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REALITY.SERVICES [REALITAETS.DIENSTE] => Erweiterter Machtdiskurs (Politik) => Topic started by: Link on March 16, 2017, 10:31:08 AM

Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on March 16, 2017, 10:31:08 AM
Geopolitik wird häufig als Synonym für das raumbezogene, außenpolitische Agieren von Großmächten im Rahmen einer Geostrategie bezeichnet.
https://de.wikipedia.org/wiki/Geopolitik

Als Großmacht bezeichnet man einen Staat, der einen wesentlichen geopolitischen Einfluss hat. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fmacht

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Kalter Krieg wird der Konflikt zwischen den Westmächten unter Führung der Vereinigten Staaten von Amerika und dem sogenannten Ostblock unter Führung der Sowjetunion genannt, den diese von 1947 bis 1989 mit nahezu allen Mitteln austrugen. Zu einer direkten militärischen Auseinandersetzung zwischen den Supermächten USA und Sowjetunion und ihren jeweiligen Militärblöcken kam es jedoch nie. Der Kalte Krieg trat als Systemkonfrontation zwischen Kapitalismus und Kommunismus in Erscheinung und bestimmte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts weltweit Außen- und Sicherheitspolitik. Dabei wurden jahrzehntelang auf beiden Seiten politische, wirtschaftliche, technische und militärische Anstrengungen unternommen, um den Einfluss des anderen Lagers weltweit einzudämmen oder zurückzudrängen. Als Synonym für diese Ära des 20. Jahrhunderts wird auch die Bezeichnung Ost-West-Konflikt verwendet ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Kalter_Krieg

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Kalter_Krieg


"70 SPIEGEL-Jahre Kalter Krieg - das lange Ringen zwischen Ost und West" Konstantin von Hammerstein (30.12.2016)
... Der Antagonismus des Kalten Krieges schärft die Konturen, die innenpolitische Debatte wird von den Parteien, aber auch von Blättern wie dem SPIEGEL, mit einer Härte geführt, die heute kaum noch vorstellbar ist. Von den Vierzigerjahren an stehen sich die ehemaligen Weltkriegsalliierten USA und Sowjetunion in einem tödlichen Patt gegenüber. Ein "Eiserner Vorhang" sei vor der sowjetischen Front niedergegangen, schreibt der britische Premier Winston Churchill am 12. Mai 1945 in einem Telegramm an den neuen US-Präsidenten Harry S. Truman, "was dahinter vorgeht, wissen wir nicht". ...
http://www.spiegel.de/einestages/70-jahre-spiegel-kalter-krieg-das-ringen-zwischen-ost-und-west-a-1130398.html


Als Eiserner Vorhang wird in Politik und Zeitgeschichte nach dem Namensgeber aus dem Theaterbau sowohl der ideologische Konflikt als auch die physisch abgeriegelte Grenze bezeichnet, durch welche Europa in der Zeit des Kalten Krieges geteilt war. Er bildete bis zum Jahr 1989 die Trennlinie zwischen den kapitalistisch orientierten Staaten im Westen (unter Dominanz der USA) und den planwirtschaftlich geleiteten, sozialistischen Staaten im Osten (unter Dominanz der UdSSR). Die innerdeutsche Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR und somit die Berliner Mauer war Teil des Eisernen Vorhangs. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Eiserner_Vorhang

https://de.wikipedia.org/wiki/Ostblock


Der Warschauer Pakt – eine im Westen gebräuchliche Bezeichnung, im offiziellen Sprachgebrauch der Teilnehmerstaaten Warschauer Vertrag genannt – war ein von 1955 bis 1991 bestehender militärischer Beistandspakt des sogenannten Ostblocks unter der Führung der Sowjetunion. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Warschauer_Pakt


Bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs traten die Gegensätze zwischen den ehemaligen Teilnehmermächten der Anti-Hitler-Koalition – der UdSSR auf der einen und den westlichen Siegermächten Vereinigtes Königreich, Frankreich und USA auf der anderen Seite – klar zutage. Bereits mit dem Brüsseler Vertrag vom 17. März 1948 schlossen sich die westeuropäischen Länder Frankreich, das Vereinigte Königreich, die Niederlande, Belgien und Luxemburg zu einem Bündnis für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zusammenarbeit sowie zur kollektiven Selbstverteidigung zusammen. Dieses Bündnis war nominell noch als Beistandspakt gegen eine erneute deutsche Aggression vorgesehen. Im März 1947 hatten die USA die britische Schutzmachtrolle über Griechenland und die Türkei übernommen, um einer sowjetischen Machtausweitung entgegenzuwirken. Mit dem Februarumsturz in der Tschechoslowakei und der Berlin-Blockade 1948 rückte in Westeuropa eine mögliche militärische Bedrohung durch den von der Sowjetunion angeführten kommunistischen Ostblock ins Blickfeld. Die westeuropäischen Staaten wandten sich nun an die USA mit der Bitte um militärischen Beistand gegen eine mögliche sowjetische Aggression. ... Durch die Unterzeichnung der Pariser Verträge am 23. Oktober 1954 im Zuge der Westintegration der Bundesrepublik Deutschland wurde diese zum Beitritt eingeladen, der kurz nach Inkrafttreten der Verträge in einer Beitrittszeremonie im Pariser Palais de Chaillot am 9. Mai 1955 feierlich vollzogen wurde. Am 14. Mai 1955 wurde wegen dieses NATO-Beitritts der Warschauer Pakt gegründet. Am 15. Mai 1955 wurde der Österreichische Staatsvertrag in Wien unterzeichnet, der die Souveränität des Staates wiederherstellte und bis Oktober 1955 zum Abzug der Besatzungstruppen führte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/NATO (15. März 2017)


Title: Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on March 16, 2017, 11:05:53 AM
Bücherlisten zu Themen - Stichwort Kalter Krieg:
https://www.perlentaucher.de/buchKSL/stichwort-kalter-krieg.html

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"Chronologie der Spionage im Kalten Krieg " (September 2004, aktualisiert Oktober 2012 / SRR)
Die Geschichte der Spionage ist entscheidend länger als die Geschichte des "Kalten Kriegs" und hat ihren Ausgangspunkt in China 320 v. Ch., als ein gewisser "Sun Tzu" die "Dreizehn Gebote" der geheimen Kriegsführung aufschrieb. Wann die Spionage zwischen Ost und West genau begann, ist dagegen nicht genau festzustellen. Noch während des Zweiten Weltkrieges wuchs das gegenseitige Misstrauen der UdSSR und der USA. Am 5.9.1945 wechselte der Nachrichtenoffizier der UdSSR, Igor Gusenko, die Seiten. Er war der Erste - viele weitere sollten folgen. Gusenko war Leiter einer Chiffrier-Abteilung. Aufgrund der Akten, die er mitbrachte, wurden zehn Spione in Kanada und den USA verurteilt, darunter Dr. Allen Nunn May, der Deutsche Dr. Klaus Fuchs, Harry Gold und David Greenglas. Die USA zeigten sich empört. Im selben Jahr 1945 beauftragen die USA Hitlers Ost-Spionagechef Reinhard Gehlen, seinen Dienst als "Organisation Gehlen" weiterzuführen. ...
http://www.3sat.de/page/?source=/ard/165561/index.html

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Als akademische Reaktion auf die Renaissance der früheren Geopolitik und deren Zielsetzung, weltweite amerikanische Ansprüche und Machtvorstellungen zu legitimieren, entstand in den USA der 1980er-Jahre die Konzeption der Critical Geopolitics, die eine paradigmatischen Wende vom Positivismus zum Konstruktivismus darstellt. In dieser Sichtweise ist Geographie keine endgültige Wahrheit, sondern eine Form sozial produzierten Wissens.Traditionelle Raumkonzepte, die auf die Neutralität und Objektivität des Raumes Bezug nehmen, wurden anfechtbar. Raum und Territorium sind nach diesem Verständnis nicht mehr passive Bühne menschlichen Handelns sondern werden für politische Zwecke instrumentalisiert. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Geopolitik

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Geopolitik

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"Sicherheitspolitik: Der Westen in Therapie" Mathias Müller von Blumencron, München (18.02.2017)
Ein seltenes Schauspiel der Unsicherheit: Auf der Münchner Sicherheitskonferenz sucht die Elite der Außen- und Sicherheitspolitiker nach der Antwort auf eine Frage: Was macht den Westen aus – und hält er noch genug zusammen? ... Die alten Eliten müssten Raum machen für eine neue Ordnung, fordert Lawrow, in der jeder seinen ,,nationalen Interessen" nachgehen kann. Der Diplomat beklagt abermals die Ausweitung der Nato nach Osten, bezeichnet sie als eine ,,Institution des Kalten Krieges" und hofft auf einen Neustart der amerikanisch-russischen Beziehungen unter dem neuen Präsidenten Donald Trump. Dessen Persönlichkeit hängt wie ein gigantischer unsichtbarer Elefant in jedem Meeting, doch nur selten wird sein Name ausgesprochen. Es wird lieber vorsichtig abgetastet, weder will man die angereisten Polen düpieren, und noch weniger die Briten. Und dennoch ist es Trumps Sieg, der diese Konferenz zu einer anderen macht, als in den Jahren zuvor. Kein anderer führender Staatschef der westlichen Welt steht so sehr für Nabelschau, Abgrenzung und Protektionismus. Es ist dieser erstarkende Egoismus der Nationen, der viele der in München anwesenden Politiker zutiefst beunruhigt. ...
http://www.faz.net/aktuell/politik/sicherheitskonferenz/auf-der-sicherheitskonferenz-ist-der-westen-in-therapie-14884618.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

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Das Berliner Kolleg Kalter Krieg
Im März 2015 hat das Berliner Kolleg Kalter Krieg | Berlin Center for Cold War Studies seine Arbeit aufgenommen. Das Kolleg ist ein gemeinsames Projekt des Hamburger Instituts für Sozialforschung, des Instituts für Zeitgeschichte München – Berlin, der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur und der Humboldt-Universität zu Berlin.
Das Kolleg ist ein Ort internationalen Wissenschaftsaustauschs und der Weiterentwicklung einschlägiger Forschungen zum Kalten Krieg. Dabei stehen geschichtswissenschaftliche Beiträge zu den internationalen und deutsch-deutschen Beziehungen ebenso im Blickpunkt wie die Wahrnehmung und Verarbeitung von Konflikten, die Emotionsgeschichte, die Implikationen der globalen Systemkonkurrenz für Gesellschaft und Wissenschaften in Ost und West und die sich seit 1990 herausbildenden Erinnerungskulturen.

https://www.berlinerkolleg.com/


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"Kalter Krieg im Untergrund"
1967 entdeckt man auf West-Berliner Gebiet drei vergessene Tunnelanlagen der Germaniaplanungen unter dem sowjetischen Ehrenmal an der Straße des 17. Juni. Gerüchte über mögliche unterirdische Verbindungen in den Ostteil der Stadt schrecken das Ministerium für Staatssicherheit auf. Da es anscheinend keine alten Aufzeichnungen über die Enttrümmerungsarbeiten gibt, wird in der Folge eine geheime und umfangreiche Untersuchung in Auftrag gegeben. Ziel ist es, ,,Untertägige Anlagen" – kurz ,,UTA" genannt – zu ermitteln, die ,,für Provokationen und Angriffe auf die Staatsgrenze der Hauptstadt der DDR ausgenutzt werden können".
In den folgenden Jahren werden insgesamt 16 verschüttete Bunkeranlagen wieder freigelegt und dokumentiert, darunter die Bunkeranlagen der Neuen Reichskanzlei.  ...

http://berliner-unterwelten.de/kalter-krieg-im-untergrund.104.0.html

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Deutschland im Kalten Krieg - Deutsch-Deutsche Feindbilder in der politischen Propaganda 1945 bis 1963
online-Version einer Ausstellung des Deutschen Historischen Museums von 1992. Diese spürt den deutsch-deutschen Feindbildern in der politischen Propaganda der ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg nach. "Agenten", "Saboteure", "Militaristen" und "Amikäfer" waren dabei das Personal der gegenseitigen Verteufelungskampagnen im Kampf der Systeme. ...
http://www.dhm.de/archiv/ausstellungen/kalter_krieg/start.htm

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"USA und Russland Der Kalte Krieg kehrt zurück" (04.10.2016)
Abbruch der Gespräche über Syrien, Aufkündigung der Plutonium-Vereinbarung: Zwischen den USA und Russland werden Brücken abgebrochen, die eine Kooperation der beiden Großmächte nach dem Ende des Kalten Krieges sicherstellen sollten. Russland und die syrische Führung hätten die Diplomatie als Instrument der Konfliktlösung zurückgewiesen, sagte US-Außenminister John Kerry am Dienstag bei einem Besuch in Brüssel.
,,Natürlich hoffe ich, dass es keinen neuen Kalten Krieg gibt", sagt hingegen der russische UN-Botschafter Witali Tschurkin. Die Spannungen zwischen beiden Ländern würden derzeit ,,über-dramatisiert", fügte er hinzu.
Zumindest in Syrien ist die Lage aber auch ohne ,,Über-Dramatisierung" gefährlich genug. In der ersten Auslandsstationierung dieser Art überhaupt verlegt Russland derzeit das moderne Raketenabwehrsystem SA-23 in das Bürgerkriegsland. Wie der US-Sender Fox unter Berufung auf amerikanische Regierungskreise meldet, kamen Elemente des Systems jetzt in Syrien an. Da die Gegner der russischen Luftwaffe in Syrien – die diversen Rebellengruppen, die gegen den Moskauer Partner Baschar al Assad kämpfen – keine Raketen besitzen, liegt der Schluss nahe, dass mit dem Abwehrsystem mögliche amerikanische Lenkflugkörper abgefangen werden sollen. ...

http://www.tagesspiegel.de/politik/usa-und-russland-der-kalte-krieg-kehrt-zurueck/14640400.html

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"Der stille Sieg der Autonomie" Katrin McClean (15. März 2017)
Mark Bartalmai lebt seit Juli 2014 mit kurzen Unterbrechungen als Journalist in Donezk. Manche werfen ihm vor, dass er keine klassische Journalistenausbildung habe, dennoch ist er der einzige deutsche Journalist, der dauerhaft vor Ort ist. Eine Qualität, die ihm kein anderer Journalist streitig machen kann. Ganz sicher nicht die ARD-Korrespondentin Golineh Atai, die mit ganz wenigen Ausnahmen aus dem Pressezentrum von Kiew berichtet, also Informationen über den Konfliktgegner ausschließlich aus "Feindeshand" bezieht, was mit journalistischer Qualität nicht viel zu tun haben kann.
Alle Angebote, die Bartalmai den öffentlich rechtlichen Medien und führenden Nachrichtenmagazinen gemacht hat, wurden ausnahmslos abgelehnt. Und als wäre das nicht genug, hat die ARD-Sendung "Fakt" ein Porträt über den Journalisten gesendet, das sich als durchschaubares Diffamierungsstückchen auf dem untersten Niveau journalistischer Leistung bewegte. (siehe dazu "Fakt ohne Fakten..." vom Juli 2016 https://www.heise.de/tp/features/Fakt-ohne-Fakten-gegen-Mark-Bartalmai-3255884.html).
Die Sendung war vermutlich eine Reaktion auf den ersten Dokumentarfilm des Journalisten "Ukrainian Agony - der verschwiegene Krieg". Doch trotz aller Warnungen vor dem "Putin-Propagandisten" hat dieser erste Film eine große Zahl von Zuschauern gefunden, wird noch immer weiter verbreitet und ist Grundlage für das Crowdfunding, mit dem Bartalmai sich über Wasser hält. Von unterschiedlicher Seite wurde diesem ersten Film eine propagandistische Machart vorgeworfen. Tatsächlich hatte sich Bartalmai mit vielen Erklärungen um eine historische Aufarbeitung des Konfliktes bemüht, und es gehört schon zur Standard-Kultur in dieser Debatte, dass NATO-Verteidiger Propaganda nennen, was NATO-Kritiker als Aufklärung bezeichnen würden. ...
Der lange Dokumentarfilm von Mark Bartalmai versammelt im Grunde Material, das längst im "Auslandsjournal" hätte laufen können. Es sind spannende Porträts über eine Gesellschaft, die sich zwischen Krieg und Aufbruch befindet. Geschichten, die es allemal wert sind, erzählt zu werden. Doch unsere Nachrichten haben die Region offenbar zum Niemandsland erklärt. Und deshalb brauchen wir diesen Film.
https://www.heise.de/tp/features/Der-stille-Sieg-der-Autonomie-3646268.html


QuoteXXIII, 15.03.2017 22:15

Telepolis, das inoffizielle Sprachrohr der russischen Propaganda

Ulrich Heyden ist jetzt ja ganz offiziell RT Deutsch Reporter.
Welche(r) Telepolis Schreiber(in) folgt als nächste(r)? Ich habe da so eine Vermutung...


QuoteTeichhuhn, 15.03.2017 21:10

... Und selbst wenn in dem Film zu 100% der Standpunkt der Volksrepubliken vertreten werden würde, ist er doch ein unverzichtbarer Beitrag zum Verständnis des Ukrainekonflikts. Wie will man einen Konflikt verstehen, wenn nicht die Positionen aller Seiten bekannt sind?


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Title: Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on November 15, 2017, 09:36:25 AM
Quote[...] Laut BND-Chef Bruno Kahl kann Europa nur gemeinsam mit den USA ein glaubwürdiges Gegengewicht zu Russland bilden. Die Kooperation mit US-Nachrichtendiensten sei dabei von unverzichtbarer Bedeutung.

MünchenDer BND-Chef Bruno Kahl sieht in den USA einen der wichtigsten Partner in Sachen Sicherheit für Europa und Deutschland. ,,Als Präsident des Bundesnachrichtendienstes darf ich sagen, dass die Zusammenarbeit mit den amerikanischen Nachrichtendiensten ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Leistungsfähigkeit ist", sagte der Chef des deutschen Auslandsgeheimdienstes bei einem Vortrag in der Hanns-Seidel-Stiftung am Montagabend in München.

Die USA hätten als einziger Staat an den drei großen geostrategischen Fronten des Weltgeschehens - Europa, am Persischen Golf und in Ostasien - Truppen stationiert. ,,Sie verfügen über zehn Flugzeugträger, die sie in kürzester Zeit zu internationalen Konfliktzonen beordern können", sagte Kahl. Für Deutschland sei es von großem Vorteil, eine solche Macht nicht auf der anderen Seite, sondern auf der eigenen Seite zu haben.

Immerhin seien noch 34.000 amerikanische Soldaten in der Bundesrepublik stationiert. ,,Das zeigt, wie eng das sicherheitspolitische Band zwischen Berlin und Washington immer noch ist." Und auch die Entwicklung in der Ukraine erinnere an einen ganz nüchternen Zusammenhang: ,,Nur mit den USA wird es Europa in den nächsten Jahren schaffen, an der Ostflanke Europas einen glaubwürdiges Gegengewicht zu Russland zu bilden."

    dpa


Aus: "BND-Chef Bruno Kahl - Zusammenarbeit mit US-Nachrichtendiensten unverzichtbar" (14.11.2017)
Quelle: https://www.handelsblatt.com/politik/international/bnd-chef-bruno-kahl-zusammenarbeit-mit-us-nachrichtendiensten-unverzichtbar/20578732.html (https://www.handelsblatt.com/politik/international/bnd-chef-bruno-kahl-zusammenarbeit-mit-us-nachrichtendiensten-unverzichtbar/20578732.html)
Title: Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on December 05, 2017, 10:58:53 AM
Quote[...] Bundesaußenminister Sigmar Gabriel will die deutsche US-Politik neu justieren. Die USA kämen unter ihrem Präsidenten Donald Trump ihrer Rolle als weltpolitische Gestaltungskraft nur noch ,,geschwächt" nach, kritisierte der SPD-Politiker laut einem der ,,Süddeutschen Zeitung" vorliegendem Manuskript für eine Grundsatzrede, die er an diesem Dienstag beim Berliner Forum Außenpolitik der Körberstiftung halten will. Deutschland müsse künftig selbstbewusster seine Interessen vertreten. ,,Wir müssen selbst unsere Positionen beschreiben und notfalls rote Linien ziehen - unter Partnern, aber an unseren eigenen Interessen orientiert."

Als Beispiele nennt Gabriel etwa die Russland-Sanktionen, die der US-Kongress im Sommer beschloss und die auch Auswirkungen auf die Energieversorgung in Deutschland haben könnten, weil sie russische Pipelines betreffen.

Die ,,Selbstverständlichkeit, mit der wir die US-amerikanische Rolle als - trotz gelegentlichen Zwistes - behütend sehen", beginne ,,zu bröckeln", zitiert die Zeitung den geschäftsführenden Außenminister aus dem Manuskript. Die Vereinigten Staaten würden Deutschland ebenfalls womöglich anders als vorher betrachten, ,,als ein Partner unter vielen". ,,Das heißt aber auch, dass wir ganz zwangsläufig auch als Wettbewerber wahrgenommen werden."

Der Außenminister warnt überdies vor einer Aufkündigung des Atomdeals mit dem Iran, wie es von Trump erwogen wird. Dies würde die Kriegsgefahr erhöhen und die nationale Sicherheit berühren, heißt es in dem Redetext.

"In beiden Fällen kann Deutschland es sich nicht leisten, auf Entscheidungen in Washington zu warten oder bloß darauf zu reagieren." Berlin müsse kühler analysieren, wo Deutschland mit den USA "über Kreuz" liege, und eine selbständigere USA-Politik entwickeln.

Für Europa gelte: "Heute ist diese Welt weit unbequemer geworden. Und längst merken wir, dass es selbst bei großer wirtschaftlicher Prosperität keinen bequemen Platz an der Seitenlinie internationaler Politik mehr für uns gibt. Weder für uns Deutsche noch für uns Europäer."

Berlin müsse kühler analysieren, wo Deutschland mit den USA ,,über Kreuz" liege. Eine selbstständigere USA-Politik müsse entwickelt werden. ,,In diese Partnerschaft werden wir auch zukünftig investieren. Es geht dabei nun auch um eine politische Investition, die den Umgang mit der neuen Lage mit einem strategischen Anker versieht." (dpa/AFP)


Aus: "Gabriel fordert mehr Selbstbewusstsein im Umgang mit den USA" (05.12.2017)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland-und-die-usa-gabriel-fordert-mehr-selbstbewusstsein-im-umgang-mit-den-usa/20670444.html (http://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland-und-die-usa-gabriel-fordert-mehr-selbstbewusstsein-im-umgang-mit-den-usa/20670444.html)

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Quote[...] Sigmar Gabriel hat kurz nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag einen neuen Job gefunden: Der frühere SPD-Chef wird Berater bei der US-Denkfabrik Eurasia Group. Als "Experte für europäische Angelegenheiten" werde Gabriel "Einblicke in die sich rasant verändernde politische Landschaft der Region" geben, teilte das Unternehmen mit Sitz in New York mit. Zuvor hatte das "Handelsblatt" darüber berichtet.

Eurasia-Chef Ian Bremmer bezeichnete Gabriel in der Mitteilung als "Schlüsselfigur in europäischen und globalen Angelegenheiten". Er habe von dem Politiker "über die Jahre viel gelernt".

Das vom US-Politikwissenschaftler Bremmer gegründete Unternehmen hat sich auf internationale Politikberatung spezialisiert und beschäftigt unter anderem den früheren kanadischen Außenminister John Baird, Italiens Ex-Regierungschef Enrico Letta und den ehemaligen Premier Australiens, Kevin Rudd, als Berater.

Gabriel wird mit den Worten zitiert, er freue sich darauf, "meine Erfahrungen aus erster Hand zu nutzen, um Kunden dabei zu beraten, sich im aktuellen, herausfordernden geopolitischen Umfeld zu bewegen".

In den vergangenen Wochen war spekuliert worden, der frühere Vizekanzler und Außenminister werde neuer Präsident des Verbands der Automobilindustrie. Vor einer Woche erklärte er jedoch, dass er "aufgrund anderer Aufgaben" dafür nicht zur Verfügung stehe. Gabriel ist auch Vorsitzender der Atlantik-Brücke.

mes/AFP


Aus: "Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel heuert bei US-Denkfabrik an" (Dienstag, 12.11.2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sigmar-gabriel-ex-spd-chef-heuert-bei-us-beratungsfirma-an-a-1296144.html (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/sigmar-gabriel-ex-spd-chef-heuert-bei-us-beratungsfirma-an-a-1296144.html)

Quotekreuzberger36 12.11.2019

Schön

Diese Kompetenz muss Früchte tragen! Früchtchen Sigi! Alles richtig gemacht!


QuoteDrWaumiau 12.11.2019

Wäre ja mal nett gewesen zu erfahren, was für eine Sorte Denkfabrik das denn ist. Aber sowas (bisschen Recherche) kann man vom Spiegel anscheinend nicht mehr erwarten, die Qualität der Texte, sowohl inhaltlich als auch formal (Fehler über Fehler!), nimmt monatlich ab (dafür wird die Werbung immer dicker und bunter). Naja, immerhin wissen wir jetzt, dass Herr Gabriel versorgt ist. Ist ja auch schön.


Quoteanti-empath 12.11.2019

Denkfabrik?

