munitionskörper am Grunde der Ostsee und anderer europäischer Meeren noch schlummern, weiß Greinert nicht. Es gibt eine Schätzung, nach der in den deutschen Gebieten der Nord- und Ostsee etwa 1,6 Millionen Tonnen alte Munition und rund 5.000 Tonnen chemische Kampfstoffe liegen. Doch die Zahlen gelten als sehr unsicher. Denn man weiß gar nicht genau, wo überall Munitionsreste liegen.

Im europäischen Forschungsprojekt ,,Basta" will Greinert daher mit anderen deutschen und belgischen Forschern eine neue Technik zum Auffinden von Munition entwickeln. Im Gegensatz zu bisherigen Methoden sollen die Messgeräte dann nicht mehr von einem Schiff über den Meeresboden geschleppt werden.

,,Was wir jetzt in dem ,,Basta"-Projekt machen wollen, ist AUVs – Autonomous Underwater Vehicles – also ein robotisches System, was autonom in der Wassersäule rumschwimmen kann, mit Magnetometern auszustatten, dass die automatisch magnetische Körper finden und dabei selber lernen. Also sich dann automatisch zurechtfinden, wissen, wo sie hingehen sollen, wissen: ok, wenn dieses Objekt, was ich aus der bathymetrischen Karte eventuell schon kenne, wenn das nicht magnetisch ist und das nächste auch nicht und das dritte auch nicht, dann sind wahrscheinlich die anderen fünfhundert, die ähnlich aussehen in der Bathymetrie, das auch nicht. Also fahre ich zu anderen Lokationen.'"

Am Ende des Projektes, sollen diese Unterwasserroboter jedoch nicht nur magnetische Messungen machen, sondern mit verfeinerten hydroakustischen Methoden auch in den Meeresboden schauen. Dort könnte dann vom Sediment verdeckte Munition aufgespürt werden. Zudem sollen die AUV auch Fotos von verdächtigen Gegenständen machen, um eventuell bewachsene Munition genauer betrachten zu können, aber auch um die Fehlerquote zu senken. Denn wenn heute etwa ein neues Windpark-Gebiet von einem Schiff aus überprüft wird, sind neun von zehn Munitionsfunden Fehlalarme – schlichtweg, weil es auch sehr viel anderen Schrott auf dem Meeresboden gibt.

Die Fototechnik haben Greinert und seine Kollegen bereits in einem Vorläuferprojekt ausprobiert. Greinert zoomt in ein neues Gebiet. Statt der bunten Reliefkarte sieht man nun ein richtiges Bild des Meeresbodens.

,,Das ist nämlich das Gebiet mit diesem offen liegenden TNT. In dem Bild hab ich hier so einen grauen Block liegen. Das ist Schießwolle 39, irgendwie deutscher Sprengstoff. Und das hier ist auch ein Sprengstoff, der aber leuchtend orange ist. Und da wissen wir gar nicht so ganz so genau, es kann sein, dass das irgendwas, eine britische Mixtur ist, die da gelandet ist."

Die Bilder machen ein Problem offensichtlich, das mit der Zeit dringlicher werden wird: Die Munitionskörper rosten weg, der Sprengstoff bleibt. Das führe zum einen dazu, dass sich die Stoffe dann kaum noch entdecken lassen – weder magnetisch, noch optisch über die Form, sagt der Kieler Kollege und Umweltwissenschaftler Torsten Frey.

,,Und das andere ist, dass man schon davon ausgeht, dass in ein paar Jahren es natürlich dazu kommen kann, dass dann mal irgendwann eine kritische Menge an Bomben durchrostet und gleichzeitig Explosivstoffe abgibt, die krebserregend sind und Tumore in Fischen hervorrufen, die dann womöglich auf unserem Speisezettel landen könnten."

In dem Forschungsprojekt soll daher auch eine moderne Datenbank entstehen, in der Munitionsfunde genau verzeichnet sind. Und dann, so meinen die beiden Forscher, wäre es dringend Zeit für ein Monitoring, damit man weiß, wo wie viel Sprengstoff freigesetzt wird und welche Folgen das haben kann.


Aus: "Wie Forscher Munitionsaltlasten aufspüren wollen" Tomma Schröder (14.01.2020)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/minensuche-im-meer-wie-forscher-munitionsaltlasten.676.de.html?dram:article_id=467839 (https://www.deutschlandfunk.de/minensuche-im-meer-wie-forscher-munitionsaltlasten.676.de.html?dram:article_id=467839)
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on January 28, 2020, 09:56:48 AM
Quote[...] Keine andere Spezies hinterlässt auf dem Planeten derart viel Müll wie der Mensch. Der Great Pacific Garbage Patch – eine Ansammlung von Plastikmüll im Pazifik – ist bereits vom All aus sichtbar. Doch kein Abfall hat derart schwerwiegende langfristige Folgen für das Ökosystem wie Atommüll. Plutonium, das etwa in Nuklearwaffen eingesetzt wird, stellt auch noch in hunderttausenden Jahren eine radioaktive Gefahr für Flora und Fauna dar.

Umso beunruhigender ist der Befund, den eine soeben veröffentlichte Studie den aktuellen Atommülllagern ausstellt: Wie Forscher im Fachblatt "Nature Materials" berichten, sind die derzeitigen Methoden, um Atommüll zu lagern, weniger beständig als bisher angenommen. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die aktuellen Methoden möglicherweise nicht ausreichend sind, um den Abfall sicher zu verstauen", sagt der Erstautor der Studie, Xiaolei Guo, stellvertretender Direktor des Ohio State Center for Performance and Design of Nuclear Waste Forms and Containers.

Der Grund für die Unzulänglichkeit der bisherigen Lagerungsmethoden klingt recht einfach: Korrosion. In der Studie wurde die Lagerung von hochkontaminiertem Atommüll untersucht, der insbesondere durch Nuklearwaffen anfällt. Einige der darin enthaltenen radioaktiven Substanzen haben Halbwertszeiten von rund 30 Jahren, andere wiederum solche von zehntausenden Jahren. Die Halbwertszeit ist jene Zeit, innerhalb derer die Hälfte des radioaktiven Materials zerfallen ist. Bis das gesamte Material zerfallen ist, dauert es hingegen um ein Vielfaches länger.

Bislang ist Finnland das einzige Land, das damit begonnen hat, ein langfristiges Endlager für hochkontaminierten radioaktiven Abfall zu errichten. In fast allen anderen Ländern ist es üblich, hochverstrahltes Material mit anderen Materialien zu mischen, wodurch Glas oder Keramik entsteht. Diese radioaktive Mischung wird in Stahlkanistern eingeschlossen, welche in unterirdischen Lagerungsstätten verstaut werden, oft in der Nähe des Produktions orts. Doch wie die Forscher um Guo in der aktuellen Studie schreiben, ist bislang nur die langfristige Beständigkeit von radioaktivem Glas und Keramik einerseits und den Edelstahlkanistern andererseits untersucht worden. Doch die Wechselwirkungen zwischen dem radioaktiven Glas oder Keramik mit den Metallkanistern blieb dagegen bislang weitgehend unerforscht.
Yucca Mountain in Nevada ist als permanente US-Lagerstätte für Atommüll im Gespräch.
Foto: Reuters/Stringer

In Laborexperimenten stellten die Wissenschafter die Lagerungsbedingungen unter Tage nach, sprich: bestimmte Temperatur- und Druckverhältnisse und das mögliche Eindringen von Wasser. Besonders hatten die Forscher dabei die Bedingungen im Yucca Mountain im US-Bundesstaat Nevada im Blick, der als permanente US-Lagerstätte für Atommüll vorgeschlagen worden ist.

In den Versuchen zeigte sich, dass es an den angrenzenden Flächen von radioaktivem Glas oder Keramik mit dem Stahlfass zu Korrosion kam – und das in einem selbstverstärkenden Prozess. In Wasser reagierte sowohl Glas und wie auch Keramik mit dem Edelstahl. "In einem realistischen Szenario liegen das Glas oder die Keramik eng am Edelstahl an. Unter bestimmten Bedingungen läuft die Korrosion des Edelstahls völlig aus dem Ruder", sagt Guo. "Es bildet sich ein extrem aggressives Milieu, das die angrenzenden Materialien korrodieren lässt."

Der Grund dafür, warum die aktuellen Methoden zur Atommülllagerung weniger langlebig sind als ursprünglich angenommen, ist letztlich im Periodensystem der chemischen Elemente zu finden: Edelstahl wird vor allem aus Eisen hergestellt, gemischt mit anderen Elementen wie Nickel und Chrom. Eisen hat eine chemische Affinität zu Silizium, was wiederum ein wesentlicher Bestandteil von Glas ist.

Für den Erstautor Xiaolei Guo ist das Fazit der Studie klar: "Die Ergebnisse zeigen, dass wir eine neue Methode entwickeln müssen, um nuklearen Abfall zu lagern." (Tanja Traxler, 28.1.2020)


Aus: "Atommüllfässer korrodieren schneller als gedacht" Tanja Traxler (27. Jänner 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000113818969/atommuellfaesser-korrodieren-frueher-als-gedacht (https://www.derstandard.at/story/2000113818969/atommuellfaesser-korrodieren-frueher-als-gedacht)

Quote
Wolfgang Mizelli

atomstrom ist eben besonders nachhaltig.


Quote
Austria01

Atomares Endlager Meeresgrund
Nach den Erkenntnissen der italienischen Staatsanwaltschaft versenkte die Mafia 32 Schiffe mit Giftmüll und Atomabfall im Mittelmeer. Das größte Wrack, die 110 m lange ,,Cunsky", liegt mit insgesamt 120 Behältern radioaktiven Abfalls 28 km vor der Küste Kalabriens in 500 m Tiefe. Sie wurde Ende der 80er-Jahre mit drei anderen Frachtern durch Explosionen versenkt.

Acht europäische Staaten versenkten zwischen 1949 und 1982 atomaren Abfall an 14 Stellen im Ärmelkanal einfach im Meer, insgesamt 222.732 mit Beton oder Asphalt verstärkte Metallfässer. Alle Fässer rosten vor sich hin und haben schon lange Radioaktivität frei gesetzt.

Über 100.000 Tonnen Atommüll liegen schätzungsweise am Meeresgrund. Erst 1993 wurde diese Entsorgung verboten.


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on February 06, 2020, 03:15:39 PM
Quote[...] Der Pfarrer wählt einen drastischen Namen für die Gegend, in der er lebt. Er spricht vom "Viereck des Todes" und meint damit die Umgebung der Städte Augusta, Syrakus, Melilli und Priolo, die an der Ostküste Siziliens liegen.

Don Palmiro Prisuttos Kirche steht im Zentrum des 35.000-Einwohner-Ortes Augusta, ein Lichtstrahl im Hauptschiff trifft auf sein blitzsauberes weißes T-Shirt. Weiße T-Shirts seien das offizielle Symbol der von ihm geführten Protestbewegung gegen die "tödliche Verschmutzung", sagt er. Boden, Luft und Wasser seien verseucht: mit Asbest, Arsen, Blei, Benzol, Quecksilber und anderen gesundheitsgefährdenden Stoffen. Nach Jahrzehnten intensiver Belastungen durch die Industrie und zahlreichen Fällen von illegaler Müllentsorgung sei die Umwelt in der Region am Ende – und viele Menschen krank.

Seit etwa 70 Jahren ist die Gegend um Syrakus ein Zentrum der italienischen Chemie- und Erdölindustrie. Die erste Erdölraffinerie entstand dort 1949, heute sind insgesamt zehn Industrieanlagen aktiv: zwei Raffinerien, zwei Chemiefabriken, ein Zementwerk, zwei Industriegasanlagen und drei Kraftwerke. Deren Geschichte ist reich an Skandalen, doch erst jetzt beginnt die Politik, die Probleme wirklich zur Kenntnis zu nehmen.

Mitte November kam der parteilose italienische Umweltminister Sergio Costa zu Besuch – solch hochrangige Besucher hatten sich hier lange nicht blicken lassen. Costa versprach, dem "Teufelskreis" ein Ende zu bereiten, der die Bevölkerung zwinge, mit der Gefahr zu leben.

Er hatte wohl auch kaum eine andere Wahl. Wenige Wochen zuvor hatte das Krebsregister der Provinz Syrakus eine Studie veröffentlicht, der zufolge wohl nur die Umweltverschmutzungen erklären konnten, "warum es im industriellen Viereck zu einem Anstieg der Fälle kommt, während auf nationaler Ebene die Mortalität zurückgeht". Anselmo Madeddu, der Gesundheitsdirektor des Krebsregisters, warnte: "Die Krankheit verbreitet sich nunmehr von der Industriezone auf das umliegende Gebiet." Diese Erkenntnisse decken sich mit denen des Forschungsprojekts Sentieri, das im Auftrag des italienischen Gesundheitsministeriums verschmutzte Gebiete im ganzen Land untersucht. Dabei wurde festgestellt, dass Todesfälle durch Lungen- und Darmkrebs in der Gegend "exzessiv" zunähmen, ebenso Atemwegserkrankungen und Erkrankungen des Verdauungsapparats.

Für viele der etwa 180.000 Menschen, die im Viereck des Todes leben, kommt die neue politische Aufmerksamkeit jedoch sehr spät. "Wenn ich an Krebs sterben sollte, wäre das vorsätzliche Tötung!", donnert Pater Prisutto in seiner Kirche. Er hat genügend Gründe, zu glauben, dass die Krankheit eines Tages auch über ihn hereinbrechen wird. Der Krebs hat schließlich schon viele Bewohner der Region dahingerafft. "Im Viereck hat jeder inzwischen einen Angehörigen, der an Krebs gestorben ist", sagt er. Sein Bruder sei ihm zum Opfer gefallen, auch eine seiner beiden Schwestern, während die andere derzeit um ihr Leben kämpfe.

Mit ernster Miene und eingezogenen Schultern deutet Pater Prisutto auf eine große Tafel am Eingang seiner Kirche. Lange Listen mit Namen und Daten hängen dort, es sind fast Tausend. Darüber ein Schild mit der Aufschrift "Platz der Märtyrer des Krebses". Seit fünf Jahren, an jedem 28. eines Monats, verliest der Pfarrer während seiner Predigt die Namen der neu verstorbenen Personen, ihr Alter und die Art des Krebses. "Um die Opfer nicht zu vergessen und das Bewusstsein der Bewohner zu wecken, die die Augen vor dem Sichausbreiten der Krankheit lieber verschließen", erklärt er.

Denn auch wenn es überraschen mag – der Schicksalsglaube hat die Oberhand im Viereck des Todes. "Besser an Krebs sterben als verhungern" ist ein zynischer Slogan der Bewohner, die um ihre Arbeit fürchten. Die Resignation sei die Folge einer "permanenten Erpressung am Arbeitsplatz, in einer von Arbeitslosigkeit betroffenen Gesellschaft", sagt Giusi Nané, Rechtsanwältin in Syrakus und Mitglied des Komitees "Stop Veleni". So wie fast jede Familie einen Krebstoten beklage, zähle sie oft auch einen Fabrikangestellten, sagt die Juristin.

Die Giftstoffe sind überall. Auf der Halbinsel Magnisi in der Nähe von Priolo wurden vor Jahrzehnten chemischen Schlacken aus einem der nahe gelegenen Werke abgelagert. Die Abfälle wurden damals unter Plastikplanen zurückgelassen, die von Pfosten gehalten wurden. Regen und Sonne haben die Abdeckung längst verwittern lassen. "Der Wind verteilt die Staubteilchen in der Luft", sagt Pippo Giaquinta vom lokalen Büro der Umweltorganisation Legambiente. Mit dem Finger deutet er auf einen Strand in weniger als 500 Meter Entfernung, an dem zwei kleine Mädchen vergnügt in Wassernähe Sand sieben.

Im Wasser ist es noch schlimmer. Schon 2003 wies die Biologin Mara Nicotra, die damals an der Universität von Catania arbeitete, in den Meeressedimenten eine Quecksilberkonzentration von mehr als 22 Milligramm pro Kilo nach. Die italienische Umweltbehörde Ispra ermittelte sogar einen dreimal so hohen Wert – dabei liegt die maximal tolerable Konzentration bei gerade mal einem Milligramm. Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 1958 und 1980 bis zu 500 Tonnen Quecksilber ins Meer gelangt sein könnten. Das wäre "eine größere Menge als die, die in der Bucht von Minamata angespült worden war, das waren schätzungsweise ungefähr 400 Tonnen", sagt Nicotra. Bis in die Sechzigerjahre hinein waren in der japanischen Küstenstadt mehr als zweitausend Menschen gestorben, nachdem sie mit Quecksilber vergiftete Fische gegessen hatten. Der Skandal führte zur Verabschiedung der Minamata-Konvention durch die Vereinten Nationen, um die Gefahren des Schwermetalls einzudämmen.

Als eine wesentliche Quelle der Verschmutzung galt stets das damalige Chemiewerk von Montedison. Das Unternehmen existiert allerdings schon lange nicht mehr, das Werk gehört mittlerweile dem italienischen Energie- und Erdölkonzern ENI. Auf Nachfrage beruft sich ENI heute darauf, dass die italienische Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren in der Sache schon 2007 eingestellt habe. "Die damals verfügbaren technischen Daten schlossen eine Haftung des Unternehmens für die in der Bucht von Augusta festgestellte Kontamination aus", teilt die Pressestelle mit und weist jede Verantwortung für die Quecksilbereinträge von sich.

Der Staatsanwalt, der das Verfahren damals einstellte, heißt Maurizio Musco. Doch Musco wurde im Frühjahr 2019 durch den Consiglio Superiore della Magistratura (CSM) – ein Selbstverwaltungsorgan der italienischen Justiz – vom Dienst als Staatsanwalt suspendiert. Presseberichten zufolge soll er seit Langem eine enge persönliche Freundschaft zu einem hochrangigen ENI-Juristen gehabt und mit diesem auch geschäftlich verbunden gewesen sein. Hat ihn das in seiner Entscheidung möglicherweise beeinflusst? "Was für eine unsinnige Behauptung!", sagte Musco damals, wies den Vorwurf zurück und ging juristisch gegen die Suspendierung des CSM vor. Eine Entscheidung darüber steht allerdings noch aus.

Was das alles für die Menschen in Syrakus und Umgebung bedeutet? Eigentlich müsste die gesamte Gegend komplett saniert werden, sagt Gesundheitsdirektor Madeddu vom Krebsregister. Doch die Industrie will davon nicht mehr viel wissen. "Seit 2000 hat die Branche bereits fast vier Milliarden Euro in den Umweltschutz in Sizilien investiert", sagt Diego Bivona, der Vorsitzende des örtlichen Arbeitgeberverbands Confindustria Siracusa und damit so etwas wie die Stimme der petrochemischen Industrie. Weiter würden seine Mitgliedsunternehmen nicht gehen. Das viele Geld habe dazu gedient, "60 Prozent der verseuchten Anlagen, die sich auf privatem Terrain der Industrie befinden, zu sanieren". Demgegenüber beklagt er, dass die öffentliche Hand für die Bereiche, für die sie selbst verantwortlich ist, "nichts getan" habe.

Immerhin traut sich nun auch die Politik, ihr Wort gegen die Industrie zu erheben. Im Mai 2019 forderte der Präsident der Region Sizilien, Nello Musumeci, die Fabriken im Todesviereck zu einer "industriellen Umkehr" auf. Er legte einen Plan zur Luftreinhaltung vor, gegen den sich Industrievertreter vor dem Verwaltungsgericht Palermo allerdings wehren. Die Stadtverwaltungen Augusta und Syrakus unterstützen Musumeci in dem Verfahren. Seit auch der italienische Umweltminister Ende 2019 so klare Worte fand, schöpfen die Menschen etwas Hoffnung. "Es bleibt zu hoffen, dass diese Initiativen nicht Neuauflagen der bisherigen Theaterstücke sind", sagt Umweltaktivist Giaquinta.

Übersetzt aus dem Französischen von Andrea Bazzato.


Aus: "Sizilien: Im "Viereck des Todes"" Fabio Lo Verso (29. Januar 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/2020/06/umweltverschmutzung-sizilien-ostkueste-industrieabfall-krebstote-quecksilber/komplettansicht (https://www.zeit.de/2020/06/umweltverschmutzung-sizilien-ostkueste-industrieabfall-krebstote-quecksilber/komplettansicht)

Quotemom #4

Was läuft schief, wenn die Menschen argumentieren: Besser an Krebs sterben als verhungern! ? So viel Resignation ist kaum auszuhalten.


QuoteLavendelzweig #4.1

So ähnlich ist es aber auch bei uns: Lieber Überkonsum statt Umweltschutz.


QuoteStamoKap2019 #5

Das ist erst der sichtbare Anfang einer verhängnisvollen Entwicklung. Mafia und Kapitalistische Produktionsweise sind wesensgleich. ...


Quotepeter.krau #8

Cosa Nostra - Finde es sehr bedauerlich/schade das die uralt-gesellschaftlich-strukturierte Mafia auf Sizilien, die keinerlei Interesse an der Umwelt/Natur hat, im Bericht oben keinerlei Erwähnung findet.


QuoteBurlington #10

Die Giftstoffe sind überall.
Nicht nur in Italien, überall in Europa wurde Giftmüll illegal in "ärmere EU-Länder" exportiert und dort überwiegend einfach verbuddelt.
Jede Menge Giftmüll wird die ärmsten Regionen der Welt exportiert ohne das dort auch nur ansatzweise eine "Recyclingindustrie" existiert.
Die korrupten Potentaten in solchen Ländern sind aus der Portokasse zu bezahlen und die Gewinne für die "Exporteure" sind gewaltig. ...


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on March 18, 2020, 04:45:15 PM
Quote[...] BOSTON, 15. März (WNM/The Harvard Gazette) – Forscher der Harvard Medical School und des New York State Department of Health haben herausgefunden, wie ein oft eingesetzter Weichmacher, der mit menschlichen Fortpflanzungsstörungen in Verbindung gebracht wird, Schäden auf molekularer Ebene verursacht. Das berichtet The Harvard Gazette (https://news.harvard.edu/gazette/story/2020/01/plastic-additive-linked-to-excessive-reproductive-abnormalities/).

Seit Jahren verbinden Wissenschaftler den Kontakt mit DEHP – eine Chemikalie, die vielen Kunststoffen beigemischt wird, um diese flexibel zu machen – mit einem erhöhten Risiko für Gesundheitsprobleme, einschließlich reproduktiver Anomalien wie Geburtsschäden und männlicher Unfruchtbarkeit.

Verschiedene US-Bundes- und Landesbehörden hatten bereits darauf reagiert, indem sie Gesetze verabschiedeten, die den erlaubten Prozentsatz von DEHP und anderen Phthalaten in Kinderspielzeug, Lebensmittelverpackungen, Trinkwasser und anderen Dingen begrenzten. Trotzdem wird DEHP auch heute noch in vielen Produkten des täglichen Bedarfs wie Medizinprodukten, Regenbekleidung oder Shampoo eingesetzt.

Monica Colaiácovo, Professorin für Genetik am Blavatnik-Institut der Harvard Medical School, und Kollegen haben in ihrer Studie ,,Caenorhabditis elegans" eingesetzt – das sind Würmer, die ein gängiger Modellorganismus für das Studium der Humangenetik und -biologie sind.

Die Ergebnisse zeigen, dass DEHP die Meiose – also die Art der Zellteilung, die zu Eizellen und Spermien führt – auf verschiedene Weise stört. Das kann wiederum zu Defekten während der Eizellenbildung und einer sehr frühen Embryonalentwicklung führen.

,,Das sind völlig neue Erkenntnisse, die hoffentlich Aufschluss darüber geben, wie sich dieses Phthalat auf die menschliche Fortpflanzung auswirkt", sagte die leitende Studien-Autorin Colaiácovo The Harvard Gazette.

Die Erkenntnisse könnten Auswirkungen auf Schwangere oder Frauen im gebärfähigen Alter haben, aber auch auf die Regulierung von DEHP und anderen Phthalaten, sowie auf die weitere Entwicklung von ,,grünen Chemikalien", die Phthalate ersetzen sollen.


Aus: "Harvard-Studie: Plastik-Weichmacher zerstören die DNA" (16. März 2020)
Quelle: https://world-news-monitor.de/umwelt/2020/03/16/harvard-studie-plastik-weichmacher-zerstoeren-die-dna/ (https://world-news-monitor.de/umwelt/2020/03/16/harvard-studie-plastik-weichmacher-zerstoeren-die-dna/)

"DNA damage linked to plastic additive" (January 9, 2020)
https://news.harvard.edu/gazette/story/2020/01/plastic-additive-linked-to-excessive-reproductive-abnormalities/ (https://news.harvard.edu/gazette/story/2020/01/plastic-additive-linked-to-excessive-reproductive-abnormalities/)
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on March 31, 2020, 08:59:02 PM
Quote[...] der Rummelsburger See, der eigentlich eine Bucht der Spree ist. [Gelegentlich] sieht man ... jemanden, der sich ins Wasser stürzt. Doch wohl nicht nur das Schwimmen, sondern sogar der Aufenthalt auf dem Wasser gilt dem Wasser- und Schifffahrtsamt (WSA) als gesundheitsgefährdend. Das WSA warnt in einem Schreiben an Nutzer des Sees wie Bootsverleihe vor dem ,,dauerhaften Aufenthalt auf dem Wasser".

Die Informationen stammen aus einer Urteilsbegründung zum Verbot von sogenannten ,,Floating Homes". Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hatte bereits vor Jahren den Bau von schwimmenden Häusern in der Bucht verboten. Ende 2016 wurde eine Klage gegen den Beschluss vom Gericht abgelehnt.

Auf Nachfrage sagte ein Sprecher des WSA, man erachte es als wichtig, die Nutzer des Sees über die Gefahren zu informieren. Für alles Weitere sei die Wasserbehörde des Senats zuständig. Diese teilte auf Anfrage mit, dass man ,,als Unweltverwaltung zu gesundheitlichen Auswirkungen nicht seriös Stellung nehmen" könne. Das Problem sei seit Jahren bekannt. ,,Schon aus Vorsorgegründen muss man mit der Gefahr durch die Sedimente sehr vorsichtig umgehen", sagte ein Sprecher.

Die Folgen der Belastung – ein Cocktail giftiger Schwermetalle durch einstige Industrie – seien ,,komplex", Auswirkungen auf das Wohnumfeld an den Ufern seien jedoch unwahrscheinlich. Auf dem Wasser wolle man lieber nichts bauen, da Arbeiten den giftigen Boden aufwühlen könnten. Trotzdem solle der See für alle Bürger zugänglich gehalten werden.

Unterdessen geht das sommerliche Treiben auf dem See munter weiter. Eine Segelausbildung wird angeboten, bei der auch Kinder aktiv sind, die dabei auch mal ins Wasser fallen. Dass man in dem See nicht baden sollte, sei allgemein bekannt, sagt ein Sprecher der ,,Interessengemeinschaft Eigentümer in der Rummelsburger Bucht". Verbotsschilder aufzustellen oder ein offizielles Verbot auszusprechen, erachte man als nicht notwendig. Anwohner wüssten, dass Schwimmen im See gesundheitsgefährdend sein kann. Auf der Website der Interessensgemeinschaft wird nicht auf eine Gefahr hingewiesen.


Aus: "Giftige Schwermetalle in der Rummelsburger Bucht" Stefan Jacobs Robert Klages (23.05.2017)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/baden-in-berlin-giftige-schwermetalle-in-der-rummelsburger-bucht/19839162.html (https://www.tagesspiegel.de/berlin/baden-in-berlin-giftige-schwermetalle-in-der-rummelsburger-bucht/19839162.html)

Quote0815-a 23.05.2017, 08:43 Uhr

    Die Folgen der Belastung – ein Cocktail giftiger Schwermetalle durch einstige Industrie – seien ,,komplex"

Viel diffuser und nebulöser geht's wohl nicht? ...


Quotebikeraper 23.05.2017, 08:38 Uhr

Keiner will zuständig sein und die DDR Altlasten dort entsorgen. Ein Trauerspiel. Wie so oft.


Quotevelo07 23.05.2017, 08:28 Uhr

Auf der Unterhavel gibt es jetzt schon einen Algenteppich, hellbraune Algen, die es hier noch nie gab ...


Quoteberlinradler 23.05.2017, 07:28 Uhr

Die armen Hündchen, die da an der Bucht ab und zu mal was trinken :-)


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on April 13, 2020, 09:58:41 AM
QuoteIllia Ponomarenko @IAPonomarenko 2:58 PM · Apr 10, 2020

The Chernobyl Alienation Zone is a burning inferno now.
Even in Kyiv one can see the sunlight painted orange, probably the effect of soot in the atmosphere.
...


https://twitter.com/IAPonomarenko/status/1248596110572224514 (https://twitter.com/IAPonomarenko/status/1248596110572224514)

-

Quote[...] Update vom Mittwoch, 22.04.2020, 10.30 Uhr: Die internationale Ärzteorganisation zur Verhinderung eines Atomkriegs (IPPNW) hat vor einer Verharmlosung der Waldbrände im radioaktiv belasteten Gebiet rund um das havarierte Atomkraftwerk Tschernobyl gewarnt. Demnach gebe es radioaktive Wolken über der Ukraine. ,,Bei ungünstiger Wetterlage und Windrichtung könnte auch der Rest Europas, könnte auch Deutschland von den radioaktiven Wolken betroffen sein", teilte der IPPNW-Co-Vorsitzende Alex Rosen mit. (ktho)

Erstmeldung vom Dienstag, 21.04.2020, 17.32 Uhr: Kiews Bewohner brauchen seit einigen Wochen starke Nerven. In der Sperrzone von Tschernobyl nordöstlich der Stadt brachen Anfang April große Waldbrände aus, in der ukrainischen Hauptstadt wurde erhöhte, aber durchaus noch zulässige Radioaktivität gemessen. Vergangenen Dienstag, die Flammen hatten sich laut Augenzeugen dem Unglücksreaktor von 1986 schon auf 200 Meter genähert, löschte ein Wolkenbruch die meisten Feuer.
Waldbrand bei Tschernobyl: Kiew war die schmutzigste Stadt der Welt

Tage später verhüllten neue Rauchwolken die Stadt. Kein radioaktiver Rauch, er stammte diesmal von Waldbränden der westlichen Nachbarregion Schytomyr. Am Samstag lag der Luftverschmutzungsindex mit 361 Punkten das Siebenfache über der zulässigen Norm. Kiew war an diesem Tag die schmutzigste Stadt der Welt. Bei heftigem Wind flammten dann auch die Feuer in der Sperrzone Tschernobyl wieder auf. Am Dienstag brannten die Wälder dort schon 19 Tage, auf insgesamt 35 000 Hektar. Mehr als 900 Feuerwehrleute sind mit 150 Fahrzeugen und drei Hubschraubern im Einsatz. Aber angesichts extremer Trockenheit befürchten Umweltschützer, dass die Brände in den atomar verseuchten und 260 000 Hektar großen Urwäldern noch immer nicht gelöscht werden können.

,,Die Brandherde befinden sich oft in unzugänglichen Gehölzen, sind für Löschfahrzeuge nicht erreichbar", sagt Ljudmila Bogun, Bloggerin und Tschernobyl-Expertin, unserer Zeitung. ,,Es brennt auch in der Umgebung eines Schrottplatzes für atomaren Müll." Abgesehen von der akuten Gefahr drohen Klimawandel und Fahrlässigkeit die Waldbrände in der Sperrzone zu einem chronischen Problem zu machen.

Laut Bogun hätten stürmische Winde die am vergangenen Dienstag nur noch glimmenden Feuer neu entfacht. ,,Ein regelrechter Sandsturm tobte, und das in unseren Breiten." Sergij Gaschtschak vom Tschernobyl-Zentrum für Atomare Sicherheit und Radioökologie schreibt auf Facebook, die verwilderten Kiefermischwälder, aus denen die Zone zu 70 bis 80 Prozent bestehe, seien durch milde Winter mit sehr geringen Niederschlägen ausgetrocknet worden, ebenso Wasserläufe und Torfsümpfe. ,,Kaum irgendwo in Europa gibt es solch einen Umfang toter, hängender oder liegender Baumstämme. Eine wertvolle Komponente für ein neu wachsendes Ökosystems, aber im dürren Zustand reiner Brennstoff."

Nach Ansicht der Umweltschützer haben es die ewig klammen und oft korrupten Behörden versäumt, in dieser Taiga Brandschneisen anzulegen. Jetzt redet Innenminister Arsen Awakow von gezielter Brandstiftung, einer seiner Berater spekuliert auf Facebook über Provokateure, die mit dem Feuer Panik sähen wollten. Aber bei den bisher gefassten Verdächtigen handelt es sich um Dorfeinwohner, die zu Düngezwecken Altgraswiesen abbrennen wollten.

,,Wegen der Quarantäne", glaubt Sergij Mirny, Gründer und Chefökologe des Reiseunternehmens Tschernobyl Tour, ,,haben die Leute aus lauter Langeweile Gras angezündet." Außerdem strömten immer mehr illegale Touristen, ,,Stalker" in die Sperrzone. ,,Früher waren die meisten Stalker Philosophen", sagt Ljudmila Gobun, ,,sie betrachteten die Zone als Heiligtum." Aber es tauchten zunehmend Idioten auf, die sich betränken, grillten, in Ruinen Partys veranstalteten.

Die EU hat der Ukraine Hilfe angeboten und will die Region per Satellit überwachen, um Brandherde schneller zu entdecken. Aber der radioaktiv besonders verseuchte ,,rothaarige Wald" der Zone ist zum Teil schon abgebrannt.

Und in Kiew wurden Cäsium-Werte von 200 Mikrobecquerel gemessen, ein noch ungefährlicher Wert, der aber die natürliche Konzentration 200 mal übersteigt. ,,Wir reden von Cäsium, weil es gut erforscht ist", erklärt der Atomwissenschaftler Ivan Kovalets der Zeitung ,,Fakty". Im Gegensatz zu Strontium und anderen hochaktiven Radionukliden, die viel schwieriger zu messen seien. ,,Cäsium hin oder her, es ist unbekannt, was hinter solch einem ungewöhnlich hohem Wert steht." Niemand weiß, was der Rauch der Tschernobyler Waldbrände nach Kiew und anderswohin tragen kann.


Aus: "Wald um Tschernobyl brennt seit Wochen: Ärzte warnen vor radioaktiver Wolke – auch über Deutschland" Stefan Scholl (22.04.2020)
Quelle: https://www.fr.de/panorama/tschernobyl-atomkraftwerk-waldbrand-aerzte-warnen-radioaktiver-wolke-ueber-deutschland-13685057.html (https://www.fr.de/panorama/tschernobyl-atomkraftwerk-waldbrand-aerzte-warnen-radioaktiver-wolke-ueber-deutschland-13685057.html)

QuoteGregor Gerland

Homo demens in Hochform - "Vollkommen sicher, völlig gefahrlos", verkündete die Atomindustrie jahrelang, als es darum ging, ihre unverantwortliche Katastrophentechnik politisch durchzusetzen. Als 1979 in Harrisburg der Reaktorkern schmolz, hieß es, es sei ja "nicht wirklich etwas passiert", bei dem von Tschernobyl wurde abgewunken, es sei eben ein "Schrottreaktor der Russen" als in Fukushima gleich drei Kernreaktoren westlicher Bauart an einem Tag durchgingen, war man etwas kleinlauter, vorübergehend. Der "Schrottreaktor der Russen" strahlt jetzt wieder, fast 40 Jahre "danach". ...


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on April 22, 2020, 01:05:53 PM
Quote[...] Mit Gülle aus Schweineställen gelangen antibiotikaresistente Keime und Antibiotika großflächig in die Umwelt. Das ist das Ergebnis einer Laboranalyse von 15 Gülleproben aus Schweineställen in fünf Bundesländern. 12 der 15 Proben enthielten Bakterien mit Resistenzen gegen Antibiotika, in elf Proben ließen sich Bakterien mit Resistenz gegen Colistin nachweisen. Colistin ist als Reserveantibiotikum eines der letzten Mittel gegen bestimmte Infektionskrankheiten beim Menschen.

"Es ist unverantwortlich, Antibiotika und resistente Keime über die Gülle großflächig auf Äckern zu verteilen", sagt Greenpeace-Landwirtschaftsexperte Dirk Zimmermann. "Damit steigt das Risiko, dass Bakterien oder ihre Resistenzen Menschen erreichen und die Behandlung von Infektionen erschweren oder gar unmöglich machen. Reserveantibiotika wie Colistin müssen endlich aus der Tierhaltung verbannt werden."

Die Proben sind Greenpeace in den vergangenen Monaten zugespielt worden. Sie stammen aus Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen und Thüringen. Greenpeace prüfte die Angaben zu Ort und Zeit der Probenahmen und beauftragte ein Labor mit der Untersuchung. Das Ergebnis dieser Stichprobe wirft ein Schlaglicht auf eine besorgniserregende Entwicklung, die auch den Kampf gegen Pandemien erschweren kann. Zwar wirken Antibiotika nicht gegen Viren wie das Coronavirus. Aber Virusinfektionen werden oft von bakteriellen Infektionen begleitet. Und Bakterien können ebenfalls Auslöser von Epidemien sein - wie etwa Tuberkulose - die bislang dank Antibiotika noch beherrschbar sind.

Nach Angaben der EU-Kommission sterben schon jetzt allein in Europa jährlich etwa 33.000 Menschen an Infektionen mit antibiotikaresistenten Keimen. Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt vor einem "postantibiotischen Zeitalter", in dem Medikamente gegen bakterielle Infektionen auf breiter Front nicht mehr wirken, und fordert ein entschiedenes Vorgehen gegen zunehmende Resistenzen. In den Tierställen in Deutschland wurde in den Jahren 2011 bis 2018 zwar die Gesamtmenge eingesetzter Antibiotika von 1706 Tonnen auf 722 Tonnen gesenkt. Doch diese Entwicklung ist inzwischen ins Stocken geraten und bei besonders wichtigen Wirkstoffen ist der Rückgang weniger deutlich.

Würden Tiere wie in der ökologischen Landwirtschaft artgerecht auf mehr Fläche gehalten, könnten Antibiotika gezielter in viel geringeren Mengen eingesetzt werden. Damit wäre das Risiko geringer, dass Bakterien in den Ställen Resistenzen entwickeln. "Schlechte Haltungsbedingungen dürfen nicht länger durch Medikamente ausgeglichen werden", sagt Zimmermann. "Die Tierhaltung muss dringend umgestellt werde, sonst droht die globale Bedrohung durch Antibiotikaresistenzen außer Kontrolle zu geraten."

Quelle: ntv.de, lwe/dpa


Aus: "Greenpeace analysiert Gülle Schweinehalter verbreiten resistente Keime" (Mittwoch, 22. April 2020)
Quelle: https://www.n-tv.de/wissen/Schweinehalter-verbreiten-resistente-Keime-article21731067.html (https://www.n-tv.de/wissen/Schweinehalter-verbreiten-resistente-Keime-article21731067.html)

Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on April 30, 2020, 12:02:28 PM
Quote[...] Daniela Dahn ist Schriftstellerin und Publizistin. Zuletzt erschien ihr Buch Der Schnee von gestern ist die Sintflut von heute (Rowohlt 2019)

Wir entscheiden uns jetzt für Menschenleben, gegen die Wirtschaft, heißt es allenthalben stolz in Politik und Medien. Das ist das eigentlich Atemberaubende an dieser Corona-Situation, denn in der bisherigen Menschheitsgeschichte und bis vorgestern lief es immer umgekehrt. Wie war es mit einem Mal möglich, im Namen der Humanität alle bisher geltenden Spielregeln außer Kraft zu setzen? Selbst die des Profits und die der Ignoranz? Auch die Freiheitsrechte, weil sie jetzt angeblich eine tödliche Gefahr sein können? Woher die plötzliche und, ja, löbliche Ehrfurcht vor dem Leben? Man hatte sie bisher in der Politik, der Wirtschaft, selbst in Teilen der Medizin schmerzlich vermisst. Für dieses Phänomen hat es noch keine plausible Erklärung gegeben, nur Staunen. Und Angst.

Es geht hier also um anhaltende Wahrnehmungsprobleme von uns Verunsicherten, nicht um Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Medizin. Obwohl wir plötzlich herausgefordert werden, uns mit kausalen Zusammenhängen von Krankheit und Tod zu beschäftigen, sie zum Verständnis statistisch einzuordnen. Dabei wird man oft ganz schwindlig von Zahlen, zu denen jedes Koordinatensystem fehlt. Die hehre Absicht, sich für Menschenleben und gegen die Wirtschaft zu entscheiden, begann mit dem Lockdown im chinesischen Wuhan. Einem Riesenreich, in dem die normale tägliche Sterbezahl schon bei über 42.000 liegt. Die Sorge, die von Mensch zu Mensch übertragbare Epidemie hätte Millionen dahinraffen können, musste ernst genommen werden, bei diesem aggressiven Virus. Anfang Januar gaben chinesische Wissenschaftler das vollständig diagnostizierte Genom an die WHO, damit global Maßnahmen ergriffen werden können. Seither hat ein Staat nach dem anderen das Primat der Politik zurückerobert und im Namen der Humanität dirigistisch durchgegriffen.

Erstaunlich bleibt, dass seit Jahr und Tag, von der Gesellschaft ignoriert und unbetrauert, Millionen sterben, die mit ähnlich konsequenten Zugriffen zu retten gewesen wären. Da meine ich nicht mal die Krankheiten, die von der westlichen Medizin unzureichend erforscht werden, weil sie hauptsächlich die Entwicklungsländer betreffen. Ich meine uns. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sowohl 2013 wie auch 2018 übereinstimmende Studien veröffentlicht, nach denen pro Jahr sieben Millionen Tote allein durch verschmutzte Luft zu beklagen sind. Die Medien haben es unaufgeregt gemeldet: Die Menschen sterben an giftigen Partikeln in der Luft, an Sulfat, Nitrat, Ruß, Feinstaub – den Hinterlassenschaften der Wirtschaft und des Auto- und Flugverkehrs. Diese Stoffe sind für einen Großteil aller chronisch obstruktiven Lungenerkrankungen und Lungenkrebs verantwortlich, aber auch für ein Viertel der Todesfälle durch Herzkrankheiten und Hirnschlag. ,,Luftverschmutzung bedroht uns alle", wurde WHO-Chef Ghebreyesus zitiert. In Europa sterben an verdreckter Luft jährlich 550.000 Menschen – das wurde schon seltener erwähnt. In keiner Zeitung fand ich den Hinweis, dass die Lebenserwartung jedes Europäers durch verschmutzte Luft im Schnitt mindestens um ein Jahr gesenkt wird. Könnte, wenn man selbst unmittelbar betroffen ist, nicht endlich Erschrecken einsetzen? Keine Zeitung vermerkte die Todesopfer in Deutschland.

Man kann aber in Bonn, beim WHO-Regionalbüro für Europa, nachfragen. Die zuletzt veröffentlichte Studie geht davon aus, dass in Deutschland jährlich über 37.000 Menschen an den Folgen vergifteter Luft versterben. Ist Wundern noch erlaubt? Bei solchen Angaben ist man jetzt hellhörig geworden. Ich will von den Experten wissen, ob die Betroffenen an oder mit vergifteter Luft gestorben sind, ob die Kausalitäten so eindeutig feststellbar sind. Mir wird versichert, dass zwar nicht Individualfälle ausgewertet wurden, dass aber über längere Zeiträume repräsentative Rückmeldungen und ein besseres Verständnis der biologischen Mechanismen, die einsetzen, wenn man verschmutzter Luft ausgesetzt ist, ein nachweisbares Quantifizieren ermöglichen. Meine illustrierende Nachfrage, ob man davon ausgehen könne, dass diese verfrühten Todesfälle nicht eingetreten wären, wenn die Menschen in einem Luftkurort gelebt hätten, wurde eindeutig bejaht.

Jetzt hat der Lockdown aus dem ganzen Land einen Luftkurort gemacht. Doch die Ehrfurcht vor dem Leben galt nicht den 37.000 Klima-Opfern des Jahres 2020. Auch wurde dem Robert-Koch-Institut im vorigen Jahr kaum Beachtung geschenkt, als es seine Studie vorstellte, nach der in Deutschland jährlich bis zu 20.000 Menschen an Infektionen sterben, die sie nicht bekommen hätten, wenn sie nicht ins Krankenhaus gekommen wären. Die Gesellschaft für Krankenhaushygiene geht von weit höheren Zahlen aus. Eine Freundin wurde bei der Entbindung mit Salmonellen infiziert und hat seither ein chronisches Darmleiden. Ungezählte kommen krank aus Krankenhäusern zurück. Muss im 21. Jahrhundert wirklich noch an Krankenhauskeimen gelitten und gestorben werden? Dort, wo Infektionsschutz den Kliniken kein Geld bringt und deshalb an Hygienepersonal und Laboren gespart wird, allemal. In den Niederlanden hat der Kampf gegen Keime einen ganz anderen Stellenwert – dort gibt es dieses Problem kaum.

Halten wir fest: Wir haben in Deutschland durch versiffte Luft und versiffte Krankenhäuser, also durch von Menschen verursachte Übel, etwa 60.000 Todesfälle im Jahr. Da haben wir noch nicht über die überschrittenen Grenzwerte von Nitrat im Grundwasser gesprochen, für die Deutschland vom Europäischen Gerichtshof verurteilt wurde, oder das undurchsetzbare Tempolimit. All das wird hingenommen, ohne sich für das Leben, gegen die Wirtschaft zu entscheiden. Keine Katastrophe des Humanitären? ,,How dare you?" wurde zur Anklageformel gegen die Verantwortlichen in Politik und Konzernen.

Sicher, immer schon haben neue, ansteckende Epidemien mehr Aufmerksamkeit erfahren als die nicht übertragbaren schweren Gesundheitsschäden durch verseuchte Umwelt. Dabei fängt mit dem Begriff Umwelt die Verharmlosung schon an. Als seien wir der unangreifbare Fels, der zusieht, wie die Welt um ihn herum Schaden nimmt. Als seien vor allem Bäume, Bienen und Korallen gefährdet. Nein, Umweltschaden ist ein Euphemismus, der unterschlägt, dass wir Teil des Geschehens sind. Der Mensch selbst ist der personifizierte Umweltschaden. Mit unseren entzündeten Atem- und Verdauungstrakten, den geschwächten Immunsystemen, sind wir die perfekten Wirte für Keime und Viren aller Art. Eine vorbeugende Impfung gegen Klimaschäden wird es nie geben. Eine Pille auch nicht. Und Intensivtherapie kommt erst, wenn intensive Prävention versäumt wurde.

Die WHO bemüht sich seit Jahren, ein Bewusstsein für diese Zusammenhänge zu schaffen. Doch die Betroffenen waren bisher ohnmächtig gegen eine Wirtschaft, die ein Geschäft aus dem Leid macht. Allein die Kosten zur Behandlung derjenigen, die noch nicht an vergifteter Luft gestorben sind, schätzen die WHO-Experten in ihrem Bericht zur Klimakonferenz in Kattowitz auf mehr als fünf Milliarden Dollar im Jahr. Der Preis des Klimawandels schlägt sich in den Hospitälern nieder. Wenn EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen fordert, man müsse nun den Unternehmen helfen, ,,angesichts der von ihnen unverschuldeten Corona-Krise", übersieht sie, dass den Bürgern schon immer die Rechnung für den Naturverschleiß der Wirtschaft auferlegt wurde. Die Staaten mit dem höchsten Ausstoß an krankmachenden Gasen müssen etwa vier Prozent ihrer Wirtschaftsleistung aufbringen, um die Schäden ihrer Unternehmen einzudämmen. Dabei würde es nur ein Prozent der globalen Wirtschaftsleistung kosten, den Pariser Klimavertrag zu erfüllen. Und so auf Dauer Millionen Menschen vor dem Tod zu bewahren. Warum greifen hier die humanistischen Werte nicht?

Die WHO ist nicht erst jetzt ins Gerede gekommen, wo der oberste Welt-Sündenbock-Finder ihr ausgerechnet in größter Not die US-Beiträge streicht. Zwar konnte sie die Pocken ausrotten und durch Aufklärung den Verbrauch von Nikotin stark senken. Und die Lebenserwartung ist in den meisten Ländern trotz allem gestiegen, auch wenn die gewonnenen Jahre oft mit Einschränkungen verbunden sind. Aber angesichts ihrer auf das Überleben der Menschheit gerichteten Aufgabe, war die WHO immer unterfinanziert. Letztlich ist diese UN-Organisation in Forschung und Betreuung nicht leistungsfähiger, als es der Wille ihrer 194 Mitgliedstaaten zulässt. Das macht sie abhängig von privaten Sponsoren, die inzwischen zum Hauptgeldgeber geworden sind. Man muss einem Bill Gates nicht jeglichen Altruismus absprechen. Aber Unternehmer verbinden ihren Edelmut am liebsten mit Geschäftemacherei. Die Gates-Stiftung hat Kinder und Frauen insbesondere aus Afrika zur Feldforschung benutzt, ihre Impfungen haben geholfen und geschadet. Jetzt wartet alle Welt auf den Messias, der Erlösung durch Corona-Impfung bringt. Also nicht nur eine vorübergehende, sondern die ultimative Lösung. Wieso sollte es gelingen, einen Stoff zu entwickeln, der schneller da ist als die Mutation von Covid-19? Wir kennen das Hase-und-Igel-Rennen von den Grippeimpfungen. Heilsversprechen ist zu misstrauen, erst recht, wenn sie von Privatfirmen kommen.

Der Machtkampf in der WHO spielt sich nur vordergründig zwischen den USA und China ab. Der eigentliche Konflikt besteht zwischen denjenigen, die das Übel an der Wurzel packen wollen, also an der Armut, den maroden privatwirtschaftlichen Gesundheitssystemen und der vergifteten Natur, deren Teil wir Menschen sind. Und denjenigen, die gegen das Gift vor allem ein Gegengift verkaufen wollen. Medikamente, Impfungen, Intensivtherapien, Apps. Diese Wirtschaft tötet, hat Papst Franziskus angeklagt, ohne dass sich etwas verändert hätte. Erst als das tödliche Virus kam und mit ihm die tägliche Katastrophen-Berichterstattung ein intransparentes Gefährdungsgefühl verbreitete, bebildert auf den Smartphones der Welt erstmals mit als Marsmenschen verkleideten Medizinern, mit überfüllten Leichenhallen, Särgen und gespenstisch leeren Städten, musste und durfte die große Wirtschaft vorübergehend aufhören zu töten. Während die kleine mitgeopfert wurde.

Der Autor der Pest, Albert Camus, wusste: ,,Es ist die natürliche Neigung des Menschen, sich und alle Welt mit sich zu ruinieren." Ist, was wir gerade erleben, mit der Logik des Absurden besser zu beschreiben als mit der des Rationalen? Denn die würde die Ursache als Prämisse nehmen und die Folge in Relation zu vergleichbaren Folgen setzen. Wer die Ängste und Entbehrungen der letzten Wochen mit der Hoffnung entschädigt, so bald wie möglich zu seinem gewohnten Leben zurückzukehren, hat die Botschaft des Virus nicht verstanden..


Aus: "Verrückte Maßstäbe" Daniela Dahn (Ausgabe 17/2020)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/daniela-dahn/verrueckte-massstaebe (https://www.freitag.de/autoren/daniela-dahn/verrueckte-massstaebe)

Quote
gsyme | Community

Schöner Artikel. Für mich ist das aber überhaupt kein Rätsel, warum beispielsweise beim Theme Luftverschmutzung nichts passiert, obwohl mehr Menschen jährlich daran sterben.
An der Luftverschmutzung leiden ja nicht alle gleich. Wer an einer Hauptstraße zur Miete wohnt, oder die Autobahn repariert leidet um ein vielfaches mehr. Selbst in der dreckigen Autostadt Stuttgart kann man saubere Luft atmen, wenn man in eines der Villenviertel geht. Ach ja, die CDU/SPD Regierung ist der Autolobby hörig, noch fragen?

Wenn im Krankenhaus Menschen an Keimen sterben, juckt das die Menschen nicht, die sich ohnehin in Privatkliniken behandeln lassen, wo ganz andere Standards gelten. Wen wählen die noch gleich?

Beim Virus ist es aber nicht so leicht sich zu schützen. Es kann jeden treffen, egal wie dick der Geldbeutel ist. Auch vor der Villa muss jemand das Gras mähen und bei dem kann man sich anstecken, oder beim Lieferservice. Die eingenen Kinder sind in der Privatschule ebenfals nicht mehr sicher.

Deshalb wird etwas dagegen unternommen und dabei was von "Menschlichkeit vor Wirtschaft" gefaselt. Wie weit man dem glauben kann wird schön in dem Artikel erläutert.

Ach ja, und wer stirbt an dem Virus noch mal am leichtesten? Etwa der Teil der Bevölkerung der noch CDU wählt?! Gibt es da vielleicht auch einen Zusammenhang?


Quote
eichardt-29221celle | Community

Liebe Daniela Dahn, Sie fragen in Ihrem Artikel: "Wie war es mit einem Mal möglich, im Namen der Humanität alle bisher geltenden Spielregeln außer Kraft zu setzen? Selbst die des Profits und die der Ignoranz?" Und letztlich "Warum greifen hier die humanistischen Werte nicht?" Und verbleiben ohne Antwort. Vielleicht darf ich unternehmen, Ihnen einen Antwortansatz vorzuschlagen: Meine Freunde und ich haben uns diese Fragen regelrecht baff bereits Mitte März gestellt und sind, um mein großes Vorbild Käpt'n zu zitieren, durch "bloßes Nachdenken" auf folgenden Erklärungsansatz gekommen: Würden sich die Corona-Opfer übers Jahr verteilen, würde dies kein Lockdown, keine Schutzmasken, keine Absage von Veranstaltungen nach sich ziehen - es würde, so wie viele andere Todes- und Leidensursachen (die ökonomische Gründe haben) billigend in Kauf genommen werden. Das exponentielle Wachstum zeitigt ungebremst aber die Folge, dass sich der Peak der Sterberate in einem relativ kurzen Zeitraum ereignet. Sprich, jedes Gesundheitssystem, auch unser durch das DRG-System zusammengespartes Gesundheitssystem, wäre mit solch einer Rate überlastet. Es geht bei dem Ganzen um das Sichtbare, das nicht mehr "unter den Tisch zu kehrende" . Daher, sagen z. B. auch alle Ministerpräsidenten, die bei Markus Lanz eingeladen sind, dass es im Kern um die Anzahl der Intensivbetten geht und dass die Zahl der Infizierten so gering zu halten ist, dass ausreichend Intensivbetten zur Verfügung. Es also vor allem um eins geht: eine Triage unter allen Umständen zu vermeiden. Denn das wird m. E. als Bankrotterklärung des Staates, der Regierung und damit des Systems verstanden. Denn der Deal zwischen Staat und Bürger wird so gesehen: Der Bürger tritt alle möglichen Rechte an den Staat ab und der Staat garantiert dafür im Gegenzug bestimmte Infrastrukturleistungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, bestimmter öffentlicher Güter und Rechtssicherheit. Sprich, es geht im Kern um die Legitimation der Macht. So, ist mein Blick auf die Sache in der von Ihnen gestellten Frage. Ich denke aber, dass das den meisten Politikern nicht bewusst ist, respektive von denen nicht so gesehen wird. Angela Merkel, so mein Gefühl, hat dafür aber einen ausgesprochenen "Riecher", welche Bilder sie in der öffentlichen Wahrnehmung zulassen darf und welche nicht. So sehe ich z. B. auch ihr zeitweiliges Handeln in der Flüchtlingspolitik ("Willkommenskultur) motiviert - und nicht als ethisch motiviert.

Mit Ihren letzten Absatz mag ich mich gar nicht anfreunden. Ich habe alle Bücher von Camus gelesen, eine "Logik des Absurden" gibt es bei Camus nicht. Im "Mythos von Sisyphos" geht es um andere existentielle Kategorien, und vor allem sollte man "Der Mensch in der Revolte" und dessen essenziellen Ansatz rezipiert haben, wenn man sich zu Camus äußert. Eine Analogie von Camus Roman "Die Pest" (in meinen Augen sein literarisch schlechtester Text) zur jetzigen Pandemie finde ich wohlfeil. Camus "Pest" sollte zudem immer auch als Allegorie auf totalitäre Systeme gelesen werden. Und ob es eine Botschaft eines Virus gibt, habe ich bereits bei HIV und damit einhergehenden Konnotationen bezweifelt.

Viele GrüßeStefan Eichardt29221 Celle


Quote
Hjoburg | Community

Diese Heuchelei ist einfach unerträglich. Ich könnte hier unendliche Artikel aus den vergangenen Jahren zitieren, die genau das Gegenteil ausgesagt haben. Hier nur ein paar Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit:

Was für unerbittliche Spaltungsversuche wurden in der Rentenfrage unternommen, um Jung und Alt zum Nachteil der Alten auseinanderzudividieren? Oder wie war es mit den unerträglichen Debatten, ob man Älteren über 80 Jahre noch ein neues Hüftgelenk implantieren sollte? Oder die Armutsrenten, die täglich zigtausende zur Suppenküchen, Flaschensammeln motivieren?

Auch stellte sich Fridays for Future die Frage, warum denn die Großeltern immer noch jedes Jahr reinreden würden? Schließlich seien sie eh bald nicht mehr dabei. Oder war das nur wieder ... Satire?

Halten wir fest: In weiten Teilen der medialen Darstellung und der öffentlichen Wahrnehmung galten alte Menschen zunehmend als jene gesellschaftlichen Störfaktoren, die keinen wirtschaftlichen Mehrwert erbringen, die dem jungen Steuerzahler sowieso nur auf der Tasche liegen würden und zu guter Letzt auch noch die Welt versaut hätten, in der die heute jungen Menschen nun leben müssten.

Und jetzt auf einmal stellen wir dieser langjährigen Aversion zum Trotz das öffentliche Leben ein, um diese — Vorsicht! Ironie! — alten Säcke zu schützen? Dies passt nicht zusammen!


Quote
gelse | Community

>>In Europa sterben an verdreckter Luft jährlich 550.000 Menschen...<<

Im Alltag verliert das Grauen seine Grausamkeit eben durch die Alltäglichkeit. Schon drängen allerlei Kapitallobbyisten, allen voran der Automobilindustrie auf Wiederherstellung des tödlichen Alltages. Dass der Strassenunfall, mit ca. 3500 Toten und ca. 60 000 Schwerverletzten jährlich auch elektrisch herstellbar ist: Fast vergessen, denn zuerst muss der kranke Atemluftstandard wiederhergestellt werden. ...


Quote
qbz | Community

Ihr Beitrag hat mich angeregt, über Ihre Fragestellung nachzudenken.

Die Infektionsschutzmassnahmen ergeben sich zwingend (!) aus dem § 2 des Grundgesetzes: ,,Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich." Träger dieses Rechtes ist jeder Mensch und es verpflichtet die staatliche Gewalt, es zu schützen. So muss z.B. jede Tuberkulose dem Gesundheitsamt gemeldet werden, das dafür sorgt, notfalls mit Zwangsmitteln wie psychiatrische Einweisung, dass ein Erkrankter sich behandeln lässt und keine anderen Menschen durch Ansteckung gefährdet. Jeder hat das Recht, vor einer möglicherweise tödlichen Infektionskrankheit durch die staatliche Gewalt geschützt werden. In den Ländern, wo das nicht der Fall ist, sterben weltweit ca. 1,4 Millionen an Tuberkulose und es werden dort auch Millionen wegen Covid-19 sterben.

Wie nun die staatliche Gewalt die körperliche Unversehrtheit garantiert, muss in der Demokratie ausgehandelt werden, was natürlich auch eine Frage der Machtverhältnisse zwischen den sozialen Klassen ist. So existieren für die Luftverschmutzung und viele Umweltgifte, an die alle irgendwie direkt oder indirekt beteiligt sind, eben zwischen den Klassen ausgehandelte Grenzwerte, welche der Staat einhalten muss. Und für eine möglichweise neue tödliche Infektionskrankheit müssen die Erkrankten und Kontaktpersonen in Quarantäne, damit das Recht der anderen auf Unversehrtheit gewahrt bleibt.

Der von Ihnen aufgestellte Hauptkonflikt:

"Der eigentliche Konflikt besteht zwischen denjenigen, die das Übel an der Wurzel packen wollen, also an der Armut, den maroden privatwirtschaftlichen Gesundheitssystemen und der vergifteten Natur, deren Teil wir Menschen sind. Und denjenigen, die gegen das Gift vor allem ein Gegengift verkaufen wollen. Medikamente, Impfungen, Intensivtherapien, Apps."

teile ich so nicht. Medikamente, Impfungen, Intensivtherapien pauschal als Gift zu bezeichnen, ist doch absurd. Überall da, wo diese "Gifte" fehlen, sterben die Menschen viel früher als in den Ländern, wo sie für alle verfügbar. Dass nun die medizinischen Güter ebenfalls der Profitmaximierung dienen, heisst jetzt nicht, sich gegen diese Güter zu wenden. Das wäre Maschinenstürmerei.


Quote
Lacrima | Community

"Wahrnehmungsprobleme von uns Verunsicherten"

... von euch Verunsicherten, wer immer sich darunter subsummieren lassen mag; ich bin nicht verunsichert.

Eine interessante Frage, wie man sich das Leben von derzeit etwa 7 Milliarden Menschen ohne Wirtschaftskreisläufe und Lieferketten vorstellt. Es steht zu befürchten, dass die Fragestellung des Blogs darauf hinweist, dass der Autorin der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und schierem Überleben von Milliarden nicht klar ist.


Quote
Insel-Banker | Community

Herzlichen Dank für die im Detail absolut zutreffende Analyse der humanitären Verirrungen des Homo sapiens, dem gnadenlosen systemischen Manipulator des eigentlich Natürlichen! Ich schätze Ihre Arbeit sehr und möchte ausdrücklich anerkennen, dass Sie den Finger in verschiedene Wunden legen, von denen es aber noch so unglaublich viele mehr gibt.

Allerdings ist Ihr Text auf der anderen Seite (augenscheinlich völlig unbewusst) ein leibhaftiger Ausdruck dessen, warum die Menschen permanent daran scheitern, ,,Humanität" angemessen zu leben: Wie fast alle Menschen heutzutage bringen Sie Ursache und Wirkung durcheinander. In Ihrer Frage wird dieses deutlich:

Dahn: ,,Wie war es mit einem Mal möglich, im Namen der Humanität alle bisher geltenden Spielregeln außer Kraft zu setzen? Selbst die des Profits und die der Ignoranz? ... Woher die plötzliche und, ja, löbliche Ehrfurcht vor dem Leben?"

Orientiert man sich allerdings an der historischen Wirklichkeit, dass der Mensch aus evolutionärer Sicht der Meister der Kooperation und damit (wie so viele wissenschaftliche Erkenntnisse nahelegen) ein höchstgradig soziales Wesen ist, und nicht an der eingeredeten Illusion, also an dem extrem manipulativen ökonomischen Mantra, dass der Mensch von Natur aus ein völliger Egoist sei und schon immer das Gesetz des Stärkeren gelte, dann müsste diese Frage genau andersherum lauten:

Wie konnte es in der Entwicklung der Menschen geschehen, dass ökonomisch bedingte Ignoranz und allumfassendes Profitstreben die tief im Menschen verwurzelte Humanität verdrängt hat?

Achtung: An dieser Stelle geht es in erster Linie um ökonomische Zusammenhänge und nicht um Machtmissbrauch und Unterdrückung anderer und der damit verbundenen barbarischen Gewalt.

Durch die Industrialisierung (ab etwa dem 18. Jh.) und die Ökonomisierung des Lebensalltags erfuhren die Lebensart und die geistige Haltung der Menschen einen tiefen Wandel. Hiezu die Darstellung des Soziologen Gerhard Vowinkel (geb. 1946). Er beschreibt im Folgenden – mit Verweis auf das Werk »Der moderne Kapitalismus« von Werner Sombart (1931, S. 258f) – die gesellschaftlichen Veränderungen, die die neue Wirtschaftsordnung mit sich brachte:

"Im Mittelalter war wirtschaftliche Tätigkeit personal orientiert gewesen. Menschen wuchsen – nicht als wirtschaftliche Funktionsträger, sondern als individuelle, durch ihre Abstammung in soziale Beziehungsnetze eingebundene Personen – in Lebenszusammenhänge hinein, in denen die unterschiedlichen menschlichen Lebenstätigkeiten noch nicht voneinander differenziert waren. Das heißt, ihr wirtschaftliches Handeln konnte sich niemals nach vorwiegend wirtschaftlichen Gesichtspunkten richten. Es wurde dominiert durch die verwandtschaftlich-ständischen Bindungen. Die mit ihnen verbundenen Solidaritätspflichten waren wichtiger als Gewinn und Verlust. Mehr noch, alles Handeln nach Gesichtspunkten rein wirtschaftlicher Rationalität wurde als asozial und unmoralisch angesehen. Mit der Entstehung des Kapitalismus spalteten sich die Handel und Gewerbe treibenden Personen innerlich auf in Geschäfts- und Privatleute. Der Geschäftsmann nahm nicht mehr länger Rücksicht auf die Verpflichtungen des Privatmannes. Er kannte Verwandte und Freunde nicht mehr und orientierte sein Verhalten nur noch am wirtschaftlichen Erfolg, am Gewinn. Er nahm als Geschäftsmann keine Rücksicht auf andere Leute und erwartete keine von ihnen. ... Der Geschäftsmann, der seine private Person nicht aus dem Geschäft heraushalten kann, der bei Freunden kauft, statt beim billigsten Anbieter, der statt eines leistungsfähigen Fachmannes seinen Sohn zum Geschäftsführer macht, gefährdet das Unternehmen. Unternehmen, die solche Gefahren abwehren können, überleben diejenigen, die es nicht können." (,,Verwandtschaft und was Kultur daraus macht", Gerhard Vowinkel, aus: ,,Zwischen Natur und Kultur", Stuttgart 1994, S. 60:)

Fazit: Es sind die Menschen selber, die sich Inhumanität aus ökonomischen Gründen permanent einreden. Im Grunde ist der ökonomisch infizierte Mensch schlimmer als der ,,schlimmste" Junkie, der sich eine andere Realität erst gar nicht mehr vorstellen kann. Und dann plötzlich bahnt sich das Humane völlig unverhofft doch seinen Weg: vor allem in Extremsituationen, in denen nicht der eingeredete Schwachsinn, sondern die tiefste Prägungen, ja sogar genetisch Verankertes abgerufen werden. Das sollte die entscheidende Erkenntnis in diesen Zeiten sein.

Wenn wir Menschen daraus wirklich lernen wollen, dann müssen wir erkennen, dass wir so schnell wie möglich tabulos Inhumanität fördernde Systeme verlassen und Humanität fördernde installieren.

Wenn in tausend Jahren auf uns zurückgeblickt wird, dann dürfte wohl an erster Stelle die erstaunte Belustigung darüber stehen, wie wir uns einerseits ein absolut asoziales, alles dominierendes Wirtschaftssystem geleistet und uns andererseits in humanistischen Sonntagsreden darüber empört haben, wie egoistisch und inhuman sich viele Einzelne denn verhielten.

Wer also jetzt wirklich dazu lernen möchte, dem bleibt genau nichts anderes übrig, als von jetzt an die Neuinstallation eines wesentlich klügeren Systems lautstark kompromisslos einzufordern, denn innerhalb eines auf falschen Voraussetzungen basierenden Systems, kann es auf Dauer keine ,,richtigen" Maßnahmen geben.

Wir brauchen den Systemwechsel jetzt. Solidarität und Kooperation müssen das Fundament der künftigen Gesellschaft sein, in der Eigen-, Fremd-, Gemein- und Universalwohl gleichermaßen ernsthaft und je nach Situation abgewogen berücksichtigt werden müssen! Und natürlich soll die Demokratie dadurch gestärkt und nicht geschwächt werden, und natürlich geht es um ein funktionstüchtiges System und kein ,,sozialistisches Wolkenkuckucksheim".

Dahin kommt man allerdings nur, wenn man die richtigen Fragen stellt und die Antworten dann auch zu Kenntnis nimmt.


Quote
reziplikativ | Community

,,In der Krise gehen Menschenleben vor Wirtschaft."

Ist dem so? Wer zynischen und gleichermaßen profilierungsgeilen Politikerdarstellern wie Lindner oder Palmer zuhört, den Bundestagspräsidenten aufmerksam liest, sich journalistische Kommentare und Tweets reinzieht, der könnte in einigen Bereichen durchaus zu einem anderen Urteil kommen. Es sind aktuell ja gerade Teile der Eliten und der Meinungsmacher, die verbal mit dem Leben anderer Vabanque spielen, dabei "eindrucksvoll" zeigen, wie wenig bis nichts sie z. B. für Alte und Schwache übrig haben. Es kommt halt eben auch weiterhin zuerst das Fressen, erst dann kommt die Moral. Daran wird selbst das Virus nichts ändern.


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on May 25, 2020, 09:01:03 PM
Quote[...] BERLIN taz/afp/rtr | Der Chemiekonzern Bayer hat sich im Rechtsstreit über Krebserkrankungen durch das Pestizid Glyphosat einem Medienbericht zufolge mit vielen Klägern geeinigt. Das Leverkusener Unternehmen habe Vereinbarungen mit 50.000 bis 85.000 der schätzungsweise 125.000 Kläger in den USA getroffen, meldete die Nachrichtenagentur Bloomberg am Montag unter Berufung auf Verhandlungskreise. Die Vereinbarungen müssten noch unterzeichnet werden.

Die Entschädigungen für die Kläger reichen von einigen Tausend Dollar bis zu einigen Millionen Dollar pro Fall. Laut Bloomberg wird Bayer der Vergleich rund 10 Milliarden Dollar kosten.

Bayer hatte 2018 den US-Saatguthersteller Monsanto übernommen, der auch glyphosathaltige Unkrautvernichtungsmittel produziert. Die Kläger machen diese Pestizide für ihre Krebserkrankungen verantwortlich. Nach ersten Gerichtsentscheidungen begann ein Mediationsverfahren, in dem Möglichkeiten für einen Vergleich ausgelotet werden sollen. Laut Bloomberg sollen die nun erzielten Vereinbarungen im Juni bekannt gemacht werden. Der Aufsichtsrat von Bayer müsse zuvor noch zustimmen.

,,Die Wahrscheinlichkeit ist sehr hoch, dass dieser Vergleich im Rechtsstreit über Glyphosat so abgeschlossen wird", sagte Markus Mayer, Analyst von Chemieaktien bei der Baader Bank, der taz. Allerdings: ,,Wenn der Vergleich 10 Milliarden Dollar kosten wird, wird sich die Übernahme nicht rechnen. Sie wird mehr kosten, als sie einspielt. Meine Bewertungsmodelle zeigen, dass die Übernahme ohne die Glyphosat-Rechtsrisiken binnen 20 Jahren nur 5 bis 7 Milliarden Dollar Wertsteigerung bringen würde."

Auch die Debatte über das mutmaßliche Krebsrisiko durch Glyphosat dürfte der Vergleich nicht beenden. ,,Das ist ein Zugeständnis an die Kläger", sagte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker der österreichischen Umweltorganisation Global 2000, der taz. In den bisher drei US-Prozessen sei Bayer zu hohen Schadenersatzzahlungen verurteilt worden, weil das Pestizid Tumore verursacht habe. Die Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation stufe Glyphosat nach wie vor als ,,wahrscheinlich krebserregend" ein.

Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner kritisierte, es sei widersinnig, dass Bayer in den USA Vergleiche mit Geschädigten schließen wolle und in der EU eine neue Zulassung für Glyphosat beantragt habe. Bayer-Aktien legten nach dem Bloomberg-Bericht um fast 7 Prozent auf 61,58 Euro zu. Ein Unternehmenssprecher erklärte lediglich, Bayer habe in den Mediationsgesprächen Fortschritte erzielt.

Aktionäre hatten den Monsanto-Kauf scharf kritisiert, weil der Aktienkurs verfiel. Bei der Hauptversammlung Ende April 2019 hatten sie deshalb Konzernchef Werner Baumann und dem Vorstand mehrheitlich die Entlastung verweigert. Der Aufsichtsrat stellte sich damals aber hinter den Vorstand. Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte Pestizidwirkstoff. Umweltschützer machen ihn mitverantwortlich für das Aussterben von Pflanzen- und Tierarten.


Aus: "Einigung mit vielen Krebsklägern" Jost Maurin (25.5.2020)
Quelle: https://taz.de/Glyphosat-Prozesse-gegen-die-Bayer-AG/!5684927/ (https://taz.de/Glyphosat-Prozesse-gegen-die-Bayer-AG/!5684927/)

QuoteOtto2 #9

Blackrock war der Strippenzieher. Der Vermögensverwalter verfügte über Anteile bei Bayer und Monsanto. Monsanto steckte mit Glyphosat in einer gewaltigen Klemme.
Die Idee: Bayer kauft Monsanto, zahlt neben dem Kaufpreis viele Mrd. Entschädigung und die Vermögen, die Blackrock verwaltet sind - wenn es gut geht - gerettet.
Fazit: Dieser Vermögensverwalter hat die Fähigkeit, selbst Weltkonzerne zu dirigieren - eine interessante Weiterentwicklung von Marktwirtschaft!
Lesen Sie dazu in der Süddeutschen Zeitung:

21. September 2016, 15:20 Uhr: Monsanto und Bayer:Bei Bayer und Monsanto reden auf beiden Seiten dieselben Investoren mit
https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/monsanto-und-bayer-bei-bayer-und-monsanto-reden-auf-beiden-seiten-dieselben-investoren-mit-1.3170377 (https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/monsanto-und-bayer-bei-bayer-und-monsanto-reden-auf-beiden-seiten-dieselben-investoren-mit-1.3170377)


...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on May 28, 2020, 10:04:05 AM
Quote[...] BERLIN taz | Der Pestizidhersteller Monsanto hat viel mehr für Lobbyarbeit zur Wiederzulassung von Glyphosat gezahlt, als er im EU-Transparenzregister angegeben hatte. Das US-Unternehmen überwies der PR-Agentur FleishmanHillard für die Kampagne 2016/2017 rund 14,5 Millionen Euro, wie aus einem Bericht im Auftrag des Bayer-Konzerns hervorgeht, der Monsanto 2018 übernommen hat. Monsanto teilte dem amtlichen Register jedoch mit, man habe maximal 1,45 Millionen Euro für seine gesamte Lobbyarbeit von September 2016 bis August 2017 aufgewendet – genauso wie im Jahr danach.

,,Monsanto hat die Öffentlichkeit irregeführt", sagte Nina Holland, Rechercheurin bei Corporate Europe Observatory (CEO), am Dienstag der taz. Das Transparenzregister von EU-Kommission und Europaparlament soll offenlegen, wie Organisationen mit finanziellen und personellen Mitteln die Politik beeinflussen.

Ziel der Lobbykampagne von Monsanto war die Wiederzulassung von Glyphosat in der EU, was 2017 tatsächlich erfolgte – obwohl die Weltgesundheitsorganisation den weltweit meistverkauften Pestizidwirkstoff 2015 als ,,wahrscheinlich krebserregend" einstuft.

FleishmanHillard legte Listen über insgesamt 1.500 Industrie- und Verbandsvertreter, Politiker, Lobbyisten und Journalisten in mehreren EU-Ländern an. Die Agentur sollte Argumentationen entwickeln und zum Beispiel Bauern helfen, in Briefen an Politiker für das Pestizid zu werben. An der Kampagne beteiligten sich 59 Lobbyisten von FleishmanHillard oder deren Sub-Auftragnehmer. All das veröffentlichten die Unternehmen erst, nachdem Medien 2019 auf die Datensammlungen der PR-Leute gestoßen waren.

,,Es gab keinen Zweifel, dass die Summe von 14,5 Millionen Euro hätte offengelegt werden müssen", sagte CEO-Aktivistin Holland. Den Regeln zufolge muss das Register jegliches Lobbying ,,zum Zweck der unmittelbaren oder mittelbaren Einflussnahme auf EU-Organe, unabhängig vom Ort, an dem die Tätigkeiten ausgeführt werden", enthalten.

,,Die Wiederzulassung von Glyphosat war eine EU-Entscheidung, mit einer endgültigen Abstimmung durch die EU-Mitgliedstaaten", argumentiert die Aktivistin. FleishmanHillard habe gezielt Entscheider in Brüssel sowie in den EU-Ländern beeinflusst. Die Firmen hätten die Kosten in ihren Registereinträgen nennen müssen. ,,Das hätte der Öffentlichkeit und den Entscheidungsträgern ein realistischeres Bild der Lobbymacht der Pestizidindustrie vermittelt", sagte Holland. Monsanto und FleishmanHillard müssten aus dem Register gestrichen werden – und dadurch den Zutritt zu Gebäuden des Europäischen Parlaments verlieren.

Das Sekretariat des Registers antwortete CEO, Monsanto habe nur die Kosten für das Lobbying in Brüssel, aber nicht die Tätigkeiten in den Mitgliedsländern gemeldet. Um Interpretationen in diesem Sinne künftig zu verhindern, werde man die Regeln ändern. Da Monsanto nach der Übernahme keinen eigenen Eintrag im Register mehr habe und Bayer die Zahlen schließlich veröffentlicht habe, seien keine weiteren Sanktionen nötig.

Die angekündigte Klarstellung begrüßte CEO. Aber ,,Strukturprobleme" des Registers, weshalb zu geringe Angaben über Lobbyausgaben lange unentdeckt blieben, würden fortbestehen: Das Sekretariat habe zu wenig Personal, um die Daten zu prüfen, sagte Holland. Bayer-Sprecher Holger Elfes schrieb der taz, dass der Konzern ,,anders [als Monsanto] gehandelt und auch die Aktivitäten in den EU Mitgliedstaaten in seine Erklärung aufgenommen" habe. ,,Wir werden selbstverständlich auch in Zukunft höchste Standards in Sachen Transparenz einhalten", so Elfes.


Aus: "Pestizidhersteller Monsanto: Die heimlichen Glyphosat-Gelder" Jost Maurin (27. 5. 2020)
Quelle: https://taz.de/Pestizidhersteller-Monsanto/!5688629/ (https://taz.de/Pestizidhersteller-Monsanto/!5688629/)

...
Title: Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on July 08, 2020, 12:00:31 AM
Quote[...] Bei einer Ölkatastrophe im Norden Russlands bei Norilsk ist nach Behördenangaben ein Schaden in Milliardenhöhe für die Umwelt entstanden. Allein an den Gewässern belaufe sich die Summe auf mehr als 147 Milliarden Rubel (1,8 Milliarden Euro), teilte die russische Naturschutzbehörde Rosprirodnadsor mit. Der Schaden für die Böden liege noch einmal bei rund 739 Millionen Rubel.

Ende Mai waren nach einer Havarie in einem Heizkraftwerk des Unternehmens Nornickel in Sibirien 21.000 Tonnen Öl ausgeflossen. Umweltschützer von Greenpeace sprachen von der größten Ölkatastrophe in der Geschichte der russischen Arktis.

"Das Ausmaß des Schadens an den arktischen Gewässern ist beispiellos", sagte auch Umweltminister Dmitri Kobylkin der Agentur Interfax zufolge. Präsident Wladimir Putin hatte den Ausnahmezustand angeordnet. Er verpflichtete den Inhaber von Nornickel, Wladimir Potanin, für den Schaden aufzukommen. Der vermögende Potanin hatte nur eine Millionen-Summe für die Beseitigung der Schäden nahe der Industriestadt Norilsk genannt.

Zuletzt hatten sich in der russischen Tundra die Umweltskandale gehäuft. Nornickel hatte eingeräumt, hochgiftige Flüssigabfälle mit Schwermetallen und Säure in einen Fluss geleitet zu haben. Zudem brannte in der Nähe von Norilsk eine Müllkippe mit Industrieabfällen. Die russischen Ermittlungsbehörden leiteten mehrere Strafverfahren ein.

Die kremlkritische Zeitung Nowaja Gaseta kritisierte Behördenversagen bei den Umweltkontrollen in der seit Jahrzehnten von Verschmutzung geplagten Region. Zudem gebe es Kungeleien zwischen der Konzernführung von Nornickel und dem Staat, weshalb Verstöße gegen Umweltauflagen ungesühnt blieben, hieß es.


Aus: "Russland: Milliarden-Schaden durch Ölkatastrophe in Norilsk" (6. Juli 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-07/russische-arktis-oelkatastrophe-milliarden-schaden (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-07/russische-arktis-oelkatastrophe-milliarden-schaden)

Quote1971koepi #7

"Ein reicher Industrieller soll zahlen"

Was ist das für eine Formulierung?...


Quote
Rudi_57 #7.1

Das stimmt nicht ganz, stimmt auch im ZON - Artikel nicht.
Nornickel, vormals Norilsk Nickel, ist eine AG nach russischem Recht, an der Moskauer Börse notiert.
Wladimir Potanin ist lediglich über eine Holding größter Aktienbesitzer mit ca 34%, weitere Prominente in dem Aktionärsclub der Nornickel sind Oleg Derispaska und Chelsea's Roman Abramovich. Natürlich sind die Herrschaften jeweils über Holdings beteiligt. Sie persönlich haftbar zu machen, dürfte in Russland schwierig werden. ...

https://en.wikipedia.org/wiki/Nornickel

https://www.nornickel.com/


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on July 29, 2020, 10:30:12 AM
Quote[...] Im vergangenen Jahr sind weltweit 212 Umweltschützer getötet worden, wie aus einer am Mittwoch von der Nichtregierungsorganisation Global Witness veröffentlichten Studie hervorgeht. Das sind durchschnittlich mehr als vier Morde pro Woche – und mehr als jemals zuvor. Zudem werden Umweltschützer in vielen Ländern wegen ihrer Arbeit immer wieder bedroht, verleumdet und vor Gericht gebracht.

Die meisten Morde an Umweltaktivisten wurden der Studie zufolge in Kolumbien (64), den Philippinen (43) und Brasilien (24) verübt. Mehr als zwei Drittel aller Fälle registrierte Global Witness in Lateinamerika. Aber auch im EU-Land Rumänien wurden im vergangenen Jahr zwei Umweltaktivisten getötet. Die Organisation geht davon aus, dass die tatsächliche Zahl der getöteten Umweltschützer noch deutlich höher liegt, weil viele Fälle vertuscht oder nicht angezeigt werden.

Hinter den Gewalttaten stecken laut der Nichtregierungsorganisation meist Unternehmen, Farmer und teilweise auch staatliche Akteure sowie kriminelle Banden, paramilitärische Gruppen und Rebellen. "Landwirtschaft, Öl, Gas und Bergbau sorgen für die Gewalt gegen Umweltschützer – das sind genau die Industrien, die durch Abholzung und Emissionen auch den Klimawandel befeuern", sagt Rachel Cox von Global Witness.

Die meisten Morde stehen im Zusammenhang mit Bergbau (50), gefolgt von Landwirtschaft (34) und Forstwirtschaft (24). "Viele der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen haben mit der Ausbeutung unserer natürlichen Ressourcen sowie Korruption in Politik und Wirtschaft zu tun", sagt Cox. "Umweltschützer sind jene, die dagegen aufstehen."

Auch Deutschland importiert Kohle aus Kolumbien. Allerdings ging die Menge zuletzt deutlich zurück. War das südamerikanische Land 2016 mit 8,1 Millionen Tonnen nach Russland noch der zweitgrößte Steinkohlelieferant für die deutschen Kraftwerke, rutschte es mit 2,1 Millionen Tonnen im vergangenen Jahr auf den vierten Platz.

Trotz des Friedensvertrags zwischen der kolumbianischen Regierung und der linken Guerillaorganisation FARC hat die Gewalt gegen soziale Anführer, Menschenrechtsaktivisten und Umweltschützer in dem südamerikanischen Land zuletzt zugenommen. Die Zahl der Morde an Umweltaktivisten stieg 2019 um 150 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mit 64 Fällen entfallen etwa 30 Prozent aller Morde weltweit auf Kolumbien.


Aus: "Mehr als 200 Umweltschützer weltweit getötet" (29. Juli 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-07/lateinamerika-morde-umweltschuetzer-bericht-global-witness-kolumbien (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-07/lateinamerika-morde-umweltschuetzer-bericht-global-witness-kolumbien)

Quotethd. #3

Schön, dass sowas in der ZEIT auch mal erwähnt wird, wenigstens summarisch.

Der Guardian hatte zwei Jahre lange eine Rubrik 'The defenders', in der wöchentlich die weltweiten Morde an Umweltschützern und Angriffe auf sie dokumentiert wurden. Solche Artikel gibts dort auch weiterhin regelmäßig. Hierzulande kaum einmal.

https://www.theguardian.com/environment/series/the-defenders (https://www.theguardian.com/environment/series/the-defenders)

https://www.theguardian.com/environment/activism (https://www.theguardian.com/environment/activism)


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 08, 2020, 08:40:58 PM
Quote[...] Hannover - Die Stadt Hannover hat obdachlose Roma-Familien jahrelang auf einem mit Altlasten verseuchten Grundstück untergebracht – ohne jeden Schutz für die Bewohner. Dabei belegte ein internes Gutachten schon 2014, dass die Belastung mit krebserregenden Schadstoffen auf dem Grundstück der ehemaligen Paul-Dohrmann-Schule vor allem für Kinder problematisch ist. Dessen ungeachtet errichtete die Stadt dort noch im selben Jahr eine Obdachlosenunterkunft, in der vor allem Roma-Familien untergebracht wurden, insgesamt deutlich mehr als hundert Menschen, mit vielen Kindern.

Absperrungen oder Hinweisschilder gab es nach Informationen der HAZ nicht, offenbar wurden auch die Bewohner nicht informiert. Auch in den öffentlichen Unterlagen zu der Unterkunft für die politischen Gremien finden sich keine Hinweise auf die Schadstoffbelastung. Gleich zwei Umweltexperten, denen die HAZ das Gutachten vorgelegt hat, missbilligen das Vorgehen mit scharfen Worten.

,,Unverantwortbar" nennt es beispielsweise der Toxikologe Hermann Kruse, von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. Er sieht ,,eindeutig Gesundheitsrisiken für die Kinder". Die Stadt bestreitet nicht, dass das Grundstück mit Schadstoffen belastet ist. Die Kontaminationen riefen aber keine unmittelbare Gefahr für die Nutzer hervor, betont sie.


Aus: "Stadt Hannover lässt Kinder jahrelang auf verseuchtem Grundstück wohnen" Jutta Rinas (05.08.2020)
Quelle: https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Stadt-Hannover-bringt-Roma-Familien-auf-mit-Altlasten-verseuchtem-Grundstueck-unter (https://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Stadt-Hannover-bringt-Roma-Familien-auf-mit-Altlasten-verseuchtem-Grundstueck-unter)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 09, 2020, 10:34:05 PM
Quote[...] Die Luftaufnahmen aus Mauritius zeigen türkisfarbenes Wasser und um ein Korallenriff schäumende Gischt, ein rotschwarz lackiertes Frachtschiff mit Schlagseite und einen bräunlichen Ölteppich, der sich vom Havaristen aus auf die Inseln zubewegt. Nun hat Pravind Jugnauth, der Ministerpräsident des im Indischen Ozean gelegenen Inselstaats, den Umweltnotstand ausrufen lassen. Organisationen wie Greenpeace warnen vor ,,einer der schlimmsten ökologischen Krisen, die dieser kleine Inselstaat jemals erlebt hat".

Vor der Ostküste der für Traumstrände und Korallenriffs bekannten Hauptinsel war am 25. Juli das rund 300 Meter lange japanische Handelsschiff Wakashio auf Grund gelaufen. Es war ohne Fracht, aber mit 4200 Tonnen Öl auf dem Weg von Singapur nach Brasilien gewesen, als es aus bislang ungeklärter Ursache am Riff von Pointe d'Esny auf Grund lief, rund 40 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Port Louis. Die Mannschaft konnte in Sicherheit gebracht werden. Versuche, den Treibstoff abzupumpen, blieben aber wegen des schlechten Wetters erfolglos.

Am Donnerstag teilte die verantwortliche Nagashiki Shipping Co. mit, wegen des ,,permanenten Wellenschlags in den vergangenen Tagen" sei der Tank an der Steuerbordseite des in Panama registrierten Frachters geborsten. Seitdem ströme Öl aus. Außerdem entschuldigte sich die Reederei ,,zutiefst bei den Menschen in Mauritius und den Betroffenen dafür, dass wir ihnen so viele Probleme bereitet haben". Eine aus elf Technikern bestehende Rettungsmannschaft, die sich auf dem Schiff befunden hatte, um es zu stabilisieren, musste nach dem Bruch des Tanks geborgen werden.

Nach Angaben von Deborah de Chazal, Exekutivdirektorin der Mauritian Wildlife Foundation, soll die Wakashio bereits ein Viertel ihres Treibstoffs verloren haben. An Bord befanden sich rund 3900 Tonnen schwefelarmes Schweröl, das als Treibstoff benutzt wird, rund 200 Tonnen Diesel und 90 Tonnen Schmieröl.

Da in unmittelbarer Nähe des Unglücksorts ökologisch sensible Gebiete wie die Pointe-d'Esny-Feuchtgebiete oder das Île-aux-Aigrettes-Naturreservat liegen, schlug Regierungschef Jugnauth Alarm. ,,Wir haben nicht die Expertise und die Erfahrung, um gestrandete Schiffe zu bergen, daher habe ich Frankreich um Hilfe gebeten", twitterte er an den französischen Staatschef Emmanuel Macron. Frankreich sagte Hilfe zu und entsandte ein Militärflugzeug von einem im Übersee-Departement La Réunion gelegenen Stützpunkt. Die indische Regierung bot ebenfalls Hilfe an, auch Japaner, Amerikaner, Briten. Gut möglich, dass die Ausbreitung des Öls noch unter Kontrolle gebracht werden kann. Experten halten eine Menge von bis zu 20.000 Tonnen ausgetretenem Schweröl für bekämpfbar.

...


Aus: "Schiffsunglück in Mauritius : Schlechtes Wetter verschlimmert die Katastrophe" Thilo Thielke, Kapstadt (09.08.2020)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/mauritius-bangt-wegen-des-oelteppichs-nach-schiffsunglueck-16897096.html (https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/mauritius-bangt-wegen-des-oelteppichs-nach-schiffsunglueck-16897096.html)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 18, 2020, 09:42:05 AM
Quote[...] BERLIN taz | In den USA bahnt sich ein Umweltdesaster an. Durch die Pleitewelle der Frackingfirmen werden unzählige Bohrlöcher verwaist zurückgelassen, durch die große Mengen des besonders gefährlichen Klimakillers Methan ausströmen – also rohes Erdgas. Nachdem die New York Times im Juli auf ihrer Titelseite groß über die gefährliche Hinterlassenschaft der Fracker berichtet hatte, griff nun der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden das Thema auf.

Biden sprach von ,,Millionen aufgegebener Öl-und Gasbohrungen, die es im ganzen Land gibt". Diese bedrohten ,,die Gesundheit und Sicherheit unserer Bevölkerung". Viele der Frackingfirmen und deren Vorstände, so Biden, hätten über Jahrzehnte von staatlichen Subventionen profitiert. Nun würden sie unzählige löchrige Bohrstellen zurücklassen, die Giftstoffe und Klimagase verbreiten. Biden verwies auf ein pikantes Detail: Einige der Vorstände hätten noch vor dem Bankrott ,,Millionen und Millionen Dollar" kassiert.

Das besonders umweltschädliche Fracking lohnt sich derzeit wegen des niedrigen Ölpreises nicht mehr. Um die ­Branche dennoch zu stützen, hat die US-Umweltbehörde erst vergangene Woche weitere Umweltauf­lagen noch aus der Zeit von Präsident Barack Obama gelockert. Methanemissionsvorschriften für Pipelines, Öl- und Gasfelder wurden gestrichen. Die Industrie musste bislang zweimal im Jahr Bohrlöcher und Installationen auf etwaige Undichtigkeiten und Umweltgefahren hin untersuchen. Das ist nun vorbei.

Die US-Regierung schätzt laut New York Times, dass inzwischen mehr als 3 Millionen Bohrstellen aufgegeben worden sind. Davon sollen 2 Millionen nicht sicher verschlossen sein und Methan in einem Ausmaß emittieren, das den Auspuffgasen von 1,5 Millionen Autos entspricht. Die texanische Ölfirma MDC Energy ist vor acht Monaten in die Pleite gerutscht und benötigt laut New York Times 40 Millionen Dollar, um ihre Bohrstellen abzusichern. Doch dieselbe Firma sitze bereits auf 180 Millionen Dollar Schulden.

Noch vor der Bankrotterklärung hatte MDC Energy nach Angaben der Zeitung 8,5 Mil­lio­nen Dollar an die Geschäftsführung ausbezahlt. Whiting Petroleum, ein weiterer großer Fracker in North Dakota, war im April in Konkurs gegangen, nachdem die Firma den Vorständen 25 Millionen Dollar an Boni überwiesen habe. Das Unternehmen Diamond Offshore Drilling soll sogar Coronahilfen in Anspruch genommen haben, bevor es den Bankrott erklärte. Auch in diesem Fall hätten die Vorstände Millionenzahlungen erhalten.

Das Energieforschungs- und Analyse-Institut Rystad Energy rechnet für 2020 mit mehr als 200 Pleiten im US-amerikanischen Frackingbereich. Im zweiten Quartal registrierte das In­sti­tut 19 Konkurse. 8 der Firmen hinterlassen mehr als 1 Mil­liar­de Dollar Schulden. An der Spitze liegt der jahrelange Börsenliebling Chesapeake Energy mit 9,2 Milliarden Dollar Schulden.

Alle Pleitefirmen haben offenbar eines gemeinsam: Sie haben, entgegen den Vorschriften, kein Geld zurückgelegt, um die Bohrstellen sauber schließen und gegen austretendes Gas sichern zu können. ,,Das ist der Gipfel beim Privatisieren der Gewinne und beim Sozialisieren des Schlamassels", twitterte der bekannte Klimaaktivist Bill McKibben. Der Londoner Thinktank Carbon Tracker schätzt die Kosten für die ordnungsgemäße Schließung eines Bohrlochs auf 300.000 Dollar.

Der deutsche Frackingspezialist Werner Zittel sieht die Pleitewelle als logische Konsequenz einer Branche, die seit Jahren nur noch Schulden anhäufe. Zittels langjähriger Mitautor Jörg Schindler verweist auf Satellitenmessungen, die einen starken Anstieg der Methan­emis­sionen über den Frackin­gzonen der USA belegen. Schindler: ,,Durch Fracking wurde nicht nur unendlich viel Geld verbrannt, jetzt hinterlässt man eine Schweinerei ohne Ende."


Aus: "Umweltdesaster in USA: Fracking-Land ist abgebrannt" Manfred Kriener (18. 8. 2020)
Quelle: https://taz.de/Umweltdesaster-in-USA/!5702587/ (https://taz.de/Umweltdesaster-in-USA/!5702587/)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 19, 2020, 09:21:57 AM
Quote[...] Die Umweltchemikalie Bisphenol A (BPA) erhöht einer Studie zufolge die Sterblichkeit. Menschen, bei denen höhere BPA-Werte gemessen worden waren, hatten ein höheres Risiko dafür, vorzeitig zu sterben, als Menschen mit niedrigeren BPA-Werten, berichten US-Forscher im Fachmagazin ,,JAMA Network Open".

Die zugrundeliegenden Mechanismen seien noch nicht bekannt. Denkbar sei, dass die Chemikalie Entzündungsprozesse hervorruft oder die Steuerung der genetischen Aktivität beeinflusst.

Bisphenol steckt in zahlreichen Alltagsprodukten vor allem aus bestimmten Kunststoffen oder Epoxidharzen – in Plastikflaschen, Konservendosen, Thermopapier, CDs, Bodenbelägen oder auch medizinischen Materialien wie Zahnfüllungen. Spuren der Substanz sind auch im menschlichen Körper nachweisbar – in den USA etwa bei 90 Prozent der Bevölkerung, wie die Forscher um Wei Bao von der University of Iowa schreiben.

Seit 2018 ist BPA in der EU als ,,besonders besorgniserregender Stoff" in der Chemikalienverordnung ,,Reach" gelistet. Bereits seit 2011 darf die Substanz nicht mehr zur Herstellung von Baby-Trinkflaschen eingesetzt werden. Seit Januar dieses Jahres gilt ein Verbot von BPA in Thermopapier, etwa in Kassenbons.

BPA zählt zu den Stoffen mit hormonähnlicher Wirkung – greift also in das Hormonsystem von Menschen und Tieren ein – und kann etwa die Sexualfunktion und Fruchtbarkeit bei Männern und Frauen beeinträchtigen. Studien weisen auch auf eine Verbindung mit der Entstehung von Fettleibigkeit, Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen hin.

Langzeitstudien zu den gesundheitlichen Auswirkungen seien aber rar und die Frage, inwieweit Bisphenol A die Sterblichkeit beeinflusst, ebenfalls unklar, schreiben die Forscher. Sie analysierten nun Daten von insgesamt 3883 Teilnehmern einer US-Bevölkerungsstudie, in denen verschiedenen Aspekte zu Gesundheit und Ernährung über längere Zeit untersucht wurden.

Die Teilnehmer beantworteten unter anderem Fragen zu ihrem Verhalten und gaben Urinproben ab, in der die Forscher den BPA-Gehalt maßen. Die Wissenschaftler verfolgten das Schicksal der Teilnehmer im Schnitt zehn Jahre lang. Schließlich verknüpften sie die Daten der Teilnehmer mit der nationalen Sterbefall-Datenbank, in der auch die Todesursachen erfasst sind.

Im Beobachtungszeitraum verstarben 344 Teilnehmer, darunter 71 an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung und 75 an Krebs. Probanden, bei denen eine höhere BPA-Belastung (über 5,7 Nanogramm pro Milliliter) gemessen worden war, hatten der Auswertung zufolge ein 1,5 Mal höheres Risiko, vorzeitig an Krankheiten aller Ursachen zu sterben, als die der am niedrigsten belasteten Gruppe (0,7 Nanogramm pro Milliliter). Der Unterschied war statistisch bedeutsam.

Ebenfalls erhöht war das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben, allerdings war dieser Zusammenhang nicht statistisch signifikant. Für Krebserkrankungen fanden die Forscher keinen Zusammenhang.

Andere mögliche Einflussfaktoren wie die ethnische Zugehörigkeit, Alter, Geschlecht, verschiedene Ernährungs- und Lebensstilfaktoren und Körpergewicht hatten die Forscher bei der Analyse herausgerechnet.

«Der mögliche Mechanismus, der dem mit BPA assoziierten erhöhten Sterberisiko zugrunde liegt, muss noch erforscht werden», schreiben die Wissenschaftler. Denkbar sei, dass die Substanz den Kalziumstoffwechsel im Herz beeinflusse, Ionenkanäle hemme oder aktiviere, oxidativen Stress und Entzündungen hervorrufe oder die genetische Aktivität verändere.

Ein Schwachpunkt der Studie sei, dass der BPA-Wert nur in einzelnen Urinproben der Teilnehmer gemessen worden sei. 24-Stunden-Messungen seien in Studien mit vielen Teilnehmern schlicht zu aufwendig. Es sei zudem denkbar, dass es weitere, unbekannte Einflussfaktoren gebe, die die Forscher in ihrer statistischen Auswertung nicht berücksichtigt haben und die die Zusammenhänge erklären könnten.

Obwohl die BPA-Exposition in den USA zurückgegangen sei, sei die Chemikalie auch 2013/14 noch in fast 96 Prozent der Urinproben der Studienteilnehmer nachgewiesen worden. Aufgrund der vielfältigen toxischen Wirkungen sei es dringend geboten, die Exposition zu senken. Die Forscher raten allerdings zu Vorsicht bei den derzeit zunehmend eingesetzten Alternativen wie Bisphenol F oder Bisphenol S.

Die gesundheitlichen Wirkungen dieser Substanzen seien weitgehend unerforscht. Einige vorläufige Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass auch sie gesundheitsschädlich sind.  (dpa)


Aus: "Umweltgift: Früherer Tod durch Bisphenol A" (18.08.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/umweltgift-frueherer-tod-durch-bisphenol-a-/26105746.html (https://www.tagesspiegel.de/wissen/umweltgift-frueherer-tod-durch-bisphenol-a-/26105746.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on September 08, 2020, 09:24:31 AM
Quote[...] In der EU steht laut einer Studie etwa jeder achte Todesfall in Zusammenhang mit Umweltverschmutzung. 630.000 Todesfälle im Jahr 2012 in der Europäischen Union und dem damals noch zur EU gehörenden Großbritannien hätten auf Umweltverschmutzungen zurückgeführt werden können, heißt es in der am Dienstag veröffentlichten Untersuchung der Europäischen Umweltagentur (EUA).

Dies entsprach einem Anteil von 13 Prozent. Die Daten von 2012 sind die jüngsten, die für die Studie vorlagen.

Als Umweltfaktoren, von denen das größte Risiko für die Gesundheit der EU-Bürger ausgeht, nannte die in Kopenhagen ansässige EUA die Luftverschmutzung und die Belastung durch Chemikalien. Als weitere schädliche Faktoren werden in dem Report unter anderem hohe Lärmbelastung und extremes Wetter infolge des Klimawandels aufgeführt.

Umweltverschmutzung wird insbesondere mit Krebserkrankungen sowie Erkrankungen des Herzkreislaufsystems und der Atemwege in Verbindung gebracht. Die EU-Umweltagentur betonte, dass Todesfälle durch diese Krankheiten mittels der Beseitigung von "Umweltrisiken" verhindert werden könnten.

Die EUA hob auch die starken regionalen Unterschiede innerhalb der Europäischen Union hervor. So sei in Rumänien fast jeder fünfte Todesfall auf Umweltverschmutzungen zurückzuführen. Dies war dem Bericht zufolge der EU-weit höchste Anteil. In Dänemark und Schweden war der Anteil der Todesfälle mit Verbindung zu Umweltverschmutzungen mit jeweils einem von zehn am niedrigsten innerhalb der Europäischen Union. (AFP)


Aus: "EU-Studie: Jeder achte Todesfall in EU in Verbindung mit Umweltverschmutzung" (08.09.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/eu-studie-jeder-achte-todesfall-in-eu-in-verbindung-mit-umweltverschmutzung/26166718.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/eu-studie-jeder-achte-todesfall-in-eu-in-verbindung-mit-umweltverschmutzung/26166718.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on September 30, 2020, 11:27:27 AM
Quote[...] In der Landwirtschaft verwendete Pestizide und deren Abbauprodukte verbreiten sich einer Studie zufolge kilometerweit durch die Luft. Das Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft und das Umweltinstitut München gaben Messungen an 163 Standorten in Deutschland in Auftrag – an rund drei Viertel davon wurden demnach jeweils mindestens fünf und bis zu 34 Pestizidwirkstoffe sowie deren Abbauprodukte gefunden.

Für die Studie wurden nach Angaben der Auftraggeber von März bis November 2019 Pestizide in der Luft gemessen. Untersucht wurden Standorte im Umkreis von weniger als 100 bis hin zu mehr als 1.000 Metern Entfernung von potenziellen Quellen: in Städten und auf dem Land, in konventionellen und Bio-Agrarlandschaften sowie in unterschiedlichen Schutzgebieten. Die Daten seien mit Hilfe neu entwickelter Passivsammelgeräte, aus Filtermatten in Be- und Entlüftungsanlagen von Gebäuden sowie durch die Analyse von Bienenstöcken und Baumrinden erhoben worden. Landwirte, Imker und Privatpersonen hätten zudem Proben eingesandt.

Das Pflanzenvernichtungsmittel Glyphosat sei in allen Regionen Deutschlands und weit abseits von potenziellen Ursprungsäckern nachgewiesen worden, erklärten die Auftraggeber. Selbst auf der Spitze des Brockens im Nationalpark Harz seien zwölf Pestizide nachweisbar. Insgesamt hätten sich deutschlandweit 138 Stoffe gefunden, von denen 30 Prozent zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht mehr oder noch nie zugelassen gewesen seien.

Der Agrarexperte im Umweltinstitut München, Karl Bär, nannte die Ergebnisse der Studie "schockierend". Pestizide landeten "in schützenswerten Naturräumen, auf Bio-Äckern und in unserer Atemluft". Boris Frank, Vorsitzender vom Bündnis für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, kritisierte insbesondere, dass biologisch bewirtschaftete Äcker kontaminiert würden. "Ganze Ernten gehen so verloren."

Beide forderten ein sofortiges Verbot der fünf Pestizide, die sich am meisten verbreiteten, darunter Glyphosat. Bis 2035 müsse die EU-Kommission schrittweise alle chemisch-synthetischen Pestizide verbieten. Ökolandwirte müssten bei der Kontamination ihrer Ernte über einen Schadensausgleichsfonds entschädigt werden – den Fonds füllen sollen demnach zehn Prozent der deutschen Umsätze der Pestizidhersteller.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze forderte Maßnahmen gegen die Verbreitung von Pestiziden über die Luft. Dies sei besorgniserregend für den Ökolandbau und die Natur, sagte die SPD-Politikerin. "Wir wissen überhaupt noch nicht, wie dieser Cocktail aus verschiedenen Pflanzenschutzmitteln am Ende wirkt." Um eine Verbreitung kritischer Substanzen einzudämmen, könne unter anderem bei der Zulassung und einem deutlich reduzierten Pestizideinsatz angesetzt werden.

Der Industrieverband Agrar (IVA), der die Interessen der agrochemischen Industrie vertritt, erklärte, die Funde seien "offenbar selten" und die dabei nachgewiesenen Mengen "so minimal, dass sie für Mensch und Umwelt unbedenklich sind". Hier werde ein Thema "künstlich aufgebauscht", kritisierte IVA-Hauptgeschäftsführer Frank Gemmer.


Aus: "Studie zu Umweltgiften: Pestizide verbreiten sich kilometerweit durch die Luft" (29. September 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-09/studie-umweltgifte-pestizide-verbreitung-luft-landwirtschaft-umweltinstitut-muenchen-kilometerweit (https://www.zeit.de/wirtschaft/2020-09/studie-umweltgifte-pestizide-verbreitung-luft-landwirtschaft-umweltinstitut-muenchen-kilometerweit)

QuoteFreundMeinesFreundes #1

... aber was soll man da auch tun als Umweltministerin?


QuoteSecundus v. Quack #5

Österreich z.B. hat Glyphosat verboten. Aber es kam nicht dazu:
https://www.agrarheute.com/politik/eu-kommission-stoppt-oesterreichs-glyphosat-verbot-571976 (https://www.agrarheute.com/politik/eu-kommission-stoppt-oesterreichs-glyphosat-verbot-571976)


Quoteviolettagetyourgun #5.1

Jaja, die liebe EU. ...


QuoteNigella #5.2

Wieviel Lobbyisten kommen auf einen EU-Abgeordneten? ...


QuoteKarl Josef Schleidweiler #6

Große Überraschung, dass der Wind etwas verwehen kann, und dass Feldgrenzen dieses Verwehen nicht stoppen können: erstaunliche Erkenntnis.
Ebenso die der Wirkung verschiedener Gifte, die als Cocktail im Grundwasser landen.


QuoteZeitloch #6.1

...2017 hat Agrarminister "Glyphosat Lobbyist" Schmidt (CSU, natürlich) einer weiteren Verwendung von Glyphosat in der EU zugestimmt - entgegen der Abmachung der Bundesregierung. Und hat somit zu einer Verlagerung des Problems in die Zukunft beigetragen...

...hat sich bei der Verklappung von Gülle auf den Feldern schon etwas geändert. Meine letzte Info darüber ist, dass Deutschland Strafzahlungen ins Haus stehen, wegen zu hoher Belastungen der Äcker uund Böden...


QuoteWuerther #10

Welch ein Wunder ! Ohne die Studie hätte ich mir nicht vorstellen können, dass Pestizide, die versprüht werden, weit verfrachtet werden können (Achtung: Ironie).


Quoteland of oppurtunities #10.1

JA, über diese Studie bin auch heilfroh und dafür sehr dankbar, wer hätte denn das erahnen können ;) .


Quotegenug #12

Dass konventionell hergestellte Nahrungsmittel, also hergestellt mit dem Einsatz von Pestiziden, Antibiotika oder Wachstumshormonen - günstiger sind als Bio-Produkte, liegt daran, dass die Folgekosten der Nebenwirkungen nicht im Preis enthalten sind:

Pestizide > Insektensterben, zuviel Gülle > Nitrat im Trinkwasser > teure Filterung des Trinkwassers, wenn überhaupt möglich > oder mehr Krebstote. Massentierhaltung > Methan > CO2-Anstieg > Klimawandel > Unwetter, Dürren, Migration usw.

Der Raubbau am Boden, am Urwald, der für Rinderweiden oder Soja zur Fütterung der Rinder abgeholzt wird, am Wasser, an der Luft, also an den Lebensgrundlagen aller Menschen hat keinen Preis. Das muss sich ändern!

Ein Pestizidverbot, eine CO2-Lenkungsabgabe oder eine Zuckersteuer wäre ein kleiner Anfang.

Ein Austausch der netten Marionette Klöckner wäre ein erster Schritt.


QuoteTomS. #15

Irgendwie dubios, das Ganze...
Glyphosat auf dem Brocken? Was soll man daraus lernen?
Dass die ganze Landschaft verseucht ist?
Oder dass die chromatographischen/spektrometrischen Nachweismethoden mittlerweile extrem sensitiv geworden sind?
Ich bleibe ratlos zurück.


QuoteSchneeregen #15.1

Dass es Wind gibt?


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on October 05, 2020, 09:36:19 AM
Quote[...] Moskau – An der Küste der Halbinsel Kamtschatka im Fernen Osten Russlands ist es zu einem massenhaften Tiersterben gekommen. Der Gouverneur der Region, Wladimir Solodow, warnte am Samstag Einwohner und Touristen vor dem Besuch der Strände. "Das einzige, was man bisher sagen kann, ist, dass es eine Wasserverschmutzung gibt", sagte er einer Mitteilung zufolge.

Vermutet werde, dass Erdölprodukte aus Schiffen ins Meer gelangt seien. Das russische Verteidigungsministerium wies Vorwürfe zurück, dass Schiffe der Pazifikflotte verantwortlich sein könnten.

Zuvor hatten die Umweltschützer von Greenpeace Alarm geschlagen. Demnach wurde eine große Zahl toter Meerestiere vor Kamtschatka angespült. In Videos waren ein mutmaßlicher Erdölteppich und tote Robben, Kraken und Fische zu sehen. Touristen an den bei Surfern beliebten Stränden hatten zudem über Vergiftungsbeschwerden geklagt. (APA, 4.10.2020)


Aus: "Umweltverschmutzung: Massenhaftes Tiersterben an Küste von russischer Halbinsel Kamtschatka" (4. Oktober 2020)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000120469260/massenhaftes-tiersterben-an-kueste-von-russischer-halbinsel-kamtschatka (https://www.derstandard.at/story/2000120469260/massenhaftes-tiersterben-an-kueste-von-russischer-halbinsel-kamtschatka)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on October 08, 2020, 04:40:37 PM
Quote[...] Laut eines Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) durfte Frankreich den Einsatz bienenschädlicher Pestizide, sogenannter Neonikotinoide, trotz EU-Zulassung verbieten. Frankreich habe die Kommission wirksam über die "Notwendigkeit von Notfallmaßnahmen" insbesondere zum Schutz der Bienen unterrichtet, urteilte der EuGH. Es ging dabei um fünf Pestizide, deren Anwendung Frankreich ab September 2018 untersagt hatte.

Bienen und Hummeln können durch Neonikotinoide geschädigt werden, weswegen ihre Anwendung in der EU stark eingeschränkt ist. Drei der Mittel sind im Freiland verboten, eines inzwischen komplett. Das französische Verbot war aber umfangreicher und umfasste mehr Wirkstoffe.

EU-Mitgliedsstaaten dürfen zwar eigene Schutzmaßnahmen erlassen, jedoch nur, wenn sie zuvor gegenüber der EU-Kommission Bedenken erhoben haben und diese nicht selbst agiert. Der Verband der Pflanzenschutzindustrie hatte vor dem obersten Verwaltungsgericht dagegen geklagt. Er bezweifelte, dass die französische Mitteilung an die Kommission den Anforderungen genügte.

Der EuGH entschied nun aber, dass Frankreich sehr wohl die EU-Kommission offiziell über seine Pläne unterrichtet habe. Eine solche Unterrichtung sei gegeben, wenn "diese Mitteilung eine klare Darlegung der Anhaltspunkte enthält, die zum einen belegen, dass diese Wirkstoffe wahrscheinlich ein schwerwiegendes Risiko für die Gesundheit (...) darstellen, und zum anderen, dass diesem Risiko ohne die (...) Maßnahmen nicht begegnet werden" könne, hieß es in der Urteilserklärung.

In der Nacht zum Mittwoch hatte die französische Nationalversammlung beschlossen, einige Neonikotinoide wieder begrenzt zuzulassen, was für das Urteil des EuGH jedoch keine Rolle spielte.


Aus: "Europäischer Gerichtshof: Frankreichs Verbot bienenschädlicher Pestizide war rechtens" (8. Oktober 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-10/europaeischer-gerichtshof-urteil-frankreich-neonikotinoide-pestizide-verbot (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-10/europaeischer-gerichtshof-urteil-frankreich-neonikotinoide-pestizide-verbot)

Quotemörso #4

"Verband der Pflanzenschutzindustrie" - das ist doch mal ein lustiger Euphemismus!


Quotenamevergeben2 #4.1

Wer nennt sich schon freiwillig "Verband der Giftmischer"?


Quotemofateam #4.9

Ja, darüber bin ich auch direkt gestolpert.

"Lebensmittelindustrie" für Firmen, die uns mit High Fructose Corn Syrup und Fett zu adipösen Diabetikern aufpumpen, ist ja gängige Wortwahl.

Fehlt noch "Friedenssicherungsindustrie" für Rüstungsfirmen.



...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on October 13, 2020, 09:26:27 AM
Quote[...] Auf das, was am Strand von Omoa seit Wochen ankommt, würden die Bewohner der honduranischen Hafenstadt nur allzu gerne verzichten. Es ist ein endloser Tsunami aus Müll. Gespeist wird er aus dem Nachbarland Guatemala. Über den Fluss Motagua an dessen Ufern Hunderte, wenn nicht gar Tausende kleine illegale Mülldeponien für ständigen Nachschub sorgen. Die Dimension ist erschreckend. Bei einer ersten Reinigungsaktion befreiten die Honduraner den Strand von Dutzenden Tonnen von Müll. Doch der stinkende, dreckige Strom von Plastik, Kleidung, gebrauchten Hygieneartikeln und Nahrungsresten versiegt einfach nicht. In dieser Woche kam der nächste Schub. Wieder sind es Hunderte Tonnen, die sich über den rund 500 Kilometer langen Fluss erst durch Guatemala und dann ins karibische Meer ergießen. Von da aus schwappt die stinkend-giftige, wabbelige Masse an die Strände von Omoa.

Die Müllmengen sollen so groß sein, dass sich unweit der honduranischen Karibikinsel Roatán die Anfänge einer künstlichen Plastikinsel gebildet haben sollen, berichten lokale Anwohner. Die Insel Roatán ist als Teil des riesigen mesoamerikanischen Riffs bekannt für ihre Strände, Tauchplätze und Meeresbewohner. Unter anderem gibt es hier Walhaie. Sie sind von dem Müll aktiv bedroht.

Neben der unzureichenden Müllentsorgung in Guatemala, scheint auch der Klimawandel nicht ganz unschuldig an der Entwicklung zu sein. ,,Wir haben allein in den ersten zwei Wochen 60 Tonnen Müll eingesammelt", heißt es in einer Stellungnahme des guatemaltekischen Umweltministeriums. ,,Aber der starke Regen sorgt dafür, dass die Müllmengen, die in den Fluss gelangen, ansteigen." Tatsächlich haben die Tropenstürme der letzten Wochen Tonnen von Regenwasser über Mittelamerika entladen. In einigen Regionen deutlich mehr als sonst üblich. Auf dem Boden angekommen, schwemmen sie die Abfälle der illegalen Müllhalden in den Fluss. Von da aus uns Meer und am Ende der ,,Lieferkette" stehen dann die verzweifelten Einwohner von Omoa in Honduras.

Guatemala habe zwar Anfang des Jahres eine Abfangeinrichtung für das Auffangen des Mülls eingeweiht, doch die Menge an Müll sei wegen der starken Regenfälle zu groß gewesen, springt der honduranische Direktor des Projektes ,,Pro-Rio Motagua" Kessel Rosales Menjivar seinen Kollegen bei. So lange es aber weiterhin illegale Mülldeponien entlang des Flusses gebe, werde das Problem nicht gelöst werden können. Rosales Menjívar kündigte an, gemeinsam mit verschiedenen Institutionen, darunter auch die honduranische Marine, nach Lösungen zu suchen, um die Strände von den Tonnen von Müll zu säubern. Es habe bereits erste Reinigungstage gegeben.

Bereits im vergangenen Jahr kündigten die Regierungen beider Länder an, das Problem in den Griff bekommen zu wollen, allerdings ohne Erfolg. Nun wollen sich Honduras und Guatemala erneut zusammensetzen, um ein entsprechendes Abkommen zu unterzeichnen, dessen Ziel ein nachhaltiges Müllmanagement sein soll. Doch Absichtserklärungen helfen den Menschen in Omoa nicht weiter. Was sie brauchen ist eine funktionierende Müllentsorgung und Wiederaufbereitung, sodass der Fluss Motagua nicht dauerhaft zu einer vergifteten Lebensader für die ganze Region wird.


Aus: "Honduras Strände ersticken in Tonnen von Abfall" Tobias Käufer (12.10.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/muell-tsunami-in-lateinamerika-honduras-straende-ersticken-in-tonnen-von-abfall/26267432.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/muell-tsunami-in-lateinamerika-honduras-straende-ersticken-in-tonnen-von-abfall/26267432.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on October 16, 2020, 10:45:41 AM
Quote[...] Die japanische Regierung will Kühlwasser aus der Kraftwerkruine in Fukushima nach einem Filterungsprozess ins Meer ableiten. Grund ist, dass allmählich kein Platz mehr zur Lagerung des kontaminierten Wassers auf dem Gelände des 2011 in Folge eines Erdbebens und Tsunamis zerstörten Atomkraftwerks ist. Nach siebenjähriger Debatte könnte noch in diesem Monat die formelle Entscheidung fallen, berichteten mehrere japanische Medien.

... Ein Expertengremium hatte der Regierung zu Jahresbeginn vorgeschlagen, das radioaktiv verseuchte Wasser ins Meer zu leiten. Die vom Industrieministerium einberufenen Fachleute nannten dies eine sichere Methode, die auch bei normalen Atomreaktoren angewendet werde. Der Plan stößt jedoch auf großen Widerstand örtlicher Fischerinnen und Landwirte. Sie fürchten, dass Verbraucherinnen Produkte aus der Region meiden könnten.

...


Aus: "Japan will radioaktiv verseuchtes Wasser ins Meer ableiten" (16. Oktober 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-10/japan-fukushima-atomkatastrophe-kuehlwasser-ableitung-meer-fischer-radiaktiv-verseucht (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2020-10/japan-fukushima-atomkatastrophe-kuehlwasser-ableitung-meer-fischer-radiaktiv-verseucht)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on October 22, 2020, 05:24:03 PM
Quote[...] Zeitgeschichte Greenpeace startet seine erste imposante Aktion in Deutschland. Sie richtet sich auch gegen Bayer, weil der Konzern tonnenweise Dünnsäure in der Nordsee verklappen lässt.

Vergleiche mit dem Kampf von David gegen Goliath werden häufig bemüht, gerade für die Arbeit von Umweltaktivisten. Passender für die erste Aktion von Greenpeace in Deutschland wäre das der Realität entnommene Bild ,,Schlauchboot gegen Industrietanker". Im Oktober 1980 wurde nahe Bremerhaven mittels aufgepumpter Rettungsinseln über Tage hinweg ein Schiff der Firma Kronos Titan blockiert, das Dünnsäure in die Nordsee leiten sollte. Das fand zwar ein großes Medienecho, doch es sollte dauern, bis Greenpeace Gehör fand. Die Non-Profit-Organisation war 1970 im kanadischen Vancouver als pazifistische Bürgerinitiative entstanden und hatte sich zunächst vorrangig gegen Atomtests und Walfang eingesetzt. Es folgten Greenpeace-Filialen in London, Amsterdam und – im Anschluss an die erste Schlauchboot-Aktion – 1981 in Deutschland.

Heute wirkt die David-Metapher überholt: Greenpeace Deutschland ist mittlerweile ein millionenschwerer Verband mit über 600.000 Fördermitgliedern, etwa ein Fünftel der organisierten Unterstützer weltweit. Während deutsche Unternehmen inzwischen ihre giftigen Abfälle vielfach in ärmere Länder ,,exportieren", wurden in den 1980ern ätzende Chemikalien schlicht der Nordsee überlassen, und das mit behördlicher Genehmigung. Das zuständige Deutsche Hydrologische Institut (DHI) in Hamburg gab grünes Licht, Dünnsäure durfte ins Meer entsorgt werden. Industrievertreter behaupteten, dies sei harmlos. Das DHI ging davon aus, die Schiffsschraube werde die Säure im Wasser schnell verdünnen.

Bei der Substanz handelte es sich um ein Abfallprodukt, das neben Wasser 25 Prozent Schwefelsäure sowie weitere Schwermetalle enthalten konnte. Allein Kronos Titan leitete seinerzeit bis zu 1.200 Tonnen Dünnsäure pro Tag in die Nordsee, das ergab Hunderttausende von Tonnen pro Jahr. Dabei hätte es für Kronos schon 1980 die freilich kostspieligere Option gegeben, die Bestandteile der Säure teilweise zu recyceln und erneut zu verwenden. Laut Greenpeace besaß die Firma hierfür bereits ein Patent, dennoch kam es wie bei Industrieabfällen von Bayer zur Ableitung in die Nordsee. Umweltschützer sprachen von einer gelblichen Färbung des Meerwassers, die für Stunden anhalte. Um dagegen zu protestieren, stiegen Greenpeace-Aktivisten am 13. Oktober 1980 morgens in zwei Rettungsinseln, die vor dem Bug und am Steuerruder des Tankers Kronos festgebunden wurden, um das Schiff daran zu hindern, aus dem Hafen in Nordenham zu laufen und die Säure hinter der Wesermündung zu verklappen.

Mit dabei waren Aktivisten vom Bielefelder ,,Verein zur Rettung von Walen und Robben" und aus dem ,,Kölner Arbeitskreis Chemische Industrie". Technische Hilfe kam von Greenpeace-Aktivisten aus den Niederlanden, die den deutschen Partnern zwei Motoren, ein Schlauchboot sowie eine Rettungsinsel zur Verfügung stellten. Von Anfang an waren sich die Greenpeacer über die Symbolkraft der Bilder im Klaren, die ihre Aktionen liefern würde. Kanadische Umweltschützer hatten ihre Einsätze gegen Walfänger auf dem Meer mit eigenem Equipment gefilmt und fotografiert. Wie sonst hätte 1995 die Ölplattform ,,Brent Spar" so viel Beachtung gefunden, die besetzt wurde, als sie im Meer versenkt werden sollte. Bei der Aktion in Nordenham wartete am frühen Morgen bereits ein Presseschiff des Norddeutschen Rundfunks (NDR) darauf, dass etwas passieren würde. Im Nachhinein beschrieb eine Aktivistin die Berichterstattung von ARD und ZDF als ,,unerwartet positiv".

Parallel zur Blockade im Hafen von Nordenham kam es um die gleiche Zeit zu weiteren Greenpeace-Unternehmungen. Demonstriert wurde im belgischen Gent und vor der Zentrale des Kronos-Mutterkonzerns in New York. In mehreren Städten der Bundesrepublik fanden Informationsveranstaltungen über die Aktion und deren Hintergründe statt. Zudem wurde weiter auf die Überzeugungskraft der Bilder gesetzt: Aktivisten luden zentnerweise kranke Fische ab – vor dem Pförtnerhaus von Bayer in Brunsbüttel, vor der Zentrale des Konzerns in Leverkusen und vor dem Hamburger DHI. Die Fische wiesen Geschwüre, Hauttumore und andere Krankheiten auf, die auf Dünnsäure zurückzuführen seien, so Greenpeace. Über eine Woche lang blieb die Anlegestelle blockiert, an der die Verklappung von Giftstoffen ihren Anfang nahm. Den gestoppten Tanker konnten die Umweltschützer letztlich dreieinhalb Tage aufhalten. Am zweiten Tag geriet die Besatzung einer Rettungsinsel in Gefahr, als ein holländisches Schiff versuchte, am Firmenpier anzulegen und dabei die angeleinten Aktivisten unter Wasser drückte. Die Insel lief voll und wäre beinahe untergegangen, beide Insassen zeigten den Kapitän anschließend wegen versuchten Totschlags an.

Zunächst angekündigte Verhandlungen mit Konzernvertretern über einen alternativen Umgang mit den Industrieabfällen wurden kurzerhand von Kronos abgesagt. Begründung: Das Haus eines Mitarbeiters sei beschmiert worden. Greenpeace sah sich zudem mit Schadenersatzforderungen von einer halben Million Mark konfrontiert, da die Produktion um zwei Drittel gedrosselt werden musste und womöglich eine Stilllegung von Werksanlagen drohte. Am vierten Tag erhielten die Aktivisten eine einstweilige Verfügung, mit der eine Räumung angekündigt wurde, bald darauf vollzogen durch ein Großaufgebot der Wasserschutzpolizei. Die Operation war damit zwar beendet, aber der mediale Achtungserfolg ließ sich nicht mehr verhindern.

So sehr es gelungen war, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren – dies änderte nichts daran, dass der Widerstand gegen eine Verklappung von Dünnsäure im Meer noch längst nicht am Ziel war. Der Bayer-Konzern konnte sich erst 1982 dazu durchringen, diese Art von Abfallentsorgung zu beenden. Bei Kronos verging hingegen deutlich mehr Zeit: Erst 1990 stellte das Unternehmen in Norddeutschland komplett auf ein Recycling der Schwefelsäure um. Die Kritik galt allerdings weniger dieser Firma als dem Deutschen Hydrologischen Institut: Die Behörde erteilte noch bis Ende 1989 Genehmigungen für die Ableitung von Dünnsäure in die Nordsee. Erst danach wurde dieses zerstörerische Verfahren verboten. Die Aktivisten von Greenpeace brauchten ihre Zeit, um gegen behäbige Behörden mehr als nur Achtungserfolge zu verbuchen.

Umweltschutzbewegungen kamen in Westdeutschland während der 1960er und 1970er Jahre zumeist wegen lokaler Ereignisse wie des Fischsterbens im Rhein oder wegen geplanter Kernkraftwerke zustande. Die Anti-Atom-Bewegung war das Aushängeschild. Den organisatorischen Überbau für viele Großdemonstrationen gegen AKWs und Atomwaffen lieferte der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU), der 1972 gegründet wurde. Bis heute gehören dem BBU mehrere Hundert Verbindungen an. Gleichwohl kam mit Greenpeace 1980 ein Player zur westdeutschen Umweltbewegung hinzu, der allein wegen der internationalen Erfahrung ein anderes Kaliber war. Was Unbehagen über dessen Verhalten nicht ausschloss, wenn sich Greenpeace mit Unternehmen arrangierte, um durch Kompromisse auch der Gegenseite zu gefallen. Schon 1977 trat Paul Watson, der im Gründungsjahr beigetreten war, aus und gründete die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd. Watson kritisierte Greenpeace als zu passiv und meinte, die Organisation sei ein Geschäft, das jedem ein gutes Gewissen verkaufe. Kurz nach der Gründung von Greenpeace Deutschland zogen sich auch hierzulande Mitglieder wieder zurück und gründeten Robin Wood. Sie bemängelten eine undemokratische Verbandsstruktur sowie eine fehlende Mitbestimmung und beschrieben die Organisation als ,,Öko-Multi".

Wenngleich die Dünnsäure-Aktionen 1980 langfristig durchaus Wirkung zeigten: Aufgrund der multiplen Umweltprobleme und Gewässerverschmutzungen muss konstatiert werden, dass die Anzahl der (vermeintlichen) Davids heutzutage noch sehr viel mehr anwachsen müsste, um gegen die vielen Goliaths der Welt zu bestehen.


Aus: "1980: Kranke Fische" Ben Mendelson (Ausgabe 42/2020)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/benmen/1980-kranke-fische (https://www.freitag.de/autoren/benmen/1980-kranke-fische)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on November 17, 2020, 10:58:12 AM
Quote[...] Der Giftstoff Quecksilber erreicht selbst die entlegensten Winkel der Erde: US-Forscher haben hohe Werte des Schwermetalls bei Flohkrebsen und Fischen in zwei Tiefseegräben im Pazifik nachgewiesen - dem Marianengraben und dem Kermadecgraben.

In den ,,Proceedings" der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften beschreibt das Team um Joel Blum von der University in Michigan in Ann Arbor, auf welchen Wegen das Umweltgift zu diesen tiefsten Orten des Planeten gelangt.

Die Forscher untersuchten sowohl Flohkrebse (Amphipoda) als auch Scheibenbäuche (Liparidae), die aus den beiden Tiefseegräben in Tiefen von 6000 bis gut 10.000 Metern gefangen wurden. Dabei analysierten sie das Quecksilber im Gewebe auf mehrere stabile Isotope.

Daraus schließen sie nicht nur, dass das giftige Schwermetall überwiegend anthropogenen Ursprungs ist, also durch menschliche Aktivitäten freigesetzt wurde. Sondern auch, wie es in die Tiere gelangte.

,,Quecksilber sowohl natürlicher als auch anthropogener Herkunft zirkuliert durch die Atmosphäre und die Ozeane", schreiben sie. ,,In der Atmosphäre hat gasförmiges Quecksilber eine Verweildauer von etwa einem Jahr und gilt daher als globaler Giftstoff." Mehr als 2000 Tonnen gelangen demnach jährlich etwa aus Bergbau, Kraftwerken und Zementfabriken in die Luft, wo sie sich über die Erde verteilen.

An Land wurde Quecksilber sowohl in der arktischen Tundra nachgewiesen als auch in Grönland und der Antarktis. Über die Kreisläufe in den Ozeanen wusste man bislang nur wenig, das gilt insbesondere für Tiefseerinnen wie den Marianengraben, der mit etwa 11.000 Metern die tiefste Stelle der Ozeane enthält.

Erst im Juni hatten chinesische Forscher berichtet, dass Flohkrebse in drei Tiefseegräben stärker mit Quecksilber belastet waren als in Küsten- oder Süßwasserregionen. Um die Ursache des Phänomens zu ermitteln, untersuchte das US-Team Fische und Flohkrebse aus dem Marianen- und Kermadecgraben auf sieben stabile Quecksilber-Isotope. Daraus leiteten sie dann die Route ab, über die der Großteil des Quecksilbers in die Rinnen gelangt ist.

Demnach stammt der überwiegende Teil des Quecksilbers aus der Atmosphäre und gelangt durch Niederschläge in die Ozeane, ein kleinerer Teil gelangt aus Flüssen ins Meer. In den oberen 1000 Metern der Wassersäule wird das Schwermetall von Meeresbewohnern wie etwa Fischen aufgenommen. Nach deren Tod sinken ihre Kadaver mit dem eingelagerten Schwermetall auf den Meeresgrund und werden von den dortigen Tieren verzehrt.

Das schließen die Forscher daraus, dass die Quecksilber-Isotope in den Tiefseebewohnern und weiter oben in nur etwa 500 Metern Tiefe lebenden Fischen übereinstimmen. Nur ein geringer Teil des Quecksilbers sinkt demnach mit Partikeln wie etwa Planktonresten in die Tiefe.

,,Die Bedeutung von Aas für die Nahrungsketten in den Rinnen passt zu Beobachtungen am Meeresboden von Gemeinschaften aus Fischen und Flohkrebsen aus anderen Tiefseeregionen, die zur Nährstoffversorgung von Aas abhängig sind", schreiben die Wissenschaftler. ,,Wenn Aasfresser wie Scheibenbäuche und Flohkrebse Kadaver fressen, wird Methylquecksilber vom Gewebe von weiter oben lebenden Organismen in das Gewebe von Meeresgrund-Bewohnern transferiert."

Frühere Studien hatten in Bewohnern von Tiefseegräben schon andere anthropogen verursachte Stoffe nachgewiesen. Darunter sind Blei, Polychlorierte Biphenyle (PCBs) und das Kohlenstoff-Isotop C14 aus Atomwaffentests. (dpa)


Aus: "Wie giftiges Quecksilber in tiefe Ozeangräben gelangt" (16.11.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/schwermetall-in-der-tiefsee-wie-giftiges-quecksilber-in-tiefe-ozeangraeben-gelangt/26629584.html (https://www.tagesspiegel.de/wissen/schwermetall-in-der-tiefsee-wie-giftiges-quecksilber-in-tiefe-ozeangraeben-gelangt/26629584.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on November 18, 2020, 10:39:15 AM
Quote[...] BERLIN taz | Gülle mit antibiotikaresistenten Keimen und Antibiotikarückständen wird offenbar regelmäßig durch ganz Deutschland kutschiert. Das ist das Ergebnis einer Greenpeace-Recherche, die der taz vorab vorlag. Dafür wurden Gülleproben aus Schweineställen in Niedersachsen analysiert: Alle 11 untersuchten Proben enthielten Antibiotikarückstände, 7 wiesen teilweise multiresistente Keime auf.

Die 86 nachverfolgten Gülletransporte liefen im Durchschnitt über eine Distanz von etwa 220 Kilometern, häufig in andere Bundesländer. Der ,,Gülletourismus" aus Regionen mit Massentierhaltung kann fatale Folgen haben: Auf den Feldern wirken die Bakterien auf Bodenorganismen ein und können ins Grundwasser gelangen.

Überschüssige Gülle ist ein Problem der Massentierhaltung. Um die Belastung des Grundwassers mit Nitraten zu begrenzen, wird Gülle in anderen Regionen verkauft – mit ihr die Antibiotika aus der Tierhaltung. Sie tragen dazu bei, dass krank machende Bakterien unempfindlich gegen Medikamente werden.

In Deutschland sterben laut einer Studie jährlich etwa 2.400 Menschen, weil sie sich mit einem resistenten Keim infiziert haben. Unklar ist lediglich, wie hoch der Anteil der Landwirtschaft an der Bildung von Resistenzen ist. 2018 wurden in Deutschland 722 Tonnen Antibiotika an Masttiere gegeben – mehr als in der Humanmedizin.

Die Transporte verbreiteten ,,Resistenzen gegen überlebenswichtige Antibiotika. Damit wächst die Gefahr, dass Infektionskrankheiten immer schwerer zu behandeln sind", sagte Greenpeace-Experte Dirk Zimmermann.

,,Diese unverantwortliche Streuung der Risiken der industriellen Tierhaltung kann nicht die Lösung für die Überproduktion von Billigfleisch und Gülle sein. Nur wenn weniger Tiere besser gehalten werden, lässt sich die Gülleflut stoppen."


Aus: "Recherche zu Massentierhaltung: Gülletourismus verbreitet Erreger" Kai Schöneberg (18. 11. 2020)
Quelle: https://taz.de/Recherche-zu-Massentierhaltung/!5725448/ (https://taz.de/Recherche-zu-Massentierhaltung/!5725448/)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on November 26, 2020, 12:32:44 PM
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen
PFAS haben keine natürliche Quelle. Sie werden industriell hergestellt und in einer Vielzahl von Produkten verwendet. Viele PFAS reichern sich in der Umwelt sowie im menschlichen und tierischen Gewebe an. Einige PFAS stehen im Verdacht krebserregend zu sein.  ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Per-_und_polyfluorierte_Alkylverbindungen (https://de.wikipedia.org/wiki/Per-_und_polyfluorierte_Alkylverbindungen)

https://de.wikipedia.org/wiki/Per-_und_polyfluorierte_Alkylverbindungen#PFT_in_deutschen_Gew%C3%A4ssern (https://de.wikipedia.org/wiki/Per-_und_polyfluorierte_Alkylverbindungen#PFT_in_deutschen_Gew%C3%A4ssern)

Contaminants in New Jersey Soil and Water Are Toxic, Documents Reveal
Solvay had previously withheld information about the PFAS chemicals on the grounds that it was "confidential business information."
Sharon Lerner, November 25 2020, 11:05 p.m.
https://theintercept.com/2020/11/25/solvay-new-jersey-pfas-documents/ (https://theintercept.com/2020/11/25/solvay-new-jersey-pfas-documents/)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on January 14, 2021, 09:51:23 AM
Quote[...] Giftfund an der Berliner Havel: bis zu 280.000 Euro Schaden? Seit zehn Monaten (,,6. März 2020") ist der östliche Uferweg zwischen der Insel Eiswerder und der Spandauer-See-Brücke gesperrt. ,,Kampfmittelfund" stand auf einem Flyer am Bauzaun, doch damit waren keine rostigen Patronen gemeint. ,,Leider war es nicht nur ein Kampfmittelfund", erfuhr jetzt Bettina Domer, SPD, im Abgeordnetenhaus. ...  ,,Die stark arsenhaltigen Ablagerungen auf dem Ufergrundstück umfassen ca. 30 m² und befinden sich genau unter dem Uferwanderweg auf Höhe der Steganlagen."
Die Sanierung soll im Mai 2021 abgeschlossen sein. Kosten: zwischen 170.000 und 280.000 Euro. Anschließend muss der Uferweg neu gebaut werden. ...


Aus: "Giftfunde an der Berliner Havel" André Görke (14.01.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/280-000-euro-schaden-giftfunde-an-der-berliner-havel/26793994.html (https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/280-000-euro-schaden-giftfunde-an-der-berliner-havel/26793994.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on February 23, 2021, 10:27:20 AM
Quote[...] JERUSALEM taz | ,,Ich glaube nicht, dass ich im Sommer mit meinen Kindern an diesen Strand kommen kann." Michal Hasson schüttelt den Kopf und hebt einen kleinen schwarzen Klumpen vom Boden auf. Normalerweise geht sie hier am Strand von Palmachim, eine halbe Stunde südlich von Tel Aviv, baden. Doch heute hockt sie mit einer Mülltüte, einer Maske gegen toxische Gase und Plastikhandschuhen im Sand und sammelt auf, was in den letzten Tagen aus dem Meer angespült wurde: Ölreste.

Die ersten Nachrichten über die Verschmutzung an Israels Stränden tröpfelten letzte Woche ein. Am vergangenen Donnerstag verendete ein Finnwal am Strand von Nitzanim. Bei der Autopsie wurde schwarze Flüssigkeit in dem Tier entdeckt. Kurz darauf spülten die Wellen an zahlreichen Stellen verklebte Schildkröten an die Strände; Ölreste lagerten sich auf einer Länge von 170 Kilometern Küstenlinie von Rosh Hanikra an der libanesischen Grenze bis hinunter zum Gazastreifen an.

Israelische Behörden sprechen von einer der schlimmsten israelischen Umweltkatastrophen der vergangenen Jahrzehnte. Die Natur- und Parkbehörde befürchtet, dass die Reinigung Jahre dauern könnte. Es sei damit zu rechnen, dass weiterhin Öl und verklebte Tiere angespült werden.

Die Ursache der Verschmutzung ist indes noch nicht geklärt. Laut Umweltschutzministerium zeigen Satellitenbilder vom 11. Februar einen verdächtigen schwarzen Fleck auf der Meeresoberfläche etwa 50 Kilometer von Israels Küste entfernt. Zehn Schiffe seien um diese Zeit in der Gegend gewesen. Das Ministerium arbeite daran, den Vorgang aufzuklären. Ungeklärt ist bislang auch, ob die Quelle der Funde Rohöl oder schwerer Dieselkraftstoff war.

Am Wochenende kamen zahlreiche Freiwillige zum Säubern an die Strände. Einige von ihnen haben dabei wohl giftige Dämpfe eingeatmet und mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden. Die israelische Natur- und Parkbehörde schloss daraufhin am Sonntag vorerst die Strände und rief die Freiwilligen dazu auf, nur nach Anweisung vorzugehen.

Zahlreiche Umweltschutzorganisationen kritisierten die Krisenbewältigung der Regierung. ,,Allen ist klar, dass eine solche Verschmutzung eine Frage der Zeit war, dennoch ist die Regierung überrascht", sagt etwa Leehee Goldenberg von der Umweltschutzorganisation Mensch, Umwelt, Recht: ,,Je mehr Öltanker im Mittelmeer unterwegs sind, desto höher ist das Risiko, dass es zu solch einer Katastrophe kommt."

Goldenberg betont dies vor allem angesichts einer Vereinbarung, die Mitte Oktober 2020, kurz nach dem Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), getroffen wurde: der sogenannten Red-Med-Vereinbarung zwischen den Emiraten und der israelischen Eilat Ashkelon Pipeline Company. Darin geht es darum, Öl vom Golf über Israel nach Europa zu transportieren.

Öl der Vereinigten Arabischen Emirate soll auf dem Seeweg mit Öltankern vom Persischen Golf nach Eilat am Roten Meer gebracht werden. Weitertransportiert werden soll es von dort mit einer Pipeline an das Mittelmeer, nämlich an den Hafen von Ashkelon. Von dort geht es mit Öltankern weiter nach Europa.

Die Pipeline dafür existiert bereits, wird derzeit aber nur wenig genutzt. ,,Es gibt immer wieder Pannen mit dieser völlig veralteten Pipeline", sagt Dov Khenin, ehemaliges Knessetmitglied für die arabisch-jüdische Partei Chadash und Umweltaktivist. Im Dezember 2014 sorgte beispielsweise ein Unfall an der Pipeline dafür, dass mehrere Millionen Liter Rohöl ausliefen und einen großen Teil des Evrona-Naturschutzgebiets verunreinigten.

,,Sollte Eilat in einen großen Ölhafen verwandelt werden, wäre die ganze Gegend bedroht", so Khenin. Rund um die Hafenstadt Eilat am Roten Meer gibt es einzigartige Korallenriffe und Naturschutzgebiete unter Wasser, Ähnliches gilt für das angrenzende Sinai Ägyptens und die jordanische Küstenregion.

Dort, wo die Pipeline endet, in der Nähe von Ashkelon am Mittelmeer, liegt eine große Entsalzungsanlage, die Trinkwasser für Israelis bereitstellt. 75 Prozent des israelischen Trinkwassers wird aus Entsalzungsanlagen gewonnen. Im Fall eines Unfalls wären auch diese akut bedroht.

Khenin macht internationale Interessen mit für die Pläne verantwortlich. Einige Israelis gehen gar davon aus, dass die Möglichkeit, Öl vom Golf über Israel nach Europa zu bringen, zentraler ökonomischer Beweggrund für das von den USA vermittelte Normalisierungsabkommen zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten gewesen sei. ,,Die EU redet viel von erneuerbarer Energie. Das hier ist der Test", so Khenin: ,,Sie sollten dieses Öl auf keinen Fall kaufen."


Aus: "Verschmutzter Strand: Mysteriöse Ölpest an Israels Küste" Judith Poppe (22. 2. 2021)
Quelle: https://taz.de/Verschmutzter-Strand/!5750287/ (https://taz.de/Verschmutzter-Strand/!5750287/)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on March 24, 2021, 12:23:33 PM
"Pestizide – vom Winde verweht"  Susanne Aigner (21. März 2021)
Selbst an weit entlegenen Orten werden Pestizide nachgewiesen. Umweltverbände fordern konsequente Reformen in der Anwendung von Spritzmitteln ... Etwa ein Drittel der nachgewiesenen Wirkstoffe waren in Deutschland zum jeweiligen Messzeitpunkt nicht zugelassen, darunter verbotene Insektengifte wie DDT und Lindan. Diese bauen sich so langsam ab, dass sie oft noch jahrzehntelang nachweisbar sind. Über Monate und Jahre hinweg werden sie in unberührte Naturlandschaften verweht – und akkumulieren sich an entlegenen Orten, etwa über der zentralen Nordsee, Nordgrönland oder auf Spitzbergen, wie Wissenschaftler des Max-PIanck-Institut herausfanden.
Auch im Gletschereis und in der Atmosphäre des Nordpols fanden sie toxische Partikel. Bereits vor zehn Jahren wies der WWF in mehreren Studien DDT und PCB im Blut von 300 Eisbären nach. Insbesondere der Fund von DDT, das seit langem verboten ist, beweise dessen lange Wirksamkeit.
Auch Insektizide wie Phosmet und Chlorpyrifos wurden nachgewiesen. Chlorpyrifos schädigt die Entwicklung des kindlichen Gehirns im Mutterleib, wie kanadische Wissenschaftler in einer Langzeitstudie herausfanden. Darum ist das Gift seit 2012 in Deutschland verboten, seit Anfang 2020 auch in der EU.
Auch im Quellwasser der französischen Alpen entdeckten Wissenschafter zufällig Spuren des Fungizids Chlorothalonil. Weil er in Verdacht steht, Krebs zu erregen, wurde der Wirkstoff Ende 2019 EU-weit verboten. Das Wasser wird von Danone unter der Marke Evian verkauft. ...
https://www.heise.de/tp/features/Pestizide-vom-Winde-verweht-5074886.html (https://www.heise.de/tp/features/Pestizide-vom-Winde-verweht-5074886.html)

"Verseuchter HonigWarum ein Imkerpaar seine Bienenvölker verkauft" Ernst-Ludwig von Aster ( 05.05.2020)
Verzicht auf Totalherbizide während der Blühzeit: Dazu hat der Verband der Berufsimker die Bauern aufgerufen. Das Gift findet sich unter Umständen später im Honig wieder. Eine bittere Erfahrung, die auch ein Brandenburger Imkerpaar machen musste. ...
https://www.deutschlandfunkkultur.de/verseuchter-honig-warum-ein-imkerpaar-seine-bienenvoelker.976.de.html?dram:article_id=476036 (https://www.deutschlandfunkkultur.de/verseuchter-honig-warum-ein-imkerpaar-seine-bienenvoelker.976.de.html?dram:article_id=476036)

Pestizid-Belastung der LuftEine deutschlandweite Studie  zur Ermittlung der Belastung der Luft  mit Hilfe von technischen Sammlern, Bienenbrot,  Filtern aus Be- und Entlüftungsanlagen  und Luftgüte-Rindenmonitoring hinsichtlich des Vorkommens von Pestizid-Wirkstoffen, insbesondere Glyphosat - Stand 06.10.2020
https://www.ackergifte-nein-danke.de/wp-content/uploads/2020/09/Studie_final_niedrig.pdf (https://www.ackergifte-nein-danke.de/wp-content/uploads/2020/09/Studie_final_niedrig.pdf)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on April 11, 2021, 07:33:54 PM
Quote[...] Zickenwinkel – das klingt niedlich ländlich, ist in Berlin aber ein Ort, an dem sich Abertausende Tonnen giftiger Industrieabfälle türmen. Ein harmlos anmutender, pyramidenähnlicher Hügel zwischen der Minna-Todenhagen-Brücke über die Spree und dem Britzer Zweigkanal birgt die Hinterlassenschaften von über hundert Jahren Chemieproduktion, und das wird sich auf absehbare Zeit nicht ändern.

Blausäureverbindungen, Arsen, Quecksilber, verbunden mit Erdreich elf Meter hoch aufgetürmt, sind das Erbe des Chemiestandorts, der zuletzt bis 1990 vom VEB Kali Chemie und von der Vereinigung Volkseigener Betriebe (VVB) Lacke und Farben genutzt wurde.

1996/97 wurde der Hügel mit einer Kunststoff-Folie, Filtervlies und Mutterboden abgedeckt. Außerdem wurde das Ufer von Spree und Kanal so abgedichtet, dass nur noch wenig Wasser unter dem Hügel ins Grundwasser strömt, erklärte der Senat auf Anfrage des FDP-Abgeordneten Stefan Förster.

Außerdem wird Wasser in ,,Abwehrbrunnen" an der Schnellerstraße gepumpt, sodass verseuchtes Wasser nicht in Richtung Wasserwerk Johannisthal strömen kann. Das Grundwasser werde schließlich noch in einer speziellen Reinigungsanlage von Cyaniden und Arsen befreit.

Förster findet das alles ganz nett, hätte aber gern, dass der Giftberg verschwindet. Unter anderem deshalb, weil immer wieder Menschen den Bauzaun um den Hügel überwänden, um ihn zu besteigen und dort zu ,,chillen".

Der Senat hat da aber wenig beizutragen, erklärte Umwelt-Staatssekretär Stefan Tidow (Grüne). Es wäre unverhältnismäßig teuer geworden, den Berg und seinen Untergrund abzutragen, um die Schadstoffe ordnungsgemäß zu entsorgen, der im Übrigen dem Bund gehöre. Die Sicherung des Bergs mit der Abdeckung gelte laut Bodenschutzgesetz als Sanierung.

Tidow gesteht zwar zu, dass die Kletterei auf den Hügel die Bepflanzung und in der Folge die Abdichtung beschädigen könnte. Eine unmittelbare Gefahr bestehe aber nicht für Menschen, die den Giftberg besteigen.

Der Bund werde jetzt ,,zeitnah" Warnschilder aufstellen. Ein Zaun, der den bislang vorhandenen Bauzaun ersetze, sei in Planung.


Aus: "An der Spree: Der Giftberg von Niederschöneweide" Gerhard Lehrke (11.04.2021)
Quelle: https://www.berliner-kurier.de/berlin/der-giftberg-von-niederschoeneweide-li.151858 (https://www.berliner-kurier.de/berlin/der-giftberg-von-niederschoeneweide-li.151858)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on April 19, 2021, 01:59:53 PM
Quote[...] In Nord- und Ostsee liegen rund 1,6 Millionen Tonnen Munitionsreste aus den Weltkriegen. Forscher befürchten große Umweltschäden, doch die Bergung wäre möglich.

Es ist der Morgen des 28. August 1914 als die "SMS Mainz" zum letzten Mal in See sticht. Seit einem Monat tobt der Erste Weltkrieg und der kleine Kreuzer der Kaiserlichen Marine hat bereits seine ersten gefährlichen Einsätze vor der Küste Großbritanniens hinter sich.

An diesem Morgen liegt die "Mainz" in der Reede von Borkum als der Befehl zum Auslaufen kommt. Britische Verbände haben vor Helgoland das Feuer eröffnet, die "Mainz" wird zur Unterstützung gerufen. Doch soweit schafft es das 130 Meter lange Schiff nicht, gegen Mittag gerät es unter Beschuss.

Drei Torpedos treffen das Schiff und beschädigen es schwer. 92 Personen sterben, darunter der Kapitän. Die übrige Besatzung - insgesamt 348 Mann - ergibt sich und wird gerettet - doch davor öffnen die Matrosen die Flutventile. Um 14:05 Uhr sinkt die "Mainz".

Fast 107 Jahre später beschäftigt sich der Deutsche Bundestag mit der "SMS Mainz" und den anderen mindestens 120 Wracks aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, die noch auf dem Grund der Deutschen Bucht liegen. Denn ihre Geschichte noch nicht vorbei. Meerwasser und Gezeiten nagen an den Schiffen, Wissenschaftler befürchten enorme Umweltschäden. Und dabei sind die Schiffe nur das geringste Problem.

Nach dem Zweiten Weltkrieg stießen die Alliierten auf massenhaft Reste von Waffen und Munition. Um die Deutschen schnell und endgültig zu entwaffnen, entschloss man sich, sie vor der Küste zu verklappen. Granaten, Minen, Munition, darunter auch chemische Waffen - alles wurde ins Meer geworfen. Konservative Schätzungen gehen von insgesamt 1,6 Millionen Tonnen Munition in Nord- und Ostsee aus. Das Gewicht von 158 Eifeltürmen.

Eine gewaltige Menge und ein gewaltiges Problem. "Überall dort, wo Munition liegt, treten Stoffe aus, die giftig und teils erbgutverändernd sind", sagt der Meeresbiologe Matthias Brenner. Seit 2011 beschäftigt er sich am Alfred-Wegener-Institut mit dem gefährlichen Erbe auf dem Meeresgrund. Erst in der vergangenen Woche war Brenner für fünf Tage mit einem Forschungsschiff in der Deutschen Bucht, um Wasser- und Sedimentproben an der "SMS Mainz" zu entnehmen.

Veränderungen durch die Munitionsreste können Wissenschaftler wie Brenner schon jetzt feststellen. Im Ostseewasser lassen sich Spuren von TNT nachweisen, bei Fischen wurden nahe der Versenkungsgebiete vermehrt Explosivstoffe in der Galle gefunden, bei Dorschen im Bornholmer Becken fanden sich selbst im Filet Spuren von Chemie.

Für den Menschen seien die bisher gemessenen Konzentrationen nicht gefährlich. Noch nicht. "Das Problem wird zunehmen", sagt Matthias Brenner. Bisher sei ein großer Teil der Munition nicht durchgerostet, die chemischen Stoffe würden also nur teilweise austreten. Doch das Salzwasser nagt am Metall und verwandelt die alten Waffen zu tickenden Zeitbomben auf dem Meeresgrund.

Am Donnerstag hat sich deshalb der Bundestag mit dem Problem beschäftigt. Nachdem ein interfraktioneller Antrag gescheitert war, wurde über einen Antrag von FDP und Grünen beraten. Er fordert die Bundesregierung auf, eine Strategie zur Kartierung und Bergung der Munitionsreste zu entwickeln. Dafür solle eine zentrale Institution geschaffen werden und der Bund solle sich finanziell stärker einbringen - eigentlich ist das Beseitigen von alten Weltkriegsbomben und Munition Aufgabe der Länder.