Ich freue mich, dass Herr Gabriel eine Anschlussbeschäftigung gefunden hat. Aber kann bitte der Begriff "Denkfabrik" weggelassen werden. Sowas gibt es nicht. Entweder handelt es sich um Beratungsunternehmen (wie hier) oder um Institute. "Denkfabrik" ist eine euphemistische aus dem Englischen importierte Bezeichnung für normale Lobbyarbeit


QuoteGerwien 12.11.2019
13. Die Krake
[Zitat von DrWaumiau] ...zu erfahren, was für eine Sorte Denkfabrik das denn ist. Aber sowas (bisschen Recherche) kann man vom Spiegel anscheinend nicht mehr erwarten, die Qualität der Texte, sowohl inhaltlich als auch formal ...

"Eurasia Group" macht in Asien das, was die Atlantik Bücke e.V für das US-Grosskapital in Deutschland macht. Beide haben den gleichen Finanzier ("Council on Foreign Relations"). Sage mir, wer Dich gekauft hat und ich sage Dir, wer Du bist.


Quotesilbersee 12.11.2019

Ein Traum

Solch Denkfabriken haben immer mehr Einfluss auf Politik. Mein Traum wäre ein Journalisnus, der recherchiert , wie und vom wem und in welchem Umfang diese Berater bezahlt werden. Aber das ist wohl heutzutage zuviel verlangt. Das darf man dann selbst mühsam im Netz recherchieren um dann aber hier irgendwann zu lesen, dass im Natz nur Fakes verbreitet werden. Richtig?


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Title: Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on January 18, 2018, 12:11:32 PM
17. Januar 2018 um 15:42 Uhr | Verantwortlich: Albrecht Müller
ZDF, ARTE, dpa, die Deutsche Telekom ... alle im Dienste des Imperiums beim Feindbildaufbau gegen Russland und Putin.
Veröffentlicht in: Audio-Podcast, Kampagnen / Tarnworte / Neusprech, Medienkritik, Wahlen
Wer wissen will, wie einseitige Manipulation aussieht, sollte sich dieses Machwerk anschauen. Ich habe mir dies angetan und konnte kaum so viel fressen, wie ich ...
http://www.nachdenkseiten.de/?p=41955

Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on February 16, 2018, 11:47:46 AM
"Wolfgang Ischinger: Leiter der Sicherheitskonferenz warnt vor Kriegsgefahr" (16. Februar 2018)
Die Kriegsgefahr sei lange nicht so hoch gewesen: Wolfgang Ischinger warnt vor gefährlichen Missverständnissen zwischen Großmächten.  ... Der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hat kurz vor Beginn des internationalen Spitzentreffens ein düsteres Bild von der aktuellen weltpolitischen Gefährdungslage gezeichnet. "Wir haben noch nie seit dem Ende der Sowjetunion eine so hohe Gefahr auch einer militärischen Konfrontation von Großmächten gehabt", sagte er im Deutschlandfunk. Insbesondere das Misstrauen zwischen den Militärführungen in Moskau und Washington sei abgrundtief. ...
http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-02/wolfgang-ischinger-macht-konstellationen-kriegsgefahr-muenchener-sicherheitskonferenz

University Professor of Political Science at the University of Innsbruck since October 1st, 2015. Specialization on International Relations and Security in the post-Soviet region.
http://www.gerhard-mangott.at/ | https://twitter.com/gerhard_mangott

"Die Lügen-Affäre ist ein herber Rückschlag für die niederländische Regierung" (14.2.2018)
Der niederländische Aussenminister ist wegen falscher Aussagen in Bezug auf Putin zurückgetreten. ...
https://www.nzz.ch/international/misstrauensvotum-gegen-niederlaendischen-regierungschef-ld.1357103

Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on February 22, 2018, 09:05:25 AM
Hans-Christof Kraus (* 3. November 1958 in Göttingen) ist ein deutscher Historiker.
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Christof_Kraus (https://de.wikipedia.org/wiki/Hans-Christof_Kraus)

Quote[...] [24.07.2012] ... Man kann nur staunen über das Ausmaß an fast schon sträflicher Naivität oder auch nur schlichter Ignoranz, das viele Beurteiler der Syrien-Krise an den Tag legen, vor allem, wenn es darum geht, die Hintergründe für das zähe Tauziehen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zwischen Amerika und den westlichen Mächten einerseits, Russland und China andererseits aufzuhellen. Folgt man der Darstellung des Konflikts in weiten Teilen der westlichen Welt, dann scheint es sich lediglich um die Frage zu handeln, ob es gelingt, die syrische Bevölkerung von einem blutigen Diktator zu befreien. ... Dabei geht es um vollkommen andere Probleme. Die Konfliktlinien verlaufen dort, wo sie von fast allen deutschen Beobachtern nicht einmal mehr wahrgenommen werden, und zwar vor allem deshalb, weil man in unserem Land verlernt hat, in weltpolitischen und geostrategischen Kategorien zu denken. Ob die Syrer, in weltpolitischer Sicht gesehen, derzeit oder künftig von einem Diktator aus dem Hause Assad, von einer demokratischen oder sich als demokratisch inszenierenden Regierung oder auch von einem radikal muslimischen Regime regiert werden, ist aus der Perspektive geostrategischer Erwägungen zuerst einmal gleichgültig. ...

Der aktuelle Konflikt um ein Eingreifen oder Nicht-Eingreifen in den syrischen Bürgerkrieg ist deshalb so brisant, weil sich in dieser Frage der Gegensatz zwischen zwei radikal unterschiedlichen geostrategischen und weltpolitischen Konzeptionen manifestiert. Den Amerikanern und der westlichen Seite geht es nicht oder nicht vorrangig darum, der bedauernswerten syrischen Bevölkerung zu helfen, sondern um Einflussnahme auf die Neugestaltung des Landes nach einem voraussichtlichen Sturz des derzeitigen Regimes, obwohl man mit diesem bisher stets gut zusammenarbeiten konnte. Mehrere, seit längerem geplante, für den Westen wichtige Öl- und Gaspipelines stehen auf dem Spiel, die Saudi-Arabien und Qatar mit dem östlichen Mittelmeerraum und der Türkei verbinden und deshalb partiell durch syrisches Gebiet führen sollen.

Russen und Chinesen nehmen die gegenteilige Perspektive ein. Die russische Militärbasis am Mittelmeer, im syrischen Hafen Tartus gelegen, steht ebenfalls auf dem Spiel - wie die allgemeine machtpolitische Stellung Moskaus und Pekings im nahöstlich-vorderasiatischen Raum. Der Blick auf einen möglichen militärischen Konflikt zwischen Israel und Iran macht es für die beiden größten Mächte Asiens unabdingbar, hier präsent zu sein.

Noch ist nicht vorauszusehen, welche von beiden Seiten sich durchsetzen wird, denn auch die Amerikaner haben schon häufiger UN-Resolutionen missachtet, wenn ihnen dies zur Förderung ihrer eigenen Interessen notwendig erschien. Den unerklärten Krieg gegen den Irak, der zum Sturz des Regimes von Saddam Hussein führte, haben Moskau und Peking höchst widerwillig hinnehmen müssen - am Ende nur deshalb, weil sie es nicht wagen konnten, der zeitweilig einzigen hochgerüsteten Weltmacht entschiedener entgegenzutreten. Heute hat sich das Blatt gewendet: Aufgrund schwerer hausgemachter wirtschaftlicher Probleme, die mit einem weit überdehnten außen- und militärpolitischen Engagement zusammenhängen, befinden sich die Vereinigten Staaten in einer deutlich geschwächten Position. Ihr militärisches Eingreifen in Syrien erscheint schon aus diesem Grund als kaum wahrscheinlich.

... Insofern kann man am Ausmaß, am Verlauf und an den, wie abzusehen ist, schon bald eintretenden Folgen des Syrien-Konflikts wie in einem Brennspiegel die gegenwärtige Verteilung weltpolitischer Machtpotentiale ablesen. Die Würfel sind noch nicht gefallen. Aber die geostrategischen Global Player halten sie bereits in der Hand.


Aus: "Und ihr denkt, es geht um einen Diktator" Hans-Christof Kraus (24.07.2012)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/syrien-und-ihr-denkt-es-geht-um-einen-diktator-11830492-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_1 (http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/syrien-und-ihr-denkt-es-geht-um-einen-diktator-11830492-p2.html?printPagedArticle=true#pageIndex_1)
Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on June 06, 2018, 07:42:03 AM
"Richard Grenell: "Botschafter haben ein Recht, ihre Meinung zu äußern"" (6. Juni 2018)
Das amerikanische Außenministerium verteidigt die umstrittenen Äußerungen des US-Botschafters in Deutschland. Auch für ihn gelte die Meinungsfreiheit. ... Statt sich neutral zu verhalten, hat sich der neue US-Botschafter in Deutschland für Verbündete seines Präsidenten in Europa stark gemacht. Das US-Außenministerium ist bemüht, die umstrittenen Äußerungen von Richard Grenell zu relativieren. "Botschafter haben ein Recht, ihre Meinung zu äußern", sagte die Sprecherin des Ministeriums, Heather Nauert, auf die Frage, ob Grenell die Meinung von US-Präsident Donald Trump wiedergegeben habe. "Manchmal sind es Ansichten, die die Leute vielleicht mögen oder nicht mögen."
Grenell hatte es in einem Interview mit dem ultrarechten Internetportal Breitbart als seine Aufgabe umschrieben, konservative Bewegungen in ganz Europa zu stärken. Er wurde von Breitbart mit den Worten zitiert: "Ich möchte andere Konservative in Europa, andere Anführer, unbedingt stärken." ...
https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-06/richard-grenell-us-botschafter-aussenministerium

Quotehekaya #14

Ist die koloniale Attitüde der USA jetzt wirklich so neu? ...


Quotevenice12 #14.1

Obama hat das nur anders - aber völlig unmißverständlich - ausgedrückt

https://www.youtube.com/watch?v=l2e_otoo2Vg (https://www.youtube.com/watch?v=l2e_otoo2Vg)

"Occasionally we'll have to twist the arms of countries that wouldn't do what we need them to do".


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"Russland: Der Westen und wir" Ein Gastbeitrag von Dmitry Glukhovsky (5. Juni 2018)
Wir wussten, dass ihr besser lebt. Wir haben euch nachgeeifert und die Namen eurer Marken auswendig gelernt. Aber für euch Westler waren wir Menschen zweiter Klasse.
Die Welt spielt Fußball und blickt auf Russland. Bevor der Sport losgeht, widmen wir diesem großen, vielfältigen, komplizierten und oft missverstandenen Land einen Schwerpunkt. Zu Beginn beschreibt hier der russische Schriftsteller und Journalist Dmitry Glukhovsky, was in der Beziehung Russlands zum Westen seit dem Mauerfall schiefgelaufen ist.
https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-06/russland-beziehung-westen-dmitry-glukhovsky

Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on June 06, 2018, 09:33:44 AM
"Arte stoppt Dokumentation zum Fall Sergej Magnitzki" Marcus Klöckner (04.05.2016)
Wie starb Sergej Magnitzki? Der russische Steueranwalt und Wirtschaftsprüfer, der angeblich dunklen Geschäften der Moskauer Polizei auf die Spur gekommen sein soll, kam im November 2009 in einem Gefängnis der russischen Hauptstadt ums Leben. Ursache: Herzinfarkt. Das sagen die russischen Behörden. Im Gefängnis festgehalten wurde er wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung. Die Familie aber, genauso wie sein ehemaliger Mandant, der Investmentbanker William Browder, widersprechen, gehen von einem Komplott gegen Magnitzki aus, weil dieser unlautere Machenschaften im "russischen Apparat" aufgedeckt habe. Gestorben sei Magnitzki vielmehr aufgrund der schlimmen Haftbedingungen. Es ist ein verzwickter Fall, der seit Jahren die Öffentlichkeit beschäftigt und bei dem das Bild vom russischen Unrechtsstaat überall mitschwingt. William Browder versuchte, nach dem Tod des 37-Jährigen durch eine internationale Kampagne deutlich zu machen, dass der Fall Magnitzki als ein Symbol für den Umgang der russischen Justiz mit kritischen Zeitgenossen stehe. Auch der US-amerikanische Präsident wurde auf den Fall aufmerksam und unterschrieb 2012 ein Gesetz, das Sanktionen gegen Russland ermöglichte und das den Namen Magnitzki trägt.
Der Journalist Andrei Nekrasov hat den Fall für eine Dokumentation aufgearbeitet. Es sollte ein Film mit einer Länge von zwei Stunden werden. Bei seinen Recherchen kamen ihm allerdings Zweifel daran, ob die Version des Polizeiskandals, bei der ein Mensch im Gefängnis zu Tode gefoltert wurde, der Wahrheit entspricht. Wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) berichtet, hat ARTE die Dokumentation für unbestimmte Zeit aus dem Programm genommen - und das ausgerechnet am Tag der Pressefreiheit (stattdessen lief die Dokumentaion Boris Nemzow - Tod an der Kremelmauer).  ...
https://www.heise.de/tp/features/Arte-stoppt-Dokumentation-zum-Fall-Sergej-Magnitzki-3197047.html


"Hinter den Kulissen des politisch instrumentalisierten Falls Magnitsky" Thomas Pany (03. Juni 2018)
Das Magnitsky-Narrativ und das Bild vom Putin-Russland. Was ist so brisant an dem Dokumentarfilm des putinkritischen Filmemachers Andrei Nekrasov? ... Finanziert wurde der Film "The Magnitsky Act - Behind the Scenes" von namhaften Kulturfonds und öffentlich-rechtlichen Sendern, aber dann entwickelte er sich zum politischen Skandal und Förderer kneifen. Im Europaparlament wurde die Vorführung nicht gestattet, wie Piraya Film mitteilt.
"Die erste Filmvorführung sollte am 27. April 2016 im Europäischen Parlament in Brüssel stattfinden. ARTE/ZDF hat die Veranstaltung mitorganisiert, aber kurz vor dem Beginn wurde die Filmvorführung auf Grund der rechtlichen Intervention von Bill Browder und der Grünen-Abgeordnete Marieluise Beck abgesagt. Alle saßen im Plenarsaal und diskutierten über den Film, den sie nicht sehen durften."...
https://www.heise.de/tp/features/Hinter-den-Kulissen-des-politisch-instrumentalisierten-Falls-Magnitsky-4063854.html

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"Die Logik imperialer Kriege"  Swiss Propaganda Research - Pressenza Berlin (31.05.2018)
Wie lassen sich die amerikanischen Kriege der letzten Jahrzehnte rational erklären? Die folgende Analyse zeigt anhand des Modells der Professoren David Sylvan und Stephen Majeski, dass diese Kriege auf einer eigenen, genuin imperialen Handlungslogik basieren. Eine besondere Rolle kommt dabei dem traditionellen Mediensystem zu. ...
https://www.pressenza.com/de/2018/05/die-logik-imperialer-kriege/
Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on October 10, 2018, 01:16:55 PM
Quote[...] Es gibt keine zweite Nation auf der Erde, die so wenig mit Demokratie und Menschenrechten wie die USA zu tun hat und es gleichzeitig dennoch jahrzehntelang so gut verstanden hat, der ganzen Welt – oder zumindest dem Großteil der westlichen Journalisten, aber die halten sich ja für "die Welt" – weißzumachen, dass sie der Inbegriff von Demokratie und Menschenrechten sei. Dass nun plötzlich ein autoritärer, nach einer weit verbreiteten Lesart sogar geistig umnachteter Geldaristokrat die USA regiert, dem die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit schnurzegal sind, das erscheint folglich vielen als ein vollkommener Bruch. Tatsächlich aber können hier nur diejenigen erschüttert sein, die auf jenes von vornherein idealisierte Amerikabild hereingefallen sind, das in unserem Teil der Erde jahrzehntelang konstruiert und gepflegt wurde.

Demgegenüber muss festgehalten werden: Donald Trump ist nicht aus dem Nichts gekommen, Trump ist nicht vom Himmel gefallen. Und dass gerade ein Trump nun die USA regiert, ist alles andere als ein Zufall. Es gibt kaum etwas Amerikanischeres als Trump. Eine Figur wie Trump ist in genau demjenigen durch und durch amerikanischen Milieu groß geworden und von ihm geprägt worden, das von westlichen Journalisten zumeist glorifiziert, selten ernsthaft in Frage gestellt wurde: in der Schicht des freien, erfolgreichen, tüchtigen Unternehmertums. Sein – angeblich auch von Psychiatern bestätigter – Narzissmus und sein Größenwahnsinn sind alles andere als sein persönlicher Defekt, sondern die durchaus durchschnittliche und quasi überlebensnotwendige Grundeinstellung in dieser für Amerika maßgeblichen gesellschaftlichen Klasse. Ein Grund dafür aber, dass auch unter den sogenannten einfachen Leuten Trump so viel Widerhall findet, liegt darin, dass sein Lebensweg und der seines Vaters so sehr dem klassischen American Dream entsprechen, dass er gleichfalls für den unterprivilegierten Amerikaner, der auf Erfolg hofft, als Vorbild fungieren kann. Dass Trump sich oft als erfolgreicher dargestellt hat, als er wirklich war, steht auf einem anderen Blatt. Trump ist auf eine durch und durch amerikanische Weise groß geworden und ihm wurden durch und durch amerikanische Werte vermittelt. Das heißt, er ist in einer Welt groß geworden, in der vor allem eins zählt: Geld, Geld und noch mal Geld. Und in der insbesondere das eigene Ego und der eigene Erfolg über allem steht. Das ist das Amerika, das Trump hervorgebracht hat, das ist das Amerika, dem er entstammt, und das ist das Amerika, wie es immer schon war – und darum stellt seine Präsidentschaft auch alles andere als einen Bruch mit der bisherigen Tradition dar. Stattdessen verkörpert er die amerikanische Nation ganz im Gegenteil reiner und unverstellter als alle Präsidenten zuvor, die zwar denselben Interessen dienten, aber zwecks Heuchelei und Propaganda immer auch ihre Reden von Demokratie und Menschenrechten führten – um ihre militärischen Operationen zu rechtfertigen, in denen es in Wahrheit darum ging, sich widerständige Märkte gefügig zu machen.

Es ist geradezu erstaunlich, dass nirgendwo von den politischen Kommentatoren dieser ganz offensichtliche Zusammenhang zwischen uramerikanischen gesellschaftlichen Prinzipien und der gar nicht sonderbaren, sondern höchst durchschnittlichen Persönlichkeit Trumps thematisiert wird. Vielleicht liegt es daran, dass man dann zu viel vom eigenen Weltbild in Frage stellen müsste, wenn man das täte. Stattdessen machen Journalisten und Leitartikelschreiber das, was sie immer gerne tun: Sie personifizieren das Übel. Anstatt die Figur Trumps gesellschaftlich zu erklären, anstatt zu sehen, dass er auch nur das Produkt seiner Gesellschaft ist, in der er lebt, werden seine Charakterzüge und sein Benehmen als sein individueller Defekt ausgelegt. Die Berufung auf psychiatrische Diagnosen ist dafür das Beispiel par excellence. Wo man zur politischen Analyse und zur Gesellschaftskritik unfähig und sehr wahrscheinlich auch unwillig ist, da ruft man den Irrenarzt her.

Dabei ist an Trump nichts individuell oder persönlich. Wenn er etwa fortwährend in seinen Wortmeldungen die Floskel "to make a good deal" strapaziert, dann mag das zwar oft eigentümlich wirken, tatsächlich kommen dabei aber nicht nur uramerikanische, sondern vor allem auch urkapitalistische Tugenden zum Ausdruck. Wirklich auch ist Trumps Lebensphilosophie nichts anderes als ein Spiegelbild der kapitalistischen Welt, in der er groß geworden ist, er ist die Fratze der freien Marktwirtschaft. Darin erschöpft sich demzufolge auch sein Verständnis von Politik. Dasselbe gilt für die ganze Sprache und Selbstinszenierung des amerikanischen Präsidenten. Man mag sein Auftreten albern und simpel finden, aber wer erkennt hier nicht den Widerhall der einfältigen und oft inkohärenten Sprücheklopferei, die in den Chefetagen unserer Welt nicht nur üblich, sondern geradezu erforderlich ist, wenn man sich durchsetzen und nach oben kommen will? In der Tat, so wie Trump verhalten sich viele Führungspersönlichkeiten unserer Gesellschaft, und häufig werden sie sogar von Kommunikationsberatern geradezu darauf getrimmt, sich so zu benehmen. Was zählt, ist schließlich nur, damit Erfolg zu haben und der Stärkere zu sein. Wie denn auch Trumps vollkommene Selbstüberschätzung nur das logische Resultat einer sozialdarwinistisch funktionierenden Ellbogenschaft darstellt, in der alles als richtig, gescheit und intelligent gilt, solange es Erfolg hat. Soll er sich nicht für den Fähigsten, Intelligentesten und Tüchtigsten halten, wo ihm sein Reichtum doch recht gibt?

Trump ist also nicht etwas, was so ganz anders wäre, als es die USA bisher waren. Ganz im Gegenteil. Trump als Präsident ist nur nicht kein Gegensatz zu den bisherigen USA, er ist vielmehr aus diesen hervorgegangen und von diesen groß gemacht worden. Man könnte sogar so weit gehen und sagen: Trump ist das Wesen Amerikas, immer schon gewesen, das jetzt nur ungeniert zum Vorschein kommt, die Maske fallen lässt. In Trump hat Amerika erst zu sich gefunden.

Womit wir wieder beim Anfang sind: In der Tat muss es für all jene, die ihr Leben lang ein idealisiertes Bild der USA in sich herumgetragen haben, ein tiefer Schock sein, dass da etwas zum Vorschein kommt, von dem sie nicht glauben können, dass das Amerika sein kann.Auch schon vor Trump haben diese Träumer über vieles hinweggesehen müssen, um sich die Vereinigten Staaten als Hort der Demokratie und Menschenrechte zurechtzuzimmern. Beispielsweise darüber, dass es Pluralität in der hohen amerikanischen Politik stets nur in Dosen gegeben hat und einem die beiden einander am Schalthebel der Macht abwechselnden beiden großen Parteien immer nur so wie Tweedledum und Tweedledee vorgekommen sind – um hier ein Bonmot von Frank Zappa weiterzuführen. Oder darüber, dass in den Vereinigten Staaten immer dieselben Familien, Dynastien und Machtklüngel das Sagen haben. Sieht man so etwas in Russland, so spricht man in einem kritischen Ton von "russischen Oligarchen". Und wir nehmen das dann als Beweis dafür, dass dort etwas nicht funktioniert, dafür, dass Russland eben noch keine richtige Demokratie ist. Warum aber sprechen wir es nicht genauso ehrlich aus, dass auch die USA nur der reinen Form nach eine Demokratie, in Wahrheit aber eine Oligarchie haben? Dass sie durch Wahlen nicht viel ausrichten können, scheinen auch die Amerikaner sehr gut zu wissen. Denn das Land, das sich für den Inbegriff der Demokratie hält, zeichnet sich traditionell durch eine im internationalen Vergleich bemerkenswert niedrige Wahlbeteiligung aus – die freilich außerdem von einem rückständigen Wahlsystem begünstigt wird. Denn um überhaupt wählen zu können, muss man einiges an bürokratischen Hürden überwinden.

Auch sonst spricht nicht viel dafür, ausgerechnet die USA als Hort von Demokratie und Menschenrechten zu betrachten – ein Land, das einen gegen alle rechtsstaatlichen Prinzipien verstoßenden Drohnenkrieg führt, ein Land, das in Komplizenschaft mit den Briten 1953 den iranischen Premierminister Mossadegh stürzte, ein Land, das damit, genauso wie durch die massenmörderischen Kriege im Irak und in Afghanistan, den Grundstein für die Destabilisierung ganzer Regionen auf der Welt und den islamistischen Terrorismus legte, ein Land, das für die Gräuel von Vietnam genauso steht wie für den blutigen Zerfall Libyens, ein Land, das mehr oder weniger nach Gutdünken völkerrechtswidrig in fremde Länder einmarschiert und dort Menschen massakriert oder Leute finanziert, die das tun, ein Land, das als erstes westliches Land wieder die Folter salonfähig gemacht hat. Und so weiter und so fort.

Das alles sind Fakten, die im Grunde jedermann bekannt sind oder sein können. Erstaunlich ist eher die Hartnäckigkeit, mit der jahrzehntelang darüber hinweggesehen wurde – und zumeist immer noch hinweggesehen wird. Den USA hat man immer alles verziehen – den Russen nichts. Denn eines kann man den politischen Kommentatoren des Westens sicherlich nicht vorwerfen: Unparteilichkeit.


Als sich etwa – um nur ein Beispiel zu nennen – herausstellte, dass die Russen indirekt etwas mit dem versehentlichen Abschuss eines Passagierflugzeuges über der Ostukraine zu tun hatten, galt das natürlich als ein weiterer Beweis der Niederträchtigkeit Putins. Als allerdings die amerikanischen Streitkräfte gezielt ein Krankenhaus im afghanischen Kundus in Schutt und Asche legten, blieben selbstverständlich vergleichbare Reaktionen aus und wurden nicht annähernd ähnliche Schlussfolgerungen über den damals amtierenden amerikanischen Präsidenten, Barack Obama, gezogen. "Doppelstandards" nennt das die Medienkritik. Warum nun ausgerechnet ein Präsident Trump, der zwar ein unberechenbarer Rüpel ist, aber bis jetzt immer noch wesentlich weniger Schlimmes als seine Vorgänger auf der Welt angerichtet hat, die bislang amerikatreuen politischen Kommentatoren plötzlich derart empört, ist angesichts dieser Faktenlage gar nicht so einfach zu begreifen. Der Schock, den sie verspüren, mag wohl auch daher rühren, dass sie nun, angesichts eines solch allzu offensichtlich verhaltensauffälligen Amtsinhabers, nicht mehr so leicht, wie sie das bisher getan haben, jeden Amerikakritiker als "Anti-Amerikanisten" diffamieren können und in ihrer Aufteilung der Welt in Gut/Böse und Freund/Feind verunsichert sein müssen.

Ein Ausweg, der nun, allen Fakten entgegen, anscheinend benutzt wird: Anstatt zu begreifen, auf welche Weise Trumps ganzes Wesen tief in der amerikanischen Gesellschaft und ihrer Geschichte verwurzelt ist, wird von vielen nun erst recht ein altes, ein besseres und natürlich ganz tolles und heroisches Vor-Trump-Amerika erfunden, das es so nie gegeben hat. Offensichtlich wurde das im Rahmen des Begräbnisses des Republikaners John McCain vor wenigen Wochen, als dessen Tochter Meghan, mit einer für die Kultur der USA allerdings charakteristischen Pathetik, verkündete: "Wir sind zusammengekommen, um den Verlust amerikanischer Größe zu betrauern." Schützenhilfe bekam sie dabei von anderen ehemaligen "Größen" Amerikas, von George W. Bush und Obama, die in das bizarre Lamento mit einstimmten. Und wieder wird auf die typisch amerikanische Weise personifiziert, glorifiziert und dämonisiert, anstatt dass gesellschaftliche Zusammenhänge verstanden werden: "POW McCain Hero – Trump Coward", hat ein Mann auf ein Poster gemalt. McCain ein Held, Trump ein Feigling. Und – schwuppdiwupp! – posthum hat auf einmal ein Scharfmacher wie McCain – einer der "Falken", der ein Reagan-Anhänger war und den Irakkrieg befürwortet hat – sogar das Zeug, zum Helden und Liebkind linksliberaler Kommentatoren zu werden. Wenn man sich allerdings auch von der Rührung kurzfristig blenden lässt, sollte man sich nachher doch wieder in Erinnerung rufen, dass es eine Kontinuität zwischen diesem alten Amerika und dem Trumps gibt - und dass es genau dieses alte Amerika ist, dass Trump hervorgebracht und groß gemacht hat, auch wenn nun die pensionierten Politiker sich verhalten wie ein Vater, der sein eigenes Kind nicht wiedererkennen will.


Aus: "Trump und die USA: Ein Abgesang auf die größte Pseudodemokratie der Welt" Ortwin Rosner (9.10.2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000087890658/Trump-und-die-USA-Ein-Abgesang-auf-die-groesste-Pseudodemokratie (https://derstandard.at/2000087890658/Trump-und-die-USA-Ein-Abgesang-auf-die-groesste-Pseudodemokratie)

Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on October 10, 2018, 02:09:54 PM
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Donny Delago

Trump ist genau so "Made in USA" wie Mark Zuckerberg, Larry Page, Jeff Bezos, Bill Gates, David Hasslehoff oder Kim Kardashian und auch Arnold Schwarzenegger
Die Mentalität und das politische System der USA mit ihren 330 Millionen Einwohnern allein auf Donald Trump festzunageln, ist doch eine ziemlich primitive Vereinfachung. Den "typischen Amerikaner" gibt es genau so wenig wie den typischen Österreicher, den typischen Deutschen oder den typischen Russen.

Kritiklose Amerika-Verklärung ist mmn ebenso dumm wie undifferenzierter Anti-Amerikanismus. Fakt ist, dass es ohne USA wahrscheinlich nach 1945 kein demokratisches (West)Deutschland oder Österreich gegeben hätte. Ohne das Eingreifen der Amis hätte "der Westen" weder den Zeiten Weltkrieg (mit)gewonnen, noch den Kalten Krieg gewonnen. Die Nachkriegsordnung unter der West-Europa wieder groß wurde, war eine durch und durch eine amerikanische.


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Dimple, 9. Oktober 2018, 09:26:09

Ich finde es immer wieder amüsant, wenn Menschen in Europa, speziell in Deutschland oder Österreich, erklären, wie undemokratisch die USA sind.

1. Demokratie ist nicht dadurch gekennzeichnet, dass der Beste, der Klügste, der Geeignetste ein Amt erhalten, sondern dadurch, dass diese eine nach vorher bekannten Regeln ablaufende allgemeine Wahl gewinnen.
2. Demokratie heißt auch und vor allem, dass es (fast) egal ist, wer das Amt innehat, solange er es - gemäß der vorher bekannten Regeln - wieder verliert, entweder durch Abwahl oder durch Zeitablauf/Amtszeitbegrenzungen
3. Demokratie heißt auch nicht, dass der Staat sich besonders klug, hilfreich, weitsichtig verhält, sondern dass es möglich ist, die Richtung zu ändern und zwar durch die Bevölkerung mit Wahlen.

lg
Dimple


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imax, 9. Oktober 2018, 08:36:47

Ein interessanter Artikel, ein paar schnelle Gedanken. In den meisten Punkten kann ich zustimnen. Was Rede- u. Pressefreiheit betrifft kann aber weder Rußland noch China mithalten. Den neuen Höchstrichter in TV-Shows dermaßen zu veräppeln, ist in Rußland nicht möglich.
Rußland bestreitet seine Involvierung in den Flugzeugabschuß bis heute, und gibt sogar anderen die Schuld. Die Amerikaner bestreiten die Bombardierung des Krankenhauses nicht. Amerika hat nach wie vor ein Zweiparteiensystem, was man von Rußland nicht behaupten kann. Trump kann sich nie so sicher fühlen wie Putin. Aber es stimmt schon, der eigentliche Regent Amerikas ist das Geld.


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tomprofan

Vater von JFK...lesenswert.

https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_P._Kennedy (https://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_P._Kennedy)

Das ist Amerika...


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Didaktiker

Ein abstruser Kommentar, der vor Ahnungslosigkeit nur so strotzt...
Ich frage mich, ob der Autor dieses Beitrags jemals länger als nur ein paar Wochen in den USA gelebt hat.

Die USA sind definitiv der Inbegriff der Demokratie, es werden unzählige Posten auf Bundesebene, Bundesstaatsebene und Gemeindeebene vom Volk direkt gewählt und zwar nicht nur in der Legislative, sondern auch in der Exekutive und manchmal sogar in der Judikative, wobei man in Bezug auf Letztere durchaus fragen darf, ob periodisch vom Volk gewählte Richter nicht schon "zu viel" Demokratie sind, weil diese Direktwahl negative Auswirkungen auf die Rechtsprechung haben kann.

Außerdem existiert in den USA eine extrem weit ausgelegte Meinungsäußerungsfreiheit. Kombiniert man diese mit freien und fairen Wahlen, dann bekommt man: Demokratie.


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Fürchtegott Dreist

Was haben die Römer je für uns getan?

https://www.youtube.com/watch?v=CNg0UNTsOYY (https://www.youtube.com/watch?v=CNg0UNTsOYY)


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redwood forest

Unabhaengig davon, wie man zu den USA politisch steht: die Beitraege des Landes im Bereich Musik, Literatur, darstellende Kunst, Wissenschaft, Technologie, Film etc. sind nicht ganz unbedeutend.
Und -in Europa vielleicht weniger bekannt und ueberraschend- die USA haben z.T.auch im Bereich Umweltschutz wichtige Trends gesetzt: z.B. die Nationalparkidee, dann der Clear Air Act, der Wilderness Act, der Endangered Species Act. Aktivisten, Wissenschaftler und Theoretiker wie John Muir, Henry David Thoreau, Aldo Leopold, Edward Abbey, Rachel Carson, E.O. Wilson...


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Der LBTStudent

Der Artikel ist eine Frechheit
Die USA sind eine der wenigen richtigen Demokratien (Stichwort Midterm Elections) Trennung von Legislative und Exekutive. Kein Clubzwang etc. Österreich ist eine Verhöhnung einer Demokratie nach Montesquieu. Bevor man einen Artikel verfasst sollte man zumindest die Grundlagen über das Thema über das man schreibt recherchiert haben sonst kommt soetwas wie dieser Artikel heraus. Die USA sind alles andere als perfekt aber definitivein Land der freien Ideen und einer funktionierenden Demokratie.


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Fürchtegott Dreist

Keine frechheit, aber extrem einseitig, wie hier schon von vielen anderen gut dargelegt wurde.


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Ludovico Settembrini

Dieser Kommentar ist erstaunlich angesichts der Tatsache, dass in den USA gerade 3 Wochen intensiv ueber die Bestellung eines Hoechstrichters gestritten wurde...inklusive Life-Uebertragung der Anhoerungen. Die Unabhaengigkeit der Richter, und damit die Wahrung einer Säule der US- Demokratie, ist ein Thema fuer das Tausende demonstrieren und sich verhaften lassen. Die Namen der Richter des Supreme Courts sind in den USA bekannt...Personen mit Bildung koennen alle Mitglieder nennen. Ruth-Bader Ginsburg gilt als Superhero.

Ich behaupte, dass nicht einmal BK Kurz die Mitglieder des oesterr. VfGH auswendig aufsagen kann. In Oesterreich wuerde niemand seinen Abgeordneten anrufen um die Ernennung eines VfGH Richters zu verhindern.

Wann hat der Autor im oesterreichischen Parlament zuletzt beobachtet, dass ein Abgeordneter bei einer wichtigen Entscheidung gegen die Parteilinie aussschert und mit der Gegenseite stimmt?

Es gibt viel zu kritisieren an der US Demokratie, und sie macht unter Trump eine schwere Pruefung mit, aber man sollte auch immer die Relation sehen.


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Beruf: Leistungsträger

Der Artikel enttäuscht. Der Autor erwähnt ja nicht mal Todesstrafe und das furchtbare Gesundheitssystem.


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Of Red Earth

Wie schafft es ein solcher Artikel in den Standard? - Das wird doch nicht daran liegen, dass Trump das transatlantische Bündnis in Frage stellt und damit unter Journalisten so etwas wie Selbstreflexion auftritt? ...


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Vanille Bourbon

Die erste Demokratie der Welt , die über Frankreich Europa die Demokratie gebracht hat, ist eine pseudodemokratie? Wo ist dann die ,,echte" Demokratie?
Ich rate dem Autor, regierungskritischer Journalist in Russland zu werden. ( und nicht ein ein westlicher ,,pseudojournalist" zu bleiben.)


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Franz Josef Hartlauer

Es ist die US Popkultur die uns emotional bindet. Emotionen sind stärker als die Vernunft und jeder Hollywood Film der uns berührt zementiert diese Beziehung und sichert der USA hegemoniale Loyalität. Deshalb hat die CIA schon in den 50er Jahren den abstrakten Expressionismus gefördert u.a.
Paradoxerweise sind selbst Figuren wie Frank Zappa oder Michael Moore ein Geschenk für die US Hegemonie.


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Donny Delago

Wenn selbst Frank Zappa oder Michael Moore für die kulturelle us-hegemonie stehen - dann muss diese aber auf möglichst großer Vielfalt und demokratischen Grundsätzen basieren. Auch die 1968er Bewegung mit ihrer massiven Kritik am Vietnamkrieg war anfangs durch und durch amerikanisch. Und das zeichnete eben das us-system gegenüber Systemen wie das von China oder der Sowjetunion aus. Die "kulturelle Hegemonie" basierte hauptsächlich auf Freiwilligkeit und Attraktivität - man hätte in west-Deutschland auch DDR-fernsehen schauen und ost- Mode tragen können.

So unilateralistisch sich die USA bereits vor Trump gaben, verspielen sie mmn zumindest teilweise auch ihre kulturelle Attraktivität - und damit auch ihre globale kulturelle Hegemonie.


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hurchzua

Marhallplan: ob er altruistisch oder nicht - es war eine riesen Leistung. ...


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Paul Frühauf

Hamma eh schön alle Klischees untergebracht? Ja? Dann ists ja gut.


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Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on February 07, 2019, 09:04:41 AM
"Frankreich und USA machen bei Nord Stream 2 Druck auf Deutschland" (07.02.2019)
Bei der EU-Abstimmung am Freitag will Paris offenbar gegen das Pipeline-Projekt votieren. Auch andere Staaten stellen sich gegen Deutschland. ... Auch die USA sind gegen den Bau der Gaspipeline. Drei US-Botschafter riefen die EU-Staaten dazu auf, gegen das umstrittene Pipeline-Projekt zu stimmen. "Nord Stream 2 würde die Anfälligkeit Europas für russische Erpressungen im Energiebereich weiter erhöhen", schrieben Richard Grenell (Deutschland), Carla Sands (Dänemark) und Gordon Sondland (EU) in einem Gastbeitrag der Deutschen Welle. "Nord Stream 2 wird mehr als nur russisches Gas liefern. Russlands Macht und Einfluss werden sich durch die Ostsee hindurch bis nach Europa ausbreiten."...
https://www.tagesspiegel.de/politik/umstrittene-gaspipeline-frankreich-und-usa-machen-bei-nord-stream-2-druck-auf-deutschland/23958822.html

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QuoteFPÖ-Außenministerin Karin Kneissl hat mangelndes strategisches und geopolitisches Denken der EU gegenüber China kritisiert. ... Die EU-Außenminister sind heute in Brüssel zusammengekommen, um ihre Strategie gegenüber China zu fixieren.  ...


https://orf.at/stories/3115554/ (https://orf.at/stories/3115554/) (18. März 2019)

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Quote[...] Den europäischen Nationalstaaten bleibt nur noch ein Platz am Katzentisch der alten und neuen Großmächte. Diese unausweichliche Entwicklung haben die Europäer lange ignoriert und sich stattdessen mit sich selbst beschäftigt: Marode Banken, überschuldete Euro-Staaten, die Flüchtlingswelle, der Aufstieg nationalpopulistischer Parteien und der Brexit dominierten die politische Agenda. Nach einem Jahrzehnt voller interner Krisen und Zerwürfnisse müssen die Europäer feststellen, dass sich die Welt um sie herum dramatisch verändert hat. ...


Quelle: https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-die-eu-entdeckt-endlich-die-geopolitik-fuer-sich/24073684.html (https://www.handelsblatt.com/meinung/kommentare/kommentar-die-eu-entdeckt-endlich-die-geopolitik-fuer-sich/24073684.html) (Ruth Berschens
07.03.2019)
Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on November 20, 2019, 04:40:07 PM
Quote[...] Alexander Andreev: Europäische Medien nennen Sie "die Stimme Osteuropas", weil Sie die gängigen westlichen Erklärungen für die Spannungen zwischen Ost und West hinterfragen. Was steckt hinter diesen Spannungen?   

Ivan Krastev: Es gibt drei Trennlinien in Europa. Die größte Kluft verläuft nicht zwischen West und Ost, sondern zwischen den Großstädten und den ländlichen Regionen. Der Unterschied zwischen Wien und Budapest ist viel kleiner als jener zwischen Wien und manchen ländlichen Gebieten in Österreich oder zwischen Budapest und der ungarischen Provinz. Die zweite Trennlinie ist generationsbedingt. Am interessantesten ist für mich aber eine dritte Trennlinie. Wenn man eine Europa-Karte von 1900 betrachtet, sieht man eine klare Zweiteilung: Der Westen war damals ethnisch homogen und Ost-Mittel-Europa bunt - sowohl ethnisch, als auch kulturell. Nach dem 20. Jahrhundert, nach zwei Weltkriegen, nach dem Nationalsozialismus, nach den kommunistischen Regimen und nach mehreren "ethnischen Säuberungen" ist es heutzutage umgekehrt: Osteuropa ist stark homogenisiert und der Westen ist ethnisch bunt.     

Alexander Andreev: Ein Schlüsselbegriff Ihres neuen Buches "Das Licht, das erlosch" ist die "Nachahmung". Nach dem angeblichen "Ende der Geschichte" wollten die Osteuropäer wie der Westen sein, schreiben Sie, dann wurden sie aber enttäuscht, denn "der Westen gewann den Kalten Krieg, aber verlor sich selbst". Wie können sich "der Westen" und ganz Europa jetzt wiederfinden?

Ivan Krastev: Ja, dem Nachahmer wird zwangsläufig sehr schnell klar, dass das Leben im Papageien-Land auch seine dunklen Seiten hat. Gleichzeitig verlor der Westen allmählich seine Identität als liberale Demokratie, er verlor seine Vision für die Welt. Und in diesem Sinne auch sich selbst. Heute ist Europa der Hauptverlierer des Zerfalls der liberalen Ordnung. Deswegen muss die EU eine neue politische Identität finden. Emmanuel Macron nennt das "souveränes Europa", die neue EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spricht von einer "geopolitischen EU-Kommission". Es geht aber grundsätzlich um das Gleiche: die traditionellen Beziehungen zu den USA (die ja eine Schlüsselrolle für die Sicherheit in Europa spielen) möglichst intakt zu erhalten und gleichzeitig die Wirklichkeit anzuerkennen. Die Wirklichkeit, dass sich Europa nicht allein auf eine Schutzmacht jenseits des Atlantiks verlassen darf. Und die EU versucht tatsächlich, diese geopolitische Identität zu finden. Das tut sie sehr vorsichtig - aus zwei Gründen. Erstens, weil ein plötzlicher Bruch der Partnerbeziehungen zu einer Krise innerhalb der EU führen könnte, da einige EU-Länder, zum Beispiel Polen, die USA immer noch als den einzigen Garanten für ihre Sicherheit sehen. Und zweitens, weil die Europäer mit aller Kraft versuchen, ihre Verwirrung nicht erkennen zu lassen. Eine Verwirrung in einer Welt, die aus den Fugen geraten ist. In einer Welt, in der es die Bündnisse nicht mehr gibt, die sich auf das Sicherheitskonzept der Europäer stützen. In einer Welt, in der nicht nur China und Russland, sondern auch die USA unter Donald Trump die Werte und die Sicherheit Europas in Frage stellen.

....

Der bulgarische Politologe Ivan Krastev ist Leiter des Centre for Liberal Strategies in Sofia und Fellow am Institut für die Wissenschaften vom Menschen in Wien. Die deutsche Übersetzung seines neuen Buches, "Das Licht, das erlosch - Eine Abrechnung" , das er zusammen mit Stephen Holmes geschrieben hat, wurde vor Kurzem im Ullstein-Verlag veröffentlicht. 


Aus: "Europa - Krastev: "EU muss neue politische Identität finden"" Alexander Andreev (20.11.2019)
Quelle: https://www.dw.com/de/krastev-eu-muss-neue-politische-identit%C3%A4t-finden/a-51328344 (https://www.dw.com/de/krastev-eu-muss-neue-politische-identit%C3%A4t-finden/a-51328344)
Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on December 09, 2019, 12:03:37 PM
Quote[....] Hat der Kalte Krieg schon 1890 begonnen? Harvard-Historiker Odd Arne Westad erzählt die vermeintlich sattsam bekannte Geschichte vom Konflikt der Systeme auf erfrischende Weise neu. Mitsamt allen Widersprüchlichkeiten, die dazu gehören.

... Odd Arne Westads ,,Der Kalte Krieg. Eine Weltgeschichte" hält, was der Titel verspricht. Es öffnet dem Laien ebenso wie dem sich bereits ausreichend historisch beschlagen glaubenden Leser eine Unzahl neuer Horizonte.

Den Beginn des Kalten Krieges, der gemeinhin mit den Jahren 1945/46 und Stalins Einverleibung der Länder Ost- und Mitteleuropas assoziiert wird, datiert der in Norwegen geborene Harvard-Professor und renommierte Historiker nämlich auf eine viel frühere Zeit. So beginnt sein 700-Seiten-Werk bereits in den 1890er Jahren, als russische und amerikanische Expansionen, begleitet von der Nutzung neuer Technik und einem ungebrochenen Zukunftsglauben, einen Ausblick auf das Kommende gaben.

Ob sich tatsächlich eine gewisse Kontinuität zwischen dem autoritären Zarenreich und dem seit 1917 totalitär tabula rasa machenden Sowjetregime herstellen lässt, mag jeder selbst entscheiden – provozierend neu ist der Ansatz allemal.

Hinzu kommt Westads detaillierte, doch nie ermüdende Darstellung westlicher Krisen – Stichwort etwa der ,,Black Friday" von 1929 – die nicht nur innerhalb der Sowjetunion die Gewissheit aufkommen ließen, dass ab jetzt dem Kommunismus die Zukunft gehöre.

Die nach dem Zweiten Weltkrieg geschwächten Kolonialreiche Frankreich und Großbritannien mussten Stalin dann ebenfalls in der Überzeugung bestärken, dass sich die weltpolitischen Bedeutungsachsen verschoben hätten und nun allein die von ihrem way of life überzeugten USA als ernstzunehmender Konkurrent übriggeblieben seien.

Wie die beiden neuen Großmächte dann in den ehemals britischen und französischen Kolonien Afrikas und Asiens ihre Stellvertreterkriege ausfochten und ihnen jeweils genehme Regimes installierten, wird packend erzählt. Dabei wird nicht verschwiegen, wie die dortigen Staaten noch heute unter dieser historischen Last leiden.

Odd Arne Westad ist bei alldem erkenntlich um Fairness bemüht, meidet den schrillen Tonfall und kommt dennoch ein manches Mal begrifflich in die Bredouille. Bestand der Unterschied zwischen USA und Sowjetunion tatsächlich nur in einem Konflikt zwischen ,,Kapitalismus" und ,,Sozialismus"?

Etliche der vom Autor präsentierten Fakten widersprechen dem: Immerhin hatten sich nicht nur in seiner norwegischen Heimat, sondern auch in weiten Teilen der westlichen Welt (mit der ,,Verspätung" der noch lange diktatorisch regierten Länder Spanien und Portugal) rechtlich verbindliche Demokratie- und Wohlfahrtsstandards herausgebildet, von denen die Bewohner der UdSSR und Osteuropas, denen u.a. jegliche freie Gewerkschaftsaktivität untersagt war, nur träumen konnten.

Merkwürdig auch, dass ein Buch, das derart auf den ideologischen Charakter des Kalten Krieges rekurriert, Jahrhundertzeugen und einflussreiche Ideologiekritiker wie George Orwell, Albert Camus oder Arthur Koestler nicht einmal namentlich erwähnt. Die Passagen über Repression und Alltag im Ostblock entschädigen partiell dafür, obwohl zu diesem Thema bereits profunde Bücher von Timothy Garton Ash und Anne Applebaum vorliegen.

Westads Chronik, die mit Michail Gorbatschows Abdankung und dem Ende der Sowjetunion 1991 endet, ist in jedem Falle ein Augenöffner – nicht zuletzt dank des umfangreichen Nachworts, das die fortdauernde amerikanische Unfähigkeit, sich nach dem Ende des Kalten Krieges neu zu situieren, ohne jegliche Häme und Besserwisserei beschreibt.

Die Hybris, die – von Mao über Mobuto bis Nixon, McCarthy, Ceausescu und Honecker – so viele der Protagonisten des Kalten Krieges ergriffen hatte, wird vom Berichterstatter jedenfalls nicht fortgesetzt: Er verfällt nicht dem Wahn, als Geschichtsdemiurg die Antwort auf alles und jedes zu wissen. ...

Odd Arne Westad: ,,Der Kalte Krieg. Eine Weltgeschichte"
Aus dem Amerikanischen von Helmut Dierlamm und Hans Freundl
Klett-Cotta, Stuttgart 2019
763 Seiten



Aus: "Der Kalte Krieg, neu vermessen" Marko Martin (07.12.2019)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/odd-arne-westad-der-kalte-krieg-eine-weltgeschichte-der.1270.de.html?dram:article_id=465271 (https://www.deutschlandfunkkultur.de/odd-arne-westad-der-kalte-krieg-eine-weltgeschichte-der.1270.de.html?dram:article_id=465271)

https://www.perlentaucher.de/buch/odd-arne-westad/der-kalte-krieg.html (https://www.perlentaucher.de/buch/odd-arne-westad/der-kalte-krieg.html)

O. A. Westad: The Cold War (28.06.2018, Beiträger: Jost Dülffer)
https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-26257 (https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-26257)

Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on January 12, 2020, 11:58:34 AM
"Deutsch-russische Beziehungen: Das amerikanische Vakuum" Eine Analyse von Alice Bota (12. Januar 2020)
Angela Merkel und Wladimir Putin haben sich in Moskau getroffen. Die Bundeskanzlerin hofft auf Unterstützung, die von den Amerikanern seit der Wahl Trumps fehlt.
https://www.zeit.de/politik/2020-01/angela-merkel-wladimir-putin-moskau-besuch (https://www.zeit.de/politik/2020-01/angela-merkel-wladimir-putin-moskau-besuch)

https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/moskau-angela-merkel-wladimir-putin-nord-stream-2-atomabkommen (https://www.zeit.de/politik/ausland/2020-01/moskau-angela-merkel-wladimir-putin-nord-stream-2-atomabkommen)
Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on August 04, 2020, 10:06:10 AM
Quote[...] Während die Politik in Deutschland den geplanten Abzug von US-Truppen mehrheitlich ablehnt, trifft er in der Bevölkerung überwiegend auf Zustimmung. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur befürworten 47 Prozent eine Reduzierung der derzeit 36.000 Soldaten.

Jeder Vierte meint sogar, die US-Streitkräfte sollten Deutschland ganz verlassen. Dagegen ist noch nicht einmal jeder Dritte (32 Prozent) dafür, dass die amerikanischen Truppen in der bisherigen Stärke bleiben (28 Prozent) oder sogar aufgestockt werden (4 Prozent) sollten. 21 Prozent machten keine Angaben.