"Die Bundesländer, die Anrainerstaaten, können dieses Problem definitiv nicht alleine bewältigen", sagte Grünen-Politikerin Steffi Lemke am Donnerstag im Plenum des Bundestags. Es müsse nun schnell und unideologisch gehandelt werden, forderte sie. "Das Zeitfenster schließt sich", sagte Lemke. Der FDP-Abgeordnete Olaf in der Beek sprach von einer "alarmierenden" Lage und verwies auf die bereits existierende Technik, die es zur Bergung gebe und zum Beispiel von Offshore-Unternehmen genutzt wird.

Die Abgeordnete der CDU, Astrid Damerow, teilte die Sorge über die Folgen der Munitionsbelastung, sagte aber: "Die Problemlösung ist sicherlich ein Marathon." Ein Vorgehen müsse international mit den Anrainerstaaten der Nord- und Ostsee abgestimmt werden. Ihr Parteifreund Peter Stein ergänzte, es gehe um eine "faire Aufteilung" Kosten. "Es sollte auch die Europäische Union mit ins Boot." Am Ende der Debatte wurde der entsprechende Entschließungsantrag per Abstimmung zunächst an den Umweltausschuss überwiesen. Dort droht ihm wohl ein ähnliches Schicksal wie den Wracks auf dem Meeresboden.

Vom Bundesumweltministerium heißt es auf Anfrage, man sei zwar zuständig für Altmunition im Meer, nicht aber für die Bergung. Dort will man auf Strategien der Umweltministerkonferenz (UMK) warten, sowie die Zusammenschlüsse der Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee. Auch zu den Kosten gebe es nur unvollständige, interne Schätzungen - aber schon die gehen in die Millionen. Die Forderung nach einer zentralen verantwortlichen Institution beantwortet man deshalb zögerlich: "Zu dieser Option sind noch viele administrative und fachliche Fragen offen, die noch geprüft werden müssen", sagte ein Sprecher.

Den Bundesländern an Ost- und Nordsee geht das Prozedere zu langsam. "Nun muss es darum gehen, gemeinsam mit dem Bund realistische Strategien zu entwickeln, das Meer von der Munition zu befreien", sagt die schleswig-holsteinische Staatssekretärin für Umwelt Dorit Kuhnt dem Tagesspiegel. Das Umweltministerium in Kiel will daher bei der nächsten UMK Ende April einen neuen Antrag einbringen.

Auch Meeresbiologe Matthias Brenner würde sich mehr Tempo von der Politik wünschen. "Wir brauchen jetzt die Unterstützung für ein Monitoring, damit wir wissen, wo die Umweltgefahr am größten ist und wir am dringlichsten handeln müssen."

Doch selbst wenn die Politik handeln sollte, wird sich am Schicksal der "SMS Mainz", die seit 1914 am Grund der Deutschen Bucht liegt, wohl nichts ändern. Sie gilt als historisches Denkmal und wegen der 92 Toten auch als Seemannsgrab. Gehoben werden darf das Wrack deshalb nicht.


Aus: "Was wird aus den Millionen Tonnen Munition in Deutschlands Meeren?" Felix Hackenbruch (18.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/reste-aus-den-weltkriegen-was-wird-aus-den-millionen-tonnen-munition-in-deutschlands-meeren/27099098.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/reste-aus-den-weltkriegen-was-wird-aus-den-millionen-tonnen-munition-in-deutschlands-meeren/27099098.html)

Quoteyoda 17.04.2021, 13:01 Uhr
Das Problem ist ja nicht neu und genau das ist offenbar das Problem. Verantwortliche gibt es lediglich auf dem Papier und intern wird die Devise ausgegeben "Nicht vor meiner Pensionierung". Das ist staatlich geförderte Arbeitsverweigerung.
Am originellsten ist der Vorschlag "Wir warten auf die EU". Da werden sich die Polen aber freuen zu hören, dass sie zur Finanzierung derjenigen militärischen Hinterlassenschaften herangezogen werden sollen, die 80 Jahre zuvor die Ausrottung eigener Bevölkerungsteile bewirkt haben.


QuoteRicochet1 17.04.2021, 12:44 Uhr
Ich würde zuerst Herrn Habeck fragen. Er hat bestimmt eine Begründung dafür, warum er als Minister in S-H sich nicht traute, irgendetwas zu unternehmen. Vielleicht sollen die Wattwürmer für die Entsorgung sorgen.... wer weiß?


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on April 22, 2021, 11:23:37 AM
Quote[...] Menschen leiten tonnenweise Stickstoff und Phosphor in die Meere. Für die Unterwasserwelt hat das schwere Folgen. Denn wo der Sauerstoffgehalt sinkt, sterben Organismen ab. Und das passiert immer öfter. UN-Chef Guterres schlägt Alarm.

In den Weltmeeren gibt es laut einem Bericht der Vereinten Nationen (UN) immer mehr sogenannte Todeszonen. Dabei handelt es sich um sehr sauerstoffarme Gebiete im Meer, in denen kaum noch Leben möglich ist. Die Zahl dieser Zonen sei von 2008 bis 2019 von mehr als 400 auf etwa 700 gestiegen, heißt es im zweiten "World Ocean Assessment" der UN zum Zustand der Meere, der in New York vorgestellt wurde. Besonders betroffen sind demnach neben dem Golf von Mexiko und dem Südchinesischen Meer auch die Ost- und die Nordsee.

Das Phänomen tritt in einigen Meeresregionen natürlicherweise auf. Eine Ursache sind Algenblüten. Nach dem Absterben sinken die Algen langsam nach unten und werden dabei von Bakterien abgebaut, die Sauerstoff verbrauchen. So können sich in der Tiefe riesige Zonen bilden, in denen es zeitweise kaum mehr Sauerstoff im Wasser gibt. Der Eintrag von Nährstoffen wie etwa Stickstoff und Phosphor in die Meere, etwa durch Düngemittel aus der Landwirtschaft, begünstigt solche Algenblüten.

Die UN sehen eine Tendenz zur weiteren Verschlechterung der Lage: "Schätzungen zufolge wird sich der menschengemachte Stickstoffeintrag an den Küsten in der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts verdoppeln", heißt es in dem Bericht. Zudem hätten durch den Klimawandel auch steigende Wassertemperaturen einen negativen Einfluss.

UN-Generalsekretär António Guterres nannte die Befunde im Bericht "alarmierend": "Die Belastungen durch viele menschliche Aktivitäten strapazieren weiterhin die Ozeane, zerstören wichtige Lebensräume - wie Mangrovenwälder und Korallenriffe - und behindern deren Fähigkeit, die Auswirkungen des Klimawandels zu bewältigen", teilte er mit. Guterres betonte die Rolle des CO2-Ausstoßes, durch den biologische Vielfalt in den Meeren zerstört und Küstenabschnitte wegen des steigenden Wasserspiegels bedroht würden.

Eine positive Entwicklung sehen die Vereinten Nationen derweil bei der Anzahl der Vorfälle mit Schiffen. Die Unfälle auf den Weltmeeren seien in den vergangenen Jahren deutlich gesunken. Von 2014 bis 2018 seien jährlich im Schnitt 88 Schiffe "verloren gegangen", in den fünf Jahren zuvor seien es im Schnitt 120 gewesen. Fortschritte gebe es auch bei der Senkung von Luftverschmutzung durch Schiffsabgase. Zudem seien Vorfälle mit Öllecks nach wie vor selten.

Quelle: ntv.de, ino/dpa


Aus: "Ozeane in Gefahr Zahl der Todeszonen wächst" (Donnerstag, 22. April 2021)
Quelle: https://www.n-tv.de/wissen/Zahl-der-Todeszonen-waechst-article22506080.html (https://www.n-tv.de/wissen/Zahl-der-Todeszonen-waechst-article22506080.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on May 15, 2021, 11:24:07 AM
Quote[...] Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer hat auch im zweiten seiner US-Berufungsverfahren wegen angeblicher Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat eine Niederlage erlitten. Das zuständige Gericht in San Francisco bestätigte am Freitag ein Urteil, wonach Bayer dem Kläger Edwin Hardeman insgesamt gut 25 Millionen Dollar (20,6 Mio Euro) Schadenersatz zahlen muss.

Bayer zeigte sich in einer Stellungnahme enttäuscht. Die Entscheidung des Gerichts sei nicht durch die Beweislage beim Prozess oder geltendes Recht gedeckt, erklärte das Unternehmen. Bayer ziehe alle rechtlichen Möglichkeiten in Betracht, um eine erneute Überprüfung des Falls zu erreichen. Dabei werde auch die Option geprüft, das Oberste Gericht - den US Supreme Court - einzuschalten.

Hardeman hatte den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup des 2018 für über 60 Milliarden Dollar von Bayer übernommenen US-Saatgutriesen Monsanto für seine Krebserkrankung verantwortlich gemacht. Eine Geschworenenjury hatte 2019 zunächst Strafzahlungen von gut 80 Millionen Dollar gegen Bayer verhängt. Später wurde die Summe deutlich reduziert. Der Konzern hatte trotzdem Berufung eingelegt.

Bayer ist in den USA mit zahlreichen Glyphosat-Klagen konfrontiert, die das Unternehmen mit einem milliardenschweren Vergleich beilegen will. Nur drei Fälle wurden bislang vor Gerichten verhandelt, alle drei verlor der Dax-Konzern. Auch in Berufungsverfahren hatte Bayer bislang keine Erfolge.

Das mit dem Monsanto-Kauf übernommene Glyphosat-Problem macht dem Konzern schwer zu schaffen. In den USA meldeten bereits über 125.000 Kläger Ansprüche auf Schadenersatz an. Bayer will mehr als elf Milliarden Dollar in die Hand nehmen, um das Massenverfahren beizulegen. Doch ein wichtiger Teil des Vergleichs bedarf noch einer richterlichen Genehmigung. Am 19. Mai steht hierzu eine wichtige Anhörung an. (dpa)


Aus: "Unkrautvernichter mit Glyphosat: Bayer verliert weiteres Berufungsverfahren in den USA" (14.05.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/unkrautvernichter-mit-glyphosat-bayer-verliert-weiteres-berufungsverfahren-in-den-usa/27193252.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/unkrautvernichter-mit-glyphosat-bayer-verliert-weiteres-berufungsverfahren-in-den-usa/27193252.html)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on May 27, 2021, 03:31:19 PM
Quote[...] Der deutsche Chemiekonzern Bayer steigt im Streit um den glyphosathaltigen Unkrautvernichter Roundup aus einem US-Vergleichsverfahren für mögliche künftige Kläger aus - und stellt den Verkauf von Roundup an US-Privatkunden auf den Prüfstand. Das gab der Konzern in der Nacht auf Donnerstag bekannt, nachdem ein Bundesrichter in San Francisco den Vorschlag für eine Vereinbarung zwischen Bayer und Klägeranwälten von Krebspatienten zurückgewiesen hatte.

"Die Entscheidung macht es unmöglich, den vorgeschlagenen nationalen Lösungsmechanismus unter der Aufsicht dieses Gerichts weiterzuentwickeln, der die fairste und effizienteste Lösung für alle Parteien gewesen wäre", erklärte Bayer.

Der Leverkusener Konzern, dessen US-Tochter Monsanto Roundup herstellt, stellte stattdessen einen "Fünf-Punkte-Plan zum effektiven Umgang mit potenziellen künftigen Glyphosat-Klagen" vor. Dieser umfasse "rechtliche und kommerzielle Maßnahmen, die in Summe ähnliche Sicherheit in Bezug auf mögliche künftige Klagen schaffen".

Als einen Schritt kündigte Bayer an, das Angebot von Glyphosat-haltigen Herbiziden wie Roundup für US-Privatkunden auf den Prüfstand zu stellen. "Das Unternehmen wird weiterhin auf dem US-amerikanischen Privatkundenmarkt aktiv sein, aber umgehend mit Partnern über die Zukunft von Glyphosat-basierten Produkten auf diesem Markt diskutieren", erklärte der Konzern. "Diese Diskussionen betreffen nicht die Verfügbarkeit von Glyphosat-basierten Produkten für professionelle Nutzer und die Landwirtschaft."

Bayer plant zudem eine Internetseite "mit wissenschaftlichen Studien zur Sicherheit von Glyphosat-basierten Produkten" und will bei der US-Umweltbehörde EPA beantragen, einen entsprechenden Hinweis auf die Etiketten von Roundup-Produkten drucken zu dürfen. Der Konzern zeigt sich zugleich "offen für Vergleichsverhandlungen" und will laufende Berufungsverfahren fortführen.

Für Donnerstag kündigte das Unternehmen eine Telefonkonferenz für Investoren, Analysten und Medien an. Teilnehmen werde unter anderen Konzernchef Werner Baumann.

Bayer hatte den US-Agrarkonzern Monsanto 2018 für rund 54 Milliarden Euro gekauft. Der Streit um dessen Unkrautvernichter Roundup ist für den Leverkusener Konzern bis heute eine juristische und finanzielle Belastung.

Bayer will die Rechtsstreitigkeiten über eine mögliche krebserregende Wirkung von Roundup mit Entschädigungszahlungen in Höhe von rund elf Milliarden Dollar beilegen. Davon sind etwa neun Milliarden Dollar für bis zu 125.000 Kläger vorgesehen, deren Klagen bereits eingereicht wurden oder in Vorbereitung sind. Zwei Milliarden Dollar sind für mögliche künftige Klagen vorgesehen.

Den Lösungsvorschlag für diese potenziellen zukünftigen Klagen lehnte am Mittwoch aber Bundesrichter Vince Chhabria in San Francisco ab. Die Einigung sei für mögliche künftige Krebspatienten schlichtweg "unvernünftig". Die Vereinbarung würde für die Bayer-Tochter Monsanto "viel erreichen", schrieb der Richter in seiner Entscheidung. "Sie würde viel weniger für Roundup-Nutzer erreichen, die noch nicht mit (der Krebserkrankung Non-Hodgkin-Lymphom) NHL diagnostiziert wurden."

Chhabria hatte bereits im vergangenen Jahr einen Vergleichsvorschlag als unzureichend kritisiert. Vergangene Woche prüfte er dann einen nachgebesserten Vorschlag, auf den sich Bayer und die Klägeranwälte im Februar geeinigt hatten.

Bayer ist in den USA in drei Prozessen wegen Krebserkrankungen nach einer Nutzung von Roundup zu hohen Entschädigungszahlungen verurteilt worden. Erst Mitte Mai bestätigte ein Bundesberufungsgericht in San Francisco eine Verurteilung des Konzerns zu rund 25 Millionen Dollar Schadenersatz an einen an Krebs erkrankten Kläger.

Der Konzern bestreitet, dass der Unkrautvernichter krebserregend ist. Die Frage ist in der Forschung umstritten. Die US-Umweltbehörde EPA und auch die Aufsichtsbehörden in der EU und Deutschland sind zu dem Schluss gelangt, dass von Glyphosat keine Krebsgefahr ausgehe. Dagegen konstatierte die zur Weltgesundheitsorganisation WHO gehörende Internationale Agentur für Krebsforschung 2015, dass Glyphosat "wahrscheinlich krebserregend bei Menschen" sei. (AFP)



Aus: "Bayer steigt aus US-Vergleichsverfahren aus" (27.05.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/neue-schlappe-im-streit-um-glyphosat-bayer-steigt-aus-us-vergleichsverfahren-aus/27226660.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/neue-schlappe-im-streit-um-glyphosat-bayer-steigt-aus-us-vergleichsverfahren-aus/27226660.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on May 30, 2021, 02:19:24 PM
Quote[....] BERLIN taz | Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat wird vorerst nicht verboten. Am Freitag sollte der Bundesrat über die Verordnung zum Pflanzenschutz abstimmen, die das Ende von Glyphosat Ende 2023 besiegeln und weitere Beschränkungen von Herbiziden und Insektiziden bringen soll. Es ist eines der zentralen Vorhaben der Bundesregierung. Die Insekten sollen damit besser geschützt werden. Doch die Beschlussfassung wurde kurzfristig von der Tagesordnung gestrichen – auf Drängen der Union.

Mit dem Sterben der Bienen, Schmetterlinge, Käfer stehe das große Ganze auf dem Spiel, warnt der weltweit anerkannte Insektenforscher Josef Settele vom UFZ, dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Halle: ,,Insekten bestäuben Obstbäume und viele andere Kultur- und Naturpflanzen. Sie sind entscheidend für die gesunde Ernährung der Menschen. Insekten sind Nahrungsgrundlage für viele andere Tiere, und wenn die nicht mehr genug zu fressen haben, sind sie selbst gefährdet. Insekten spielen auch eine wichtige Rolle dabei, dass die Böden fruchtbar und das Wasser sauber bleibt", so Settele.

Doch die Stimmung war angespannt, spätestens seit sich die schwarz-rote Koalition vorgenommen hat, den Schwund der Insekten zu stoppen. Schon zuvor – die CDU-Politikerin Julia Klöckner war noch nicht Bundesagrarministerin, sondern Christian Schmidt von der CSU leitete das Ressort – gab es Ärger. Schmidt stimmte im Herbst 2017 einer weiteren Zulassung von Glyphosat in der EU zu – gegen den Willen der damaligen SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks und ohne Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Später sollte er zu seinem Glyphosat-Votum im Alleingang sagen: ,,So isser, der Schmidt." Glyphosat, das nicht nur Insekten schädigt, sondern auch in Verdacht steht Krebs auszulösen, ist wie kein anderes Pflanzenschutzmittel zum Politikum geworden.

Umweltschützer stehen auf der einen Seite, Landwirte auf der anderen. In den letzten Monaten sind Bäuerinnen und Bauern mit ihren Traktoren durch das Regierungsviertel in Berlin gerollt. Sie haben ,,Spiel mir das Lied vom Tod" aus großen Lautsprecherboxen ertönen, Sirenen heulen lassen. Auch in anderen Städten Deutschlands machten sie ihren Unmut deutlich. Sie fürchten um ihre Erträge und Existenz, wenn der Einsatz von Chemie stärker reguliert wird. Ihren Bedenken hat die Union nun offenbar nachgegeben.

In den Bundesländern, in denen sie regiert oder mitregiert, habe sie eine Zustimmung verweigert, hieß es am Donnerstag in Regierungskreisen. Die Länder hätten sich also bei der Abstimmung in der Hauptstadt enthalten müssen. Das Vorhaben Insektenschutz wäre endgültig geplatzt. Das befanden Unionsstrategen im Bund offenbar für heikel. Das Bundeskabinett hatte sich erst im Februar nach langem Hin und Her geeinigt. Am Ende hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel selbst eingeschaltet.

Die nächste Sitzung des Bundesrates ist Ende Juni. Ob die Union dem Glyphosat-Verbot dann zustimmen wird, ist offen.


Aus: "Kein Schutz für Insekten: Union kippt Bienen-Schutz-Gesetz" Hanna Gersmann (28. 5. 2021)
Quelle: https://taz.de/Kein-Schutz-fuer-Insekten/!5775520/ (https://taz.de/Kein-Schutz-fuer-Insekten/!5775520/)

QuoteUranus Freitag, 21:01

"Wer braucht schon tatsächlichen Schutz von Tieren? Die Nahrungsmittel kommen doch aus dem Supermarkt! Und Sie wollen doch nicht wirklich geringere Gewinne und in folge Arbeitsplatzabbau in der Agrochemie?" ;-/


Quotetomás zerolo Freitag, 15:53

An den Artikel, und auch @JAN BERGER: bitte nicht "die Landwirte". Der Bauernverband. Die tun so, als sprächen sie für alle Landwirt*innen.


QuoteRudolf Fissner
Freitag, 20:53

@tomás zerolo Ca 90% der landwirtschaftlicBetriebe sind Mitglied im Bauernverband. ( https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Deutscher_Bauernverband&oldid=210626690#Mitglieder (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Deutscher_Bauernverband&oldid=210626690#Mitglieder) )

Sie sprechen also faktisch schon für fast alle Landwirte.

...


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on May 31, 2021, 01:58:03 PM
Quote[...] Am 20. Mai berieten die EU-Handelsminister im Rahmen des Rates für Auswärtige Angelegenheit über das EU-Mercosur-Abkommen. Derzeit unterstützt die Bundesregierung die Bestrebungen der EU-Kommission, das umstrittene Vorhaben durch ein Zusatzabkommen zu retten. Dagegen protestiert ein Bündnis aus Umweltschutz-, Landwirtschafts- und Menschenrechtsorganisationen. In einem gemeinsamen Aufruf forderten die Organisationen die Bundesregierung auf, das geplante Handelsabkommen mit Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zu stoppen.

Mit dessen Inkrafttreten werden nicht nur die billigen Fleischimporte befeuert und weiterhin Regenwald zerstört, sondern europäischen Herstellern von Pestiziden werden auch bessere Absatzmärkte verschafft. Über Laboranalysen konnte die Umweltorganisation Greenpeace nachweisen, dass die in der EU verbotenen Wirkstoffe über das Obst nach Deutschland zurückkommen.

Im April und im Mai diesen Jahres hatte ein Greenpeace-Team Mangos, Limetten, Papayas, Melonen und Feigen aus Brasilien in Discountern und Supermärkten und Feinkostläden in ganz Deutschland eingekauft. Anschließend wurde das Obst in einem akkreditierten, unabhängigen Labor auf Rückstände von Schadstoffen untersucht. Das Ergebnis war alarmierend: Von 70 getesteten Papayas, Mangos, Melonen, Limetten und Feigen enthielten 59 Proben Rückstände von insgesamt 35 verschiedenen Pestizidwirkstoffen.

Mehr als die Hälfte der Proben war mehrfach belastet, auf manchen fanden sich bis zu neun verschiedene Pestizide. Vier Proben überschritten die zulässigen Höchstmengen. Analysiert wurden sowohl die Schale als auch das Fruchtfleisch. Darüber hinaus fanden sich in den Proben vier Desinfektionsmittel und 21 Wirkstoffe, die auf der Liste der giftigsten Pestizide der Organisation PAN (Pesticide Action Network International) vom März 2021 in der Kategorie "hoch gefährliche Pestizide" (Highly Hazardous Pesticides, kurz: HHP) geführt werden. Lediglich elf von 70 Früchten waren pestizidfrei. Elf der gefundenen Wirkstoffe sind in der EU nicht erlaubt. Einige werden von Bayer beziehungsweise von BASF vertrieben.

Mit 41 Prozent stellten Insektizide und Akarizide den größten Teil der nachgewiesenen Pestizide, dicht gefolgt von den Fungiziden mit 38,5 Prozent. Insektizide sind für fast alle Insekten tödlich, auch für Nützlinge, wie zum Beispiel Bienen. Auch für Menschen sind Fungizide und Insektizide gefährlich. Dabei hängt der Grad der Gefährlichkeit nicht nur von den gefundenen Rückstandsmengen und deren Giftigkeit ab. Entscheidend ist auch, ob sich in der Schale oder im Fruchtfleisch Rückstände finden. Ungeklärt ist noch, ob sich bei Mehrfachbelastungen in einer Probe die gesundheitlichen Auswirkungen gegenseitig beeinflussen.

Sieben der gefundenen Wirkstoffe finden sich in Produkten, die die BASF in Brasilien vertreibt. Zwölf Wirkstoffe sind in Handelspräparaten von Bayer in Brasilien zugelassen, darunter solche, die als hochgefährlich eingestuft werden und in der EU nicht zugelassen sind. Insgesamt 19 der festgestellten Wirkstoffe werden sowohl von Bayer als auch von der BASF in Brasilien vertrieben.

Mehr als zwei Drittel der Wirkstoffe, die deutsche Unternehmen in Brasilien verkaufen, sind als hochgefährliche Chemikalien einzustufen. In den armen Ländern Südamerikas vergiften sie Böden und Wasser, töten Pflanzen und Tiere - und gefährden die Gesundheit der Menschen, die ihnen ausgesetzt sind. Von den insgesamt 16 EU-Mitgliedsländern, die im Jahr 2019 Pestizide im Wert von mindestens 915 Millionen Euro in die Mercosur-Länder exportierten, liegt Deutschland immerhin auf Platz Drei der Top-Exporteure.

BASF und Bayer wiesen die Vorwürfe weit von sich: Alle Pflanzenschutzprodukte würden ausführlich getestet, evaluiert und von den Behörden auf Basis der in den jeweiligen Ländern geltenden offiziellen Richtlinien zugelassen, bevor sie verkauft werden. So verkaufe die BASF die Pflanzenschutzmittel nur, wenn sie die Anforderungen des internationalen Verhaltenskodex der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sowie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) erfüllten, wird eine BASF-Sprecherin in der Frankfurter Rundschau zitiert.

Bayer verkaufe bereits seit 2012 keine Pflanzenschutzmittel mehr, die von der WHO als "besonders toxisch" eingestuft seien. Man habe sich seit 2016 dazu verpflichtet, nur Pflanzenschutzprodukte zu vertreiben, deren Wirkstoffe in mindestens einem OECD-Industrieland registriert sind. Zudem verfüge Brasilien über strenge Zulassungsbestimmungen. So seien zahlreiche in Brasilien verbotene Pflanzenschutzmittel in der EU zugelassen.

Auch andere Chemiekonzerne wie Syngenta sind gut im Geschäft - zum Beispiel in Indien. Offiziell erfolgen Herstellung und Export gefährlicher Pestizide unter hohen Sicherheitsauflagen. Chemikalien würden "verantwortungsbewusst" und unter den richtigen Vorsichtsmaßnahmen eingesetzt, durch Befolgen aller Anweisungen, dem Tragen persönlicher Schutzausrüstungen sowie ordnungsgemäßer Lagerung, Anwendung und Entsorgung. Doch viele Landwirte können die Sprache, in der die Etiketten gedruckt sind, nicht lesen. So fehlt ihnen zum Einen schlicht die Information über die Gefahren. Zum Andern fehlt häufig die notwendige Schutzausrüstung.

Zum Beispiel in Yavatmal im indischen Bundesstaat Maharashtra: Hier leben tausende arme Bauern mit geringer Schulbildung vom Baumwollanbau. Zwischen Juli und Oktober 2017 hatten sich in Vidarbha, einer Region im Osten von Maharashtra, mehr als fünfzig Männer beim Ausbringen von Pestiziden tödlich vergiftet. Insgesamt sollen in Yavatmal mehr als 800 Bauern oder Landarbeiter wegen akuter Vergiftungen ins Spital eingeliefert worden sein, nachdem sie Pestizide versprüht hatten. Mehrere Hundert von ihnen erblindeten vorübergehend. Mindestens 65 Menschen starben infolge des Versprühens von Insektiziden. Genutzt hatten sie das Produkt "Polo" - allein oder im Mix mit anderen Produkten.

Grundlage des Insektizids ist der Wirkstoff Diafenthiuron, der als Gefahr für die menschliche Gesundheit eingestuft wird. Er kann bereits beim Einatmen Organschäden verursachen. Wegen der schädlichen Auswirkungen auf menschliche Gesundheit und Umwelt wurde das Produkt in der Schweiz vom Markt genommen und auf der Liste der verbotenen Pestizide aufgeführt. Dennoch wird es von der Hersteller-Firma Syngenta in andere Länder weiterverkauft.

Ein Team der konzernkritischen Schweizer Organisation Puplic Eye kam nach einer Befragung von Betroffenen vor Ort zu dem Schluss, dass viele der Baumwollbauern das Syngenta-Pestizid Polo in Kombination mit unterschiedlichen anderen Insektiziden, Fungiziden, Wachstumsreglern versprüht hatten. Welche spezifische Substanz oder welche Kombination von Substanzen zu welchen Teilen für ihre Vergiftungen verantwortlich war, war im Nachhinein nicht mehr nachzuvollziehen.

Das bedeutet keinesfalls, dass das Produkt Polo harmlos ist, wie sich im Fall von Hiroman Soyam zeigt: Der Bauer hatte das Produkt in Reinform mit Wasser angerührt. Am nächsten Tag wachte er mit geschwollenem Gesicht, Brustschmerzen, Fieber und Durchfall auf. Nach mehrtägiger Behandlung im Krankenhaus ist er bis heute zu schwach zum Arbeiten.

Immer wieder kommt es in Indien zu Vergiftungen durch Pestizide, erklärt Dr. Narasimha Reddy. So kamen 2002 in Warangal im Staat Telangana etwa 50 Bauern ums Leben. Rund 500 Menschen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Verantwortlich sind multinationale Agrarkonzerne, die diese Produkte vermarkten. Die Konzerne haben damals genauso weggeschaut wie die indische Regierung im Fall der Tragödie, die sich in Yavatmal abspielte, erklärt der Direktor des Pesticide Action Networks India.

Es gebe keinen sicheren Weg, die Giftstoffe auszubringen. In Indien liegen die Felder direkt neben den Siedlungen. Selbst wenn die Bauern durch Schutzanzüge geschützt wären, geraten die Giftstoffe in den Wasserkreislauf. Ein Verbot wäre die einzige Lösung. Nur abschreckende Strafen können multinationale Firmen daran hindern, mit Falschbehauptungen und auf Kosten von Leben und Nachhaltigkeit Profit zu erwirtschaften, glaubt Kavitha Kuruganti, die nach der Vergiftungswelle in der Region eine Recherche nach den Ursachen angestoßen hatte. Längerfristig müsse sich Indien von der Chemie in der Landwirtschaft verabschieden, fordert die indische Landwirtschaftsaktivistin und Sprecherin der "Allianz für nachhaltige und ganzheitliche Landwirtschaft". Die indischen Bauern kämen auch ohne die Produkte von Syngenta gut zurecht.

Der Wirkstoff Paraquat ist im Unkrautvernichter Gramoxone enthalten und wird, seit dieser von der britischen Firma Imperial Chemical Industries (ICI) 1962 auf den Markt gebracht wurde, auf Reisfeldern in allen Weltregionen ausgebracht. ICI gehört seit den 1990er Jahren zu Zeneca und ist seit 2000 ein Teil von Syngenta. Obwohl die Verwendung des Herbizids sowohl in Grossbritannien wie in der Schweiz verboten ist, exportiert der Schweizer Konzern jedes Jahr Tausende Tonnen Paraquat aus seinem Werk in Nordengland.

Glaubt man Michael Eddleston, Professor für klinische Toxikologie an der Universität Edinburgh, verstarben im Laufe der letzten Jahrzehnte zehntausende Menschen in Ländern aller Weltregionen an Paraquat. Die Beigabe eines Brechmittels konnten die tödlichen Vergiftungen nicht verhindern. Doch Syngenta und seine Vorgänger ignorierten wiederholt die Warnungen ihrer eigenen Wissenschaftler, kritisiert Public Eye. Sie lehnten die flächendeckende Einführung von sichereren Paraquat-Produkten vehement ab, weil sie darin keine wirtschaftlich akzeptable Lösung sahen. Mittlerweile reichte eine Gruppe von Bauern und Bäuerinnen in den USA, die Paraquat für ihre Parkinsonerkrankung verantwortlich machen, eine Klage gegen den Hersteller Syngenta ein.

Mit dem Handel von Pestiziden machen Chemiekonzerne weltweit große Geschäfte. Gleichzeitig werden Jahr für Jahr Millionen Menschen weltweit Opfer von Pestizidvergiftungen. Die Gifte belasten nicht nur Böden und Gewässer, sondern schaden vor allem auch den Menschen, die sie anwenden. Sie schwächen bestäubende Insekten wie Bienen, die insbesondere durch Neonikotinoide gefährdet sind. Ist der Organismus der Biene einmal durch Agrochemikalien geschwächt, haben Varroamilben leichtes Spiel, wie Schweizer Insektenforscher herausfanden.

Was die Pestizid-Exporte angeht, sollte ein 2019 veröffentlichter Faktencheck von PAN Germany Licht ins Dunkel bringen. Mit einer Unterschriftenaktion fordert die Initiative Campact e. V. deutsche Chemiekonzerne wie Bayer und BASF auf, den Export von Pestiziden nach Afrika, Asien und Lateinamerika zu beenden. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) stelle die Interessen weniger deutscher Großkonzerne über die Gesundheit der Menschen und den Umweltschutz, kritisiert Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch. Tritt das geplante EU-Mercosur Abkommen in Kraft, werden auch die Zölle auf Pestizide aufgehoben. Das wiederum dürfte den Handel mit den in der EU verbotenen giftigen Pestiziden aus Deutschland befeuern. Vor diesem Hintergrund fordert Greenpeace den Wirtschaftsminister auf, das Mercosur-Handelsabkommen zu stoppen. (Susanne Aigner)


Aus: "Wenn Rückstände von Giftexporten in Südfrüchten zurückkehren" Susanne Aigner (30. Mai 2021)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Wenn-Rueckstaende-von-Giftexporten-in-Suedfruechten-zurueckkehren-6057256.html?seite=all (https://www.heise.de/tp/features/Wenn-Rueckstaende-von-Giftexporten-in-Suedfruechten-zurueckkehren-6057256.html?seite=all)

https://www.gerechter-welthandel.org/2021/05/20/zivilgesellschaftliche-organisationen-fordern-den-stopp-des-geplanten-eu-mercosur-abkommens-und-eine-kehrtwende-in-der-eu-handelspolitik/ (https://www.gerechter-welthandel.org/2021/05/20/zivilgesellschaftliche-organisationen-fordern-den-stopp-des-geplanten-eu-mercosur-abkommens-und-eine-kehrtwende-in-der-eu-handelspolitik/)

https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/giftiger_handel_greenpeace.pdf (https://www.greenpeace.de/sites/www.greenpeace.de/files/publications/giftiger_handel_greenpeace.pdf)

http://pan-international.org/wp-content/uploads/PAN_HHP_List.pdf (http://pan-international.org/wp-content/uploads/PAN_HHP_List.pdf)

https://www.fr.de/wirtschaft/greenpeace-pestizide-gift-supermarkt-obst-brasilien-mango-melone-mercosur-90652437.html (https://www.fr.de/wirtschaft/greenpeace-pestizide-gift-supermarkt-obst-brasilien-mango-melone-mercosur-90652437.html)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on June 03, 2021, 10:59:36 AM
Quote[...] Der Europäische Gerichtshof hat Deutschland verurteilt, weil jahrelang in vielen Städten die Grenzwerte für den Luftschadstoff Stickstoffdioxid erheblich überschritten wurden. Die Bundesrepublik habe damit EU-Recht gebrochen, entschieden die höchsten EU-Richter am Donnerstag in Luxemburg. Hintergrund ist eine Klage der EU-Kommission. Sie bezieht sich auf die Jahre 2010 bis 2016. (Rechtssache C-635/18)

Mit dem Urteil gegen die Bundesrepublik sind neue Auflagen zum Beispiel für Dieselfahrzeuge an bestimmten Orten nicht ausgeschlossen. Allerdings hat sich die Luftqualität in deutschen Städten zuletzt verbessert, unter anderem wegen der Corona-Krise. Nach Angaben des Bundesumweltministeriums waren 2016 in 90 Städten die Grenzwerte teils deutlich überschritten worden. Seither sei die Zahl jedes Jahr gesunken. 2019 waren es den Angaben zufolge noch 25, im Corona-Jahr 2020 dann sechs, darunter München und Hamburg.

Die EU-Kommission hatte die Klage gegen Deutschland 2018 beim obersten EU-Gericht eingereicht. Sie begründete dies damals damit, dass die seit 2010 in der EU gültigen Jahresgrenzwerte für Stickstoffdioxid in 26 Gebieten systematisch und fortdauernd überschritten worden seien. Dazu gehörten Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. In zwei Gebieten seien auch Stundengrenzwerte nicht eingehalten worden.

Den Argumenten folgte der EuGH jetzt. Deutschland habe dadurch gegen seine Verpflichtungen aus der Luftreinhalterichtlinie verstoßen, ,,dass keine geeigneten Maßnahmen ergriffen wurden, um ab dem 11. Juni 2010 in allen Gebieten die Einhaltung der Grenzwerte für NO2 zu gewährleisten", erklärte das Gericht.

Der Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid liegt bei 40 Mikrogramm je Kubikmeter Luft im Jahresmittel. Daneben gibt es einen Ein-Stunden-Grenzwert von 200 Mikrogramm, der nicht öfter als 18-mal pro Jahr überschritten werden darf. Stickstoffdioxide entstehen vor allem bei Verbrennungsprozessen sowohl in Motoren als auch in Öfen für Kohle, Öl, Gas, Holz und Abfälle. Sie gelten unter anderem für Asthmatiker als schädlich.

Die Deutsche Umwelthilfe hatte schon vorab erklärt, der Richterspruch aus Luxemburg habe ,,grundlegende und weitreichende Bedeutung im Kampf für die saubere Luft". Der Verband bedauerte allerdings, dass das Urteil erst mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten der Grenzwerte komme. Die DUH habe seit 2011 in insgesamt 40 Städten und neun Bundesländern geklagt und Maßnahmen wie Dieselfahrverbote, die Nachrüstung von Bussen, die Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs, Fahrrad- und Fußverkehr sowie Tempo 30 durchgesetzt. (dpa)


Aus: "Europäischer Gerichtshof verurteilt Deutschland" (03.06.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/-zu-schmutzige-luft-in-staedten-europaeischer-gerichtshof-verurteilt-deutschland/27252366.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/-zu-schmutzige-luft-in-staedten-europaeischer-gerichtshof-verurteilt-deutschland/27252366.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on June 03, 2021, 11:09:06 AM
Quote[...] Eigentlich wollten die Forschenden um Jon Hawkings vom Deutschen Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) und der Florida State University herausfinden, welchen Einfluss Nährstoffe im Wasser des schmelzenden Grönlandeises für das Leben im arktischen Ozean und die Umwelt haben.

Dabei machten sie eine unerwartete Entdeckung: Bei der Analyse des Wassers stießen sie auf extrem hohe Quecksilberkonzentrationen. Die Werte seien vergleichbar mit denen in industriell stark belasteten Flüssen in China, schreiben die Forschenden im Fachjournal ,,Nature Geoscience".

In den Schmelzwasserflüssen des südwest-grönländischen Eisschildes fanden die Wissenschaftler:innen Werte von 150 Nanogramm gelöstem Quecksilber pro Liter – die Konzentrationen waren mindestens zehn Mal so hoch wie in durchschnittlichen Flüssen. Eigentlich liegt dieser Wert des hochgiftigen Stoffes in Flüssen bei 1 bis 10 Nanogramm. Ungelöste Quecksilberpartikel fanden die Forschenden sogar in Konzentrationen von mehr als 2000 Nanogramm pro Liter Schmelzwasser.

Insgesamt würden 42 Tonnen Quecksilber pro Jahr von den schmelzenden Gletschern in Südwestgrönland in die umgebenden Flüsse gespült – rund zehn Prozent des gesamten mit Flüssen ins Meer transportierten Quecksilbers weltweit. Die Forschenden schreiben, dass damit erhebliche Mengen des Schwermetalls in den arktischen Ozean gelangen.

So große Mengen des Schwermetalls hatten die Geolog:innen in der unberührten Umgebung Grönlands nicht erwartet. Sie schätzen die gefundenen Mengen als ,,global signifikant" ein. Denn aufgrund seiner toxischen Wirkung sei Quecksilber ein Thema von globaler Bedeutung.

,,Wir zeigen, dass die Konzentrationen von gelöstem Quecksilber zu den höchsten gehören, die in natürlichen Gewässern aufgezeichnet wurden, und dass die Quecksilberausbeute aus diesen um zwei Größenordnungen höher ist als aus arktischen Flüssen", so die Forschenden.

Die Frage ist nun, woher die giftige Substanz überhaupt stammt. Quecksilber kann aus Ablagerungen auf dem Eis durch Luftverschmutzung – etwa aus der Nutzung fossiler Brennstoffe oder aus anderen industriellen Quellen – ins Tauwasser gelangen.

Doch die Forschenden haben herausgefunden, dass die Konzentrationen von gelöstem Quecksilber in dem Schmelzwasser die gemessenen Werte der Substanz auf Oberflächenschnee und Eis übersteigen. Das Team hat eine andere Vermutung: ,,Unsere Ergebnisse deuten auf eine geologische Quelle von Quecksilber am Boden des Eisschildes hin."

Denkbar ist demnach, dass das Schwermetall aus dem Bodengestein unterhalb des Gletschers stammt und durch die Bewegung der abtauenden Eismassen freigesetzt wird. Das Eisschild zermahlt bei seiner Bewegung das unter ihm gelegene Felsgestein, womit auch Schwermetalle wie Quecksilber freigesetzt werden können.

Damit wäre der Mensch indirekt an dieser Umweltkatastrophe beteiligt, ist es doch die Erderwärmung, die das Schmelzen der Gletscher in der Arktis vorantreibt. Zudem sei es aber auch möglich, dass geothermische Prozesse unter dem Eisschild eine Rolle spielen.

Die Ergebnisse zeigen, dass offenbar auch natürliche Schwermetallquellen auf Prozesse des Klimawandels reagieren können. Bislang wird weitgehend davon ausgegangen, dass die steigenden Konzentrationen von Quecksilber, die weltweit gemessen werden, in erster Linie von direkten Aktivitäten der Menschen – etwa der Industrie – stammen.

,,Aber Quecksilber, das aus klimatisch empfindlichen Umgebungen wie Gletschern stammt, könnte eine Quelle sein, die viel schwieriger zu handhaben ist", sagt Leitautor Hawkings. Die Ergebnisse könnten nun für Wissenschaft und Politik wichtig für den Umgang mit der Quecksilberverschmutzung sein.

Durch den starken Eintrag von Quecksilber in stromabwärts gelegene Fjorde sind Auswirkungen auf die arktischen Ökosysteme zu befürchten. Das Schwermetall kann sich in den Meeres- und Flusstieren als hochgiftiges Methylquecksilber anreichern und so über die Nahrungskette auch andere Tiere wie Robben und Möwen erreichen.

Über den Verzehr der Fische kann es auch Menschen betreffen, in den fischreichen Gewässern des Nordatlantiks werden große Mengen an Fisch – etwa Kabeljau und Heilbutt – gefangen. Vor allem könne das Gift auch die indigenen Einwohner Grönlands gefährden, die sich zum Großteil aus dem Meer und von Robbenfleisch ernähren, in dem sich Quecksilber besonders stark anreichert.

,,Die Entdeckung, dass Gletscher auch potenzielle Giftstoffe transportieren können, enthüllt eine besorgniserregende Dimension der Einflussnahme von Gletschern auf die Wasserqualität und auf flussabwärts gelegene Gemeinschaften", sagt Co-Autorin Jemma Wadham.

Das könne sich durch den Klimawandel noch weiter verändern. Weitere Untersuchungen dazu seien notwendig, um die Dynamik des Quecksilbers im Eisschildabfluss unter Bedingungen der globalen Erwärmung besser zu verstehen.

Die beiden Wissenschaftler Günter Köck, Mitglied der Österreichische Akademie der Wissenschaften, und Derek Muir (Environment and Climate Change Canada), die seit mehr als 20 Jahren Quecksilberkonzentrationen in Seen der kanadischen Arktis untersuchen, bezeichnen die Ergebnisse gegenüber dem Tagesspiegel als ,,durchaus dramatisch".

Tatsächlich seien die Quecksilberkonzentrationen im Abfluss der grönländischen Gletscher mindestens zehnmal höher als jene in Gletscherabflüssen auf der gegenüber Grönland gelegenen kanadischen Insel Ellesmere Island.

,,Da selbst diese niedrigeren Konzentrationen Auswirkungen auf das Ökosystem haben können, ist der Quecksilbereintrag durch das Abschmelzen der grönländischen Gletscher und seine Umwandlung in das hochgiftige Methylquecksilber sicherlich alarmierend", schreiben die Forscher, die an der Studie nicht beteiligt waren.

Angelika Humbert vom Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) bezeichnete die Studie als hochspannend: ,,Eine bisher ungewöhnliche Seite in der Betrachtung der Wechselwirkung zwischen Eisschilden und Menschen."

Aus der Sicht der Gletscherforschung sei interessant, dass Schmelzwasser an der Basis der Gletscher hier zum Transportmedium wird. ,,Es bilden sich unter dem Eisschild verschiedene Typen von hydrologischen Systemen, von einem dünnen Wasserfilm zwischen Eis und Festgestein, wassergesättigtem Sediment bis hin zu Kanälen, in denen Wassertransport auch schnell sein kann – Flüsse unter dem Eis", erklärt die Glaziologin.

Sie verweist auch auf andere Studien, die hohe Konzentrationen von Quecksilber in arktischen Gewässern nachgewiesen haben. ,,So faszinierend das ist, so bitter ist es auch: Quecksilber gelangt so ja in die Nahrungskette, die über Fische dann wiederum den Menschen beeinflusst", so Humbert.

Quecksilber ist eine biologisch kaum nützlich Substanz, die aber in Form diverser chemischer Verbindungen hoch giftig ist. Das Schwermetall reichert sich in der Nahrungskette an und wird durch den Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten auch zu einer Gefahr für den Menschen.
Organischen Quecksilberverbindungen werden fast vollständig resorbiert und in fetthaltiges Gewebe eingebaut.

In arktischen Organismen wurden bereits zuvor hohe Werte an Quecksilber gemessen. Der Gehalt des Schwermetalls soll in Meeresorganismen dort in den vergangenen 150 Jahren stark angestiegen sein. Dass der Grönländische Eisschild dafür eine mögliche Quelle ist, wurde bislang nicht berücksichtigt.

Nun erweise sich die Arktis in doppelter Hinsicht als besondere Problemzone: ,,Über die Atmosphäre gelangen Staubteilchen und Aerosole in diese Region, und der Klimawandel und die damit verbundene Erwärmung der Arktis führen zu höheren Einträgen durch mehr und stärkere Schmelzwässer", schreiben die Autor:innen der Studie.



Aus: "Tonnenweise Schwermetall in Gletscherwasser" Jan Kixmüller (02.06.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/alarmierende-mengen-an-quecksilber-tonnenweise-schwermetall-in-gletscherwasser/27250326.html (https://www.tagesspiegel.de/wissen/alarmierende-mengen-an-quecksilber-tonnenweise-schwermetall-in-gletscherwasser/27250326.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on July 21, 2021, 01:00:09 PM
Quote[...] Frankfurt – Die Zähne tun weh, sie sind fleckig und ihre Oberfläche fühlt sich nicht mehr glatt an. Dabei könnte es sich um eine neue ,,Volkskrankheit" handeln. Fachleute warnen davor – und verweisen darauf, dass diese sowohl junge als auch alte Menschen betreffen kann. Es handelt sich um die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) – auch Kreidezähne genannt.

Laut Angaben der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK) sind bereits zehn bis 15 % aller Kinder davon betroffen. Bei Zwölfjährigen liegt dieser Wert sogar bei 30 %. Kreidezähne machen sich durch Schmerzen beim Essen, Trinken oder Zähneputzen bemerkbar. Hinzu kommt die optische Komponente: Es bilden sich weißliche, bräunliche oder gelbliche Stellen auf der Zahnoberfläche.

Das Phänomen entsteht, sobald eine Schicht des Zahnschmelzes zerstört wird, konkret: die Mineralisation. Die Ursachenforschung dazu ist längst nicht abgeschlossen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler betonen die Notwendigkeit weiterer Studien auf diesem Feld. ,,Eine wesentliche Rolle bei der Entstehung scheinen Weichmacher aus Kunststoffen zu spielen, die mit der Nahrung aufgenommen werden", teilt die DGZMK mit. Plastik ist also ein zentraler Faktor. Hinzu kommen weitere Faktoren, wie Antibiotika, Dioxine oder Infektionskrankheiten.

Plastik scheint jedoch einen großen Anteil zu haben. Ein Weichmacher, der in zahlreichen Produkten enthalten ist, ist Bisphenol-A – kurz: BPA. BPA ist eines der am häufigsten verwendeten Chemikalien. ,,Bisphenol A ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass es in sehr vielen Produkten für Verbraucher, wie etwa in Camping- und Mikrowellengeschirr sowie Kofferhüllen enthalten ist. Es ist ein Grundbaustein des Kunststoffs Polycarbonat. Beim Erhitzen oder wenn der Kunststoff nicht sorgfältig produziert wurde, kann es sich daraus lösen", erklärt die Verbraucherzentrale diesbezüglich. BPA kann des Hormonhaushalts stören und Schäden an Organen, wie der Leber oder der Niere, hervorrufen.

Das Plastik wird natürlich nicht direkt über die Nahrung aufgenommen, sondern über die Verpackung. Es lässt sich den Fachleuten zufolge im Alltag nur schwer vermeiden. Verpackungen, Plastikgeschirr, Kassenbons, Parkscheine, Schnuller, Getränkedosen – die Liste an Beispielen ist lang.

Die DGZMK empfiehlt vor allem Eltern, bei Kleinkindern darauf zu achten, den Kontakt zu den genannten Beispielen zu vermeiden. Bis zum vierten Lebensjahr entwickelt sich der Zahnschmelz maßgeblich. In dieser Phase sind die Zähne am anfälligsten. Allerdings gilt diese Empfehlung auch für alle anderen Menschen.

Falls Kreidezähne auftreten, empfehlen die Fachleute eine Behandlung beim Zahnarzt. ,,Eine professionelle zahnärztliche Behandlung [...] ist unerlässlich. Die gewählte Therapie ist abhängig vom Ausprägungsgrad der MIH", heißt es. Als Basisbehandlung werden regelmäßige Zahnreinigungen, Mundhygieneanleitungen und die Verwendung hoch konzentrierter Fluoridpräparate genannt. (tu)


Aus: "Neue ,,Volkskrankheit" macht sich in Deutschland breit – Bereits Kinder sind betroffen" Tobias Utz (21.07.2021)
Quelle: https://www.fr.de/ratgeber/gesundheit/neue-volkskrankheit-kreidezaehne-gesundheit-warnung-krankheit-kinder-fachleute-experten-verbraucher-zr-90870398.html (https://www.fr.de/ratgeber/gesundheit/neue-volkskrankheit-kreidezaehne-gesundheit-warnung-krankheit-kinder-fachleute-experten-verbraucher-zr-90870398.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 10, 2021, 03:55:29 PM
Quote[...] In Deutschland werden rund 37 Prozent der Ackerflächen jährlich mit Glyphosat behandelt (Stand 2017). Die ausgebrachte Wirkstoffmenge wird auf etwa 5000 Tonnen abgeschätzt. Im Jahr 2014 wurden 5330 Tonnen Glyphosat auf deutschen Äckern ausgebracht, 2012 waren es noch 5941 Tonnen. Im privaten Bereich, also von Haus- und Kleingartenbenutzern, wurden 2014 insgesamt 95 Tonnen verwendet, 2012 waren es noch 40 Tonnen.

...


Aus: "Glyphosat" (15. Juli 2021 um 10:37)
Quelle: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Glyphosat&oldid=213895115 (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Glyphosat&oldid=213895115)

-

Quote[...] Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer hat auch im dritten seiner US-Berufungsverfahren wegen angeblicher Krebsrisiken des Unkrautvernichters Glyphosat eine Schlappe kassiert. Das zuständige Gericht in San Francisco bestätigte am Montag ein Urteil, wonach Bayer für Krebserkrankungen der Kläger Alberta und Alva Pilliod haften muss.

Geschworene in Kalifornien hatten den Konzern 2019 zunächst zu Schadenersatz- und Strafzahlungen von rund zwei Milliarden Dollar an das Ehepaar verurteilt. Später war der Betrag vom Gericht auf 86,7 Millionen Dollar (73,9 Mio Euro) reduziert worden.

Ein Sprecher von Bayer erklärte, das Unternehmen respektiere die Entscheidung des Gerichts, sei damit aber nicht einverstanden. Das Urteil sei nicht durch die Beweislage beim Prozess oder geltendes Recht gedeckt. Der Konzern sondiere seine Optionen für eine erneute Überprüfung des Falls.

Bayer hatte sich diesen und viele andere Rechtskonflikte 2018 mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des amerikanischen Saatgutriesen Monsanto ins Haus geholt. Bayer ist in den USA mit zahlreichen weiteren Glyphosat-Klagen konfrontiert, die der Konzern eigentlich gerne mit einem großen Vergleich beilegen würde.

Nur drei Fälle wurden bislang abschließend vor US-Gerichten verhandelt, alle drei Prozesse verlor der Dax-Konzern. Auch in Berufungsverfahren hatte Bayer bislang keine Erfolge. Ein vierter Prozess gegen den Konzern läuft seit Kurzem in Kalifornien. Die Leverkusener setzen aber große Hoffnungen darauf, eines der Urteile vom Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten kippen zu lassen.

Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder gegen Bayer entscheidet, bildete der Konzern jüngst weitere Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar. Zuvor hatte Bayer bereits mehr als elf Milliarden Dollar für ein Vergleichspaket zur Beilegung von US-Klagen zur Seite gelegt.


Aus: "Bayer verliert weiteres US-Verfahren" (10.08.2021)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/bayer-verliert-weiteres-us-verfahren-wegen-unkrautvernichter-17478401.html (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/bayer-verliert-weiteres-us-verfahren-wegen-unkrautvernichter-17478401.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 13, 2021, 09:55:21 AM
Die Explosion im Chempark Leverkusen ereignete sich am Morgen des 27. Juli 2021 ... Über die Medien wurde bekannt gegeben, dass das zuständige Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) mit Stand vom 28. Juli 2021 von der Bildung von Dioxinen und Furanen ausgehe. Daher wurde davor gewarnt, möglicherweise über den Rauch verbreitete Verbrennungsrückstände (Flocken, Brocken, Pellets etc.) mit den Händen anzufassen. In den betroffenen Regionen sollten Gartenmöbel, Spiel- und Sportgeräte und Swimmingpools nicht berührt werden. Obst und Gemüse aus der betroffenen Region sollte vorerst nicht verzehrt werden.[16] Die Stadt Leverkusen empfahl, die Schuhe vor Betreten von Wohnungen auszuziehen, um keinen Ruß in die Wohnungen zu tragen.[17]
Nach Analysen von Böden und Pflanzen in der Region wurden keine relevanten Konzentrationen und keinerlei Grenzwertüberschreitungen durch das Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen festgestellt.[18] ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Explosion_im_Chempark_Leverkusen_2021 (https://de.wikipedia.org/wiki/Explosion_im_Chempark_Leverkusen_2021) (11. August 2021 um 09:23)


"Greenpeace-Probenahmen nach Explosion in Leverkusen" (06.08.2021)
Auf den zweiten Blick - Welchen Schadstoffen ist die Bevölkerung nach der Explosion in Leverkusen ausgesetzt? Nach Greenpeace-Analysen kommt die Entwarnung durch das Landesumweltamt verfrüht. ...
https://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/auf-den-zweiten-blick (https://www.greenpeace.de/themen/endlager-umwelt/auf-den-zweiten-blick)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 23, 2021, 12:48:36 PM
Der Kolontár-Dammbruch war eine Umweltkatastrophe, die sich am 4. Oktober 2010 bei Kolontár in Westungarn ereignete. Infolge dieses Unfalls wurden 150 Menschen verletzt, zehn starben. 40 Quadratkilometer wurden in Mitleidenschaft gezogen, als rund eine Million Kubikmeter Rotschlamm das Land überschwemmte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Kolont%C3%A1r-Dammbruch (https://de.wikipedia.org/wiki/Kolont%C3%A1r-Dammbruch)


Quote[...] Als am 4. Oktober 2010 ein Deponiebecken des Industriebetriebs Magyar Aluminium brach, wälzte sich eine meterhohe, hochbasische Rotschlammflut über die westungarischen Dörfer Kolontar und Devecser. Zehn Menschen starben, 200 weitere wurden verletzt. Der giftige Schlamm verseuchte ein Gebiet von rund 40 Quadratkilometern und hinterließ eine Spur der Verwüstung.

Die Katastrophe von Kolontar veränderte nicht nur das Leben vieler Menschen – sie warf auch ein Schlaglicht auf die Umweltgefahren, die mit der Produktion von Aluminium verbunden sind. Bei der industriellen Herstellung des Metalls wird Bauxit verwendet, ein Erz, das hauptsächlich aus Aluminiumoxid und Eisenoxid besteht. Mithilfe des sogenannten Bayer-Verfahrens wird aus dem Rohstoff das Aluminiumoxid herausgelöst und anschließend weiterverarbeitet.

Übrig bleibt eine Natronlauge, vermischt mit Eisenoxid und Schwermetallen wie Arsen, Blei, Chrom oder Quecksilber – der sogenannte Rotschlamm. Wie viel Abfall dabei je produzierter Tonne anfällt, hängt von der Zusammensetzung des Rohmaterials ab. Im Schnitt werden für eine Tonne Metall zwischen zwei und drei Tonnen Bauxit benötigt.

Weltweit wird etwa 95 Prozent des neuen Aluminiums mithilfe des Bayer-Verfahrens erzeugt. Schätzungen zufolge fallen jährlich rund 150 Millionen Tonnen Rotschlamm an – nicht aber in Österreich: Hierzulande wird kein Primäraluminium erzeugt, auch relevante Deponien gibt es nicht. Aufgrund der großen Nachfrage wird das Metall allerdings zur Weiterverarbeitung nach Österreich importiert – und die mit der Herstellung verbundenen Umweltprobleme auf andere Weltregionen wie Osteuropa, China oder Brasilien ausgelagert.

Gefahr geht vom Rotschlamm zunächst von der darin enthaltenden hochbasischen Natronlauge aus. Dazu kommt der hohe Gehalt an giftigen Schwermetallen und die schlammige Konsistenz, erklärt Roland Pomberger, Professor für Abfallverwertungstechnik an der Universität Leoben. All das mache die Endlagerung schwierig.

Früher wurden die Schlämme teilweise in Teiche, Flüsse oder ins Meer geleitet. Bedenken gegen diese Form der Entsorgung führten dazu, dass die Bauxit-Abfälle seit den 1980er-Jahren in abgedichteten Deponien gelagert werden. Das ist – international gesehen – auch heute noch die gängige Form der Entsorgung", sagt Pomberger.

"Der Schlamm wird in große künstliche Becken gepumpt. Dann hofft man, dass das Wasser verdampft und sich das Material verdichtet. Das gelingt aber oft nur bis zu einem gewissen Grad, die Konsistenz bleibt." Dass Deponien nach wie vor die häufigste Methode der Abfallentsorgung sind, liegt schlicht daran, dass sie günstig sind. Es gibt zwar Alternativen, wirtschaftlich sinnvoll ist allerdings kaum eine.

"Eine Möglichkeit ist es, die Schlammeigenschaft ganz loszuwerden und das Material so weit wie möglich zu verfestigen", erläutert Pomberger. In der Praxis spiele das aufgrund der hohen Kosten allerdings kaum eine Rolle.

Auch die Wiederverwertung der Bauxit-Abfälle kommt infrage, erwies sich aber als zu aufwendig und nicht rentabel. So hat man versucht die Hauptbestandteile, darunter vor allem Eisen, aus dem Material herauszulösen und aufzubereiten. Abgesehen davon könnte Rotschlamm als Rohstoff für die Herstellung von Zement oder Ziegeln oder als Füllmaterial im Straßenbau dienen.

Laut Pomberger sind die Abfallmengen für eine vernünftige Kreislaufwirtschaft zu groß. "Es bräuchte ein Verfahren, bei dem das rückgewonnene Material wieder in ein Massenprodukt fließt." Derzeit gebe es dazu eine Reihe von Forschungsaktivitäten. "Den Stein der Weisen hat man aber noch nicht gefunden."

Aktuell fördert die EU-Kommission mehrere Projekte, die sich mit der Verwertung von Bauxit-Abfällen beschäftigen. Auch in Österreich gab es Versuche. So stellte etwa ein Forscherteam des Austrian Institute of Technology (AIT) fest, dass sich Rotschlamm dafür eignet, stark verseuchten Boden zu stabilisieren. Durch Zugabe des Abfallmaterials können Schwermetalle im Erdreich "immobilisert" werden. Damit werden sie nicht mehr ins Grundwasser gewaschen und von Pflanzen aufgenommen. Die Methode ist in der Praxis allerdings nur sehr eingeschränkt anwendbar.

Das Wichtigste wäre, möglichst viel Aluminium zu recyceln. Das hat extreme Vorteile", sagt Pomberger. "Man spart dadurch unglaublich viel Energie." Wenn man Schrott aufbereite, brauche man um 95 bis 97 Prozent weniger Strom als bei der Erzeugung von neuem Metall. Damit wären massive CO2-Einsparungen verbunden, und der problematische Rotschlamm entstehe erst gar nicht.

Die Katastrophe im ungarischen Kolontar dürfte zumindest in Europa für Bewusstseinsbildung gesorgt haben, glaubt Pomberger. Vor allem bei der Kontrolle und Wartung der Dämme sei man sensibilisiert worden. "Das Problem ist aber, dass die Deponien von Unternehmen für die Ewigkeit angelegt werden. Irgendwann gibt es die Unternehmen aber nicht mehr. Dann wird das eine Aufgabe der Allgemeinheit."


Aus: "Die dunklen Seiten des Aluminiums" Jakob Pfügl (20.8.2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000129038670/die-dunklen-seiten-des-aluminiums (https://www.derstandard.at/story/2000129038670/die-dunklen-seiten-des-aluminiums)

Quote
Maingano
20. August 2021, 16:39:13

In dem Artikel steht: "Osteuropa, China oder Brasilien"
Die größten und schlimmsten Umweltverschmutzungen passieren in Guinea, wo auch die Weltweit größten Reserven liegen.
In Osteuropa wir in Relation nur ein verschwindend geringer Anteil an Bauxit abgebaut. China und Brasilien fördern zusammen nur unwesentlich mehr als Guinea, haben aber weit weniger Reserven.
Wenn es um Umweltverschumtzung geredet wird, blendet man Afrika wieder einmal geflissentlich aus. Schade dass der Kolonialismus immer noch so tief im Unterbewusstsein steckt.


Quote
die Wahrheit ist zumutbar
20. August 2021, 15:49:04

Ich erinnere mich gut an die Fernsehbilder der Rotschlammflut in Ungarn. Ich war in einem Vereinslokal und eine Gruppe von Männern sahen fern und waren von den Bildern schockiert, und kommentierten "was das für eine Schweinerei abläuft". In den Händen der kommentierenden Fernsehenden waren RB-Dosen und frisch gekapselter Nespresso. Ich werde das nie vergessen.


Quote
Hobbitelchen

Ein Satz in dem Bericht um das ganze Übel der Wirtschaft und des Systems aufzuzeigen.
"In der Praxis spiele das aufgrund der hohen Kosten allerdings kaum eine Rolle."

...


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on August 31, 2021, 04:15:20 PM
Quote[...] Der Nahrungsmittelkonzern Mars hat mehrere Eiscreme-Chargen der bekannten Marken Snickers, Bounty, M&Ms und Twix zurückgerufen. Der in den Produkten verarbeitete Zusatzstoff Johannisbrotkernmehl (E410) sei mit dem krebserregenden Stoff Ethylenoxid belastet, erklärte das Unternehmen. Die Warnung kommt spät: Bereits vor mehreren Wochen rief Mars die gleichen Chargen in anderen Ländern, darunter Österreich, Rumänien und Schweden zurück. In Deutschland verkaufte das Unternehmen die Produkte jedoch weiter, wie foodwatch-Recherchen ergeben hatten.
https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2021/mars-verkauft-snickers-eis-mit-krebserregendem-ethylenoxid/ (https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2021/mars-verkauft-snickers-eis-mit-krebserregendem-ethylenoxid/)

Der öffentliche Druck wurde nun offenbar zu groß. Folgende Produkte sind vom Rückruf betroffen:

SNICKERS Ice cream bar, 6-Pack Box
•    EAN/ GTIN: 5000159344081
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 31.10.2022; 30.11.2022; 31.01.2023; 28.02.2023; 31.03.2023; 30.04.2023
SNICKERS Ice cream bar, Single
•    EAN/ GTIN: 5000159460873
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 31.10.2022; 30.11.2022; 31.12.2022; 31.01.2023; 31.03.2023; 30.04.2023
SNICKERS CRISP Ice cream bar, 6-Pack Box
•    EAN/ GTIN: 5000159526074
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 30.11.2022; 31.12.2022; 28.02.2023; 30.04.2023
SNICKERS CRISP Ice cream bar, Single
•    EAN/ GTIN: 5000159526128
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 30.11.2022; 31.12.2022; 28.02.2023; 30.04.2023
SNICKERS WHITE Ice cream bar, 6-Pack Box
•    EAN/ GTIN: 5000159509626
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 31.12.2022; 28.02.2023; 31.03.2023
SNICKERS WHITE Ice cream bar, Single
•    EAN/ GTIN: 5000159509664
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 31.12.2022; 28.02.2023
BOUNTY Ice cream bar, 6-Pack Box
•    EAN/ GTIN: 5000159483056
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 28.02.2022; 31.03.2022; 30.04.2022; 31.12.2022; 28.02.2023; 31.03.2023; 30.04.2023
BOUNTY Ice cream bar, Single
•    EAN/ GTIN: 5000159483032
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 28.02.2022; 30.04.2022; 31.10.2022; 31.12.2022; 28.02.2023; 30.04.2023
TWIX Ice cream bar, 6-Pack Box
•    EAN/ GTIN: 5000159484688
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 31.10.2022; 31.12.2022; 28.02.2023; 31.03.2023; 30.04.2023
TWIX Ice cream bar, Single
•    EAN/ GTIN: 5000159484633
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 31.03.2022; 30.04.2022; 31.12.2022; 28.02.2023; 30.04.2023
M&M's choco Ice cream stick Stieleis, Single
•    EAN/ GTIN: 5000159509367
•    Mindesthaltbarkeitsdatum: 31.01.2023
M&M's peanut Ice cream Stieleis, Single
•    EAN/ GTIN: 5000159509343
•    Mindesthaltbarkeitsdaten: 31.08.2021; 31.10.2021; 31.05.2022; 31.07.2022

Im Zuge des Produktrückrufs erklärte Mars,  die Produkte seien nach wie vor ,,sicher" und der Verzehr ,,nicht schädlich". Diese Behauptung steht im Widerspruch zur Einigung der EU-Staaten, wonach ,,keine sichere Aufnahmemenge" von Ethlenoxid festgelegt werden kann und auch kleinste Mengen des krebserregenden Stoffs ein Gesundheitsrisiko darstellen können. Am 13. Juli verständigten sich die Mitgliedsländer der EU darauf, dass alle Lebensmittel öffentlich zurückgerufen werden müssen, die mit Ethylenoxid belastetes E410 enthalten.  Während in Ländern wie Frankreich, Österreich und den Niederlanden konsequent zurückgerufen wird, erging in Deutschland bis heute jedoch keine einzige Warnung.

Der Rückruf von Mars ist nur die Spitze vom Eisberg. E410 wird als Verdickungsmittel und Stabilisator in vielen Eiscremes, Konfitüren, Fleisch- und Backwaren verwendet. Wir können also davon ausgehen, dass noch weitere Produkte betroffen sind. In einem Brief an die Verbraucherminister*innen der Länder äußerten wir bereits Ende Juli die Sorge, ,,dass Lebensmittelunternehmen die Problematik nicht mit ausreichender Priorität behandeln".

Die zuständigen Behörden müssen jetzt endlich alle Hersteller, die E410 verwenden, überprüfen und notfalls Rückrufe anordnen. Ein krebserregender Stoff hat in unserem Essen nichts verloren.

...

Das Gas Ethylenoxid ist laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) krebserregend und erbgutschädigend. Rückstände in Lebensmitteln seien grundsätzlich ,,unerwünscht". Einen Richtwert ohne Gesundheitsrisiko gebe es nicht. Während Ethylenoxid in der Lebensmittelproduktion der EU verboten ist, wird es jedoch in etlichen Drittstaaten zur Bekämpfung von Pilzen und Bakterien eingesetzt.


    Rückruf von Mars (10.08.2021)
    https://www.presseportal.de/pm/148335/4990806

    Zusammenfassung des Meetings der EU-Mitgliedsstaaten am 13. Juli zum Umgang mit E410:
    https://ec.europa.eu/food/system/files/2021-07/rasff_ethylene-oxide-incident_e410_crisis-coord_sum.pdf

    BfR zu Ethylenoxid in Lebensmitteln:
    https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-von-ethylenoxid-rueckstaenden-in-sesamsamen.pdf   

    foodwatch-Pressemitteilung: Mars bestätigt: Krebserregendes Ethylenoxid auch in Snickers-Eis in Deutschland
    https://www.foodwatch.org/de/pressemitteilungen/2021/mars-bestaetigt-krebserregendes-ethylenoxid-auch-in-snickers-eis-in-deutschland/

    Liste der zurückgerufenen Produkte in Frankreich (wird laufend aktualisiert)
    https://www.economie.gouv.fr/dgccrf/sesame-psyllium-epices-et-autres-produits-rappeles-comprenant-ces-ingredients

    Portal Lebensmittelwarnung.de mit Rückrufen zu Ethylenoxid:
    http://www.lebensmittelwarnung.de/


...



Aus: "Nach foodwatch-Kritik: Mars ruft belastetes Eis zurück" (10.08.2021)
Quelle: https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2021/nach-foodwatch-kritik-mars-ruft-belastetes-eis-zurueck/ (https://www.foodwatch.org/de/aktuelle-nachrichten/2021/nach-foodwatch-kritik-mars-ruft-belastetes-eis-zurueck/)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on September 08, 2021, 07:09:27 PM
Quote[...] Ende Juli sah noch alles aus wie immer am Tshikapa River in der Demokratischen Republik Kongo. Der Fluss mäanderte über die gemeinsame Grenze mit Angola, zog dann rund 60 Kilometer Luftlinie Richtung Norden, bis er in der Stadt Tshikapa in den Kasai mündete, den größten Nebenfluss des Kongo.

Doch Anfang August zog plötzlich eine rote Brühe den Fluss hinauf – erst den Tshikapa und dann in den Kasai. Und sie brachte Tod und Verderben: Bald trieben Tonnenweise tote Fische im Fluss, dazu Kadaver von anderen Wassertieren. Sogar Flusspferde sollen umgekommen sein. Die Menschen aus den Dörfern am Fluss litten an Durchfallerkrankungen, nachdem sie das Wasser getrunken oder verseuchten Fisch gegessen hatten. Tausende klagten über Beschwerden, zwölf Todesfälle werden laut dem Umweltministerium der Demokratischen Republik Kongo mit den Vorfällen in Verbindung gebracht.

Wissenschaftler der Universität Kinshasa untersuchten den Vorfall und entdeckten eine enorme Verschmutzung des Flusses – möglicherweise mit Schwermetallen. Sie glauben, dass bis zu zwei Millionen Menschen von der Umweltkatastrophe betroffen sein könnten. »Wir haben noch nie eine so große Verschmutzung des Kongo gesehen«, sagte Raphael Tshimanga, Direktor des Congo Basin Water Resources Research and Capacity Building Center (CRREBaC), der Nachrichtenagentur Reuters.

Satellitenbilder, die der SPIEGEL geprüft hat, zeigen, dass sich der Tshikapa zwischen dem 25. und dem 30. Juli rot gefärbt haben muss. Zwar ist es auf den Aufnahmen diesig, und die Erdoberfläche, die der Esa-Satellit »Sentinel-2A« abgetastet hat, ist nicht gut zu erkennen. Aber in Tshikapa ist zu sehen, wie auch der Kasai einige Tage später seine Farbe veränderte, nachdem er sich mit dem Tshikapa zu einem gemeinsamen Strom vereint. Unterhalb des Zuflusses hat der Fluss eine andere Farbe, das Wasser ist grün-bläulich gefärbt. Auf etwas älteren Aufnahmen aus der Region ist dagegen kein Farbunterschied bei den beiden Gewässern zu erkennen.



Laut den Forschern liegen die Ursachen für die rötliche Färbung und die Vergiftung des Wassers im Nachbarland Angola, rund 350 Kilometer von der Stadt Tshikapa entfernt. Hier liegt die Catoca-Mine, eine der größten Minen für Rohdiamanten der Welt. Auf den Bildern aus dem All ist sie als riesiger Tagebau in der Nähe der Stadt Saurimo im Nordosten des Landes zu erkennen. Hier wird für die Gewinnung von einem Karat Rohdiamanten rund eine Tonne Abraum bewegt, berichtete die Nasa. Jährlich werden rund 6,8 Millionen Karat aus der Erde geholt, das entspricht ungefähr 360 Kilogramm Diamanten. Offenbar hat ein Leck in einem der Absatzbecken zu dem Umweltschaden geführt, nachdem ein Damm gebrochen war.

Catoca, ein internationales Konsortium aus Angolas staatlicher Bergbaugesellschaft Endiama sowie dem russischen Unternehmen Alrosa und noch weiteren kleineren Teilhabern, hat inzwischen eingeräumt, dass Ende Juli Abraum in den Lova-Fluss, einen Nebenfluss des Tshikapa, der hier auch Chicapa genannt wird, ausgetreten ist. Giftstoffe seien aber nicht ausgetreten. In einem Bericht schreiben die Forscher, dass sie die Verschmutzung bereits seit dem 15. Juli 2021 von der Quelle in Angola aus beobachtet hatten und die Schadstoffe 15 Tage brauchten, um die Stadt Tshikapa zu erreichen.

Tatsächlich ist die Färbung unterhalb des Zuflusses aus den Bildern aus dem All etwas später zu erkennen. Allerdings zeigen auch ältere Aufnahmen immer mal wieder bräunlich bis rötliche Verfärbungen. Ob tatsächlich Giftstoffe wie Arsen oder Quecksilber, die im Bergbau verwendet werden, ausgetreten sind, soll durch Laboruntersuchungen in Kinshasa geklärt werden.

Die Regierung der Demokratischen Republik Kongo hat angekündigt, von den Eigentümern der Diamantenmine eine Entschädigung zu fordern. Nach dem Verursacherprinzip solle derjenige, der die Verschmutzung herbeigeführt hat, die Kosten für deren Eindämmung tragen, sagte Vizepremierministerin Ève Bazaiba auf einer Pressekonferenz, nachdem sie die Region besucht hatte. Wie hoch die Entschädigung ausfallen soll, ist noch nicht bekannt.

Catoca hatte bereits erklärt, man habe Lebensmittel an die betroffenen Gemeinden gespendet. Laut Endiama werde an weiteren Maßnahmen gearbeitet, Einzelheiten nannte das Unternehmen aber nicht. Doch die Forscher aus Kongos Hauptstadt Kinshasa vermuten, dass es damit nicht getan ist. Möglicherweise beschäftigen die Folgen der Katastrophe das Land noch jahrelang. Denn wenn natürliche Wasserreservoire und Grundwasserleiter verschmutzt sind, könnte sich das Gift Jahrzehnte in besorgniserregenden Konzentrationen in der Umwelt halten. Klären können das nur weitere Untersuchungen.

Es ist nicht das erste Mal, dass durch den Bergbau Mensch und Natur Schaden nehmen. 2015 zerbarst in Brasilien ebenfalls ein Damm einer Eisenerzmine. Giftiger Schlamm gelangte in den Rio Doce und verunreinigte den Fluss mit Blei, Quecksilber und Arsen. Das Wasser des Flusses, das Lebensgrundlage für viele Dörfer in der Region ist, durfte weder getrunken noch zur Bewässerung von Feldern eingesetzt werden. Auch für die Goldgewinnung werden durch Unfälle oder auch mutwillig große Mengen Quecksilber in die Umwelt freigesetzt.

Um solche Unglücke wie das in Angola zu verhindern, arbeiten Umweltschützer, Politiker, Bergbauindustrie und Investoren an gemeinsamen Sicherheits- und Inspektionsstandards. Doch nicht alle Unternehmen unterstützen diese Selbstverpflichtungen. Catoca hat sich bisher nicht dazu bekannt.


Aus: "Umweltkatastrophe im Kongo: Die Giftbrühe, die Tod und Verderben brachte " Jörg Römer (06.09.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/kongo-leidet-unter-umweltkatastrophe-diamanten-rote-fluesse-und-tote-flusspferde-a-1d9da756-ae0c-496b-a989-e6f3e844badf (https://www.spiegel.de/wissenschaft/weltall/kongo-leidet-unter-umweltkatastrophe-diamanten-rote-fluesse-und-tote-flusspferde-a-1d9da756-ae0c-496b-a989-e6f3e844badf)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on September 15, 2021, 10:26:27 AM
Quote[...] Spital am Pyhrn – Die Umweltorganisation Global 2000 hat in Eierschwammerln von der Stubwiesalm bei Spital am Phyrn (Bezirk Kirchdorf) in Oberösterreich besorgniserregend hohe Werte des Radioisotops Cäsium-137 gefunden, die aus dem Tschernobyl-Fallout vor 35 Jahren resultieren. Gemessen wurden 7.563 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg), das ist mehr als das Zwölffache des in der EU geltenden Grenzwerts von 600 Bq/kg, berichtete Global 2000 am Mittwoch.

Das radioaktive Cäsium ist seit dem Reaktorunfall 1986 zwar von der Bodenoberfläche in darunterliegende Schichten abgesunken, von dort kann es aber zum Beispiel von Pilzen aufgenommen und in ihnen angereichert werden. Tiere, die diese Pilze fressen, können dadurch sehr stark belastet werden. Beim Menschen lagert sich Cäsium-137, wenn es durch die Nahrung in den Körper gelangt, vor allem in Muskeln ab und kann Genschäden oder Krebs verursachen. Die Halbwertszeit beträgt 30,1 Jahre.

Die Umweltorganisation forderte Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) auf, klar zu informieren, wo Pilze problemlos genossen werden können und "wo man aus Vorsorgegründen lieber nicht in den Wald auf Schwammerlsuche geht". Denn laut Gesundheitsministerium werden nach wie vor bei rund zwölf Prozent der Eierschwammerl Grenzwertüberschreitungen festgestellt.

Darüber hinaus pocht Global 2000 auf eine Abschaltung des grenznahen AKW Krško. Denn dieses sei nur 71 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Tschernobyl, auf das die aktuelle Verstrahlung zurückzuführen ist, sei hingegen 1.000 Kilometer weit weg.

Ein Unglück "im altersschwachen Krško-Reaktor im slowenischen Erdbebengebiet" hätte laut Modellen der Wiener Universität für Bodenkultur mit hoher Wahrscheinlichkeit "eine sehr starke Kontaminierung Österreichs mit radioaktivem Fallout" zur Folge. Bei einem Fünftel der möglichen Wettersituationen hätte man mit mehr als 37.000 Becquerel Cäsium-137 pro Quadratmeter zu rechnen, so Global 2000. (APA, 15.9.2021)


Aus: "Tschernobyl wirkt nach: Stark radioaktive Eierschwammerl in Oberösterreich" (15. September 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000129660894/tschernobyl-wirkt-nach-stark-radioaktive-eierschwammerl-in-oberoesterreich (https://www.derstandard.at/story/2000129660894/tschernobyl-wirkt-nach-stark-radioaktive-eierschwammerl-in-oberoesterreich)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on September 21, 2021, 11:57:44 AM
Quote[...] Forscher wiesen in Haushalten am Rande landwirtschaftlich genutzter Gebiete bis zu 23 Pflanzenschutzmittel nach. Wie gelangt umstrittene Chemie in die eigenen vier Wände?

Wien – Apfelbäume, so weit das Auge reicht. Jedes Frühjahr hüllen sie Puch bei Weiz mit zartrosa Blütenwolken ein. Auf mehr als 600 Hektar baut die kleine Gemeinde im oststeirischen Hügelland Obst an. Der Apfel ist auf ihrem Ortswappen verewigt und seit Generationen größter Arbeitgeber der Region.

Doch jedes Frühjahr erfüllt nicht nur der Duft blühender Gärten das idyllische Dorf. Ätzender, beißender Geruch, der an Schuhputzmittel erinnert, zieht von den umliegenden Plantagen durch die Ortschaft und frisst sich in den Häusern fest.

Die Fenster zu schließen helfe nur bedingt, erzählt ein Gemeindebürger, an Spazierengehen sei nicht zu denken. Zwischen zehn- bis 20-mal im Jahr werden Obstbäume Angaben der Landwirte zufolge gegen Bakterien und Pilze, Fressfeinde und Unkraut chemisch behandelt. Je nach Witterung, Höhenlage und Sorte in unterschiedlicher Intensität.

Dass ein Teil der Spritzmittel im Zuge der Abdrift und Verdunstung übers Ziel hinausschießt, sei jedem hier klar, sagt der Steirer, dessen Haus an die Plantagen angrenzt. "Mit einem eigenen Garten tut man sich in Puch sicher nichts Gutes." Das Ausmaß der Kontamination mit Pflanzenschutzmitteln im Inneren seiner Wohnräume habe ihn dennoch schockiert.

Einen Mix aus zwölf Pestiziden haben Forscher im Sommer in seinem Hausstaub nachgewiesen. Zwei davon gelten in den USA als möglicherweise krebserregend.

Chemie aus der Landwirtschaft, die weit über ihren Bestimmungsort hinaus wirkt, ist nichts Neues. 2019 sorgten etwa mit Spritzmitteln belastete öffentliche Kinderspielplätze in Südtirol für Unruhe. Nun hat die europäische Bürgerinitiative "Biene und Bauern retten", die von internationalen NGO-Organisationen getragen wird, einen Blick in Schlafzimmer von Europäern geworfen, die in intensiv landwirtschaftlich genutzten Gebieten leben.

In 21 privaten Haushalten aus 21 EU-Staaten wurden im Juni und Juli Staubproben gezogen. Alle Proben waren mit Pestiziden belastet – im Schnitt mit acht, maximal mit 23 Wirkstoffen, zeigt die dem STANDARD vorliegende Studie. Jede vierte Schlafzimmerprobe, die ein französisches Labor analysierte, enthielt Pestizide, die von der Europäischen Chemikalienagentur ECHA als möglicherweise krebserregend eingestuft wurden.

In 80 Prozent der Stichproben waren Wirkstoffe nachweisbar, die im Verdacht stehen, die menschliche Fortpflanzung zu schädigen. Der höchste ausgewiesene Wert stammt aus Belgien. Österreich rangiert mit der Probe aus Puch an dritter Stelle.

Zahlreiche epidemiologische Studien zeigten, dass Menschen, die von intensiver Landwirtschaft umgeben sind, einem doppelt so hohen Risiken ausgesetzt sind, an Krebs zu erkranken oder Fehlgeburten zu erleiden, als Menschen in Stadtgebieten, warnt Helmut Burtscher. Der Umweltchemiker der Organisation Global 2000, Mitinitiator und Autor der Studie, fordert, dass Pflanzenschutzmitteln mit negativen gesundheitlichen Folgen die Marktzulassung entzogen gehört – zumal viele Bauern damit auch ein hohes persönliches Risiko eingingen.

Burtscher vermisst in Österreich Untersuchungen staatlicher Aufsichtsbehörden zum Ausmaß der Abdrift von Pestiziden und ihren möglichen gesundheitlichen Gefahren. "Die Verantwortlichkeit endet offenbar mit der Zulassung."

Es sei inakzeptabel, dass Menschen in ihren Wohnräumen einem Pestizidcocktail ausgesetzt seien, ergänzt Martin Dermine vom Pesticide Action Network. Statt chemieintensive Landwirtschaft in der EU zu subventionieren, gehöre die Forschung von umweltfreundlichen Alternativen finanziell gestärkt.

450 Wirkstoffe sind für die Landwirtschaft in der EU derzeit zugelassen. Untersucht wurden die Schlafzimmerproben aus Kostengründen nur auf 30. Tatsächlich hätten sich darin wohl doppelt so viele gefunden, vermutet Burtscher. Auch Glyphosat, das dazu dient, Wiesen unter den Obstbäumen von Unkraut freizuhalten, und das sich über die Luft gut verbreitet, sei den Forschern damit durch die Lappen gegangen.

Anders als für Lebensmittel gibt es für Hausstaub keine Grenzwerte. In Dänemark wurden bei einer Probe 4.942 Milligramm an Pestiziden je Kilo Staub gemessen, in der Steiermark 683 Milligramm. Am häufigsten wies das Labor Pyraclostrobin, Spiroxamine und Fluopyram nach.

Bestätigt sich eine bedenkliche Konzentration an Wirkstoffen, müsse sich die Behörde der Sache annehmen, sagt Christian Stockmar. Von "unseriöser Angstmache" hält der Chef der Syngenta und Obmann der Industriegruppe Pflanzenschutz allerdings wenig: "Pflanzenschutzmittel sind die am besten untersuchten Substanzen."

Hochsensible Analysemethoden erlaubten mittlerweile, alles zu finden, wonach gesucht werde. In der Regel sei die Belastung mit Wirkstoffen so gering, dass sie umwelt- und humantoxisch gesehen, irrelevant sei. "Wir müssen die Kirche im Dorf lassen."

Er wolle nichts schönreden, sagt Stockmar. Aber er appelliere an Respekt vor der Wissenschaft. Ziel sei es bei Themen wie diesen, gemeinsam Lösungen zu finden.

An Möglichkeiten, das Problem der Abdrift besser in den Griff zu bekommen, fehlt es aus Sicht von Fritz Prem, des Präsidenten des europäischen Bioobst-Forums, nicht. Es gebe bereits serienreife Applikationsmethoden, die diese um 90 Prozent reduzieren. Allein, man schreibe sie in Österreich nicht gesetzlich vor. "Dabei wäre dies ein großer Schritt nach vorne."

Verzichtbar seien wirksame Pestizide für konventionelle Betriebe über Nacht aber nicht – außer man nehme erhebliche Einbußen in Kauf und gleiche diese durch höhere Preise aus. Er selbst habe 20 Jahre lang konventionell produziert, ehe er vor 25 Jahren auf Bio umsattelte: Noch mehr Kosten einzusparen als bisher schon sei im Obstbau aufgrund der knappen Kalkulationen nicht mehr möglich. "Es ist ein Teufelskreis."

Verantwortung dafür tragen vor allem Konsumenten, die auf perfektem, makellosem Obst bestehen, ist der betroffene Anrainer aus Puch überzeugt. Zwar wollten immer mehr Betriebe auf biologischen Anbau umstellen. Doch solange der Nachbar seine Flächen weiterhin mit Chemie behandle, sei vielen der Umstieg aufgrund der Abdrift zu riskant.

Mit offenem Verdeck spritzten die Bauern am Traktor dreimal die Woche vor seiner Haustür, sagt er und berichtet von vermehrten Krebserkrankungen in der Region. Der örtliche Supermarkt verkaufe regelmäßig Äpfel aus Afrika – ansässige Betriebe exportierten ins Ausland. "Hier läuft doch etwas schief."



Aus: "Landwirtschaft verursacht Pestizidcocktail im Schlafzimmer" Verena Kainrath (20. September 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000129796886/landwirtschaft-verursacht-pestizidcocktail-im-schlafzimmer (https://www.derstandard.at/story/2000129796886/landwirtschaft-verursacht-pestizidcocktail-im-schlafzimmer)

Quote
vv7, 20. September 2021, 19:51:08

Habe einmal auf einem Wochenmarkt Äpfel einer alten Apfelsorte gekauft. Der Apfelhändler erzählte mit einer Begeisterung von seinen Apfelsorten und das diese wenig anfällig gegen Schädlinge sind. Die Äpfel sahen zwar nicht so hochglanzpoliert wie in einem Supermarkt aus, dafür war der Geschmack sensationell. So, wie die Äpfel, die ich aus meiner Kindheit kenne. Ich, als Konsument möchte wieder Äpfel, die auch nach Äpfel schmecken. Sie müssen nicht perfekt aussehen. Also liebe Produzenten nehmt Rücksicht auf die Natur und auf uns.


Quote

at1234567

Kann mir hier irgendjemand erklären, warum man jetzt, also zur reifezeit heimischer Äpfel, im supermarkt Äpfel aus Neuseeland (!) angeboten bekommt?


Quote
karlreal

Einfach zum Nachdenken.

Das mit dem Pestizidcocktail im Zimmer betrifft nicht nur die Obstbauern. Wenn man direkt neben landwirtschaftlichen Flächen liegt hat man ebenfalls sämtliche Spritzmittel im Haus. Abstand ist auch keine Garantie, denn der Vertrag der Spritzmittel geht laut bayrischer Studie schon bei geringem Wind einige 100 Meter. Direkt angrenzende Liegenschaftsbesitzer sollten einmal ihr Gemüse oder Obst testen lassen und sie werden unglaubliches erfahren. Dieses Problem wird unterschätzt und sogar heruntergespielt trotz hoher Toxizität. Nach dem Motto, es kann ja nicht sein, was nicht sein darf. Man muss sich diese Exposition über Jahre vorstellen. Dies betrifft in erster Linie die Kinder, die im Freien spielen. Der Innenbereich ist nicht viel besser.


Quote
without_von_delay

Ein Bauer in "Am Schauplatz" meinte mal ganz treffend bio ist doch nur die Rückkehr zur Normalität.

Alle die behaupten, dass diese Giftcocktails nur gegen Schädlinge toxisch wirken sind entweder wirklich so naiv oder arbeiten im Dunstkreis einer gewissen österreichischen Bank.


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on September 30, 2021, 12:59:12 PM
Quote[...] BERLIN taz | Nachdem Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) ein für Bienen hochgiftiges Pestizid ausnahmsweise erlaubt hat, verbreitet es sich unkontrolliert in der Umwelt. Imker und Naturschützer in Bayern haben große Mengen des Wirkstoffs Thiamethoxam und seines Abbauprodukts, des ebenfalls als Pestizid genutzten Clothianidin, in Wasser- und Schlammproben gefunden. Die Proben stammen von Feldern im Landkreis Neustadt an der Aisch–Bad Windsheim, auf denen mit Thiamethoxam ummantelte Zuckerrübensamen ausgesät worden waren. Auch in Proben von Pflanzen auf benachbarten Feldern in dem fränkischen Landkreis und dem angrenzenden Kreis Fürth fand das beauftragte Labor den Wirkstoff und sein Abbauprodukt aus der Pestizidgruppe der Neo­nikotinoide. Die Laborberichte liegen der taz vor.

Die EU hat 2018 verboten, Thiamethoxam und Clothianidin im Freiland auszubringen. Denn mehrere Studien hatten gezeigt, dass die in der Praxis vorkommenden Mengen dieser Pestizide Bienen schädigen. Neonikotinoide können Experten zufolge Insekten bereits bei einer niedrigen Dosierung lähmen, töten oder das Lernvermögen und die Orientierungsfähigkeit beeinträchtigen. Das betrifft nicht nur Bienen, sondern auch andere Insekten und Wasserorganismen. Da immer mehr Insektenarten aussterben, wollte die EU das nicht länger hinnehmen.

Trotz des EU-Verbots erteilte das Klöckner unterstellte Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) mehrere ,,Notfallzulassungen" für das Thiamethoxam-haltige Produkt ,,Cruiser 600 FS" des Chemiekonzerns Syngenta. Die EU-Pestizidverordnung erlaubt solche Ausnahmen, wenn sich eine ,,Gefahr" nicht anders abwehren lässt. In sieben Bundesländern durfte von Januar bis April 2021 auf insgesamt 126.900 Hektar – einer Fläche mehr als eineinhalb mal so groß wie Hamburg – Zuckerrübensaatgut mit dem Gift ausgesät werden. Die ,,Gefahr" war in diesem Fall eine Blattlaus, die durch Saugen die Pflanzen mit verschiedenen Vergilbungsviren infiziert. Die Blätter verfärben sich gelblich, die Photosynthese stockt, und die Rübe verkümmert. Wenn Samen mit Thiamethoxam gebeizt werden, ist das Gift in allen Teilen der späteren Pflanze enthalten.

Mit ,,anderen Pflanzenschutzverfahren oder zugelassenen Pflanzenschutzmitteln" könnten die Insekten laut BVL nicht ausreichend bekämpft werden. Das Virus habe sich zuletzt in vielen Anbaugebieten der EU ausgebreitet und auch in Deutschland regional zu ,,gravierenden" Pflanzenschäden und Ertragsverlusten geführt. Das Risiko für ,,Nichtzielorganismen" durch die Aussaat des behandelten Zuckerrübensaatgutes sei gering, da diese Pflanze im Anbaujahr nicht blühe und daher wenig attraktiv für Bestäuber sei. Außerdem gebe es strenge Auflagen für den Insektenschutz.

,,Aber diese Auflagen sind in der Praxis kaum umzusetzen", sagte Imker Matthias Rühl der taz. Zwei seiner Mitstreiter nahmen im Juli insgesamt drei Proben aus Wasser, das nach Regenfällen von drei Feldern ablief, wie einer der Beteiligten der taz berichtete. Auf den Äckern sei laut dem örtlichen Landwirtschaftsamt Saatgut mit Thiamethoxam ausgesät worden. Der Regen spülte den Umweltschützern zufolge Erde von den Äckern in Gräben und Bäche.

Ein akkreditiertes Labor fand in dem Schwemmwasser pro Liter bis zu 2,2 Mikrogramm Thiamethoxam und 0,37 Mikrogramm Clothianidin. ,,Das ist eine extrem hohe Konzentration", sagte Professor Matthias Liess, Ökotoxikologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der taz. ,,Insekten wie Libellen, Köcherfliegen und Eintagsfliegen sterben dadurch." Dabei seien diese Tiere relevant für die Nahrungskette, zum Beispiel als Futter für Vögel. Zudem tragen sie dazu bei, dass Verunreinigungen im Wasser abgebaut werden.

Die Pestizidmengen würden die RAK-Werte um mehr als das 50-Fache überschreiten. Die Abkürzung steht für ,,regulatorisch akzeptable Konzentration" und bezeichnet im Zulassungsverfahren eines Pflanzenschutzmittels den Grenzwert, der in Gewässern nicht überschritten werden darf. Zwar sind die Proben aus Franken nicht direkt in einem Gewässer genommen worden, sondern am Feld, von dem das Wasser in Bäche und Gräben lief. ,,Aber bei kleinen Gewässern ist der Anteil des vom Feld abgeschwemmten Wassers sehr hoch, sodass die Konzentration auch im Gewässer sehr hoch ist. Entsprechend sterben dann im Gewässer die Insekten", erläuterte Liess.

Auch auf benachbarten Feldern fanden die Imker nach eigenen Angaben die Neonikotinoide. In drei im August gesammelten Proben von Pflanzen wie Raps, Mais, Lupinen und Ackerdisteln stellte das Labor bis zu 0,008 Milligramm Thiamethoxam und 0,009 Milligramm Clothianidin pro Kilogramm Pflanzenmaterial fest. Ebenfalls von diesen Pflanzen sammeln Bienen und andere Insekten Pollen oder Nektar. ,,Aber sogar auf nahezu allen untersuchten Neonikotinoid-Feldern selber stießen wir auf Pflanzen, die dieses Jahr bereits geblüht haben oder noch in Blüte sind und von Insekten angeflogen werden können", so Rühl.

Für den Bienenzüchter sind das Verstöße gegen die Allgemeinverfügung der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft über die Notfallzulassung des Thiamethoxam-haltigen Pestizids ,,Cruiser 600 FS". Sie verlangt zum Beispiel ,,erosionsmindernde Maßnahmen" auf gefährdeten Flächen. Vor und nach der Aussaat der mit dem Neonikotinoid ummantelten Samen sei ,,bestmöglich" Sorge dafür zu tragen, dass zwei Jahre lang – bis Ende 2022 – auf dem Acker keine Pflanzen blühen. Zudem dürften in den 45 Zentimetern zum Feldrand keine mit dem Pestizid behandelte Zuckerrüben wachsen. Die Behörden kontrollierten die Vorgaben aber nur sporadisch, kritisierte Rühl.

Das Agrarministerium in München teilte der Landtagsfraktion der Freien Wähler mit, dass in einem von Rühl angezeigten Fall der betroffene Landwirtschaftsbetrieb tatsächlich zu wenig gegen Erosion unternommen hatte. Die anderen Fälle würden noch untersucht. Auf eine taz-Anfrage dazu antwortete das Ministerium bis Redaktionsschluss nicht.

Das Bundesagrarministerium verwies in einer Stellungnahme für die taz vor allem auf die Länder. ,,Parteiübergreifend" hätten mehrere beim BVL Notfallzulassungen für Thiamethoxam beantragt. Klöckner habe von den Ländern gefordert, ,,Bewirtschaftungsregeln zum Schutz von Bienen und anderen Insekten zu erlassen". Das BVL habe vorgeschrieben, dass die Samen mit etwa 35 Prozent weniger des Pestizids ummantelt werden als bei der früheren Zulassung.

Hintergrund der Erlaubnis ist, dass andere EU-Staaten Ausnahmegenehmigungen erteilt hatten. Deshalb verlangten viele deutsche Zuckerrübenbauern, dass sie ebenfalls die Mittel wieder benutzen dürfen.

Bio-LandwirtInnen bauen Zuckerrüben ohne chemisch-synthetische Pestizide an, indem sie einem Schädlingsbefall etwa durch eine weite Fruchtfolge vorbeugen. Das bedeutet, dass sie besonders viele verschiedene Fruchtarten hintereinander anbauen. Allerdings ernten Biobauern pro Hektar weniger als ihre konventionellen KollegInnen.

Nicht nur in Franken werden zu hohe Pestizidmengen in Gewässern gefunden. Ökotoxikologe Liess hat vor Kurzem eine Studie veröffentlicht, wonach in mehr als 80 Prozent der untersuchten Gewässer die RAK-Werte überschritten werden. Sein Team analysierte mehr als 100 Messstellen an Bächen, die durch überwiegend landwirtschaftlich genutzte Tieflandregionen in zwölf Bundesländern fließen.


Aus: "Nach Notfallzulassung eines Pestizids: Bienenkiller außer Kontrolle" Jost Maurin (29. 9. 2021)
Quelle: https://taz.de/Nach-Notfallzulassung-eines-Pestizids/!5799734/ (https://taz.de/Nach-Notfallzulassung-eines-Pestizids/!5799734/)

Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on October 04, 2021, 12:07:51 PM
Quote[...] Vor der Küste Südkaliforniens hat sich wegen eines Lecks in einer Pipeline ein Ölteppich im Meer gebildet. Nach Angaben der Behörden vom Sonntag sind mehr als 475 000 Liter Öl ausgetreten. Strände in der südlich von Los Angeles gelegenen Ortschaft Huntington Beach wurden für Besucher gesperrt. Tote Fische und Vögel seien angeschwemmt worden, teilte die Bezirksabgeordnete Katrina Foley auf Twitter mit.

Die Bürgermeisterin von Huntington Beach, Kim Carr, sprach von einer Umweltkatastrophe. Einsatzteams hätten Barrieren ausgelegt, um bedrohte Feuchtgebiete vor der Verseuchung zu schützen.

Seit Samstag soll Öl aus der defekten Pipeline ausgetreten sein, die sich mehrere Kilometer vor der Küste befindet und mit einer Förderplattform verbunden ist. Die Betreiber teilten am Sonntag mit, Taucher würden die Ursache des Lecks untersuchen. Die Förderung sei vorübergehend eingestellt worden. Seitdem sei kein weiteres Öl ausgetreten, sagte Firmenchef Martyn Willsher.

Der Küstenwache zufolge erstreckt sich der Ölteppich über eine Fläche von etwa 33 Quadratkilometern. In Huntington Beach wurden Spaziergänger und Surfer angewiesen, den Strand zu verlassen. Eine für Sonntag geplante Flugshow, zu der Tausende Schaulustige am Strand erwartet worden waren, musste kurzfristig absagt werden. (dpa)


Aus: "Ölteppich bedroht Küste - Strände gesperrt" (04.10.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/umweltkatastrophe-in-suedkalifornien-oelteppich-bedroht-kueste-straende-gesperrt/27673644.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/panorama/umweltkatastrophe-in-suedkalifornien-oelteppich-bedroht-kueste-straende-gesperrt/27673644.html)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on October 30, 2021, 10:50:09 PM
Quote[...] Eine Notfallzulassung für Neonicotinoide im fränkischen Zuckerrübenanbau wird es aller Voraussicht nach im Jahr 2022 nicht geben. Das Landesamt für Landwirtschaft (LfL)in Freising hält den Einsatz des Insektizids, gegen das Imkerverbände und Naturschützer seit Jahren Sturm laufen, nicht länger für erforderlich. Trotzdem reißt die Kritik an der Wirkstoffgruppe nicht ab. Im Visier steht dabei inzwischen auch belastetes Erdreich aus der Rübenwäsche, das wieder auf die Felder zurückgefahren wird.

Neonicotinoide, kurz Neonics, sind Substanzen, die sehr selektiv auf das Nervensystem von Insekten wirken und insbesondere für Bienen toxisch sind. Für Wirbeltiere und den Menschen sind sie hingegen kaum gefährlich, werden aber in der Umwelt nur langsam abgebaut. Seit Ende 2018 ist die Freilandanwendung EU-weit verboten. Nur über eine Notfallzulassung dürfen Neonics unter strengen Auflagen weiter angewendet werden.

... Für Ziegler ist das aber nur eine Entwarnung auf Zeit. "Wir müssen davon ausgehen, dass sich die Blattlaus-Population nach einem milden Winter schnell wieder aufbaut und wir erneut Gegenmaßnahmen ergreifen müssen", so der VFZ-Geschäftsführer. Langfristig baut der Verband auf die Züchtung resistenter Sorten.

Ein Aktionsbündnis aus Bund Naturschutz (BN) und Imkern sieht inzwischen die Rübenreinigung als weiteren Risikofaktor. Erde, die den Rüben anhaftet, wird später zum großen Teil wieder zurück auf die Felder gebracht. Rund 60 000 Tonnen vermutlich hoch mit Neonics belastetes Erdreich würden auf diese Weise in diesem Jahr in die Umwelt gelangen, schreibt das Aktionsbündnis in einer Pressemitteilung und fordert gleichzeitig die zuständigen Behörden auf, entsprechende Proben zu untersuchen.

VFZ-Geschäftsführer Klaus Ziegler nennt die Vorwürfe "unsachlich, schwach fundiert und in hohem Maße überzogen". Der Anbauerverband  sei an einer objektiven Risikobewertung interessiert und arbeite dazu unter anderem mit dem Landesverband bayerischer Imker zusammen. Einer solchen Zusammenarbeit verschließe sich das Aktionsbündnis.


Aus: "Würzburg - Zuckerrübenanbau: Keine weitere Notfallzulassung für Neonics" Gerhard Meißner (28.10.2021)
Quelle: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/zuckerruebenanbau-keine-weitere-notfallzulassung-fuer-neonics-art-10679103 (https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/zuckerruebenanbau-keine-weitere-notfallzulassung-fuer-neonics-art-10679103)

-

Quote[...] Auf Rübenfeldern in Mittelfranken und vielen anderen Teilen Deutschlands geht es gerade um große Fragen. Was rechtfertigt den Einsatz untersagter Pestizide in der Landwirtschaft? Wie kalkulierbar ist diese Praxis? Was nützen strengste Auflagen? Und wer zahlt am Ende den Preis für Verstöße?

Dass diese Art der Rettung für die Zuckerrübe überhaupt nötig schien, hat letztlich mit Profiten zu tun, zunächst aber mit einer Laus. Die grüne Pfirsichblattlaus kann Viren auf die Pflanze übertragen, wodurch die Blätter vergilben und die Rübe verkümmert. Über viele Jahre durften konventionelle Bauern die Läuse mit Neonicotinoiden töten, kurz: Neonics. Die Nervengifte erschienen als Wunderwaffe gegen Insektenfraß, offiziell unbedenklich für Bestäuber und Wirbeltiere. Bis sich zeigte, dass das so nicht stimmte: 2008 folgte auf einen Neonics-Einsatz im Maisanbau am Rheingraben ein massives Bienensterben. 2018 verbot die EU die nun als bienenschädlich geltenden Gifte auf Freilandflächen. Die Zuckerrübenbauern waren ihrer Wunderwaffe beraubt, und sie sahen schlimme Folgen.

2020 meldeten deutsche Bauern in manchen Gegenden Ernteausfälle um die 40 Prozent, schuld seien die Läuse und ihre Viren. Nun nährt aber die Zuckerrübe, auch "Königin der Feldfrüchte" genannt, in Deutschland eine ganze Industrie: Jeder zehnte Landwirt baut sie an, in den Regionen mit guten Lößböden bringt sie herrliche Erträge, an ihrem Zucker hängen Fabriken und Betriebe mit Zehntausenden Jobs. Landwirte und Zuckerlobby forderten ihre Wunderwaffe zurück – mit Erfolg.

Für die Aussaat in diesem Frühjahr erließ das zuständige Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) "Notfallzulassungen". Um Schaden von der Branche abzuwenden, sollten Bauern in sieben Bundesländern das Mittel Cruiser 600 FS einsetzen dürfen, darin Thiamethoxam, ein hoch toxisches Neonic, als Beize für die Rübensamen. Das Amt schrieb für die behandelten Felder strenge Auflagen vor: neonicfreie Ränder, einen halben Meter breit, als Sicherheitsbarriere zu angrenzenden Flächen; nichts Blühendes bis Ende 2022, zum Schutz von Bestäubern; ein "Bienenmonitoring" zur Kontrolle der Folgen. In Franken begleitete die ZEIT damals die Aussaat der Zuckerrüben (ZEIT Nr. 15/21). Ein halbes Jahr später zeigt sich, dass das aufgespannte Sicherheitsnetz offenbar bedenkliche Löcher hat.

... In Wahrheit sind die "Notfallzulassungen" der Gifte im Zuckerrübenanbau seit Jahren kein "Notfall" mehr. Europaweit sind sie längst der Normalfall geworden. Sofort nach dem EU-Verbot von 2018 riefen Bauern in wichtigen Zuckerrübenländern wie Frankreich oder Polen nach diesen Sonderzulassungen und bekamen sie von ihren Agrarministern seither immer wieder. "Das sind Wettbewerbsverzerrungen", sagt Fred Zeller, denn deutsche Bauern ohne Neonics würden dadurch auf dem Markt benachteiligt. Dieser Logik folgend, erkannte schließlich auch die deutsche Regierung den "Notfall" ihrer Rübenbauern an und billigte den Einsatz der Gifte.

... Untersuchungen zufolge könnten chemische Ackergifte einer der Hauptverursacher des allgemeinen Insektenschwunds sein. So belegte etwa eine Studie der TU München, durchgeführt an Standorten in drei Bundesländern, dass die Artenzahl von Insekten und anderen Gliederfüßlern zwischen 2008 und 2017 um ein Drittel gesunken ist; die Gesamtmasse nahm sogar um zwei Drittel ab. Besonders ausgeprägt war der Schwund auf Grasflächen, die von landwirtschaftlich genutzten Äckern umgeben waren.

Bei Neonicotinoiden ist die Schädlichkeit sogar so evident, dass sie von der EU eben deshalb komplett verboten wurden, eigentlich. Doch für Zuckerlobbyisten wie Pfeuffer und Zeller macht ausschließlich die Dosis das Gift. Als Beleg dafür, wie harmlos die "geringen Mengen" an Thiamethoxam in der Samenbeize zumindest für Bienen seien, präsentieren sie im Büro in Ochsenfurt eine Studie, welche die Unbedenklichkeit dieser Praxis im Zuckerrübenanbau bescheinigt. Finanziert hat die Studie Syngenta – jener Chemiekonzern, der das Zuckerrübenmittel Cruiser 600 FS mit dem Wirkstoff Thiamethoxam herstellt. Die Aussagekraft der Befunde von Matthias Rühls Aktionsbündnis zweifeln Pfeuffer und Zeller dagegen an. Abschwemmungen von Feldern, Blühpflanzen auf Rübenäckern? Für die beiden Funktionäre bestenfalls ärgerliche "Einzelfälle".

Wie steht es wirklich um die Einhaltung der strengen Auflagen, die für die Notfallzulassung von Cruiser 600 FS gelten? Die ZEIT fragte in allen sieben Bundesländern nach, in denen das Mittel dieses Jahr auf die Felder kam. Zuständig für die Kontrollen sind die jeweiligen Pflanzenschutzdienste. Die Behörden gaben an, nur Stichproben auf einzelnen Äckern durchgeführt zu haben, wobei deren Dichte stark variierte. So gab es in Bayern wie in Hessen an Rübenfeldern in der "Wachstumsphase" rund 50 Kontrollen – dabei ist die mit Thiamethoxam behandelte Fläche in Bayern mit 15.000 Hektar fast fünfmal so groß wie jene in Hessen. In nahezu jedem Bundesland fanden die Kontrolleure "vereinzelt blühende Beikräuter" auf Äckern. Die Laborbefunde entnommener Proben stehen an vielen Stellen noch aus. Die meisten Verstöße gegen die Auflagen werden höchstens als "Ordnungswidrigkeit" geahndet.

In Nordrhein-Westfalen wurde an mehr als der Hälfte von 76 begutachteten Orten der Erosionsschutz beanstandet. "In wenigen Fällen" gelangten dort Abschwemmungen auf benachbarte Flächen, wobei sich im Sediment "keine nachweisbaren Wirkstoffe" fanden. Andere Bundesländer machten zu Abschwemmungen und möglichen Auswirkungen auf Gewässer gar keine Angaben. Die meisten Pflanzenschutzdienste erklärten, der Lausbefall auf Zuckerrübenfeldern sei "witterungsbedingt" deutlich geringer ausgefallen als im Vorjahr. Das anbaubegleitende Bienenmonitoring ergab laut den Behörden bislang nirgends Schädigungen von Honigbienen infolge des Neonic-Einsatzes.

Den Imker Matthias Rühl beruhigt dieser Befund nicht. Er fürchtet, dass die Schäden sich erst nach dem Winter zeigen werden, wenn die Bienen ihren eingelagerten, womöglich belasteten Pollen gefressen haben. "Neonics können bei Bienen tödliche Durchfallerkrankungen auslösen", sagt Rühl. Am meisten empört ihn, dass die Gefährlichkeit der verbotenen Gifte für Gewässer praktisch nicht beachtet werde. Rühl stützt sich auf das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung: Dessen Experten forderten bereits im Juni, dass die entsprechenden Umweltrisiken von Pflanzenschutzmitteln neu bewertet werden müssten. Fraglich scheint auch, wie unbedenklich die mit Neonics versetzte Erde ist, die an den geernteten Rüben hängt und nach dem Waschen wieder auf Feldern ausgebracht wird. Matthias Rühl sagt, es sei "eine Illusion zu glauben, dass man Gift in der Natur punktgenau einsetzen kann".

In Bayern befasst sich inzwischen auch der Landtag mit den Unwägbarkeiten der Notfallzulassungen für Neonicotinoide. Einen Dringlichkeitsantrag der Grünen gegen diese Ausnahmeregelungen lehnten die Regierungsfraktionen (CSU und Freie Wähler) kürzlich ab. Unterdessen hat die Zuckerlobby beim zuständigen Bundesamt die nächste Notfallzulassung schon beantragt, für den Einsatz von Thiamethoxam im Zuckerrübenanbau auch im folgenden Jahr.


Aus: "Notfallzulassung von Ackergift: Hauptsache, Rübe!" Merlind Theile (27. Oktober 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/2021/44/notfallzulassung-ackergift-bienen-pestizid-zuckerrueben-landwirtschaft/komplettansicht (https://www.zeit.de/2021/44/notfallzulassung-ackergift-bienen-pestizid-zuckerrueben-landwirtschaft/komplettansicht)

QuoteEmersons Lehrjahre #24

Für mich steht die Vernichtung der Artenvielfalt auf einer Stufe mit dem Klimawandel.
Beides bedroht unsere Existenz.


Quotetravel in style #35

Der Eindruck drängt sich auf, dass der großteil unsere Politiker entweder unfähig oder nicht Willens sind, die Interessen der Allgemeinheit gegenüber Industrie und Wirtschaft durchzusetzen. ...


QuoteThe immortal Highland Pheasant #35.1

Da sie aber sehr gut fähig sind, die Interessen der Industrie durchzusetzen würde ich Unfähigkeit als Erklärung ausschließen!


...
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 06, 2021, 05:44:11 PM
Quote[...] Vorhersehbare Kontamination: Forscher haben ermittelt, wie sich Tritium und andere Radionuklide aus dem verseuchten Abwasser von Fukushima im Pazifik ausbreiten werden. Denn ab 2023 soll das auf dem Kraftwerksgelände gelagerte Wasser ins Meer eingeleitet werden. Den Simulationen zufolge wird sich die Kontamination primär ostwärts ausbreiten und nach gut drei Jahren die Küsten der USA erreichen. Dort könnte die Konzentration sogar höher liegen als an vielen asiatischen Küsten.

Zehn Jahre nach dem schweren Atomunfall im japanischen Atomkraftwerk Fukushima ist die Lage in den Reaktoren noch immer kritisch. Sie müssen weiterhin gekühlt werden, um die Kernschmelze unter Kontrolle zu halten. Weil die Reaktorbehälter und Systeme nicht dicht sind, strömt ständig radioaktiv verseuchtes Kühlwasser aus, das abgepumpt und in Tanks gelagert wird. Mehr als 1,2 Millionen Tonnen dieses kontaminierten Wassers lagern schon auf dem Gelände und täglich kommen rund 170 Tonnen dazu.

Die Betreiberfirma Tepco hat deshalb bei der japanischen Regierung beantragt, dieses Wasser nach einer Reinigung ins Meer ablassen zu dürfen. Dafür soll das Tankwasser zunächst um das 40-Fache verdünnt und dann nach und nach ins Meer geleitet werden.

Das Problem jedoch: Trotz spezieller Reinigungsprozesse lässt sich das radioaktive Element Tritium nicht aus dem Wasser entfernen. Zwar gilt dieses Radionuklid als erst in hohen Dosen schädlich und daher wurde die Einleitung von der Internationalen Atomenergie-Organisation IAE als unbedenklich eingestuft. Das aber sehen nicht alle so. Forscher schätzen, dass die Tritiumwerte des Fukushima-Abwassers bei rund einer Million Becquerel pro Liter liegen könnten.

Zudem gibt es Hinweise darauf, dass Reste weiterer 60 Radionuklide, darunter Strontium, Cäsium, Iod und Kobalt, in höheren Mengen im gereinigten Wasser verbleiben, als es Tepco zugibt. Dennoch wurde die Einleitung im August 2021 genehmigt, 2023 soll es losgehen. Was dies für den Pazifikraum bedeutet und wie sich die Radionuklide aus Fukushima dann ausbreiten werden, haben nun Yi Liu von der Tsinghua Universität in Shenzhen und seine Kollegen mithilfe zweier Modelle untersucht. Eines zeigt die Ausbreitung auf makroskopischer Ebene, das andere folgt den Wegen einzelner Partikel.

Die Simulationen zeigen: In den ersten 120 Tagen nach Beginn der Einleitungen breiten sich die Radionuklide schnell über 30 Breitengrade und 40 Längengrade aus. Dabei bewegen sie sich stärker in Richtung Osten nach als nach Norden und Süden. Ursache ist die Lage von Fukushima nahe dem Treffpunkt des nordwärts fließenden Kuroshio-Stroms und der nach Süden gerichteten Oyashio-Meeresströmung, wie die Forscher berichten.

,,Der größte Teil der Kontamination verteilt sich daher nicht nach Norden und Süden entlang der japanischen und asiatischen Küsten, sondern driftet ostwärts", erklären Liu und seine Kollegen. . Als Folge bildet sich ein Streifen höher konzentrierter Kontamination, der sich entlang des 35. nördlichen Breitengrads über den Pazifik ausbreitet.

Nach 1.200 Tagen – gut drei Jahren – hat das verseuchte Wasser aus Fukushima den Pazifik überquert und erreicht die Westküste der USA. Dort erreicht die Konzentration der Radionuklide an der Küsten von Städten wie dem kalifornischen San Diego sogar höhere Werte als die Stadt Miyazaki an der japanischen Küste oder Schanghai in China. ,,Dieses Phänomen beruht auf den starken Meeresströmungen vor Japan", so die Forscher.

Sobald das kontaminierte Wasser den Äquatorbereich erreicht hat, wird es mit dem Äquatorialstrom auch in die Südhälfte des Pazifiks gespült. Im Verlauf von sechseinhalb Jahren gelangt es so auch bis in den Indischen Ozean und nach Australien. Wenig später werden sich das Tritium und die restlichen Nuklide aus der Fukushima-Einleitung im gesamten Pazifik verteilt haben.

Wie hoch die Belastung des Meerwassers mit radioaktivem Tritium und anderen Nukliden an den verschiedenen Stellen des Pazifiks und der umliegenden Küsten genau sein wird, können die Forscher anhand ihrer Simulationen nicht beziffern. Ihre Modelle seien aber wichtig als Basis für künftige quantitative Berechnungen, erklären Liu und seine Kollegen. (National Science Review, 2021; doi: 10.1093/nsr/nwab209)

Quelle: Science China Press



Aus: "Fukushima: Tritium im gesamten Pazifik"  Nadja Podbregar (6. Dezember 2021)
Quelle: https://www.scinexx.de/news/geowissen/fukushima-tritium-im-gesamten-pazifik/ (https://www.scinexx.de/news/geowissen/fukushima-tritium-im-gesamten-pazifik/)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 11, 2021, 10:13:44 AM
Quote[...] Ein Mitarbeiter des Kernkraftwerks Leibstadt ist verurteilt worden. Der Grund: Er war zu faul, um die Messgeräte zu kontrollieren. Stattdessen trug er Fantasiezahlen in über 200 Protokolle ein.

Ein Strahlenschutzfachmann des AKW Leibstadt hatte die Aufgabe, mobile Strahlungsmessgeräte zu kontrollieren. Damit werden Behälter vor dem Abtransport ins Zwischenlager Würenlingen überprüft. Der Mitarbeiter ließ drei Halbjahreskontrollen aus und fälschte mehr als 200 Protokolle. In die Checklisten trug er Fantasiezahlen ein.

Dafür wurde der AKW-Mitarbeiter von der Schweizer Bundesanwaltschaft per Strafbefehl verurteilt, in den CH Media Einsicht hatte. Er hat die Kontroll- und Dokumentationspflicht des Kernenergiegesetzes verletzt und muss eine Strafe von 3000 Franken sowie Verfahrenskosten von 1000 Franken zahlen. Normalerweise steht in einem Strafbefehl, wie gefährlich eine Tat war.

In diesem Fall steht aber hauptsächlich, wie harmlos sie war. Den halbjährlichen Konstanzprüfungen käme innerhalb des Sicherheitsdispositivs von Atomkraftwerken eine untergeordnete Bedeutung zu. Die Messgeräte seien außerordentlich robust und zuverlässig. Die fehlenden Kontrollen hätten keinen direkten Einfluss auf die nukleare Sicherheit. Aus "Bequemlichkeitsgründen" habe der Mitarbeiter die Kontrollen nicht richtig ausgeführt.

Vermutlich hat er seine Pflichten vernachlässigt, weil er sie nicht für wichtig hielt – was die Strafverfolgungsbehörde schließlich auch selbst bestätigt. In einem Atomkraftwerk könnten aber selbst unwichtige Kontrollen eine Bedeutung haben, weshalb der Fall sehr ernst genommen werde. Ein Vorgesetzter entdeckte die fehlenden Kontrollen. Er wurde stutzig, als er die Checkliste überprüfte und die Zahlen nicht die übliche Streuung aufwiesen. Der Mitarbeiter war also sogar zu faul, um sich unverdächtige Ziffern auszudenken.

Das Kernkraftwerk Leibstadt meldete den Fall im Jahr 2019 dem Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi). Dieses erstattete dann Strafanzeige. Das AKW überprüfte danach, wie gut die Messgeräte tatsächlich funktionieren. Bei acht Geräten wurden Abweichungen festgestellt. Der Mitarbeiter hatte Glück. Es waren Abweichungen nach oben. Die Geräte gaben also eine zu hohe Strahlung an, was kein Sicherheitsproblem darstellt.

Dennoch sieht das Nuklearsicherheitsinspektorat die Sicherheitskultur im AKW kritisch. In den vergangenen Jahren sei es zu einer Reihe von Vorfällen aufgrund menschlichen Fehlverhaltens gekommen. Das AKW ergriff daraufhin diverse Maßnahmen. Die Aufsicht wurde verstärkt, Mitarbeiter wurden geschult und für Kontrollen wurde eine Jobrotation eingeführt. Der faule Mitarbeiter hat seine Stelle inzwischen nicht mehr. Das Arbeitsverhältnis wurde aufgelöst, heißt es beim AKW. Wer gekündet hat, ist nicht bekannt. Er hat danach umgehend einen neuen Job gefunden. Jetzt arbeitet er für eine Firma, die Nutzfahrzeuge herstellt.


Aus: "AKW-Mitarbeiter fälschte mehr als 200 Strahlen-Protokolle" Andreas Maurer (Do, 09. Dezember 2021)
Quelle: https://www.badische-zeitung.de/schweiz/akw-mitarbeiter-faelschte-mehr-als-200-strahlen-protokolle (https://www.badische-zeitung.de/schweiz/akw-mitarbeiter-faelschte-mehr-als-200-strahlen-protokolle)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on December 15, 2021, 11:34:42 AM
Quote[...] In der Zeichentrickserie "Biene Maja" sind Ameisen eine flinke Verteidigungstruppe. In der Realität können sie sich zwar gut gegen Angreifer verteidigen, nicht aber gegen Umweltgifte aus Menschenhand. Schon geringe Mengen von Herbiziden wie Glyphosat oder dem Neonicotinoid Thiacloprid dezimieren ihren Bestand. Die Wirkung ist zeitverzögert – sie tritt bei der Nachkommenschaft zu Tage, wie Biologen aus Graz und Regensburg beobachten konnten.

Rund 120 Ameisenarten gibt es in Österreich. Von ihnen sind etliche vom Aussterben bedroht, stark gefährdet oder gefährdet. Das wird vor allem auf die Zerstörung und Veränderung ihrer Lebensräume und Ressourcen zurückgeführt, aber auch Umweltgifte spielen eine Rolle. Dabei spielen Ameisen eine wichtige Rolle für unsere Ökosysteme: "Ameisen sind unter anderem für die Wiederverwendung natürlicher Reststoffe und Bodenbelüftung zuständig und bilden mehr Biomasse als alle Säugetiere zusammen", weiß Dalial Freitak, Zoologin vom Institut für Biologie der Universität Graz.

Das Team rund um Freitak hat eine weit verbreitete tropische Ameisenart (Cardiocondyla obscurior) auf die Wirkung von Pflanzenvertilgungsmittel genauer untersucht und ihre Ergebnisse im Fachjournal "Ecological Entomology" veröffentlicht. Die Forschenden haben die Insekten getrennt und in Kombination sehr schwachen Dosen zweier Mittel ausgesetzt: dem Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat und dem Insektizid Thiacloprid. Beide werden außerhalb Europas intensiv verwendet. [Studie: Ecological Entomology: "Chronic sublethal pesticide exposure affects brood production, morphology and endosymbionts, but not immunity in the ant, Cardiocondyla obscurior." (First published: 01 December 2021): https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/een.13111 (https://onlinelibrary.wiley.com/doi/full/10.1111/een.13111)]

Nach zwölf Wochen konnten sie die Spuren, die die Substanzen bei den Ameisen hinterließen, beobachten. Die Kombination der Umweltgifte habe sich besonders signifikant ausgewirkt. "Die Nachkommenschaft verringerte sich deutlich. Denn die Eierproduktion sank um 29 Prozent, die Zahl der Puppen um 34 Prozent. Als weitere Folge waren auch die Arbeiterinnen kleiner", fasste Freitak zusammen. Selbst geringe Pestizidkonzentrationen in der Umwelt können daher negative Auswirkungen auf Ameisenkolonien haben und zum weltweiten Insektensterben beitragen, resümierten die Autoren.

Die geringere Körpergröße, so die Forscherin, reduziert auch die "Fitness" der Ameisen. Das heißt, die Tiere sind weniger widerstands- und anpassungsfähig gegenüber Umweltfaktoren. Das habe gravierende Auswirkungen, wie die Zoologin erklärte: "Es werden dadurch weniger Pflanzensamen verbreitet, weniger Schädlinge gefressen und die Erde wird spärlicher aufgelockert." (APA, 14.12.2021)


Aus: "Weniger Nachkommen bei Ameisen durch Herbizide und Neonicotinoide" (14. Dezember 2021)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000131883782/weniger-nachkommen-bei-ameisen-durch-herbizide-und-neonicotinoide (https://www.derstandard.at/story/2000131883782/weniger-nachkommen-bei-ameisen-durch-herbizide-und-neonicotinoide)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on February 04, 2022, 03:54:52 PM
"Oil production vessel explodes off Nigerian coast" William Clowes (2/3/2022)
(Bloomberg) — An oil production ship exploded off the coast of Nigeria in what may prove to be the nation's second major environmental setback in three months. ...
https://www.worldoil.com/news/2022/2/3/oil-production-vessel-explodes-off-nigerian-coast/ (https://www.worldoil.com/news/2022/2/3/oil-production-vessel-explodes-off-nigerian-coast/)

"Thailand: Ölteppich verschmutzt Mae Ram Phueng Beach" (29. Jänner 2022)
Ein Ölteppich hat die Küste der bei Touristinnen und Touristen beliebten thailändischen Provinz Rayong erreicht. Der berühmte tropische Sandstrand Mae Ram Phueng Beach rund 200 Kilometer südöstlich von Bangkok blieb daraufhin gestern für Besucherinnen und Besucher geschlossen, wie örtliche Medien berichteten. Es werde über einen Monat dauern, den verschmutzten Küstenabschnitt zu reinigen, teilte die thailändische Marine den Berichten zufolge mit. ...
https://orf.at/stories/3245522/ (https://orf.at/stories/3245522/)


Die Liste bedeutender Ölunfälle führt Ereignisse auf, bei denen eine größere Menge von Rohöl oder Mineralölprodukten freigesetzt wurde, insbesondere bei Havarien von Öltankern und Unfällen auf Ölplattformen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bedeutender_%C3%96lunf%C3%A4lle (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_bedeutender_%C3%96lunf%C3%A4lle)
Title: Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie)
Post by: Link on February 08, 2022, 11:56:35 AM
Quote[...] Der Umweltverband WWF hat vor dramatischen Folgen des zunehmenden Plastikmülls in den Meeren gewarnt. Die Plastikverschmutzung habe in den vergangenen Jahrzehnten exponentiell zugenommen, erklärte der WWF unter Berufung auf eine Studie des Alfred-Wegener-Instituts in Bremerhaven.

Für die Meta-Studie im Auftrag der Umweltorganisation wertete das Institut 2592 Untersuchungen aus, die seit den 1960er-Jahren bis 2019 durchgeführt wurden.

Plastikmüll zersetze sich im Ozean zu Mikro- und Nanoplastik, sagte die Leiterin des Fachbereichs Meeresschutz beim WWF Deutschland, Heike Vesper. Darum werde sich der Mikroplastikgehalt in den nächsten 30 Jahren mehr als verdoppeln. Bei knapp 90 Prozent der untersuchten Meeresarten seien Auswirkungen festgestellt worden, sagte die Meeresbiologin und Mitautorin der Studie, Melanie Bergmann vom Alfred-Wegener-Institut. Allerdings seien diese Zusammenhänge noch wenig erforscht. Aber: ,,Die dokumentierten Auswirkungen sind äußerst beunruhigend", sagte Bergmann.

In Plastikmüll könnten sich Tiere wie Robben oder Meeresschildkröten verfangen und ersticken. Das gleiche Schicksal könne Vögel ereilen, die ihre Nester aus Plastikabfall bauten. Das sei etwa bei den Basstölpeln auf Helgoland beobachtet worden. Wenn der Müll den Meeresboden bedecke, fehle Korallen und Schwämmen Licht und Sauerstoff. Schildkröten und Raubfische oder auch Delfine und Wale verwechselten Plastikteile mit Beutetieren. Nach dem Verzehr hätten sie ein falsches Sättigungsgefühl, litten unter Verstopfung und an inneren Verletzungen. Mit dem Plastikmüll nähmen die Tiere zudem Chemikalien auf, die ihre Fortpflanzung beeinträchtigen könnten.

Besonders betroffen seien das Mittelmeer, das Gelbe und das Ostchinesische Meer. Korallenriffe und Mangrovenwälder seien in Gefahr. Vor der indonesischen Insel Java sei an einigen Stellen die Hälfte des Meeresbodens mit Plastikmüll bedeckt. Auch in der Tiefsee, die 70 Prozent der Erdoberfläche ausmache, sammele sich immer mehr Kunststoffabfall.

Der Müll werde häufig direkt ins Meer gekippt oder bei Hochwasser von Deponien weggespült. Einwegplastik mache 60 bis 95 Prozent der Verschmutzung aus. Laut der Studie haben sich zwischen 86 und 150 Millionen Tonnen Kunststoff im Ozean angereichert. Mikroplastik gelange auch über das Abwasser in die Meere. Zwar hielten moderne Klärwerke 97 bis 90 Prozent der Partikel zurück, aber in einer Stadt wie Berlin oder Hamburg bedeute ein Prozent immer noch eine große Menge, sagte Bergmann.

Laut Schätzungen des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik sind die Hauptquellen für Mikroplastik-Eintragungen in Deutschland der Abrieb von Reifen und Bitumen im Asphalt sowie die Freisetzung bei der Abfallentsorgung. Auf Platz 7 der Rangliste des Instituts steht der Abrieb von Schuhsohlen, noch vor dem häufig genannten Faserabrieb bei der Textilwäsche (Rang 10) und Partikeln in der Kosmetik (Rang 17).

Auch Windkraftanlagen tragen zur Verschmutzung der Meere bei, wie Bergmann bestätigte. Die Lacke würden durch Wind abgetrieben. Allerdings könne man diese Menge noch nicht beziffern, ebenso wenig wie den zunehmenden Müll durch Masken und andere Corona-Schutzeinrichtungen.

Der WWF forderte die Ende Februar in Nairobi tagende Umweltversammlung der Vereinten Nationen (Unea) auf, ein rechtsverbindliches globales Abkommen gegen den Plastikeintrag in die Meere auf den Weg zu bringen. In Deutschland gebe es schon ein Bewusstsein für das Problem. Die EU habe vor einiger Zeit bestimmte Einwegplastikverpackungen verboten. Es sei nach ihrer Erfahrung ,,die schnellste Umweltgesetzgebung ever" gewesen, lobte Vesper.

Manche Verbesserungen brauchen jedoch Zeit, wie der Sprecher des Versorgers Hamburg Wasser, Ole Braukmann, sagte. Hamburgs rot-grüner Koalitionsvertrag sehe vor, den Einbau einer vierten Reinigungsstufe im Klärwerk zu prüfen. Es gehe dabei aber um eine hohe Investition für 50 bis 60 Jahre, deren Vor- und Nachteile genau bedacht werden müssten. Reinigungsverfahren mit Aktivkohle seien zum Beispiel sehr energieintensiv und teuer. (dpa)


Aus: "Plastik-Verschmutzung der Ozeane nimmt dramatisch zu" (08.02.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/folgen-fuer-90-prozent-der-meeresarten-plastik-verschmutzung-der-ozeane-nimmt-dramatisch-zu/28047608.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/folgen-fuer-90-prozent-der-meeresarten-plastik-verschmutzung-der-ozeane-nimmt-dramatisch-zu/28047608.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on March 16, 2022, 12:19:59 PM
Quote[...] Die bei der Jagd verwendete bleihaltige Munition stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Greifvögel dar, indem sie deren Nahrung belastet. Wissenschaftler:innen aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich werteten nun erstmals Daten über den Bleigehalt der Leber Tausender toter Greifvögel aus ganz Europa aus, um die Auswirkungen der Bleivergiftungen auf die Größe ihrer Bestände zu bestimmen. Die Berechnungen zeigen, dass in Europa mindestens 55.000 ausgewachsene Greifvögel aufgrund von Bleivergiftungen fehlen. Besonders betroffen sind die Bestände von Seeadler (um 14% reduziert) und Steinadler (um 13% reduziert). Die Analyse ist in ,,Science of the Total Environment" veröffentlicht.

Vergiftungen durch das Fressen von Tieren, die mit bleihaltiger Munition beschossen wurden, führen dazu, dass die Bestände vieler Greifvogelarten weitaus kleiner sind, als sie sein sollten. Dies geht aus der ersten wissenschaftlichen Untersuchung hervor, die diese Auswirkungen für ganz Europa berechnet. Greifvögel wie Adler und Rotmilane nutzen Kadaver als Nahrungsquelle oder fressen verletzte Tiere. Finden sich in deren Körpern Fragmente des giftigen Bleis aus Jagdmunition, wird das aus der Nahrung aufgenommene Blei im Körper akkumuliert. Dies führt zu schweren bis tödlichen Vergiftungen, die Vögel erleiden einen langsamen und schmerzhaften Tod. Kleinere Dosen können nachweislich Verhalten und Physiologie der Greifvögel verändern.

Nun berechneten Wissenschaftler:innen der Universität Cambridge und des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) anhand von Daten zum Bleigehalt der Leber von über 3.000 in mehr als einem Dutzend Ländern tot aufgefundener Greifvögel, in welchem Ausmaß sich die Vergiftung durch Bleimunition auf die Greifvogelpopulationen Europas auswirkt. Im Ergebnis führte bei zehn Greifvogelarten allein die Vergiftung durch Bleimunition dazu, dass dadurch rund 55.000 erwachsene Vögel am Himmel fehlen. Am stärksten betroffen sind Arten wie Stein- oder Seeadler, die von Natur aus langlebig sind, nur wenige Junge pro Jahr aufziehen und erst relativ spät mit dem Brüten beginnen. Auch häufiger anzutreffende Arten wie der Mäusebussard und der Rotmilan wären ohne die Auswirkungen der Bleianreicherung noch deutlich zahlreicher.

Die Berechnungen der Wissenschaftler:innen zeigen, dass die Seeadlerpopulation in Europa um 14 Prozent kleiner ist, als sie es ohne die mehr als ein Jahrhundert andauernde Exposition gegenüber Blei in ihrer Nahrung wäre, dicht gefolgt von Steinadler und Gänsegeier, deren Bestände um 13 bzw. 12 Prozent geringer sind. Der Habichtbestand ist um 6 Prozent und die Bestände von Rotmilan und Rohrweihe um 3 Prozent geringer. Die Mäusebussard-Populationen sind um 1,5 Prozent kleiner – dies entspricht 22.000 ausgewachsenen Exemplaren dieser weit verbreiteten Art, so die Wissenschaftler:innen. Sie berechneten, dass die Gesamtpopulation von zehn Greifvogelarten in Europa um mindestens 6 Prozent kleiner ist als sie sein sollte, und zwar allein aufgrund der Vergiftung durch Bleimunition.
Erstautor Prof. Rhys Green, Naturschutz-Wissenschaftler an der Universität Cambridge und der Royal Society for the Protection of Birds (RBSP), erklärt, dass eine Reihe von Alternativen zu bleihaltigen Schrotpatronen und Gewehrkugeln für Jäger weithin verfügbar sind und gut funktionieren. Die Bemühungen der britischen Jagdverbände um ein freiwilliges Verbot von Bleischrot bei der Jagd zeigten jedoch so gut wie keine Wirkung.

,,In Deutschland haben nur 4 von 16 Bundesländern die Verwendung von bleihaltiger Büchsenmunition für die Jagd verboten", sagt Leibniz-IZW-Wissenschaftler und Ko-Autor Dr. Oliver Krone. ,,Darüber hinaus ist Bleimunition in allen Bundesländern im Staatswald und in mehreren Bundesländern in Landeswäldern sowie in Nationalparks und Naturschutzgebieten verboten. Dieser Flickenteppich lässt viel Raum für die weitere Verwendung bleihaltiger Büchsenmunition, auch weil die überwiegende Mehrheit der Jagdgebiete wie Wälder und landwirtschaftliche Flächen in Privatbesitz sind. Teillösungen des Problems reichen nicht aus, um die negativen Auswirkungen der Bleivergiftung auf die Greifvogelpopulationen in Deutschland zu beenden, eine bundesweite Lösung des Problems wäre also notwendig." Die Verwendung von bleihaltiger Flintenmunition für die Jagd auf Wasservögel an Gewässern ist in fast allen Bundesländern verboten, für die Jagd auf andere Arten wie Fasane, Hasen, Tauben, Rebhühner, Kaninchen oder Füchse ist diese Munition jedoch weiterhin erlaubt. ,,Genau wie bei der Büchsenmunition ist die Verwendung bleihaltiger Flintenmunition in den meisten Fällen erlaubt und nur in einigen Fällen verboten", so Krone abschließend.
Derzeit haben nur zwei europäische Länder – Dänemark und die Niederlande – ein landesweites Verbot von Bleischrot (Flintenmunition) erlassen. Dänemark plant, diesem Verbot ein Verbot von Bleigeschossen für Gewehre (Büchsen) folgen zu lassen. Sowohl die Europäische Union als auch das Vereinigte Königreich erwägen ein gesetzliches Verbot aller bleihaltigen Munition aufgrund der Auswirkungen auf Wildtiere und auf die Gesundheit der menschlichen Konsumenten von Wildfleisch, doch viele Jagdverbände sträuben sich gegen flächendeckende Verbote.

Greifvögel werden vergiftet, wenn sie tote Tiere aufspüren, die mit Bleimunition getötet wurden. Dabei kann es sich um ganze Kadaver handeln, die von Jägern verloren oder zurückgelassen wurden, oder beispielweise um die Eingeweide von erlegten Rehen, Hirschen und Wildschweinen, die aus dem erlegten Tierkörper herausgenommen werden, um eine bakterielle Kontamination des Fleisches zu vermeiden und das Gewicht zu verringern. Neben den Geiern als klassischen Aasfressern gehört auch für viele andere Greifvögel Aas zum Nahrungsspektrum, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet – darunter Adler, Bussarde und Milane. Andere Arten, wie beispielsweise Falken und Habichte, nehmen kein oder nur selten Aas zu sich. Sie werden aber gelegentlich durch die Jagd auf lebende Beute dem Blei ausgesetzt, wenn diese angeschossen und verletzt, aber nicht getötet wurde. Systematische Röntgenaufnahmen von Wildenten im Vereinigten Königreich und von Wildgänsen in Deutschland zeigten, dass etwa ein Viertel bis ein Drittel der lebenden Vögel Schrot in ihrem Körper tragen. Verletzte Enten oder Gänse sind seltener in der Lage, Raubvögeln zu entkommen.

,,Es hat Jahrzehnte gedauert, bis Wissenschaftler:innen aus ganz Europa genügend Daten gesammelt hatten, um die Auswirkungen von Bleivergiftungen auf Greifvogelbestände berechnen zu können", sagt Ko-Autorin Prof. Debbie Pain von der Universität Cambridge. ,,Wir können jetzt sehen, wie erheblich die Auswirkungen auf die Bestände einiger unserer charismatischsten und empfindlichsten Arten sein können – Arten, die durch die EU-Verordnung und den britischen Wildlife & Countryside Act geschützt sind. Das vermeidbare Leiden und der Tod zahlreicher einzelner Greifvögel durch Bleivergiftungen sollten ausreichen, um die Verwendung ungiftiger Alternativen zu fordern. Die nun quantifizierten Auswirkungen auf die Bestände machen dies doppelt wichtig und dringend."

Für die jüngste Analyse berechneten Green, Pain und Krone anhand von Populationsmodellen, wie groß die europäischen Greifvogelbestände ohne die zerstörerischen Auswirkungen eines einzigen zusätzlichen Mortalitätsfaktors sein würden, der Bleivergiftung durch Munition. Sie verwendeten Daten, die seit den 1970er Jahren durch die toxikologische Untersuchung der Lebern tausender toter Greifvögel in 13 Ländern gesammelt wurden, und verglichen diese mit der ,,Jägerdichte", der durchschnittlichen Anzahl Jäger pro Quadratkilometer in jedem Land, unter Verwendung der Daten der European Federation for Hunting and Conservation. Wenig überraschend fanden sie an Orten mit einer höheren Jägerdichte mehr vergiftete Raubvögel. Die Wissenschaftler:innen nutzten diesen quantifizierten Zusammenhang, um die Vergiftungsquoten für Länder vorherzusagen, von denen es keine Daten über in Lebern angereichertes Blei gibt, deren Jägerdichte aber bekannt ist. Ihre Ergebnisse zeigen, dass es in einem Land, in dem kein Jäger Bleimunition verwendet, praktisch keine bleivergifteten Greifvögel gibt.

Green, Pain und Krone halten ihre Berechnungen für konservativ, nicht zuletzt, weil die Daten über vergiftete Greifvögel begrenzt und schwierig zu beschaffen sind. Für viele europäische Greifvögel, darunter einige der seltensten Arten, liegen keine ausreichenden Daten vor, um das Ausmaß des Risikos zu bestimmen.



Wissenschaftlicher Ansprechpartner:
Dr. Oliver Krone
Wissenschaftler in der Abteilung für Wildtierkrankheiten
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW)

...


Aus: "Greifvogelbestände in ganz Europa sind durch Bleivergiftungen aus Jagdmunition erheblich reduziert" (16. März 2022)
Quelle: https://nachrichten.idw-online.de/2022/03/16/greifvogelbestaende-in-ganz-europa-sind-durch-bleivergiftungen-aus-jagdmunition-erheblich-reduziert/?groupcolor=4 (https://nachrichten.idw-online.de/2022/03/16/greifvogelbestaende-in-ganz-europa-sind-durch-bleivergiftungen-aus-jagdmunition-erheblich-reduziert/?groupcolor=4)

[Der Informationsdienst Wissenschaft (idw) ist das Nachrichtenportal für Aktuelles aus Wissenschaft und Forschung. Er bringt Wissenschaft und Öffentlichkeit zusammen, indem er die Nachrichten und Termine seiner rund 1.000 Mitgliedseinrichtungen veröffentlicht und an rund 40.000 Abonnenten versendet, darunter mehr als 8.000 Journalisten.]

...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on April 20, 2022, 10:29:38 AM
Quote[...] In der vor einem Monat eröffneten Tesla-Fabrik in Grünheide ist es zu einem Vorkommnis gekommen, bei dem erstmals eine Chemikalie außerhalb der Werkhalle ausgelaufen ist. Und zwar nahe der Lackiererei – einem Bereich im Trinkwasserschutzgebiet.

Brandenburgs Landesumweltamt (LfU) verneint zwar jedwede Gefährdung für Mensch, Grundwasser und Umwelt. ,,Es handelt sich nicht um einen Störfall", so Sprecher Thomas Frey. Tesla habe korrekt auf die Betriebsstörung reagiert, die am 12. April mündlich gemeldet und dann am 14. April schriftlich angezeigt wurde. Auch der Kreis Oder-Spree weist jedwede Umweltbeeinträchtigungen zurück. Doch es bleiben Widersprüche.

Die Umweltverbände Grüne Liga und Naturschutzbund sowie die Bürgerinitiative Grünheide fordern Aufklärung, die Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) sogar einen Produktionsstop. ,,Das stinkt zum Himmel", sagte Michael Ganschow, Geschäftsführer der Grünen Liga am Dienstag dem Tagesspiegel. ,,Das ist sehr beunruhigend", sagte Steffen Schorcht von der BI Grünheide. ,,In diesem Werk wird mit wassergefährdenden Substanzen gearbeitet. Unsere Befürchtungen, dass es hier nicht hätte gebaut werden dürfen, bestätigen sich."

Bereits vergangene Woche hatte Brandenburgs Umweltministerium bestätigt, dass am Abend des 11. April in der Lackiererei ,,beim Befüllen eines Behälters innerhalb der Lackieranlage durch ein nicht vollständig geschlossenes Ventil eine Flüssigkeit ausgetreten sei, die vollständig im Auffangbehälter der Lageranlage aufgefangen worden ist und von dort durch ein zugelassenes Entsorgungsunternehmen abgepumpt wurde."

Eine kleinere Menge Flüssigkeit sei noch mit Bindemitteln aufgenommen worden, hieß es. ,,Der Vorfall ereignete sich innerhalb der Gebäude. Es ist keine wassergefährdende Flüssigkeit ins Freie oder in den Boden gelangt. Es bestand keine Gefahr für die Umwelt oder die Nachbarschaft."

Doch nun hat die Brandenburger ÖDP Fotos veröffentlicht – am 12. April von einem Mitarbeiter des Wasserverbandes Strausberg-Erkner (WSE) im Werk aus einem Auto heraus aufgenommen – die draußen vor der Lackiererei eine mit bräunlichem Bindemittel gebundene Flüssigkeit zeigen sowie Fahrzeuge der Tesla-Betriebsfeuerwehr.

Den Widerspruch erklärt das LfU damit, dass bei der Abholung und Verladung der Schläuche am 12. April durch ein Entsorgungsunternehmen zwei bis drei Liter Schlauchinhalt ausgelaufen seien. "Es handelt sich um eine Fehlbedienung des Entsorgungsunternehmens", so Frey. Daher sei es nicht nötig, Auflagen zu erteilen oder Folgemaßnahmen anzuordnen.

Ob organisatorische Konsequenzen gezogen werden, obliege dem Betreiber. Das LfU teilte nun erst weitere Details mit, was drinnen passiert war: ,,Bei der ausgetretenen Flüssigkeit handelt es sich um ca. 15 Kubikmeter Behandlungsbad aus der Elektrotauchlackierung." Um welche Chemikalien es sich handelt, wird weiterhin nicht mitgeteilt. Laut LfU sei eine Kontrolle des LfU am 12. April durchgeführt worden. "Zum Zeitpunkt der Kontrolle waren die Auswirkungen der Betriebsstörung bereits vollständig beseitigt."

Ein anderer Widerspruch ist indes noch gravierender. Ein nach dessen Angaben bereits am 10. April aufgenommenes Drohnenvideo, das der lokale Fabrikbeobachter ,,Fly Brandenburg" auf Youtube veröffentlichte, zeigt (ab Minute 10:30) vor dem Hallentor der Lackiererei bereits deutlich sichtbar eine Flüssigkeitslache – am Tag vor der offiziellen Version, und in einer sonst überall trockenen Umgebung.

,,Lösemittel kann es nicht sein, das wäre verdunstet. Und am Sonntag wird in der Fabrik nicht gearbeitet", sagt Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide. Knapp tausend Meter von der Stelle entfernt befinde sich die Hauptbrunnenanlage Hohenbinde des Wasserverbandes Strausberg-Erkner mit einer jährlichen Kapazität von 5,6 Millionen Kubikmetern. ,,Wenn die ausfallen sollte, droht ein Versorgungsnotstand in der Region." Nach den Drohnen-Fotos könne nicht ausgeschlossen werden, dass Chemikalien neben der Straße versickert seien.

Im Genehmigungsverfahren hatten Grüne Liga und Naturschutzbund wiederholt gewarnt, dass die Störfallvorkehrungen mangelhaft seien. Solche Befürchtungen hatte das Landesumweltamt zuletzt in der 536 Seiten starken Hauptgenehmigung für das Werk als unbegründet zurückgewiesen.

Für Geschäftsführer Michael Ganschow von der Grünen Liga stellt sich die Frage, ,,ob Tesla alle Auflagen der Genehmigung erfüllt hat und wer das kontrolliert." Die Vorfälle zeigten, wie berechtigt die Warnungen seien. ,,Was, wenn doch einmal ein größerer Störfall geschieht? Die Genehmigungsbehörde ist in der Pflicht."

Naturschutzbund und Grüne Liga haben inzwischen förmlich Widerspruch gegen die Hauptgenehmigung für die Tesla-Fabrik eingelegt. Ganschow kritisierte, dass weiterhin die Herausgabe der Verwaltungsakte und der geschwärzten Passagen der Genehmigung vom Landesumwelt verweigert wird. Das LfU sieht wegen der Vorkommnisse keinen Grund für Konsequenzen gegenüber Tesla. Das Unternehmen äußerte sich zur Havarie bisher nicht.


Aus: "Havarie einen Monat nach der Eröffnung 15.000 Liter Chemikalien in Tesla-Lackiererei ausgelaufen – Verbände fordern Aufklärung" Thorsten Metzner (19.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/havarie-einen-monat-nach-der-eroeffnung-15-000-liter-chemikalien-in-tesla-lackiererei-ausgelaufen-verbaende-fordern-aufklaerung/28262414.html (https://www.tagesspiegel.de/berlin/havarie-einen-monat-nach-der-eroeffnung-15-000-liter-chemikalien-in-tesla-lackiererei-ausgelaufen-verbaende-fordern-aufklaerung/28262414.html)

Quoteossieins 19.04.2022, 21:20 Uhr
Wenn man das Drohnenvideo mit dem WSE - Bild vergleicht, fällt  auf:

Auf dem Drohnenvideo  ist die feuchte Lache zweigeteilt.
Auf dem WSE - Bild befindet sich Bindemittel auf einer grossen Fläche vor dem Feuerwehrfahrzeug und eine kleine Fläche dahinter scheint auch mit Bindemittel bedeckt zu sein.

Das stinkt wirklich zum Himmel wenn das Drohnenvideo einen Tag vorher aufgenommen wurde!

Ergo: Offensichtlich merkt keiner irgendwas tagelang... schläft der Sicherheitsdienst???


QuoteDeukisch69 19.04.2022, 21:19 Uhr
Das Land Brandenburg war sich ja hoffentlich bewusst was alles in einer Fabrik oder Fertigungsstätte und das in der Nähe oder in einem Trinkwasserschutzgebiet passieren kann.
Das Land hatte aber keine Bedenken gehabt weil es eventuell vor Dollarzeichen blind gewesen ist.
Mal sehen was dort noch Alles passieren wird bzw. was eventuell sogar unter dem Mantel des Schweigens zurückgehalten wird nur um den Wirtschaftsstandort im Land zu stärken.


...


"Grünheide: Ausgetretene Farbmischung bei Tesla ist schwach wassergefährdend" (24. April 2022)
Vor knapp zwei Wochen waren in der Tesla-Fabrik bei Berlin 15.000 Liter Flüssigkeit ausgetreten. Die Wasserbehörde hat diese nun als schwach wassergefährdend eingestuft. ... Zu dieser Klasse zählen unter anderen bestimmte Laugen und Säuren. Wassergefährdend nach Klasse 2 ist etwa Diesel. Altöl ist stark wassergefährdend nach Klasse 3. Laut dem Brandenburger Landesumweltamt waren am 11. April in der sogenannten Gigafactory etwa 15.000 Liter Behandlungsbad aus der Elektrotauchlackierung ausgetreten. Dies wurde als Betriebsstörung und nicht als Störfall eingestuft. Eine Entsorgungsfirma pumpte die in einer Wanne aufgefangene Flüssigkeit daraufhin ab. ...
https://www.zeit.de/mobilitaet/2022-04/tesla-gigafactory-gruenheide-fabrik-farbe (https://www.zeit.de/mobilitaet/2022-04/tesla-gigafactory-gruenheide-fabrik-farbe)

...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on May 02, 2022, 03:25:48 PM
Quote[...] Wien – Schlechte Noten bekommt ein Drittel der Müsliriegel bei einem Test der Umwelt-NGO Greenpeace. Vier von zwölf Produkten seien mit dem Pflanzengift Glyphosat belastet gewesen, teilte Greenpeace am Montag mit, drei davon auch mit weiteren Giftstoffen. Dabei handle es sich um die Pestizide Pyrimethanil, Cypermethrin, Piperonylbutoxid und Pirimiphos-methyl.

Unter den betroffenen Proben sei auch ein für Schwangere beworbener Riegel der Marke Milupa gewesen. Der höchste Glyphosat-Rückstand sei in einem Riegel des Herstellers Peeroton nachgewiesen worden. Die geltenden gesetzlichen Grenzwerte seien in keiner Probe überschritten worden, "dennoch stellt gerade die regelmäßige Aufnahme von Pestiziden ein Risiko für unsere Gesundheit dar".

Glyphosat sei etwa laut der internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO bei Tieren erwiesenermaßen krebserregend und beim Menschen "wahrscheinlich krebserregend". Noch heuer werde auf EU-Ebene über eine Verlängerung der Zulassung von Glyphosat ab 2023 entschieden. An Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) richtet Greenpeace die Forderung, gegen eine EU-weite Neuzulassung des Pflanzengifts zu stimmen und sich auf europäischer Ebene klar gegen Glyphosat zu positionieren. Der Nationalrat hat im Vorjahr für ein teilweises Verbot von Glyphosat gestimmt. Das betraf aber vor allem private Flächen wie Gärten und öffentliche Anlagen.

Um die Aufnahme von Pestiziden zu vermeiden, rät Greenpeace zum Kauf von Biomüsliriegeln. Diese würden mittlerweile ein Viertel des Sortiments ausmachen. Die ganze Studie finden Sie hier: https://cms.greenpeace.at/assets/uploads/assets/uploads/Factsheet_Muesliriegel_Mai22.pdf?_ga=2.122514571.1482634015.1651477751-1772970470.1651477751 (https://cms.greenpeace.at/assets/uploads/assets/uploads/Factsheet_Muesliriegel_Mai22.pdf?_ga=2.122514571.1482634015.1651477751-1772970470.1651477751) (red, miwi, 2.5.2022)


Aus: "Vier von zwölf Müsliriegeln laut Greenpeace-Studie mit Glyphosat belastet" (2. Mai 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000135353711/vier-von-zwoelf-muesliriegel-laut-greenpeace-studie-mit-glyphosat-belastet (https://www.derstandard.at/story/2000135353711/vier-von-zwoelf-muesliriegel-laut-greenpeace-studie-mit-glyphosat-belastet)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on May 12, 2022, 12:24:05 PM
Quote[...] Es war nur eine Randnotiz in den unzähligen Nachrichten über die chaotische Lebensmittelversorgung der Menschen in Shanghai. In mehreren Stadtteilen klagten Bewohner über Bauchschmerzen und Durchfall, nachdem sie Lebensmittel verzehrt hatten, die ihnen von den Behörden zugeteilt worden waren. Schnell kamen Erinnerungen an verunreinigte Lebensmittel wie Milch, Öl und Gemüse bei den Großstädtern in China auf. In den Sozialen Medien ist immer wieder von der Gier der umsatzorientierten Unternehmen zu lesen, die das Leben der Menschen aufs Spiel setzten, damit die Bilanzen stimmten. Die Zensur lässt das so stehen, weil es auch Peking nutzt und von tiefgründigen Probleme ablenkt. 