US-Verteidigungsminister Mark Esper hatte vergangene Woche angekündigt, knapp 12.000 Soldaten aus Deutschland abziehen zu wollen. 6400 sollen zurück in die USA, etwa 5600 sollen in andere Nato-Staaten in Europa verlegt werden - nach jetzigem Stand vor allem nach Italien und Belgien. Es sind Standorte in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz betroffen.

Von den sechs im Bundestag vertretenen Fraktionen lehnen fünf den Truppenabzug ab. Nur die Linke findet ihn gut, will aber, dass alle US-Soldaten das Land verlassen.

Bei den Wählern ergibt sich ein anderes Bild. Nur bei den Anhängern der CDU/CSU überwiegen diejenigen, die gegen eine Reduzierung der US-Soldaten sind mit 45 zu 41 Prozent. Bei den Wählern aller anderen Parteien sind die Befürworter eines Abzugs von Truppen - in unterschiedlichem Umfang - in der Mehrheit: Bei der SPD sind es 42 zu 40 Prozent, bei den Grünen 52 zu 35, bei der FDP 52 zu 36, bei der AfD 61 zu 28 und bei der Linken 70 zu 18 Prozent.

Noch klarer ist das Meinungsbild, wenn es um die US-Atombomben in Deutschland geht. Deren Abzug ist zwar nicht geplant. Die SPD-Führung fordert ihn aber und trifft damit beim Koalitionspartner CDU/CSU auf Unmut.

Dafür haben die Sozialdemokraten zwei Drittel der Bevölkerung hinter sich. 66 Prozent sind dafür, dass die schätzungsweise 20 auf dem Fliegerhorst Büchel in Rheinland-Pfalz lagernden Bomben verschwinden. Nur 19 Prozent wollen, dass sie dort bleiben. 16 Prozent machen keine Angaben.

Bei allem Verständnis für die Truppenreduzierung - die Begründung von US-Präsident Donald Trump dafür kann nur eine Minderheit nachvollziehen. Nur jeder Vierte (25 Prozent) teilt seine Auffassung, dass Deutschland zu wenig für Verteidigung ausgebe. 58 Prozent stimmen nicht zu. Deutschland verfehlt das Nato-Ziel, zwei Prozent seiner Wirtschaftskraft in das Militär zu investieren, trotz steigender Verteidigungsausgaben mit 1,38 Prozent noch deutlich. (dpa)


Aus: "Deutsche Wähler befürworten US-Truppenabzug" (04.08.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/fast-12-0000-us-soldaten-verlassen-deutschland-deutsche-waehler-befuerworten-us-truppenabzug/26063314.html (https://www.tagesspiegel.de/politik/fast-12-0000-us-soldaten-verlassen-deutschland-deutsche-waehler-befuerworten-us-truppenabzug/26063314.html)

Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on September 20, 2020, 07:50:50 PM
"Ende der Beziehung" Dmitri Trenin | 18.09.2020
Der Fall Nawalny beendet Deutschlands Partnerschaft mit Russland – die geopolitischen Konsequenzen sehen düster aus. Eine Sicht aus Moskau.
Dmitri Trenin leitet das Carnegie Moscow Center und gehört zu Russlands führenden Außenpolitik-Experten.  ...
Aus dem Englischen von Christine Hardung
https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/ende-der-beziehung-4649/?utm_campaign=de_40_20200918&utm_medium=email&utm_source=newsletter (https://www.ipg-journal.de/rubriken/aussen-und-sicherheitspolitik/artikel/ende-der-beziehung-4649/?utm_campaign=de_40_20200918&utm_medium=email&utm_source=newsletter)
Title: Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)...
Post by: Link on February 14, 2022, 01:04:55 PM
Quote[...] Der Westen befürchtet einen Angriff Russlands auf die Ukraine, nachdem seit mehreren Monaten russische Truppen an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen werden. ...


Aus: "Ukraine-Krise: Heftiger Streit bei Verhandlungen in Berlin" Andreas Kopietz (11.2.2022)
Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/welt-nationen/ukraine-krise-heftiger-streit-bei-verhandlungen-in-berlin-li.211240 (https://www.berliner-zeitung.de/welt-nationen/ukraine-krise-heftiger-streit-bei-verhandlungen-in-berlin-li.211240)

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Quote[...] London – Die ukrainische Regierung hat von Russland unter Berufung auf eine Vereinbarung in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) Transparenz über dessen Truppenbewegungen gefordert. Moskau müsse "seinen Verpflichtungen zur militärischen Transparenz nachkommen, um Spannungen abzubauen", erklärte Außenminister Dmytro Kuleba am Sonntagabend. Deshalb berufe die Ukraine "innerhalb von 48 Stunden ein Treffen mit Russland und allen Mitgliedsstaaten ein". ...


Aus: "Kiew fordert von Moskau Transparenz bei Truppenbewegungen" (14. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133338968/kiew-fordert-von-moskau-transparenz-bei-truppenbewegungen (https://www.derstandard.at/story/2000133338968/kiew-fordert-von-moskau-transparenz-bei-truppenbewegungen)

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Quote[Die bedrohliche Situation um die Ukraine wirft immer wieder die Frage nach den "Einflusssphären" auf: Während der Westen heute darauf besteht, dass sich jeder sowjetische Nachfolgestaat in Europa aussuchen können soll, wohin er sich orientiert, will Russland die Nato nicht zu nahe an seine Grenzen ziehen lassen. Haben die USA schon vor dem endgültigen Zerfall der Sowjetunion entsprechende Zusagen dafür gegeben? Ein Blick auf den Gipfel in Malta vom Dezember 1989 lohnt sich. ... "Western values" – westliche Werte – sind quasi [ ] Codeworte, die die US-Amerikaner auf dem Gipfel in Malta [ ] inflationär verwendeten. Das ergibt sich aus Protokollen des russischen Staatsarchivs, in denen die Aussagen auf dem Gipfel minutiös festgehalten wurden. ...]

Nyan Cat

13. Februar 2022, 08:36:23

Gorbatschow hat das Problem an der Phrase "Westliche Werte" sehr gut hervorgehoben. Es schwingt darin immer eine gewisse Propaganda mit, diese Selbstüberhöhung des Westens, der sich moralisch überlegen fühlt und dann aus einer dementsprechenden Perspektive spricht. Das kommt bei der nicht-"westlichen" Welt nicht so gut an. Und: was ist "westlich"? Gibt es östliche, südliche Werte und sind diese "schlechter" als westliche? Gut gesagt von Gorbatschow.
Ich teile selbst Werte wie Demokratie, Liberalismus, Meinungsfreiheit, Menschenrechte - nur würde ich mir einen besseren, weniger propagandistischen Überbegriff für diese Werte wünschen.


Quote
Petra-M

Westliche Werte erscheint zu oft als ein Synonym für Doppelmoral.


Quote
John Moke

Westliche Werte?

#freeassange


Quote
OhRly?

Was sind den die westlichen Werte?
Seitens der USA fielen mir da das Recht ein Putsche in fremden Länder zu orchestrieren ein.
Die Anzahl derer ist inzwischen beträchtlich. Was sie eint ist der "Kolleteralschaden" an der ansässigen Bevölkerung. ;)


Quote
Mallnitzer

Die Werte sind vergessen, kaum dass man an den Hebeln der Macht angelangt ist: https://www.heise.de/tp/features/Aussenministerin-Baerbock-Abkehr-von-Julian-Assange-6455112.html (https://www.heise.de/tp/features/Aussenministerin-Baerbock-Abkehr-von-Julian-Assange-6455112.html)


Quote
Fletch

... Was machen sie eigentlich im bösen Westen, wo doch in Russland, China oder Nordkorea das Paradies wartet? Selber im warmen sitzen und schlau reden wie gut die Kälte ist.


Quote
utuerke

"Interessens-Sphären" sind eben eine Art Denke, die noch aus Zeiten des Kolonialismus stammt: sie soll eine Benachteiligung gewisser Ethnien rechtfertigen, hier die der Ukrainer.


Quote
Kontrapagandist

Ganz im Gegenteil, der Westen selbst betreibt Superimperialismus, sei es mit Waffen, mit Geld, mit Drohungen, mit Sanktionen etc. Der Westen möchte die ganze Welt verwestlichen und unterjochen, aber zum Glück gibt es noch Länder, die das nicht erlauben.


Quote
Türen_AUF_Frischluft_REIN

Interessens-Spären sind eine Denke, die geopolitischer Macht entspringt und auf das Aneignen von Ressourcen in anderen Ländern zielt, die nicht auf dem eigenen Staatsgebiet liegen [Lateinamerika war z. B. ein überaus beliebtes Operationsgebiet]. So versucht Russland in seinen Nachbarländern und auch in Afrika seine Interessen zu wahren und kommt da mittlerweile mit Frankreich über Kreuz. China versucht es auf der ganzen Welt und die USA ebenso. Saudi Arabien nimmt ebenfalls weltweit Einfluß, auf verschiedenste Weise und Iran ebenso. Die EU versucht auch Interessenspolitik zu machen, da ist es aber relativ kompliziert, weil die einzelnen EU-Staaten auch eigene Interessenssphären haben. UK versucht jetzt wieder vermehrt in den Commonwealth-Staaten Einfluß zu nehmen.


Quote
warp.faktor

Heute gibt es keine "westlichen Werte" ...
... genauso wenig wie es "östliche Werte" gibt. Der Kommunismus ist längst Geschichte. In Moskau, wie in Peking.
Ob Brüssel, Moskau oder Washington. Heute regiert überall die Korruption, also des Recht des wirtschaftlich Stärkeren. Der freie Markt.
Globale Oligarchen, die dank "freier Marktwirtschaft" fast alle Gesetze umgehen können und Staaten wir Mitarbeiter:innen gegeneinander ausspielen (die EU nennt das Wettbewerb)
Freie Wahlen bedeuten heute auf der Krim genauso wenig wie in Washington (u.a. manipulierte Wahlmaschinen) oder in Brüssel (ca. 30.000 Lobbyisten). ...


Kommentare zu: Der alte Streit um "westliche Werte"
Zu welcher "Einflusssphäre" gehört die Ukraine? Westen, Nato oder Russland? Die aktuelle Krise erinnert an den Kalten Krieg und den Malta-Gipfel 1989
Kommentar der anderen von Eugen Freund (13. Februar 2022)
https://www.derstandard.at/story/2000133308548/der-alte-streit-um-westliche-werte (https://www.derstandard.at/story/2000133308548/der-alte-streit-um-westliche-werte)

Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on February 23, 2022, 10:25:25 AM
Quote[...] Laut gellt der Weltbevölkerung ein Signal in den Ohren: Es klingt, ein Dreivierteljahrhundert nach Beendigung des letzten Weltkriegs, nach dem Knirschen von Panzerketten. Wladimir Putin hat mit der Unterfertigung seines Dekrets zur Truppenentsendung in den Donbass und nach Luhansk die Zeiger der Weltuhr brutal zurückgedreht. Denn ganz gleich, welches Machtkalkül das Handeln des Kremlherrn leitet: Mit der Ausweitung der Kampfzone auf ukrainisches Staatsgebiet steigert Russlands Autokrat noch einmal den Hohn, mit dem er schon bisher Europas Staatschefs genasführt hat.

Man erinnert sich an ihn als melancholischen Gastgeber an viel zu langen Konferenztischen. Auch so lassen sich die Vertreter der Demokratie düpieren: indem man ihnen den Platz am Katzentisch zuweist und so die Logik der Kongressdiplomatie zur Karikatur verkleinert.

Mit der Anbahnung von Putins Imperialismus auf Raten feiert hingegen das Großmachtgehabe des ausgehenden 19. Jahrhunderts ein erstaunliches Comeback. Nichts illustriert den Bruch mit zeitgenössischen Gepflogenheiten besser als Annalena Baerbocks händeringender Appell vom Dienstag. Die bundesdeutsche Außenministerin und ihre Kollegen würden noch immer, gleichsam engelsgeduldig, auf Putins Rückkehr an den Verhandlungstisch warten! Doch der fromme Verweis auf eine Praxis, die Politik zum Medium komplizierter Aushandlungsprozesse erklärt, verfängt bei Machttechniker Putin nicht im Geringsten.

Es mag die Wiederherstellung eines herbeifantasierten, großrussischen Hegemonialraums in der Tat Putins vordringlichstes Ziel sein. Auf verständigungskultureller Ebene wirkt der Bruch noch entschiedener. Ein Rat dünnlippiger Geronten – unter ihnen Geheimdienstvertreter und andere Säbelrassler – lässt die westlichen Demokratien mit voller Absicht abblitzen.

Unter dem Titel "Nationaler Sicherheitsrat" finden regelmäßig Mitstreiter wie Ratssekretär Nikolaj Patruschew in Putins Machtzentrale zusammen: der Genannte ein verdienter KGB-Mann, der für den westlichen Lebensstil nichts als Verachtung übrighat. In Europa, wo den Menschen die sündige persönliche Freiheit über alles gehe, würde laut Patruschew bereits die Ehe mit Tieren legalisiert. Ein weiterer Paladin wie Verteidigungsminister Sergej Schoigu teilt mit seinem Sportsfreund, dem Kreml-Chef, nicht nur die politischen Ansichten, sondern – als Wandergefährte in den Weiten der sibirischen Taiga – auch das Zelt.

In einer solchen Sphäre bilden willfährige Funktionseliten geschlossene Systeme. Auf der Grundlage "männlich" codierter Körperideale wird eine Art immerwährender Mobilmachung beschworen. Nicht zufällig ließ sich Putin wiederholt als Power-Ranger fotografieren: wahlweise hoch zu Ross oder mit einem dicken Fisch am Haken.

Die mit Steroiden gepäppelte, als Warnsignal inszenierte Erinnerung an den "soldatischen" Körper ist das Erbteil einer in Wahrheit versunken geglaubten Geschichtsformation. Die Nachfahren dieser alten, soldatischen Männerbünde gefallen sich erfahrungsgemäß in Misogynie: In ihrem beruflichen Dunstkreis finden sich kaum jemals Frauen.

Die strikt antidiskursive Haltung dieser mit Borniertheit gepanzerten "Patrioten" verweist – mit gut hundertjähriger Verspätung – noch einmal auf das Männerphantasien-Projekt (1977/78) des Freiburger Gelehrten Klaus Theweleit. In dessen Rahmen wurde ausführlich dargetan, wie autoritär erzogene Männer, zu Bünden zusammengeschlossen, sich der Bedrohung durch alles Fließende, "Weibliche" mit roher, tödlicher Gewalt erwehren.

Die alten, rasselnden Panzer gehören folgerichtig zu einer Politik der aggressiven Verpanzerung. In ihr wird die Abwehr unkalkulierbarer Risiken zur alleinigen Maxime erhoben. Es wird des eisernen Festhaltens an der eigenen Vernunft bedürfen: der Anwendung vornehmlich ökonomischer Druckmittel, um die reaktionäre Retropolitik von Putin und Co wirksam in die Schranken weisen zu können. (Ronald Pohl, 23.2.2022)


Aus: "Putins Retropolitik: Machismo mit der Kraft der Steroide" (23. Februar 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133566086/putins-retropolitik-machismo-mit-der-kraft-der-steroide (https://www.derstandard.at/story/2000133566086/putins-retropolitik-machismo-mit-der-kraft-der-steroide)

Quote
arslongavitabrevis


Der Autor hat ja grundsätzlich Recht, dass Putins Vorgehen inakzeptabel ist. Was mich aber dennoch stört, ist die Tatsache, mit welcher Selbstverständlichkeit die USA überall einmarschiert und wie im Irak Kriegsgründe erfindet ("Massenvernichtungswaffen") und das in keinem Zusammenhang thematisiert wird.

Was Putin hier macht, ist exakt dasselbe, was die USA seit Jahrzehnten machen: In anderen Ländern Stellung beziehen um das Kräftegleichgewicht zu erhalten/auszubauen.

Die NATO rückt Russland zu Leibe und Putin versucht das mit illegaler Annexion der Ukraine zu verhindern. Das ist selbstverständlich abzulehnen!

Trotzdem wäre mehr Ausgeglichenheit in der Berichterstattung angebracht
Das WIE unterscheidet sich wesentlich, nicht aber das WAS.


...
Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on March 03, 2022, 11:54:48 AM
Quote[...]
Stigmatodactylus Aquamarinus
2. März 2022

Letztendlich kommen in letzter Zeit diverse Ängste hervor, dass der "moderne Westen mit seiner Freiheit und Geschlechtergleichheit" eine starke Bedrohung sowohl für das erzkonservative heilige Russland, für das Germanentum in Deutschland und Österreich als auch für die islamische Welt darstellen
(obwohl Freiheit und Gendergerechtigkeit im Westen noch immer keine absoluten Werte sind).

Kurz gesagt: Die patriarchale Weltordnung wird durch die Einflüsse des Westens bedroht.

https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2139319-Putin-hat-Angriff-im-Alleingang-entschieden.html (https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2139319-Putin-hat-Angriff-im-Alleingang-entschieden.html)


Quote
Kowosch, 2. März 2022, 09:53:47

"In Putins Kopf"
Der Titel nimmt wohl Referenz auf einen Essay von Michel Eltchaninoff (im französischen Original "Dans la tête de Vladimir Poutine") von 2016, der sehr guten Einblick in Putins Gedankenwelt gibt. Und der uns im Vorwort eine unruhige Zukunft vorhergesagt hat.. ("Cette doctrine hybride et mouvante nous promet à tous un avenir agité. Voyons.")

In der SRF-Sendungsreihe "Sternstunde Philosophie" (auch auf YouTube) gibt es ein aktuelles Interview mit dem Autor (jetzt auch mit deutscher Übersetzung). Kein Wunder, dass die internationale völkisch-nationale Rechte Putin verehrt und von ihm gefördert wird (wurde?).


Quote
Opak

Die Einseitigkeit mit der unsere Medien über Konflikte wie jetzt in der UKR berichten ist erbärmlich
Es gibt keine Entschuldigung für den russischen Einfall in die UKR, es gehörte sich aber zumindest ein wenig neutraler zu berichten (z.B. durch weniger lückenhafte Berichterstattung der letzten 8 Jahre). Es sind nicht Coronaleugner, Antisemiten und Aluhutträger, die der Darstellung von Herrn Rauscher und Co aus Dummheit widersprechen, sondern (Zitat):

"Der Westen inszeniert sich als Hüter des Völkerrechts und der
Diplomatie. Dass dies angesichts der blutigen Vergangenheit der NATO und
des Westens eine Mär ist, sollte jedem einleuchten. Die Liste der
illegalen, völkerrechtswidrigen Kriege der USA, der NATO und deren
Verbündeter füllen Bücherregale. Nun mit erhobenem Finger auf Russland
zu zeigen, ist an Heuchelei kaum zu übertreffen."


Quote
hilde peymann

küchenpsychologisch putin interpretieren zu wollen, kann nur schief gehen. es geht um geopolitik. ...


Quote
Ausgeflippter Lodenfreak

Zum 1.000stenmal: die angebliche Angst von Putin vor einem Nato-Mitglied Ukraine ist nur das Framing von Russland und eine Täter-Opfer-Umkehr. Letztlich ist sie eine russische Lüge, wie Nazis und Drogensüchtige in der Regierung und Atomwaffen und Völkermord in der Ukraine von denen Russland in der Propaganda fantasiert.

Ein neutrale Ukraine hätte Russland nie akzeptiert, wenn sie unabhängig, demokratisch und westlich orientiert wäre. Russland hätte maximal eine kleptokratische Diktatur mit Marionettenregierung wie Weißrussland akzeptiert. Deshalb will bzw. muss die Ukraine in die Nato und EU. Nicht die Nato bedrohte Russland, sondern Russland bedrohte die Ukraine.


Quote
Steven Weiss

Naja, ein Paar Nazis gibts schon....aber überall in West Europa auch.


Quote
Ausgeflippter Lodenfreak

Niemand hat sich geirrt, sondern Putin hat sich nur so weiter entwickelt wie sich alle Diktatoren weiterentwickeln. Er hat so lange und hart alle Andersdenkenden und Kritiker bekämpft, bis er nur noch von feigen Speichelleckern umgeben war, die ihn immer nur bestätigen. Weder Berater noch Geheimdienst trauen sich, ihm Dinge zu sagen, die ihm vielleicht nicht passen. Dadurch beginnt jeder Diktator irgendwann die eigenen Lügen, Falschannahmen, Ausreden, usw. zu glauben und verliert den Bezug zur Realität. Alle Diktatoren sind irgendwann dümmer im Sinne von uninformiert, als ein westlicher Sozialbaubewohner mit Pflichtschulabschluss. Mich erinnert Putin an Saddam Hussein, der ja auch irgendwann glaubte, er käme damit durch Kuwait anzugreifen.


Quote
rogerauskambodscha

Oligarchen gibts in der Ukraine auch schon lang keine mehr, sowas machen nur böse Russen. Hr Präsident Selenski würde an solchen Machenschaften natürlich niemals anstreifen.
Und wie jede vernünftige und stolze Armee rüstet sich die ukrainische Armee zur Sicherheit mit menschlichen Schutzschilden und Söldnern aus aller Welt aus.
...


Quote
ddnola

Hat die demokratische Ukraine das autoritaere Russland angegriffen, oder das autoritaere Russland die demokratische Ukraine?


Quote
Perry

Wie lange dauert denn dein Trolldienst heute noch - bald Feierabend?


...

Quote[...]  Gerhard Lechner, Redakteur: Warum hat Russlands Präsident Wladimir Putin den Befehl zu einer Offensive gegeben, die die Bande zwischen Russen und Ukrainern zerschneiden muss? Haben Sie eine Erklärung, was in seinem Kopf vorgeht?

Alexander Dubowy: Da muss man ausholen. Putin und seine Umgebung entstammen in etwa der gleichen Generation. Es ist eine Generation, die, als die Sowjetunion zerfiel, bereits im Umfeld der Macht war, aber noch nicht an den Schalthebeln saß. Und die es bereut, damals nichts unternommen zu haben, um den Zerfall des Landes zu verhindern.

Gerhard Lechner, Redakteur: Das Sowjet-Trauma . . .

Alexander Dubowy:Ja. Heute haben diese Leute Angst, dass sich das damalige Trauma wiederholen könnte. Die Angst, Russland könnte zerfallen, ist stark. Und man möchte diesen Zerfall um jeden Preis verhindern. Deshalb sind sich die außen- und sicherheitspolitischen Eliten in Moskau auch einig, dass die größte Bedrohung Russlands von staatlicher Instabilität ausgeht. Man fürchtet sich vor Farbrevolutionen, die - in der Sicht der russischen Eliten - von außen gesteuert werden, vom Westen, von den USA. Die russische Führung glaubt, dass die USA spätestens seit Beginn der Nullerjahre diese Politik verfolgen, um Russland zu schaden. Sie führen die Rosenrevolution in Georgien, die Orange Revolution in der Ukraine und - natürlich - den Euromaidan in Kiew 2014 als Beispiel an. Das Zentrale ist, dass Russland dabei immer glaubt, der äußere Einfluss sei für das Gelingen dieser Revolutionen entscheidend gewesen. Und die inneren Gründe seien vernachlässigbar. Jede innere Bewegung wird automatisch so interpretiert, als ob sie von außen finanziert und gesteuert worden ist.


Gerhard Lechner, Redakteur: Das entspricht eigentlich dem, was heute viele Kampfposter in sozialen Medien von sich geben: Hinter jedem Ereignis wird sofort ein Strippenzieher vermutet, dessen Macht so groß ist, dass er alles steuern kann.

Alexander Dubowy: Ja, genau. In Russland wendet man dieses Bild aber nicht nur auf die Gegenwart an, sondern auch auf die Vergangenheit. So wird etwa die Russische Revolution in erster Linie äußerem Einfluss zugeschrieben, es wird gesagt, Deutschland und die USA hätten die Revolte finanziert.


Gerhard Lechner, Redakteur: Jetzt könnte man sagen: Das ist ja nicht ganz falsch. Revolutionsführer Wladimir Lenin wurde ja auch vom deutschen Kaiserreich im plombierten Waggon nach Petersburg geschickt.

Alexander Dubowy: Richtig. Dennoch ist das Bild, das in Russlands Elite vorherrscht, ahistorisch. Als Lenin ankam, hat es ja bereits eine Revolution gegeben. Lenin schrieb ja selbst, dass die Staatsmacht am Boden lag und man sie nur aufheben musste. Entscheidend war also auch damals das, was im Inneren Russlands vorging. Diese inneren Faktoren werden von den russischen Eliten stiefmütterlich behandelt und übersehen. Sie zählen aus Sicht des Kremls nicht, sie sind unwichtig. Es besteht keine Notwendigkeit, sich damit auseinanderzusetzen. Das ist der Grund, warum Russland nicht wirklich versteht, wie die Gesellschaften in den umliegenden Staaten funktionieren. Das ist der Grund, warum die russische Armee jetzt so große Probleme hat. Das Einzige, was Putin wichtig ist, ist der Einfluss auf die Staatsspitze. Russland glaubt, wenn man Kiew einnimmt, wenn man die Regierung ausschaltet, dann wird das ganze Land sich sofort Russland anschließen.


Gerhard Lechner, Redakteur: Das ist, wenn man die Ukraine kennt, eine reichlich absurde Vorstellung.

Alexander Dubowy: Ja, das hat mit der Wirklichkeit nichts mehr zu tun. Aber Putin hat diese Entscheidung getroffen, und es hat ihn offenbar niemand davon abbringen können.