Laut einer von der Chinese Academy of Engineering im Jahr 2020 durchgeführten Studie sollen schätzungsweise zwölf Millionen Tonnen des jährlich angebauten Gemüses durch Schwermetalle im Boden belastet sein. Hauptfaktoren sind dabei Rückstände aus industriellen Abwässern und Tierfutter.

Oft wird außer Acht gelassen, dass die Hauptvoraussetzung für sichere Lebensmittel gesunde Böden sind. Damit die landwirtschaftliche Produktion gesunde Lebensmittel wie Gemüse, Mais oder Reis zur weiteren Verarbeitung ernten kann, benötigt sie schlicht Agrarflächen, deren Böden nicht kontaminiert sind. Und hierzu gibt es klare Vorgaben der Behörden.

"Für China ist die effiziente Nutzung natürlicher Ressourcen ein dringendes Anliegen, da seine landwirtschaftliche Nutzfläche vergleichsweise klein ist, um die größte Weltbevölkerung zu ernähren", schreibt Lea Siebert in einer aktuellen Analyse zur Bodenkontaminierung in China vom Deutsch-Chinesischen Agrarzentrum (DCZ), die vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt wurde.

Etwa 135 Millionen Hektar (Wald- und Grasflächen nicht einberechnet) der rund 645 Millionen Hektar Land werden in der Volksrepublik landwirtschaftlich genutzt. Das sind 0,09 Hektar pro Einwohner. Im Vergleich dazu sind es 0,14 in Deutschland und sogar 0,22 in der Europäischen Union. Laut einem Bericht der Weltbank sind von Chinas Nutzflächen inzwischen rund 20 Prozent belastet. In den Achtzigerjahren betrug der Anteil verseuchter Böden gerade mal fünf Prozent.

Entsprechend dringender entwickelt sich das Problem der Lebensmittelknappheit im eigenen Land. Um die Lücken zu stopfen, muss die Volksrepublik zunehmend große Mengen aus anderen Teilen der Welt importieren. Das schafft Abhängigkeit, die Peking eigentlich verhindern will, weil die Regierung eine geostrategische Gefahr in dieser Konstellation erkennt.

Doch es fehlt an der notwendigen Transparenz, um überhaupt den Zustand der Böden in China richtig einschätzen zu können. Zwar gab es in der Vergangenheit eine Reihe von entsprechenden Studien, allerdings waren diese häufig auf bestimmte Regionen oder Schadstoffe reduzierte Meta-Analysen.

Der bisher umfassendste Ansatz ist die Nationale Erhebung zur Bodenbelastung, die zwischen 2005 und 2013 durchgeführt wurde. Der veröffentlichte Bericht enthält jedoch nur Statistiken über die prozentualen Verschmutzungsgrade. Detaillierte oder standortspezifische Daten seien hingegen nicht öffentlich gemacht worden, kritisiert das Deutsch-Chinesische Agrarzentrum.

Mehrere aktuelle Studien zeigen, dass die bisherigen Schritte zur Bekämpfung der Bodenverseuchung kaum vorzeigbare Verbesserungen oder gar Lösungen hervorgebracht haben. Bereits 2013 kündigte der damalige Minister für Land und Ressourcen, Wang Shiyuan, einen langfristigen Plan zur Sanierung der Flächen an und sicherte zudem Ausgaben in Milliardenhöhe zu. Doch getan hat sich wenig, und wohin die Gelder geflossen sind, bleibt für Außenstehende unklar.   

Auch rund zehn Jahre später scheint die Dringlichkeit des Themas noch immer nicht bei den Beteiligten angekommen zu sein. So riskieren zwei Drittel der befragten Unternehmen laut einer aktuellen Studie des Finanznachrichtendienstleisters Caixin, dass die von ihnen bewirtschafteten Böden durch chemische oder giftige Substanzen kontaminiert werden. Wissenschaftler eines englisch-chinesischen Projekts haben zudem herausgefunden, dass viele Bauern zur Maximierung ihrer Ernte viel zu viel Dünger und Pestizide einsetzten. Diese gelangen dann meist direkt ins Grundwasser, weil die große Menge von den Pflanzen schlicht nicht mehr aufgenommen werden kann.

Da 66 Millionen Hektar Ackerland in China – fast 50 Prozent der Gesamtfläche – bewässert werden, trägt auch die schlechte Qualität des Bewässerungswassers entscheidend zur Bodenbelastung bei. Zudem lassen chemische und organische Schadstoffe die Böden versauern, wodurch der pH-Wert in den Böden sinkt. In einem derartigen pH-Milieu nehmen Pflanzen jedoch verstärkt Metalle auf, was wiederum dazu führt, dass die Ernten mit Schwermetallen belastet sind – die zu guter Letzt in der weiteren Nahrungskette den Konsumenten schädigen.

Dabei sind sich Chinas Wissenschaftler dessen durchaus bewusst – und äußern ihre Sorgen: "Erhöhte Stickstoff-, Phosphor- und Treibhausgasemissionen überschreiten Sicherheitsgrenzen. Gegenwärtig ist China das Land mit den größten eingesetzten Mengen an chemischen Düngemitteln und Pestiziden weltweit", sagt Kong Xiangbin, Professor am Institut für Bodenwissenschaften und -technologie an der China Agricultural University. Der Einsatz von Stickstoffdünger in China mache 33 Prozent der globalen Gesamtmenge aus, beim Phosphatdünger seien es 36 Prozent. "Im Jahr 2018 betrug der Verbrauch von Stickstoff und Phosphor 8,214 Millionen Tonnen bzw. 2,138 Millionen Tonnen und übertraf damit die Sicherheitsgrenzen ... bei Weitem", heißt es in Kongs Studie.

Dabei ist die Kontaminierung von Böden im Agrarbereich keineswegs nur ein chinesisches Problem, wie die DCZ-Studie zeigt. Zum Vergleich: In Europa sind Schwermetalle für etwa 35 Prozent der Bodenverschmutzungen verantwortlich, gefolgt von Mineralölen mit 24 Prozent. Böden im Agrarbereich sind zwar auch durch natürliche Erosionen belastet. Die meisten direkten Verschmutzungen werden allerdings durch menschliche Eingriffe in der Landwirtschaft verursacht. Übermäßiger Einsatz von Düngemitteln und Pestiziden spielt dabei eine große Rolle, aber auch die Rückstände von Kunststofffolien, die davor schützen sollen, dass Wind und Wetter oder Tiere die Saat beschädigen.

1994 nutzten Chinas Bauern rund 426.300 Tonnen dieser Folien. 2020 waren es schon 2,389 Millionen Tonnen. Das Problem: Die Folien werden oft an den Feldrändern entsorgt, sodass Plastikreste in den Böden gefunden werden, was dann wieder die Bodenfeuchtigkeit und somit auch das Wachstum der dort gepflanzten Saat negativ verändert.

Hinzu kommen indirekte Verschmutzungen, beispielsweise resultierend aus Überschwemmungen oder auch hervorgerufen durch sogenannte atmosphärische Ablagerung, die der Kohleverbrauch in der Volksrepublik fördert: 2018 betrug der Kohleverbrauch insgesamt 3,97 Milliarden Tonnen. Diese Menge enthält ca. 51.600 Tonnen Blei, 38.300 Tonnen Arsen, 1.100 Tonnen Cadmium und 750 Tonnen Quecksilber. Diese gewaltigen Mengen lagern sich in der Atmosphäre ab und gelangen durch die Schwerkraft oder – schneller – durch Regenfälle auf und in die Böden.

Das Umweltministerium hat vergangenes Jahr ein umfassendes Handbuch herausgegeben, um die Bodenkontaminierung einzudämmen. Die drei Schwerpunkte der Empfehlungen an die Unternehmen lauten "kein Leck, keine Vermehrung und Früherkennung". Doch die Vorschläge kommen nicht nur reichlich spät. In ihrer Schlichtheit zeigen sie auch, wie weit die Behörden von der Praxis entfernt sind.

Mitarbeit: Renxiu Zhao.

Dieser Beitrag wurde übernommen aus dem China.Table Professional Briefing vom 10. Mai 2022.



Aus: "Verseuchte Böden in China: So viel verseuchte Nutzflächen wie sonst nirgendwo" Eine Analyse von Ning Wang (11. Mai 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-05/china-verseuchte-boeden-nutzflaechen-landwirtschaft-lebensmittel-versorgung/komplettansicht (https://www.zeit.de/wirtschaft/2022-05/china-verseuchte-boeden-nutzflaechen-landwirtschaft-lebensmittel-versorgung/komplettansicht)

Quotelandei23 #3

Der Artikel löste bei mir Entsetzen aus. Das ist ja ein Alptraum. Ich stelle verblüfft fest, dass es so viele Erkenntnisse gibt, die ich fast nur noch abgestumpft zur Kenntnis nehme. Klimakatastrophe, da hab ich mich ja fast schon dran gewöhnt. Katastrophale Wetterereignisse? Ok, auch häufig. Irgendwelche Lebensmittelskandale? Naja, kennt man.

Meine Fresse. Das ist wirklich Scheisse, was wir als Menschheit da veranstalten. Wirklich und wahrhaftig scheisse. Wir sind eine wirklich kranke und destruktive Spezies.


Quotetoothferry #3.3

Komisch und doch gibt es noch Blumen und Bienen und Biogemüse/Obst. Es gibt wunderbare Landschaften die von sauberen Flüsssen durchflossen werden. Eigentlich müssten wir alle bereits gestorben sein, wenn man diese Katastrophenmeldungen geballt konsumiert.
Zweifelsfrei ist die menschlche Spezies bezüglich der Zerstörung seiner Lebensgrundlage nicht unbedingt die intelligentieste.
Ich lasse mich von solchen Meldungen nur bedingt beeindrucken. und arbeite gleichzeitig in meinem privaten Bereich daran, Dinge zu verbessern, auch wenn es nur kleine Schritte sind. (Im Rahmen meiner Möglichkeiten eben)


QuoteVes #3.4

Ich bin mir da nicht so sicher. Vieles wird meiner Meinung einfach auch nicht im großen Maßstab wahrgenommen.
Lokales Beispiel: ich wohne in der Nähe einer der beiden Donau-Quellflüsse, sehr nahe an der Quelle. Bereits 3-4 Kilometer danach wird aktuell ein (Bade-)Weiher vom Schlamm befreit, durch Biber etc. ist das Wasser im Sommer regelmässig zu warm. Warum erzähle ich das? Weil der Aushub des Schlamms im Weiher komplett kontaminiert ist mit Schwermetall, PAK, etc. - mögliche Ursache? Direkte Nähe zu einer vielbefahrenen Bundesstrasse. Alleine der Bremsenabrieb kontaminiert unsere Böden in ungeheurem Ausmass. Aber rein augenscheinlich leben wir hier in einer Idylle, man sieht keine Umweltbelastungen..


Quotesahnehering #5

Das ist von uns verursachte Verseuchung.
Ein Beispiel? (von abertausenden...)
In der Klasse meiner Tochter hat jedes Kind ein "Pop It".
Das ist ab dem Moment Sondermüll, in dem es die Produktion verlässt, bevor es einmal um die halbe Welt verschifft wird. Vor ein paar Monaten waren es "Fidget Spinner". Tonnen und Abertonnen Müll.
Eltern, die das hinterfragen? Fehlanzeige. Spricht man es an, ist man ein spießiger Idiot.
Man blättere durch das aktuelle Aldi, Lidl, Netto, Kaufland, Penny etc etc Prospekt. ...

In unserem Namen werden MASSENHAFT Ressourcen verschwendet und Böden/Luft/Wasser verseucht für "Produkte", die noch VOR DER ERSTEN BENUTZUNG Müll sind, weil sie auch nicht im Ansatz irgend einen Nutzen bringen. Und im Verhältnis 100 zu 1 ist es den Leuten scheißegal. ...

Dieser Menschheit ist nicht mehr zu helfen. Es ist davon auszugehen, dass die Evolution bald Platz schafft für einen neuen Versuch. Vielleicht kommt ja eine Spezies dabei heraus, die sich zurecht "intelligent" nennen darf.


QuoteEdenjung #1

Interessant ist, dass unter anderem Tomaten in der Dose gerne und recht häufig aus China kommen.
Bzw. nur die Tomaten. Die werden dann in der Eu verpackt und dann braucht man da nicht draufschreiben, dass die aus China kommen. Tomatenmark wird auch tonnenweise nach Europa verkauft.
Selbiges mit Mandarinen aus der Dose. ...


QuoteJosef Fragen #10.1  —  vor 4 Stunden
1

Ein Kollege aus Indien erzählte mir vor Jahren mal von der Paani-Foundation gegen Trockenheit in Maharashtra: https://www.paanifoundation.in/ (https://www.paanifoundation.in/).... und gab mir einen Link auf einen Film.
Die vielen Kleinbauern waren in ihren Existenznöten wegen der zunehmenden Trockenheit zu Einzelkämpfern geworden, aber das Paani-projekt konnte sie für gemeinsames Arbeiten gegen die Trockenheit gewinnen und die Menschen gewannen Freude und Begeisterung und es stellten sich bald Erfolge ein. Kürzlich las ich, dass es aber auch wieder zu Problemen kam, weil durch den Anbau einiger wasserintensiver Kulturen, die mehr Gewinn versprachen, die Knappheit wieder zunahm. Man konnte das Problem aber wieder lösen. Ich sehe in dieser Geschichte fast eine Metapher oder Begründung für ein globales Gemeinwohlvermögen. Das Wasser ist letztlich ein Gemeinnützigkeit und wenn man den Wasserkreislauf insgesamt betrachtet, dann ist es sowohl ein globales als auch ein generationenübergreifendes Gemeingut. Jede Generation trägt die Verantwortung, dass auch nachfolgende Generationen ausreichend Wasser haben. Und jeder Staat oder jede Region der Erde hat die Verantwortung, dass durch das eigene Handeln nicht andere unter Mangel leiden müssen. Das selbe gilt auch für viele andere Resourcen und die Komplexität an wechselseitigen globalen Kopplungen und Rückkopplungen erfordert einen angemessenen Ausgleich von denen, die mehr Nutzen haben zu jenen die weniger Nutzen haben.

Es sollte einleuchten, dass die 200 Staaten wohl schwerlich in bilateralen oder multilateralen Verhandlungen zu Ergebnissen kämen, die langfristig von allen als gerecht empfunden würden. Ja das Scheitern solcher Verhandlungen könnte zu Kriegen führen. Betrachtet man Kapital in der Wirtschaft als das Äquivalent zu Wasser in Landwirtschaft, so kommt man zu dem Ergebnis, dass einige große Kapitalreservoire bilden können, weil ihre Wirtschaftspflanze aus politischen oder anderen Gründen mehr Ertrag abwirft. Das hat aber logischerweise Austrocknung von Reservoiren anderer zur Folge. In dem Bild von Wasser würde man große Reservoire anlegen, die allen gemeinsam gehören. Wenn jemand den richtigen Boden hat, eine gewinnbringende Kultur anzubauen, dann kann er das tun, aber es ist dann ein Gebot der Fairness anderen immer wieder mal was abzugeben. Mein Modell des Supranationalen Gemeinwohlvermögens realisiert eine Kompensation von Vermögensungleichheiten zwischen Staaten einer Region und auch global, aber auch die Kompensation innerhalb von Staaten, weil jeder Mensch einen kalkulatorischen Kopfanteil hat. Die anstehende Transformation der Weltwirtschaft hin zu klimaneutral Energiegewinnung wird Ungleichheiten sehr wahrscheinlich verschärfen, auch daraus ergibt sich die Notwendigkeit eine robuste Kompensation einzuführen, sonst werden viele Menschen und Staaten gar nicht oder nur halbherzig mitmachen. Aber das Paaniprojekt zeigt uns, dass alle gemeinsam viel erreichen.


QuoteDEREopa #12

Wenn da 2,3 Millionen Tonnen Plastikfolien am Rand der Felder vor sich hin degradieren besteht zudem noch das weitere Problem das die in Nanopartikel zerfallenende Kunststoff außer in der Lage sind in die Zellen der Pflanzen einzudringen. Nicht nur die im Kunststoff enthaltenen Chemikalien gelangen so direkt in die Lebensmittel sondern im Boden nimmt das immer weiter zerfallenende Plastik wie ein Magnet weitere Schadstoffe in sich auf. Zudem spielt dann auch die Verbreitung über die Luft auf weitere Flächen eine Rolle. Und Plastik wird ja nicht nur im Kontext der Ackerböden eingesetzt sondern auch in allen sonstigen Bereichen. Da landet unglaublich viel Menge auch im Wasser und auf anderen Flächen ohne Folien. Die Forschung hat in diesem Bereich in den letzten Jahren viele Erkenntnisse gewonnen.


QuoteJosef Fragen #12.1

Das Folienproblem gibt es auch in Deutschland. Hier werden viele Folien für die Großballen(Monstermozzarella) von Grünfutter verwendet. Diese landen auch häufig in Flüssen und Bächen. Das Ufer der Ammer war davon wohl schon vor Jahren betroffen. Wer sich diese Technik ausgedacht hat, hat einen Anti-Umweltpreis verdient.


QuoteDarth Nihilus #14

Auch das ist (wie die sich anbahnende Klimakrise) seit sehr langer Zeit bekannt.
Auch das wurde und wird von Politkern und ihren Wählern ignoriert, relativiert und diskreditiert.
Auch das wird erst wahrgenommen, wenn es längst zu spät ist.

Global Land Outlook 2 | UNCCD
https://www.unccd.int/resources/global-land-outlook/glo2 (https://www.unccd.int/resources/global-land-outlook/glo2)

Viele Zivilisationen sind ihrer Ignoranz und Dekadenz zum Opfer gefallen.
Da sich diese Ignoranz und Dekadenz nun globalisiert hat und globale existentielle Probleme betrifft, wird die Zivilisation global daran zugrunde gehen.

Wir sägen konsequent am Ast auf dem wir sitzen.
Und wir verteufeln die, die uns darauf hinweisen.
Dümmer geht es nicht.



QuoteGoedekeMichels #15

Die Chinesen machen, wie andere Länder auch, nur konsequent dieselben Fehler, die hier auch gemacht wurden und z. T. noch werden. Solange das System Gier nicht überwunden wird, wovon wir weit davon entfernt, wird das munter so weiter gehen.Vor fast vierzig Jahren warem wir im Umweltschutz so weit, das viele gefährlichen Stoffe in Dingen des alltäglichen Lebens und in Lebensmittel verboten wurden. Weil aber Geiz geil ist und Gewinne die Leitsterne unserer Wirtschaft sind, wurden und werden viele der Errungenschaften durch Importe zweifelhafter Qualität aus China konterkariert.
Nix wirklich gelernt, Hälfte wieder vergessen.


Quotena-also #16

Bei der Produktion von Düngemitteln in Granulatform wird der Dünger mit einer Polymere-Schicht ummantelt. Mit dem Verbringen von Düngemitteln werden also auch Kunststoffe in die Erde verbracht - schon seit Jahrzehnten - warum das so ist, ist nachzulesen bei:
http://www.freepatentsonline...

Die geltende Regelung der Düngemittelverordnung (DüMV) sieht vor, dass ab dem Jahr 2017 synthetische Polymere bei der Herstellung von Düngemitteln nur noch eingesetzt werden dürfen, soweit diese sich mindestens um 20 % in zwei Jahren abbauen.
Da hab´ ich mal nachgerechnet:
Bei 15,715 Millionen Tonnen EU-Düngemitteleinsatz in 2015/2016 und davon ca. 3% (im Mittel) eingesetzte Polymere-Ummantelung, befindet sich bei dieser Menge von Düngemitteln eine Menge von rd. 470 Tausend Tonnen Polymere im Boden der EU. Davon müssen sich in 2 Jahren mindestens 20% abgebaut haben = bleiben immer noch 376 Tausend Tonnen nach den 2 Jahren im Boden...und werden ausgeschwemmt, gelangen über die Flüsse in die Meere, in die Fische, in die Menschen...Und jedes Jahr kommen (mindestens - weil durch Wachsen der Bevölkerung der Bedarf an Versorgung mit Lebensmitteln steigt) die neue Mengen hinzu.

Quelle für den Einsatz von Düngemitteln in der EU:
EUROSTAT, FAO (Januar 2018), BLE (424), BMEL (123).
Bund. Min. für Ernährung und Landwirtschaft
https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tabellen-zur-landwirtschaft/#c7004 (https://www.bmel-statistik.de/landwirtschaft/tabellen-zur-landwirtschaft/#c7004)


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on June 05, 2022, 11:00:08 AM
Quote[...] TSCHERNOBYL taz | Fünf Wochen lang, vom 24. Februar bis zum 31. März, hatten russische Truppen Tschernobyl besetzt. Zwar hatten die ukrainischen Behörden sofort nach dem Abzug der russischen Truppen von Diebstahl und Zerstörung wichtiger Ausrüstung berichtet. Doch das ganze Ausmaß der Schäden wird erst jetzt deutlich.

698 Computer, 344 Fahrzeuge, 1.500 Strahlungsdosimeter, wichtige Software und fast die gesamte Feuerwehrausrüstung, so die Washington Post vom Donnerstag, seien von den russischen Truppen in diesen fünf Wochen entwendet oder zerstört worden. Besonders schwer getroffen davon seien die Labors von Tschernobyl. Da einige der fehlenden Geräte mit GPS – Trackern ausgestattet seien, sei erkennbar, dass sich ein Teil dieser Ausrüstung derzeit in Belarus befinde, so Yevhen Kramarenko, Chef der Tschernobyl-Sperrzone.

Einst emsig arbeitende Labors, so Kramarenko, seien nun durch Brandspuren und Schutt vorerst nicht mehr zu gebrauchen, mehrere Gebäude seien gar vollständig zerstört.

Dabei hätte die fünfwöchige Besetzung der Sperrzone von Tschernobyl durch russische Truppen noch viel schlimmere Folgen haben können. Womöglich sind die Ukraine und mit ihr ganz Europa nur ganz knapp an einer viel größeren Katastrophe vorbeigeschlittert.

Wie sorglos die russischen Besatzer an dem Ort der bis heute größten Katastrophe der Atomenergie waren, zeigt der Umstand, dass diese ausgerechnet in dem am höchsten verstrahlten Bereich der Tschernobyl-Sperrzone, im sogenannten roten Wald, Schützengräben ausgehoben hatten. Und dabei haben sie offensichtlich erhebliche Strahlenschäden davongetragen. Gegenüber dem ukrainischen Portal kosatka.media berichtete Yevhen Kramarenko, die russischen Truppen hätten während der Besatzung sämtliche Sicherheitsvorschriften missachtet. Weder hätten sie von den in der Zone vorhandenen Geigerzählern Gebrauch gemacht, noch hätten sie ihre Truppenbewegungen auf die asphaltierten Straßen beschränkt.

Im März hatte die stellvertretende Ministerpräsidentin der Ukraine, Irina Wereschtschuk, berichtet, dass die russischen Truppen Dutzende Tonnen von Artilleriemunition unweit des Kraftwerkes lagerten.

Fünf Tage war das AKW Tschernobyl im März vom Stromnetz abgeschnitten. Ohne Strom können aber weder die Abklingbecken für die dort lagernden 20 Tausend abgebrannten Brennstäbe noch die Ventilatoren, die die ArbeiterInnen vor Radioaktivität schützen, arbeiten. Wäre das Wasser in den Abklingbecken verdampft, hätte dieser radioaktive Dampf große Territorien verstrahlt.

Gefährlich war auch der psychische Stress, dem die MitarbeiterInnen des Kraftwerkes plötzlich ausgesetzt waren. Fast einen Monat lang hatten die russischen Besatzer Schichtwechsel verboten. Dadurch waren die dort arbeitenden Fachleute weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten, mussten praktisch rund um die Uhr arbeiten.

Es wird noch lange dauern, bis die angerichteten Schäden im Kraftwerk Tschernobyl behoben sein werden. Eine Folge der Zerstörung wird wohl schon im Sommer spürbar sein. Da fast die gesamte Ausrüstung der Feuerwehr verloren gegangen ist, wird es in diesem Sommer schwer sein, Waldbrände zu bekämpfen, fürchtet Yevhen Kramarenko gegenüber der Washington Post.


Aus: "Russische Besetzung Tschernobyls: Sorglos verstrahlt" Bernhard Clasen (3.6.2022)
Quelle: https://taz.de/Russische-Besetzung-Tschernobyls/!5858941/ (https://taz.de/Russische-Besetzung-Tschernobyls/!5858941/)

https://taz.de/AKWs-im-Ukraine-Krieg/!5840636/ (https://taz.de/AKWs-im-Ukraine-Krieg/!5840636/)

https://taz.de/Atomkraftwerke-in-der-Ukraine/!5839072/ (https://taz.de/Atomkraftwerke-in-der-Ukraine/!5839072/)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on June 09, 2022, 10:24:16 AM
Quote[...] Santiago de Chile – Mindestens 75 Menschen sind aufgrund der hohen Schadstoffbelastung durch die Schwerindustrie in den westchilenischen Städten Quintero und Puchuncaví vergiftet worden. Die Schwefeldioxid-Werte lagen am Montag kurzzeitig fünf Mal über den üblichen Werten, wie der Bürgermeister von Quintero, Rubén Gutiérrez, am Dienstag mitteilte. Mehr als 50 Kinder und mehr als 25 Schulmitarbeiter seien "von den Auswirkungen der giftigen Gase betroffen" gewesen.

"Die Gemeinden Quintero und Puchuncaví haben dies jahrzehntelang toleriert, aber das muss ein Ende haben", betonte Gutiérrez. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden der Region Valparaíso klagten die Betroffenen über Symptome wie Kopfschmerzen, juckende Augen und Rachen sowie Übelkeit. Sie seien untersucht und anschließend wieder nach Hause entlassen worden. Die Regionalregierung verhängte den Umweltnotstand in Quintero und Puchuncaví. Die Schulen in beiden Städten wurden geschlossen.

In den beiden Städten Quintero und Puchuncaví, die von der Umweltschutzorganisation Greenpeace als "Chiles Tschernobyl" bezeichnet werden, sind Bergbau-, Öl-, Zement-, Gas- und Chemieunternehmen angesiedelt. Die chilenische Regierung hatte 1958 beschlossen, die Region in ein Industriezentrum umzuwandeln. In Chile werden solche Örtlichkeiten "Opferzonen" ("zonas de sacrificio") genannt. Dort wird eine überdurchschnittliche Umweltverschmutzung toleriert wird.

Die Umweltverschmutzung nahm seitdem erheblich zu. Der Gouverneur von Valparaíso, Rodrigo Mundaca, forderte angesichts der Vergiftungen dazu auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. (APA, AFP, 7.6.2022)


Aus: "Chilenische Schulkinder durch Schadstoffbelastung vergiftet" (7. Juni 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000136372692/chilensische-schulkinder-in-chile-durch-schadstoffbelastung-vergiftet (https://www.derstandard.at/story/2000136372692/chilensische-schulkinder-in-chile-durch-schadstoffbelastung-vergiftet)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on June 13, 2022, 12:11:22 PM
Quote[...] Amboy, ein kleines Dorf in Argentinien: Zwei Autostunden von Córdoba entfernt sieht man Sojafelder soweit das Auge reicht. In der Nähe befindet sich der zweitgrößte Stausee der Provinz, verseucht mit Quecksilber und Arsen.
,,Wir stehen hier am Ufer des Stausees Río Tercero und gleich neben uns befindet sich eine Soja-Plantage", sagt die Bewohnerin des Dorfs, Maria Godoy, und deutet auf das Wasser. ,,Es gibt ein Gesetz in Córdoba, das verbietet, neben Gewässern Pestizide anzuwenden. Aber sie machen es trotzdem."

Auf einer Fläche dreimal so groß wie Bayern wird in Argentinien Soja angebaut. Von den jährlich 53 Millionen produzierten Tonnen stammt ein Drittel aus der Provinz Córdoba.

Sie ist nicht nur eines der wichtigsten Sojaanbaugebiete des Landes, sondern auch das Zentrum des Widerstands gegen Umweltgifte, die auf den Plantagen eingesetzt werden. Angeführt wird er von Frauen wie María Godoy und Sofía Gatica. ,,Ich habe 50 Meter von einem Soja-Feld entfernt gewohnt", sagt sie. ,,Sie haben mit Pestiziden gesprüht, und jedes Mal, wurden die Kinder krank. Meine Tochter ist an einer Nierenfehlbildung gestorben. Den Tod des eigenen Kindes nimmt man nicht einfach so hin. Also habe ich nachgeforscht, was hier passiert. Viele Kinder in der Nachbarschaft haben Masken getragen, weil sie Leukämie hatten, und die Mütter Kopftücher wegen der Chemotherapie."
Sofía Gatica lebte zum Beginn des Soja-Booms in den 1990er- und 2000er-Jahren in Ituzaingó am Stadtrand von Córdoba. Sie schloss sich mit 15 weiteren Mütter zusammen, um sich gegen den Einsatz von Umweltgiften auf den Sojaplantagen neben ihren Häusern einzusetzen.

Heute sind die Frauen in ganz Argentinien bekannt: die Mütter von Ituzaingó. Sie protestierten auf den Straßen, sammelten Beweise und dokumentierten Krankheiten: Hautirritationen, Asthma, Fehlbildungen bei Neugeborenen oder Krebs. Nach einem jahrelangen Kampf erreichten die Frauen vor Gericht, dass Pestizide nur zweieinhalb Kilometer entfernt von Wohnhäusern eingesetzt werden dürfen. Zwei Männer wurden zu drei Jahren Haft verurteilt, weil sie Unkraut- und Insektenvernichtungsmittel auf die Bewohner des Viertels Ituzaingó gesprüht hatten. Zu dem Zeitpunkt gab es bereits 142 Krebstote im Viertel. Das war 2012.
Im selben Jahr kündigte Monsanto an, Argentiniens größte Fabrik für genetisch verändertes Saatgut in Malvinas in der Provinz Córdoba zu bauen. Die Mütter von Ituzaingó besetzten gemeinsam mit den Bewohnern des Ortes fünf Jahre das Grundstück, auf dem die Fabrik gebaut werden sollte. ,,Es entstand eine große landesweite Bewegung", erzählt Gatica. ,,Wenn in Malvinas etwas passierte, bewegte sich ganz Argentinien. Wir wurden geschlagen und bedroht. Aber dank des Durchhaltevermögens von uns allen haben wir es trotzdem geschafft."

Monsanto musste den Bau der Fabrik abbrechen. Aber der Kampf der Frauen aus Córdoba ist nicht zu Ende. 2016 bahnte der Bayer-Konzern den Kauf des Unternehmens an – inzwischen hat der Leverkusener Chemie-Riese den Namen Monsanto abgelegt. Geblieben ist der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat und das riesige Geschäft in Argentinien: Jährlich werden hier über 200 Millionen Liter versprüht, damit ist Argentinien das Land mit dem höchsten Glyphosat-Verbrauch pro Einwohner weltweit. Und auch mit gentechnisch verändertem Soja macht Bayer gute Gewinne.
84 Prozent gehen in den Export: als Bohne, Schrot, Öl oder Biodiesel. Während Sojabohnen und Soyaöl nach China exportiert werden, landet der Sojaschrot in Europa in den Futtertrögen in der Massentierhaltung.
Marcos Filardi ist Menschenrechtsanwalt und Mitglied des Lehrstuhls für Ernährungssouveränität der Universität von Buenos Aires. Auf der Buchmesse der Hauptstadt stellt er sein Buch vor, in dem er die Landwirtschaft kritisiert, die sich in Argentinien seit den 1990er-Jahren etabliert hat. ,,Dieses Modell des Agrobusiness, das von genmanipuliertem Saatgut und Agrargiften abhängt, startete mit zwei Versprechen", sagt er. ,,Erstens sei diese neue Technologie notwendig, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen, und Argentinien müsse dazu einen Beitrag leisten. Das ist ein Mythos, denn der Hunger in der Welt hat nicht abgenommen, sondern sogar zugenommen. Das zweite Versprechen war, dass der Einsatz von Agrargiften abnehmen würde. Aber auch das war ein Mythos, denn er hat seit 1996 um 1500 Prozent zugenommen."


Vier transnationale Unternehmen kontrollieren derzeit den weltweiten Pestizidmarkt. Zwei davon kommen aus Deutschland: Bayer und die BASF. Die Heinrich-Böll-Stiftung hat ausgerechnet, dass die beiden Konzerne rund die Hälfte des weltweiten Jahresumsatzes mit Pestiziden erwirtschaften. Während in Europa immer mehr Pestizide verboten werden, verkaufen die Unternehmen sie stattdessen in Lateinamerika.
Deutsche Umweltorganisationen fordern deshalb den Exportstopp giftiger Wirkstoffe ins Ausland. Doch politisch ist das derzeit kaum ein Thema. Sofia Gatica, deren Tochter an einer Nierenfehlbildung gestorben ist, will deshalb weiterkämpfen. ,,Die Krankheiten und Fehlbildungen tauchen erst Jahre später auf. Wir wurden vergiftet und wir werden weiterkämpfen. Das hier wird nicht aufhören, nur, weil an einem bestimmten Ort nicht mehr mit Pestiziden gesprüht wird. Es wird erst aufhören, wenn die genetisch veränderten Pflanzen aus Argentinien verschwinden."



Aus: "Sojaanbau in Argentinien: ,,Wir wurden vergiftet"" Sophia Boddenberg (24.05.2022)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/pestizide-auf-sojafeldern-in-argentinien-100.html (https://www.deutschlandfunkkultur.de/pestizide-auf-sojafeldern-in-argentinien-100.html)

   
"Der Tod kommt mit dem Wind" Peter Burghardt (24. November 2014 - Aus Heft 47/2014)
Die Sojabohne half Argentinien aus der Krise. Doch nun sind verdächtig viele Einheimische krank oder gestorben - vermutlich wegen der Spritzgifte. Die Soja-Industrie will davon nichts wissen.
https://sz-magazin.sueddeutsche.de/aussenpolitik/der-tod-kommt-mit-dem-wind-80799 (https://sz-magazin.sueddeutsche.de/aussenpolitik/der-tod-kommt-mit-dem-wind-80799)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on June 14, 2022, 09:48:05 AM
Quote[...] Phthalate, Bisphenole, PFAS, PAK, Aniline, Blei, Cadmium, Quecksilber, Chrom und viele andere: Der Mensch ist zahlreichen Umweltchemikalien ausgesetzt. Viele davon sind giftig, einige in Europa bereits verboten. Aber wie stark ist der Einzelne belastet und welche Konsequenzen hat das?

Seit Ende April 2022 weiss man darüber etwas genauer Bescheid. Nach fünf Jahren Arbeit präsentierte das europäische Bio-Monitoring-Projekt HBM4EU (Human-Biomonitoring Initiative)  in Brüssel seine Ergebnisse.

Menschen in Europa sind teilweise in bedenklichem Masse mit Chemikalien belastet, fand das 2017 begonnene Projekt, an dem neben 25 EU-Ländern auch Norwegen, Island, Israel, Nordmazedonien und die Schweiz teilnehmen.

So fanden sich bei allen untersuchten Kindern und Jugendlichen Weichmacher, wie sie in Plastikprodukten eingesetzt werden. In der europäischen Bevölkerung sei die Belastung mit Weichmachern «bedenklich hoch», fasst das deutsche Bundesumweltministerium zusammen, das die Leitung von HBM4EU innehat.

https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/menschen-in-europa-teilweise-bedenklich-hoch (https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/menschen-in-europa-teilweise-bedenklich-hoch)

Im Blut sämtlicher Jugendlicher fanden sich weiter per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS), bei einem Viertel der untersuchten Personen in einer Menge, bei der gesundheitliche Folgen nicht ausgeschlossen werden können. Ein Teil der gefundenen PFAS, die zu den «ewigen Chemikalien» gehören, ist längst verboten. Aber auch ihre Ersatzstoffe sind problematisch, stellt sich nach und nach heraus.

Ähnliches gilt für Bisphenole, die sich zum Beispiel im Thermopapier von Kassenzetteln oder Parkhaus-Tickets finden. Auch da wurde das hormonaktive Bisphenol-A durch andere Stoffe ersetzt, die womöglich nicht weniger schädlich sind. Für Kinder und Heranwachsende sind hormonell wirksame Chemikalien besonders ungünstig.

https://de.wikipedia.org/wiki/Bisphenol_A (https://de.wikipedia.org/wiki/Bisphenol_A)

Die Biomonitoring-Initiative, die offiziell noch bis Sommer 2022 läuft, sollte eine Faktengrundlage für die Umwelt- und Chemikalienpolitik liefern. Vorhandene Daten sollten zusammengeführt, Wissenslücken geschlossen werden. Das von Horizont 2020 geförderte EU-Projekt soll in ein System überführt werden, mit dem die Schadstoffbelastung der europäischen Bevölkerung und ihre gesundheitlichen Risiken erfasst werden können. Ein Nachfolgeprojekt namens PARC hat bereits begonnen.

Aktuell sind die Daten zum Beispiel für die Gefährlichkeit von Mischungen interessant. Um deren Wirkung einschätzen zu können, müssen Entscheidende erst einmal wissen, welchen Chemikalien-Cocktail ein Durchschnittseuropäer in sich trägt.

https://www.infosperber.ch/umwelt/schadstoffe/umweltchemie-der-cocktail-effekt/ (https://www.infosperber.ch/umwelt/schadstoffe/umweltchemie-der-cocktail-effekt/)

Organisationen wie Chem Trust begrüssen die entstandene Datensammlung. Mit deren Hilfe könnte die reale Schadstoffbelastung der Menschen in Europa sowie mögliche gesundheitliche Folgen besser abgeschätzt und Schäden eher nachgewiesen werden, sagt Ninja Reineke, Head of Science und Vorstandsvorsitzende von Chem Trust Europe.

Auch auf gesetzgebender Ebene tut sich etwas: Bis 2030 könnten tausende Einzelsubstanzen in der EU verboten werden. Und zwar – das ist neu – gleich gruppenweise, kündigte die EU-Kommission ebenfalls Ende April an.

https://ec.europa.eu/docsroom/documents/49734/attachments/1/translations/en/renditions/native (https://ec.europa.eu/docsroom/documents/49734/attachments/1/translations/en/renditions/native)


Aus: "Chemikalienbelastung von Menschen in Europa ist bedenklich hoch" Daniela Gschweng (13.06.2022)
Quelle: https://www.infosperber.ch/umwelt/schadstoffe/chemikalienbelastung-von-menschen-in-europa-ist-bedenklich-hoch/ (https://www.infosperber.ch/umwelt/schadstoffe/chemikalienbelastung-von-menschen-in-europa-ist-bedenklich-hoch/)

https://www.infosperber.ch/dossier/gifte-und-schadstoffe-in-der-umwelt/ (https://www.infosperber.ch/dossier/gifte-und-schadstoffe-in-der-umwelt/)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on June 20, 2022, 10:26:21 AM
Quote[...] Es tut sich ja durchaus was beim Umweltbewusstsein. Unser Obsthändler zum Beispiel hat fast nur noch Papp- statt Plastikschalen in der Auslage. Als ich zum Lob ansetze, stopft er die Schale Kirschen in eine dünne Plastiktüte und reicht sie rüber.

Ja, er habe es mit Papiertüten versucht, aber die seien teurer, da müsse er Geld für nehmen und dann hätte die Kundschaft doch lieber kostenlos Plastik. Wir einigen uns darauf, dass ich die Kirschen direkt in der Schale trage. Nichts ist perfekt, aber wir sind auf dem Weg.

Da passt es, dass jetzt auch das endlose Einweg-Plastik bei größeren Events wie dem Thai-Markt im Preußenpark in den Blick genommen wird. Warum sollte es dort nicht möglich sein, für Verzehr oder Einkauf Mehrwegbehälter mitzubringen?

Wenn gleichzeitig allerdings Einweg-Kaffeebecher überall weitergenutzt werden, dann macht das den Vorstoß wenig glaubwürdig. Selbst in und vor Cafés und Bäckereien, ganz ohne ,,To Go", sitzt Kundschaft mit dem plastikbezogenen und oft auch noch -bedeckelten Pappzeugs, obwohl Gläser und Tassen bereitstehen.

Ist das nun Ignoranz, schwer lässiges Ist-mir-egal oder sogar bewusste Renitenz, weil einigen die Ökos mit ihren dauernden Ansprüchen auf die Nerven gehen?


Aus: "Einweg-Plastik immer noch verbreitet in Berlin: Ignoranz, Lässigkeit, Renitenz" Markus Hesselmann (19.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/einweg-plastik-immer-noch-verbreitet-in-berlin-ignoranz-laessigkeit-renitenz/28435466.html (https://www.tagesspiegel.de/berlin/einweg-plastik-immer-noch-verbreitet-in-berlin-ignoranz-laessigkeit-renitenz/28435466.html)

-

Quote[...] In Indonesien verhaken sich die Plastikmassen in den Mangrovenbäumen eines potenziellen Traumstrandes. In Bulgarien stapeln sich auf dem Hof eines dubiosen Zwischenlagers große Ballen aus Plastikmüll, den Freiwillige in Großbritannien in bester Absicht gesammelt haben, weil er von der US-Firma Terracycle angeblich vollständig wiederverwertet wird – nun aber wohl nur verbrannt werden soll.

Der Dokumentarfilm ,,Die Recycling-Lüge" von Tom Costello und Benedict Wermter erschüttert mit einigem Nachdruck die beruhigende Vorstellung, dass es im Kampf gegen den Plastikmüll vorangeht. Man kann es auch nüchtern in einer Zahl ausdrücken wie Ernesto Bianchi vom Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung: Beim illegalen Müllhandel werden weltweit jährlich elf bis zwölf Milliarden Euro umgesetzt, sagt er. Die Autoren mischen mit einer eigens gegründeten Fake-Firma auf dem Markt des Müll-Schmuggelns mit und bringen außerdem Tom Szaky, den Gründer von Terracycle, in Erklärungsnot.

In den vergangenen Jahren hat der legale Müll-Export in Länder wie Indonesien zu apokalyptischen Zuständen geführt. Zwar machen junge Aktivistinnen wie die 15-jährige Nina Arisandi Hoffnung, weil sie mit fantasievollen Kampagnen eine breite Öffentlichkeit erreichen. Auch haben zahlreiche Konzerne – unter anderen Bayer-Nachfolger Covestro, Henkel und BASF – 2019 eine ,,Allianz gegen Plastikmüll" gegründet und versprochen, 1,5 Milliarden US-Dollar in fünf Jahren zu investieren. Im Film bleibt davon nur das Bild des vermüllten Ganges übrig. Aus dem vollmundig angekündigten ,,Allianz"-Projekt, den 2600 Kilometer langen Fluss zu reinigen, ist offenbar nichts geworden. Als Vize-Präsident Nicholas Kolesch dazu befragt wird, grätscht aus dem Off die PR-Beraterin dazwischen.

Neuerdings wird über ,,konstruktiven Journalismus" diskutiert. Demnach sollen Medien nicht nur Missstände enthüllen und damit Zuschauerinnen und Zuschauer womöglich entmutigen, sondern auch Lösungsansätze aufzeigen. Einem solchen Anspruch wird der Film weniger gerecht – vielleicht weil es keine vernünftigen Lösungen bei der Wiederverwertung von Plastikmüll gibt. Nur ein einstelliger Prozentsatz kann wirklich in einem gleichwertigen Produkt wiederverwertet werden. Stattdessen wächst die Verpackungs-Industrie dank des Hungers auf immer neues Plastik munter weiter.

Die US-amerikanische Chemie-Ingenieurin Jan Dell, die sich von einer Beraterin großer Verpackungskonzerne zur Umweltaktivistin gewandelt hat, nennt eine mögliche Kreislaufwirtschaft für Plastik ,,eine große Farce". Die Kosten seien ,,absolut astronomisch und werden niemals gering sein". Auch Helmut Maurer kommt zu Wort. Der Umwelt-Experte der Europäischen Kommission sieht bei der Wiederverwertung von Plastikmüll ,,keine entscheidenden Lösungsansätze". Maurer sieht nur einen Weg: Abfallvermeidung. Dafür seien politische Eingriffe nötig, die vielleicht einigen wehtun würden. ,,Aber wir können nicht, um einigen nicht weh zu tun, die ganze Menschheit aufs Spiel setzen", sagt er am Ende.

Mit dem Konzept für den Film gewann die Hamburger Produktionsfirma a&o vor zwei Jahren den ARD-Dokumentarfilmpreis, mit dem ein sechsstelliger Zuschuss zu den Produktionskosten verbunden war. Außerdem haben sich weitere internationale Sender beteiligt, der Film lief bereits in Dänemark, Schweden, Norwegen, Kanada, Japan und bei BBC World.

In Deutschland, wo jährlich fast sechs Millionen Tonnen Plastikmüll anfallen, ist der Mythos dank des ,,grünen Punkts" besonders groß. Die Wiederverwertung von Plastik ist ,,ein schönes Märchen, das wir gerne hören", kommentieren die Autoren.


Aus: "Plastik und kein Ende" Thomas Gehringer (20.06.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/recycling-eine-grosse-farce-plastik-und-kein-ende/28437082.html (https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/recycling-eine-grosse-farce-plastik-und-kein-ende/28437082.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on July 17, 2022, 07:09:57 PM
Quote[...] An dem Tag, als das Dorf krank wird, fegt ein ungewöhnlich starker Wind durch die staubigen Straßen von Presidencia Roca. Das ist ein verschlafener 5.000-Einwohner-Ort im Norden Argentiniens, in dem die Hitze über den Dächern flimmert, mittags die Läden geschlossen bleiben und nur hin und wieder ein Roller über die einzige Hauptstraße rattert.

An diesem Mittag des 22. Oktober 2021 durchbricht das Geräusch von Flugzeugmotoren die Siesta im Dorf, so werden es die Be­woh­ne­r:in­nen später berichten. Gerade ist die Schule aus, als eine silberne Maschine über ihren Köpfen fliegt, über die Dächer, den naheliegenden Fluss Bermejo, den Schulgarten, in dem Araceli Gonano arbeitet.

Gonano, eine Frau mit tief klingendem Lachen, ist an das Geräusch gewohnt, doch etwas fällt ihr auf: Das Flugzeug zieht diesmal ungewöhnlich hoch weite Kreise, wie ein Kunstflieger. Nur dass es keine bunten Kondensstreifen an den Himmel malt, sondern etwas in die Atmosphäre sprüht. Aus Erfahrung weiß Gonano, im Bauch der Maschine befinden sich Pestizide, Herbizide, Insektizide – Pflanzenschutzmittel, importiert aus der ganzen Welt, für die sie nur ein Wort benutzt: Gift.

Gift, das Gonano, ihre drei Kinder, die Nachbarinnen und Nachbarn bald darauf erkranken lässt. Gift, dessen Ursprung mutmaßlich auch in der EU liegt. Gift, gegen dessen Verbreitung kaum jemand etwas unternimmt.

Wenige Tage später klagen viele Dorf­be­woh­ne­r:in­nen über Pusteln am Körper, brennende Haut, Magenkrämpfe – und sie haben Angst vor Folgeschäden: Krebserkrankungen treten in der Region, in der Gonano lebt, viermal so häufig auf wie im Rest Argentiniens. Verlässt man sich auf die letzte staatliche Untersuchung von 2009, haben sich in den sogenannten Pueblos Fumigados – den von Pestiziden ,,eingenebelten Dörfern" – Fehlbildungen bei Neugeborenen verfünffacht.

Das Flugzeug, das für Gonano das Unheil bringt, gehört dem Agrarunternehmen Marfra S. A. Sieben Kilometer außerhalb des Dorfes betreibt die Firma eine Plantage, auf der Soja, Mais und Baumwolle angebaut werden. Marfra ist ein Riese unter den vielen kleinen Landwirtschaftsbetrieben in der Gegend. Was sich an diesem Tag ereignet, bezeichnet das Unternehmen später als Unfall, ausgelöst durch starken Wind, ,,höhere Gewalt". Doch ist es wirklich so einfach? Und wer trägt die Verantwortung?

Araceli Gonano, 35 Jahre alt, ist eine, die man in Presidencia Roca eine ,,Campesina" nennt, spanisch für Bäuerin, was aber auch so viel heißt wie: ,,eine von hier". Als Gonano noch ein Kind war, begann sich ihre Umgebung zu verändern. Früher war ihr Dorf eingerahmt von einem dichten Wald aus Dornbüschen und majestätisch hohen Bäumen. Das Zuhause indigener Gemeinschaften, Lebensraum von Ameisenbären und Leoparden. Doch dann musste der Wald weichen.

Auf Satellitenbildern der letzten 30 Jahre lässt sich nachverfolgen, wie aus den einst grünen Flächen zunehmend braune wurden: riesige Felder, auf denen Baumwolle, Mais oder Soja angebaut werden. Rohstoffe, die am Ende der Lieferkette auch in billigen T-Shirts oder Geflügelwurst in Deutschland landen.

Einen Monat nach dem unsichtbaren Pestizidregen manövriert Araceli Gonano ihren Roller durch das schachbrettartige Straßenraster ihres Heimatortes, vorbei an frei herumlaufenden Hühnern und Zitrusbäumen. Gegen die pralle Sonne trägt sie eine Cappy. Gegen die Chemikalien, die noch in der Luft sein könnten, gibt es nichts, was sie schützen könnte.

Gonano parkt ihren Roller vor einem einstöckigen Haus. Hier wohnt sie mit ihrer Familie. Im Inneren des Hauses brummt die Klimaanlage. Es ist angenehm dunkel und kühl – und es fühlt sich sicherer an als vor der Tür.

Früher arbeitete Gonano beim Argentinischen Institut für Agrartechnik (Inta). Mit den Nebenwirkungen von Pestiziden kennt sie sich also aus. Daher ist sie Ende Oktober auch eine der Ersten, die versteht, dass etwas nicht stimmt. Sie legt ihr Smartphone auf den Küchentisch und zeigt, was sich nach dem 22. Oktober in ihrem Dorf ereignete.

Araceli Gonano scrollt durch Chatverläufe, archivierte Bilder, Nachrichten. ,,Sie haben mal wieder gesprüht", schreibt eine Nachbarin. Gonano zeigt Fotos von gelblichen Malen auf Pflanzen. Es sind Bilder, die später in einem Bericht einer Gesundheitsorganisation zusammengefasst werden: Eine Palme auf dem Schulhof hat sich braun verfärbt, aber nur dort, wo sie nicht überdacht ist. Zitrusbaumblätter, die sich zusammenziehen, als müssten sie sich schützen. Anders als gezüchtete Nutzpflanzen vertragen viele andere Pflanzen die Pestizide nicht. An diesem Tag ging Gonano in ihren Vorgarten und sah auch dort die braunen Male auf den Blättern. ,,Alles war bespritzt", erinnert sie sich. Als ob eine unsichtbare Substanz Löcher in die Blätter gebrannt hätte.

Im örtlichen Radiosender verkündete Bürgermeister Gustavo Martínez, die Ernten der Klein­er­zeu­ge­r:in­nen seien vollständig beschädigt. An normalen Tagen rollen Lastwagen mit Gemüse oder Obst aus Presidencia Roca. Nach dem Vorfall war man vorsichtig, die Ware aus dem Dorf zu verkaufen.

Kurz nachdem die Pflanzen krank geworden sind, erkrankten auch die Menschen. Ihre Zwillinge hätten Fieber bekommen, durchgehend geweint, sich erbrochen, dann kamen die Pusteln, erinnert sich Gonano. Sie reicht ihr Handy über den Küchentisch. Auf dem Foto das Gesicht eines der Zwillinge, das mit winzigen roten Punkten überzogen ist. Auf einem anderen hat das Kind einen aufgeblähten Bauch wie ein Ballon. Ein paar Tage später sei sie selbst krank geworden, erzählt Gonano. Als sich die Be­woh­ne­r:in­nen in diesen Tagen von ihren Krankheitsverläufen erzählten, habe sich das immer gleich angehört: die Koliken, das Fieber, die Pusteln auf der Haut.

Im Krankenhaus aber hätten die Ärz­t:in­nen den Be­woh­ne­r:in­nen die üblichen Diagnosen gestellt. Es sei nur ein Magen-Darm-Virus, eine Allergie. Man möge die Hautcreme wechseln. In den darauffolgenden Tagen wurde die Schlange vor dem Krankenhaus immer länger, irgendwann war sie 50 Meter lang. An Tag 18 berichtete die Lokalpresse, 700 Be­woh­ne­r:in­nen seien in das örtliche Krankenhaus eingewiesen worden. Auf Anfrage der taz wollte sich das Krankenhaus nicht zu den Krankheitsfällen Ende Oktober äußern.

Für Gonano ist der Zusammenhang zwischen dem hoch fliegenden Sprühflugzeug am 22. Oktober, den verkümmerten Pflanzen und ihren kranken Kindern klar. ,,Das Gift kam mit dem Wind", sagt sie. Der sei an diesem Tag besonders stark gewesen und habe die Pestizide weit über Presidencia Roca verteilt. Dort, wo sie eigentlich nicht landen sollten. Ohne es zu bemerken, seien die Be­woh­ne­r:in­nen von dem unsichtbaren Giftnebel eingehüllt worden, glaubt sie. ,,Weil wir draußen waren, wurden wir alle kontaminiert."

Das Gift rieselte herab in den schlammigen Fluss, in die Wassertanks auf den Dächern, ins Wasserwerk, das zum Himmel offen ist, in die Brunnen. Womöglich steckte es im Wasser, mit dem Gonano morgens die Babynahrung anrührt, im Leitungswasser, mit dem sie ihr Gesicht wäscht, im Matetee, den sie trinkt. Das Gift benetzte das Dorf.

Was die Be­woh­ne­r:in­nen von Presidencia Roca nur ahnen, können Wis­sen­schaft­le­r:in­nen mittlerweile belegen: Das Umweltinstitut München geht davon aus, dass Pestizide sich nicht nur durch das Grundwasser oder den Wind verbreiten, sondern auch durch feine Luftpartikel. Rückstände können noch mehrere Kilometer vom Ort, wo sie versprüht wurden, gemessen werden.

Wer in Presidencia Roca die Frage nach der Verantwortung für all das stellt, stößt auf unterschiedliche Antworten:

Schuld ist der Wind.

Schuld sind die Landwirte.

Schuld sind die internationalen Agrarriesen.

Schuld ist der Kapitalismus.

Schuld sind die Konsument:innen.

Fragt man Araceli Gonano, ist die Antwort eindeutig: Marfra.

Marfra ist ein Unternehmen, das sich nach außen als regionales Familienunternehmen darstellt, aber in Wirklichkeit Teil des Agrarriesen Unitec Agro ist. Die Unternehmensgruppe gehört dem Geschäftsmann und fünftreichsten Argentinier Eduardo Eurnekian. Groß geworden als Textilhersteller, besitzt er neben quadratkilometerweise Baumwoll- und Sojaplantagen heute etwa 50 Flughäfen weltweit. Don Panos heißt der Standort in der Nähe von Presidencia Roca. Hier baut Marfra Baumwolle, Mais und Soja an – auf knapp 170 Quadratkilometern, in etwa der Fläche von Wuppertal.

An einem gewittrigen Tag Ende November 2021 sitzt Araceli Gonano versunken auf dem Beifahrersitz, während tiefhängende Stromleitungen und ein abgemähter Grünstreifen vorbeiziehen. Die Plantagen rechts und links vom Weg gehören zu Marfra. Gonano würde sich gerne anschauen, was aus der Baumwolle geworden ist, wegen der sie und die Dorf­be­woh­ne­r:in­nen krank geworden sind. Doch das Betreten des Geländes ist Unbefugten untersagt.

Von der Straße aus sieht man nicht mehr als ein Schild mit dem Namen der Firma, Zierpalmen, die im Wind wehen, ein Bürogebäude. ,,Es ist eine Welt für sich", sagt Gonano, die nur vom Hörensagen weiß, was alles dazugehört: Sogar ein eigenes Aquädukt und ein Elektrizitätswerk sollen sich auf dem Gelände befinden. Don Panos soll über die größte Industrieanlage des Landes verfügen, in der Baumwolle zu Fasern verarbeitet wird. Fragt man Gonano, wohin die Baumwollfasern gefahren oder verschifft werden, zuckt sie mit den Schultern. In ihrem Dorf würden sie sicher nicht gebraucht.

Die Baumwollfasern sind für den ausländischen Markt bestimmt. Ein Großteil der Baumwolle aus der Provinz Chaco, in der Presidencia Roca liegt, wird in den etwa 900 Kilometer entfernten Hafenort Rosario gefahren. Geschätzt kommen jeden Tag rund 4.000 Lkws dort an. Der Hauptanteil der Fasern wird von dem weltweit größten Reis- und Baumwollunternehmen Louis Dreyfus nach Vietnam, Pakistan und Singapur exportiert und dort zu Textilien verarbeitet. Die billigen T-Shirts, Hosen und Hemden landen dann auch auf dem deutschen Markt.

Für Argentinien – nicht erst seit der Coronapandemie in einer wirtschaftlichen Krise – ist Baumwolle ein vergleichbar wichtiges Exportgut wie für Deutschland Autos und Pharmaprodukte. Die Regierung hat gute Gründe, die Landwirtschaft zu fördern – und Gesetze, die sie einschränken könnte, zu vermeiden. Auch hier in der Provinz Chaco sind die Lokalpolitik und das Agrarunternehmen Marfra eng miteinander verflochten. Nach Angaben des lokalen Portals Infoqom hielt der Gouverneur von Chaco, Jorge Capitanich, auf dem Gelände von Marfra Wahlkampfveranstaltungen ab. Die Firma bezeichnete er als inspirierend für das gesamte argentinische Volk.

,,Don Panos ist makro", sagt Araceli Gonano. Die Kleinbäuer:innen, die die Region mit Nahrungsmitteln versorgen, seien winzig im Vergleich. Die Autofahrt führt nun vorbei an ihren Feldern. Sie sind kaum einen Hektar groß, voller Kürbisse, Wassermelonen, Bohnen. Daneben ein vertrockneter Grünstreifen – auch eine Konsequenz des Pestizidregens, sagt Gonano. Sie hält vor einem Hof. Er gehört einem früheren Arbeitskollegen aus dem Agrarinstitut. Weil er nicht offen sprechen will, soll er in dieser Geschichte Juan Gonzales heißen.

,,Hola", ruft Gonano in eine Halle. Gonzales begrüßt seine Bekannte in Arbeitskleidung. Er stemmt die Hände in die Hüften. Auch die Bilder auf seinem Smartphone zeigen, dass seine Pflanzen den Pestizidregen nicht unbeschadet überstanden haben: Sie zeigen Tabakpflanzen, die ihre Blätter hängen lassen und Male aufweisen.

Drei Tage nach dem Vorfall legten rund 30 Land­wir­t:in­nen eine Beschwerde bei den örtlichen Behörden ein. Ihre Felder liegen nur wenige Kilometer von Don Panos entfernt. Doch ihre Wut schien nicht lange anzuhalten. Gonzales betont, dass er sich nicht negativ gegenüber dem Unternehmen äußern möchte. ,,Sie können machen, was sie wollen", sagt er und zuckt resigniert mit den Schultern.

Seine Verschwiegenheit habe einen Grund, wirft ihm Gonano vor. Nachdem die Land­wir­t:in­nen Beschwerde eingereicht hatten, seien Ver­tre­te­r:in­nen von Marfra bei ihnen vorbeigekommen und hätten jedem umgerechnet rund 600 Euro pro Hektar als ,,Entschädigung" angeboten, erzählt sie – vermutlich, damit sie schweigen. Eine Woche später lassen sie ihre Beschwerde fallen und mindern so den Druck auf Marfra, den Vorfall aufzuklären. ,,Es ist vielleicht schmerzhaft", rechtfertigt Gonzales sich dafür, aber für sie, die Landwirt:innen, die nicht wissen, wie sie am nächsten Tag über die Runden kommen, sei jede noch so kleine finanzielle Zuwendung willkommen.

Auch über die Frage, wie gefährlich die Pestizide wirklich sind, sind sich die früheren Ar­beits­kol­le­g:in­nen uneinig. Gonzales glaubt, dass die Pestizide nach 5 bis 15 Tagen verschwunden seien. ,,Und wenn es regnet, und wenn sie in den Boden sickern?", fragt Gonano gegen das Auto gelehnt. Sie zieht an ihrer Zigarette und scrollt hektisch auf ihrem Smartphone, googelt das Herbizid, von dem sie gehört hat, dass es hier eingesetzt wurde. ,,Harness", liest sie vor.

Im Sicherheitsdatenblatt steht, es kann beim Kontakt mit dem Körper unter anderem allergische Reaktionen auslösen, Husten oder Erstickungsgefühle, Kopfschmerzen und Schwindel. Das Blatt listet auch Informationen darüber auf, wie das Pflanzenschutzmittel gelagert und genutzt werden darf. Wie das aber kontrolliert wird, ist weltweit unterschiedlich geregelt.

Anders als in Deutschland gibt es in Argentinien kein nationales Gesetz, das festlegt, wie Pestizide eingesetzt werden, erklärt der Agraringenieur Javier Souza bei einem Besuch in der Hauptstadt Buenos Aires. Er ist einer derjenigen, die seit Jahren ein einheitliches Gesetz fordern – bisher vergeblich. Bislang gebe es nur regionale Gesetze, die aber den Lo­kal­po­li­ti­ke­r:in­nen unterstünden. Gouverneuren, die sich auch für die wirtschaftliche Entwicklung ihrer Provinz starkmachen.

In der Provinz Chaco heißt das Regelwerk ,,Gesetz über Biozide der Provinz Chaco". Es listet Vorsichtsmaßnahmen, Abstandsregeln und Freiheitsstrafen von bis zu 25 Jahren bei schweren Pestizidunfällen auf. ,,Das Gremium, das das überwachen soll, gibt es aber nicht", sagt Souza. Es liege also im Ermessen der Betroffenen, selbst eine Beschwerde – etwa bei den lokalen Polizeistationen – einzureichen. Oft seien diese Beschwerden das einzige Mittel, das die Betroffenen hätten – und es sei selten effektiv.

Erst einen Monat nachdem das silberne Flugzeug über Presidencia Roca kreiste, wurden die lokalen Behörden doch aktiv und schalteten die Staatsanwaltschaft ein. Am 10. November werden gerichtlich alle weiteren Sprüheinsätze vom Boden und aus der Luft auf die Anbauflächen von Marfra in der Provinz Chaco gestoppt. Eine vorsorgliche Vorsichtsmaßnahme, die kurze Zeit später überraschenderweise wieder aufgehoben wird. Marfra wolle seine Ernte sichern, glaubt Gonano, dem Unternehmen gehe es nur um seinen Gewinn.

Sie ist noch immer sauer auf ihren früheren Arbeitskollegen, der sich scheinbar mit Geld hat bestechen lassen. Welches Geld der Welt würde eines ihrer Kinder wieder zum Leben erwecken, falls es durch die Folgen des Pestizid-Einsatzes stirbt?, fragt sich Gonano einen Tag später. Mit der einen Hand füttert sie ihre fünfjährige Tochter mit Omelett, mit der anderen schiebt sie den Doppelkinderwagen hin und her. Zum Glück schläft zumindest einer der Zwillinge.

,,Hier gibt es sehr viele Kinder mit Behinderungen und viele Menschen mit Magenkrebs, Gastritis, Geschwüren und anderen Krankheiten", sagt Gonano. Doch Untersuchungen dazu gebe es kaum. Gonano sorgt sich um ihre Kinder. Das Unternehmen Marfra sei auch der Grund, warum sie manchmal gern den Ort verlassen würde. Aber für sie, die schon hier kaum über die Runden kommt, wäre es unmöglich, ohne den Job im Schulgarten, ohne das Gemüse aus dem eigenen Garten, ohne die Freundin, die ab und zu nach den Kindern schaut, zu überleben, sagt sie.

Es ist Ende November. Im Gemeindehaus gibt es eine Versammlung, die aufklären soll, was am 22. Oktober passiert ist. Vor dem Gebäude parken schwarze Jeeps mit Nummernschildern aus Resistencia, der Hauptstadt der Provinz Chaco. Ver­tre­te­r:in­nen von Umweltorganisationen, Ministerien und Be­woh­ne­r:in­nen drängen durch die Tür in den Versammlungsraum. Stühle quietschen über den Boden, an der Decke surren zwei Ventilatoren. Ein Gemeindevertreter stellt die Red­ne­r:in­nen vor. Bei einem der Redner stockt er, dreht sich um und fragt nach dem Namen. ,,Ein Ingenieur", sagt er schließlich, ohne seinen Namen zu nennen. Auch für wen der Ingenieur arbeitet, sagt er nicht. Im Besprechungsraum wird getuschelt.

Zu den Red­ne­r:in­nen gehört auch Alejandra Gómez. Die Frau in schwarzem Kleid und Outdoor-Schuhen arbeitet als Anwältin für die Gesundheits-NGO Red de Salud Popular Dr. Ramón Carrillo, die erhob, wie viele Menschen nach dem Pestizidvorfall in das örtliche Krankenhaus eingeliefert wurden. Seit im Oktober auf Gómez' Smartphone die Bilder von Gonanos kranken Zwillingen eingegangen sind, ist sie immer wieder zu Besuch in Presidencia Roca und leistet die Arbeit, die die Lokalregierung nicht leisten kann oder will: Untersuchungen anstoßen, die laut Biozidgesetz eigentlich den Behörden zufallen.

In einem Bericht, in dem ihre NGO den örtlichen Regierenden mangelnde Transparenz vorwirft, heißt es etwa, dass, erst zwei Wochen nachdem die Be­woh­ne­r:in­nen Vergiftungserscheinungen meldeten, die Direktion für Umweltkontrolle zu Besuch gekommen sei. Das Gesundheitsamt habe sich dennoch nicht eingeschaltet.

Was viele in der Gemeindehalle nicht wissen: Einige der in Don Panos eingesetzten Pestizide stammen aus Europa, obwohl sie gleichzeitig in der EU verboten sind. Die meisten stehen auf der Liste der hochgefährlichen Pflanzenschutzmittel. Dokumente des Unternehmens belegen, dass ein Pestizid im Herbst 2021 besonders oft eingesetzt wurde: Harness. Ein Produkt, das der Anwältin Gómez noch nie untergekommen sei, sagt sie, obwohl sie schon einige Klagen aufgrund von Pestizidunfällen angestoßen hat.

Monsanto, das Unternehmen, das vor vier Jahren von der Bayer AG übernommen wurde, brachte das Produkt 1994 auf den Markt. Es beinhaltet Acetochlor, einen Wirkstoff, den das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung auf der Liste der krebserzeugenden, keimzellmutagenen und reproduktionstoxischen Stoffe führt. In Deutschland ist kein Pflanzenschutzmittel mehr zugelassen, das diesen Wirkstoff beinhaltet. Eine Studie von 2019 zeigt, dass Acetochlor bei Hautkontakt Genitalschwellungen verursachen kann. Viele der Vergiftungserscheinungen, die bei der Produktbeschreibung von Harness aufgelistet sind, passen zu den Symptomen, die die Be­woh­ne­r:in­nen von Presidencia Roca nach dem 22. Oktober 2021 beschrieben.

Auf Anfrage der taz am 11. Juli bestreitet ein Sprecher von Bayer CropScience zunächst, dass das Unternehmen Pflanzenschutzmittel an Marfra verkaufe. Einen Tag später äußert die Bayer AG: ,,Wir gehen derzeit Hinweisen auf den Vorfall vom Oktober vergangenen Jahres nach". Bisher scheint es noch nicht aufgefallen zu sein, dass Marfra zum wiederholten Male ein missbräuchlicher Einsatz von Pflanzenschutzmitteln vorgeworfen wurde.

Und auch viele Kilometer weiter bemängelt die Anwältin Gómez einen mangelnden Aufklärungswillen. Dass die Re­gie­rungs­ver­tre­te­r:in­nen erst Wochen nach den Vergiftungserscheinungen aktiv wurden und sogar das örtliche Krankenhaus zu den vielen eingelieferten Be­woh­ne­r:in­nen schweige und nichts von einem Zusammenhang mit dem Pestizideinsatz wissen will, so etwas sei ihr schon öfter begegnet, sagt Gómez. ,,Denn wenn die staatlichen Stellen diesen Zusammenhang erkennen würden, müssten sie auch anerkennen, dass wir vor einer Gesundheits- und Umweltkatastrophe stehen."

Der am Anfang ohne Namen vorgestellte Ingenieur, kurze graue Haare, Polohemd, sitzt am Rand der Versammlung und schreibt mit. Dann ist er an der Reihe, das Wort zu ergreifen. Er erhebt sich und klammert sich beim Reden an dem Stuhl vor sich fest.

,,Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich arbeite für die Firma, die den Pestizideinsatz durchgeführt hat", sagt er. Doch er werde hier nicht als Vertreter von Marfra sprechen, sondern als Pablo Ariel Markonich. Auch er sei ein Campesino, beteuert er, in der Region aufgewachsen. Er sei es gewesen, der den Pestizideinsatz am 22. Oktober angeleitet hat, sagt er. Nun habe er Angst, aus der Dorfgemeinschaft ausgestoßen zu werden.

In seinen 23 Jahren als Ingenieur sei ihm so etwas noch nicht passiert, betont Markonich. Doch nun habe er einen Fehler gemacht. ,,Und deshalb bin ich hier, zeige mein Gesicht und gebe es zu", sagt er, während er immer wieder von seinem Notizblock zum Boden und wieder zurück schaut.

Er sei bei Marfra die Person, die für die Zusammensetzung der Pestizide verantwortlich sei und dafür Sorge trage, dass aus den ausgesäten Samen auch etwas werde, erzählt er bei einem Interview nach der Dorfversammlung. Unter normalen Wetterbedingungen habe er ein Zeitfenster von bis zu 72 Stunden von der Aussaat bis zur Geburt der Setzlinge. Am Tag des 22. Oktober, als ein ungewöhnlich starker Wind durch das Dorf blies, habe er nur noch wenige Stunden gehabt, um zu entscheiden, ob er den Sprühflug anordne – und die keimenden Pflänzchen etwas werden. ,,Wenn wir die Produkte nicht in diesem Zeitfenster anwenden, können wir sie auch später nicht mehr anwenden", erklärt Markonich.

Er faltet die Hände, damit man nicht sieht, wie stark sie zittern, als er erzählt, was aus seiner Sicht zu dem Unfall geführt hat: Es habe gerade aufgehört zu regnen, als er das Sprühflugzeug starten ließ, sagt er. Da sei eine ,,kleine Brise" herübergeweht, ein Wind aus dem Süden. Völlig unvorhersehbar, so behauptet Markonich es einen Monat nach dem Vorfall. Er habe sich entscheiden müssen: Schickt er das Flugzeug in die Luft und sichert die Aussaat, oder lässt er es am Boden und geht das Risiko eines wirtschaftlichen Schadens ein?

Er entscheidet sich für den Sprüheinsatz, gibt dem Piloten grünes Licht. Was dann passiert, beschreibt er als höhere Gewalt: Ein plötzlicher Wetterwechsel hätte zu einem Wolkenbruch geführt. Da sei es aber schon zu spät gewesen, versucht sich Markonich herauszureden. Der Wind habe einfach nicht aufgehört und mit dem Regen die Pflanzenschutzmittel in das Dorf transportiert.

Dokumente und Bildmaterial, die die NGO nach dem Vorfall sammelt und die der taz vorliegen, sowie Gespräche mit Betroffenen und dem verantwortlichen Agraringenieur erhärten jedoch den Vorwurf, dass es keine höhere Gewalt und auch kein Unfall war – sondern dass das Unternehmen an diesem Tag wissentlich das Risiko in Kauf genommen hat, mit dem Sprüheinsatz die Gesundheit der An­woh­ne­r:in­nen zu gefährden. Sie legen nahe, dass Markonich an jenem Tag nicht nur die Wetterlage ignoriert hat, sondern zudem Angaben auf einem wichtigen Dokument überging und damit mutmaßlich gegen Vorsichtsmaßnahmen des Biozidgesetzes der Provinz Chaco verstieß.

Dieses wichtige Dokument nennt sich ,,agronomisches Rezept" und ist das entscheidende Beweisstück. Es enthält Informationen zum jeweiligen Sprüheinsatz – Hinweise zur Anwendung und Dosierung der Pflanzenschutzmittel, Angaben zum Hersteller, Daten über die aktuelle Wetterlage.

In dem agronomischen Rezept vom 22. Oktober, das der taz vorliegt, steht: Drei Pestizide sollten auf Don Panos, in sieben Kilometer Entfernung vom Ortskern von Presidencia Roca, abgelassen werden: Prometrex FW, Fury 20 EW und Harness. Zur Anwendung der Pestizide, die klingen wie Computerspielfiguren, heißt es in den Sicherheitsdatenblättern und im agronomischen Rezept: ,,Bei Windgeschwindigkeiten über 10 Stundenkilometer ist die Behandlung abzubrechen." Und: ,,Nicht an windigen Tagen sprühen."

An jenem Tag im Oktober 2021 aber misst die Wetterstation in Presidencia Roca eine Windstärke von 14 Meter pro Sekunde. Auch diese Angaben stehen im agronomischen Rezept, das Markonich unterschrieben hat, was beweist, dass er gewusst hat, dass der Wind eigentlich zu stark war – und dass er die Vergiftung der Dorfbevölkerung vermutlich in Kauf genommen hat.

Mit der Frage konfrontiert, warum er den Sprühvorgang trotzdem angeordnet hat, gesteht Markonich ein: ,,Es stimmt, es gab einen vorherigen Wind mit böigen Bedingungen." Er habe aber alle anderen Vorsichtsmaßnahmen eingehalten. Der Unfall sei aufgrund der komplexen Wetterbedingungen passiert.

Sein Team und das ganze Unternehmen hätten den Vorfall innerhalb von 48 Stunden gemeldet, sagt Markonich im Gemeindehaus von Presidencia Roca. Die Geschäftsleitung habe außerdem – noch bevor die Bevölkerung erkrankt ist – eine Entschädigung für die Klein­er­zeu­ge­r:in­nen angekündigt und die Sprühvorgänge auf Don Panos vorerst gestoppt. Für das Unternehmen könne das einen Verlust von 5 Millionen Dollar bedeuten, behauptet Markonich. Aber auch wenn dieser Sprüheinsatz ein Fehler gewesen sei, es seien Unfälle, die man in Kauf nehmen müsse, sagt er. Denn er glaubt nicht, dass die Landwirtschaft, auch global gesehen, ohne Pestizide auskäme. ,,Die Nachfrage könnte nicht befriedigt werden." Zumindest nicht zu diesen Preisen.

Über die Frage, ob eine weltweite Bevölkerung ohne Einsatz von Pestiziden versorgt werden kann, sind sich auch Wissenschaftler:innen, Po­li­ti­ke­r:in­nen und NGOs nicht einig. Der Naturschutzbund Deutschland argumentiert, gerade der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel schütze die Ökosysteme, die wiederum die Nahrungsmittelsicherheit garantierten. In einem Artikel des Fachmagazins Nature Communication von 2017 heißt es, die Weltbevölkerung könne ernährt werden, wenn sich das Konsumverhalten global verändere, etwa wenn mehr Menschen auf Fleisch verzichten und mehr Anbauflächen für die Nahrungsmittelerzeugung als für Futtermittel genutzt würden.

Bayer hingegen behauptet auf seiner Webseite, dass die Erträge ohne den Einsatz von chemischen Pflanzenschutzmitteln zu gering seien, damit für alle Menschen auf der Welt genügend Nahrung da sei.

Für die Menschen im Gemeindesaal von Presidencia Roca bleibt das eine abstrakte Debatte. Sie wollen Aufklärung und dass ein Pestizidunfall wie dieser nicht noch einmal passiert. Ein Gemeindevertreter abseits der Versammlung berichtet, die Gesandten der verantwortlichen Umweltbehörde hätten zwar Proben aus verschiedenen Wasserquellen und von Pflanzen im Dorf entnommen. Aber 40 Tage später liegt der Gemeinde noch immer kein offizielles Ergebnis vor. Für eigene Spezialisten und Gutachten fehlen ihnen die Mittel. ,,Ich fühle mich handlungsunfähig", sagt der Lokalpolitiker.

Zusammen mit Anwältin Alejandra Gómez reichen die Be­woh­ne­r:in­nen Klage ein. Die Forderung: Marfra muss alle Pestizideinsätze stoppen. In erster und zweiter Instanz wird der Fall abgewiesen. Vier Monate später, im Frühjahr 2022, landet er vor dem Obersten Gerichtshof der Provinz Chaco. Gómez sagt, die Ermittlungen verzögerten sich erheblich: ,,Wir gehen davon aus, dass die großen Unternehmen, die den politischen und gerichtlichen Amtsträgern nahestehen, nicht an der Wahrheitsfindung interessiert sind."

Marfra hat zwar eingeräumt, einen Fehler gemacht zu haben, aber wenige Wochen nach dem Unfall darf das Unternehmen weiter sprühen, pünktlich zu den vom Unternehmen beantragten Terminen, damit die Ernte nicht von Schädlingen zerstört wird, so sieht es Gómez. Und das, obwohl einige Be­woh­ne­r:in­nen noch immer an den chronischen Folgen der Vergiftung im Oktober leiden, etwa an Magenschmerzen.

Gómez' NGO nimmt die medizinische Untersuchung selbst in die Hand und lässt zehn Personen Blut abnehmen. Auch bei Gonano. Währenddessen kämpfen die Klein­er­zeu­ge­r:in­nen rund um Presidencia Roca um ihre Existenz, auch Gonanos früherer Arbeitskollege Gonzales. Das Gift habe manche ihrer Pflanzen, etwa die Kürbisernte, vollkommen zerstört, sagt Gonano.

Fragt man Gonano, was Marfra ihrer Meinung nach tun sollte, sagt sie: ,,Sie müssten eine Risikoanalyse durchführen." Tatsächlich arbeitet die Europäische Union 11.000 Kilometer weiter an einer Lösung. Eine Risikoanalyse wäre Teil eines Richtlinienvorschlags, den die EU-Kommission am 23. Februar angenommen hat. Darin steht: Unternehmen können rechtlich dazu aufgefordert werden, die Bedingungen zu überprüfen, unter denen Rohstoffe am Beginn der Lieferkette angebaut werden – und müssen gewährleisten, dass dadurch keine Menschenrechtsverletzungen oder Umweltkatastrophen passieren. In Deutschland müssen Unternehmen ab einer bestimmten Größe ab 2023 jährlich eine Risikoanalyse vorlegen, die diese Gefahren ermittelt.

Betroffene wie Araceli Gonano könnten ihre Beschwerde an ein EU-Organ richten. Wenn die Be­woh­ne­r:in­nen von Presidencia Roca wüssten, welches europäische Unternehmen die Baumwolle oder das Textilprodukt aus Argentinien bestellt, könnten sie sich mit ihrer Beschwerde an die zuständigen EU-Behörden wenden. Würde die Beschwerde ein Unternehmen etwa in Deutschland erreichen und könnten Betroffene nachweisen, dass dieses Unternehmen Rohstoffe von Marfra für die Weiterverarbeitung bezieht, müsste das Unternehmen den Vorwürfen nachgehen, auch bei ihnen vor Ort, in Presidencia Roca.

Während die Anwältin Gómez große Hoffnung in europäische Lieferkettengesetze setzt, hegt Araceli Gonano Zweifel: ,,Wir sind die Kleinen und kämpfen gegen die Großen", sagt sie im Mai 2022. Gegen wen genau, weiß sie nicht.

Ann Esswein (Text) und Felie Zernack (Fotos und Recherche) haben fast ein Jahr zu globalen Lieferketten recherchiert. Im Herbst 2021 waren sie zwei Monate im Norden von Argentinien unterwegs.

Die Recherche wurde gefördert und unterstützt von Netzwerk Recherche e. V., Olin gGmbH und VG Wort.



Aus: "Pestizide und ihre Auswirkungen: Das Gift kommt von oben" Ann Esswein (17.7.2022)
Quelle: https://taz.de/Pestizide-und-ihre-Auswirkungen/!5865066/ (https://taz.de/Pestizide-und-ihre-Auswirkungen/!5865066/)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on July 18, 2022, 12:42:23 AM
Quote[...] Der Meeresgrund der Tiefsee ist noch stärker mit Mikroplastik belastet als bislang angenommen. Zu diesem Schluss kommen Wissenschaftler der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, der Frankfurter Goethe-Universität und des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven. Sie hatten 2016 Sedimentproben im westpazifischen Kurilen-Kamtschatka-Graben genommen. In diesen seien pro Kilogramm Sediment zwischen 215 und 1596 der winzigen Plastik-Teilchen und damit mehr als zuvor nachgewiesen worden, teilte die Senckenberg Gesellschaft mit. Die große biologische Vielfalt am tiefsten Meeresgrund sei durch die Verschmutzung stark gefährdet.

Ein großer Teil des Plastikmülls in den Meeren wird von Land eingetragen, über die Flüsse oder unser Abwasser zum Beispiel. Größere Plastikteile werden im Laufe von Jahrzehnten zu immer kleineren Teilen zerrieben. Der Müll sammelt sich teils in riesigen Müllteppichen an der Oberfläche der Meere, der Großteil jedoch sinkt ab – bis hinunter in maritime Gräben in Tausenden Metern Tiefe.

"Wir haben insgesamt 13 Proben an sieben verschieden Stationen des Grabens genommen, in Tiefen zwischen 5740 und 9450 Metern. Keine einzige davon war frei von Mikoplastik", sagte Serena Abel, Meeresbiologin vom Senckenberg Forschungsinstitut und Naturmuseum in Frankfurt. Eine so große Menge Mikroplastik-Teilchen hätte niemand zuvor erwartet.

"Jedes Jahr gelangen schätzungsweise 2,4 bis 4 Millionen Tonnen Plastik über die Flüsse ins Meer, als Folge des extremen weltweiten Plastikkonsums und der schlecht organisierten Müllentsorgung", sagte Forscherin Angelika Brandt. Die Tiefsee werde zum "Endlager des Mülls". Insgesamt seien 14 verschiedene Plastikarten entdeckt worden. Die Forscher hatten ihre Ergebnisse im Fachmagazin "Science of the Total Environment" vorgestellt.

"Bislang galt der tiefste Meeresgrund als eine vergleichsweise unbeeinflusste und stabile Umgebung, in der sich das Mikroplastik ablagert und an einem Ort verbleibt", sagte Abel. Die Forscher seien erstaunt gewesen, dass Proben, die wenige Meter voneinander entfernt genommen wurden, ganz unterschiedlich aufgebaut gewesen seien. "Das zeigt, was für eine dynamische Umgebung die tiefsten Bereiche der Tiefsee tatsächlich sind." Wirbel, Strömungen und Organismen würden das Sediment in Bewegung halten.

Die Müllflut wird sich in Zukunft wohl noch verstärken. Nach früheren Angaben des AWI wird sich die weltweite Plastikproduktion bis 2045 voraussichtlich verdoppeln.

(bme)


Aus: "Studie: Grund der Tiefsee stärker mit Plastik belastet als angenommen " (17.07.2022)
Quelle: https://www.heise.de/news/Studie-Grund-der-Tiefsee-staerker-mit-Plastik-belastet-als-angenommen-7181824.html (https://www.heise.de/news/Studie-Grund-der-Tiefsee-staerker-mit-Plastik-belastet-als-angenommen-7181824.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 08, 2022, 08:18:10 PM
Quote[...] Es ist wie so oft: Menschen erschaffen etwas, das am Ende der Natur schadet. So etwa PFAS, eine wasser- und fettabweisende Chemikalie. Forscher der Stockholm University und der ETH Zürich haben nun herausgefunden, dass der extrem langlebige Stoff so hoch konzentriert in der Atmosphäre vorkommt, dass er in Regenwasser oder Schnee zu finden ist – weltweit, selbst an abgelegenen Orten wie der Antarktis.

Unter PFAS versteht man Industriechemikalien, die nach Angabe des Umweltbundesamts
(UBA) etwa 4700 Substanzen umfassen. Wurde der Stoff einmal vom menschlichen Organismus aufgenommen, ist er dort noch lange zu finden. In einer großen europäischen Studie  wurden bei fast einem Viertel der 6- bis 19-Jährigen eine so große Menge PFAS im Blut gefunden, dass laut UBA »gesundheitliche Wirkungen nicht mehr mit ausreichender Sicherheit ausgeschlossen werden können«. Im Tierversuch besitzt der Stoff »lebertoxische, krebserregende und fortpflanzungsgefährdende Eigenschaften«, wie das UBA schreibt. Wegen ihrer Eigenschaften kommen PFAS etwa in Outdoor-Kleidung, beschichteten Pfannen oder Verpackungen zum Einsatz.

Im Grundwasser konnte das Vorkommen von PFAS bereits vor einigen Jahren nachgewiesen werden. Trotz des Verbots mehrerer Hundert Verbindungen werde die Belastung aufgrund der Langlebigkeit noch viele Jahre bestehen, heißt es beim UBA. Gleichzeitig seien viele der derzeit legal eingesetzten PFAS hinsichtlich ihrer möglichen Gefahren für Umwelt und Gesundheit noch nicht ausreichend charakterisiert.

Die Richtwerte für PFAS in Trinkwasser, Oberflächengewässern und Böden wurden aufgrund des besseren Verständnisses ihrer Toxizität und der Gefahren, die sie für die Gesundheit und die Natur darstellen, korrigiert. »In den letzten 20 Jahren ist ein erstaunlicher Rückgang der Richtwerte für PFAS im Trinkwasser zu verzeichnen«, wird der Hauptautor der Studie Ian Cousins in einer Mitteilung der Stockholm University  zitiert. »So ist beispielsweise der Trinkwasserrichtwert für eine bekannte Substanz aus der Klasse der PFAS, nämlich die krebserregende Perfluoroctansäure (PFOA), in den USA um das 37,5-Millionenfache gesunken«. Basierend auf den neuesten US-Richtlinien für PFOA im Trinkwasser würde Regenwasser überall als nicht trinkbar eingestuft werden.

Um die Verbreitung dieser Chemikalien zu untersuchen, hat das Team der Universität Stockholm in den letzten zehn Jahren Labor- und Feldstudien über das Vorkommen und den Transport von PFAS in der Atmosphäre durchgeführt. Die Wissenschaftler haben herausgefunden, dass die Konzentration einiger schädlicher PFAS in der Atmosphäre nicht merklich zurückgehe – obwohl große Hersteller teils seit Jahrzehnten auf die Substanz verzichteten.

»Die extreme Persistenz und der kontinuierliche globale Kreislauf bestimmter PFAS wird dazu führen, dass die oben genannten Richtlinien weiterhin überschritten werden«, sagte Professor Martin Scheringer, ein Mitautor der Studie.

Kritik kommt etwa von Jane Muncke, Geschäftsführerin der Stiftung Food Packaging Forum in Zürich. »Es kann nicht sein, dass einige wenige wirtschaftlich profitieren, während sie das Trinkwasser von Millionen anderer Menschen verschmutzen und schwere gesundheitliche Probleme verursachen«, wird Muncke in der Mitteilung zitiert. Die enormen Summen, die es kosten werde, PFAS im Trinkwasser auf ein Niveau zu reduzieren, das nach heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand unbedenklich sei, müssten von der Industrie bezahlt werden, die diese giftigen Chemikalien herstellt und verwendet.

ani



Aus: "Verwendung von Industriechemikalien PFAS-Schadstoffe verunreinigen Regenwasser" (03.08.2022)
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/pfas-schadstoffe-verunreinigen-regenwasser-a-602f0eab-71d6-4347-b247-b43367d7af7d (https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/pfas-schadstoffe-verunreinigen-regenwasser-a-602f0eab-71d6-4347-b247-b43367d7af7d)

-

Quote[...]

Verpackungen von Fast-Food-Gerichten sind häufig mit Fluorchemikalien belastet. Zu diesem Ergebnis kamen der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und weitere Verbraucherschutzorganisationen in einer Testreihe. Von 42 analysierten Proben seien 32 eindeutig mit per- und polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) behandelt gewesen. Untersucht wurden Einwegverpackungen von Ketten wie McDonalds, KFC, Nordsee, Subway oder Dunkin' Donuts.

PFAS sind fett- und wasserabweisend und werden deshalb für Beschichtungen verwendet, etwa auf Einweggeschirr aus Papier und Pappe. Laut BUND werden einige der identifizierten Stoffe mit erhöhtem Krebsrisiko, Leber- und Fortpflanzungsschäden sowie Störungen des Hormonsystems in Verbindung gebracht.

"Die Ergebnisse sind höchst bedenklich", sagte der BUND-Vorsitzende Olaf Bandt. "Fluorchemikalien sind umweltschädlich, potentiell gesundheitsgefährdend und haben nichts in Lebensmittelverpackungen zu suchen". Der BUND fordert ein Verbot der Chemikalien in Lebensmittelverpackungen, unbehandelte Alternativen seien längst marktreif. Dänemark habe mit einem nationalen Verbot von Fluorchemikalien »gezeigt, dass es auch ohne geht«, so Brandt. »Als größter Chemiestandort Europas sollte Deutschland hier nachziehen und damit ein Zeichen für eine schnelle EU-weite Regelung setzen.«

dab


Aus: "Tests auf PFAS Fast-Food-Verpackungen enthalten oft Chemikalien" (27.05.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/fluorchemikalien-bund-warnt-vor-fast-food-verpackungen-a-b0416150-beb6-4ea7-8541-7868bb855563 (https://www.spiegel.de/wirtschaft/service/fluorchemikalien-bund-warnt-vor-fast-food-verpackungen-a-b0416150-beb6-4ea7-8541-7868bb855563)

-

Quote[...] Andere wiederum sagen, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen diesen Chemikalien und einer schlechten Gesundheit nachgewiesen werden könne. Trotz Uneinigkeit in der Wisschenschaftswelt und als Ergebnis dieser neuen Forschung fordern einige Forscher strengere Beschränkungen für PFAS.

"Es kann nicht sein, dass einige wenige wirtschaftlich profitieren, während sie das Trinkwasser von Millionen anderen verschmutzen und ernsthafte Gesundheitsprobleme verursachen", sagt Dr. Jane Muncke, Geschäftsführerin der Food Packing Foundation in Zürich, die nicht an der Studie beteiligt war.

"Die enormen Summen, die es kosten wird, die PFAS im Trinkwasser auf ein Niveau zu senken, das nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand unbedenklich ist, müssen von der Industrie bezahlt werden, die diese giftigen Chemikalien herstellt und verwendet. Die Zeit zum Handeln, sagt sie, ist jetzt.


Aus: "Studie: Regenwasser wegen "ewiger Chemikalien" weltweit nicht trinkbar" Rosie Frost (08/08/2022)
Quelle: https://de.euronews.com/green/2022/08/08/studie-regenwasser-wegen-ewiger-chemikalien-weltweit-nicht-trinkbar (https://de.euronews.com/green/2022/08/08/studie-regenwasser-wegen-ewiger-chemikalien-weltweit-nicht-trinkbar)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 08, 2022, 08:28:40 PM
Quote[...] Es war ein gefaltetes Blatt Papier, das im Juni 2017 das Leben von Michela Zamboni veränderte. Schwarz auf weiß stand dort, was die Italienerin zuvor nur befürchtet hatte: Auch ihre Tochter hat stark erhöhte Spuren von PFAS im Blut. Das Kürzel steht für per- und polyfluorierte Alkylverbindungen; es geht um Stoffe, die beispielsweise Wasser und Öl abweisen und deshalb in verschiedensten Produkten wie Outdoorjacken oder Teflonpfannen zu finden sind. Und sehr wahrscheinlich weitreichende Folgen für den Menschen haben können.

Die Fluorverbindungen stehen im Verdacht , ins Immunsystem einzugreifen, der Leber zu schaden und Ungeborene zu beeinträchtigen. Die Europäische Umweltagentur vermutet, dass sie im Mutterleib die Entwicklung ungeborener Kinder hemmen und später die Pubertät verzögern. Bei Jungen verringern sie womöglich ein Leben lang die Spermienqualität. Vor allem aber sind es Stoffe, die womöglich nie wieder ganz aus unserer Umgebung – und unseren Körpern – verschwinden. PFAS gehören zu den langlebigsten Verbindungen, die bekannt sind. Die bekanntesten Formen PFOS und PFOA sind vielerorts mittlerweile verboten, Behörden haben in den vergangenen Jahren die Grenzwerte für andere Varianten weiter gesenkt und prüfen die gesundheitlichen Risiken.

Es ist eine unsichtbare Gefahr, eine, die man nicht sehen, nicht hören und auch nicht schmecken kann. Bei Michela Zamboni kam sie vermutlich aus dem Wasserhahn. Nur wenige Kilometer entfernt stand jahrzehntelang eine Fabrik des Chemiekonzerns Miteni, der sich auf die Herstellung entsprechender Produkte spezialisiert hatte. Die dabei entstandenen Abwässer durfte das Unternehmen in mehrere Flüsse einleiten. Inzwischen ist das Unternehmen bankrott, doch die Spuren der PFAS lassen sich bis heute im Wasser finden.

Die Region Venetien, in der Zamboni lebt, ist eine der dicht besiedeltsten Italiens, der Norden ist das industrielle Herz des Landes. Dass Chemieunternehmen wie Miteni hier produzierten, war jahrzehntelang Grundlage wachsendes Wohlstands. Ähnlich wie bei Asbest dauerte es Jahrzehnte, ehe auch die Schattenseiten mancher Chemikalien erkannt wurden. Mindestens 350.000 Menschen, so schätzt die Weltgesundheitsorganisation WHO, waren oder sind in der Gegend den erhöhten PFAS-Werten ausgesetzt.

Die Stoffe sammeln sich im Grundwasser, werden von dort abgepumpt oder mit jedem stärkeren Regen wieder an die Oberfläche gespült, auf Felder und in Seen. Über das Trinkwasser gelangten sie über Jahre in Haushalte, durch Schwangerschaft und Stillen von Müttern auch an Ungeborene und Säuglinge. Diese scheinen besonders gefährdet, weil die Stoffe ihre Entwicklung beeinträchtigen könnten.

Standardmäßig gemessen werden die Werte jedoch nicht, es gibt zahllose Varianten von industriell genutzten Fluorverbindungen, nicht für alle existieren bislang eindeutige Grenzwerte.

Als die Gefahr in Venetien 2013 durch ein Forschungsprojekt der EU entdeckt wurde, war es ein Thema, das zunächst wenige Menschen interessierte. Örtliche Bürgermeister wehrten sich gegen den Eindruck, ihre Gegend sei womöglich einer besonderen Gefahr ausgesetzt. Einige tranken gar demonstrativ ein Glas Wasser. Doch die PFAS-Werte, die Wissenschaftler entdeckten, gehörten laut WHO zu den höchsten, die bis dahin in Trinkwasser gemessen wurden.

Im Winter 2016 begann deshalb in 21 Orten der Region eine bis dahin kaum vorstellbare Überprüfung: 85.000 Personen über 14 Jahren wurden dafür untersucht. Bei vielen waren die im Blut nachgewiesenen Werte deutlich erhöht. Plötzlich kam das Thema ganz konkret im Leben vieler Menschen an.

So wie Michela Zamboni erfuhren nun Tausende Eltern, dass sie und ihre Kinder möglicherweise einem unsichtbaren Risiko ausgesetzt waren. »Für viele war das ein Schockmoment«, sagt die Fotografin Chiara Negrello, die das Thema seitdem begleitet. »Manche der Familien waren bewusst aufs Land gezogen, um ihren Kindern ein Leben in der Natur zu ermöglichen. Doch auf einmal war diese Umgebung eine Gefahr. Gemüse, Trinkwasser – alles schien das Gift weitergeben zu können. Das hat viele geprägt, ihr Grundvertrauen wurde erschüttert.«

Viele Mütter hätten anfangs auch Schuldgefühle geplagt, erzählt die Fotografin. Waren sie es, die die gesundheitsgefährdenden Fluorverbindungen mit der Muttermilch an ihre Kinder weitergegeben hatten? Aus dieser Angst erwuchs Wut. Und aus den einzelnen Familien ein Netzwerk, das die Aufklärung des Skandals bis heute vorantreibt.

In der Chemiefabrik und in den örtlichen Kläranlagen wurden nach der Aufdeckung des Falls im Jahr 2013 Aktivkohlefilter installiert. Die gemessenen Werte im Leitungswasser sanken daraufhin unter die Grenzwerte. Für viele Betroffene könnte es dennoch zu spät sein, die Produktion lief davor schließlich mehrere Jahrzehnte.

Die Region ist heute in drei Zonen unterteilt, in denen die gemessene Konzentration von PFAS unterschiedlich hoch war. Die »Zona rossa«, die rote Zone, besteht aus den 13 am stärksten betroffenen Gemeinden. Hier leben besonders viele Mütter, die sich heute um Aufklärung bemühen. Die »Mamme NoPFAS« haben in den vergangenen Jahren Demonstrationen organisiert, Konferenzen besucht und nicht zuletzt Klage eingereicht.

Mit Erfolg: Seit Anfang des Jahres stehen 15 Manager der ehemaligen Chemiefabrik in Vicenza vor Gericht. Den Verantwortlichen drohen Millionenstrafen und langjährige Haft, es ist eines der größten Umweltverfahren in der italienischen Geschichte. Viele der Frauen stehen heute ebenfalls vor Gericht – als Nebenklägerinnen.


Aus: "Umweltverschmutzung in Italien: Der Kampf der Mütter aus der roten Zone" Jan Petter  (28.03.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/ausland/italien-der-kampf-der-muetter-aus-der-roten-zone-von-venetien-gegen-umweltverschmutzung-a-f35e997b-b6d7-4aef-bac2-9db7bcdf7214 (https://www.spiegel.de/ausland/italien-der-kampf-der-muetter-aus-der-roten-zone-von-venetien-gegen-umweltverschmutzung-a-f35e997b-b6d7-4aef-bac2-9db7bcdf7214)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 08, 2022, 08:34:55 PM
Quote[...] Shell, Esso, eine Exxon-Tochter: Laut internen Dokumenten, die dem »Guardian « vorliegen [https://www.theguardian.com/environment/2021/mar/18/oil-industry-fossil-fuels-air-pollution-documents (https://www.theguardian.com/environment/2021/mar/18/oil-industry-fossil-fuels-air-pollution-documents)], wussten die Ölfirmen seit mindestens 50 Jahren um die ernsthafte Gesundheitsgefahr, die von der Verbrennung fossiler Rohstoffe ausgeht. Trotzdem betrieben sie jahrzehntelang aggressives Lobbying gegen strengere Vorschriften zur Luftreinhaltung.

Die internen Berichte belegen der Zeitung zufolge, dass sich die Industrie bewusst war, für einen Großteil der Luftverschmutzung verantwortlich zu sein, und dass Schadstoffe sich tief in der Lunge festsetzten; sie bezeichnete diese als »echte Bösewichte« für die Gesundheit. Auch ein möglicher Zusammenhang mit Geburtsfehlern unter den eigenen Arbeitern wurde gesehen.

Trotzdem säten die Öl- und Gaskonzerne jahrzehntelang Zweifel an der wachsenden Zahl von wissenschaftlichen Beweisen zu dem Thema. Die Firmen veröffentlichten eine Flut von Material, um Unsicherheit über die Luftverschmutzungsschäden zu erhöhen und die US-Gesetzgeber davon abzuhalten, weitere Grenzwerte für Schadstoffe festzulegen.

»Die Reaktion der Interessenvertreter der fossilen Brennstoffe war immer die gleiche – erst wissen sie es, dann intrigieren sie, dann leugnen sie und dann verzögern sie«, sagte Geoffrey Supran von der Universität Harvard, der die Geschichte der fossilen Brennstoffe und des Klimawandels untersucht hat. »Sie greifen auf Verzögerung, subtile Formen der Propaganda und die Untergrabung von Vorschriften zurück.«

So räumte Imperial Oil, eine Exxon-Tochtergesellschaft, bereits 1967 ein, dass die Erdölindustrie ein »Hauptverursacher für viele der wichtigsten Formen der Umweltverschmutzung« ist. In einem internen technischen Bericht von 1968 ging Shell noch weiter und warnte, dass Luftverschmutzung »in extremen Situationen gesundheitsschädlich sein kann«. Die Ölindustrie müsse »widerwillig« akzeptieren, dass Autos »bei Weitem die größten Quellen der Luftverschmutzung sind«. Der Bericht stellt fest, dass Schwefeldioxid, das bei der Verbrennung von Öl freigesetzt wird, »Atembeschwerden« verursachen könne, während Stickstoffdioxid zu Lungenschäden führen könne.

Esso, ein Vorgänger von Exxon, hat dem Bericht zufolge in New York City bereits 1971 Partikelproben genommen und zum ersten Mal festgestellt, dass die Luft voller winziger Fragmente von Aluminium, Magnesium und anderen Metallen ist, die tief in die Lunge eindringen.

Trotzdem wehrte sich die Ölindustrie gegen strengere Gesetze: So sagte ein vom American Petroleum Institute (API) beauftragter Wissenschaftler bei einer Kongressanhörung im Jahr 1997, dass der Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Sterblichkeit »schwach« sei.

Noch unter der Amtszeit von Donald Trump war diese Methode erfolgreich, als leitende Angestellte von Exxon, Chevron, Occidental Petroleum und API den damaligen US-Präsidenten im Weißen Haus trafen. Eine Reihe von Vorschriften zur Luftreinhaltung wurde zurückgeschraubt, wie etwa Regeln zur Begrenzung der Verschmutzung durch Autos und Lastwagen. Gleichzeitig drohte eine sogenannte Transparenzregel für die Wissenschaft, Studien ungültig zu machen, die auf vertraulichen medizinischen Daten basieren, die für die Grundlagenforschung zur Luftverschmutzung unerlässlich sind.

caw


Aus: "Interne Dokumente Ölkonzerne wissen seit Jahrzehnten von Gesundheitsgefahr durch Luftverschmutzung" (18.03.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/oel-konzerne-wissen-seit-jahrzehnten-von-gesundheitsgefahr-durch-luftverschmutzung-a-1ed77fe7-bfd9-4330-9059-4271dfd611f3 (https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/oel-konzerne-wissen-seit-jahrzehnten-von-gesundheitsgefahr-durch-luftverschmutzung-a-1ed77fe7-bfd9-4330-9059-4271dfd611f3)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 15, 2022, 11:56:45 AM
Quote[...] Der Gestank von verwesendem Fisch löst Brechreiz aus. Im deutsch-polnischen Grenzfluss Oder treiben seit Tagen zehntausende Fische mit aufgedunsenen Bäuchen im Wasser. Schon am 26. Juli hatten Angler Alarm geschlagen und polnische Behörden informiert. Doch nichts geschah. Weder die 2018 neu geschaffene Behörde "Staatlicher Wasserbetrieb Polnische Gewässer" reagierte auf die Meldungen vom mysteriösen Fischsterben in Polens zweitgrößtem Fluss noch das 2020 völlig umstrukturierte Hauptumweltinspektorat in Warschau.

Erst als am 10. August tausende Fischkadaver am deutschen Oder-Abschnitt ans Ufer gespült wurden und brandenburgische Politiker Polen vorwarfen, die Meldekette nicht eingehalten und das Nachbarland nicht von der Ökokatastrophe informiert zu haben, eilten polnische Behördenchefs und Regierungspolitiker an die Oder.

Doch vor den Kameras des Staatssender TVP Info stellten sie sich oft da auf, wo von den Fischkadavern möglichst wenig zu sehen und zu riechen war. Grzegorz Witkowski, der Vizeminister für Infrastruktur, beruhigte die aufgebrachten Oderanwohner an einer geradezu malerischen Stelle der Oder und versicherte, dass er ohne jede Bedenken ins Oderwasser springen und dort baden würde. Bei der Ankündigung blieb es dann.

Während die Deutschen nach nur einem Tag bereits einen ersten Laborbefund hatten – erhöhte Quecksilberwerte im Oderwasser, zuckten polnische Politiker auch drei Wochen nach dem Auftauchen der ersten Anzeichen für die Ökokatastrophe noch immer mit den Schultern. Im Oderwasser konnten die Labore keine außergewöhnliche Verunreinigung entdecken, Quecksilber sei auf keinen Fall für das massenhafte Fischsterben verantwortlich, jetzt würden verstärkt die verendeten Fische untersucht.

"Erhöhte Salzfrachten" in der Oder könnten eine Spur sein, die zu dem und den Tätern führen könnten. Denn anders als bisher, wo vor allem nach umweltschädlichen Industrieabfällen gesucht wurde, gerät nun auch die nitrathaltige Gülle aus der Massentierhaltung ins Visier der Ermittler. Polens Polizei hat eine Million Zloty, umgerechnet rund 210.000 Euro, für die Ermittlung des Täters ausgesetzt.

Während die ersten Helfer – Angler, Umweltaktivisten und engagierte Bürger, die mit bloßen Händen die verendeten Fische aus der Oder gezogen hatten, sich mit Hautverätzungen in Krankenhäusern meldeten, schickte der Krisenstab von Premier Mateusz Morawiecki (PiS) Freizeitsoldaten der sogenannten Territorialverteidigung an die Oder, um den Fluss zu reinigen. Ob Spezialeinheiten zur Bekämpfung von Chemieunfällen diese sogenannten "terytorialsi" anleiten sollten, gab der Krisenstab nicht bekannt.

Die Bürgermeister der Oder-Anrainerstädte und -dörfer werfen der PiS-Regierung inzwischen offen vor, die Bürger viel zu spät über die Gefahr informiert zu haben. Die Staatsbehörden hätten fast drei Wochen nichts getan, während die Zivilgesellschaft versucht habe, die Oder zu retten. Den Vorwurf der mangelnden Information erheben auch die deutsche Bundesumweltministerin Steffi Lemke sowie etliche Politiker von Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Als Antwort entließ Premier Mateusz Morawiecki (PiS) die beiden Chefs des Staatlichen Wasserbetriebs Polnische Gewässer und des Hauptumweltinpektorats.

Als sich Morawiecki endlich selbst ein Bild von der Situation an der Oder machten will, besucht er am Samstag das Dorf Widochuwa, das 25 Kilometer entfernt von Szczecin/Stettin in der Wojewodschaft Westpommern liegt. Hier ist die Todeswelle mit den Fischkadern gerade erst angekommen. Vom Gestank der ersten von der Ökokatastrophe erfassten Orte kann Morawiecki hier also noch nicht allzu viel spüren. Gegenüber am westlichen Oderufer liegt die deutsche Stadt Schwedt an der Oder.

"Wir tun alles, um die Umweltkatastrophe so schnell wie möglich zu beseitigen", versicherte Polens Premier in blütenweißen Hemd. "Alle Dienste sind in Alarmbereitschaft." Kritisch merkte er an, dass auf polnischer Seite zwar viel zur Säuberung der Oder getan werde, er sich aber mit den Deutschen kontaktieren müsse, da "es auf deutscher Seite keine entsprechenden Maßnahmen", gebe. Kein Wort darüber, dass Polens staatliche Institutionen mit fast drei Wochen Verspätung auf die Ökokatastrophe reagierten und die Deutschen – am Tag der Kritik durch Morawiecki – rund zwanzig Tonnen Fischkadaver aus der Oder holten.


Aus: "Die Oder stinkt wie eine Kloake" Gabriele Lesser aus Warschau (14.8.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000138272540/die-oder-stinkt-wie-eine-kloake (https://www.derstandard.at/story/2000138272540/die-oder-stinkt-wie-eine-kloake)

Quote
Bluesze
14. August 2022, 16:53:21

Befremdlich

Das Wasser verätzt Haut und Hände und der Giftstoff kann mittels Labortests nicht identifiziert werden?


Quote
Oberlandler
14. August 2022, 16:21:24

Frage an die Chemiker, warum ist es so schwierig ist bei der Wasseranalyse nachzuweisen an was die Fische sterben?
Man findet ja bei den ganzen Abwasseranalysen ja auch Nachweise von Kokain, Corona, Polio usw?


Quote
auch wieder hier
14. August 2022, 16:24:42

Schwierig ist es dann, wenn man nicht weiß, wonach man sucht.


Quote
Hotcha And The Teenage Lesbians From Hell 3

"Polens Premier in blütenweißen Hemd."

Ich habe diese schlenker hier so satt. Wenn ich meinungspresse will, lese ich die Pravda


Quote
nbergmann

Es sind die Bösartigkeiten, die sich die sozialdemokratischen Schreiberlinge in der Opposition angewöhnt haben. Gut ist das für Ö nicht.


Quote
Für heute hab ich noch kein Alibi !

,,ohne jede Bedenken ins Oderwasser springen"

wenn einer sowas sagt dann bitte gkeich an der Hand nehmen und bei laufender Kamera ans Wasser führen.


Quote
EinAbonnent

Reinspringen kann jeder. Bitte trinken. Das wär überzeugend, Oder?


Quote
De Colores

Je enger die EU angeblich zusammenrückt umso mehr erinnert Polens Informationspolitik zu dieser großen Umweltkatastrophe an die der UdSSR beim Super-GAU von Tschernobyl.
Wie sollen, wenn Offensichtliches ignoriert wird, unter solchen Prämissen wenigstens auf europäischer Ebene Klimaschutzmaßnahmen funktionieren?


Quote
berardo

... für die Ermittlung des Täters ausgesetzt.

Müsste es nicht eigentlich TäterIn heißen.


Quote
Der letzte Depp

böses kommt immer nur von alten non-poc cis-dudes!


Quote
profeline

Ich hoffe, man kann die Schuldigen finden und sie fassen wirklich schmerzhafte Strafen aus - nicht nur diejenigen, die das Gift ins Wasser geleitet haben, sondern auch alle Mitwisser und Untätigen.
Diese Verbrecher sollten lebenslang zur dreckigsten Arbeit in Kläranlagen verurteilt werden!
Man kann nur hoffen, dass sich die Natur bald wieder erholt.


Quote
roman g

Nach 3 wochen (drei wochen!) und nach tonnen von abertausenden toten fischen können die polen noch immer nicht sagen, was die ursache deren hinscheidens gewesen ist?
Was ist da los, in diesem land? ...


Quote
DermitdemStandardtanzt

...geht's der Wirtschaft gut, geht's uns allen und der Umwelt gut!


Quote
Rokin

"gerät nun auch die nitrathaltige Gülle aus der Massentierhaltung ins Visier der Ermittler. ... Während die ersten Helfer ... sich mit Hautverätzungen in Krankenhäusern meldeten"

Wie viel Gülle muss man in einen Fluss kippen, damit es noch Kilometer weiter ätzend ist? ...


Quote
... das lob´ ich mir!

Weiß man eigentlich schon, in welchem geografischen Gebiet ein Eintrag vorgenommen wurde?
Ich denke, wenn man da kurz nach Bekanntwerden alle 5-10km Proben gezogen hätte, und diese dann über eine GC-MS laufen lassen hätte, hätte man zumindest den Ort des Eintrags ermitteln können.
Ggf. wären daraus auch schon weiterführende Informationen zu schließen gewesen.

Aber scheinbar will man weder Substanz noch Ort zeitnah ermitteln...


...

"Neuer Verdacht zum Fischsterben Bergbaubetrieb soll salzhaltige Abwässer in Oder geleitet haben" Christoph von Marschall (18.08.2022)
Das massenhafte Fischsterben in der Oder gibt weiter Rätsel auf. Eine Spur führt zu einem Bergbaubetrieb. Doch Wasserproben enthielten auch toxische Algen. ...
https://www.tagesspiegel.de/berlin/neuer-verdacht-zum-fischsterben-bergbaubetrieb-soll-salzhaltige-abwaesser-in-oder-geleitet-haben/28609980.html (https://www.tagesspiegel.de/berlin/neuer-verdacht-zum-fischsterben-bergbaubetrieb-soll-salzhaltige-abwaesser-in-oder-geleitet-haben/28609980.html)

-

"Fischsterben in der Oder: Alles im Fluss" (19.8.2022)
Jetzt ist klar: Das Fischsterben in der Oder hat eine giftige Alge ausgelöst. ... Wie ist es möglich, dass Freitag über Quecksilberverbindungen spekuliert wird, Montag über Industriesalze und Mittwoch über giftige Mikroalgen? Und warum findet sich zu fast jeder Vermutung jemand, der sie für unplausibel hält? Die Antwort in aller Kürze: So funktioniert Wissenschaft. Hypothese, Nachweis? Falsch! Nächste Hypothese. Zumindest solange alle im Trüben fischen. ... Kurz vor Redaktionsschluss meldet sich Jan Köhler: Die Algenart ist bestätigt. Und seine Kollegin von der Uni Wien hat große Mengen Gift in den Proben aus der Oder gefunden. Was das Algenwachstum ausgelöst hat? Die Suche geht weiter. ...
https://taz.de/Fischsterben-in-der-Oder/!5875609/ (https://taz.de/Fischsterben-in-der-Oder/!5875609/)

-


"Fischsterben in der Oder: Polen entdeckt mehr als 280 illegale Abflüsse" (23. August 2022)
Polens Behörden haben bei ihren Ermittlungen zur Ursache des Fischsterbens in der Oder fast 300 illegale Abwasserrohre entdeckt. Derzeit werde ermittelt, wem sie gehören. ...  Derzeit werde geklärt, von wo aus diese Leitungen zur Oder gelegt wurden und wem sie gehören, sagte der designierte Chef der Wasserbehörde, Krzysztof Wos. In bislang 57 Fällen sei die Polizei informiert worden. ... In der Oder wurden auf polnischer und deutscher Seite in den vergangenen Wochen Hunderte Tonnen toter Fische entdeckt. Die genaue Ursache ist noch nicht abschließend geklärt. ...
https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-08/fischsterben-oder-polen-illegale-abfluesse (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-08/fischsterben-oder-polen-illegale-abfluesse)

-


"Fischsterben: Großer Teil des Fischbestands in der Oder soll verendet sein" (23. August 2022)
Experten schätzen den Anteil toter Fische in der Oder auf bis zu 50 Prozent. Brandenburgs Umweltminister Vogel spricht von einem Fischsterben "historischen Ausmaßes".  ... Durch die Umweltkatastrophe in der Oder sind nach Expertenschätzungen zwischen 25 und 50 Prozent der Fische in dem Gewässer getötet worden. Das seien insgesamt 200 bis 400 Tonnen Fisch, sagte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Binnenfischerei in Potsdam-Sacrow, Uwe Brämick, im Umweltausschuss des Brandenburgischen Landtags. Allein die polnische Feuerwehr hat bislang bereits 202 Tonnen tote Fische aus der Oder geborgen.  ...
https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-08/umweltkatastrophe-oder-grosse-teile-fischbestand-tot (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-08/umweltkatastrophe-oder-grosse-teile-fischbestand-tot)

-


"Umweltkatastrophe: Expertenbericht bestätigt Ursache für Fischsterben in der Oder" Johannes Süßmann (30. September 2022)
Algenwachstum infolge eines stark erhöhten Salzgehaltes löste laut einer Expertengruppe das Fischsterben in der Oder aus. Woher das Salz kam, ist aber weiter offen. ...
https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-09/fischsterben-oder-umwelt-alge-ursache (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-09/fischsterben-oder-umwelt-alge-ursache)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 24, 2022, 11:14:15 AM
Quote[...] Von Pestiziden bis zu organischen Schadstoffen aus der Industrie: Über die Flüsse wird die Ostsee verunreinigt, sagt der Chemiker Detlef Schulz-Bull. Ein großes Problem ist die Überdüngung, die zu Sauerstoffmangel im Meer führen kann. ...


Aus: "Umweltverschmutzung: ,,Die Ostsee ist sehr stark belastet"" Detlef Schulz-Bull (22. August 2022)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/wie-es-um-die-gesundheit-der-ostsee-steht-dlf-kultur-2f1798dd-100.html (https://www.deutschlandfunkkultur.de/wie-es-um-die-gesundheit-der-ostsee-steht-dlf-kultur-2f1798dd-100.html)

--

Quote[...] Die Ostsee ist das kleinste Weltmeer. Doch nirgends lagern mehr konventionelle, also explosionsfähige Kampfmittel als dort, berichtet Uwe Wichert aus Kiel. Schon als Marinesoldat war er Mitglied der schleswig-holsteinischen Arbeitsgruppe ,,Munition im Meer". Nun pensioniert, recherchiert Uwe Wichert weiter in internationalen Archiven, um herauszufinden, wo genau in der Ostsee wie viel Altlastenmunition liegt. Recht klar sei das Bild bei den Minen:
,,Wenn man das alles zusammennimmt von Skagerrak bis St. Petersburg, dann sind dort über 179.000 Tonnen Minen aus den beiden Weltkriegen und auch schon aus dem Krim-Krieg. Alles andere – wie viel Bomben, wie viel Torpedos, wie viel Munition auch nach, den Kriegen ins Wasser gebracht worden ist –, das ist mit mehreren Fragezeichen versehen."

Immerhin kommen auch in diesem Bereich immer mehr Erkenntnisse zusammen. Das wurde auf der Konferenz im Institut für Ostseeforschung Warnemünde deutlich, die von mindestens 1,6 Millionen Tonnen ausgeht. So gibt es endlich eine Geo-Datenbank, die alle Munitionsfunde und die bereits bekannten Lagerplätze auflistet – von der Lübecker Bucht bis zum Salzhaff vor Mecklenburg-Vorpommerns Küste. Extrem viel Altmunition lagert in Sperrgebieten, wo diverse Armeen über 150 Jahre lang Schießübungen, Manöver, Kriege durchgeführt hatten, oder wo – wie nach dem 2. Weltkrieg – Munition in großem Stil vor den Deutschen sichergestellt werden sollte.

Das Problem, so Jens Greinert vom Helmholtz-Zentrum GEOMAR in Kiel: Viel Munition liegt noch immer auch außerhalb jener Speergebiete, die in den Seekarten eingezeichnet ist. Denn damals seien Fischer angeheuert worden, Bomben und Granaten im Meer zu verklappen.
,,Das war nach 1945. Da haben die Alliierten gesagt: Ok, es gibt wohl fünf Sperrgebiete in Ost- und Nordsee, wo die Munition verklappt werden sollte. Und da hat man den Fischern gesagt: `Ihr fahrt da von hier aus hin. ´ Das war aber vor GPS. Das heißt, der Fischer konnte immer gar nicht so genau da hinfahren, wo er hinfahren sollte."

Alles rostet auf dem Meeresgrund vor sich her, und die davon ausgehende Gefahr für Mensch und Umwelt könnte größer sein als bisher angenommen. Denn mit der Zeit trete das im Schießpulver enthaltene TNT aus, sagt Prof. Greinert.
Der Experte für marine Biologie koordiniert das Projekt UDEMM, das sich seit einem Jahr mit dem Umweltmonitoring während der Zersetzung von Altlastenmunition in der Ostsee befasst.
,,Das TNT ist eben auch giftig und besonders die Umsetzprodukte, die Metaboliten. Die stehen auch im Verdacht, dass sie karzinogen sind, und wir wissen – das haben unsere Experimente gezeigt –, dass sie zum Beispiel durch Muscheln aufgenommen werden. Wenn man das durch Muscheln aufnimmt, dann gibt es auch Fische, die die Muscheln fressen und Menschen, die die Fische essen. Und so kann das eigentlich die Nahrungskette hochwandern."
Wobei sich das TNT nicht im Fleisch der Meerestiere ablagere, sondern in der Leber. Das Hamburger Thünen-Institut für Fischereiökologie berichtete nun auf der Konferenz, dass man eine Plattfisch-Art in einem besonders munitionsbelasteten Bereich der Kieler Außenförde untersucht habe. Ergebnis: 25 Prozent der Fische wiesen Lebertumore auf. In drei Vergleichsgebieten in der Ostsee habe die Tumorrate bei unter fünf Prozent gelegen.

Für viele seiner Kollegen sei es noch zu früh, einen direkten Zusammenhang zwischen Krebs und TNT aus den rostenden Bomben herzustellen, sagt Jens Greinert, der vor allem im Sperrgebiet Kolberger Heide forscht. Außerdem sei richtig, dass die Konzentration von TNT im Pikogramm-Bereich liege. Schließlich löse sich der giftige Stoff in der riesigen Ostsee auf.

Das Problem: Es gibt keine Schwellenwerte als Handreichung dafür, ab welcher Konzentration TNT und seine Abbauprodukte gesundheitsschädlich wirken. Und so gilt aus seiner Sicht zwar weiterhin:
,,Jeder kann weiter in der Ostsee schwimmen. Ein Schluck Ostseewasser hat, glaube ich, noch keinem geschadet. Die letzten 70 Jahre sind ja nun die Leute nicht mit ´ner TNT-Vergiftung an Land gekommen und haben gesagt: ,Ich weiß gar nicht, was mit mir los ist!' Das Problem ist aber, dass wir sehen, dass sich die Munition immer weiter auflöst, indem die Metallhülle einfach wegrostet. Und irgendwann werden alle aufgelöst sein. Vielleicht nicht in fünf oder zehn Jahren, aber in zwanzig, dreißig, fünfzig Jahren. Das Problem geht nicht weg. Und wir müssen wissenschaftlich fundierte Grundlagen haben, auf deren Basis wir sagen können: Ok, die Konzentration wird dann wahrscheinlich so und so hoch sein. Das können wir errechnen mit Modellen und nach bestem Wissen und Gewissen. Dann muss man es aber auch kontrollieren. Und dann kann man eigentlich erst sagen: Gibt es eine Gefahr?"

Denn hinzukomme, dass auch Vögel Muscheln fressen und dass sich das TNT an Mikroplastik-Partikel anlagert, die ihrerseits ein zunehmendes Problem in den Meeren darstellen. Algen wiederum, so eine weitere Erkenntnis, könnten das TNT durchaus verstoffwechseln. Doch dabei entstünden Abbaustoffe, die noch giftiger sind, als das TNT selbst. Die gute Nachricht: Die Forschung geht weiter, und zwar in einem großen Verbund vieler Institute in den deutschen Küstenländern.


Aus: "Nord- und Ostsee: Tickende Zeitbomben auf dem Meeresgrund" Silke Hasselmann (16.05.2017)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/nord-und-ostsee-tickende-zeitbomben-auf-dem-meeresgrund-100.html (https://www.deutschlandfunk.de/nord-und-ostsee-tickende-zeitbomben-auf-dem-meeresgrund-100.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on September 29, 2022, 05:43:38 PM
Quote[...] Weltweit sind im vergangenen Jahr nach Angaben der Nichtregierungsorganisation Global Witness 200 Umweltschützer getötet worden. Das gefährlichste Land für Naturschützerinnen war Mexiko, gefolgt von Kolumbien und Brasilien, wie die Gruppe bei der Vorstellung ihres Jahresberichts mitteilte.

Vor allem Aktivisten, die sich gegen Bergbau- und Energieprojekte, Landwirtschaft und Rodungen einsetzen, leben demnach gefährlich. Die meisten Tötungen würden nie aufgeklärt, berichtete die Organisation.

"Überall auf der Welt riskieren Indigene, Umweltaktivisten und Naturschützer ihr Leben im Kampf gegen den Klimawandel und den Verlust der biologischen Vielfalt", sagte eine Sprecherin von Global Witness, Shruti Suresh. "Sie spielen eine entscheidende Rolle als erste Verteidigungslinie gegen den ökologischen Kollaps, werden aber selbst angegriffen und sind Gewalt, Kriminalisierung und Schikanen ausgesetzt von repressiven Regierungen und Unternehmen, denen Profit wichtiger als Menschen und Umwelt ist."

Die Gruppe dokumentiert seit zehn Jahren Gewalt gegen Umweltschützerinnen. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 1.733 Aktivisten getötet – das entspricht einem Mord alle zwei Tage. Vor allem Indigene werden immer wieder zur Zielscheibe: Sie machen 40 Prozent der Toten aus, obwohl sie nur fünf Prozent der Weltbevölkerung repräsentieren.


Aus: "NGO Global Witness: 200 Naturschützer laut Bericht im vergangenen Jahr getötet" (29. September 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/2022-09/umweltschutz-mord-aktivisten-global-witness-mexiko-indigene (https://www.zeit.de/politik/2022-09/umweltschutz-mord-aktivisten-global-witness-mexiko-indigene)

Quotebaumannager #7

Solange der Primat der Wirtschaft überall bereits in den Schulen dargelegt wird, werden die Stumpfsinnigen und die Gewaltbereiten stets als erstes ihren angenommenen Lebensquell Profit und Wachstum verteidigen.

...


Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on October 08, 2022, 11:14:59 AM
Quote[...] Textilfarben, Kosmetik und Putzmittel: Auch 15 Jahre nach Inkrafttreten der EU-Chemikalienverordnung Reach enthalten viele Verbraucherprodukte in der EU noch immer bedenkliche Stoffe. In Brüssel spitzt sich der Streit um eine Verschärfung der Verordnung zu. Während sich Umweltgruppen und mehrere EU-Staaten für eine schnelle Verschärfung einsetzen, warnen Europaabgeordnete der CDU und CSU und Industrievertreter vor negativen Auswirkungen für Firmen. Die chemische Industrie leide unter den hohen Energiepreisen, und nun fordere Bundesumweltministerin Steffi Lemke noch mehr EU-Regulierung, kritisierte Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Die grüne Ministerin habe den Sinn für die Realitäten verloren, sagte er der Nachrichtenagentur dpa.

Lemke hatte in einem auf Dienstag datierten Brief an die EU-Kommission eine zügige Überarbeitung der EU-Chemikalienverordnung Reach gefordert. "Die Überarbeitung ist von größter Bedeutung, um das Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu erhöhen", heißt es in dem Schreiben, das auch von den Umweltministerinnen und -ministern aus Frankreich, Österreich, Belgien, Dänemark, Finnland, Luxemburg und Norwegen unterschrieben wurde. Es sei nicht an der Zeit, Rückschritte zu machen.

Mit der Überarbeitung der Reach-Verordnung soll unter anderem sichergestellt werden, dass bedenkliche Stoffe schnell erkannt und dann gegebenenfalls nicht mehr in Produkten für Verbraucher verwendet werden. Das System besteht seit 2007. Künftig sollten auch mehr Daten über Chemikalien erfasst werden, bevor diese zugelassen werden, hieß es bei der Ankündigung der Überarbeitung im Jahr 2020. 

Eigentlich wollte die EU-Kommission noch in diesem Jahr einen Vorschlag für eine Revision der Verordnung vorlegen. Da der ursprüngliche Zeitplan aus dem Jahr 2020 stammt, wird eine Verzögerung der Überarbeitung etwa angesichts hoher Energiepreise und des Kriegs gegen die Ukraine schon länger diskutiert. Aus Sicht der Unionseuropaabgeordneten wäre eine Verschärfung der Vorschriften falsch, da dies zusätzlichen Aufwand für die chemische Industrie bedeute. Ähnlich sieht das der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die EU habe bereits die weltweit höchsten Standards der Chemikaliensicherheit, sagte ein VCI-Sprecher der taz zufolge.


Aus: "EU-Chemikalienverordnung: Umweltminister und CDU/CSU streiten über giftige Chemikalien" (8. Oktober 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-10/eu-chemikalienverordnung-reach-steffi-lemke-umweltminister-cdu-csu-streit (https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-10/eu-chemikalienverordnung-reach-steffi-lemke-umweltminister-cdu-csu-streit)

QuoteSchmusekater #1

"Die grüne Ministerin habe den Sinn für die Realitäten verloren"

Und die CDU/CSU hatte noch nie einen Sinn für Umwelt- und Verbraucherschutz.


QuoteCarlitino #2

"Die EU habe bereits die weltweit höchsten Standards der Chemikaliensicherheit...."

das mag sein, man kann aber noch Vieles verbessern. Es tut mir fast leid das schreiben zu müssen aber die Konservativen sollen Mensch und Natur bewahren und schützen, nicht die Pfründe der globalen Industrie.


QuoteOff-Block #4

"...kritisierte Daniel Caspary, Vorsitzender der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament. Die grüne Ministerin habe den Sinn für die Realitäten verloren, "

Offensichtlich erachtet der Herr Caspary die Realität der Umweltzerstörung und Vergiftung samt damit verbundenem Artensterben als sinnvoll. Wer wählt bloß solche Leute in unsere Parlamente ????


QuoteScribble-a-note #4.1

,, Wer wählt bloß solche Leute in unsere Parlamente ????"

Die, die ewig gestrig sind und die, die tatsächlich glauben, die Union könnte ihren Wohlstand sichern und dann noch die, die alles Grüne für moralische Überheblichkeit erachten und an die ,,Verbotspartei" glauben.


QuoteAlex Vanderbilt #4.2

Wäre es nicht so schädlich und selbstzerstörerisch, man könnte herzhaft über die Clowns lachen, die in der Partei organisiert sind und diejenigen, die diese Partei wählen.

Es ist seit Jahren bekannt, dass wir mit Chemikalien unsere Böden, Gewässer, Nahrung und Luft vergifte, dass Chemikalien Allergien und Krankheiten auslösen, aber diese Realität meint Caspary wohl nicht, wenn er den Realitätsverlust von Ministerin Lemke anprangert.

Allerdings muss man sagen, dass die Verordnung wohl nicht ganz durchgreift. Solange weiterhin Kleidung aus dem Ausland importiert werden darf, die mit solchen Mitteln belastet ist, solange wird sich nichts ändern. Wenn die EU aber den Import von Produkten mit verbotenen oder bedenklichen Chemikalien unterbindet, dann könnte sich auf der Welt wirklich was zum Besseren bewegen in diesem Bereich.


QuoteLeast Gentleman Alive #12

Eigentlich ist das ein no-brainer. Chemikalien, die eine Gefahr für den Verbraucher darstellen, haben in Endprodukten nichts zu suchen. Wie kann man sich da nur querstellen?


Quotepoisonless #12.2

.. Der Verbraucher interessiert sich leider nicht dafür, ob er vergiftet wird und was das für Folgen hat.


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on November 22, 2022, 02:44:53 PM
Quote[...] Frankfurt – Spurenelemente, Mikronährstoffe und langkettige Kohlenhydrate: Haferflocken wirken auf den ersten Blick wie ein gesunder Allrounder. Mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 3,2 Kilogramm dürften sie zudem zu den Kassenschlagern bei Rewe, Lidl und Co. gehören, wie die Getreide-, Mühlen- und Stärkewirtschaft VGMS e.V. schreibt.

Ein Testbericht des Verbraucherportals Öko-Test deckt nun jedoch massive Mängel bei einigen der angebotenen Haferflocken auf. Von den 29 untersuchten Marken erhielten 18 der Produkte jedoch die Note ,,sehr gut". Vier der Haferflocken waren so schadstoffbelastet, dass sie als ,,ungenügend" eingestuft wurden. Unter anderem wurde in einigen dieser Produkten Mineralöl gefunden.

Die gefundenen Stoffe sind keines Falls zu unterschätzen. Die Öko-Expert:innen wiesen in vier Produkten das berüchtigte Gift Glyphosat nach. Dieses kommt in der Landwirtschaft zum Einsatz und soll der Internationalen Krebsforschungsagentur (IARC) zufolge ,,wahrscheinlich krebserregend" sein.

Die Haferflocken aus dem Verkauf von Norma, Aldi und Rewe wiesen in dem Test ,,stark erhöhte Giftwerte auf". In der Folge des Ergebnisses hat Norma bereits gehandelt und das Produkt ,,Golden Breakfast Haferflocken kernig" aus dem Sortiment entfernt. Bei den vier am schlechtesten bewerteten Produkten wurden T-2 und HT-2-Toxine gefunden, welche auf einen Befall mit Schimmelpilzen zurückzuführen sind, wie Öko-Test schreibt.

Durch den Verzehr der mit Toxin belasteten Haferflocken kann es zu schwerwiegenden Immunschäden kommen. Diese können unter anderem Fortpflanzungsstörungen zur Folge haben, wie Lebensmittelanalyst:innen von R-Biopharm schreiben. Gerade Kinder sind gefährdet, da bei ihnen die tolerierbare Tagesaufnahme des Gifts weitaus niedriger als bei Erwachsenen ist.

In den Haferflocken von zwei der getesteten Marken war der Nickelanteil so hoch, dass bereits eine 50 Gramm Portion für einen Erwachsenen (60 Kilogramm) Immunschäden verursachen könnte. Das Ergebnis von Öko-Test zeigt neben der massiven Mängel aber auch, dass die Mehrzahl der angebotenen Haferflocken bedenkenlos gegessen werden kann.

...

    Haferflocken, die im Öko-Test als ,,ungenügend" eingestuft wurden

    * Rewe: Ja! Kernige Haferflocken
    * Aldi: Knusperone kernige Haferflocken
    * Edeka und andere: Jeden Tag Haferflocken kernig
    * Norma: Golden Breakfast Haferflocken kernig
   
     Quelle: Öko-Test




Aus: "Haferflocken im Öko-Test: Erschreckende Verunreinigungen in Produkten gefunden" Lucas Maier (22.11.2022)
Quelle: https://www.fr.de/panorama/oeko-test-haferflocken-gift-glyphosat-nickel-ergebnis-aldi-rewe-norma-verunreinigungen-gesundheit-news-91931574.html (https://www.fr.de/panorama/oeko-test-haferflocken-gift-glyphosat-nickel-ergebnis-aldi-rewe-norma-verunreinigungen-gesundheit-news-91931574.html)

https://www.fr.de/thema/testberichte-sti1433643/ (https://www.fr.de/thema/testberichte-sti1433643/)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on November 22, 2022, 02:56:39 PM
Quote[...] Hamm - ,,Gute Butter" - so hieß es einst in Kriegszeiten, als ,,echte" Butter kaum erschwinglich und kaum erhältlich war. Zu kaufen gibt es sie heute in jedem Supermarkt und Discounter, doch ,,gut" ist an dem Butter-Angebot wenig, wie ein verheerender Testbericht der renommierten Verbraucherzeitschrift Öko-Test (Ausgabe 12/2022) zeigt. Von 20 Buttermarken fielen 17 durch. 14 erhielten sogar die Note 6.

Butter ist für viele ein wichtiger Teil der Ernährung - und bleibt es auch trotz einer Preissteigerung von 72 Prozent innerhalb eines Jahres, wie das Statistische Bundesamt ermittelt hat. Öko-Test hat nun 20 Butter-Marken durch das Testprogramm geschickt, sieben von ihnen hatten das ,,Bio"-Label. Was am Ende dabei herauskam, war erschreckend.

Eine einzige Butter bekam die Note ,,gut", zwei weitere retteten sich mit den Noten 3 und 4 gerade noch über die ,,Durchgefallen"-Grenze. 17 Mal hagelte es ,,mangelhaft" oder ,,ungenügend". Der Grund für die größtenteils vernichtenden Bewertungen war nicht so sehr der Geschmack. Fast alle Marken im großen Butter-Test waren mit Mineralöl-Rückständen belastet. Teilweise ist die Konzentration so hoch, wie es die Öko-Tester noch nie zuvor in einem Lebensmittel gemessen haben.

Das gilt nicht für den Testsieger, die ,,Bio-Fassbutter Naturland" der Gläsernen Molkerei bei einem Preis von 3,49 Euro pro 250 Gramm. Sie war die einzige Butter im Test, in der keine gesättigten Mineralölwasserstoffe (MOSH) gefunden wurden. Zudem wurden keinerlei Rückstände aus Reinigungsmitteln entdeckt.

Am anderen Ende des Wertungsspektrums liegt die ,,ÖMA Allgäuer Bauernbutter Sauerrahm", die in puncto Mineralöl-Rückstände die Konkurrenz im Butter-Test deutlich übertraf. Die Butter hatte nicht nur den bei Weitem höchsten MOSH-Gehalt. Das beauftragte Labor hat in dem Produkt außerdem einen Wert von 19,8 mg/kg an aromatischen Mineralölkohlenwasserstoffen (MOAH) gemessen - das ist zehnmal höher als der von der EU vorgeschlagene Richtwert für Fette und Öle. ,,Das ist ein in unserer Testgeschichte noch niemals gemessener Gehalt", schreibt Öko-Test.

Weitere 13 Buttermarken erhielten die Note 6, auch wenn bei ihnen ,,nur" stark erhöhte Mineralölbestandteile per MOSH-Gehalt nachgewiesen werden konnten. Unter ihnen sind bekannte Marken wie:

    ,,Alnatura Bergbauern Süßrahmbutter"
    ,,Landliebe Butter rahmig-frisch streichzart, mildgesäuert"
    ,,Gut & Günstig Deutsche Markenbutter mildgesäuert" (Edeka)
    ,,Ja! Deutsche Markenbutter mild gesäuert" (Rewe)
    ,,Milsani Deutsche Markenbutter mildgesäuert" (Aldi)
    Milbona Süßrahmbutter" (Lidl)
    ,,Kerrygold Original Irische Butter, mildgesäuert"



MOSH können sich im menschlichen Fettgewebe sowie in Lymphknoten oder Organen anreichern - mit bislang allerdings unbekannten Folgen. MOAH werden besonders kritisch gesehen, da einige Verbindungen der Stoffgruppe krebserregend sind. Auch viele Nuss-Nougat-Cremes haben ein Mineralöl-Problem, aber nicht nur das. Öko-Test watschte Nutella, Milka und Co. ab.

Doch wie kommen die Mineralrückstände, von denen einige Verbindungen als krebserregend gelten, in die Butter? Da werden einerseits Schmieröle von Maschinen als Ursache angenommen. Andererseits hat ein Hersteller laut Öko-Test festgestellt, dass die Verpackung in wachskaschierter Alufolie einen wesentlichen Anteil an der Belastung mit den gesättigten Mineralölwasserstoffen habe. Je näher sich die Butter am Ablaufdatum befinde, desto höher seien die MOSH-Werte zu erwarten, so der Hersteller.

Die Öko-Tester empfehlen, Butter beim Backen von Rührteigkuchen oder Muffins etwa durch neutrales Öl zu ersetzen. Und überall da, wo Buttergeschmack untergeht, sowieso. ...


Aus: "Butter schmiert im Öko-Test ab – 14 von 20 Produkten nur ,,ungenügend"" Simon Stock (22.11.2022)
Quelle: https://www.wa.de/verbraucher/rewe-aldi-lidl-kerrygold-schadstoffe-butter-oeko-test-urteil-testsieger-2022-gut-ungenuegend-edeka-91921530.html (https://www.wa.de/verbraucher/rewe-aldi-lidl-kerrygold-schadstoffe-butter-oeko-test-urteil-testsieger-2022-gut-ungenuegend-edeka-91921530.html)

https://www.wa.de/verbraucher/netto-lindt-milka-schoko-nikolaeuse-oeko-test-suessigkeiten-krebserregende-stoffe-sieger-91924409.html (https://www.wa.de/verbraucher/netto-lindt-milka-schoko-nikolaeuse-oeko-test-suessigkeiten-krebserregende-stoffe-sieger-91924409.html)

Quotepimio61

Was ist denn im Moment mit den ach so strengen Lebensmittelverordnungen
in unserem Land los !?

Überhöhte Mineralölbestandteile in Butter, Nugatcreme und anderen Produkten haben
selbst in minimalen Konzentrationen dort nichts zu suchen !!

Verbotene Pestizide und Schwermetallverbindungen bei Babynahrung, Obstkonserven,
Gemüse und vielen anderen Lebensmitteln aus China, die bei Untersuchungen zufällig
entdeckt werden, vergiften uns nachweislich !

Im schlimmsten Fall werden solche Produkte umdeklariert, sie kämen aus einem sicheren
Land der EU !!


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on December 10, 2022, 12:25:07 PM
Quote[...] Durch ein Leck in der umstrittenen Keystone-Pipeline sind im US-Bundesstaat Kansas mehr als zwei Millionen Liter Öl ausgelaufen. Sollten sich die Schätzungen, wäre es nach Angaben von Aktivisten die größte Katastrophe dieser Art in den USA seit 2013.

Das Leck in der Pipeline war am vergangenen Mittwoch entdeckt worden. Das Rohöl soll unter anderem in einen Fluss geflossen sein.

Der kanadische Betreiber TC Energy teilte mit, man habe das Leck gestopft und den Ölfluss gestoppt. Die Pipeline habe man sofort nach Bekanntwerden des Lecks unterbrochen.

Nach Angaben der Umweltschutzbehörden habe man in dem betroffenen Fluss einen Erdwall aufgeschüttet, um die Folgen von Verschmutzung und Zerstörung der Umwelt einzudämmen. Die Ursache für das Leck sei bislang unklar.

Die Pipeline transportiert Rohöl von Kanada in die USA, wo es zu Kraftstoff und anderen Ölprodukten weiterverarbeitet wird. Ölfirmen und Umweltschützer streiten seit Langem über den Plan, die Pipeline Keystone XL noch weiter auszubauen. US-Präsident Joe Biden blockierte das Vorhaben bald nach seiner Amtseinführung im Januar 2021.


Aus: "US-Pipeline verliert mehr als zwei Millionen Liter Öl" (10. Dezember 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-12/keystone-xy-pipeline-leck-oel-usa-kanada-kansas-umweltkatastrophe (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2022-12/keystone-xy-pipeline-leck-oel-usa-kanada-kansas-umweltkatastrophe)

QuoteDas kleine Schweizerlein #3

Nachdem der Weiterausbau dieser Pipeline bereits von Obama blockiert wurde, hatte Trump diese Blockade aufgegeben und den Weiterausbau erlaubt. Dass Biden hier wieder blockiert, freut einen. Hoffen wir, dass auch künftige Präsidenten diese Blockade aufrechterhalten. Stichwort "Koch Brothers" ...


Quotenumbers #4.1

Bisher keine Meldung bei cnn.com oder foxnews. Was ist denn da los?


QuoteAow2 #4.3

Foxnews interessiert sich nicht für kleine Fische


QuoteSegelhansel #4.4

https://edition.cnn.com/2022/12/08/economy/oil-prices-rise-after-keystone-pipeline-leak (https://edition.cnn.com/2022/12/08/economy/oil-prices-rise-after-keystone-pipeline-leak)

https://www.foxnews.com/us/northeastern-kansas-oil-spill-shuts-down-keystone-pipeline (https://www.foxnews.com/us/northeastern-kansas-oil-spill-shuts-down-keystone-pipeline)


QuoteLerotius #5

"US-Pipeline verliert offenbar mehr als zwei Millionen Liter Öl"

Schlimm genug, aber meistens wird eine Menge Rohöl in Tonnen oder Barrels angegeben. Nur klingt das dann nicht so sensationell.
Es waren also so was wie 2,5 Tausend Tonnen oder so 10 mal der Tankinhalt eines Airbus A 380.


QuoteSowjetisches_Flüchtlingskind #13

Basierend auf den Reaktionen hier, genießen die vor Autos und co klebenden Aktivisten, eine größere Wut als von Menschen herbeigeleitete Umweltkatastrophen


QuoteDackelGer #13.1

...die halten ja auch den Verkehr auf.


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on February 13, 2023, 08:39:06 PM
Quote[...] Giftgefahr nach dem Entgleisen eines Güterzuges in den USA. 50 Wagen des Zuges sprangen bei dem Zugunglück im US-Bundesstaat Ohio nach Behördenangaben aus den Gleisen. Ein Großbrand wurde ausgelöst und geringe Mengen der hochgiftigen Chemikalie Vinylchlorid wurden freigesetzt. Der Güterzug mit insgesamt 140 Wagen war demnach unterwegs in den Nachbarstaat Pennsylvania, als das Unglück am Freitagabend nahe dem Ort East Palestine passierte.

Zehn Wagen waren mit Gefahrgut beladen, darunter fünf mit Vinylchlorid, schrieb die Verkehrssicherheitsbehörde NTSB am Samstagabend (Ortszeit) im Onlinedienst Twitter.

Verletzt wurde den Behörden zufolge niemand. Sie forderten jedoch alle Bewohner in einem Umkreis von 1,6 Kilometern auf, ihre Häuser zu verlassen. Zudem wurde für die gesamte Stadt eine Schutzraumanordnung erlassen. ,,Wir können nicht genug betonen, dass wir alle bitten, sich vom Ort des Geschehens fernzuhalten", schrieb der Ortsvorsteher von East Palestine in einem auf Facebook veröffentlichten Brief.

Vinylchlorid wird vom US-Krebsinstitut als krebserregend eingestuft. Das Gas wird zur Herstellung von PVC-Kunststoffrohren verwendet, die häufig in Sanitäranlagen eingesetzt werden.

,,Wir haben nicht bestätigt, dass Vinylchlorid entwichen ist – außer durch die Druckentlastungsvorrichtungen", die in einigen Waggons installiert seien, teilte die Verkehrssicherheitsbehörde NTSB mit. Diese Vorrichtungen bauen den Druck in Tankwagen ab, um Explosionen zu verhindern.

Am Samstag waren nahe der Unfallstelle mehrere Explosionen zu hören. Feuerwehrkräfte in Schutzanzügen waren im Einsatz, um den Brand unter Kontrolle zu bringen. ,,Es ist ein aktiver Brandherd", erklärte ein NTSB-Vertreter. Eisige Temperaturen erschwerten demnach die Löscharbeiten zusätzlich.


Aus: "USA: Großbrand nach Zugunglück in Ohio – 50 Waggons entgleist" AFP/BK (05.02.2023)
Quelle: https://www.berliner-kurier.de/panorama/usa-grossbrand-nach-zugunglueck-in-ohio-50-waggons-entgleist-li.314476 (https://www.berliner-kurier.de/panorama/usa-grossbrand-nach-zugunglueck-in-ohio-50-waggons-entgleist-li.314476)

-

"Derailed Train in Ohio Carried Chemical Used to Make PVC, 'the Worst' of the Plastics" James Bruggers (February 8, 2023)
Scientists say PVC is trouble for people and the environment throughout its lifecycle, from manufacturing to disposal, and is almost never recycled. ... Vinyl chloride has been used to make polyvinyl chloride, used commercially to make such products as floor tiles, roofing and tents, for nearly 100 years. And there have been battles between industry and environmentalists over PVC for decades. ...
https://insideclimatenews.org/news/08022023/ohio-train-derailment-pvc-plastic/ (https://insideclimatenews.org/news/08022023/ohio-train-derailment-pvc-plastic/)

Polyvinylchlorid (Kurzzeichen PVC) ist ein thermoplastisches Polymer, das durch Kettenpolymerisation aus dem Monomer Vinylchlorid hergestellt wird. PVC ist nach Polyethylen und Polypropylen das drittwichtigste Polymer für Kunststoffe.  ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Polyvinylchlorid (https://de.wikipedia.org/wiki/Polyvinylchlorid)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on February 14, 2023, 01:54:39 PM
Quote[....] For days, authorities have been telling residents of the area around East Palestine, Ohio, that it is safe to return home after a 150-car train carrying hazardous chemicals derailed Feb. 3.

The Ohio Department of Natural Resources said the chemical spill resulting from the derailment had killed an estimated 3,500 small fish across 7½ miles of streams as of Wednesday.

And one resident of North Lima, more than 10 miles from East Palestine, told WKBN-TV of Youngstown that her five hens and rooster died suddenly Tuesday. The day before, rail operator Norfolk Southern had burned train cars carrying vinyl chloride — a flammable gas — to prevent an explosion. ...


From: "Worried residents near Ohio train derailment report dead fish and chickens as authorities say it's safe to return" Aria Bendix and David K. Li (Feb. 14, 2023, 2:04 AM CET)
Source: https://www.nbcnews.com/health/health-news/residents-ohio-train-derailment-report-dead-fish-chickens-rcna70378 (https://www.nbcnews.com/health/health-news/residents-ohio-train-derailment-report-dead-fish-chickens-rcna70378)

-

Quote[...] Für die Bewohner von East Palestine in Ohio ist es, als wäre ein Katastrophenfilm wahr geworden. Vor zwei Jahren noch hatten einige von ihnen als Komparsen an den Dreharbeiten von ,,Weißes Rauschen" teilgenommen. Der Film erzählt das Leben einer Familie nach einem Zugunglück, das giftige Gase freigesetzt hat. Vor anderthalb Wochen wurde die Geschichte für die knapp 5000 Einwohner von East Palestine dann zur Realität: Am Abend des 3. Februar entgleiste ein Güterzug der Eisenbahngesellschaft ,,Norfolk Southern" auf Höhe der Kleinstadt.

50 Waggons schoben sich ineinander, 20 von insgesamt 141 Waggons des Zugs enthielten laut der Betreibergesellschaft Gefahrstoffe wie hoch entzündliche Chemikalien. Bilder vom Unglücksort zeigen Feuer und dicke Rauchwolken, die in den Nachthimmel aufsteigen.

Inzwischen durften die zu Tausenden in Sicherheit gebrachten Einwohner von East Palestine und aus dem benachbarten Pennsylvania wieder in ihre Häuser zurückkehren. Mitte vergangener Woche gab der Gouverneur von Ohio, Mike DeWine, Entwarnung: Es bestehe keine Gefahr mehr. Doch viele in der Gegend fürchten weiter um ihre Gesundheit. Sie berichten amerikanischen Medien von auffälligen Gerüchen und Haut- und Atemwegsreizungen, in den umliegenden Flüssen schwimmen tote Fische. Unsicherheit herrscht vor allem über die Frage nach möglichen Rückständen von Chemikalien in der Gegend – auch wenn von offizieller Seite hervorgehoben wird, es bestehe keine Gesundheitsgefahr mehr.

Mehrere verunglückte Waggons enthielten Vinylchlorid, ein hoch entzündliches, farbloses und süßlich riechendes Gas, das laut der amerikanischen Behörde für giftige Substanzen Auswirkungen auf das Herz-Kreislaufsystem, die Leber und das Immunsystem haben kann. Um eine Explosion zu verhindern, hatten die Behörden die Chemikalie am 6. Februar ,,kontrolliert freigesetzt". Dabei seien ,,giftige und potentiell tödliche Stoffe" in die Luft gelangt, hieß es in der Stellungnahme des Gouverneurs. Verbrennt man Vinylchlorid, entstehen Chlorwasserstoff und Phosgen. Beide Chemikalien sind höchst gefährlich. Chlorwasserstoff kann zu schweren Verätzungen führen, Phosgen wurde im Ersten Weltkrieg als chemischer Kampfstoff eingesetzt und ist äußerst giftig.

Auf Aufnahmen von der Sprengung der Waggons in East Palestine sind lodernde Flammen sowie dicker schwarzer Qualm zu sehen – letzterer sogar auf Fotos, die Flugreisende aus hoher Höhe gemacht hatten. Proben zeigten laut Behördenangaben jedoch zwei Tage nach der herbeigeführten Explosion, dass die Luftqualität nicht mehr beeinträchtigt sei.

Auch der Bürgermeister von East Palestine, Trent Conaway, versicherte in einem Interview am Sonntag: ,,Alle Chemikalien sind jetzt abgebaut." Auch das Wassersystem des Ortes sei ,,hundert Prozent sicher". Nur private Brunnen könnten in einigen Fällen kontaminiert sein.

Doch am Beispiel der Wasserversorgung zeigt sich die mangelhafte Kommunikation der Behörden besonders eindrücklich. Drei Tage nachdem die Anwohner zurückkehren durften, schrieb die Polizei von East Palestine auf Facebook, ein Team werde bei denjenigen vorbeischauen, deren Trinkwasserbrunnen als ,,gefährdet" ausgemacht worden seien. Unmittelbar nach dem Zugunglück hatte es von der Behörde für Notfallmanagement des Gebiets noch geheißen, es sei ,,unwahrscheinlich, dass Substanzen von der Entgleisung das Grundwasser oder Brunnen in der Gegend beeinflussen". Tage später wurde dann offiziell ein Fisch- und Froschsterben in einigen Flüssen bestätigt. Man habe die Verschmutzung jedoch ,,erfolgreich kontrollieren" können.

Maura Todd, die mit ihrer Familie in East Palestine lebt, beklagte in der ,,Washington Post" jüngst die Informationspolitik: Sie habe jede Pressekonferenz verfolgt und trotzdem das Gefühl, sie wisse nichts. Wegen Kopfschmerzen, Übelkeit und dem stechenden Geruch in der Gegend wolle sie die Stadt erst einmal verlassen. Ein anderer Anwohner berichtete der Zeitung von einem Geruch ,,wie ein zu heftig gechlortes Schwimmbecken" und tränenden Augen. Einem lokalen Fernsehender sagte eine Frau, die rund 16 Kilometer vom Unglücksort entfernt wohnt, sie habe am Morgen nach der Explosion all ihre Hühner tot aufgefunden.

Rechte Politiker und Medien nutzen das Informationsvakuum rund um die Vorfälle in East Palestine, um Verschwörungstheorien zu verbreiten. Ein Journalist des Senders ,,News Nation" wurde in der vergangenen Woche kurzzeitig während einer Pressekonferenz des Gouverneurs DeWine festgenommen. Die Polizei behauptete, er habe mit seiner Live-Berichterstattung gestört und sei nach einem Hinweis darauf aggressiv geworden. Der Mann selbst wies das zurück. Nun wird der Fall untersucht.