Gerhard Lechner, Redakteur: Warum eigentlich? Trifft Putin seine Entscheidungen allein?

Alexander Dubowy: Früher nicht. Er hat seine Entscheidungen immer im kleinen Kreis, aber nie allein getroffen. Die Annexion der Krim hat er noch gemeinsam mit seinen Beratern besprochen und im Konsens gefällt. Diese Entscheidungen sind noch rational getroffen worden. Mit rational meine ich nicht vernünftig oder gut, sondern durchdacht. Man hat abgewogen, was dafür und was gegen die Entscheidung spricht, und kam zu dem Schluss, dass die Pluspunkte überwiegen. Die aktuelle Entscheidung ist dagegen völlig irrational. Sie ist nicht durchdacht. Die Minuspunkte überwiegen klar. Die Risiken, die dieser Krieg mit sich bringt, sind absolut unkontrollierbar. Die ukrainische Armee des Jahres 2022 ist eine andere als 2014.


Gerhard Lechner, Redakteur: Warum hat Putin dann diese Entscheidung getroffen? War das ein Alleingang?

Alexander Dubowy: Offenbar ja. Nach allem, was so nach außen dringt, hätten sich die Eliten allenfalls auf die Anerkennung der Donbass-Republiken oder den Einmarsch dort, schlimmstenfalls auf eine begrenzte Militäroperation im Donbass einigen können. Putin hat sich aber dennoch zu einem Großangriff entschlossen. Warum, ist schwer zu sagen. Es gibt Berichte, wonach Putin sich in den vergangenen zwei Jahren sehr stark verändert hat. Seit Beginn der Pandemie ist er stark isoliert und hat nur noch Kontakt zu wenigen Menschen. Er hat sich in dieser Zeit in Geschichtsstudien vertieft, deren Schwerpunkt das Verhältnis Russlands zur Ukraine ist. Er hat im vergangenen Sommer auch einen Traktat zum Thema verfasst, sieht die Ukraine als von Lenin geschaffenes Kunstprodukt an. Dieses historische Bild, das er da vor Augen hat, nimmt ihn emotional so stark mit, dass er, was die Ukraine betrifft, keine rationale Entscheidung mehr treffen kann. Jede Gegenreaktion, jede Widerrede löst bei ihm Aggressionen aus. Weil aus seiner Sicht sein Handeln vollkommen legitim und historisch begründet ist.


Gerhard Lechner, Redakteur: Das ist eine erstaunliche Wandlung. Schließlich hat man Putin im Westen jahrzehntelang als knochentrockenen, eiskalten, zynischen, aber ideologiebefreiten und ultrarationalen Machtpolitiker gesehen. Jetzt kommt ein anderer Putin zum Vorschein, einer mit einem ideologischen Sendungsbewusstsein.

Alexander Dubowy: Ja. Das ist auch der Grund, warum wirklich niemand diese Invasion vorhersagen konnte. Die ganze Expertengemeinde ist davon ausgegangen, dass sie ihren Putin kennt und dass ein solcher Schritt absolut unvorstellbar ist. Deshalb hat den Berichten der US-Geheimdienste auch niemand geglaubt. Weil dieser Krieg so dermaßen irrational und wider die Interessen Russlands ist. Putin hat das im Alleingang entschieden. Er will offenbar als Schöpfer eines neuen Russischen Reiches in die Geschichte eingehen, als "Sammler der russischen Erde", wie es in russischer Tradition heißt. Die Nato-Erweiterung ist nicht das Hauptproblem. Es geht nicht um Sicherheitspolitik.


Gerhard Lechner, Redakteur: Aber darum, die Westintegration der Ukraine zu verhindern, oder?

Alexander Dubowy: Ja. Mit der Westintegration droht Russland die Ukraine aus dem eigenen Orbit zu verlieren. Bereits jetzt gibt es eine heranwachsende Generation von Ukrainern, die mit Russland nichts anfangen können oder wollen. Das ist für Putin das eigentliche Problem, auch wenn man an die Sprachenfrage in der Ukraine denkt. Putin stört nicht, dass die russische Sprache in der Ukraine benachteiligt wird, wie immer geklagt wird. Ihn treibt die Sorge um, dass das Russische mit der Zeit komplett an Bedeutung verliert, sodass Russland die Ukraine endgültig aus seinem Orbit entgleiten sieht und nicht mehr zurückholen kann. Verbunden mit der tatsächlichen militärischen Aufrüstung der Ukraine war das wohl der Grund, warum Putin diese Entscheidung so radikal getroffen hat. Er will mit einem schnellen Schnitt Kiew in den russischen Orbit zurückholen - jetzt, sofort, ehe es zu spät ist. Deshalb will er auch die Regierung stürzen. Er braucht eine prorussische, kontrollierbare Regierung in Kiew.


Gerhard Lechner, Redakteur: Aber wie will er das erreichen? Mit Bomben und Marschflugkörpern?

Alexander Dubowy: Ja, das ist irrsinnig und eben auch machtpolitisch völlig irrational. Es ist ein Bruch mit der bisherigen russischen Politik, die ideologiefrei war - hart, interessengeleitet, manchmal zynisch, aber ideologiefrei. Jetzt kippt dieser pragmatische, nachvollziehbare, logische, in sich geschlossene, rationale Politikansatz . . .


Gerhard Lechner, Redakteur: . . . ins "Idealistische", gewissermaßen.

Alexander Dubowy: Ja, ins Idealistische und Ideologische. Es geht jetzt nicht mehr um Interessen, sondern um irgendwelche Träumereien vom Russischen Reich. Und das ist wirklich gefährlich, weil Putin damit auch den russischen Interessen massiv schadet und Russland zu einem Schurkenstaat macht. Das wird auf Jahrzehnte nachwirken.


Gerhard Lechner, Redakteur: Gibt's dagegen Widerstand innerhalb der russischen Eliten?

Alexander Dubowy: Offenbar ja. Nikolaj Patruschew, der Sekretär des russischen Sicherheitsrates, soll sich etwa gegen die Invasion und auch die Anerkennung der Donbass-Republiken gestellt und sich für weitere Verhandlungen mit dem Westen ausgesprochen haben. Auch einige Oligarchen äußern Unmut. Diese Leute wollen eine nachvollziehbare Außenpolitik, getrieben von Interessen. Die totale internationale Isolation, in die Russland jetzt rutscht, passt ihnen nicht.


Gerhard Lechner, Redakteur: Kann dieser Widerstand für Putin gefährlich werden?

Alexander Dubowy: Bis jetzt hat Putin dafür gesorgt, dass er als Schiedsrichter zwischen den rivalisierenden Machtgruppen eine unangreifbare Stellung hat. Jetzt aber ändert sich die Lage, alles ist im Fluss, viele sind unzufrieden. Aber eine Palastrevolte braucht Zeit, und die hat man jetzt nicht. Außerdem lässt Putin niemanden an sich heran.

Gerhard Lechner, Redakteur: Wegen Corona?

Alexander Dubowy: Er hat anscheinend extreme Angst vor Ansteckung, ja, es könnte aber auch andere Gründe haben.  [ ... ] Jetzt wird er wohl schwere Waffen einsetzen lassen und damit eine weitere Grenze überschreiten. Russland wird dann endgültig zum Schurkenstaat - und Putin von einem rationalen Autokraten zu einem irrationalen Diktator.


Aus: "Krieg in der Ukraine: "Putin hat Angriff im Alleingang entschieden"" (01.03.2022)
Quelle: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2139319-Putin-hat-Angriff-im-Alleingang-entschieden.html (https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/politik/europa/2139319-Putin-hat-Angriff-im-Alleingang-entschieden.html)

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Sverdrup
01.03.2022, 18:42 Uhr

Der "Forscher in Internationalen Beziehungen" sollte sich mehr an Realitäten halten, vielleicht hat er ja vom USA-Begriff des "exceptionalism" schon etwas gehört, dann werden ihm evtl. manche "Ängste" vor Zerfall oder Umsturz etwas verständlicher. Wie naiv muss er sein oder für wie blöd hält er die Leser, dass all die Umsturzversuche des US-Imperiums bei seiner Argumentation gar nicht erwähnt werden ? Bei Bedarf wird gern Aufzählung geliefert.


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Dr. der Verschwörungstheorie hc.
01.03.2022, 23:18 Uhr

Mich stört dieses überhebliche Kopfschütteln des vereinigten Expertentums, weil Putin emotional an der Ukraine hängt. Natürlich hat er nicht das richtige Mittel gewählt, um die Ukraine, die seiner Ansicht nach sowas wie der gemeinsame kulturelle Ursprung ist, an Russland zu binden. Über eine Wiedervereinigung freuten sich aber auch zB. die Deutschen. Und verdanken dürfen sie diese den Sowjets. Von der Wiedervereinigung Tirols wird auch offen geträumt, die Herauslösung Südrirols wird von der Mehrheit der Tiroler als Unrecht empfunden. Man braucht nicht so tun, als wäre der Wunsch nach Wiedervereinigung das Alleinstellungsmerkmal eines durchgedrehten Putins. Auf einmal so zu tun, als wäre das komplett an den Haaren herbeigezogen, dass die Ukraine auch tief russisch ist, erscheint mir ein unreflektierter Reflex auf diesen kriegerische Aggression Putins. Von Experten erwarte ich mir sachlichere Zugänge zu einer Thematik.


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panajotis
01.03.2022, 08:30 Uhr

Verfolgungswahn und Größenwahn gepaart mit Altersstarrsinn, keine gute Mischung!


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Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on March 03, 2022, 12:21:20 PM
Quote[...] Am vergangenen Samstag zogen wieder organisierte Rechtsextreme gemeinsam mit Impfgegnerinnen und -gegnern durch Wien. Auf der Corona-Demonstration waren – nur wenige Tage nach der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 – russische Fahnen zu sehen, aus einem Lautsprecher tönte die russische Nationalhymne. Wladimir Putin gilt im rechtsextremen Milieu schon seit Jahren als Identifikationsfigur, dessen Panzerpolitik und autoritäres Auftreten imponiert diesen Kreisen. "Wir wollen einen wie Putin", titelte die in Oberösterreich erscheinende rechtsextreme Zeitschrift "Info Direkt" bereits im Jahr 2015.

Es fällt auch auf, dass auch Corona-verharmlosende Online-Gruppen russische Narrative und Propaganda verbreiten. Das liegt einerseits daran, dass die Szene maßgeblich von Rechtsextremisten beeinflusst wird und andererseits die Feindbilder sich überlappen. So wird der Krieg in der Ukraine mit der Corona-Pandemie verknüpft. Finstere Mächte im Hintergrund, die "Globalisten", werden für beide Krisen verantwortlich gemacht.

Martin Rutter, der sich als Anführer der Corona-Proteste inszeniert und maßgeblich die Kundgebung am Samstag organisierte, schrieb auf Telegram: "Dieselbe Regierung, dieselben Medien und dieselben Hintergrundmächte, die sich für die ,Corona-Pandemie' zuständig zeichnen, treiben nun Österreich in einen Wirtschaftskrieg auf der Seite der USA und der Nato." Und er sieht "Globalisten" am Werk. Das Wort steht bei vielen Rechtsextremen als ein Code für Jüdinnen und Juden.

Das oberösterreichische Medienprojekt "Auf1", ein wichtiges Sprachrohr verschwörungsgläubiger Impfgegner, machte vor dem russischen Angriff das "Globalisten-Regime des Westens" für eine mögliche Eskalation verantwortlich. Es seien "dieselben Globalisten", die "den Corona-Ausnahmezustand vom Zaun gebrochen haben", die "uns jetzt in den Krieg hetzen wollen", schrieb "Auf1"-Chefredakteur Stefan Magnet auf Telegram.

Nach dem Angriff auf die Ukraine bezeichnete "Auf1" den Einmarsch russischer Truppen als "bedenklich". Mehr an Kritik war von Magnet nicht zu vernehmen. Ergänzend führte er aus, dass der "globalistische Westen" nun eine "Ausweitung des Krieges" möchte. Deswegen solle sich Österreich neutral verhalten. Damit hat "Auf1" die Linie der FPÖ übernommen.

FPÖ-Parteichef Herbert Kickl erklärte, der "Angriff von russischen Truppen ist in keiner Art und Weise zu rechtfertigen", sprach sich jedoch gegen Sanktionen gegen Russland aus und betonte Österreichs Neutralität. Eine neue Position – erst im Juli des vergangenen Jahres forderte die FPÖ-EU-Sprecherin Petra Steger "größtmögliche Sanktionen" gegen die Türkei, nachdem zuvor der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan Kriegsrhetorik gegenüber dem griechischen Teil Zyperns angestimmt hat. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer kann Kickl mit der Politik des russischen Präsidenten offensichtlich wenig anfangen. Er hat den im Dezember 2016 geschlossenen Freundschaftsvertrag zwischen der FPÖ und der Putin-Partei Einiges Russland nicht erneuert. Als der Vertrag damals in Moskau unterzeichnet wurde, war, laut Medienberichten, auch "Auf1"-Chefredakteur Stefan Magnet als Teil der freiheitlichen Delegation mit dabei. Magnet bewegte sich in jungen Jahren in der Neonazi-Szene und publizierte in "Info Direkt" und "Wochenblick". Er war sogar für das "Wir wollen einen wie Putin"-Cover von Info-Direkt mitverantwortlich, wie er auf Facebook schrieb. In der ebenfalls in Oberösterreich angesiedelte Zeitschrift "Wochenblick" sind eher Sichtweisen Moskaus und der FPÖ zu finden als Journalismus.

Teile der deutschen AfD halten weiterhin an Wladimir Putin fest, die Partei sprach sich ebenfalls gegen Sanktionen aus und gibt die Schuld an dem Angriff aber nicht Putin, sondern dem Westen, der EU und der Nato.

Diese Erzählung ist auch von Rechtsextremen in Frankreich zu hören. Deren neues Aushängschild, Éric Zemmour, präsentierte sich 2018 als Bewunderer von Wladimir Putin: "Ich träume von einem französischen Putin", sagte er. Matteo Salvini, Chef der rechten Lega Nord in Italien, verurteilte den russischen Angriff. Zuvor aber galt er ebenfalls als Anhänger Putins und posierte schon mal mit einem T-Shirt, auf dem ein Porträt des russischen Präsidenten abgebildet war.

An die Seite Russlands stellt sich das "Compact-Magazin" von Jürgen Elsässer. "Die Aggression geht von der Nato unter Führung der USA aus", erklärt er seinen Leserinnen und Lesern. Das "Compact-Magazin" gilt als Sprachrohr der deutschsprachigen Neuen Rechten, das seine Leserschaft nicht mit theoretischen Inhalten überfordern will. Regelmäßig publiziert auch Identitären-Anführer Martin Sellner in der Zeitschrift. Sellner hält sich in seinen Social-Media-Kanälen mit einer klaren Positionierung zurück. Er schreibt von einem "Bruderkrieg", berichtet vom Kriegsgeschehen und versucht, den Krieg mit Fremdenfeindlichkeit zu verknüpfen, indem er vor neuen Flüchtlingsströmen warnt. Auch warnt er vor einer Spaltung der "deutschen Rechten", da nicht alle Medien und Aktivisten auf der Seite Putins stehen.

Österreichische Neonazis aus dem Umfeld Gottfried Küssels kritisieren die russlandfreundlichen Neuen Rechten und rechtsgerichtete Medienprojekte wie "Auf1". "Jeder, der Vielvölkerstaaten unterstützt oder bejubelt, egal ob die USA oder Russland, ist nicht unser Verbündeter, sondern Gegner", heißt es auf Telegram. Das passt zur Linie der deutschen Neonazi-Partei 3. Weg, die Kontakte zu Gesinnungsgenossen in der Ukraine unterhält.

In der Ostukraine kämpften Rechtsextreme und Neonazis zum Teil in eigenen Regimentern wie Asow schon seit Jahren gegen die prorussischen Separatisten. Nun treten sie gegen die russische Armee an. Sonst spielen Rechtsextreme in der Ukraine derzeit keine Rolle, auch wenn der russische Präsident Putin etwas anderes behauptet.

Bei den vergangenen Wahlen sind Rechtsextreme an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. "Der aktuelle Präsident ist russischsprachiger Jude, was das Narrativ von Nazis, die Russischsprachige unterdrücken, noch viel lächerlicher macht. Gegen seine Desinformation hilft nur ebenso offensive Aufklärung, was man im Westen bislang verpasst hat", sagt die deutsch-ukrainische Publizistin Marina Weisband der ARD.


Aus: "Russische Fahnen auf der Corona-Demo in Wien" Markus Sulzbacher (2.3.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000133734656/russische-fahnen-auf-der-corona-demo-in-wien (https://www.derstandard.at/story/2000133734656/russische-fahnen-auf-der-corona-demo-in-wien)

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Charly Firpo, 2. März 2022, 14:24:22

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Rechte und Neonazis jubeln einem Diktator aus Russland zu der ein Land überfällt mit dem erklärten Ziel dieses von den Nazis zu befreien.


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Brainbunny, 2. März 2022, 14:07:02

Zum ...

Sich in seiner Freiheit beeinträchtigt fühlen, aber einem Diktator hinterher rennen.

Das kann man nicht erfinden.


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raltsch
2. März 2022, 13:28:51

War klar, dass so etwas passieren wird. Ich muss aber jenen beipflichten, die davor warnen, hier wieder alle in einen Topf zu werfen und aus einer Fahne einen Haufen von Putin-Fans zu machen. ...


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Hephaistion

Wie kann ein echter Nazi zu Russland halten?


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MeineBesteMeinung

Weil Russland seit langem weit Rechts regiert wird. Warum Leute Russland mit der alten UdSSR verwechseln muss wohl an geistiger Trägheit liegen. Die Führung in Russland ist christlich-konservativ-kapitalistisch.


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Der Gummibaumtroll

Tatsächlich sind wir ja bereits im 8ten Jahr eines von Putin und seinen Nützlichen Idioten geführten Desinformationskrieges
Die Krim, Donbass, Trump, Brexit, Sputnik, RT und die gezielte Unterwanderung der demokratischen Rechtsstaaten durch vom Kreml gesponserte Extremisten sind jedenfalls das Ergebnis hoher Investitionen in einen sehr großen und aggressiven Desinformationsapparat.

Ein 18 Tweets langer Thread zur Erklärung. Von der Journalistin, die den Skandal mit Facebook und Cambridge Analytica aufgedeckt hat.

Thread: Carole Cadwalladr @carolecadwalla
Ok. Deep breath. I think we may look back on this as the first Great Information War. Except we're already 8 years in.
The first Great Information War began in 2014. The invasion of Ukraine is the latest front. And the idea it doesn't already involve us is fiction, a lie.
...

11:05 nachm. · 27. Feb. 2022·Twitter Web App
https://twitter.com/carolecadwalla/status/1498056686548013062 (https://twitter.com/carolecadwalla/status/1498056686548013062)


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Hortensia die Erste

Spannend ist, diese Wurschtel schreien "Diktatur!", weil sie eine Maske tragen sollen, wünschen sich aber einen Putin? Dort ist echte Diktatur, dort wird man verhaftet, wenn man demonstriert.
Laufen diese Fahnenträger eigentlich immer noch frei herum? ...


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MeineBesteMeinung

Warum Leute die Verbindung zwischen unseren Rechtradikalen und der Partei Russlands "erstaunlich" halten kommt wahrscheinlich daher, dass sie Putin für einen verkappten Kommunisten und Russland für "links" in der Nachfolge der UdSSR halten. Aber Putin ist ideologisch ein rechtskonservativer Christ, wie es die bei uns in den 50ern und 60ern in Massen gab. Traditionelle Familie und nationale Einheit ist der Altar, den Putin anbetet. Die entsprechenden Werte teilt er daher mit unseren Rechtsrechten. Inklusive der FPÖ. Und Teilen der ÖVP.
Andere Rechtsrechte Österreichs sind mit den rechtsrechten Milizen der Ukraine verbandelt. Der Unterschied zwischen russischen und ukrainischen Nationalisten ist übrigens marginal.


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Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on March 23, 2022, 09:26:03 AM
Quote[...] STANDARD: Sie haben beinahe Ihr ganzes Leben mit Zensur leben müssen. Was macht das mit einem, und wie kann man damit umgehen?

Weiwei: In China sind alle Informationen gesteuert, sind Teil von Propaganda. In Russland scheint das mittlerweile ähnlich. Aber es gibt einen großen Unterschied: In Russland kann gegen den Krieg demonstriert werden, in China wäre das vollkommen unmöglich. Im Westen wird so viel über die Freiheit der Presse und die Informationsfreiheit gesprochen, schauen Sie sich allerdings die Situation von Julian Assange an: Würde er an die USA ausgeliefert, hätte er mit sehr ernsten Konsequenzen zu rechnen. Der Westen ist scheinheilig, das zeigt dieser Fall ganz deutlich.

STANDARD: Ist das nicht ein gänzlich unterschiedlich gelagerter Fall?

Weiwei: Im Westen muss nicht um Freiheit gekämpft werden, die Lebensbedingungen hier sind andere. Aber auch hier gibt es Fälle, wo Freiheit und Menschenrechte nicht eingehalten werden und durch Scheinheiligkeit verdeckt werden. Das korrumpiert eine gesamte Gesellschaft. Es geht immer um die Wahrheit.

...


Aus: "Ukraine-Krieg - Ai Weiwei: "Der Westen ist scheinheilig"" Interview: Stephan Hilpold (20. März 202)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000134231225/ai-weiwei-der-westen-ist-scheinheilig (https://www.derstandard.at/story/2000134231225/ai-weiwei-der-westen-ist-scheinheilig)

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Pyg Malia

Verstehe nicht warum das Interview so viel aufgeregte Reaktionen hervervorruft.
Abgesehen von der Tatsache, dass in Bezug auf die USA und deren Kriegen von Vietnam bis Irak mit zweierlei Maß gemessen wird - was Unzählige zurecht immer wieder kritisiert haben - und der banalen Feststellung, dass Europäern der Krieg in der Ukraine leider, aber verständlicher Weise näher geht als der Krieg im Jemen, sind das Allerweltsaussagen und keine Aufregung wert.


...
Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on March 23, 2022, 10:07:21 AM
Quote[...] Lena Gorelik, geboren 1981 in St. Petersburg, kam 1992 mit ihrer Familie nach Deutschland. Schreibt Romane, Essays und Theaterstücke. ...

Beim ersten Mal entschuldige ich mich. Tue es unsicher, stolpernd, finde nicht die richtigen Worte, weiß auch, dass ich das nicht tun muss, mich entschuldigen, dass es nicht an mir liegt, bleibe hängen in einem zu kurzen Satz. Der ukrainischen Frau helfe ich am Bahnhof, noch zählen wir die Tage, es ist Tag vier nach Kriegsbeginn. Stolpere bereits, bevor ich sie anspreche, weil ich es nur auf Russisch, nicht auf Ukrainisch tun kann, obwohl ich weiß, dass die meisten Ukrainer:innen Russisch verstehen und mindestens ein Drittel der ukrainischen Bevölkerung es als Hauptsprache sieht. Weiß nicht, was mit dem Russischen in den vergangenen Tagen geschah, ob es in dem Moment, in dem Putins Truppen die Ukraine überfielen, zur Feindessprache wurde, weiß nicht, ob es nicht zum Symbol für russischen, gar noch sowjetischen Imperialismus wurde.

... Ich wurde in Russland geboren, war nie wahlberechtigt in diesem, möchte schreiben "jenem", Land, habe weiche, detail- und schmerzhafte Erinnerungen daran, die manchmal nach Kindheitsverherrlichung duften. Versuche seit Jahren schon, das Land zu sehen, zu verstehen, bei Besuchen, im Lesen, im Sprechen, versuche es nicht nur mit meinen "westlichen Augen" zu tun, wie meine Tante in Sankt Petersburg, die lange einen Putin-Kalender an der Wand hängen hatte, mir vorwarf. Den gab es umsonst, den Kalender, erklärte sie zur Begründung und warf gleich hinterher, warum ich ihn mit meinen "westlichen Augen" nicht als das erkenne, was er sei, kein Böser zumindest, und jetzt weiß ich nicht: Hängt da der Kalender immer noch in ihrer sechs Quadratmeter großen Küche? Ich weiß, ihr 20-jähriger Enkel wurde nach Estland geschickt, damit er nicht in die Armee eingezogen werden kann, und da sitzt er nun, versucht, digital zu studieren.

Ich habe mich nie als Russin bezeichnet, überhaupt hielt ich mich von nationalen Zuschreibungen am liebsten fern. Nun möchte ich mich entschuldigen, als Russin, möchte verstehen, um mich schlagen, schlafe nicht mehr, seit wie vielen nun Tagen, und weiß nicht, ob es uns allen so geht, dass wir nicht schlafen können, oder ob ich schlafloser bin, als Russin eben. Möchte diesen Satz löschen, vielleicht.

Lese, lese alles zum Krieg, lese in verschiedenen Sprachen. Lese auch, dass eine Mailänder Universität überlegt hat, Dostojewski aus dem Seminarlehrplan zu nehmen, lese von eingeschlagenen Fenstern in russischen Läden und Schulen in Deutschland, von Kindern, die in der Schule angefeindet werden, weil sie Russ:innen sind, von russischen Künstler:innen, denen ein öffentliches Anti-Kriegs-Bekenntnis abverlangt wird, bevor sie auftreten dürfen. Lese, dass die Auftritte des russischen Pianisten Alexander Malofejew beim Montreal Symphony Orchestra abgesagt wurden, obwohl er den Krieg gegen die Ukraine öffentlich verurteilte. Lese, dass die Benennung des Kriegs als solcher in Russland mit 15 Jahren Haft bestraft werden kann, sehe den Journalist:innen des letzten unabhängigen Fernsehsenders in Russland bei ihrer letzten Sendung und ihren Tränen zu, lese, wie sie in die umliegenden Länder fliehen, wie sie von dort aus ihre Verzweiflung beschreiben, wie kann ich je wieder zurückkehren in ein Land, das, wie kann ich damit leben, dass.