In Ohio wie Pennsylvania haben Anwohner bereits mehrere Klagen gegen die Eisenbahngesellschaft erhoben. Sie werfen ,,Norfolk Southern" Fahrlässigkeit vor. Eine erste Untersuchung des Amts für Verkehrssicherheit ergab, dass das Unglück wahrscheinlich durch Probleme an einer Achse des Zuges verursacht wurde. Videoaufnahmen der Sicherheitskameras von Unternehmen entlang der Strecke zeigen schon rund dreißig Kilometer vor East Palestine Flammen und Funken unter einem Waggon. Nicht klar ist bislang, ob das dort vorhandene Warnsystem für eine Überhitzung nicht anschlug oder ob es zunächst ignoriert wurde. Laut dem Amt für Verkehrssicherheit gab es einen Alarm, nach dem dann eine Notbremsung eingeleitet wurde. Dieser könnte jedoch auch erst durch den Temperaturmesser in East Palestine ausgelöst worden sein. Die finalen Ergebnisse der Untersuchung werden für die nächsten Wochen erwartet.

Zur Beruhigung können die Bewohner von East Palestine von der Eisenbahngesellschaft bezahlte unabhängige Prüfer bestellen, die die Luftqualität bestimmen. Offiziell werden keine schädlichen Werte mehr gemessen, doch das Vertrauen in die Behörden ist geschwunden. Mehr als 450 Haushalte sollen sich laut ,,Washington Post" schon für die Prüfung angemeldet haben. Und auch Bürgermeister Conaway sagte am Wochenende, nicht nur die Aufräumarbeiten würden noch viel Zeit in Anspruch nehmen. Es werde auch,,sehr lange" dauern, bis East Palestine ,,mental" über dieses Unglück hinweg sei.


Aus: "Chemie-Zug in Ohio entgleist : Wie ein Realität gewordener Katastrophenfilm" Sofia Dreisbach, Washington (14.02.2023)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/chemie-zug-in-ohio-entgleist-giftige-stoffe-in-die-luft-gelangt-18677143.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2 (https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/chemie-zug-in-ohio-entgleist-giftige-stoffe-in-die-luft-gelangt-18677143.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on February 17, 2023, 10:08:38 AM
Quote[...] Nach dem Entgleisen eines mit Chemikalien beladenen Güterzugs im US-Bundesstaat Ohio wachsen die Sorgen der Anwohner vor gesundheitlichen Folgen. Der Direktor der US-Umweltbehörde Epa versuchte, die Menschen bei einem Besuch vor Ort zu beruhigen. Man unterstütze die örtlichen Behörden bei der Ermittlung der Auswirkungen des Unfalls und stelle sicher, dass es keine Auswirkungen auf die Trinkwasserversorgung gebe, sagte Michael Regan. Man teste sowohl das Wasser auch als die Luft regelmäßig auf gefährliche Schadstoffe. "Dieser Vorfall hat diese Gemeinde verständlicherweise in ihren Grundfesten erschüttert."

Rund 50 Waggons des Güterzugs, die teils mit Vinylchlorid und anderen Chemikalien beladen waren, waren am 3. Februar in der Gemeinde East Palestine im Osten von Ohio entgleist. Mehrere der Tankwagen gerieten in Brand. Eine riesige Rauchwolke stand über dem Ort nahe der Staatsgrenze zu Pennsylvania. Wegen der Explosionsgefahr wurden die Anwohner im Umkreis von einer Meile um den Unglücksort aufgefordert, ihre Häuser zu verlassen. Um eine Explosion zu verhindern, entschieden zuständige Behörden vor Ort, das Vinylchlorid abzulassen.

Seit dem Unfall beklagen sich die Anwohnerinnen und Anwohner über gesundheitliche Probleme – darunter Kopfschmerzen, gereizte Augen und Ausschlag. Sie werfen den Behörden unvollständige Informationspolitik vor und fühlen sich im Stich gelassen. Auch die Eisenbahngesellschaft Norfolk Southern steht in der Kritik, einer Versammlung mit Anwohnern blieb sie fern. 

Epa-Direktor Regan sagte, dass bei der Untersuchung von 480 Häusern keine Spuren von Chemikalien wie Vinylchlorid oder Chlorwasserstoff entdeckt worden seien. "Die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung hat für uns oberste Priorität", betonte auch die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre. Die örtlichen Behörden fürchten nun, dass Regen Schadstoffe in örtliche Bäche und Flüssen spülen könnte.

Anwohner von East Palestine, die über Trinkwasserbrunnen verfügen, dürften einen Test auf Kontamination anfordern, sagte der US-Senator für Ohio, J. D. Vance. "Wir müssen wissen, wie hoch die Grundwasserkontamination ist, und private Brunnentests liefern uns diese Informationen", sagte Vance.

Zudem drohen Umweltschäden. "Vier Wasserläufe auf einer Länge von 7,5 Meilen sind kontaminiert", sagte die Direktorin des Ohio Department of Natural Resources, Mary Mertz, bereits am Dienstag laut einem CNN-Bericht auf einer Pressekonferenz. "Wir haben auf der Grundlage unserer Probenahme und Modellierung etwa 3.500 tote Fische in diesem Gebiet, in diesen Bächen, Nebenflüssen und Wasserstraßen geschätzt", sagte Mertz weiter. Keine der zwölf betroffenen Arten sei gefährdet oder bedroht, aber es sei trotzdem ein Verlust für die Tierwelt. 

Gleichzeitig versuchte die Katastrophenschutzbehörde des Bundesstaates, die Anwohner zu besänftigen. Es könnten zwar Gerüche wahrgenommen werden. Das liege aber daran, dass einige der freigesetzten Schadstoffe eine niedrige Geruchsschwelle hätten. Diese Schadstoffe könnten also in einer Konzentration gerochen werden, die weit unter dem als gefährlich geltenden Wert liege.


Aus: "Chemikalienunfall verunsichert Gemeinde in Ohio" (17. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-02/ohio-zug-entgleisung-chemikalien-vinylchlorid (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-02/ohio-zug-entgleisung-chemikalien-vinylchlorid)

QuoteSensibler Zwiebelhackbraten #3

""Die Gesundheit und Sicherheit der Bevölkerung hat für uns oberste Priorität", betonte auch die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre."

Dazu haben viele betroffene Menschen offenbar eine ganz andere Meinung.


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on February 24, 2023, 11:50:03 AM
Quote[...] Es war einer der größte Einsätze der Kieler Feuerwehren seit Jahrzehnten: 2009 brannte eine Abfüllanlage für Paraffin am Ufer des Nord-Ostsee-Kanals, mehrere Tanks waren explodiert. Das Feuer wurde gelöscht, doch der Löschschaum, der damals eingesetzt worden ist, war wohl giftig: Das zeigen Bodenproben, die ein Panorama-Reporter unlängst an der Stelle des Brandes genommen hat. Das Ergebnis der Labor-Analyse des Fraunhofer-Instituts: Der Boden könnte mit PFAS verseucht sein, auch noch knapp 14 Jahre nach dem Brand. Die Chemikalien steckten offenbar im Löschschaum. Weitere Testungen sind wohl notwendig.

Bei den sogenannten PFAS, per- und polyflourierte Chemikalien, handelt es sich eine Gruppe von mehr als 10.000 künstlich hergestellten Stoffen. PFAS sind wasser-, fett- und schmutzabweisend und werden fast überall eingesetzt: Nicht nur in Löschschaum, sondern auch in Regenjacken und beschichteten Pfannen, in Kettenfett, Zahnseide, Burgerpapier, Kosmetik oder Ski-Wachs. Die Stoffe kommen in der Natur nicht vor und können weder durch Wasser, noch durch Licht oder Bakterien zeitnah abgebaut werden.

Das heißt: Je mehr PFAS produziert werden und in die Umwelt gelangen, desto mehr reichern sie sich an, und könnten Tiere und Menschen krank machen. Es wird verdächtigt, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen und das Immunsystem zu schwächen. Und wenn es einmal in die Umwelt gelangt, dann bleibt es dort. Für sehr lange Zeit.

Bislang wird in der Öffentlichkeit vor allem über einige wenige PFAS-Hotspots diskutiert. Über Felder in Rastatt in Baden-Württemberg etwa, auf denen mutmaßlich belasteter Papierschlamm verteilt wurde. Oder über den Düsseldorfer Flughafen, wo bei einem Großbrand PFAS-haltiger Löschschaum in Boden und Grundwasser floss.

Nun haben Panorama-Reporterinnen und Reporter gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen von WDR und "Süddeutscher Zeitung" erstmals für Deutschland mehr als 1.500 mit PFAS verschmutzte Orte gefunden, darunter mehr als 300 Hotspots. Und mit 18 europäischen Partnermedien haben sie im "Forever Pollution Project" in ganz Europa mehr als 17.000 Orte mit relevanter PFAS-Verschmutzung lokalisiert, darunter gut 2.000 Hotspots mit erheblichen Gefahren für die menschliche Gesundheit.


The Forever Pollution Project Journalists tracking PFAS across Europe
More than 17 000 sites all over Europe are contaminated by the "forever chemicals" PFAS, an exclusive, months-long investigation from 18 European newsrooms shows. The investigation "The Forever Pollution Project" reveals an additional 21 000 presumptive contamination sites due to current or past industrial activity. The contamination revealed by this project spreads all over Europe....
https://foreverpollution.eu/ (https://foreverpollution.eu/)

Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Bündnis 90 / Die Grünen) nennt den Umfang der Schadensfälle im Interview mit Panorama "erschreckend" - auch, weil eine Sanierung bei PFAS "fast nicht möglich" sei. "Und deshalb ist das ein so großes Problem und deshalb müssen wir dazu kommen, dass wir sie einschränken."

Fünf EU-Staaten, darunter auch Deutschland, haben vor gut zwei Wochen vorgeschlagen, die gefährlichen Stoffe nach einer Übergangsfrist ganz überwiegend zu verbieten. Lemke betont, dass die ganze Stoffgruppe der PFAS grundsätzlich überprüft und die gefährlichen Stoffe verboten werden müssten, "weil wir uns nicht leisten können, sie weiter in diesem Umfang in die Umwelt zu entlassen - mit teilweise unbekannten Folgen, aber der Sicherheit, dass sie uns Jahrzehnte oder Jahrhunderte begleiten werden."

Die Kosten für eine Sanierung dieser flächendeckenden Verseuchung sind astronomisch. Eine Studie des Nordischen Ministerrates schätzt die Kosten allein für Europa auf 17 Milliarden Dollar. Die jährlichen Kosten für die Behandlung der gesundheitlichen Folgen in Europa liegen der Studie zufolge sogar noch höher. In Deutschland haben Behörden bisher bei den allerwenigsten Schadensfällen überhaupt mit einer Sanierung begonnen. 2020 schrieb die Bundesregierung, dass bei weniger als einem Prozent aller PFAS-Verdachtsfälle die Sanierung abgeschlossen sei.

In vielen der zusammengetragenen Fälle haben die Behörden offenbar nicht einmal die Bevölkerung vor Ort informiert. So sind im Hamburger Altlastenkataster etwa 50 mit PFAS belastete Flächen erfasst, informiert wurde bisher offenbar noch kein einziger Anwohner. "Es gab bisher keine relevante Gefährdung oder direkte Betroffenheit von Bürger*innen durch PFAS kontaminierte Flächen, die eine solche Informationspflicht ausgelöst hätte", schreibt die Stadt auf Anfrage.

Wo die Bevölkerung in der Vergangenheit informiert wurde, geschah dies über Pressemitteilungen auf Internetseiten der Behörden oder Flyer in Briefkästen. Zu schwereren Kontaminationen fanden vereinzelt auch Informationsveranstaltungen statt, etwa in Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Bremen. Mecklenburg-Vorpommern schreibt, es werde "kein PFAS-Monitoring durchgeführt. Demnach erfolgt auch keine Information der Bürger."

Dabei gäbe es genügend Orte, an denen Behörden auch in Deutschland nach PFAS suchen könnten. Zahlreiche wissenschaftliche Veröffentlichungen lassen etwa vermuten, dass in der Nähe von bestimmten Industrie-Standorten die Gewässer und Böden mit PFAS verunreinigt sein könnten. In verschiedenen US-Staaten und in Frankreich suchen Behörden deshalb in der Nähe solcher Standorte ganz gezielt nach PFAS-Rückständen. In Deutschland wird das bislang nicht systematisch so gemacht. Nur einzelne Behörden, wie etwa das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW, testen regelmäßig in der Nähe solcher Standorte auf PFAS-Rückstände im Wasser.

Das Rechercheteam hat deshalb die in den USA und Frankreich genutzten Kriterien soweit möglich auf Deutschland übertragen. Dadurch haben die Reporter mehrere hundert Orte identifiziert, an denen Boden oder Grundwasser ebenfalls verschmutzt sein könnten. An diesen Stellen haben häufig noch keine Messungen stattgefunden. In ganz Europa hat das "Forever Pollution Project" sogar insgesamt mehr als 20.000 solcher möglicherweise verunreinigter Orte identifiziert.

Dazu gehören zahlreiche Flughäfen und Militärstandorte, auf denen in der Vergangenheit PFAS-haltiger Löschschaum eingesetzt wurde. Betroffen sind auch Kläranlagen und Deponien, in denen sich PFAS-haltige Abwässer und Gegenstände sammeln - denn bislang ist es selbst mit besonders teuren Verfahren nur schwer möglich, die Giftstoffe herauszufiltern oder zu verbrennen. Dazu kommen Industrien, die teilweise PFAS einsetzen oder mit PFAS kontaminierte Rohstoffe verwenden, wie die Textilindustrie, die Metallveredelung oder Altpapier verarbeitende Betriebe.

In Deutschland haben die Reporterinnen und Reporter insgesamt rund 1.000 dieser Standorte angefragt, ob sie Wasser oder Böden auf PFAS geprüft haben - der Großteil hat bisher keinerlei Messungen vorgenommen.

Dass PFAS giftig sein könnten, wusste der wichtigste Hersteller dieser Chemikalien schon seit den 1960er-Jahren. Damals entdeckte der Chemieriese DuPont, dass PFAS bei Ratten und Hasen die Leber vergrößerte. Einige Jahre später zeigten Tests, dass sich die Stoffe im Blut der Mitarbeiter anreicherten. Seit langem stehen verschiedene PFAS-Stoffe in Verdacht, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen, zur Fettleibigkeit und zu Immunschwächen bei Kindern beizutragen. Trotzdem gibt es bis heute in Deutschland keine Regeln, die den Gebrauch und die Entsorgung von PFAS systematisch begrenzen.

Vor gut zwei Wochen hat nun die zuständige EU-Behörde ECHA den Vorschlag von fünf Ländern vorgestellt, die gesamte Stoffgruppe der PFAS ganz überwiegend zu verbieten. Bislang sind nur zwei Stoffe der Gruppe verboten, PFOS und PFOA. Die insgesamt mehr als 10.000 Stoffe sollen - mit einer Übergangsfrist von wenigen Jahren - nicht mehr verwendet werden dürfen. Eine Entscheidung über das PFAS-Verbot wird wohl im Jahr 2025 fallen.


Aus: "Jahrhundertgift PFAS: Wie verseucht ist Deutschland?" (23.02.2023)
von S. Pilz, C. Felke, L. Busch, I. Schneider, S. Wippermann, M. Bewarder, J. Edelhoff, A. Hoferichter, D. Drepper
Quelle: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-eu-lobbyismus-101.html (https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-eu-lobbyismus-101.html)

"Giftige Chemikalien Wo PFAS überall Deutschland verschmutzen" (23.02.2023)
An mehr als 1500 Orten lässt sich in Deutschland das Jahrhundertgift PFAS nachweisen. Das zeigt eine Recherche von NDR, WDR und SZ. Das Problem mit den industriell produzierten Chemikalien ist damit viel größer als bisher bekannt. Von Sarah Pilz, Catharina Felke, Lea Busch, Isabel Schneider, Sarah Wippermann, Manuel Bewarder, Johannes Edelhoff, Andrea Hoferichter und Daniel Drepper, NDR/WDR
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-chemikalien-deutschland-101.html (https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-chemikalien-deutschland-101.html)

"Streit um Chemikalien Wie Bayer, BASF & Co für PFAS lobbyieren" (23.02.2023)
Erstmals könnte die EU eine ganze Stoffgruppe mit mehr als 10.000 Chemikalien verbieten. Entsprechend massiv ist der Widerstand: Laut NDR, WDR und SZ kämpfen mehr als 100 Industrieorganisationen dagegen - mit teils fragwürdigen Argumenten. Von Andrea Hoferichter, Sarah Pilz und Daniel Drepper, NDR/WDR
...  Die am stärksten vertretenen Lobbygruppen in Brüssel sind den Recherchen zufolge der europäische Verband der chemischen Industrie (CEFIC), unter der Leitung des CEO von BASF Martin Brudermüller, und Plastics Europe, die eigens für den Kampf gegen das drohende PFAS-Verbot verschiedene Expertengruppen gegründet haben.
Diese wollen vor allem das Verbot von zwei bestimmten Stoffgruppen verhindern, der fluorierten Gase und der Fluorkunststoffe, die Fachleute "Fluorpolymere" nennen. Allein zu letzteren hat der Verband die Überzeugungskraft von mehr als 70 Unternehmen und Industrieverbänden gebündelt. Von deutscher Seite waren unter anderem der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und der Verband der Chemischen Industrie (VCI) dabei. Getagt wurde wöchentlich, Behördenvertreter waren willkommen. ...
https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-eu-lobbyismus-101.html (https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/pfas-eu-lobbyismus-101.html)

Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (englisch per- and polyfluoroalkyl substances, abgekürzt PFAS) sind aliphatische organische Verbindungen, bei denen an mindestens einem Kohlenstoffatom die Wasserstoffatome am Kohlenstoffgerüst vollständig durch Fluoratome ersetzt worden sind. Da sie oder ihre Abbauprodukte in der Umwelt sehr persistent sind, werden sie auch Ewigkeitschemikalien genannt.
https://de.wikipedia.org/wiki/Per-_und_polyfluorierte_Alkylverbindungen (https://de.wikipedia.org/wiki/Per-_und_polyfluorierte_Alkylverbindungen)

...

"Chemie-Skandal in Belgien:Wahrheit, die krank macht" Tobias Müller (23.8.2023)
Chemikalien aus einer 3M-Fabrik verseuchen die Umgebung im belgischen Zwijndrecht. Gefährdete An­woh­ne­r*in­nen bereiten eine Sammelklage vor. ... Bei Bauarbeiten [in Zwijndrecht] zur Erweiterung des Antwerpener Rings wurde im Sommer 2021 entdeckt, dass der Boden mit sogenannten Ewigkeits-Chemikalien verseucht ist. Eine Blutuntersuchung bei knapp 800 Be­woh­ne­r*in­nen in einem Drei-Kilometer-Radius um die Fabrik des Chemie- und Mischkonzerns 3M ergab, dass 90 Prozent von ihnen erhöhte Werte hatten, 59 Prozent davon in einem Maß, das Gesundheitsrisiken wahrscheinlich macht. Nur 9 Prozent zeigten Werte, die als sicher gelten. ... Die 3M-Fabrik in Zwijndrecht, seit 1971 in Betrieb, stellt vor allem Halbfabrikate her, die an anderen Standorten weiterverarbeitet werden: Leim, synthetisches Gummi oder Kühlmittel für den Elektroniksektor. Dass die Fabrik 2002 die Produktion des besonders verrufenen PFOS aufgab, mag dazu beigetragen haben, dass der Handlungsbedarf weniger akut schien. Doch 2004 stellten For­sche­r*in­nen der Uni Antwerpen in einem nahen Naturschutzgebiet die höchsten je gemessenen PFOS-Werte bei Mäusen fest. Weder das flämische Umweltministerium noch die entsprechende lokale Behörde schritten ein. Beide wurden damals von grünen Politikern geleitet. ... Aus den USA meldet sich im Frühjahr Rob Billot, der ,,Dark Waters"-Protagonist, mit einer Videobotschaft. ,,In den letzten 24 Jahren habe ich alles getan, um bekannt zu machen, dass Kontaminierung durch PFAS eine massive Gefährdung der Gesundheit darstellt. Ich habe beobachtet, wie sich die Geschichte in Belgien entfaltet. Das Testen hat begonnen, und die Menschen begreifen, dass es sich um ein weltweites Problem handelt."...
https://taz.de/Chemie-Skandal-in-Belgien/!5950859/ (https://taz.de/Chemie-Skandal-in-Belgien/!5950859/)

"Chemikalien in Belgien: Nachbarschaftlich gegen Giftstoffe" Tobias Müller (24.5.2023)
Jahrelang hat der Chemiekonzern 3M in Belgien die An­woh­ne­r:in­nen gefährdet. Eine Familie klagte und bekam recht.
https://taz.de/Chemikalien-in-Belgien/!5936730/ (https://taz.de/Chemikalien-in-Belgien/!5936730/)

...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on March 21, 2023, 11:31:46 AM
Quote[...] Ein riesiger Ölteppich vor den Philippinen bedroht einen der artenreichsten marinen Lebensräume der Welt. Auf rund 10.000 Quadratkilometern Fläche hat sich das Öl mittlerweile ausgebreitet. Es wurde zuletzt auch an der Isla Verde, einer Insel mitten in der meistbefahrenen Schiffsroute der Philippinen, an Land gespült. Das teilte die Küstenwache der Provinz Batanga mit. Ihre Einheiten seien auf der Insel damit beschäftigt, die Umweltschäden durch das Öl einzudämmen, sodass dieses den Artenreichtum nicht weiter gefährde.

Ende Februar war das Schiff MT Princess Empress mit 800.000 Litern Industrieöl an Bord etwa 160 Kilometer südlich von Manila gesunken. Seitdem sind die Isla Verde, die in einer Meerenge zwischen den Inseln Mindoro und Luzon mit der Hauptstadt Manila liegt, und Teile der weiter südlich gelegenen Provinzen Oriental Mindoro, Antique und Palawan von Ölverschmutzung betroffen.

Das Öl bedrohe die Lebensgrundlage und die Gesundheit von rund 150.000 Menschen und verursache große Umweltschäden, teilte die Meeresschutzorganisation Oceana Philippines mit. Das Öl töte nicht nur die Artenvielfalt im Meer, sondern könne auch Nieren- und Lebererkrankungen bei Menschen verursachen. Die Isla-Verde-Straße gilt als einer der artenreichsten marinen Lebensräume überhaupt.


Aus: "Ölteppich vor den Philippinen bedroht Artenvielfalt" (20. März 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-03/oelteppich-philippinen-artenvielfalt-umweltschutz (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-03/oelteppich-philippinen-artenvielfalt-umweltschutz)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on March 23, 2023, 11:45:48 AM
Quote[...]

Produkt   Kurkuma-Gewürz
Hersteller   Abido
Betroffenes Sortiment   50 g Beutel
Chargen-Nummer   2-4-21/5372
Mindeshaltbarkeitsdatum   02.04.2024

Laut lebensmittelwarnung.de, dem Verbraucher- und Ratgeber-Portal der Bundesbehörde, wurden in den Kurkuma-Päckchen Rückstände von Ethylenoxid nachgewiesen. Dabei handelt es sich um ein farbloses Mittel, das in einigen Ländern zur Schädlingsbekämpfung bei Landwirtschaft eingesetzt wird. In der EU ist der Stoff allerdings seit 1991 verboten. In Deutschland ist die Anwendung sogar seit 1981 untersagt, wie die Verbraucherzentrale informiert.

Ethylenoxid wird als Desinfektionsmittel gegen Pilze und Bakterien angewandt, in erhöhten Mengen kann es allerdings gesundheitsgefährdend für den Menschen sein. Im schlimmsten Fall kann der Stoff das Erbgut verändern und Krebs erzeugen, warnt die Verbraucherzentrale Hamburg.

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit lässt daher aus Sicherheitsgründen das Produkt des Herstellers ,,Abido" zurückrufen. Betroffen vom Rückruf sind die 50-Gramm-Beutel mit der Chargennummer ,,2-4-21/5372" und Haltbarkeit bis 02.04.2024.  ,,Kunden, die das entsprechende Produkt gekauft haben, können dieses gegen Erstattung des Kaufpreises auch ohne Vorlage des Kassenbons in ihrer Einkaufsstätte zurückgeben", heißt es bei lebensmittelwarnung.de.

Dass Produkte aufgrund von fehlerhafter Herstellung oder Gesundheitsbedenken zurückgerufen werden, passiert immer wieder in Deutschland.

...


Aus: "Nächster Gewürz-Rückruf: Bundesamt warnt – Gefährlicher Giftstoff entdeckt" Romina Kunze (23.03.2023)
Quelle: https://www.fr.de/verbraucher/rueckruf-warnung-naechstes-gewuerz-bundesamt-supermarkt-gefaehrlicher-giftstoff-entdeckt-92163350.html (https://www.fr.de/verbraucher/rueckruf-warnung-naechstes-gewuerz-bundesamt-supermarkt-gefaehrlicher-giftstoff-entdeckt-92163350.html)

QuoteHans-Joachim Elflein

Anhänger von Glyphosat konsumieren bestimmt auch gerne Ethylenoxid.


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on April 05, 2023, 09:37:51 AM
Quote[...] In der Atmosphäre haben sich in den vergangenen Jahren fünf langlebige Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) angereichert, die Ozon abbauen. Die Emissionen stammten wahrscheinlich hauptsächlich aus Prozessen, die nicht den derzeitigen Kontrollen des Montrealer Protokolls unterliegen, erläutert ein Forschungsteam im Fachjournal ,,Nature Geoscience" ['Global increase of ozone-depleting chlorofluorocarbons from 2010 to 2020' https://www.nature.com/articles/s41561-023-01147-w (https://www.nature.com/articles/s41561-023-01147-w)].

Noch seien die Auswirkungen der Gesamtemissionen der fünf FCKW auf die Ozonschicht gering. Ein kontinuierlicher Anstieg in der derzeitigen Geschwindigkeit könne jedoch einen Teil der erzielten Fortschritte zunichtemachen und zusätzliche Klimaauswirkungen haben.

1987 hatten sich zahlreiche Länder im Montreal-Protokoll auf ein Ende der Produktion von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) verständigt, weil sie die Ozonschicht schädigten. Das Gas in der oberen Atmosphäre schützt die Erde vor ultravioletter Strahlung der Sonne. Seit 2010 gilt weltweit ein Produktionsverbot für FCKW, die früher unter anderem als Kältemittel, in Spraydosen und für Kunststoffschäume verwendet wurden.

FCKW können aber immer noch als Ausgangsstoffe, Zwischen- oder Nebenprodukte bei der Herstellung anderer Chemikalien freigesetzt werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Luke Western von der University of Bristol hatten anhand von Messungen an 14 Standorten weltweit untersucht, wie sich die Menge an FCKW-113, FCKW-112a, FCKW-113a, FCKW-114a und FCKW-115 zwischen 2010 und 2020 verändert hat. Im Jahr 2020 erreichten demnach alle fünf Gase ihren höchsten Stand seit Beginn der direkten Messungen.

FCKW-113a, FCKW-114a und FCKW-115 werden bei der Herstellung anderer Chemikalien verwendet – wahrscheinlich bei der Produktion von Fluorkohlenwasserstoffen (FKW), die die FCKW für viele Anwendungen ersetzt haben, wie die Wissenschaftler erläutern. Für FCKW-112a und FCKW-113 sei kein aktueller Verwendungszweck bekannt, die Ursachen des Anstiegs seien unklar. Mögliche Erklärungen seien der gezielte Abbau anderer FCKW oder eine Entstehung als Nebenprodukt.

Die fünf Substanzen haben den Angaben zufolge eine atmosphärische Lebensdauer von 52 bis 640 Jahren – schaden der Ozonschicht also über lange Zeiträume. Den Studienergebnissen zufolge entsprach die Gesamtemission der fünf FCKW im Jahr 2020 dem Äquivalent von 4200 Tonnen FCKW-11, dem am zweithäufigsten vorkommenden Fluorchlorkohlenwasserstoff. Der Erwärmungseffekt entspreche laut der Autoren dem von 47 Millionen Tonnen Kohlendioxid, was 150 Prozent der Emissionen Londons im Jahr 2018 entspreche.

,,Angesichts des kontinuierlichen Anstiegs dieser Chemikalien in der Atmosphäre ist es vielleicht an der Zeit, über eine Verschärfung des Montrealer Protokolls nachzudenken", sagte Mitautor Johannes Laube vom Forschungszentrum Jülich.

Die fünf FCKW sind nicht die einzigen Substanzen, die Experten mit Blick auf das Ozonloch Sorgen bereiten. Im Fachblatt ,,Nature Communications" schrieb ein britisch-chinesisches Forschungsteam Ende 2021, dass sich der Ausstoß von Dichlormethan in China binnen acht Jahren fast verdreifacht habe. Das könne die Erholung der Ozonschicht je nach weiterer Entwicklung der Emissionen um bis zu 30 Jahre verschieben, so die Gruppe um Minde An von der Universität Peking.

Das in der Industrie unter anderem als Lösungsmittel eingesetzte Dichlormethan zählt zu den Substanzen, die in der Atmosphäre binnen sechs Monaten abgebaut werden. Solche kurzlebigen Verbindungen sind nicht vom Montrealer Protokoll betroffen.

Ebenfalls China war der Verursacher einer Anreicherung von Trichlorfluormethan (FCKW-11) in der Atmosphäre, das zu den verbotenen FCKW gehört. In der Zeit von 2013 bis 2018 hatten Forscher aus mehreren Messungen geschlossen, dass die Substanz im Osten Chinas trotz internationalem Verbot weiter produziert und verwendet wurde, in den Jahren darauf ging der Ausstoß dann wieder zurück.

Erst im Januar hatten die Vereinten Nationen mitgeteilt, die Ozonschicht sei auf gutem Weg, sich innerhalb der kommenden Jahrzehnte zu erholen. Werde der derzeitige Weg beibehalten, dürfte sich die Ozonschicht demnach bis etwa 2066 in der Antarktis, bis 2045 in der Arktis und bis 2040 im Rest der Welt auf den Stand von 1980, vor der Bildung des Ozonlochs, erholen.

Der Schutz vor UV-Einstrahlung hat neben dem direkten Schutz etwa vor Hautkrebs eine weitere wichtige Wirkung: Ohne das Montrealer Protokoll hätte sich die Erde bereits deutlich stärker erwärmt, wie ein Forschungsteam 2021 berichtete. Bis zum Ende des 21. Jahrhunderts hätten FCKW und ähnliche Substanzen demnach einen zusätzlichen Temperaturanstieg um 2,5 Grad bewirkt.

In der Studie wurde modelliert, wie stark das Pflanzenwachstum abgenommen hätte, wenn eine ausgedünnte Ozonschicht die Erde weniger vor UV schützen würde. Bei geringerem Pflanzenwachstum wird weniger Kohlendioxid in Pflanzen gebunden. Zudem sind bestimmte ozonzerstörende Substanzen auch äußerst wirksame Treibhausgase.


Aus: "Löcher im Ozonschutz: Fünf zerstörerische Chemikalien reichern sich in der Atmosphäre an"  Annett Stein (05.04.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/locher-im-ozonschutz-funf-zerstorerische-chemikalien-reichern-sich-in-der-atmosphare-an-9610991.html (https://www.tagesspiegel.de/wissen/locher-im-ozonschutz-funf-zerstorerische-chemikalien-reichern-sich-in-der-atmosphare-an-9610991.html)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on April 13, 2023, 12:02:45 PM
Quote[...] Im US-Bundesstaat Indiana gerät ein Großfeuer in einem Industriegebiet außer Kontrolle. Durch brennendes Plastik breitet sich eine riesige Giftwolke über der Stadt Richmond aus, Tausende müssen ihre Häuser verlassen. Die Feuerwehr ist zum Rückzug gezwungen und befürchtet einen mehrere Tage anhaltenden Brand.


Aus: "Mega-Giftwolke erzwingt Massenevakuierung in Indiana" (12.04.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Mega-Giftwolke-erzwingt-Massenevakuierung-in-Indiana-article24047519.html (https://www.n-tv.de/mediathek/videos/panorama/Mega-Giftwolke-erzwingt-Massenevakuierung-in-Indiana-article24047519.html)

-

Quote[...] Washington. Die schwarzen Rauchwolken über Richmond im US-Bundesstaat Indiana waren so riesig, dass sie selbst von den Kameras der Wetter-Satelliten erfasst werden konnten. In der 35.000-Einwohner Stadt östlich von Indianapolis brennt seit Dienstag auf über 50.000 Quadrameter Fläche eine Recycling-Anlage für Plastik-Artikel. Auslöser: bisher unbekannt.

Im Umkreis von rund einem Kilometer um die Unglücksstelle wurden bis Mittwoch rund 2000 Anwohner evakuiert, teilte Feuerwehr-Chef Tim Brown mit. Wer außerhalb der Gefahrenzone lebt, ist gehalten, sich nicht im Freien zu bewegen, die Klima-Anlage auszuschalten, Fenster zu schließen und Haustiere nicht vor die Tür zu lassen. Jedenfalls solange, bis die Toxizität der in Flammen aufgegangenen Kunststoffe zweifelsfrei festgestellt ist.

Christine Stinson, die Chefin des lokalen Gesundheitsamtes, rief am Mittwochnachmittag vor Journalisten zu erhöhten Vorsichtsmaßnahmen auf. ,,Was da brennt, sind sehr feine Partikel. Beim Einatmen können sie vielfältige Atemproblemen auslösen und zum Beispiel Asthma verschlimmern."

Nach der Erfahrung im vier Stunden entfernten East Palestine setzte die staatliche US-Umweltbehörde EPA umgehend Prüfer in Gang. Im Nachbar-Bundesstaat Ohio entgleisten im Februar Dutzende Güterzug-Waggons mit hochgiftige Chemikalien. Etliche Anwohner klagten über Atembeschwerden, Haut-Ekzeme und Kopfschmerzen.

Erst nach gut einer Woche traten die Behörden auf den Plan, was der Regierung von Joe Biden als Fehler angekreidet wurde. Diesmal rief der Präsident, der sich zurzeit auf Staatsbesuch in Irland befindet, den Gouverneur von Indiana, Eric Holcomb (Republikaner), umgehend an, um Hilfe der Zentralregierung anzubieten.

Unterdessen griff Richmonds Bürgermeister Dave Snow die Eigentümer des Geländes und der dort tätigen Firma massiv an. ,,Es gab eine städtische Anordnung zur Reinigung des Areals, der mehrfach nicht nachgekommen wurde. Das ist fahrlässig und unverantwortlich."

Feuerwehr-Chef Brown erklärte am Abend, der Brand sei halbwegs unter Kontrolle. Bis das Feuer vollständig gelöscht sei, würden allerdings noch einige Tage vergehen.


Aus: "USA: Großbrand in Recycling-Fabrik – Angst vor giftigem Rauch" Dirk Hautkapp (13.04.2023)
Quelle: https://www.morgenpost.de/vermischtes/article238130793/usa-richmond-indiana-grossbrand-recycling-fabrik-gefahr-anwohner.html (https://www.morgenpost.de/vermischtes/article238130793/usa-richmond-indiana-grossbrand-recycling-fabrik-gefahr-anwohner.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on June 17, 2023, 02:56:47 AM
"Fehlbildungen durch Glyphosat bestätigt" Nadja Podbregar (13. Juni 2023)
Herbizid verursacht schon in geringer Konzentration Entwicklungsstörungen bei Amphibien ... Während die EU über eine Zulassungsverlängerung für das umstrittene Herbizid Glyphosat berät, bestätigt eine Studie (Universität Ulm) dessen Schadwirkung auf Amphibien – und möglicherweise andere Organismen. Demnach verursacht Glyphosat schon in geringen Konzentrationen massive Fehlbildungen bei Kaulquappen. Dies gilt auch für den reinen Wirkstoff ohne weitere chemische Zusätze. Sogar am weltweiten Amphibiensterben könnte das Mittel mitschuld sein, wie das Team erklärt. ... ,,Überraschend für uns war, dass einige Defekte bereits bei der niedrigsten Konzentration auftraten, die wir getestet haben, also bei 0,1 Milligramm pro Liter", berichtet Flach. ,,Das sind Konzentrationen, die in natürlichen Gewässern in vielen Ländern teils mehrfach überschritten werden." ...
https://www.scinexx.de/news/medizin/fehlbildungen-durch-glyphosat-bestaetigt/


"Glyphosate without Co-formulants affects embryonic development of the south african clawed frog Xenopus laevis"
Ecotoxicology and Environmental Safety
Volume 260, 15 July 2023
A treatment with GLY affected various morphological endpoints in X. laevis tadpoles (body length, head width and area, eye area). Additionally, GLY interfered with the mobility as well as the neural and cardiac development of the embryos at stage 44/45. We were able to detect detailed structural changes in the cranial nerves and the heart and gained insights into the negative effects of GLY on cardiomyocyte differentiation. ...
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0147651323005845?via%3Dihub (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0147651323005845?via%3Dihub)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on July 16, 2023, 11:35:05 AM
Quote[...] In einigen Seen gibt es eine höhere Konzentration an Mikroplastikteilen als in (damit hochbelasteten) Ozeanen. Das hat ein internationales Forschungsteam bei der Untersuchung des Wassers von 38 Seen und Stauseen, die in 23 Ländern liegen, herausgefunden. Die Forscherinnen und Forscher, deren Ergebnisse im Fachmagazin "Nature" veröffentlicht wurden, fanden in allen untersuchten Gewässern Mikroplastik, sogar in Seen, die sich in sehr entlegenen und kaum besiedelten Gebieten befinden.


Article - Published: 12 July 2023
Plastic debris in lakes and reservoirs
https://www.nature.com/articles/s41586-023-06168-4 (https://www.nature.com/articles/s41586-023-06168-4)

"Unsere Ergebnisse zeigen zum ersten Mal ein umfassendes Bild der Plastikverschmutzung in Seen. Sie verdeutlichen, wie wichtig es ist, Seen und Stauseen in den Kampf gegen die Mikroplastikverschmutzung einzubeziehen, sowohl für das Management als auch für den Erhalt der Ökosystemleistungen der Seen", sagt Professor Hans-Peter Grossart, der an der Studie beteiligt war, laut Mitteilung des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Besonders überrascht waren die Forschenden demzufolge vom Ausmaß der Verschmutzung in einigen Seen, denn diese übertraf in den am stärksten belasteten Seen sogar die Konzentrationen, die in den subtropischen Ozeanwirbeln aus Plastik in anderen Untersuchungen gemessen wurden.

13. Juli 2023: Pressemitteilung -Nadja Neumann
Mikroplastik: Einige Seen stärker belastet als die Ozeane
https://www.igb-berlin.de/news/mikroplastik-einige-seen-staerker-belastet-als-die-ozeane (https://www.igb-berlin.de/news/mikroplastik-einige-seen-staerker-belastet-als-die-ozeane)

Um möglichst viele verschiedene Typen von Seen in die Untersuchung mit einzubeziehen, suchten die Forschenden nach einer Reihe von verschiedenen Gewässern, die sich in Größe, Tiefe sowie der Besiedlungs- und Versiegelungsdichte im angrenzenden Umland unterschieden. An den weltweit verteilten Standorten wurden dann durchschnittlich 140 Kubikmeter Wasser gefiltert und alle Mikroplastikteile, die größer als 0,25 Millimeter waren, gezählt sowie die Art des Kunststoffs bestimmt. Die meisten Kleinstteile waren aus Polyester, Polypropylen und Polyethylen. Die Forschenden gehen davon aus, dass 49 Prozent davon auf Kunststofffasern und 41 Prozent auf sogenanntes "sekundäres Mikroplastik" zurückzuführen ist, das beispielsweise bei Zersplitterung größerer Kunststoffteile entsteht.

Bei der ersten standardisierten Untersuchung dieser Art wurden in allen Seen, die zu Proben herangezogen wurden, winzige Teilchen von Plastik nachgewiesen, sogar in entlegenen Gegenden, wie im Lake Tahoe in der Sierra Nevada oder in Bergseen. Prinzipiell unterschieden sich aber die gefundenen Konzentrationen von Plastikpartikeln von See zu See stark voneinander. Sie variierten von 0,01 bis zu mehr als 10 Partikel pro Kubikmeter Wasser. 45 Prozent der untersuchten Seen wiesen mehr als einen Partikel pro Kubikmeter auf, die am stärksten verschmutzten mehr als zehn Partikel pro Kubikmeter.

Besonders bedenkenswert: Auch Seen, die zur Trinkwassernutzung herangezogen werden, tauchen in der Liste mit der höchsten Mikroplastikbelastung auf. Dazu gehören der Lago Maggiore in Italien, der Luganer See, der zu Italien und der Schweiz gehört, der Lake Tahoe in den USA und der Lake Neagh in Großbritannien.

Bei den genannten Beispielen handelt es sich um große Seen, die von vielen Menschen auch in der Freizeit genutzt werden. Doch in großen und tiefen Seen hat das Wasser auch eine lange Verweildauer, sodass sich Kunststoffe darin schnell ansammeln. "Solche Seen fungieren als 'Fallen' für Plastik und können im Laufe der Zeit erhebliche Mengen an Mikroplastik ansammeln", erklärt Stella Berger laut IGB-Mitteilung, die ebenfalls an der Untersuchung beteiligt war.

In Deutschland überraschten die hohen Mikroplastikwerte in Form von Mikrofasern, die im Großen Stechlinsee nachgewiesen wurden, schreiben die Forschenden. Vor allem, weil das Ufer des Sees in Brandenburg weitgehend naturbelassen und von Buchenwald umgeben ist. Grossart vermutet, dass die Fasern im Wasser vor allem von der Kleidung von Badenden stammen.

Auch wenn es sich bei den Ergebnissen der aktuellen Studie um Momentaufnahmen handelt, kommen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen zu dem Schluss, dass Verschmutzungen durch Mikroplastik in Seen vielfache negative Auswirkungen sowohl auf die Qualität des Trinkwassers als auch auf Wasserorganismen und Ökosysteme hat. ...

Quelle: ntv.de, jaz


Aus: "Mikroplastik in Seen überrascht Forschungsteam" (16.07.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/wissen/Mikroplastik-in-Seen-ueberrascht-Forschungsteam-article24261918.html (https://www.n-tv.de/wissen/Mikroplastik-in-Seen-ueberrascht-Forschungsteam-article24261918.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on July 25, 2023, 12:17:40 PM
Quote[...] Nach einem Unfall in einer Kläranlage in Lettland sind nach offiziellen Angaben große Mengen schadstoffhaltiger Abfälle in die Ostsee gelangt. Nach dem Einsturz einer Wand der Anlage am Sonntag in der Hafenstadt Liepāja seien mindestens 1.250 Tonnen schwefelhaltiger Schlamm ausgetreten, teilten die Behörden mit. Die lettische Gesundheitsaufsicht ordnete die Schließung von Stränden an und verbot das Baden in der Ostsee.

Die nationale Umweltschutzbehörde leitete eine Untersuchung des Unfalls ein. Ihren Angaben zufolge werden weiterhin 400 Tonnen Abfall pro Stunde ins Meer gespült.

"Wir wissen nicht, wann es uns gelingen wird, die kaputten Schlammtanks zu reparieren", sagte der Bürgermeister von Liepāja, Gunārs Ansiņš. Er rate daher allen Einwohnerinnen und Einwohnern, "weniger Wasser in die Toilette zu schütten", denn nun würden "alle Abwässer ins offene Meer geleitet".

Es bestehe jedoch "keine Gefahr für die Gesundheit", teilte Bürgermeister Ansiņš weiter mit. "Wir tun alles, was möglich ist, um die Einleitung von Schadstoffen in die Ostsee so schnell wie möglich zu stoppen." Die Wasserqualität werde genau überwacht.

Nach Angaben des Geschäftsführers des für die städtische Wasserversorgung und das Recyclingsystem zuständigen Betreibers war das beschädigte Gebäude relativ neu. Es wurde demnach erst 2009 gebaut. Die Geologin Baiba Grinberga schrieb hingegen auf Facebook, dass "geotechnische Untersuchungen bereits vor 20 Jahren auf instabilen Boden" in der Region hingewiesen hätten. Die Recyclinganlage sei aber trotzdem gebaut worden.


Aus: "Massive Verschmutzungen in der Ostsee nach Kläranlagenunfall" (25. Juli 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-07/lettland-klaeranlage-unfall-ostsee-umweltverschmutzung (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-07/lettland-klaeranlage-unfall-ostsee-umweltverschmutzung)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 03, 2023, 09:38:40 AM
Quote[...] Am Golf von Mexiko haben die Ausläufer eines mehr als 100 Quadratkilometer großen Ölteppichs offiziellen Angaben zufolge zahlreiche Strände erreicht.

Das im Meer befindliche Erdöl habe sich ,,an allen Stränden des Golfs verteilt", erklärte der stellvertretende Staatsanwalt für Umweltdelikte des südostmexikanischen Bundesstaats Campeche, Alejandro Brown Gantús.

Bereits Mitte Juli hatten mehrere mexikanische Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf den Erdöl-Austritt hingewiesen und ,,völlige Intransparenz" der Behörden beklagt.

Vize-Staatsanwalt Brown Gantús erklärte gegenüber der Nachrichtenagentur AFP, er befürchte ,,schwere Umweltschäden".

In Campeche hatten Umweltschützer in den vergangenen Tagen nach Beobachtung von AFP-Journalisten einen rund 500 Meter langen Strandabschnitt gereinigt, vor dem das Wasser durch schwarze Flecken verunreinigt war.

In den vergangenen Tagen hatte das mexikanische Nachrichtenportal ,,El País" berichtet, das Erdöl habe die vier südostmexikanischen Bundesstaaten Campeche, Tabasco, Tamaulipas und Veracru erreicht, aus dem bei Touristen besonders beliebten Bundesstaat Cancún wurden bisher keine Erdölflecken gemeldet.

Mehrere NGOs, darunter Greenpeace, hatten bereits am 18. Juli von einem 400 Quadratkilometer großen Ölteppich im Golf von Mexiko berichtet.

Die Organisationen hatten ihn nahe einer Erdölplattform verortet, auf der es am 7. Juli eine Explosion und einen Brand gegeben hatte, bei der zwei Arbeiter ums Leben gekommen waren. Der Austritt von Erdöl war den NGOs zufolge aber bereits am 4. Juli festzustellen.

Das staatliche Erdöl-Unternehmen Pemex bestritt die Berichte über das Ausmaß des Ölteppichs. Es sei Anfang Juli lediglich zu einem ,,natürlichen Austritt von Kohlenwasserstoff" gekommen.

Das Leck sei am 22. Juli abgedichtet worden. (AFP)


Aus: "Nach Explosion auf Bohrinsel: Erdöl erreicht Strände in Mexiko" (03.08.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/internationales/nach-explosion-auf-bohrinsel-erdol-erreicht-strande-in-mexiko-10254661.html (https://www.tagesspiegel.de/internationales/nach-explosion-auf-bohrinsel-erdol-erreicht-strande-in-mexiko-10254661.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 11, 2023, 12:27:00 PM
Quote[...]  Knapp 30 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt, ein wenig nördlich der elsässischen Stadt Mulhouse, liegt das Gelände des ehemaligen Kalibergwerks Mines de Potasse. Hinter einem hohen Metallzaun ragen zwei Fördertürme in den bewölkten Himmel: Joseph links, Else rechts. Die roten Räder auf den Türmen, die früher die Aufzüge mit den Bergleuten in und das Salz aus der Mine befördert haben, stehen still.

Seit 2002 wird hier kein Kalisalz mehr gefördert. Das Gelände hinter dem Zaun ist nicht viel größer als ein großer Supermarktparkplatz – aber 500 Meter darunter erstrecken sich kilometerweit die alten Gänge und Stollen des Salzbergwerks. Durchlöchert wie ein Schweizer Käse ist das Elsass an dieser Stelle, sagen Ortskundige. Problematisch wird es, wenn man nochmal 25 Meter weiter nach unten geht, unter die alten Salzminen.

Hier lagern, in einem Gitternetz aus Gängen, 42.000 Tonnen giftiger Industriemüll. Quecksilber, Asbest, Chrom, Pflanzenschutzmittel, alles in große Plastiksäcke – sogenannte BigBags – verpackt.

Direkt darüber erstreckt sich im Rheingraben das größte Grundwasserreservoir Europas, von Basel bis nach Mainz. Auf deutscher und französischer Seite hängen sieben Millionen Menschen von dieser Trinkwasserversorgung ab.

Ex­per­t*in­nen schätzen, dass das Lager in spätestens 70 Jahren voll Wasser laufen wird. Umweltschutzorganisationen und die regionale Politik fürchten, dass der hochgiftige Müll dann das Grundwasser und den Rhein kontaminieren könnte. Außerdem weisen sie darauf hin, dass in Stocamine immer noch illegal eingelagerte brennbare Stoffe liegen.

Seit über 20 Jahren fordern Umweltverbände wie der BUND und Protestgruppen wie Destocamine, die Säcke zu bergen. Die Betreiberfirma Mines de potasse d'Alsace (MDPA), deren alleiniger Eigentümer der französische Staat ist, will aber lieber versiegeln lassen. Zu viele Giftstoffe seien schon ausgetreten, man könne keine Mi­nen­ar­bei­te­r*in­nen mehr dort hinunterschicken.

Sechs Meter dicke Betonwände sollen deshalb vor alle Zugänge gegossen werden und verhindern, dass der Giftcocktail aus dem Lager herausgespült werden könnte. Oben, neben dem Turm Joseph, stehen schon die Silos bereit, in denen Zement und Sand dafür gemischt werden sollen. Ab September soll mit den Versiegelungsarbeiten begonnen werden, so der Plan der französischen Regierung.

,,Eigentlich dürfte hier gerade gar nicht gearbeitet werden", kommentiert Roland Dübel einige geschäftige Ar­bei­te­r*in­nen auf dem Förderturm Else, die man außerhalb vom Rand des Geländes aus beobachten kann. Dübel war früher als Techniker für die Sicherheit auf dem Gelände und in der Salzmine zuständig. Heute ist er Mitglied in der Überwachungskommission des Lagers.

Die Betreiberfirma ist verpflichtet, eine solche Überwachungskommission aus An­woh­ne­r*in­nen, Mitarbieter*innen, Verwaltungsangestellten und regionalen Po­li­ti­ke­r*in­nen einzusetzen. Die Kommission trifft sich regelmäßig, sie wird zu allen Beschlüssen und Vorkommnissen informiert und sie begutachtet – zumindest soweit möglich – das Lager.

Im Juli 2021 hatten lokale In­ves­ti­ga­ti­v­jour­na­lis­t*in­nen der Zeitung Rue89 Strasbourg Beweise dafür zusammengetragen, was kritische Be­ob­ach­te­r*in­nen schon lange vermuten: In Stocamine liegen nicht nur giftige, sondern auch illegal eingelagerte Abfälle [https://www.rue89strasbourg.com/stocamine-opposants-confinement-dechets-distribuent-eau-potable-wittelsheim-264507 (https://www.rue89strasbourg.com/stocamine-opposants-confinement-dechets-distribuent-eau-potable-wittelsheim-264507)].

Der Umweltverband Alsace Nature hat daraufhin eine Klage vor dem Gericht in Straßburg eingereicht. Aktuell befindet sich die Klage noch im Berufungsverfahren. Die Vorbereitungsarbeiten für die Versiegelung müssen deshalb erst einmal pausieren. Trotzdem fahren an diesem Tag Mitte Juli ein paar Schaufellader über das Gelände, was genau sie machen, kann sich Roland Dübel auch nicht erklären.

Dabei ist die endgültige Entscheidung für die Versiegelung noch nicht offiziell. Aber der französische Minister für ökologische Transformation, Christoph Béchu, kündigte bei einem Treffen mit elsässischen Abgeordneten Ende Juli an: Ja, der Beschluss für die endgültige Versiegelung werde derzeit ausgearbeitet und soll im September präsentiert werden. Béchus Position in der Diskussion ist bekannt: Er will Stocamine zubetonieren.

130.000 Kubikmeter Beton müssten dafür über den Schacht Joseph in die Mine hinabgelassen werden. Wie viel das den französischen Staat kosten wird, beziffert die Betreiberfirma nicht genau. Dafür weist sie darauf hin, dass eine Bergung der Abfälle die französischen Steu­er­zah­le­r*in­nen 470 Millionen Euro kosten würde.

Unabhängige Experten, darunter auch der Geologe Marcos Buser, der das Projekt jahrelang begleitet hat, kritisieren diese Schätzung als viel zu hoch, verglichen mit ähnlichen Projekten in Deutschland. Sie gehen eher von Kosten von maximal 100 Millionen Euro aus. Wie viel es kosten würde, das Grundwasser im Rheingraben zwischen Basel und Mainz und den Rhein von giftigen Abfällen zu befreien, darauf will oder kann Minister Béchu bisher keine Antwort geben. Sicher ist nur: Schon der Unterhalt des Lagers kostet pro Jahr zwischen 5,5 und 8 Millionen Euro.

Unter dem Wittelsheimer Boden stürzen die Hohlräume und Gänge, in denen der Müll gelagert wird, nämlich mehr und mehr in sich zusammen. In einem Video auf der Webseite der Betreiberfirma MDPA sind rissige Gesteinswände und mit Drahtgittern abgestützte Deckengewölbe zu sehen. Wasser tritt durch die Risse im Gestein und läuft in die Mine.

,,Vor 20 Jahren wäre es noch einfacher gewesen, die Abfälle herauszuholen", sagt Romain Challamel, der technische Direktor der MDPA, in einem Interview mit dem Fernsehsender. ,,Heute haben wir leider das Problem, dass schon zu viele Giftstoffe in den Lagern ausgetreten sind, um noch Bergeteams dort hineinzuschicken."

Roland Dübel hingegen ist davon überzeugt, dass es technisch möglich ist, die Mine doch noch zu stabilisieren und den Müll zu bergen. ,,Es ist ganz normal, dass Minen abgestützt werden müssen. Als Minenarbeiter ist man es gewohnt, zuallererst für seine eigene und die Sicherheit seiner Kameraden zu sorgen."

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden unter dem Boden, auf dem er heute steht, große Kalisalzvorkommen entdeckt. Die Mines de Potasse d'Alsace wurden gebaut und Kalisalz gefördert: ein Rohstoff, aus dem zum Beispiel Kaliumdünger hergestellt wird. In den 90er Jahren begann dann die Planung des Projekts Stocamine zur Einlagerung von giftigen Industrieabfällen, etwa 25 Meter unter der Salzmine.

Der Amtsbezirk Haut-Rhin genehmigte damals das Projekt unter drei Bedingungen: 100 Arbeitsplätze sollten geschaffen werden, das Projekt soll von einem Recherchepool der Universität Mulhouse begleitet werden, der zum Beispiel zum Recycling der Abfälle forscht. Außerdem sollen die Abfälle jederzeit wieder geborgen werden können. 13 verschiedene Abfallkategorien wurden definiert, die im Lager angenommen werden sollten. Brennbare Materialien und radioaktive Abfälle waren nicht erlaubt.

Ab 1999 rollten die ersten Mülltransporte auf dem Gelände bei Wittelsheim an. 2002 brannte das Lager für mehrere Wochen. Seitdem liegen Mine und Lager still, kein Salz wird mehr gefördert, kein neuer Müll mehr darunter eingelagert. Ein Recherchepool war nie gegründet worden, Arbeitsplätze wurden laut der Organisation Destocamine nur 27 geschaffen. Geblieben sind nur die teils unbekannten Abfälle im Elsässer Boden.

Seitdem diskutieren Politiker*innen, Betreiberfirma und Umweltschutzverbände, was mit diesen Abfällen weiter passieren soll. Zwar wurde zwischen 2014 und 2017 ein Teil der giftigsten Abfälle geborgen, der Rest liegt aber bis heute unter der alten Salzmine. Wie genau es dort unten aussieht, wisse niemand, sagt Philippe Aullen.

Der 60-jährige Aullen ist wie sein Kollege Dübel Teil der Überwachungskomission des Lagers und engagiert sich mit der Organisation Destocamine gegen seine Versiegelung. Er organisiert gemeinsam mit seinem Kollegen Yann Flory, dem Sprecher von Destocamine, Treffen mit französischen und deutschen Politiker*innen, informiert über das Lager und initiiert Demonstrationen.

Mit der Kommission konnte er im Mai die Mine besichtigen und sich ein Bild der Lage machen. Allerdings war Aullen nur in der Mine, nicht in den Räumen, in denen der Müll lagert. Weder die Mitglieder der Überwachungskommission noch die Mit­ar­bei­te­r*in­nen der MDPA selbst hätten Zugang zu den vergifteten Räumen, erzählt er. Aullen schätzt, dass die letzten, die den Müll zu Gesicht bekommen haben, die Mit­ar­bei­te­r*in­nen der Firma sind, die bis 2017 für die Bergung der giftigsten Abfälle zuständig war.

,,Es wurde ein Cocktail an hochgiftigen Dingen eingeliefert", sagt auch Aullens deutscher Kollege Axel Mayer am Telefon. Er war Mitglied des BUND und seit 1997 bei Protesten gegen Stocamine dabei. Lasche Eingangskontrollen hätten dazu geführt, dass nicht genau protokolliert worden sei, welche Stoffe in welchen Mengen unter Tage gelagert wurden, so Mayer.

Die meisten der angelieferten BigBags wurden gar nicht aufgemacht, bei anderen wurde nur eine Probe von 200 Gramm auf den oberen Zentimetern des Inhalts genommen – das zeigt die Recherche von Rue89. So sind wohl auch die Materialien in das Lager gelangt, die 2002 zu dem Brand geführt hatten. Auch wenn ein Teil dieser illegal gelagerten Stoffe zwischen 2014 und 2017 wieder heraus geholt wurden – Axel Mayer geht wie andere kritische Be­ob­ach­te­r*in­nen davon aus, dass immer noch illegal eingelagerte Abfälle in der Deponie sind.

Durch Risse im Gestein, Bohrlöcher oder die Zugangsschächte kann Grundwasser aus dem Reservoir darüber in das Lager sickern, wo es dann durch die giftigen Abfällen kontaminiert wird. ,,Eine Betonversiegelung verhindert nicht, dass Grundwasser in das Lager läuft. Eine Mine kann niemals 100 Prozent dicht abgeschlossen werden", sagt Dübel. ,,Da unten laufen ununterbrochen Pumpen, um das einsickernde Grundwasser wieder herauszupumpen."

Er deutet auf den Boden, auf dem er steht. Über einen längeren Zeitraum betrachtet werden die Hohlräume, in denen der Müll lagert, von den Erdmassen darüber zusammengedrückt. Die Mischung aus Wasser und Müll wird dann wie aus einem Schwamm durch ebenjene Risse, Bohrlöcher und Schächte nach oben in das Grundwasser gepresst. Dies zeigen auch die Forschungen von Marcos Buser. Der Schweizer Geologe beriet die MDPA schon bei der Planung des Lagers und erzählt der taz am Telefon, dass er davon ausgeht, dass das Grundwassers in den nächsten 100 bis 150 Jahren verunreinigt werden wird: ,,Mit der Versiegelung exportieren wir das Problem in die Zukunft", sagt er. ,,Eine Mine ist kein Endlager – auch nicht, wenn man sie versiegelt."

Die MDPA selbst wollte trotz mehrfachen Kontaktversuchs durch die taz keine persönliche Stellungnahme zu Stocamine abgeben. Aber sie verweisen auf ihrer Webseite auf eine Studie, die davon ausgeht, dass das vergiftete Wasser erst in 20.000 Jahren wieder aus dem versiegelten Lager austritt.

,,Unter den Teppich kehren, das ist die Strategie der französischen Politik im Umgang mit diesem Problem", sagt Sandra Regol bei einer Limonade in einer Straßburger Kneipe. Sie ist Abgeordnete der Grünen in der Assemblée Nationale, der französischen Nationalversammlung, und engagiert sich gegen die Versiegelung des Giftmülllagers. Gerade kommt Regol aus Paris zurück. Dort ist sie zwei Tage pro Woche und versucht die Interessen aus ihrem Wahlkreis in die große Politik zu tragen. Hier im Elsass seien alle gegen die Versiegelung der Deponie. ,,Grüne, konservative und sogar rechte Abgeordnete arbeiten zusammen, um das zu verhindern."

Für Paris sei Stocamine aber perfekt, um ein Exempel zu statuieren, schätzt Regol. ,,Und irgendwann wird Zubetonieren die gängige französische Praxis im Umgang mit Problemmüll." Die könnte dann auf andere umstrittene Lager übertragen werden, fürchtet sie. So zum Beispiel auf das Atommüllzwischenlager in Bure nahe der Schweizer Grenze. ,,Wir sind darauf angewiesen, dass auch aus Deutschland diplomatischer Druck kommt. Die französische Regierung muss verstehen, dass dies nicht nur eine nationale Entscheidung ist, sondern weitreichende Folgen für alle umliegenden Länder haben wird", sagt die Abgeordnete Regol.

Bärbel Schäfer, Präsidentin des Regierungspräsidiums Freiburg sieht, anders als Regol, das Grundwasser für baden-württembergische Bür­ge­r*in­nen nicht gefährdet. Als Regierungspräsidentin vertritt sie die Anliegen der Region bei der baden-württembergischen Landesregierung. Sie verweist auf dieselben Studien wie die MDPA, die nicht von einer akuten Gefährdung des Trinkwassers ausgehen. Trotzdem habe die Landesregierung französische Behörden aufgefordert, den Müll zu bergen und das Grundwasser zu überwachen. Darüber hinaus sieht Schäfer aber wenig Einflussmöglichkeiten: ,,Die Entscheidung der französischen Regierung müssen wir erst mal so akzeptieren", sagt sie am Telefon.

,,Wir können nur hoffen, dass die Klage von Alsace Nature gegen die Versiegelung in letzter Instanz doch noch durchkommt", sagt Regol in Straßburg. Wann das Gericht die Entscheidung fällt, weiß die Abgeordnete nicht. An eine Kehrtwende der Politik glaubt sie indes nicht mehr: ,,Auf eine Erleuchtung unseres Ministers für ökologische Transformation brauchen wir, denke ich, nicht mehr zu hoffen."

Alain Carrier, der zuständige Unterpräfekt in Mulhouse, hat am 27. Juli bereits seine Zustimmung zur Versiegelung gegeben. Sie alle verweisen auf die Studien, die von der MDPA in Auftrag gegeben wurden und eine Gefährdung für das Grundwasser erst in vielen tausend Jahren sehen.

Doch genau das sei das Problem an diesen Studien, sagt Philippe Aullen vor Ort bei der Mine: ,,Diese Studien wurden alle von der Betreiberfirma beauftragt, also vom französischen Staat finanziert – unabhängige Ex­per­t*in­nen kommen zu anderen Ergebnissen." Deshalb hat der Umweltschutzverband Alsace Nature gemeinsam mit dem BUND auf deutscher Seite Mitte Juli ein Crowdfunding gestartet – um eine unabhängige Kommission von Ex­per­t*in­nen zu bezahlen, die das Risiko einer Versiegelung nochmal neu bewertet.

Eine weitere Möglichkeit, gegen die Versiegelung vorzugehen, wäre eine Klage wegen Ökozid einzureichen. Die Stop Ecocid Foundation setzt sich aktuell dafür ein, dass Ökozid vor dem Internationalen Strafgerichtshof als ein internationales Verbrechen anerkannt wird. Gravierende Umweltschäden, die ,,mutwillig" in Kauf genommen werden, könnten dann wie Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt werden. Der französische Ableger von Stop Ecocid prüfe das derzeit auch für Stocamine in Wittelsheim, bestätigt eine Sprecherin auf taz-Anfrage.

Technologien zur Bergung von giftigem Müll werden auf der deutschen Rheinseite schon entwickelt. Dagmar Dehmer ist Leiterin der Unternehmenskommunikation bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Das Problem von giftigen Abfällen in einem maroden Bergwerk kennt sie gut, erklärt sie am Telefon. Die BGE sucht aktuell eine Lösung zur Bergung der radioaktiven Abfälle im 100 Jahre alten Salzbergwerk Asse im niedersächsischen Wolfenbüttel.

Ähnlich wie bei Stocamine im Elsass läuft hier Wasser in die Mine, das Gestein verschiebt sich und die Lagerräume und Gänge sind instabil. Bis 2033 soll hier eine Lösung für die Bergung des radioaktiven Mülls gefunden werden. ,,Dafür muss ein neuer Schacht gebohrt werden. Dann müssen die gefährlichen Abfälle mit ferngesteuerter Bergtechnik, vergleichbar mit Tunnelbohrmaschinen, aus dem Gestein herausgekratzt, in Überbehälter verpackt und heraustransportiert werden", erklärt sie.

Dehmer kann sich vorstellen, dass eine ähnliche Technik auch für Stocamine im Elsass angewandt werden könnte. Technisches Vorbild für die nötige Bergtechnik findet sich nur 90 Kilometer nördlich von Mulhouse, auf der deutschen Seite des Rheins. Hier stellt die Firma Herrenknecht Tunnelbohrmaschinen her, auf deren Prinzip man für die Bergungsmaschinen aufbauen könnte, schätzt Dehmer.

,,Hier, das Gebäude hinter dem Turm Joseph, das ist das Maschinenhaus. Da sind der Motor und die Zahnräder drin, über die man früher das Salz aus der Mine gezogen hat", sagt Roland Dübel, und zeigt auf ein rotes Backsteingebäude, aus dem Drahtseile hin zu dem roten Rad auf dem Förderturm Joseph verlaufen. Ein bisschen wehmütig betrachtet er das Gelände, auf dem er früher gearbeitet hat. ,,Die ganze Technik da drin funktioniert noch", erklärt er.

Das nächste Mal könnte sie in Gang gesetzt werden, um den Beton, der hier schon für die Versiegelung vorbereitet wird, unter Tage zu bringen.



Aus: "Sondermülllager in Frankreich: Auf einem Haufen Giftmüll" Tim Kemmerling, Luise Mösle (11.8.2023)
Quelle: https://taz.de/Sondermuelllager-in-Frankreich/!5952377/ (https://taz.de/Sondermuelllager-in-Frankreich/!5952377/)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on August 11, 2023, 09:09:51 PM
Quote[...] Der seit Jahren vor der Küste Jemens rostende Öltanker FSO Safer ist leergepumpt. Die mehr als eine Million Barrel Öl, also 159 Millionen Liter, seien vollständig auf ein von den Vereinten Nationen gekauftes Schiff umgeladen worden, sagte UN-Vizesprecher Farhan Haq. Dadurch sei eine "monumentale ökologische und humanitäre Katastrophe" abgewendet worden, sagte UN-Generalsekretär António Gutteres.

Das Abpumpen hatte Ende Juli begonnen. Eine Bergungsmannschaft hatte 18 Tage gebraucht, um das Öl bei hohen Temperaturen und starken Strömungen abzupumpen. Das Seegebiet um den Tanker ist zudem vermint.

Der Chef des UN-Entwicklungsprogramms UNDP, Achim Steiner, sagte, die UN hätten 130 Millionen Dollar für die Aktion ausgegeben. Damit sei unter anderem der Tanker Nautica gekauft worden, auf den das abgepumpte Öl geladen wurde. Zudem sei für Flugzeuge gezahlt worden, die im Fall einer Ölpest Chemikalien abwerfen sollten.

Außenministerin Annalena Baerbock lobte die Zusammenarbeit der Weltgemeinschaft bei der Aktion. Eine schwimmende Zeitbombe sei entschärft und eine "potentiell kolossale Umwelt- und Gesundheitskatastrophe" vor der Küste des Jemens verhindert worden, sagte sie.

UN und Umweltschützer hatten seit Jahren gewarnt, die gesamte Küste des Roten Meeres sei gefährdet, sollte der rostige Tanker auseinanderbrechen. Dann wäre viermal so viel Öl ausgelaufen wie bei der Exxon-Valdez-Katastrophe 1989 vor Alaska.

Die Gefahr ist laut Achim Steiner noch nicht komplett gebannt. Nach wie vor enthalte der Tanker Ölrückstände und könne auseinanderbrechen. Das Schiff solle in den kommenden Wochen gereinigt und für das Abschleppen vorbereitet werden, sagte er.

Für den Abschluss der Reinigung der FSO Safer fehlen den Vereinten Nationen rund 20 Millionen Dollar. US-Außenminister Antony Blinken forderte die internationale Gemeinschaft und den Privatsektor dazu auf, die erforderlichen Mittel bereitzustellen, um "die Arbeit zu beenden und alle verbleibenden Umweltbedrohungen zu bekämpfen". Die Umweltorganisation Greenpeace schlug vor, Ölkonzerne, welchen den Tanker genutzt haben, sollten für die ausstehenden Kosten aufkommen.

Seit den 80er Jahren liegt das 47 Jahre alte Schiff vor der Hafenstadt Hodeidah vor Anker. Die FSO Safer wurde als schwimmendes Lager- und Entladeterminal für Öl genutzt. Aufgrund des Krieges im Jemen wurden die Wartungsarbeiten 2015 eingestellt.

Unklar ist, was mit der leergepumpten FSO Safer geschehen soll. UN-Angaben zufolge steht der Tanker bis zum Ende des Jahres unter der Kontrolle des Schifffahrtsunternehmen Euronav. Über künftige Instandhaltung und Verwaltung sei allerdings eine langfristige Vereinbarung mit den Kriegsparteien im Jemen notwendig. Möglich sei ein Folgeprojekt, bei dem UN-Experten Mitarbeiter der jemenitischen Öl- und Gasgesellschaft Sepoc in der Sicherung eines Tankers schulten, sagte Steiner.



Aus: "Jemen: Beschädigter Öl-Tanker vollständig entladen" (11. August 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-08/jemen-oeltanker-abgepumpt-vereinte-nationen (https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-08/jemen-oeltanker-abgepumpt-vereinte-nationen)

Quotem
mwasaa

Großartig. Wer zahlt das?


QuoteThomas30 aus Polen aus München
vor 12 Minuten

,,Die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) wird durch obligatorische und freiwillige Beiträge ihrer Mitgliedstaaten finanziert.,,

https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/aussenpolitik/internationale-organisationen/vereinte-nationen/finanzierung-deruno.html#:~:text=Die%20Organisation%20der%20Vereinten%20Nationen,freiwillige%20Beitr%C3%A4ge%20ihrer%20Mitgliedstaaten%20finanziert. (https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/aussenpolitik/internationale-organisationen/vereinte-nationen/finanzierung-deruno.html#:~:text=Die%20Organisation%20der%20Vereinten%20Nationen,freiwillige%20Beitr%C3%A4ge%20ihrer%20Mitgliedstaaten%20finanziert.)


QuoteKing_Charles_der_unsichtbare_III.

Die Organisation zeigte sich im Radio enttäuscht, das die Big-Oil-Firmen nichts beitragen konnten, trotz hoher Gewinne in der derzeitigen Weltlage..


QuoteDKW

Danke an die UNO!


Quotefief-un-dörtig

Endlich!


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on September 23, 2023, 11:31:05 AM
Quote[...] 98 Prozent der europäischen Bevölkerung leben in Gebieten, in denen der von der Weltgesundheitsorganisation WHO empfohlene Feinstaubgrenzwert überschritten wird. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung der Universität Utrecht, die der britische »Guardian« mit interaktiven Karten veröffentlicht  hat.
https://www.theguardian.com/environment/2023/sep/20/revealed-almost-everyone-in-europe-breathing-toxic-air (https://www.theguardian.com/environment/2023/sep/20/revealed-almost-everyone-in-europe-breathing-toxic-air)

Besonders schlecht ist die Luft demnach in Osteuropa. In Nordmazedonien und Serbien muss die Mehrheit der Bevölkerung mehr als das Vierfache der WHO-Schwelle aushalten. Auch die norditalienische Po-Ebene mit Städten wie Mailand oder Turin gilt als hochbelastet.

Deutschland zählt zu den westeuropäischen Ländern mit eher schlechter Luft. Drei Viertel der Deutschen leben in Gebieten mit mehr als dem Doppelten des Grenzwerts. Am schmutzigsten ist die Luft in den sächsischen Städten Dresden, Bautzen, Görlitz und Zittau mit 14 bis 16 Mikrogramm pro Kubikmeter. Nur wenige Gemeinden in Eifel und Schwarzwald erreichen mit Werten von fünf bis sechs Mikrogramm fast den grünen Bereich.

Roel Vermeulen, Umweltepidemiologe und Leiter des zuständigen Forschungsteams, spricht von einer »schweren Krise der öffentlichen Gesundheit«. Laut den WHO-Richtlinien sollen Feinstaubpartikel mit unter 2,5 Mikrometer Durchmesser eigentlich nicht stärker vorkommen als fünf Mikrogramm pro Kubikmeter Luft im Jahresdurchschnitt.

Diese Empfehlung wurde 2021 nach neuen medizinischen Erkenntnissen verschärft. Die winzigen Teilchen dringen in verschiedene Organe ein und gelten als Mitverursacher von Herz- und Kreislauferkrankungen, Krebs, Demenz und anderen Krankheiten. Laut EU-Umweltbehörde wird die schlechte Luft für gut 300.000 vorzeitige Todesfälle pro Jahr in Europa verantwortlich gemacht.

Aus mehreren Quellen wie Luftmessstationen oder hochauflösenden Satellitenbildern haben die Forscher für das Projekt »Expanse« die Konzentration des gesundheitsschädlichen Feinstaubs in nahezu der gesamten EU sowie einigen Nachbarstaaten bis ins Jahr 2019 ermittelt. Laut Vermeulen ist das der aktuell verfügbare Stand und dürfte sich bis heute kaum verändert haben. In einer interaktiven Karte lassen sich die lokalen Ergebnisse vergleichen. Bis auf wenige Gebiete vor allem in Nordeuropa oder südfranzösische Gebirgslagen sind sie schlechter als gewünscht.

Feinstaub entsteht auf verschiedene Arten, direkt oder durch die Zersetzung anderer Schadstoffe wie Stickoxide. Als Hauptquelle gilt der Straßenverkehr mit Verbrennungsmotoren, dem Abrieb von Bremsen und Reifen und aufgewirbeltem Staub. Daneben spielen andere Brennprozesse wie Kaminöfen eine Rolle, ebenso der Umschlag von Schüttgut in Industrie oder Landwirtschaft.

Offiziell gelten die WHO-Empfehlungen allerdings noch nicht als Maßstab. Der aktuelle EU-Grenzwert ist mit 25 Mikrogramm fünfmal so hoch, auch beim Vorläuferstoff Stickstoffdioxid sind weit höhere Belastungen erlaubt als medizinisch empfohlen. Weil diese Grenzwerte inzwischen zumeist eingehalten werden, fielen zuletzt lokale Fahrverbote für Diesel-Pkw weg.

Das könnte sich in Zukunft wieder ändern, weil die EU sich der strengeren WHO annähert. Das Europaparlament beschloss Mitte September dieses Jahres, die Luftqualitätsrichtlinie anzupassen. Der sozialdemokratische Verhandlungsführer Javi López nannte die Luftverschmutzung eine »Pandemie ein Zeitlupe«.

Der Feinstaubgrenzwert soll allerdings erst 2035 auf zehn Mikrogramm sinken, immer noch das Doppelte des WHO-Limits. Zudem hängt ein endgültiger Beschluss von Verhandlungen mit EU-Kommission und Mitgliedstaaten ab, die neue Fahrverbote in Städten fürchten. Diese könnten dann auch moderne Verbrenner-Neuwagen treffen.


Aus: "Analyse zu Feinstaub: Fast alle Menschen in Europa atmen verschmutzte Luft " (21.09.2023)
Quelle: https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/feinstaub-fast-alle-menschen-in-europa-atmen-verschmutzte-luft-a-bf65aad0-bb11-4dc4-99df-e7aa9441524f?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss (https://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/feinstaub-fast-alle-menschen-in-europa-atmen-verschmutzte-luft-a-bf65aad0-bb11-4dc4-99df-e7aa9441524f?utm_source=dlvr.it&utm_medium=twitter#ref=rss)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on October 11, 2023, 11:09:25 AM
Quote[...] Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat den ,,massiven Pestizideinsatz" bei der Getreideproduktion in Deutschland und der EU beklagt.

Mehr als ein Drittel (37 Prozent) aller europäischen Getreideprodukte sei mit Pestiziden belastet, heißt es in einer am Dienstag veröffentlichten Studie. Foodwatch forderte die deutschen Lebensmittelhändler auf, nur noch auf Produkte ohne Pestizide zu setzen.

,,Die Supermärkte sollten ihre Marktmacht nutzen und nur noch pestizidfreie Getreideprodukte verkaufen – das würde den Pestizideinsatz in Deutschland auf einen Schlag halbieren", erklärte Annemarie Botzki von Foodwatch.

Derzeit trage die Getreideproduktion ,,wesentlich" zum übermäßigen Pestizideinsatz in Deutschland und der EU bei. Allein auf Weizen und Gerste entfielen demnach 45 Prozent des Pestizideinsatzes in Deutschland und mehr als 60 Prozent der bundesweit gespritzten Fläche.