... Wladimir Putin versucht gerade, mit all den ihm zur Verfügung stehenden militärischen Mitteln die Ukraine zu zerstören; gleichzeitig zerstört er zielsicher und ohne Militär das Land, das er als "seins" bezeichnen würde. Er zerstört alles, was an Zivilgesellschaft, Demokratie, Meinungsfreiheit in den vergangenen Jahren vorsichtig zu wachsen begann, zerstört jede noch so kleine, eigene Erfahrung von Freiheit. Kunst, Kultur, Literatur, Musik, denen so häufig bescheinigt wurde, Brückenbauer zu sein, dass es schon wie eine Plattitüde klang, wird gerade genau diese Fähigkeit entzogen. Jeder künstlerische Dialog, jede Kraft, die ein solcher Dialog entfacht, jeder Glaube daran, dass es ein Danach geben könnte, ein Russland nach Putin, wird von vorneherein ausgeschlossen, obwohl jetzt nicht die Zeit für Plattitüden ist. Jetzt wäre die Zeit, diese so häufig benannten Brücken tatsächlich zu bauen, denn später ist es vermutlich zu spät. Zu spät, weil Putin von "Gesindel" und "Verräter" spricht, die er mit Mücken vergleicht, die man ausspuckt, nachdem sie einem in den Mund geflogen sind, und sein Sprecher wird konkret, erwähnt Säuberungsaktionen. Stalinistische Rhetorik, die auf Russisch noch grausamer klingt, weil sie Erinnerungen weckt, weil sie auf tradierten Ängsten aufbaut, auf Namen von Menschen, die die Familien verloren hatten. Und wer in Russland hat sie nicht, diese verlorenen Namen.

Junge, gut ausgebildete Menschen, unabhängige Journalist:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen versuchen, Russland zu verlassen: Schätzungen gehen von 200.000 Geflüchteten seit dem 24. Februar aus. Viele von ihnen haben vorher Anti-Kriegs-Appelle unterzeichnet, nun fliehen sie und wer geblieben ist, verliert mit großer Wahrscheinlichkeit soeben den Arbeitsplatz und wartet auf weitere Repressionen. Diese – im Westen beinahe unsichtbare – Flucht ist verständlich wie verheerend zugleich: Es flüchten diejenigen, die freiheits-, demokratie- und zukunftsorientiert denken, es flüchten diejenigen, die Russland brauchen würde, damit es ein Danach geben kann, ein Nach-Putin. Sie flüchten nach Armenien, Georgien, in die baltischen Staaten, in die Türkei, sie flüchten, wie sie sagen, auf unbestimmte Zeit, weil sie nicht in einem Land leben wollen, in dem ein Krieg nicht als Krieg bezeichnet werden darf, weil sie sich, schreibt eine Journalistin, die bis zur letzten Sekunde bei Doschd gearbeitet hat, als Russ:innen schämen.

"Doschd" heißt Regen auf Russisch, sie waren ein hoffnungsvoller Regen, ein fröhlicher Sommerregen inmitten von Staatsgehorsam und Korruption, nun sind sie vereinzelte, über Europa verteilte Tropfen, sind nach so vielen Jahren von Bedrohung und Repression doch noch geflohen. Ich krame dieser Tage mein Doschd-Fan-T-Shirt aus dem Schrank, kyrillische Buchstaben, das pinke Logo, ein russisches Wortspiel, das heute nur noch traurig wirkt: Es spielt auf den Satz an, dass Doschd niemals verschwinden würde. Es scheint so sinnlos, eine dieser verzweifelt aktionistischen Tätigkeiten zu sein, dieses T-Shirt zu tragen. Kurz vor einer Fahrt mit dem Zug der unangenehme Gedanke: Wirklich, kyrillische Buchstaben, gibst dich als Russin zu erkennen, als die du dich nie bezeichnen wolltest, wische den Gedanken wütend beiseite: mit Sicherheit paranoid. Steige in den Zug, lese. Lese wieder eine dieser kindlichen Gleichsetzungen von Putin mit Russland.



Aus: "Ich habe mich nie als Russin bezeichnet" Lena Gorelik (22. März 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2022-03/russen-deutschland-ukraine-krieg-wladimir-putin-repression-10nach8 (https://www.zeit.de/kultur/2022-03/russen-deutschland-ukraine-krieg-wladimir-putin-repression-10nach8)

QuoteGerade #3

Danke für diesen Artikel.
Putin und sein Zirkel zerreißen vor lauter Egomanentum gepaart mit mangelndem Selbstwertgefühl die ganze Welt und ihr eigenes Volk. Und eine Frau, die in Russland geboren ist, zeigt, was wahre Stärke bedeutet, weil sie den Mut hat, sich mit ihrer eigenen Zerrissenheit auseinanderzusetzen, und das auch noch öffentlich. Leider wird Putin niemals verstehen können, dass er dagegen nur ein Würstchen ist.


QuoteFactsAndFiction #13

Ich schäme mich ein wenig für Deutschland wenn ich von diesen Übergriffen auf bestimmte Völkergruppen lese, egal ob es z.B. mutmaßliche Asiaten zum Beginn der Pandemie oder es jetzt mutmaßlich Russen sind.


QuoteMarie Noelle Chan hin #35

Ich liebe die russische Kultur, das hat mit dem Krieg nicht zu tun. Das war genauso für die Juden in Deutschland unter dem Naziregime, ein jüdischer Schriftsteller aus dieser Zeit sagte, wir können aus einem Land auswandern, aber nicht aus einer Sprache. . Eine Sprache hat nicht mit einer Diktatur zu tun. Kleinkarierte Menschen sogar an der Universität, die einen russischen Schriftsteller aus dem Programm. Rausnehmen wollen, sind wirklich kleinkariert.


QuoteWeltgesellschaft #16

Danke für den bewegenden Beitrag! ...


QuoteRisen.Again #18

Ich verstehe sehr wohl, dass Russen sich jetzt schlecht fühlen. Dieses Gefühl kenne ich als Deutscher sehr gut. Ich werde und wurde auch immer daran erinnert, dass wir Deutschen eine besondere Verantwortung haben, was sicherlich nicht falsch ist. ...


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Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on May 12, 2022, 10:10:29 AM
Quote[...] Bascha Mika: Anfang der 90er Jahre glaubten alle, dass Russland auf dem Weg in eine freie Gesellschaft ist. Was war an dieser Vorstellung falsch?

Boris Groys: Ich sage es anders: Im Westen hat man gehofft, dass Russland ein Teil des Westens wird und die Russen so wie die Westler funktionieren. Das ist aus vielerlei Gründen nicht passiert. Einer davon: Das Land ist zu groß, um sich leicht in die westliche politische und militärische Struktur einbinden zu lassen. Ein weiterer: Die Kultur ist eine andere, Russland kommt von Byzanz, der Konflikt zwischen Ost- und Westchristentum ist anderthalb Jahrtausende alt. Sowohl aufgrund der geopolitischen Lage als auch kulturell ist Russland also nicht ohne weiteres in das westliche System integrierbar.

... Das russische Imperium ist ein Erbe von Byzanz. Diese Idee wurde den Russen wie das Christentum aufoktroyiert. Sie leben damit schon viele Jahrhunderte und sind darauf trainiert, sich den Gegebenheiten anzupassen. Abgesehen von einem kleinen Teil der Bevölkerung ist Anpassung eine echt russische Fähigkeit. Als es gute Jahre waren, haben die Menschen sich angepasst. Jetzt sind es schlechte Jahre geworden und sie passen sich wieder an. Nicht im ideologischen Sinne, sie wollen einfach überleben. ...


Aus: ",,Dass der Krieg in der Ukraine verloren ist, wissen alle"" (11.05.2022)
Quelle: https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/russland-ukraine-krieg-verloren-boris-groys-interview-91533683.html (https://www.fr.de/kultur/gesellschaft/russland-ukraine-krieg-verloren-boris-groys-interview-91533683.html)
Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on June 21, 2022, 02:00:43 PM
Quote[...] Moskau/Kiew – Vier Monate nach dem Überfall auf die Ukraine hat Russland die Beziehungen zum Westen als langfristig beschädigt bezeichnet. "Ja, es wird eine lange Krise werden", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in einem in der Nacht zum Dienstag ausgestrahlten Interview des US-Fernsehsenders MSNBC. "Wir werden dem Westen nie wieder vertrauen."

Russland erhebt seit Beginn seines Kriegs gegen die Ukraine immer wieder Vorwürfe gegen westliche Staaten – etwa wegen der militärischen Unterstützung für das angegriffene Land. Peskow äußerte sich auch zum Fall der beiden US-Soldaten, die in der ukrainischen Armee kämpften und kürzlich von moskautreuen Truppen gefangen genommen wurden. Diese seien Söldner und fielen damit nicht unter den Schutz der Genfer Konvention, meinte Peskow.

Der Kreml-Sprecher ließ weiter offen, ob die beiden Männer von russischen Soldaten oder von prorussischen Separatisten gefangen genommen wurden. Das ist auch insofern relevant, als dass die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk die Todesstrafe eingeführt haben, diese in Russland hingegen ausgesetzt ist.

Auf die Frage, ob er garantieren könne, dass den beiden US-Bürgern nicht dasselbe Schicksal drohe wie drei kürzlich in Donezk zum Tode verurteilten Ausländern, sagte Peskow: "Ich kann nichts garantieren. Das hängt von den Ermittlungen ab." Die Ukraine und die Vereinten Nationen hatten den Umgang der Separatisten mit den beiden Briten und dem Marokkaner heftig kritisiert. Das UN-Menschenrechtsbüro in Genf sprach von Kriegsgefangenen, die Anspruch auf Schutz hätten. (APA, 21.6.2022)


Aus: "Kreml-Sprecher Peskow: "Werden Westen nie wieder vertrauen"" (21. Juni 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000136730127/kremlsprecher-peskow-werden-westen-nie-wieder-vertrauen (https://www.derstandard.at/story/2000136730127/kremlsprecher-peskow-werden-westen-nie-wieder-vertrauen)

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Muhkuh die Göttliche, 21. Juni 2022, 08:57:52

Können die mal mit dem "Westen" aufhören. Das ist ja lächerlich.

Putin zieht sich eine Jacke von einem italienischen Designer an die ungefähr so viel kostet wie ich im Jahr verdiene. Die Oligarchen haben überall in Europa ihr Geld angelegt und die wenigsten von denen sind am liebsten in der Datscha von der Oma Urlaub machen.
Die nächste Frage ist dann wieviel "Westen" steckt zum Beispiel in Österreich? Und wieviel "Osten"?


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altbürgermeister

Wir verlieren das Vertrauen von Mördern, Vergewaltigern und Plünderern. Ich bin zutiefst getroffen.


Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on July 18, 2022, 01:34:56 AM
Manfred Berg (* 4. Dezember 1959 in Wesel) ist ein deutscher Historiker.
https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Berg (https://de.wikipedia.org/wiki/Manfred_Berg)

Quote[...] Todesschützen, der Sturm aufs Kapitol, aus der Zeit gefallene Urteile des konservativ dominierten Supreme Court: In den Vereinigten Staaten spitzen sich die Konflikte auf ungeahnte Weise zu. Der Historiker Manfred Berg sieht das Land so nah an einem Bürgerkrieg wie seit dem Sezessionskrieg nicht mehr. Es geht um ethnische Identität und weißen Nationalismus, um Hegemonie und Lebensentwürfe, um Ängste und Autokratie. Eine Schlüsselrolle spielt Ex-Präsident Donald Trump.

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ntv.de: Herr Berg, die USA durchlaufen spätestens seit der Wahl von Donald Trump 2016 eine gesellschaftliche Zerreißprobe, die kein Ende zu nehmen scheint. Was hat er mit der Demokratie gemacht?

Manfred Berg: Das Schlimmste war, dass er die grundlegende Norm des friedlichen demokratischen Machtwechsels erfolgreich untergraben hat: Dass der Verlierer einer Wahl das Ergebnis akzeptiert. Politologen in den USA nennen das den loser's consent. Nach wie vor glaubt eine deutliche Mehrheit der republikanischen Anhänger an die Lüge von der gestohlenen Wahl. Ein bedeutender Teil sieht selbst den Sturm aufs Kapitol vom 6. Januar 2021 als legitime Form des Protests an. Durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses haben wir bereits viele Details darüber erfahren, wie weitreichend Trump in seinen nicht besonders gut koordinierten, aber doch sehr entschlossenen Absichten war, diese Wahl durch eine Art von Putsch zu annullieren.

Was geschieht, wenn es keinen loser's consent mehr gibt?

Historiker und Sozialwissenschaftler sehen dies als Vorstufe zum Bürgerkrieg an. Es gibt in der US-Geschichte einen großen Präzedenzfall, den Bürgerkrieg von 1861 bis 1865. Der wurde ausgelöst durch die Präsidentschaftswahl 1860, als der Süden die Wahl Abraham Lincolns nicht akzeptierte und zum Anlass für die Sezession nahm.

In den USA heißt es sehr häufig, die Stärke des demokratischen Systems sei, dass es sich selbst erneuern könne, hin zu einer more perfect union. Gab es nach dem Sezessionskrieg noch einmal eine vergleichbare Situation, aus der es dann einen Ausweg gab? Oder befinden sich die Vereinigten Staaten in einer historisch einmaligen Lage?

Zumindest würde ich argumentieren, dass eine so gefährliche, zugespitzte, polarisierte und gewaltträchtige Situation seit dem Sezessionskrieg nicht mehr existiert hat. Es gab immer wieder politische Gewalt auf Einzelstaatsebene. Aber eine derartig zugespitzte Polarisierung zwischen zwei identitätsbasierten politischen Lagern, die sich gegenseitig als tödliche Bedrohung ihrer Kernwerte und Lebensvorstellungen betrachten, das würde ich sagen, hat es seit dem amerikanischen Bürgerkrieg so nicht gegeben.

Woran richten sich diese unterschiedlichen Lebensvorstellungen aus?

Das hat mit der demografisch-ethnischen Polarisierung zu tun, die zentral für das Verständnis der amerikanischen Politik ist. Etwa 90 Prozent der Anhängerschaft der Republikaner sind Weiße. Bei den Demokraten sind sie nur noch eine Minderheit. Wir haben eine - das zeigen alle Studien, alle Umfragen - klare Polarisierung des Parteiensystems dahingehend, dass die Republikaner die Partei der weißen, konservativen, traditionellen, religiösen, ländlichen Milieus sind, und die Demokraten eine sehr breite Koalition bilden aus gesellschaftlichen und ethnischen Minderheiten und den liberalen, relativ gut situierten Weißen auf der anderen Seite. Das spiegelt sich in sozial räumlicher Separation. Es gibt den berühmten Gegensatz zwischen den Küsten und flyover country, aber vor allem enorme Konflikte zwischen Stadt und Land. Für die Republikaner war und ist die demografische Entwicklung ein riesiges Problem.

In diesem Konflikt fühlen sich beide Seiten nicht gut repräsentiert. Das Vertrauen in die Institutionen - nur 7 Prozent trauen dem Kongress, 14 Prozent der Justiz - ist auf Rekord-Tiefstwerten. Woran liegt das?

Die USA galten nach dem Zweiten Weltkrieg als Inbegriff einer konsensorientierten Staatsbürgerkultur. Die amerikanische Verfassung ist wegen ihrer berühmten checks and balances immer auch als eine sehr stabilisierende Kraft angesehen worden. Stabilität setzt jedoch Kooperationsbereitschaft und Überparteilichkeit voraus. Wenn sie wegfallen, wird dieses System, das enorm viele Möglichkeiten zur Blockade bietet, dysfunktional. Unter anderem, weil die ländlichen Bundesstaaten im Kongress deutlich überrepräsentiert sind. Hinzu kommen seit etwa zehn, fünfzehn Jahren offensichtliche Versuche, durch manipulative und diskriminierende Wahlgesetze den Minderheiten in den Einzelstaaten gezielt die Ausübung ihres Wahlrechts zumindest zu erschweren.

Diese antidemokratische Tendenz, die hatten die Republikaner nicht immer so wie aktuell.

Es gab in der Republikanischen Partei immer auch Kräfte, die gesagt haben, wir müssen uns öffnen, wir müssen uns neue Wählerschichten erschließen. Es war kein Zufall, dass George W. Bush oder auch John McCain durchaus erfolgreich um Hispanics geworben haben. Donald Trump hingegen hat mit dem Slogan "Make America Great Again" im Grunde die Wiederherstellung einer euro-amerikanischen weißen Hegemonie versprochen und die Partei auf einen radikal xenophoben und rassistischen Kurs geführt. Die Republikaner haben nach der Bürgerrechtsbewegung eine völlig neue Allianz gebildet, um ein Sammelbecken für konservative, vor allem auch evangelikale weiße Christen zu werden. Der liberale Flügel der Republikanischen Partei, den es immer gegeben hatte, wurde marginalisiert. Das alles war aber nicht notwendigerweise Politik, die man als antidemokratisch oder demokratiegefährdend bezeichnen kann, sondern die Grundlage der Reagan-Koalition, und die war sehr erfolgreich. Sie hat große Mehrheiten bei den Wahlen in den 1980er-Jahren erzielt.

Und heute?

Heute sehe ich eher eine große Parallele zu der Zeit vor dem Bürgerkrieg im 19. Jahrhundert. Damals war es die Sklavenhalterklasse, die sich bedroht fühlte, die glaubte, ihre Macht und ihr Lebensstil seien tödlich bedroht und sie müsste sich verteidigen. Auch damals war es eher ein Identitätskonflikt als einer, bei dem es um materielle Verteilungsfragen ging. Das ist heute ähnlich. Die demographische Transformation der USA sehe ich als einen ganz wichtigen Faktor. Beim Zensus von 1960 oder selbst noch 1970 stuften sich fast 90 Prozent der Bevölkerung als weiß ein, gut 10 Prozent als Afroamerikaner. 2020 waren es noch rund 60 Prozent Weiße, aber fast 19 Prozent Hispanics als größte Minderheit, mehr als 13 Prozent Schwarze und 6 Prozent Asiaten. Bereits seit einigen Jahren sind mehr als 50 Prozent der in den USA geborenen Kinder nicht weiß. Laut Prognosen der US-Behörden werden etwa um 2045 weiße Amerikaner nur noch die stärkste ethnische Minderheit sein. Dieser Wandel geht einher mit einem enormen Bedrohungsgefühl in Teilen der weißen Bevölkerung, mit Überfremdungsängsten und Furcht vor Hegemonieverlust. Diese Entwicklungen treiben die Polarisierung ganz massiv voran.

Sie hatten den Bürgerkrieg angesprochen. Es gibt laut internationalen Konfliktforschern zwei entscheidende Faktoren, die auch in den USA zu beobachten sind. Erstens gruppieren sich die Republikaner als Partei um eine ethnische Identität, und zweitens sind die demokratischen Institutionen geschwächt. Sind die USA aus wissenschaftlicher Sicht näher an einem Bürgerkrieg als je zuvor seit dem Sezessionskrieg?

Ja, das ist leider so. Wenn die Norm des demokratischen Machtwechsels untergraben wird, wenn eine mögliche Wahlniederlage als fundamentale Bedrohung in diesen polarisierten Identitätslagern gesehen wird, ist politische Gewalt eine Option. Dabei kommen auch kulturelle Prägungen zum Tragen, ein starker Staat wird in den USA eher als in Europa als Bedrohung für die Freiheit empfunden. Bürger reklamieren für sich das Recht, eine Waffe zu tragen, um sich im Fall der Fälle gegen einen tyrannischen Staat wehren zu können. Wenn dann die Selbstverständlichkeiten demokratischer Institutionen nicht mehr akzeptiert werden und es diese starke Polarisierung zwischen identitätspolitischen Lagern gibt, die sich gegenseitig belauern, ist das gefährlich.

Welche Rolle spielt die Präsidentschaft Barack Obamas in dieser Entwicklung?

Für einen erheblichen Teil der weißen Bevölkerung war die Wahl Obamas eine narzisstische Kränkung erster Ordnung. Ohne ihn wäre Donald Trump als Gegenmodell, als Anführer und Bannerträger einer Gegenmobilisierung des weißen Nationalismus, nicht vorstellbar. Allerdings war Trumps Wahlsieg 2016 nicht unvermeidlich. Hillary Clinton hat gegen Trump verloren, weil sie einen schlechten Wahlkampf gemacht hat, sich als Repräsentantin einer abgehobenen, liberalen Elite präsentiert hat, die sich nicht für die Nöte der einfachen Leute interessiert.

Die beiden Lager schaukeln sich also auf?

Es gab immer wieder Phasen und Umschwünge in der US-Geschichte, wo klar war, jetzt hat die eine Seite mehr oder weniger die Überhand gewonnen. Nehmen wir mal die Wahl 1932, welche die Ära des New Deal und eine lange Zeit eines dominanten Liberalismus einleitete. Dann begann spätestens 1980 mit Ronald Reagan die konservative Hegemonie. Heute sind diese Lager, ihre jeweiligen Wählergruppen und Hochburgen in etwa gleich stark. Daraus resultiert ein Kampf auf Biegen und Brechen, ein "winning isn't everything, it's the only thing", um die Gewichte zur einen oder anderen Seite zu verschieben. Auch der Kampf um den Supreme Court und dessen politische Instrumentalisierung ist ein ganz bedenkliches Zeichen. Eine Institution, die eigentlich ja eine friedensstiftende Funktion haben soll, wird zum politischen Spielball. Allerdings gab es schon früher lange Phasen, als die Konservativen extrem unzufrieden waren mit dem Obersten Gericht und dann den Plan gefasst haben: Wir müssen den Supreme Court zurückerobern. Das ist nun gelungen.

Es gab mehrere identitätsmotivierte Todesschützen, Anschlagspläne gegen Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer, den Sturm auf den Kongress am 6. Januar 2021. Ab wann kann man sagen: Ja, das ist ein Bürgerkrieg?

Wenn man im Kontext der amerikanischen Geschichte von Bürgerkrieg spricht, dann hat man bestimmte, sehr starke Bilder vor Augen, nämlich den Sezessionskrieg. Das ist ein Krieg, der hat 700.000 Menschen das Leben gekostet, ist geführt worden von regulären uniformierten Armeen und professionellen Militärs. So dürfen wir uns das heutzutage nicht vorstellen. Viel typischer ist das, was Politologen low intensity conflict nennen, also ein hohes, ständig steigendes Maß an politischer Gewalt. Manche Hassverbrechen sind durch die sogenannte Great Replacement Theory (den angeblich gezielt herbeigeführten Austausch der weißen Bevölkerung, Anm. d. Red.) motiviert. Neu ist das nicht, denken Sie an den schrecklichen Anschlag in Oklahoma City 1995. Das waren Rechtsterroristen. Man könnte deshalb argumentieren, dass sich die USA in einem Bürgerkrieg niedriger Intensität befinden. Diese Art permanenter Gewalt, von Terrorismus und auch die zunehmende Bereitschaft, Gewalt als Mittel der Politik zu legitimieren, verschärfen die Lage. Denken Sie an Trumps Aufforderung von 2017: "Proud Boys, stand back and stand by!" gerichtet an eine rechtsextreme Miliz. Die Ereignisse vom 6. Januar 2021, dies wird immer klarer, waren ein von Trump initiierter, gewaltsamer Putschversuch. All das zusammengenommen würde ich als bürgerkriegsähnliche Situation definieren. Und die Kulminationspunkte, an denen sich das Gewaltpotenzial zeigt, sind immer umstrittene Wahlen.

Die Spannungen könnten sich also rund um die Kongresswahlen am 8. November entladen?

Vermutlich werden die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus erobern. Dann werden sich Präsident und Kongress feindlich gegenüberstehen. Früher war die parteipolitische Teilung der Macht zwischen Kongress und Präsident kein Problem. Eisenhower hat die meiste Zeit mit einem demokratischen Kongress regiert. Nixon hat mit einem demokratischen Kongress regiert. Reagan hat mit einem demokratischen Kongress regiert. Aber da gehörte Überparteilichkeit noch zur politischen Kultur der USA. Jetzt gibt es polarisierte Lager, die schon seit vielen Jahren auf Blockade gebürstet sind. Die Zeichen stehen nicht gut. Fast 40 Prozent der Anhänger von Republikanern und Demokraten halten eine Teilung des Landes in rote und blaue Bundesstaaten (Republikaner und Demokraten, Anm. d. Red.) für gar keine schlechte Idee.

Und sollte im Jahr 2024 erneut ein Demokrat gewinnen, könnten sich die Republikaner noch mehr in die Enge getrieben fühlen. Dazu kommen Klimawandelfolgen und möglicherweise Fluchtbewegungen aus Zentralamerika, wie sie die USA noch nie gesehen haben. Wenn die ethnische Frage von zentraler Bedeutung ist, könnte sich die Situation also noch weiter zuspitzen.

Die Vorstellung, es brauche nur den richtigen Präsidenten und der versöhnt dann das Land, die ist schlicht und einfach naiv. Dafür sind die USA schon zu gespalten. Joe Biden war auch nur ein Kompromisskandidat. Bei den Wahlen im November wird es ähnlich sein. Derzeit kommen viele Problemstellungen zusammen, die sich potenzieren. Auch der amerikanische Lebensstil, den wir in vieler Hinsicht teilen, gerät an seine Grenzen. Kalifornien hat 50 Millionen Einwohner. Das sind fast so viele wie in den großen westeuropäischen Staaten, aber fast ohne Wasser. Und trotzdem wird ein Lebensstil gepflegt, in dem die Einwohner von Los Angeles pro Kopf mehr Wasser verbrauchen als die Deutschen. Und bei uns regnet es noch deutlich mehr. Die Umweltkatastrophen kommen zukünftig noch hinzu.

Das alles klingt schon fast apokalyptisch.

Wir haben in den vergangenen Jahren und Monaten leider einige Dinge erlebt, die viele Leute für völlig alarmistisch gehalten haben. Als Historiker versucht man, im Rückblick zu erklären, warum Ereignisse, die lange nicht im Möglichkeitshorizont der Zeitgenossen lagen, dann doch eingetreten sind. Wir sind die Zeitgenossen unserer eigenen Gegenwart und müssen uns auch mit dem vermeintlich Unmöglichen auseinandersetzen. Vor zwölf, fünfzehn Jahren, speziell nach der Wahl Barack Obamas, da habe ich eher optimistisch auf die Zukunft der USA geschaut und gedacht, dies sei ein Zeichen dafür, dass die alten Konflikte in den Hintergrund treten und es einen neuen gesellschaftlichen Konsens in einer multiethnischen Gesellschaft geben kann. Das hat sich erledigt. Die Polarisierung ist weitergegangen.

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Mit Dr. Manfred Berg sprach Roland Peters

Quelle: ntv.de



Aus: "Interview mit Historiker Berg USA befinden sich in "bürgerkriegsähnlicher Situation"" (16.07.2022)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/USA-befinden-sich-in-buergerkriegsaehnlicher-Situation-article23468271.html (https://www.n-tv.de/politik/USA-befinden-sich-in-buergerkriegsaehnlicher-Situation-article23468271.html)

Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on October 27, 2022, 11:47:02 AM
"Kuba-Krise: Der Tag, an dem ein Mann einen nuklearen Weltkrieg verhinderte" Stephan Kroener (27.10.2022)
Am 27. Oktober 1962 stand die Welt kurz vor einem Atomkrieg. Erst Jahrzehnte später wurde bekannt, dass der sowjetische Offizier Wassili Archipow in letzter Sekunde einen nuklearen Angriff auf die US-Navy abgewendet hatte. ... Das »Gleichgewicht des Schreckens« zwischen den USA und der Sowjetunion sollte die beiden Supermächte davon abhalten, einen atomaren Erstschlag auszuführen. Denn dieser hätte immer auch eine nukleare Vergeltung der Gegenseite nach sich gezogen. Auf menschliche Fehlentscheidungen war dieses Prinzip allerdings nicht ausgelegt. ...
https://www.spektrum.de/news/kuba-krise-der-tag-an-dem-fast-ein-atomkrieg-ausgebrochen-waere/2071227 (https://www.spektrum.de/news/kuba-krise-der-tag-an-dem-fast-ein-atomkrieg-ausgebrochen-waere/2071227)

Die Kubakrise (in der Sowjetunion und im Sprachgebrauch der DDR auch als Karibische Krise, auf Kuba später als Oktoberkrise bezeichnet) im Oktober 1962 war eine Konfrontation zwischen den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion, die sich aus der Stationierung sowjetischer Mittelstreckenraketen auf Kuba im Rahmen des nuklearen Wettrüstens entwickelte.
Die eigentliche Krise dauerte dreizehn Tage. Ihr folgte eine Neuordnung der internationalen Beziehungen. Mit der Kubakrise erreichte der Kalte Krieg eine neue Dimension. Beide Supermächte kamen während dieser Krise einer direkten militärischen Konfrontation und somit einem möglichen Atomkrieg am nächsten. Erstmals wurden daraufhin dessen ungeheure Gefahren einer breiten Öffentlichkeit bewusst. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Kubakrise (https://de.wikipedia.org/wiki/Kubakrise)
Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on February 22, 2023, 01:38:51 PM
Quote[...] ... Putins Rede am Dienstag, die Reden westlicher Politiker, allen voran die von US-Präsident Joe Biden: Auf beiden Seiten wird das Säbelrasseln lauter. Alle setzen auf einen Sieg auf dem Schlachtfeld. Doch der ist derzeit weder für Russland noch für die Ukraine in Sicht.

...


Aus: "Das Säbelrasseln zwischen Russland und den USA wird lauter" Aus einem Kommentar von Jo Angerer (21. Februar 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000143789086/das-saebelrasseln-zwischen-russland-und-usa-wird-lauter (https://www.derstandard.at/story/2000143789086/das-saebelrasseln-zwischen-russland-und-usa-wird-lauter)


QuoteKamiikatze

"Damit das Blutvergießen einmal zu Ende gehen kann, müssen beide Seiten zu gewissen Kompromissen bereit sein."
Mein Kompromiss wäre: Russland muss alle besetzten Gebiete abtreten und bekommt dafür eine faire Verhandlung vor Gericht.


QuotePat Thetic

So schwierig es auch aussieht, sind doch Dialog und Diplomatie gefragt, müssen die Außenpolitiker ihren Job tun. Damit das Blutvergießen einmal zu Ende gehen kann, müssen beide Seiten zu gewissen Kompromissen bereit sein. So weh das auch tut. (Jo Angerer, 21.2.2023)

Fragen an Jo Angerer:
a) Gilt das Völkerrecht?
b) Zu welchem Kompromiss, der das Völkerrecht wahrt, ist Russland bereit?
c) Kann man Leuten wie Lawrow oder Putin noch glauben, nachdem sie mehrfach bewiesen haben, dass ihnen Verträge nichts bedeuten?

Würden Sie über diese doch recht simplen Fragen nachdenken, würden Sie sehen, dass sich Ihr Apell in Luft auflöst.


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Quote[...] Vor allem Polen und die baltischen Staaten hatten, seit sie 2004 der Union beigetreten waren, vor einem allzu engem Umgang mit Russland gewarnt. Der Angriff auf die Ukraine hat ihnen auf tragische Weise recht gegeben – und den Westen blamiert. Die Moral hat die Seite gewechselt; vor allem Deutschland und Frankreich, die Moskau stets besonders nahe standen, haben viel politisches Kapital in der EU verspielt. ...

Der tschechische Schriftsteller Milan Kundera hat 1983, vor fast 40 Jahren, einen großen Essay geschrieben, der nun erneut Furore macht. Die Tragödie Zentraleuropas handelt vom Selbstverständnis der Polen, Tschechen oder Ungarn, die sich auch unter kommunistischer Besatzung als Teil des westlichen Europas sahen: als Erben einer mehr als tausend Jahre alten gemeinsamen Geschichte, die im römischen Christentum wurzelt. Die Tragödie dieser Länder, schrieb Kundera damals, sei es, dass sie "von der Landkarte des Westens verschwunden sind".

Das änderte sich zwar mit dem Fall des Eisernen Vorhangs 1989, doch die Tragödie setzte sich unter veränderten Vorzeichen fort. Die meisten mittel- und osteuropäischen Länder traten der EU bei, aber ihre Geschichten und Erfahrungen, ihre Träume und Albträume blieben außen vor. Nicht zuletzt ihre Erfahrungen mit Russland, die unterschiedlich waren.

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Aus: "Wenn die Moral nach Osten wandert" Aus einer Kolumne von Matthias Krupa (22. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/2023-02/eu-osteuropa-joe-biden-polen-ukraine-5vor8 (https://www.zeit.de/politik/2023-02/eu-osteuropa-joe-biden-polen-ukraine-5vor8)

QuoteHerrschmeisshirnvomhimmel #1

Ist Serbien nicht auf der Seite Russlands?


QuoteMatthias N #1.1

So wie auch Ungarn.


QuoteFelikx Krull #14

Die polnische Einschätzung Russlands und die der baltischen Staaten war realistischer als die der deutschen Regierungen und (soweit ich das beurteilen kann) Frankreichs. Das ist auch Richtschnur für das Handeln gegenüber der Ukraine und Russland. Dieser Kompass fehlt Teilen der SPD, großen Teilen der Linken und dem überwiegenden Teil der AgD. ...


QuoteVorschau #15

Wenn man die Aufnahme von Flüchtenden nach Herkunft, Hautfarbe und Religion als top-moralisch empfindet, ist Polen in jedem Fall ganz vorn dabei, zweifellos.


QuoteIchMachMirDieWeltWieSieMirGefällt #17

So ist das in der Geopolitik. Da wird mal schnell aus einem Terroristen ein Freiheitskämpfer und umgekehrt. Wie es eben einem gerade so passt.


QuotePro-Leser #23

Komplett irrelevante Analyse. Moral war schon immer drittrangig und wird nur nach vorn geschoben, wenn es schön aussieht.
Was sich nach Osten verschoben hat, ist nicht der moralische Führungsanspruch sondern die Bedrohungslage.
Und die ,,deutsch-französische Achse" ist in einer EU mit 27 Mitgliedern eh anachronistisch und anmaßend.


Quotenicola.maus #29

Die osteuropäischen Staaten waren nun einmal sehr viel klarsichtiger als andere europäische Staaten, insbesondere Deutschland.
Es steht ihnen also durchaus zu, auch jetzt mehr politische Bedeutung zu erhalten. ...


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Quote[...] Neben der direkten Waffenhilfe für die Ukraine hat in den letzten Monaten die militärische Ausbildungshilfe zunehmend an Bedeutung gewonnen. Längst geht es nicht mehr nur darum, die Empfänger*innen der Waffen für deren Nutzung zu schulen. Sowohl die Europäische Union als auch Großbritannien und die USA sind zwischen Herbst 2022 und Anfang 2023 dazu übergegangen ganze Kampfverbände in europäischen Staaten auszubilden. Von dort aus ziehen die ukrainischen Truppen dann frisch geschult und ausgerüstet wieder in die Kriegsgebiete in der Südostukraine. Das dafür nötige Training tausender ukrainischer Soldat*innen findet auch an diversen Militärstandorten in Deutschland statt – direkt vor unseren Haustüren. ...


"IMI-Analyse 2023/07: Trainings-Hub Deutschland - Ausbildung ukrainischer Soldat*innen vor unseren Haustüren" Martin Kirsch (21. Februar 2023)
Quelle: https://www.imi-online.de/2023/02/21/trainings-hub-deutschland/ (https://www.imi-online.de/2023/02/21/trainings-hub-deutschland/)

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Quote[...]  [Dr. Thomas Mueller arbeitet an der Universität Bielefeld  ... Der Politikwissenschaftler ... ist Akademischer Oberrat an der Fakultät für Soziologie. Seine Forschungsschwerpunkte sind neben Narrativen weltpolitischen Wandels die Rolle von Großmächten in der Weltpolitik seit dem 18. Jahrhundert sowie Prozesse der Quantifizierung in der globalen Sicherheitspolitik.]:

... Es stellt sich [ ] immer auch die Frage, wie man internationale Geschichte erzählen möchte. ... Um ein paar Beispiele zu geben: Bundeskanzler Olaf Scholz nutzt den Begriff [Zeitenwende], um damit den starken politischen Wandel bei den Themen Bundeswehr, Waffenlieferungen und Energiepolitik zu legitimieren. In Deutschland existierte seit dem Kalten Krieg das Narrativ, dass die Welt besser und demokratischer wird und Russland ein Partner ist. Wirtschaftliche Beziehungen waren für große Teile der deutschen Politik wichtiger für Weltpolitik als militärische Macht. Wenn wir dieser Erzählung folgen, ist dieser Krieg ein Moment des Erwachens. In den USA hingegen war die politische Debatte in der letzten Dekade geprägt von der These, dass die Welt sich wieder in eine Ära des Wettbewerbs der Großmächte bewegt, mit mehr Spannungen und Konflikten zwischen den mächtigsten Staaten. Ein Krieg wie der in der Ukraine markiert dann keine Zeitenwende, sondern ist Bestätigung dieser These. Russland und China wiederum beurteilen die vergangenen 30 Jahre als zu stark vom Westen geprägt. Demnach habe dieser mit Druck und Gewalt seine eigene Ordnungsvorstellung der Welt durchgesetzt. Nun bewegt sich die Welt wieder Richtung Multipolarität mit mehreren Staaten von ähnlichem Machtpotenzial. Aus Sicht Russlands und Chinas eine gute Entwicklung, da sich ein Gleichgewicht der Mächte herstellt. Die Unterstützung der Ukraine durch die USA ist für Russland und China ein Beleg, dass die USA diese Entwicklung verhindern und die eigene Vorherrschaft erhalten möchte. Es gibt also viele verschiedene Deutungen dieses einen Ereignisses, abhängig von Perspektive und Erfahrung. ... Erzählungen schaffen Handlungsräume. Sie lassen bestimmte Handlungsoptionen sinnvoll oder gar notwendig erscheinen und andere als unpassend. Für Scholz ist es ein schwieriger Prozess, weil er mit der Erzählung der Zeitenwende mit der bisherigen Politik und Gewissheiten brechen will. Lange Zeit galt in Deutschland der Grundsatz, dass keine Waffen in Konfliktgebiete geliefert werden. Jetzt ändert sich das. Die Diskussion über die Lieferung von Leopard-Panzern musste sowohl innerhalb der Regierung als auch mit Partnern in Europa und den USA geführt werden. In Deutschland galt als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg, nie wieder alleine zu handeln und als erstes Land einen militärischen Schritt zu tun. Dass die Bundesregierung anderen den Vortritt lässt, wird im Ausland aber als Zögern ausgelegt, als Unentschlossenheit, als Unvermögen, der Ukraine zu helfen. Das Zögern hat einen weiteren Grund: Alte politische Gewissheiten sind überholt, die Regierenden operieren auf unsicherem Terrain und tasten sich vor. Dieses vorsichtige Neu- und Umorientieren passt aber vermeintlich mit dem Anspruch Deutschlands, eine Führungsrolle in Europa zu spielen, nicht zusammen. Mit einem Artikel in der Zeitschrift Foreign Affairs rechtfertigt Scholz das Agieren der Bundesregierung sogar vor der US-Öffentlichkeit. Er möchte der Wahrnehmung des Zögerns entgegentreten. Gleichzeitig argumentiert er, wie mit dem Wandel umgegangen werden soll: Scholz will zurück zur Weltpolitik vor der ,,Zeitenwende". Er will den von Putin angestoßenen Wandel aufhalten und verhindern, dass Weltpolitik zu stark über die Erzählung eines neuen Kalten Krieges zwischen den USA, Russland und China gedacht wird. Er möchte damit andere Handlungsoptionen offenhalten.

... Die USA sagen: Wir befinden uns im Wettbewerb mit China. Sie rüsten militärisch auf und ändern ihre Wirtschaftspolitik. China agiert ähnlich. Wenn beide diesen Wettbewerb empfinden und entsprechend politisch agieren, wird er stärker. Das ist dann eine selbsterfüllende Prophezeiung.

...


Aus: ",,Alte politische Gewissheiten sind überholt"" Ludmilla Ostermann (22. Februar 2023)
Quelle: https://aktuell.uni-bielefeld.de/2023/02/22/alte-politische-gewissheiten-sind-ueberholt/ (https://aktuell.uni-bielefeld.de/2023/02/22/alte-politische-gewissheiten-sind-ueberholt/)

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Quote[...] Berlin. Russland wird von der deutschen Bevölkerung inzwischen als mit Abstand größte Bedrohung für den Frieden in der Welt wahrgenommen. Auf die Frage, von welchem Staat wohl in den kommenden Jahren die größte Gefahr ausgehen werde, nannten 82 Prozent der Teilnehmer einer repräsentativen Umfrage Russland. 60 Prozent der Befragten entschieden sich für China. Die Atommacht Nordkorea halten 52 Prozent der Bevölkerung für eine sehr große Bedrohung. Die Befragten konnten aus einer Liste von 14 Staaten mehrere Staaten auswählen sowie zusätzlich andere vorschlagen. Die Ergebnisse des «Sicherheitsreports 2023» stellte das Meinungsforschungsinstitut Allensbach am Dienstag in Berlin gemeinsam mit dem Centrum für Strategie und Höhere Führung vor.

Vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine am 24. Februar 2022 war die Wahrnehmung noch eine andere gewesen, wie ein Vergleich mit den Ergebnissen früherer Befragungen zeigt. Im Jahr 2021 hatten lediglich 32 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahren Russland als größte Bedrohung wahrgenommen. Der Wert für China lag damals bei 46 Prozent. Nordkorea beurteilte eine Mehrheit von 58 Prozent als sehr gefährlich.

Die Ergebnisse des «Sicherheitsreports» zeigen, dass der Blick auf die Großmächte auch mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung in den verschiedenen Teilen Deutschlands noch sehr unterschiedlich ist. Während jeder Zweite (50 Prozent) in Westdeutschland die USA für einen verlässlichen Bündnispartner hält, gilt das in den neuen Bundesländern nur für etwas mehr als jeden Vierten (26 Prozent). Auch liegt der Wert der Ostdeutschen, die Russland als große Gefahr für den Frieden wahrnehmen, im Osten mit 73 Prozent deutlich niedriger als im Westen, wo 84 Prozent der Befragten diese Auffassung vertreten.

Auch die Bereitschaft, gemäß der Nato-Bündnisverpflichtung im Ernstfall zur Verteidigung eines anderen Nato-Mitgliedsstaats beizutragen, ist im Osten deutlich weniger ausgeprägt als im Westen. 48 Prozent der Deutschen im Westen meinen, Deutschland sollte sich an einem solchen Militäreinsatz beteiligen. Im Osten des Landes hielten das nur 30 Prozent der Befragten für richtig. Bundesweit sprachen sich 45 Prozent der Bevölkerung dafür aus, dass Deutschland seiner Nato-Verpflichtung in einem solchen Fall nachkommen sollte. 35 Prozent der Befragten meinten, man solle sich besser «heraushalten». Jeder Fünfte war in der Frage unentschieden. (dpa)


Aus: "Menschen in Ostdeutschland blicken skeptisch auf USA" (07.02.2023)
Quelle: https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/menschen-in-ostdeutschland-blicken-skeptisch-auf-usa-artikel12701901 (https://www.freiepresse.de/nachrichten/sachsen/menschen-in-ostdeutschland-blicken-skeptisch-auf-usa-artikel12701901)

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Quote[...] Zwei Tage vor dem Jahrestag des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beraten die USA und die Staaten der Nato-Ostflanke über Sicherheit in der Region. Bei seinem Besuch in Warschau trifft sich US-Präsident Joe Biden am Mittwoch mit Staats- und Regierungschefs des so genannten ,,Bukarest 9"-Formats.

Dazu gehören Polen, Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Tschechien, die Slowakei sowie die drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen. An dem Treffen nimmt auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg teil.

Vor dem Jahrestag an diesem Freitag setzt sich damit eine Reihe symbolträchtiger Treffen, Reisen und Ansprachen fort. Russland einerseits und die Ukraine und ihre internationalen Unterstützer andererseits wollen damit Siegesgewissheit vermitteln.

Den Angriff vom 24. Februar 2022 hatte der russische Präsident Wladimir Putin befohlen. Er sagte am Dienstag, die ,,militärische Spezialoperation" werde fortgesetzt. So nennt Moskau den Krieg. ,,Schritt für Schritt, sorgfältig und konsequent, werden wir die vor uns liegenden Aufgaben lösen", sagte Putin in Moskau bei seiner Rede an die Nation.

Zum wiederholten Mal gab er dem Westen die Schuld an dem Krieg. Als politische Warnung an den Westen erklärte Putin das letzte große Abkommen über atomare Rüstungskontrolle für ausgesetzt, den ,,New Start"-Vertrag von 2010.

Biden antwortete wenige Stunden später mit einer Ansprache vor dem Königsschloss in Warschau. Er warnte Russland vor einem Angriff auf die Nato und beschwor die Stärke des Verteidigungsbündnisses.

,,Jedes Mitglied der Nato weiß es, und Russland weiß es auch: Ein Angriff gegen einen ist ein Angriff gegen alle. Es ist ein heiliger Eid, jeden Zoll Nato-Gebiet zu verteidigen", sagte der US-Präsident. Auch die Unterstützung für die Ukraine werde nicht wanken. ,,Die Nato wird nicht gespalten, und wir werden nicht müde", sagte Biden. Er kündigte neue Sanktionen gegen Russland an.

Schon am Montag war Biden unter strengen Sicherheitsvorkehrungen ins Kriegsgebiet nach Kiew gefahren. Dort sicherte er dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj die andauernde Unterstützung der USA zu.

Der polnische Staatschef Andrzej Duda dankte Biden bei einem Gespräch am Dienstag in Warschau für den Besuch in Kiew. Das habe die Moral der ukrainischen Verteidiger gestärkt. ,,Aber es war auch eine bemerkenswerte Geste gegenüber unseren Verbündeten in der Nato und den Menschen, die auf der Seite der freien Welt stehen", sagte Duda.

Der polnische Präsident unterstrich, wie wichtig die Anwesenheit von US-Truppen für die Sicherheit seines Landes sei. In dem östlichen Nato- und EU-Mitgliedsland stehen nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Washington bereits etwa 11.000 US-Soldaten, die meisten auf Rotationsbasis. Die Regierung in Warschau hofft auf noch mehr US-amerikanische Militärpräsenz.

Biden dankte Polen dafür, dass es die Ukraine so tatkräftig unterstütze. Kein anderes Land hat so viele Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen wie Polen. Es leistet nicht nur selber Militärhilfe, auch ein Großteil der Rüstungslieferungen anderer Länder für die Ukraine werden auf polnischem Gebiet umgeschlagen.

Das gibt Warschau eine Art Führungsrolle an der Nato-Ostflanke. Dudas außenpolitischer Berater Marcin Przydacz sagte vor dem Treffen am Mittwoch: ,,Dass heute auf Einladung von Präsident Andrezej Duda acht Führer dieser Region und der Nato-Generalsekretär anreisen, zeigt dass Warschau in gewissem Sinn Zentrum der Diskussion über Sicherheit in dieser Region ist."

Die Nato und die USA haben schon nach 2014 die Ostflanke gestärkt, als Russland sich die ukrainische Halbinsel Krim einverleibte und den Krieg im Osten der Ukraine begann.

Mit der großangelegten Invasion in die Ukraine vor einem Jahr haben sich die Befürchtungen der Länder in Mittelosteuropa nur verstärkt. Sie zählen zu den entschiedensten Unterstützern der Ukraine. Eine Ausnahme ist Ungarn, das unter Ministerpräsident Viktor Orban weiter enge Kontakte nach Moskau hat. (dpa)


Aus: "Gespräche mit Staaten an der Ostflanke: Biden beteuert ,,heiligen Eid, jeden Zoll Nato-Gebiet zu verteidigen"" (22.02.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/internationales/gesprache-mit-staaten-an-der-ostflanke-biden-beteuert-heiligen-eid-jeden-zoll-nato-gebiet-zu-verteidigen-9391715.html (https://www.tagesspiegel.de/internationales/gesprache-mit-staaten-an-der-ostflanke-biden-beteuert-heiligen-eid-jeden-zoll-nato-gebiet-zu-verteidigen-9391715.html)

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Quote[...] Putin wiederholte in seiner Rede zahlreiche Behauptungen der russischen Kriegspropaganda. Unter anderem bezeichnete er die ukrainische Regierung erneut als "Neonaziregime". Diesem habe der Westen Schützenhilfe geleistet und es dazu "angestachelt", "Terrorangriffe im Donbass" zu begehen. Der Westen sei schuld am Ukraine-Krieg, sagte Putin. "Sie haben den Krieg begonnen. Und wir setzen Gewalt ein, um ihn zu beenden."

Ziel des Westens sei es, Russland "ein für alle Mal zu erledigen", sagte Putin. Der Westen habe nicht nur einen militärischen Konflikt gegen Russland angezettelt, sondern auch einen "Wirtschaftskrieg". Die Sanktionen wirkten sich aber nicht so gravierend auf die russische Wirtschaft aus, wie von den westlichen Staaten erhofft. "Der Westen bekämpft uns an der Wirtschaftsfront. (...) Der Westen hat unser Gold und unsere Devisenreserven gestohlen", sagte der Präsident. "Aber ihre Rechnung ist nicht aufgegangen."

Die Verantwortung für die Eskalation des Kriegs liege bei den "westlichen Eliten". Er prangerte "Geldflüsse aus dem Westen" in den Krieg an und drohte zugleich: "Es ist unmöglich, unser Land auf dem Schlachtfeld zu besiegen." Seine Offensive in der Ukraine werde Russland "sorgfältig und systematisch" fortsetzen. Den Familien getöteter Soldaten und Kriegsveteranen versprach Putin finanzielle Unterstützung. Zu diesem Zweck werde ein staatlicher Sonderfonds eingerichtet.

Russland werde überdies die annektierten Gebiete wieder aufbauen und dort auch neue Arbeitsplätze schaffen. Es werde auch neue, große Programme für die Entwicklung der vier "neuen Subjekte" geben, sagte Putin unter lang anhaltendem Applaus. Bisher kontrolliert Russland allerdings nur einen Teil der Regionen Saporischschja, Cherson, Luhansk und Donezk, deren völkerrechtswidrige Angliederung an Russland Putin im vergangenen Jahr verkündet hatte.