Für die aktuelle Studie ,,The Dark Side of Grain" werteten die Verbraucherschützer nach eigenen Angaben Daten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit zu Pestizidrückständen in unverarbeitetem Getreide und verarbeiteten Getreideprodukten wie Brot und Haferflocken aus.

837 von 2234 Proben wiesen demnach Rückstände von insgesamt 65 Pestiziden auf. ,,Davon überschreiten zwar lediglich 18 Rückstände in 14 Proben die Rückstandshöchstmengen (MRL), jedoch birgt die schiere Zahl verschiedener Pestizide (Pestizid-Cocktail) in den Produkten ein gesundheitliches Risiko für Verbraucher:innen", erklärte Foodwatch.

Die Verbraucherorganisation warf den großen Handelsketten vor, ihre Nachhaltigkeitsversprechen nicht zu erfüllen. Bei der Begrenzung des Pestizideinsatzes konzentrierten sich die Supermärkte vor allem auf Obst und Gemüse. Dies reiche bei weitem nicht aus, um die Artenvielfalt, das Klima und die Umwelt zu schützen, erklärte Foodwatch. (AFP)


Aus: "Pestizide in Brot und Co.: Foodwatch beklagt ,,Pestizid-Cocktail" in Getreideprodukten" (10.10.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/pestizide-in-brot-und-co-foodwatch-beklagt-pestizid-cocktail-in-getreideprodukten-10599622.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/pestizide-in-brot-und-co-foodwatch-beklagt-pestizid-cocktail-in-getreideprodukten-10599622.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on November 01, 2023, 12:17:08 PM
Quote[...] Eigentlich schien sich das Blatt gewendet zu haben. Nachdem Bayer in den USA zunächst alle Prozesse um angebliche Krebsrisiken des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup verloren hatte und zu teils hohen Schadensersatzzahlungen verurteilt worden war, hatte der deutsche Dax-Konzern neun Prozesse in Folge für sich entscheiden können.

Doch jetzt zieht neuer Ärger für die Leverkusener auf. Am Dienstag sprach eine Jury im kalifornischen Bundesstaat San Diego einem 57-jährigen Mann 332 Millionen Dollar Schadensersatz zu, weil die Geschworenen Roundup für seine Krebserkrankung verantwortlich machen. Zuvor hatten bereits zwei weitere Gerichte Bayer zu Schadensersatz verurteilt. In Philadelphia urteilte die Jury, dass Bayer dem 83-Jährigen Ernie Caranci insgesamt 175 Millionen Dollar Schadensersatz zahlen muss zu, in einem weiteren Verfahren waren es 1,25 Millionen Dollar.

Bayer betonte am Mittwoch, man könne das Urteil aus Kalifornien nicht nachvollziehen. Die Jury hatte dem Kläger sieben Millionen Dollar Schadensersatz und weitere 325 Millionen Dollar als Strafschadensersatz, den es im deutschen Rechtssystem nicht gibt, zugebilligt. Bayer hält dieses Verhältnis für verfassungswidrig.

Hinzu kommt: Bayer ist grundsätzlich von der Sicherheit der Produkte überzeugt. Der deutsche Konzern kann sich dabei auf die Einschätzung der Zulassungsbehörden weltweit berufen, die bei bestimmungsgemäßem Gebrauch keine Gesundheitsgefahr durch Glyphosat sehen. ,,Im amerikanischen Rechtssystem mit Laienjurys kann es leider nicht ausgeschlossen werden, dass Prozesse auch mal verloren werden", sagte ein Bayer-Sprecher dem Tagesspiegel. Das gelte vor allem für Orte wie Philadelphia und Kalifornien, die für beklagte Unternehmen grundsätzlich schwierig seien. ,,Wir werden auf jeden Fall Berufung einlegen", kündigte der Sprecher an.

Die Probleme um Roundup hatte sich Bayer 2018 mit der 60 Milliarden teuren Übernahme des US-Saatgut- und Pestizidherstellers Monsanto ins Haus geholt. Im selben Jahr folgte ein erstes, spektakuläres Urteil gegen Bayer, das eine Klagewelle auslöste. Bisher hat Bayer in den USA neun Verfahren gewonnen und sechs verloren. Bei den ersten drei Fällen ist inzwischen die Berufung abgeschlossen. Bayer musste danach zwar weniger Schadensersatz zahlen, kam aber nicht ganz frei. Versuche, vor dem Supreme Court dagegen anzugehen, sind gescheitert.

Einen Großteil der Fälle hat Bayer jedoch nach eigenen Angaben inzwischen abgearbeitet. Im Frühjahr hieß es, von rund 154.000 angemeldeten Ansprüchen seien 109.000 verglichen worden oder die Vergleichskriterien seien nicht erfüllt. Ende 2022 hatte Bayer ein Polster von 6,4 Milliarden Dollar für aktuelle und künftige Glyphosat-Klagen.

Glyphosat ist das weltweit wichtigste Unkrautvernichtungsmittel. Es ist ein Totalherbizid, das nicht über die Wurzel, sondern über die grünen Bestandteile der Pflanze aufgenommen wird. Der Stoff bewirkt, dass eine Pflanze vollständig verwelkt oder abstirbt. In Deutschland wird Glyphosat auf rund 37 Prozent der Ackerflächen eingesetzt. Damit sollen Felder vor allem nach der Aussaat und der Ernte unkrautfrei gehalten werden.

In der Europäischen Union wird derzeit darüber gestritten, ob der Wirkstoff weitere zehn Jahre lang eingesetzt werden darf. Die aktuelle Zulassung läuft zum Jahresende aus, die EU-Kommission hat sich bereits für eine Verlängerung ausgesprochen. Bei einer Abstimmung der EU-Staaten im Oktober kam im Berufungsausschuss jedoch nicht die dafür erforderliche Mehrheit zustande, nun soll Mitte November erneut entschieden werden. Umweltschützer und der deutsche Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) sind gegen eine Verlängerung, da Glyphosat der Artenvielfalt schade. Vögeln, Insekten und anderen Tieren werde die Nahrungsgrundlage entzogen, heißt es im Agrarministerium.

In der Koalition herrscht jedoch Dissens. Da die FDP für eine Verlängerung plädiert, wird sich Özdemir bei der entscheidenden Abstimmung in zwei Wochen enthalten, kündigte der Minister an. Für eine qualifizierte Entscheidung im Berufungsausschuss wird die Zustimmung von mindestens 55 Prozent der EU-Staaten gebraucht, die zudem noch mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Sollte sich im Ausschuss weder eine qualifizierte Mehrheit für noch eine Mehrheit gegen den Vorschlag finden, kann die EU-Kommission eigenständig entscheiden.


Aus: "Schadensersatz wegen Krebs: Bayer verliert erneut Glyphosat-Prozess in den USA" Heike Jahberg (01.11.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schadensersatz-wegen-krebs-bayer-verliert-erneut-glyphosat-prozess-in-den-usa-10713481.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/schadensersatz-wegen-krebs-bayer-verliert-erneut-glyphosat-prozess-in-den-usa-10713481.html)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on November 01, 2023, 12:32:43 PM
Quote[...] Senf zählt zu den fränkischen Grundnahrungsmitteln. Ob zur Bratwurst, in Rouladen oder im Salat-Dressing - Senf ist vielseitig einsetzbar. Und er soll sogar gesund sein: Senföle sollen Krebs vorbeugen können. Das sei schon in verschiedenen experimentellen Modellen erforscht, bestätigt Bernhard Watzl vom Max-Rubner-Institut. Damit ist es umso wichtiger, dass keine schädlichen Inhaltsstoffe im Senf selbst sind, dachten sich die Fachleute von Öko-Test. Aus diesem Grund haben sie 20 verschiedene mittelscharfe Senf-Sorten getestet.

Die gute Nachricht gleich vorweg: Geschmacklich haben alle Senf-Sorten überzeugt und auch in der Gesamtwertung ist kein Produkt durchgefallen. Doch leider wiesen mehr als der Hälfte der getesteten Sorten Spuren von Glyphosat auf. Glyphosat ist ein Mittel, das in der Landwirtschaft zur Unkrautbekämpfung eingesetzt wird und immer wieder in der Kritik steht.

Es wird von der Internationalen Krebsforschungsagentur seit 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft wird und auch die Verbraucherzentrale warnt, dass Glyphosat in Verbindung mit anderen Stoffen erbgutschädigend sein könne. Andere Behörden wie die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) oder das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sehen jedoch kein Krebsrisiko. Zur Sicherheit sollte aber gar kein Glyphosat in Lebensmitteln vorkommen, findet Öko-Test.

In einem Großteil der Senf-Sorten fanden die Tester*inne Spuren, lediglich die Bio-Sorten waren frei von Glyphosat. Eine Marke hat sich allerdings noch nachträglich verbessert: Bei einem erneuten Test des "Delikato Delikatess Senf" von Aldi Nord hat das Labor kein Glyphosat mehr gefunden. Damit verbessert sich das Testurteil von "gut" auf "sehr gut".

Neben Glyphosat wurde in allen getesteten Senf-Sorten der bislang wenig bekannte Problemstoff Bisphenol F nachgewiesen. "Erste Hinweise deuten darauf hin, dass auch Bisphenol F auf das Hormonsystem wirkt", so Öko-Test. Doch hier könnt ihr beruhigt sein: Die Menge des Stoffes war in den meisten Sorten so gering, dass Öko-Test sie als "unproblematisch" eingestuft hat. Einzig der Kania Delikatess Senf von Lidl wies einen erhöhten Wert auf und wurde deshalb nur als "befriedigend" bewertet.

Das Schlusslicht bildet dieser Senf mit den beiden mittelscharfen Sorten der Firmen Bautz'ner und K-Classic. Der Senf von Bautz'ner wurde schlecht bewertet, da er seinen Geschmack nicht nur durch herkömmliche Gewürze, sondern durch sogenannte natürliche Aromen bekommt: "Diese dürfen zum Beispiel mithilfe von Mikroorganismen erzeugt werden. Das ist gesundheitlich nicht bedenklich", erklärt Meike Rix von Öko-Test. "Ein guter Senf sollte seinen Geschmack aber vor allem aus Senfkörnern und Gewürzen erhalten."

Der Senf von K-Classic, der Eigenmarke von Kaufland, wurde hingegen schlechter als seine Mitstreiter bewertet, da in dem Produkt ein zu geringer Senfanteil nachgewiesen wurde. Hierfür gibt es eine Branchenrichtlinie, die nicht eingehalten wurde. Auch der mittelscharfe Senf von Byodo lag unter der Mindestgrenze, konnte aber trotz Punktabzug noch das Testurteil "gut" erreichen.

Zehn der insgesamt 20 getesteten Sorten erhielten die Note "sehr gut." Hier kannst du also problemlos zugreifen!

    Alnatura Mittelscharfer Senf*
    Born Thüringer Senf mittelscharf*
    Delikato Delikatess Senf mittelscharf
    Dennree Senf mittelscharf
    Develey Senf mittelscharf*
    Dm Bio Senf mittelscharf
    Jeden Tag Senf mittelscharf
    Löwensenf mittelscharf mild* (bio)
    Naturata Delikatess Senf mittelscharf
    Zwergenwiese mittelscharfer Senf*

...


Aus: "Erschreckende Senf-Ergebnissen - viele Sorten mit Glyphosat verunreinigt" (31.10.2023)
Quelle: https://www.infranken.de/ratgeber/verbraucher/erschreckende-senf-ergebnissen-viele-sorten-mit-glyphosat-verunreinigt-art-5215799 (https://www.infranken.de/ratgeber/verbraucher/erschreckende-senf-ergebnissen-viele-sorten-mit-glyphosat-verunreinigt-art-5215799)


"Internationale Krebsforschungs­agentur stuft Glyphosat als wahrscheinlich krebserregend ein" (Donnerstag, 30. Juli 2015)
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63654/Internationale-Krebsforschungsagentur-stuft-Glyphosat-als-wahrscheinlich-krebserregend-ein (https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/63654/Internationale-Krebsforschungsagentur-stuft-Glyphosat-als-wahrscheinlich-krebserregend-ein)

"Keine Mehrheit in EU-Ausschuss für neue Zulassung von Glyphosat" (Freitag, 13. Oktober 2023)
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/146622/Keine-Mehrheit-in-EU-Ausschuss-fuer-neue-Zulassung-von-Glyphosat

https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/wohnen/unkrautvernichtungsmittel-glyphosat-keineswegs-harmlos-11468 (https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/umwelt-haushalt/wohnen/unkrautvernichtungsmittel-glyphosat-keineswegs-harmlos-11468)

...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on November 13, 2023, 07:23:50 PM
Quote[...] Der deutsche Automobilhersteller BMW sieht sich mit Vorwürfen in Zusammenhang mit einem Zulieferer konfrontiert. Nach Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" (SZ) steht der Verdacht im Raum, dass der marokkanische Rohstoffkonzern Managem in seiner Mine in Bou Azzer große Mengen giftiges Arsen in die Umwelt gelangen lässt.

Zudem erheben aktuell angestellte und ehemalige Arbeiter der Kobaltmine den Vorwurf, Managem halte internationale Standards zum Schutz von Arbeitern nicht ein und gehe gegen kritische Gewerkschaften vor.

BMW hatte 2020 mit Managem einen Vertrag über 100 Millionen Euro geschlossen. Dieser sieht die Lieferung von Kobalt vor, das BMW für den Bau von Batterien für seine Elektroflotte benötigt. Experten gehen davon aus, dass die geschilderten Zustände in der Mine in Konflikt mit dem deutschen Lieferkettengesetz stehen könnten.

BMW hatte 2020 die Zusammenarbeit mit dem Rohstoffkonzern Managem bekannt gegeben. In einer Pressemitteilung hatte der deutsche Autobauer seinerzeit erklärt, künftig "nachhaltiges Kobalt" aus Marokko beziehen zu wollen. Insgesamt will BMW etwa 20 Prozent seines Kobalt-Bedarfs über die marokkanische Mine abdecken. Der Konzern hatte den Schritt unter anderem mit dem Ziel einer "ethisch verantwortliche(n) Rohstoffgewinnung" begründet und erklärt, die Einhaltung von Umweltstandards und Menschenrechten habe für BMW beim Rohstoffeinkauf "oberste Priorität".

Recherchen von NDR, WDR und SZ mit dem französischen Medium "Reporterre" und dem marokkanischen Medium "Hawamich" deuten nun daraufhin, dass aus der Mine Bou Azzer große Mengen Arsen in die Umwelt gelangen. Diesen Verdacht legen die Analysen von Wasser- und Urinproben nahe, die Reporter der Medien im Umfeld der Mine genommen haben. Die Probenuntersuchung wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Magdeburg begleitet, die die Proben auch analysiert haben.

Die Mine Bou Azzer liegt im Anti-Atlas Gebirge im Süden des Landes. Erze, die dort unter Tage gefördert werden, beinhalten neben Kobalt auch Arsenid, ein Stoff, der in Verbindung mit Wasser zu giftigem Arsen wird. Recherchen vor Ort zeigen, dass der Minenbetreiber große Mengen Abraum auf dem Minengelände lagert, der dort auch mit Wasser in Berührung kommt. Die Wasserproben in einem Flussbecken unmittelbar unterhalb der Mine zeigen Arsenkonzentrationen von mehr als 18.000 Mikrogramm pro Liter. Der Arsen-Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation WHO für Trinkwasser liegt bei gerade einmal zehn Mikrogramm pro Liter.

Der Chemiker Wolf von Tümpling leitet die Abteilung Wasseranalytik im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung und sagte im Interview mit NDR, WDR und SZ, er habe in seinem Berufsleben bislang noch nie solch hohe Arsenwerte in Wasserproben gesehen. "Die Konzentration ist exorbitant hoch und stellt eine Gefährdung dar. Und es ist auf jeden Fall so, dass dort Handlungsbedarf besteht". Selbst in Proben aus einem Wasserbecken in einer etwa zehn Kilometer von der Mine entfernten Oase wiesen noch massiv erhöhte Arsenwerte auf, die die Trinkwassergrenzen der WHO um den Faktor 40 übersteigen.

Dort leben Bauern, die mit diesem Wasser ihre Pflanzen bewässern. Auch weil Urinproben von zwei Anwohnern nahe der Mine deutlich erhöhte Arsenwerte zeigen, hält es der Chemiker Wolf von Tümpling für dringend erforderlich, eine großangelegte Untersuchung in der Region durchzuführen. Die Ergebnisse der vorliegenden Analysen deuteten stark darauf hin, dass die Mine die Verschmutzung verursache.

Im Rahmen der Recherchen konnten die Reporterinnen und Reporter auch mit rund einem Dutzend ehemaligen und aktuellen Arbeitern der Mine Bou Azzer sprechen sowie mit mehreren Gewerkschaftsvertretern. Alle Gesprächspartner erhoben dabei den Vorwurf gegen Managem, dass Arbeiter in der Mine beschäftigt würden, ohne zuvor geschult oder über mögliche Gesundheitsrisiken aufgeklärt worden zu sein.

Auch gebe es vor Ort nicht genügend Schutzausrüstung für die Arbeiter. Subunternehmen des Minenbetreibers stellten Arbeitern dabei oftmals Verträge mit besonders kurzer Laufzeit aus. Im Falle berufsbedingter Erkrankungen wie einer Staublunge würden Arbeiter in der Regel ohne soziale Absicherung entlassen. Vertreter der marokkanischen Gewerkschaft CDT erklärten im Interview zudem, dass Managem gegen kritische Gewerkschaften vorgehe. Minenarbeiter könnten heute faktisch nicht mehr Mitglied der linksgerichteten CDT-Gewerkschaft sein.

Auf Nachfrage wies Managem alle Vorwürfe zurück und erklärte, dass sowohl die Betreiberfirma der Mine als auch die dort tätigen Subunternehmen hohe Arbeits- und Sozialstandards einhielten. Insbesondere achte man auf ein umfangreiches Training für alle Arbeiter und darauf, die notwendige Schutzausrüstung bereitzustellen. Zudem wies der Sprecher darauf hin, dass eigene Untersuchungen keinerlei Arsenbelastungen für die Umwelt oder die Anwohner festgestellt hätten, die auf die Mine zurückzuführen seien. Arbeiter würden regelmäßig medizinisch untersucht.

Der Fall der marokkanischen Kobaltmine könnte für BMW auch juristische Konsequenzen haben. Seit Anfang 2023 gilt in Deutschland das Lieferkettengesetz. Es verpflichtet große deutsche Unternehmen dazu, die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards von Zulieferern besonders genau zu prüfen und gegebenenfalls auf Verbesserungen hinzuwirken.

Die Wirtschaftsjuristin Stefanie Lorenzen erklärte im Interview mit NDR, WDR und SZ, dass die Prävention im Lieferkettengesetz bereits mit der Auswahl des Vertragspartners beginne. Wenn Anhaltspunkte dafür auftauchten, "dass die Arbeitssicherheit nicht gewährleistet ist, dann müsste BMW da eintauchen und tätig werden".

Die Firma Managem ist überwiegend im Besitz des marokkanischen Königshauses. Unlängst unterzeichnete auch der französische Autohersteller Renault mit Managem eine Absichtserklärung zum Kauf von Kobalt. Ein Sprecher erklärte, Renault lege bei der Auswahl von Zulieferern großen Wert auf die Nachhaltigkeit.

Ein Sprecher von BMW erklärte, man nehme alle Vorwürfe ernst und sei dazu mit Managem im Austausch. Bereits in der Vergangenheit habe man mit Managem Kontakt aufgenommen und über negative Berichte gesprochen. In diesem Zusammenhang habe BMW auch umfangreiche Dokumente angefordert. Aufgrund der aktuellen Ergebnisse der von der Recherchekooperation beauftragten Wasseranalyse habe man von Managem "eine umfassende Prüfung eingefordert". Sollte ein Fehlverhalten von Managem vorliegen, würde die BMW Group "sofortige Gegenmaßnahmen einfordern".


Aus: "Schwere Vorwürfe gegen BMW-Zulieferer"
Von Petra Blum, Catharina Felke, Verena von Ondarza, Sebastian Pittelkow, Benedikt Strunz, Celia Izoard, NDR/WDR  (NDR, tagesschau, 12.11.2023)
Quelle: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/umweltstandards-bmw-zulieferer-kobalt-marokko-100.html (https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/umweltstandards-bmw-zulieferer-kobalt-marokko-100.html)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on November 17, 2023, 10:17:33 AM
"Neue EU-Zulassung für Glyphosat: Gift für die Grünen"  Kommentar von Jost Maurin  (16.11. 2023)
Agrarminister Özdemir hat sich im Streit über die Glyphosat-Zulassung kampflos der FDP ergeben. Dabei ist das Pestizid ein großes Umweltproblem.
https://taz.de/Neue-EU-Zulassung-fuer-Glyphosat/!5969921/ (https://taz.de/Neue-EU-Zulassung-fuer-Glyphosat/!5969921/)

QuoteKaboom

"Koalitionsklima" ist, wenn die FDP - selbst bei anderslautenden Vereinbarungen, die sie selbst abgesegnet hat, ihre Positionen nach Belieben durchsetzt.
Wozu nochmal sind die Grünen in dieser Regierung? Achja, um FDP-Politik zu machen.

...

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on November 20, 2023, 12:13:47 PM
"Umweltverschmutzung im Globalen Süden: Afrika ertrinkt in Plastik" Simone Schlindwein (19.11.2023)
In afrikanischen Ländern sterben Menschen bei Regen in Plastikfluten. Viele fordern ein globales Plastikverbot. Die Vereinten Nationen wollen handeln. ... In Uganda forderten Parlamentarier vor Beginn der Unep-Konferenz erneut ein striktes Verbot von Einwegplastik. Zwar wurde bereits 2007 der Gebrauch von einfachen Plastiktüten verboten, an der Umsetzung hapert es allerdings. In Uganda hat die Plastikindustrie eine große Lobby und die Umweltbehörde Nema keine ausreichenden Befugnisse, das Plastikverbot durchzusetzen. ...
https://taz.de/Umweltverschmutzung-im-Globalen-Sueden/!5970969/ (https://taz.de/Umweltverschmutzung-im-Globalen-Sueden/!5970969/)

"Globaler Kampf gegen Plastikmüll: Jetzt wird's konkret" Heike Holdinghausen (11.11.2023)
In Nairobi gehen die UN-Verhandlungen über einen globalen Vertrag gegen Plastikmüll weiter. Die Einigung könnte schwierig werden. ... Für ein eher schwaches Abkommen stehen neben den Öl produzierenden Länder etwa auch Südafrika oder Ägypten. ...
https://taz.de/Globaler-Kampf-gegen-Plastikmuell/!5969295/ (https://taz.de/Globaler-Kampf-gegen-Plastikmuell/!5969295/)


"Verhandlungen über Plastik-Abkommen: Ölländer blockieren Fortschritt" (20.11.2023)
Nächstes Jahr soll ein internationales Abkommen gegen die Plastikseuche stehen. Bei einem einwöchigen Gipfeltreffen ist es aber kaum vorangegangen. ... Die Verhandlungen über ein internationales Abkommen zur Eindämmung von Plastikmüll sind am Sonntag ohne Einigung in entscheidenden Punkten zu Ende gegangen. Bei den einwöchigen Gesprächen am Hauptsitz des UN-Umweltprogramms (Unep) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi sperrten sich insbesondere die Vertreter der Erdölförderländer Iran, Saudi-Arabien und Russland dagegen, eine Einschränkung der Plastikherstellung zu fördern. ... Vertreter aus mehr als 170 Staaten waren in Nairobi zusammengekommen, um über die Aufnahme konkreter Maßnahmen in ein weltweit verbindliches Abkommen zur Beendigung der Verschmutzung durch Plastikmüll zu verhandeln. Erstmals wurde über einen im September veröffentlichten Textentwurf beraten.
Es war die dritte von insgesamt fünf Verhandlungsrunden. Im vergangenen Jahr hatten sich 175 Nationen verpflichtet, sich bis 2024 auf ein rechtlich verbindliches UN-Abkommen gegen die Plastikvermüllung von Umwelt und Meeren zu einigen. ...
https://taz.de/Verhandlungen-ueber-Plastik-Abkommen/!5974520/ (https://taz.de/Verhandlungen-ueber-Plastik-Abkommen/!5974520/)



"UN-Umweltkonferenz: Gespräche zur weltweiten Vermeidung von Plastikmüll enden ergebnislos" (20. November 2023)
Rund 170 Staaten haben in Kenia über ein Abkommen für weniger Plastikmüll verhandelt. Wegen des Widerstands der Erdölstaaten kamen sie Verbänden zufolge kaum voran. ... Nach Angaben aus Verhandlungskreisen verhinderten der Iran, Saudi-Arabien, Russland und eine kleine Anzahl an weiteren Erdölförderstaaten Fortschritte bei den Verhandlungen durch eine Vielzahl neuer Vorschläge. Dadurch sei der Vertragstext enorm angewachsen und die Bearbeitung der einzelnen Punkte erheblich verlangsamt worden. Insgesamt sind fünf Verhandlungsrunden geplant.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) äußerte sich enttäuscht. "Es ist sehr bedauerlich, dass die dritte Verhandlungsrunde um ein internationales Plastikabkommen ohne Einigung über nächste Schritte zu Ende gegangen ist", teilte sie mit. Gescheitert sei eine Einigung an jenen Staaten, die auch in Zukunft von fossilen Geschäftsmodellen wie der Plastikproduktion profitieren wollten. "Das Festhalten an klimaschädlichen Strukturen ist aber mit Blick auf die sich beschleunigende Klimakrise und die fortschreitende Plastikverschmutzung unserer Meere verantwortungslos", sagte Lemke. ...
https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-11/plastikmuell-un-verhandlungen-kenia (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2023-11/plastikmuell-un-verhandlungen-kenia)

Quote
manus53

Aller plastikmüll in die Erdölförderländer exportieren!



QuoteVonKindernFernhalten

Ich ärgere mich jedes Mal, wenn ich im Supermarkt vor der Wahl stehe, loses konventionelles Gemüse zu kaufen oder bio in Plastik. Zumal die Sache mit dem losen Obst und Gemüse eh eher selten ist.
Und dann das ganze überflüssige Verpackungsplastik bei manchen Artikeln!
Aber ach, wir haben ja andere Probleme...


QuoteOnlyOnePlanet

Falscher Supermarkt! Es liegt an Ihnen...in unserem reinen Biomarkt gibt es kein Gemüse in Plastik.


QuoteWeltbeschauer

Wieder mal ein Beispiel, dass die "Weltgemeinschaft" es nicht schafft, vorausschauende und vernünftige Vereinbarungen zu Treffen. Tatsächlich gibt es in diesem Punkt vereinzelte Leuchttürme, wie z.B. Ruanda, die es uns vor machen, wie man erfolgreich mit dem Problem umgehen kann. Dass die Ölstaaten in keiner Weise an einer Lösung interessiert sind, überrascht nicht wirklich. Ihr durch eine Zufälligkeit entstandener Reichtum wäre ja dadurch ggf. gefährdet. Und Altruismus wäre wohl das Letzte, was man von den dortigen Machthabern erwarten kann. Aber auch bei uns sitzen viele Nutznießer, die an einer Problemlösung wenig interessiert sind.


QuoteArtige Intelligenz

Wir werden die Klimakrise nicht erfolgreich bekämpfen.

Wir sind keine strategisch agierende Spezies. Kurzfristige Ziele und Auswirkungen finden bei den Wählern grössere Unterstützung.

Das geht bereits seit 70 Jahren so: die Kosten das Klima wirkungsvoll zu schützen wollten wir stets sparen, wissend, dass jetzt alles tausendfach teuerer und leidvoller wird.

Warum sollte sich das ändern?

Für die aufziehenden Konflikte um Verteilung und Verdrängung finden die Extremisten und Stammtische eh Schuldige, die ins politische Kalkül passen.

Wir zerstören weiter unseren Lebensraum und unsere Lebensgrundlage und nehmen uns weiter das Recht heraus Ressourcen in einem Ausmass zu ver(sch)wenden, die uns in dieser Menge nicht zustehen.

Andere Länder und Menschen, die ebenfalls und oft noch mehr unter der Klimakrise leiden, haben wir nie gefragt ob das so ok ist.

Und nun wollen wir von unserem geborgten Wohlstand nicht abrücken und auch unsere dadurch errungene wirtschaftliche und innovative Potenz wollen wir nicht effektiv und konsequent zur Bekämpfung der Klimakrise einsetzen.

Dermaleinst werden unsere Nachkommen fragen: "Warum habt Ihr das alles zugelassen?"

Was werden wir antworten?

PS: Ich weiss, es ist eine pessimistische Sichtweise, aber wenn man immer alles weichspült ändert sich nichts. Natürlich gibt es viele Bemühungen. Man muss heutzutage unter jedem Kommentar solche Disclaimer setzen.


QuoteDonDuck

Nun, Stand meines Wissens ist Ihre Sichtweise eher realistisch als pessimistisch.

Die Menschheit ignoriert Sachverhalte und wird weiter machen wie bisher. Die derzeitige Evolutionsepoche hat ihren Peak überschritten und befindet sich im Abwärtsgang. Den Wert nahe Null werden wir allerdings deutlich schneller erreichen als erwartet, denn diese Abwärtsbewegung folgt einer abklingenden Exponentialfunktion (Kipppunkte, die weitere Kipppunkte beschleunigen).

Die Folgen sind unvorstellbar, aber das ist das Schicksal der Menschheit, denn wie Einstein einst feststellte:

"Zwei Dinge sind unendlich, das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher."


QuoteTura Satanas

Ich finde, gerade hier in D sollten wir dafür sorgen, dass Plastikmüll hier entsorgt wird, anstatt ihn zu exportieren.


Quotezeitlos9000

Absolut! Das die EU es erlaubt, Plastikmüll im Meer zu entsorgen (über Exporte in Entwicklungsländer) ist erbärmlich.


QuoteHab da so meine Zweifel

Da wird wieder einmal das Pferd von hinten aufgezaeunt. Das Anliegen sollte doch sein, den Plastik Verbrauch erheblich zu reduzieren.

Im Supermarkt ist jede Scheibe Wurst und Käse dick und fett in Plastik verpackt. Zurück zur Wurst- und Fleischtheke waere schon mal ein Anfang. Fuer jede schaedliche Verpackung 50 Cent an der Kasse extra ausweisen. Das tut weh. Kein fast food to go oder eben auch, wie in Tübingen, die Verpackung zu berechnet, usw. usw.


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on December 23, 2023, 06:18:03 PM
Quote[...] Eigentlich sollen Medikamente im Körper wirken. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weisen sie aber immer häufiger in der Umwelt nach - auch im Trinkwasser. Daten zu den Risiken der Verunreinigung gibt es - nur sind sie oft nicht zugänglich, wie Experten bemängeln. Die EU will nun eingreifen.

Arzneimittel sollen im Körper wirken. Doch je nach Präparat werden bis zu 90 Prozent des enthaltenen Wirkstoffes unverändert wieder ausgeschieden und gelangen ins Abwasser. Kläranlagen fangen dem Umweltbundesamt (UBA) zufolge nur einen Teil der Substanzen ab. In Gewässern seien Arzneimittel daher ebenso nachzuweisen wie - in deutlich geringeren Mengen - im Trinkwasser.

-

Forschungsgruppe PharmCycle: Die Gewässer sind weltweit zunehmend mit Arzneimitteln belastet, deren Auswirkungen auf die Ökosysteme und den Menschen nicht abschätzbar sind. Vor dem Hintergrund des Klimawandels können Starkregenereignisse und niedrige Wasserstände aufgrund von Hitzeperioden die Situation der Arzneimittelbelastung verschärfen.
https://www.haw-hamburg.de/hochschule/life-sciences/forschung/ftz-alster/fg-pharmcycle/ (https://www.haw-hamburg.de/hochschule/life-sciences/forschung/ftz-alster/fg-pharmcycle/)

https://www.haw-hamburg.de/hochschule/life-sciences/forschung/ftz-alster/fg-pharmcycle/projekte/ (https://www.haw-hamburg.de/hochschule/life-sciences/forschung/ftz-alster/fg-pharmcycle/projekte/)

-

Zwar müssen die Hersteller Studien zu Umweltverhalten und -toxizität durchführen. Publik werden die Ergebnisse aber Experten zufolge kaum. "Umweltbehörden und Öffentlichkeit kommen an die Daten oft nicht heran", erklärt die Juristin und Umweltwissenschaftlerin Kim Teppe. Effektiver Gewässerschutz sei in der Folge erheblich erschwert. Anders als etwa bei Industriechemikalien müssen Arzneimittel-Hersteller bisher nur bei den Zulassungsbehörden Daten einreichen und können sich zudem auf umfangreiche Ausnahmen berufen, sodass in der Praxis oft gar keine Daten vorgelegt werden, wie Teppe erklärt.

Inzwischen dreht sich der Wind. Auf EU-Ebene laufen Verhandlungen für neue Regelungen. Die Kommission hat angekündigt, in den kommenden Tagen oder Wochen einen ersten Entwurf für das neue Humanarzneimittelrecht vorzulegen. "Darin sind dann hoffentlich Umweltbelange wie das Schließen von Datenlücken und die Datentransparenz wenigstens ansatzweise schon adressiert", hofft Teppe, die seit einigen Monaten für das Umweltbundesamt (UBA) arbeitet. Für ihre juristische Doktorarbeit an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) und der Universität Hamburg zur Problematik war sie 2022 mit dem Deutschen Studienpreis der Körber-Stiftung ausgezeichnet worden.

-

Die wichtigsten Dissertationen 2022 (2. August 2022)
Arzneimittelrückstände, recyclebares Plastik und Elektrizitätsversorgung
Betriebsgeheimnis vs. Umweltschutz: Mensch und Tier scheiden bis zu 90 Prozent von konsumierten Arzneimitteln wieder aus. Wie diese Arzneimittelrückstände in der Umwelt wirken, ist weder der Öffentlichkeit noch den Behörden hinreichend bekannt – die Hersteller berufen sich auf Geschäfts- und Betriebs-geheimnisse. ...

-

Die Substanz Diclofenac - in Deutschland unter anderem Bestandteil von Salben, die gegen Schmerzen wirken sollen - ist ein Beispiel dafür, dass Arzneistoffe ebenso überraschende wie furchtbare Folgen für Natur und Umwelt haben können: Als indische Landwirte in den 1990er-Jahren begannen, ihre Rinder mit Diclofenac zu behandeln, begann ein Massensterben der Geier. Bestände schrumpften um 90 Prozent und mehr, einige Arten starben fast aus. Das Mittel verursacht bei den Greifvögeln, die es beim Verzehr von Kadavern aufnehmen, schon in kleinsten Mengen ein qualvolles, tödliches Nierenversagen.

Allein in Deutschland werden pro Jahr etwa 80 Tonnen des Wirkstoffes verbraucht. "Maximal sechs Prozent kommen am gewünschten Zielort im Körper an", sagt Gerd Maack von der Fachgruppe zur Umweltbewertung von Arzneimitteln des UBA. "Die Haut ist eine effektive Barriere, das ist ja auch ihre Aufgabe." Als Salbe aufgetragen gehe der Großteil des enthaltenen Wirkstoffs beim Händewaschen, Duschen oder dem Waschen der getragenen Kleidung ins Abwasser. In den Kläranlagen werde nur ein Teil eliminiert.

Die Wasserrahmenrichtlinie der EU sieht inzwischen eine weitere Reinigungsstufe vor, auch in Deutschland werden immer mehr 4. Klärstufen eingebaut. Sie halten Spurenstoffe etwa durch sogenannte Ozonierung oder Aktivkohlefiltration zurück. "Viele Wirkstoffe wie Röntgenkontrastmittel rauschen aber auch da einfach so durch", sagt Maack vom UBA. Diskutiert werden deshalb verschiedene weitere Maßnahmen, etwa eine Umweltverträglichkeits-Ampel als Zusatzinfo für Fachpersonal. "Wirkstoffe wie Diclofenac sollten nicht mehr rezeptfrei abgegeben werden", nennt Maack eine weitere Möglichkeit. Medizinisch notwendig seien die Diclofenac-Salben - mit Ausnahme gegen Arthritis - oft nicht, ist Maack überzeugt. "Die Menschen müssten sich viel stärker bewusst machen, was sie mit der Verwendung in die Umwelt bringen."

-

Selection of substances for the 4th Watch List under the Water Framework Directive
2022Technical reportsEnvironment and climate change
https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC130252 (https://publications.jrc.ec.europa.eu/repository/handle/JRC130252)


Gewässerverschmutzung durch Arzneimittel-Rückstände: Umweltreinigungskosten in Höhe von rund 1,5 Milliarden Euro allein durch Diclofenac (14.01.2022)
https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/umweltreinigungskosten-in-hoehe-von-rund-15-milliarden-euro-allein-durch-diclofenac/ (https://www.bdew.de/presse/presseinformationen/umweltreinigungskosten-in-hoehe-von-rund-15-milliarden-euro-allein-durch-diclofenac/)

-

Experten betonen schon seit Jahren, dass sich die Mentalität in Gesundheitsfragen in Deutschland grundlegend ändern müsse: Mehr Bereitschaft zu eigenem Handeln wie etwa zu einer besseren Ernährungsweise und einem höheren Bewegungspensum sei nötig. "Dass verbreitete Ansicht ist, ein Medikament oder eine Behandlung müsse jede Erkrankung richten und man selbst müsse gar nichts tun, ist Teil des Problems", sagt Maack.

Derzeit gelangen in Deutschland jährlich Tausende Tonnen biologisch aktive Wirkstoffe aus Human- und Tiermedizin über Abwässer, Klärschlamm und Gülle in die Umwelt. Mehr als 2000 verschiedene Substanzen sind im Handel. Das Problem wird an Brisanz gewinnen: Die Generation der Babyboomer erreicht das Rentenalter - und vor allem Senioren nehmen viele Medikamente. Verglichen mit dem Jahr 2015 sei bis 2045 mit einer bis zu 70-prozentigen Steigerung beim Einsatz rezeptpflichtiger Arzneimittel zu rechnen, sagt UBA-Experte Maack.

Zudem summieren sich die Mengen vieler Substanzen in der Umwelt. "Arzneimittel sind oft sehr stabil, verglichen mit anderen Chemikalien", erklärt Maack. Schließlich seien sie dafür geschaffen, unwirtliche Körpergefilde wie den Magen-Darm-Trakt und Passagen durch Zellwände heil zu überstehen. In der Umwelt würden sie häufig nur sehr schlecht abgebaut und behielten ihre biologische Wirksamkeit lange Zeit.

Bei Neuentwicklungen werde von Pharmafirmen auf noch mehr Haltbarkeit geachtet - zum Beispiel, damit Medikamente nur noch einmal statt zweimal täglich genommen werden müssen, sagt Maack. Die Umweltverträglichkeit werde bei der Entwicklung bisher gar nicht beachtet. Vom Pharma-Unternehmensverband VFA heißt es dazu, dass es nur begrenzt möglich sei, chemisch-synthetische Wirkstoffe von vornherein gut biologisch abbaubar zu entwickeln. Immer mehr, immer haltbarer: Was richtet das letztlich an?

Konkrete Folgen eindeutig nachzuweisen, ist schwer. Gesicherte Zusammenhänge sind für den Menschen bisher nicht erfasst. Auch beobachtete Phänomene in der Umwelt lassen sich nur selten ursächlich auf einzelne Schadstoffe zurückführen, weil es insgesamt unzählige Schadstoffe und Einflussfaktoren gibt, die typischerweise in einem komplexen Netzwerk zusammenspielen, wie Maack erklärt. Hinzu kämen chronische Effekte und Veränderungen des Erbgutes, denen noch schwerer auf die Spur zu kommen sei.

Klar ist, dass die Substanzen über die Wasserentnahme aus Gewässern und Grundwasser unvermeidbar auch ins Trinkwasser gelangen, ebenso in Mineralwasser. "Das ist nicht unbedingt weniger belastet als Wasser aus dem Hahn", sagt Maack. Zwar liegen die Konzentrationen meist weit weg von den therapeutisch wirksamen. Die möglichen Langzeitfolgen für den Menschen sowie potenzielle Wechselwirkungen seien aber völlig unklar, gibt Maack zu bedenken. "Wir alle sind dafür die Langzeit-Probanden."

Quelle: ntv.de, Annett Stein, dpa


Aus: "Daten zu Risiken Geheimsache: Wie Arzneimittelreste im Trinkwasser landen" (28.03.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/wissen/Wie-Arzneimittelreste-im-Trinkwasser-landen-article24016712.html (https://www.n-tv.de/wissen/Wie-Arzneimittelreste-im-Trinkwasser-landen-article24016712.html)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on January 08, 2024, 11:22:27 AM
Quote[...] BUENOS AIRES taz | In Argentinien steht der deutsche Verladehafenbetreiber Oiltanking Ebytem in der Kritik. Die Tochtergesellschaft der deutschen Oiltanking GmbH wird für einen mehr als 20 Quadratkilometer großen Ölteppich in der Bucht vor Bahía Blanca, rund 700 Kilometer südlich von Buenos Aires, verantwortlich gemacht. Dem Unternehmen wird vorgeworfen, das dafür vorgesehene Notfallprotokoll viel zu spät aktiviert zu haben.

Die Leckage ereignete sich an einer Unterwasser-Ladeboje vor dem Ölhafen Puerto Rosales, etwa 30 Kilometer südöstlich der Hafenstadt Bahía Blanca. Der Name Bahía Blanca (Weiße Bucht), leitet sich von den einst als weiß beschriebenen Sandstränden ab, die bei Ebbe sichtbar wurden.

Die gleichnamige Stadt ist die wichtigste Industrie- und Hafenstadt im Süden Argentiniens. Der Hafen ist der einzige in Argentinien mit einer natürlichen Tiefe von über 10 Metern. Tanker und Frachtschiffe mit großem Tiefgang müssen ihn anlaufen. Aus diesem Grund hat sich die petrolchemische Industrie um Bahía Blanca angesiedelt.

Satellitenbilder zeigen, dass der Ölteppich mindestens 21 Quadratkilometer groß ist und seinen Ursprung an der Ladeboje hat. Nach bisherigen Informationen war das Öl bereits am 26. Dezember ausgetreten. Am folgenden Tag wurde der sich bildende Ölteppich frühmorgens von einem Fischer entdeckt und den zuständigen Behörden gemeldet, aber erst am Nachmittag wurde das entsprechende Notfallprotokoll aktiviert.

,,Die frühzeitige Kontrolle von Leckagen erfordert, dass das Unternehmen den Vorfall der argentinischen Marinepräfektur mitteilt, damit das Reaktionsprotokoll aktiviert wird", sagte Bürgermeister von Bahía Blanca, Federico Susbielles, dem Internetportal elDiarioAR. Aber das Protokoll sei erst eine viel zu lange Zeit nach Bekanntwerden des Vorfalls aktiviert worden.

Betroffen sind die Naturschutzgebiete Bahía Blanca, Bahía Falsa und Bahía Verde. Sie bilden eines der wichtigsten Inselsysteme mit Gezeitenkanälen, schlammigen Gezeitengebiete und Sümpfen an der Küste Argentieniens. Befürchtet werden schwerwiegendere Folgen, sollte das Öl in den Grund vor der Küste und den Kanälen gelangen. Oiltanking hat mitgeteilt, man habe bisher mehr als 2.500 Quadratmeter Fläche gesäubert.

,,Wir müssen jetzt die wichtigen Beobachtungen des Fischers analysieren, der die Situation öffentlich gemacht hat", erklärt Javier Groso, Geograf an der Universität Comahue. Diese könnten zeigen, dass das Unternehmen darauf spekuliert habe, ,,dass es sich um einen kleinen Ölteppich handelt, dass er sich nicht ausbreitet, dass niemand etwas darüber weiß und dass er sich schließlich im Wasser auflöst oder auf das Meer hinaus zieht".

Inzwischen hat die zuständige Staatsanwaltschaft eine vorläufige Untersuchung eingeleitet. ,,Die möglicherweise verspätete Aktivierung des Notfallplans und die mangelnde Sorgfalt des Unternehmens, die die Risiken und den tatsächlichen Schaden verschlimmert haben, müssen nicht nur von den Behörden sondern auch von der Justiz bewertet werden", forderte Bürgermeister Susbielles auf der Plattform X.


Aus: "Umweltkatastrophe in Argentinien: Ölpest mit deutscher Beteiligung" Jürgen Vogt (7.1.2024)
Quelle: https://taz.de/Umweltkatastrophe-in-Argentinien/!5982045/ (https://taz.de/Umweltkatastrophe-in-Argentinien/!5982045/)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on January 10, 2024, 10:29:21 AM
Quote[...] Wegen angespülter Plastikteilchen an der Atlantikküste haben die Behörden im Nordwesten Spaniens den Umweltnotstand verhängt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt und sucht nach der Ursache, weil die wenige Millimeter großen Kügelchen umweltschädliche Giftstoffe enthalten könnten. Der galicischen Regionalregierung zufolge stammen sie aus einem Container, der etwa 80 Kilometer vor der portugiesischen Küste von Viana do Castelo über Bord des liberianischen Frachters Toconao gegangen war. Der Container soll, abgepackt in Säcken, 25 Tonnen Kügelchen enthalten haben. Die Kügelchen sind das Ausgangsmaterial für die Produktion von Plastikteilen. 

Es gelte festzustellen, ob das Transportunternehmen und die Reederei "die richtigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen haben", sagte die spanische Umweltministerin Teresa Ribera. Plastik in Ozeanen und Ökosystemen sei eines der größten Menschheitsprobleme.

Die Kügelchen waren erstmals Mitte Dezember an der Küste entdeckt worden. Seither sind Arbeiter und Freiwillige mit der schwierigen Aufgabe befasst, die Strände von den Kügelchen zu säubern.

Umweltschutzgruppen wie Greenpeace sprechen von einer Gefahr für Menschen und Meerestiere durch die Millionen Kügelchen. Fische verwechselten die Kügelchen mit Fischeiern und fräßen sie. Inhaltsstoffe könnten so in die Nahrungskette gelangen und damit auch in Lebensmittel, warnte die spanische Umweltschutzorganisation Ecologistas en Acción. Der Fischfang ist für Asturien und Galicien ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. 


Aus: "Spanien ruft wegen Plastikkügelchen am Strand Umweltnotstand aus" (9. Januar 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2024-01/spanien-galicien-asturien-umweltnotstand-plastikkuegelchen (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2024-01/spanien-galicien-asturien-umweltnotstand-plastikkuegelchen)

QuoteMeriadoc66

Ein Wahnsinn was Menschen produzieren und gedankenlos entsorgen. Ich denke an den mit Giftmüllverseuchten Flugzeugträger, den Brasilien im Atlantik hat versenken lassen.


QuoteLunatic Asylum

Dass Container über Bord gehen ist nicht "Entsorgung" sondern eher Verschleiß.
Bei Seegang fallen die Container halt mal vom Schiff.


QuoteRokin

"Giftstoffe enthalten könnten. ... erstmals Mitte Dezember an der Küste entdeckt"

Wie mehrfach kommentiert sollte das längst geklärt sein - und ist es auch (ungiftig). In einer Welt, in der wir uns auf einige Probleme konzentrieren möchten, halte ich diesen Artikel für schlechten Journalismus. ...


Quoterot und juckig

"Wie mehrfach kommentiert sollte das längst geklärt sein - und ist es auch (ungiftig)."

na denn, guten appetit!


QuoteMauldasch

Die Kügelchen nennt man in der kunststoffverarbeitenden Industrie Granulat. Da es an die Küste angeschwemmt wird, dürfte es sich höchstwahrscheinlich um Polyolefine handeln, also Polyethylen oder Polypropylen. Beide werden massenweise zu Dingen des täglichen Lebens wie beispielsweise Shampooflacons, Kanister, oder Einwegspritzen verarbeitet. Diese Polymere sind säurebeständig, können also nicht verdaut werden. Problematischer ist die UV- Beständigkeit. Mit der Zeit zerfällt dieses Granulat in Mikroplastik, wobei dann die spezifischen Zuschlagstoffe freigesetzt werden.


Quotenoplanetb

Das Kunststoffgranulat soll zwischen 30% UV-Stabilisatoren enthalten, und die Umweltstaatsanwaltschaft spricht daher von eher hoher Toxizität.
Mehr darüber: https://www.publico.es/sociedad/parte-pellets-vertidos-galicia-30-aditivos-potencialmente-toxicos-humanos.html (https://www.publico.es/sociedad/parte-pellets-vertidos-galicia-30-aditivos-potencialmente-toxicos-humanos.html)


Quotecpmarret
vor 11 Stunden

Die Xunta de Galica sagt das die Plastikkügelchen nicht toxisch sind und man sie sogar ruhig essen kann.

https://www.telecinco.es/noticias/galicia/20240109/informe-xunta-riesgos-toxicidad-pellets_18_011389299.html (https://www.telecinco.es/noticias/galicia/20240109/informe-xunta-riesgos-toxicidad-pellets_18_011389299.html)


Quotedes Wahnsinns fette Beute
Antwort auf @enilnolo

Geht als spanischer Kaviar durch.



...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on January 18, 2024, 01:46:23 PM
Quote[...] Wien/Neu-Delhi – 96 Tonnen indischer Reis, die mit Rückständen mehrerer schädlicher Pflanzenschutzmittel kontaminiert sind, wurden dieser Tage in Wien aus dem Verkehr gezogen. Das geht aus übereinstimmenden Berichten mehrerer Medien vom Mittwoch hervor. Demnach ist der Reis im Zuge einer Kontrolle von Lebensmittelinspektoren bei einem Wiener Großhandelsunternehmen entdeckt worden. Alexander Hengl vom zuständigen Marktamt der Stadt Wien bestätigte den Fall.

Der Händler hatte zur Einhaltung der EU-Vorschriften einen Laborbefund des indischen Herstellers vorgelegt, demzufolge der Reis von einwandfreier Qualität war. Das Marktamt unterzog den Reis einer eigenen Analyse, welche die Kontamination zutage förderte. Mit dem Reis hätten vor allem Restaurants beliefert werden sollen. (APA, 17.1.2024)


Aus: "96 Tonnen Reis mit Pestiziden in Wien gefunden" (17. Jänner 2024)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000203529/96-tonnen-reis-mit-pestiziden-in-wien-gefunden (https://www.derstandard.at/story/3000000203529/96-tonnen-reis-mit-pestiziden-in-wien-gefunden)

QuoteDani Düsentrieb

Deswegen besser Österreis


QuoteMythos und Wahrheit

Interessant wäre noch die Stärke der Kontamination und die Illustration potenzieller Schäden für Konsumenten gewesen.


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on January 27, 2024, 11:29:00 AM
Quote[...] Bei den Glyphosat-Prozessen in den USA hat Bayer wieder eine Niederlage einstecken müssen. Wie die Anwälte eines Klägers mitteilten, war am Freitag die Jury eines Gerichts in Philadelphia zu dem Schluss gekommen, dass das Unternehmen 2,25 Milliarden US-Dollar an den Mann aus Pennsylvania zahlen muss. Er war nach eigenen Aussagen nach dem Kontakt mit dem glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel Roundup an Krebs erkrankt.

Das Gericht entschied, dass seine Krebserkrankung das Ergebnis der mehrjährigen Verwendung von Roundup für die Gartenarbeit in seinem Haus war. ,,Der Strafschadenersatzspruch der Jury sendet ein klares Signal, dass dieser multinationale Konzern grundlegende Veränderungen braucht", teilten Tom Kline und Jason Itkin, die Anwälte des Klägers, in einer gemeinsamen Erklärung mit. Das Urteil sieht konkret eine Entschädigungszahlung von 250 Millionen US-Dollar und einen Strafschadensersatz in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar vor.

Bayer erklärte daraufhin, dass man mit dem Urteil der Jury nicht einverstanden sei und glaube, in einem Berufungsverfahren starke Argumente dafür zu haben, das Urteil aufzuheben und den hohen Schadensersatz streichen zu lassen. Das Unternehmen betonte, dass Schadensersatzansprüche in früheren Gerichtsverhandlungen nach einem Berufungsverfahren um 90 Prozent gekürzt worden waren.

Nach fünf verlorenen Prozessen in Folge hatte Bayer im Dezember in den USA erstmals eine Glyphosat-Klage wieder für sich entschieden. Das Urteil eines Geschworenengerichts in San Benito County stehe im Einklang mit den Beweisen in dem Fall, dass der Unkrautvernichter Roundup keinen Krebs verursache und nicht für die Krankheit des Klägers verantwortlich sei, teilte der Konzern damals mit.

Das Unternehmen sieht sich in den USA seit langem ähnlichen Prozessen ausgesetzt. Die Klagen hatte sich der Konzern mit der Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto im Jahr 2018 ins Haus geholt. Zuletzt waren nach Bayer-Angaben noch 52.000 der insgesamt rund 165.000 eingereichten Klagen offen. Bayer hatte die Vorwürfe gegen das Herbizid stets zurückgewiesen.

Behörden weltweit stuften das Mittel als nicht krebserregend ein. Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO hingegen bewertete den Wirkstoff 2015 als ,,wahrscheinlich krebserregend". Bayer hat bereits etwa 9,5 Milliarden Dollar gezahlt, um Klagen vom Tisch zu bekommen. (Reuters)


Aus: "Nächste Niederlage für Bayer: Konzern soll in Glyphosat-Prozess 2,25 Milliarden Dollar an krebserkrankten Mann zahlen" (27.01.2024)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/nachste-niederlage-fur-bayer-konzern-soll-in-glyphosat-prozess-225-milliarden-dollar-an-krebserkrankten-mann-zahlen-11120017.html (https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/nachste-niederlage-fur-bayer-konzern-soll-in-glyphosat-prozess-225-milliarden-dollar-an-krebserkrankten-mann-zahlen-11120017.html)

Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on January 27, 2024, 12:41:20 PM
Quote[...] Gebäude sanieren, um sie klimafreundlicher zu machen: Das dürfte in den kommenden Jahren auf viele Eigentümer zukommen. Bei den Bauarbeiten könnte dann eine giftige Altlast ans Tageslicht kommen, die seit Jahrzehnten im Bestand schlummert: Asbest.

Ein Blick genügt: "Ja, das ist eine Asbestverkleidung", sagt Mehmet Celik selbstsicher. Der Asbestsanierer wurde zu einer Baustelle in Timmendorfer Strand (Kreis Ostholstein) gerufen. Dort wird das Rathaus modernisiert. Der Hausmeister hatte schon eine Vorahnung, wollte auf Nummer sicher gehen und hat das Fachunternehmen beauftragt. "Sowas sehe ich sofort, wir machen ja fast nichts anderes", erklärt Celik. Die Asbestverkleidung ist unscheinbar: Glatte, weiße Platten, die an der Fassade verschraubt sind.

Die Gewerkschaft IG-Bau geht davon aus, dass in Gebäuden, die zwischen 1950 und 1990 entstanden sind, fast sicher das krebserregende Mineral zu finden ist. Betroffen sind in den Schleswig-Holstein demnach 431.000 Gebäude, vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser.

"Sie brauchen sich erstmal keine Sorgen machen, das ist festgebundener Asbest und hier draußen passiert sehr wahrscheinlich nichts", beruhigt der Asbestsanierer den Hausmeister. Fachleute unterscheiden unter anderem zwischen festgebundenem und schwachgebundenem Asbest. In festgebundenen Asbestprodukten ist das Mineral zum Beispiel in Zement zu finden, beispielsweise bei Eternit-Welldachplatten, die noch millionenfach auf deutschen Häusern verbaut sind. Der Asbest-Anteil ist niedrig und liegt zwischen 10 und 15 Prozent.

Schwachgebundene Produkte haben einen höheren Asbest-Anteil von mehr als 60 Prozent, verbaut zum Beispiel als Dämmaterial. Hier können sich die Fasern schneller freisetzen, als bei festgebundenem Asbest. Laut IG Bau lauern landesweit eine Million Tonnen Asbest im Bestand. Verbaut wurde der krebserregende Stoff unter anderem an Fassaden, in Zwischendecken, als Bodenbelag oder Dämmmaterial. Gefährlich ist das Asbest dort meist nicht. Erst wenn das Mineral bearbeitet wird, werden Fasern freigesetzt.

Wird das Mineral eingeatmet, setzen sich die Fasern tief in der Lunge fest und können dort für andauernde Entzündungen sorgen. Daraus kann Krebs entstehen. Bis das passiert, dauert es aber meist lange - 20 Jahre und mehr. "Es ist wichtig, dass sie hier erstmal nichts anfassen, nicht bohren, schleifen oder schrauben", erklärt Celik dem Hausmeister. "Ja, ich kenne das schon, das hatten wir schon öfter. Das Zeug steckt ja fast überall drin. Ich schreibe dann eine Rundmail an alle, die hier ein und ausgehen", meint der gelassen.

Asbest wird als natürliches Mineral aus Steinen gewonnen. Früher galt es als Wunderfaser: Asbest ist hitzebeständig, hat eine hohe Zugfestigkeit und ist gleichzeitig elastisch. Genutzt wurde es nicht nur im Bau. Asbest fand sich auch in Bremsscheiben, in Zahnpasta und sogar als Kunstschnee auf der Theaterbühne. Rennfahrer trugen Asbestanzüge, um sich vor Feuer zu schützen. Dass Asbest gefährlich sein kann, war lange nicht bekannt. In Deutschland ist es seit 1993 verboten, Asbest oder asbesthaltige Produkte herzustellen, in Verkehr zu bringen oder zu verwenden. In der EU gilt dieses umfassende Verbot seit 2005.

Spezialisierte Handwerksbetriebe dürfen Asbest beseitigen. Mehmet Celik wird die Aufgabe im Rathaus in Timmendorfer Strand übernehmen. "Draußen ist es nicht ganz so aufwendig wie einen Innensanierung", erklärt er. Drinnen werde mit Unterdruck gearbeitet, damit die Fasern nicht entweichen. Deswegen brauche es zum Teil mehrere Schleusen. Die Arbeiter benötigen spezielle Masken, müssen regelmäßig Pausen machen und ihre Filter wechseln. "Danach muss der Raum gereinigt werden, damit sich die Asbestfasern nicht im Haus verteilen." Eine aufwendige Sanierung ist teuer, kostet für ein Einfamilienhaus schnell bis zu 30.000 Euro. Die IG Bau fordert deshalb eine Sanierungsprämie für Asbest-Häuser. Diese könnte über ein KfW Förderprogramm geschaffen werden, heißt es von der Gewerkschaft.


Aus: "Asbest: Eine Million Tonnen lauern in Häusern in SH" (Schleswig-Holstein Magazin | 26.01.2024)
Quelle: https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Asbest-Eine-Million-Tonnen-lauern-in-Haeusern-in-SH-,asbest624.html (https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Asbest-Eine-Million-Tonnen-lauern-in-Haeusern-in-SH-,asbest624.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on January 31, 2024, 08:35:18 PM
Quote[...] Der Weichmacher Di-n-hexylphtalat gilt als besonders gesundheitsschädlich. Aus diesem Grund ist er seit 2013 in Deutschland verboten. Mit dem Verbot der Chemikalie wird in Routine-Untersuchungen nicht mehr nach ihr gesucht. Ein großer Fehler, wie RTL-Recherchen aufzeigen.


Aus: "Verbotener Weichmacher in Kinder-Urin nachgewiesen" (31.01.2024)
Quelle: https://www.n-tv.de/mediathek/videos/ratgeber/Verbotener-Weichmacher-in-Kinder-Urin-nachgewiesen-article24703658.html (https://www.n-tv.de/mediathek/videos/ratgeber/Verbotener-Weichmacher-in-Kinder-Urin-nachgewiesen-article24703658.html)

-

Quote[...] Wie das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV) mitteilte, geht es um den Weichmacher Di-n-hexyl-Phthalat (DnHexP). Dieser soll die Fruchtbarkeit schädigen. Im Urin ist der Stoff als sogenannter Metabolit MnHexP nachweisbar.
Verglichen worden seien aufbewahrte Urinproben von jeweils rund 250 Kindergarten-Kindern aus ganz NRW aus den Jahren 2017/18 und 2020/21. In dem Zeitraum habe sich der Anteil der Proben, die mit dem Weichmacher belastet seien, von 26 Prozent (2017/18) auf 61 Prozent (2020/21) erhöht. Die Konzentration bei hochbelasteten Kindern habe sich in etwa verzehnfacht, heißt es in der Mitteilung.

Die Ursache dafür sei völlig unklar. Die Ergebnisse hingen nicht mit den Wohnorten der Kinder zusammen, sagte eine LANUV-Sprecherin. Deutlich erhöhte Werte gebe es in ganz NRW. Vermutlich gelte das nicht nur für Kinder, sondern auch für Erwachsene – und möglicherweise auch für ganz Deutschland. Für Erwachsene lägen in Nordrhein-Westfalen allerdings keine Reihen-Urintests auf Schadstoffbelastungen vor. Man habe daher auch mit Bundesbehörden Kontakt aufgenommen.
Bei NRW-Kleinkindern untersucht das LANUV seit 2011 regelmäßig im Drei-Jahres-Rhythmus die Schadstoffbelastung durch Kontakt unter anderem mit Weichmachern etwa in Spielzeug und Kosmetika, durch Konservierungsstoffe und Pestizide. Die Analysen nimmt das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung an der Universität Bochum vor.
Bisher seien die Proben dabei routinemäßig nicht auf MnHexP getestet worden, weil der Weichmacher wegen seiner gesundheitsschädlichen Eigenschaften schon seit vielen Jahren stark eingeschränkt beziehungsweise verboten sei und nur noch in sehr geringen Mengen produziert werde, so die Behörde.

Anlass für die Untersuchung von Ende 2023 seien Recherchen einer Journalistin gewesen, die bei Untersuchungen erhöhte MnHexP-Belastungen in Einzelfällen festgestellt habe. Die Frau habe sich mit ihren Beobachtungen an das LANUV gewandt. Daraufhin seien die aufbewahrten Urinproben von 2017/18 und 2020/21 erneut und nun auf diesen Stoff analysiert worden.
Weichmacher sind Stoffe, die spröden Materialien zugesetzt werden, um sie biegsam oder dehnbar zu machen. Sie finden sich laut einer Mitteilung des NRW-Umweltministeriums zum Beispiel in Kunststoffen, Anstrich- und Beschichtungsmitteln, Gummi-Artikeln oder Klebstoffen. Bestimmte Weichmacher wirken störend auf das Hormonsystem des Körpers und können zum Beispiel die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen.


Aus: "Verbotener Weichmacher in Kinder-Urin entdeckt" (31.01.2024)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/verbotener-weichmacher-in-kinder-urin-entdeckt-100.html (https://www.deutschlandfunk.de/verbotener-weichmacher-in-kinder-urin-entdeckt-100.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on February 06, 2024, 12:21:42 PM
Quote[...] EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat angekündigt, ein geplantes Gesetz gegen den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft zurückzuziehen. Der Gesetzentwurf sei zu einem "Symbol der Polarisierung" geworden, sagte sie vor dem Hintergrund von Bauernprotesten in mehreren europäischen Ländern. 

Die Pläne der Kommission sahen vor, den Einsatz von Pestiziden in der Union deutlich einzuschränken. Laut dem bisherigen Entwurf sollte er bis 2030 halbiert werden. Unter anderem wollte die EU-Kommission so gegen das Artensterben vorgehen. Der Vorschlag war auch abseits der Bauernproteste umstritten: Im EU-Parlament wurde das Gesetz im November abgelehnt, unter den Mitgliedsstaaten zeichnete sich ebenfalls keine Einigung ab.   

Das Thema sei dennoch nicht vom Tisch, sagte von der Leyen. Die Kommission könne nach einem Austausch mit Betroffenen wie Landwirten und Umweltorganisationen einen neuen Vorschlag vorlegen. Dieser werde "ausgereifter" sein. Es ist wahrscheinlich, dass der Entwurf erst nach den Europawahlen im Juni fertig sein wird.

Seit Wochen protestieren Bauern in mehreren Ländern gegen steigende Kosten und geringe Einkommen. Die Proteste richten sich  – wie etwa in Deutschland – gegen die Streichung von Subventionen, aber auch gegen die Umweltauflagen aus Brüssel. 

Einige Regierungen von Mitgliedsstaaten haben inzwischen Kompromisse angekündigt. So will etwa Frankreich auf geplante Steuererhöhungen auf Agrardiesel verzichten und Rinderzüchterinnen sowie Weinbauern stärker unterstützen. Zudem will Frankreich das Mercosur-Abkommen mit südamerikanischen Ländern, das den Handel mit Agrargütern liberalisieren soll, zunächst nicht unterzeichnen. Auch in Griechenland, wo sich Bauern mit den Folgen des Klimawandels alleingelassen fühlen, kündigte die Regierung Hilfsmaßnahmen an.   


Aus: "EU-Kommission will Gesetzentwurf für Pestizidschutz zurückziehen" (6. Februar 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-02/eu-kommission-pestizid-landwirtschaft-bauern-proteste (https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-02/eu-kommission-pestizid-landwirtschaft-bauern-proteste)

QuoteJean Antoine

Die Bauern verwenden Glyphosat, das im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Die Bauern überschwemmen ihre Felder mit Gülle. Diese Unmengen verseuchen unser Grundwasser und das schädigt unsere Gesundheit. ...


QuoteShop-O-Mat

Schwieriges Thema. Klar fürt die geplante Regelung zu Einnahmeausfällen bei den Bauern. Klar ist aber auch, dass Pestizide zum Artensterben beitragen. Hm...


QuoteIlonaRagna

Ein Großteil der Menschen wohnt in Städten, bekommt die Pestizide und Insektizide also leider nicht unmittelbar mit. Wenn deren Reduzierung aufgegeben wird, beschleunigt sich das Artensterben und das Mirkobiomsrerben im Boden. Die Landwirtschaft wird so mittelfristig ertragsärmer. Warum erklärt das niemand den PolitikerInnen und LandwirtInnen so, dass sie es verstehen?


Quotebierosoph

"Landwirtschaft verursacht Pestizidcocktail im Schlafzimmer"

Forscher wiesen in Haushalten am Rande landwirtschaftlich genutzter Gebiete bis zu 23 Pflanzenschutzmittel nach. Wie gelangt umstrittene Chemie in die eigenen vier Wände?'


Verena Kainrath (20. September 2021): ... Dass ein Teil der Spritzmittel im Zuge der Abdrift und Verdunstung übers Ziel hinausschießt, sei jedem hier klar, sagt der Steirer, dessen Haus an die Plantagen angrenzt. "Mit einem eigenen Garten tut man sich in Puch sicher nichts Gutes." Das Ausmaß der Kontamination mit Pflanzenschutzmitteln im Inneren seiner Wohnräume habe ihn dennoch schockiert. ...
https://www.derstandard.de/story/2000129796886/landwirtschaft-verursacht-pestizidcocktail-im-schlafzimmer (https://www.derstandard.de/story/2000129796886/landwirtschaft-verursacht-pestizidcocktail-im-schlafzimmer)

Ob das auch gegen Hausmilben wirkt?


QuoteAnidni

Ein ganz fataler Schritt für den Artenschutz. Und damit auch für unsere Spezies. Es ist zum K. : (


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on February 06, 2024, 12:26:26 PM
Quote[...] Der Agrar- und Pharmakonzern Bayer hat in den USA im Zusammenhang mit einem Prozess um einen Unkrautvernichter vor einem Berufungsgericht verloren. Das elfte Berufungsgericht entschied, dass das Leverkusener Unternehmen nicht vor Klagen wegen des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup geschützt ist. Das Gericht aus Atlanta lehnte es ab, die Klage eines Arztes aus Georgia abzuweisen, der behauptet, Roundup habe bei ihm Krebs verursacht.

Die Entscheidung ist der jüngste Rückschlag bei den Bemühungen des Unternehmens, Tausende ähnlicher Klagen abzuwehren, die möglicherweise Schadenersatz in Milliardenhöhe bedeuten. Mehrere andere Berufungsgerichte waren zuvor in ähnlichen Verfahren zu demselben Ergebnis gekommen.

Bayer hatte gehofft, dass sich der Bundesberufungsgerichtshof in dieser Frage von den anderen Gerichten absetzen würde. Damit wäre es wahrscheinlicher, dass der Oberste Gerichtshof der USA die Frage durch ein US-weit geltendes Urteil klärt. Ein für den Konzern positives Urteil des Obersten Gerichtshofs könnte Bayers Haftung im Zusammenhang mit dem Produkt Roundup begrenzen, so die Hoffnung der Konzernführung.

Glyphosat hatte der Konzern Monsanto entwickelt. Weltweit beklagen Nutzer von Glyphosat-Produkten Gesundheitsschäden. Die Gerichtsverfahren hatte sich der Konzern ins Haus geholt, als er Monsanto übernahm.

Bayer hatte die Vorwürfe wegen des Herbizids stets zurückgewiesen. Auch stuften Behörden weltweit das Mittel als nicht krebserregend ein. Die Krebsforschungsagentur IARC der Weltgesundheitsorganisation WHO hingegen bewertete den Wirkstoff 2015 als "wahrscheinlich krebserregend". Die EU-Kommission hält Glyphosat für unbedenklich.


Aus: "Bayer unterliegt wegen Glyphosat vor US-Berufungsgericht" (6. Februar 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2024-02/glyphosat-bayer-usa-gerichtsverfahren-niederlage (https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2024-02/glyphosat-bayer-usa-gerichtsverfahren-niederlage)

QuoteScorpio11

Das Wichtigste an der Entscheidung Glyphosat zu übernehmen war doch, dass die völlig verarmten Spitzenmanager des Bayer-Konzerns superfette Boni erhielten. Was danach auch immer kommen mag: Die Bosse haben für ihr Leben ausgesorgt, die Forderungen aus verlorenen Gerichtsverfahren müssen die Share-Holder leisten...und die Mitarbeiter in Form von Stellenabbau.


QuoteDer karierte Fagott Korowjew

Zum Glück ist Roundup in Europa überhaupt nicht giftig. Oder gibt es einen anderen Grund das verantwortlichen Politiker so entschieden haben?


QuoteTomTombw

Wir Europäer sind halt wesentlich robuster als die verweichlichten Amerikaner, uns kann das Gift nichts anhaben.


QuoteArminSchimmerFan

Glyphosat zu verteufeln ist etwa so wie Dachdeckern den Hammer madig zu machen weil man sich damit verletzen könnte.

Bodenschonende Unkrautvernichtung ist extrem wichtig, ohne Handarbeit bekommt man das nur mit glyphosat hin. Bei den Prozessen geht es um Anwender von roundup im eigenen Garten oder Galabau... also um Arbeitsschutz oder Mangel davon.


QuotePeerPfeiffer

Tja, und hier läuft es erstmal 10 Jahre weiter. Mich persönlich interessiert weniger das Krebsrisiko der Konsumenten von mit Glyphosat behandelten Pflanzen, sondern das dadurch verursachte Artensterben, was in der gleichen Liga spielt für die Zukunft der ganzen Menschheit wie der Klimawandel.

Dass man sich nur am Krebsrisiko stört und nicht an den Folgen für die Artenvielfalt hierzulande, zeigt, dass man überhaupt nichts verstanden hat von den Problemen, vor denen wir als gesamte Art stehen.


...
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on February 27, 2024, 01:07:54 PM
Quote[...] Die Tesla-Fabrik in Brandenburg soll laut Angaben des Wasserverbands Straußberg-Erkner (WSE) die zulässigen Grenzwerte für wassergefährdende Stoffe verletzt haben. Messwerte sollen demnach belegen, dass Tesla seit rund zwei Jahren ständig und erheblich zu viel Phosphor und Gesamtstickstoff ins Abwassersystem einleite - um bis zu einem Sechsfachen. Das geht aus einem Schreiben des WSE hervor, das dem "Stern" und RTL exklusiv vorliegt.

Der WSE hat seine Mitglieder für Freitag zu einer außerordentlichen Sitzung eingeladen. In dem Brief an die Bürgermeister der Region dringt der Wasserverband darauf, Tesla bis auf Weiteres die Abwasserleitung zuzudrehen. Das könnte für die Fabrik einen Produktionsstopp bedeuten.

Tesla bestritt die erhöhten Messwerte auf Anfrage nicht. Eine Sprecherin schrieb, die Fabrik verfüge über eine Abwasseraufbereitungsanlage. Im Wesentlichen leite der Konzern noch Abwasser der sanitären Anlagen und Küchen in das kommunale Netz ein. Durch dieses ergebe sich "keine negative Auswirkung" auf die Kläranlage. Auch die Berliner Wasserbetriebe teilten auf Nachfrage mit, die erhöhten Phosphor- und Stickstoffwerte hätten "keinen Einfluss auf die Berliner Trinkwasserqualität". Der Wasserwissenschaftler Martin Pusch vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin warnte dagegen, die hohe Konzentration von Gefahrenstoffen im Abwasser könnte die Trinkwasserversorgung von Berlin gefährden, sollten diese in die Berliner Gewässer gelangen. Ein Teil des im Klärwerk gereinigten Wassers fließt im Sommer in den Müggelsee. Aus dem Uferfiltrat des Sees zieht eines der größten Wasserwerke Berlins sein Wasser.

Steffen Schorcht von der Bürgerinitiative Grünheide sagte, er sei "geschockt" über den erneuten Verstoß von Tesla gegen Umweltauflagen. Es sei nicht verwunderlich, dass der Protest gegen Tesla weiter ansteige, so Schorcht. Bei einer Bürgerbefragung hatten sich zuletzt zwei Drittel der Einwohner von Grünheide gegen einen Ausbau der Tesla-Fabrik ausgesprochen.

Quelle: ntv.de, lme


Aus: "Tesla-Fabrik überschreitet Schadstoff-Grenzwerte deutlich" (27.02.2024)
Quelle: https://www.n-tv.de/wirtschaft/Tesla-Fabrik-ueberschreitet-Schadstoff-Grenzwerte-deutlich-article24765547.html (https://www.n-tv.de/wirtschaft/Tesla-Fabrik-ueberschreitet-Schadstoff-Grenzwerte-deutlich-article24765547.html)
Title: [Umweltschutz | Naturschutz | Umweltgefährliche Stoffe (Ökotoxikologie) ... ]
Post by: Link on March 21, 2024, 04:16:56 PM
Quote[...] Ein neuer Bericht der Vereinten Nationen (UN) warnt vor der weltweit zunehmenden Menge an Elektroschrott. Demnach entweichen aus den weggeworfenen Geräten "Schwermetalle, Kunststoffe und giftige Chemikalien". Dies sei eine "große Katastrophe" für die Umwelt, sagte der Hauptautor der Studie, Kees Baldé.

Außerdem stellt der Elektroschrott laut dem Bericht ein Gesundheitsrisiko dar – insbesondere in ärmeren Ländern, wohin der Schrott aus reicheren Ländern häufig geschickt wird.

Mit insgesamt 62 Millionen Tonnen Schrott im Jahr 2022 ist dem Bericht zufolge eine Rekordmenge an Smartphones, Fernsehern und anderen Elektrogeräten weggeworfen worden. Davon sei nur ein Viertel wiederverwertet worden.

In dem Bericht wird der Wert der im Schrott enthaltenen Metalle auf 91 Milliarden Dollar (rund 84 Milliarden Euro) geschätzt. Davon sei jedoch nur ein Drittel verwertet worden, die meisten Geräte würden verbrannt.

Seit 2010 hat sich der Elektroschrott im Jahr 2022 in etwa verdoppelt, heißt es in dem Bericht. Mit der steigenden Nachfrage an elektrischen Geräten, darunter Solaranlagen und E-Autos, werde auch die Menge des Mülls weiter wachsen.


Aus: "UN beklagen Gesundheitsrisiken durch Rekordmenge an Elektroschrott" (20. März 2024)
Quelle: https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2024-03/un-elektroschrott-gesundheitsrisiko-umweltzerstoerung (https://www.zeit.de/wissen/umwelt/2024-03/un-elektroschrott-gesundheitsrisiko-umweltzerstoerung)

Quotephisad

Wäre vielleicht mal eine gute Idee, dass die Produzenten auch die Rückgabe und Wiederverwertung sicher stellen müssen. Aber das ist ja nur eine Kurzmeldung hier...


QuoteSeebergers Kalle

Recycling von Elektrogeräten ist maschinell und auch chemisch schwierig. Daher ist viel Handarbeit gefragt. Beim Lohnniveau in z.B. der EU nicht rentabel. Bleibt also nur verbrennen oder verschicken. ...


QuoteTill Varo

Freie Marktwirtschaft bedeutet: Jeder darf jeden Unsinn (mit ordentlich programmierter Obsolezenz) herstellen, verkaufen und kaufen, wie er möchte.

Angebotsorientierte Wirtschaftspolitik läuft darauf hinaus, dass das Endprodukt (im doppelten Wortsinn) billig sein muss!

Wer regulieren möchte, dass ein kompletter Drucker signifikant mehr kosten sollte, als ein Set neuer Tintenpatronen, setzt sich dem Verdacht planwirtschaftlichen Stalinismus' aus.

...


...