Die Ukraine zeigte sich nach Putins Rede siegessicher. Das ukrainische Militär werde die russischen Soldaten "aus der Ukraine vertreiben" und die Verantwortlichen für den Krieg zur Rechenschaft zu ziehen, sagte der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak. Die Russen steckten "strategisch in einer Sackgasse".

Der russische Staatschef hält traditionell jedes Jahr eine Rede zur Lage der Nation vor den russischen Abgeordneten. Im vergangenen Jahr ist die Rede abgesagt worden – wegen der "hohen Dynamik der Ereignisse". In diesem Jahr fällt die Rede fast mit dem Jahrestag des Kriegs zusammen, der am 24. Februar 2022 mit dem russischen Einmarsch in die Ukraine begonnen hat.         

Nach Putins Rede wies Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg die Anschuldigungen von sich. "Niemand greift Russland an, Russland ist der Aggressor", sagte er bei einem gemeinsamen Auftritt mit dem ukrainischen Außenminister Dmytro Kuleba und dem EU-Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, in Brüssel. Putin habe klargemacht, dass er "einen fortgesetzten Krieg vorbereiten" wolle.

Stoltenberg appellierte auch an Putin, New Start nicht auszusetzen. Er rief den russischen Präsidenten auf, "seine Entscheidung zu überdenken und geltende Verträge zu achten".

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Aus: "Wladimir Putin will letzten großen Abrüstungsvertrag aussetzen" (21. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/wladimir-putin-rede-lage-nation-vorwuerfe-westen (https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/wladimir-putin-rede-lage-nation-vorwuerfe-westen)

QuoteDer Blonde #4

Putin gehört zu den Menschen, bei denen man nachprüfen muss ob es draußen hell ist, wenn die einem einen ,,Guten Morgen" wünschen.
Diese Rede kann er sich also sparen, das ganze ist nichts weiter als Politzirkus und das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde.


QuoteSirPete #5.1

Natürlich ist er zurechnungsfähig. Er macht genau das was er als skrupelloser Diktator machen muss um seine Macht zu erhalten: Märchen erzählen. Glaube Sie er wird jetzt Fehler zugeben oder ähnliches? ...


QuoteSimonPhoenix42 #5.2

"Der Mann ist definitiv nicht zurechnungsfähig..."

Was soll er denn machen? Nach 200.000 toten und verwundeten russischen Soldaten, eingefrorenen Konten in XXX Milliardenhöhe, dem Einsatz von Söldnern, der offensichtlichen mangelhaften militärischen Führung sowie der fast vollständigen Isolation Russlands, einfach sagen: "Da habe ich wohl Mist gebaut!" ?

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QuoteHarmlos01 #6

Wäre die Ukraine eine Marionette des Westens, dann hätte Russland schon lange gewonnen. Dann würden die Ukrainer nicht so hart kämpfen.
Jeder Versuch, eine lokale Armee durch den Westen auszurüsten ist an mangelnder Motivation gescheitert. Hier wird ein gewachsener Widerstand unterstützt.


QuoteDemokrat. #7

Ich frage mich, ob Putin inwendig selbst glaubt, was er sagt. Ob das eine Schutzargumentation des professionellen KGBlers ist oder ob er psychiatrisch paranoid ist. ...


QuoteLysander42 #7.2

Aus meiner Sicht ist es bedeutungslos, ob Putin inhaltlich glaubt, was er sagt.
Aber er ist zweifellos fest davon überzeugt, dass er mit dieser Art von Rede das russische Volk "bei der Stange" halten kann.
Damit sie nicht murren, wenn immer mehr ihrer Söhne und Ehemänner in Zinksärgen nach Hause kommen.
Und in diesem Punkt könnte Putin so Recht haben...


QuoteDarmgeräusch #7.3

Putin hat einen großen Stab von Redeschreibern hinter sich. Da wird jedes Wort und jede Aussage sorgfältig formuliert. Die Reden fußen selbstverständlich auf Vorgaben von Putin und seinem Stab. Ob er den Inhalt selbst glaubt ist, meiner Meinung nach, nicht wahrscheinlich. Die Reden sollen nur eine Innen-und Aussenwirkung entfalten. Mit der Realität haben sie nichts zu tun.


QuoteHanayagi #8

""Sie haben den Krieg begonnen. Und wir setzen Gewalt ein, um ihn zu beenden", sagte Putin vor beiden Kammern des Parlaments in Moskau."
"Vorwärtsverteidigung" a la Putin. Naja, Propaganda halt. Wer's glauben will glaubt's und alle anderen wenden sich angewidert ab.


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Quote[...] Packer: Joe Biden kam schnell nach seiner Amtsübernahme nach Europa und sagte: Wir sind zurück! An eurer Stelle hätte ich gedacht: Na ja, schauen wir mal, für wie lange. Und was heißt das überhaupt, wir sind zurück? Der Rückzug aus Afghanistan im Sommer 2021 war ein spektakuläres Versagen, moralisch und organisatorisch. Keiner hat sich mit den Nato-Partnern abgestimmt, die Afghanen wurden im Stich gelassen. Mal wollen wir der ganzen Welt Demokratie und Freiheit bringen, dann wieder wollen wir uns lieber um uns selbst kümmern. Damals sah es so aus, als würde Joe Biden wieder eine Periode des Rückzugs aus der Weltpolitik einleiten. Am 24. Februar 2022, als Russland die Ukraine angegriffen hat, sind wir dann in Nullkommanichts von "Was geht uns das an?" zu "Wir müssen mehr tun!" übergegangen.

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ZEIT ONLINE: Der Krieg ändert, wie die Welt Amerika sieht. Ändert er auch, wie sich Amerika sieht? Schafft er so etwas wie ein gemeinsames Ziel, über die politischen Lager hinweg?

Packer: Für die meisten Amerikaner ist die Ukraine sehr weit weg, auch weil hier keine amerikanischen Soldaten eingesetzt sind. Es scheint paradox: Wir sind die größten Unterstützer der Ukraine mit Waffen, aber der Krieg ist in unserer Politik kein entscheidendes Thema. Noch sind sich die Lager im Kongress einig über die Unterstützung. Als Selenskyj Washington im Dezember besucht hat, gab es zwar krasse Bekundungen der Verachtung aus den Reihen der Trumpisten für ihn. Doch der Kongress verabschiedete danach das bisher umfangreichste Hilfspaket. Es gibt immer noch genügend Republikaner, die nicht auf America first setzen und eine internationale Rolle für die USA sehen.

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ZEIT ONLINE: Was sieht Amerika in diesem Krieg? Warum gibt es diese allgemeine Zustimmung?

Packer: Mit dem Geist des Widerstands, den die Ukrainer zeigen, fühlen sich Amerikaner instinktiv verbunden. Das ist wichtiger als geopolitische Fragen oder die Sorge um die freiheitliche Weltordnung – ein Begriff, den sowieso kein normaler Mensch benutzt. Ich habe in der Ukraine amerikanische Veteranen gefragt, warum sie dort kämpfen. Die Antworten waren immer ähnlich: Ich konnte einfach nicht zusehen, wie Russland dieses Land zerstört. Das ist ein Reflex, den man auch beobachten kann, wenn ein Hurrikan Florida verwüstet hat.

ZEIT ONLINE: Sie haben die Ukraine bereist, und über das intensive Gefühl der Ukrainer für ihr Land geschrieben – fast als hätten Sie dort etwas gesehen, das in den USA heute fehlt.

Packer: Ich war überrascht, einen Patriotismus vorzufinden, der nicht von oben verordnet ist. Die ukrainische Gesellschaft ist mobilisiert, aber von unten her. Und der Patriotismus, den ich da erfahren habe, richtet sich auch gegen die korrupte, autoritäre Tradition des eigenen Landes. Das hat mich mit einiger Wehmut erfüllt: Die Werte, für die die Ukraine eintritt, verfallen in Amerika. Dort versucht man gegen extreme Widerstände eine Demokratie aufbauen, während wir in den USA ihrer Zerstörung zuschauen. Darum muss, wie ich finde, die Ukraine als Modell verteidigt werden. Die Alternative zu ihrem Sieg wäre ein Terrorregime mit Konzentrationslagern und Abertausenden von Deportierten. Ich gebrauche eigentlich selten solche Begriffe, aber hier geht darum, das Böse zu stoppen. Eine nackte Machtpolitik im Dienst einer furchtbaren Ideologie nationaler Größe. Und so etwas sagt man eigentlich auch nicht, aber ich finde, da unterscheidet sich Putin nicht von Hitler.

ZEIT ONLINE: Die Lieferung der Kampfpanzer hatte Olaf Scholz an die Bedingung geknüpft, dass Amerika auch welche liefert. Wird die Abhängigkeit der Europäer von den USA in Sicherheitsfragen so nicht verewigt?

Packer: Ich habe das Gefühl, beide Seiten gehen durch manisch-depressive Zyklen. In den Balkankriegen der Neunzigerjahre musste Amerika eingreifen, weil die Europäer auch damals ihren eigenen Kontinent nicht befrieden konnten. Dann hat Amerika sich in zu vielen Kriegen überdehnt und es wuchs die Sehnsucht nach einem Rückzug unter Barack Obama und Donald Trump. Die Europäer erklärten, sie könnten sich auf Amerika nicht mehr verlassen und müssten nun selbst Verantwortung übernehmen. Doch jetzt reihen sie sich wieder hinten ein und Amerika, das gerade erst aus einer depressiven Phase erwacht ist, führt wieder. Die Leopard-Verhandlungen sind das perfekte Beispiel dafür, dass da eine Art transatlantische Co-Abhängigkeit besteht. Am Ende sagen wir: Okay, wir schicken fünf verdammte Panzer. Seid ihr nun zufrieden?

ZEIT ONLINE: Aber warum lässt sich der US-Präsidenten von einem deutschen Kanzler in einen europäischen Panzerkrieg hineinziehen, den er nicht will?

Packer: Ja, richtig, wer führt hier eigentlich wen? Man muss in Europa erkennen, dass die amerikanische Führung ambivalent ist. Wir wollen eigentlich nicht vorangehen, tun es aber doch, weil sonst gar nichts passiert. Ich verstehe die Ängste der Europäer, aber ich halte sie für übertrieben. Und Putin schürt sie bewusst, er kennt eure deutschen Komplexe gut und weiß, welche Knöpfe er drücken muss. Ich sehe das deutsche Engagement für die Ukraine dagegen eher als Fortsetzung der kritischen Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte. Zugespitzt könnte man sagen, das Holocaust-Mahnmal im Zentrum Berlins und die Leopard-Panzer für die ukrainische Selbstverteidigung, das sind Teile des gleichen Projekts. Das ist für viele Deutsche schwer zu akzeptieren. Aber wäre es denn ein Akt des richtigen Geschichtsbewusstseins, zuzusehen, wie die Ukraine von Russland verschluckt wird? ...  In Polen hat Biden gesagt, die Freiheiten, für die die Ukrainer kämpfen, seien die Grundlage der europäischen und amerikanischen Demokratien. Er sagt das nicht bloß so daher, er glaubt das wirklich. ...

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ZEIT ONLINE: Noch mal zu den Chancen der Diplomatie: Sie haben die Biographie des amerikanischen Diplomaten Richard Holbrooke geschrieben, dessen beispiellosem Verhandlungskraftakt das Friedensabkommen von 1995 in Dayton zu verdanken war – und damit das Ende der Kriege auf dem Balkan. Was würde Richard Holbrooke heute tun?

Packer: Damals in den Neunzigern konnte Amerika durch Gewalt und Diplomatie Frieden in Europa durchsetzen. Die bosnischen Serben hatten keine Atomwaffen. Es war auch eine andere Zeit: Holbrooke und der russische Außenminister Lawrow kannten und trauten einander. Russland war damals sogar bereit, eigene Soldaten unter Nato-Kommando als Friedenstruppen in Bosnien bereitzustellen. Das ist heute undenkbar! Das Russland unter Putin ist ein völlig anderer Akteur. Mit Putin kann man derzeit nicht mehr reden. Angela Merkel dachte, sie könnte es, auch Olaf Scholz hat es noch versucht, und dann kam der 24. Februar letzten Jahres. Wir haben es mit einem geopolitischen Konflikt zu tun, der an den Kalten Krieg erinnert. Inklusive der nuklearen Dimension.

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In Europa sehe ich eine interessante Entwicklung. Der Antiamerikanismus, der infolge des Irakkriegs und der Regentschaft Donald Trumps florierte, scheint mir nicht mehr den Geist der europäischen Politik zu bestimmen. Aber die Inder, Brasilianer oder Südafrikaner wollen nicht länger in einer amerikanisch geprägten Weltordnung leben. Der Krieg in der Ukraine hat die tiefe Spaltung zwischen dem Westen und dem Globalen Süden sichtbar gemacht. Für die Europäer, auch für viele Amerikaner ist er das wichtigste Ereignis nach dem 11. September 2001. Der Globale Süden sieht ihn nicht als seinen Krieg, dort stehen die steigenden Energie- und Nahrungspreise im Zentrum.

ZEIT ONLINE: Also rechnen Sie eher nicht mit dem Wiederaufstieg Amerikas zur zentralen Weltmacht?

Packer: Nein, aber die Alternative zur amerikanisch dominierten Ordnung ist keine demokratischere, gerechtere Welt, wie manche gehofft haben. Sie entspricht eher Wladimir Putins Vorstellung, dass die Starken die Schwachen dominieren. Darum darf er nicht gewinnen.



Aus: "George Packer zum Ukraine-Krieg: "Die Werte, für die die Ukraine eintritt, verfallen in Amerika"" Interview: Kerstin Kohlenberg und Jörg Lau (22. Februar 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/george-packer-ukraine-krieg-usa/komplettansicht (https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-02/george-packer-ukraine-krieg-usa/komplettansicht)

QuoteHeinz Brause #13

Die Ukraine verteidigt, völlig zu Recht, ihr Territorium. Vielleicht auch das Territorium des restlichen Mitteleuropa (obwohl ich persönlich nicht glaube, dass Putin da noch weitergehende Ambitionen hat).

Die ständig angeführte Behauptung, sie verteidige auch "unsere westlichen Werte" ist angesichts der jüngeren innenpolitischen Vergangenheit der Ukraine bestenfalls irreführend, schlimmstenfalls Märchenstunde.


QuoteFrankFavela #15

Herr Packer ist zwar Journalist und evtl. Schriftsteller, ein Chronist der Geschichte ist er aber nicht. In Europa ist die Gefahr von Rechts doch auch sehr Konkret gegeben. Was kommt nach Macron? Und was nach Scholz? Zumindest in Ungarn, Italien , Österreich, Schweden..... sind extrem Rechts schon Mainstream.....und wenn man die AfD Stimmen betrachtet so lässt sich feststellen: es sind mehr als z.b. NL überhaupt an Wähler hat. Der letzte Satz ist der relevant: eine Postamerikanische Ordnung wir weniger demokratisch sein.


QuoteTaranis #15.1

Dazu sollte man sich aber auch betrachten was in den USA als rechts und links gilt und wie es dort überhaupt mit der Demokratie bestellt ist.
Das ist keine Ausrede für unsere rechten Auswüchse und schon gar nicht der Wunsch amerikanische Verhältnisse hier herbei zu sehnen. Einzig die Behauptung die USA seien das Bollwerk gegen Rechts und ein Hort der Demokratie ist so eher fragwürdig. In fast allen Demokratien nehmen populistische und damit auch autokratische Tendenzen zu. Bei uns ist es auch nicht nur die AfD, die mit Russland, Ungarn und China sympathisiert. Das hat nichts mit der "postamerikanischen Ordnung" zu tun.


QuoteFrankFavela #17

Was mir bei den woken, Pseudo-linken Amerikanern und Europäern fehlt ist die exakte Analyse der eigenen geschichtlichen Position. Denn: Putin weiss es, Orban weiss es, und Merkel hat es Selbst gesagt: die Ukraine war in weiten teilen ihrer Geschichte von kolonialen Nachbarn besetzt und wurde ausgebeutet: von Polen-Litauen, von Preußen, von Rußland und Österreich-Ungarn. Daher rührt nach meiner überzeugung der Unwille die Ukraine zu 100% als Rechtssubjekt zu betrachten, statt als potentielle Beute. Dieser Krieg ist das Produkt fehlender Reflexion und des mangelnden Unrechtsbewußtsein. Gerade auch in Deutschlan und Österreich-Ungarn.


Quotesugarvision #18

Ja, Putins Überfall auf die Ukraine war ein außerordentlicher Glücksfall für die USA und die Allianz.


QuoteJoern.R #19

Das Engagement der USA ist ein Sicherheitstärkendes, kein Demokratiestärkendes. Rußland ist bei Weitem nicht der einzige Staat weltweit, in dem eine liberal-demokratisch geprägte innere Verfaßtheit nicht existiert, in manchen nicht einmal (nur ein Beispiel, die Demokratischen Republik Kongo) eine zentrale Ordnungsmacht vorhanden ist. Nicht einmal in seinem eigenen Land vermag Packer einen großen Einfluß im Sinne einer demokratischen Stärkung zu erkennen. Dieser Ansatz erinnert an die National Security Strategy von 2002 (Bush-Doktrin) , welche (vordergründig) zum Ziel den "Export" von Demokratie und Menschenrechten zum Ziel hatte, hintergründig aber die unreflektierte Durchsetzung von US-Interessen, siehe etwa Irak 2003 - Öl. Demokratische Strukturen lassen sich nicht exportieren und installieren wie eine Maschine, sie müssen auf dem Willen der jeweiligen Gesellschaft eines entsprechenden Aufbaus beruhen, gelernt werden.

Warum wohl sieht der Globale Süden den Krieg nicht als den Seinigen an? Weil der Globale Norden unter der finanziell-ökonomischen Führung von in Hauptsache den USA und China nicht an einer Egalität, nicht an gleichen Möglichkeiten und Chancen für beide Komplexe interessiert ist. Letzerer klar dominierende Attitüden durchsetzt, wiederherum in der Bush-Doktrin "Marktwirtschaft" genannt, de facto damit die globale Dominanz weniger Oligopole - was dann als Markt verkauft wird - und zwischen ungleichen Partnern nicht möglich seiender "Freihandel".


QuoteMenzelMicK #22

Dass die USA eine Großmacht sind bedarf keines weiteren Beweises, dass sie allerdings eine globale Führungsmacht sind, ist völlig absurd.
Die Unterordnung unter das US-Diktat wird von der Mehrheit der Weltbevölkerung abgelehnt, die Hegemonialpolitik der USA wird gehasst.
Die USA sind keine Friedensmacht, sondern eine Kriegsmacht, die Not und Elend über zahlreiche Länder gebracht hat. Die Liste der Schandtaten der USA ist ziemlich lang.
Europa wird als gefährliche Konkurrenz gesehen, insbesondere mit der Rohstoffquelle Russland und den engen Handelsbeziehungen zu China. Da muss ein Krieg her, mitten in Europa, denke ich...


QuoteMartin Köster #27

Schönes Interview mit Herrn Packer, der ziemlich erfrischend und klar aus US-amerikanischer Perspektive das transatlantische Verhältnis beschreibt, und dabei mit Eigenkritik nicht spart.
Man mag sich gar nicht vorstellen, worüber wir heute diskutieren würden, wenn nicht Joe Biden im Oval Office sitzen würde, sondern Donald Trump, während Putins Barbaren in der Ukraine wüten. ...


QuoteHannes1854 #28

Das ganze Geschwafel von Verantwortung tragen, Demokrati verteidigen (in Afghanistan??), für die Freiheit einstehen usw, ist doch alles schlecht kaschierter globaler Machtkampf. Dieser amerikanische Patriotismus ist doch nur eine Form von Faschismus. Glaubt hier wirklich einer, dass der latente Rassismus in den USA plötzlich am Verschwinden ist, nur weil man Artillerigeschosse in die Ukraina schickt? Das Machtzentrum in den USA ist nicht gerade der Präsident. Das liegt woanders, daher spielt es eine eher untergeordnete Rolle wer gerade das Amt ausübt.


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Quote[...] Bis zum Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine galt Russland Teilen der Linken weltweit als globale Friedensmacht. Putin war in dieser Erzählung eine Art Fahnenträger des Kampfs gegen den US-amerikanischen Imperialismus und die NATO. Mit einem starken Staat und angeblich starken Gewerkschaftsbewegungen habe Russland demnach außerdem gegen den neoliberalen Mainstream und die Vormacht der globalen Konzerne gekämpft. Nicht selten wurde Russland so als ein Gegenentwurf zur imperialistischen, militaristischen und kapitalistischen Grundordnung des Westens verstanden.

Mit dem 24. Februar 2022 scheint sich unter vielen linken Bewegungen weltweit ein Umdenken abzuzeichnen. Auch die deutsche Partei Die Linke hat den russischen Angriff auf die Ukraine ,,aufs Schärfste" verurteilt. An dem klaren Nein zu Waffenlieferungen wird gerüttelt. Gleichzeitig fordern Bundestagsabgeordnete wie Klaus Ernst das Ende der Sanktionen, Sahra Wagenknecht wittert einen ,,beispiellosen Wirtschaftskrieg" gegen Russland, während andere zu Verhandlungen aufrufen – ohne jedoch an Russland zu appellieren, seine Truppen zurückzuziehen.

Viele Linke weltweit würden immer noch einem verzerrten Russland-Bild anhängen, kritisiert der ukrainische Sozialist Taras Bilous. ... Im Interview mit Meduza kritisiert Bilous Klischees über Russland und die Ukraine im Westen und ruft zu einem Kampf für eine ,,Demokratisierung der Weltordnung" auf.


... Die russischen Polittechnologen, die die Wahlen in der Ukraine vor Ort beobachtet haben, dachten, sie hätten unsere Politik verstanden – zumindest die, die vor Selensky da war; seit seiner Präsidentschaft hat sich vieles verändert. Das ist wohl eine der schwerwiegendsten Fehlkalkulationen von Putins Leuten. Sie haben das Mobilisierungspotential der ukrainischen Gesellschaft stark unterschätzt, darunter das der Freiwilligen-Organisationen, die seit Beginn des Krieges [2014] gegründet wurden. Ja, ein Teil von ihnen ging aus bereits bestehenden zivilgesellschaftlichen Institutionen hervor, aber viele wurden quasi von Null auf von einfachen Menschen und regionalen Leadern aufgebaut, die davor überhaupt nichts mit Politik zu tun hatten. Das haben die russischen Polittechnologen nicht kapiert.

... In Diskussionen mit westlichen Linken höre ich oft das Argument, dass die NATO während des Kalten Krieges die Ultrarechten unterstützt und benutzt hätte. Aber der Kalte Krieg ist seit 30 Jahren vorbei, und gerade das Beispiel, dass sich die USA in Syrien mit den sozialistischen syrischen Kurden verbündet haben und nicht mit irgendwelchen anderen Kräften, zeigt meiner Meinung nach, wie weit sich die US-amerikanische Außenpolitik mittlerweile von der Logik des Kalten Kriegs entfernt hat. Gleichzeitig ignorieren diese Linken die Tatsache, dass es in den letzten Jahrzehnten vor allem Russland war, das die rechtsextremen Parteien in Europa unterstützt hat.   

... Die westlichen Linken kritisieren an der Ukraine zum Beispiel oft den politischen Einfluss der Oligarchen. Aber was für praktische Schlüsse ziehen sie daraus? Ich weiß selbst sehr gut, dass in der Ukraine eine schlechte Regierung mit einer neoliberalen Politik an der Macht ist. Wir haben vor dem Krieg dagegen gekämpft, wir müssen auch jetzt dagegen kämpfen – etwa, wenn die Arbeitsrechte beschnitten werden sollen. Mir sind viele Defizite der ukrainischen Gesellschaft, der Staatsmacht und der Politik bewusst, aber das heißt ja nicht, dass man die Verteidigung gegen die russische Aggression nicht unterstützen soll.

... Das Schlimmste, was die russische Propaganda anrichtet, ist, dass sie ein verzerrtes Bild der postsowjetischen Realität vermittelt. Dazu haben die westlichen Linken weder eigene Erfahrungen noch Informationsquellen oder ein Verständnis davon, was hier passiert. Und weil sie den Mainstream-Medien nicht vertrauen, landen sie oft bei der russischen Propaganda als Hauptinformationsquelle.

Doch die westlichen Linken brauchen kein Russia Today, um den amerikanischen Imperialismus, die Hegemonie, die unipolare Welt und die NATO abzulehnen. Sie haben genug eigene Gründe dafür. Die ältere Generation hat oft schon zur Zeit des Kalten Krieges an den Protesten gegen den Vietnamkrieg oder andere Operationen der USA teilgenommen, die jüngere hat sich angesichts des Irak-Kriegs formiert. Wobei viele die Idee einer multipolaren Welt ganz unkritisch sehen, anstatt sich zu überlegen, wie man die Weltordnung demokratisieren könnte. Für sie wird ihre NATO-Gegnerschaft einfach zu einem Teil ihrer Identität, statt dass sie ein konkretes politisches Problem angehen und im Rahmen einer linken Strategie zu lösen versuchen. Sogar die, die die Ukraine und Waffenlieferungen einhellig unterstützen, unterscheiden sich manchmal nur dadurch, dass sie für die Auflösung unterschiedlicher militärischer Allianzen eintreten, unter anderem der Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit (OVKS).

Na gut, angenommen, man löst die NATO auf und auch die OVKS, was ist dann eine Alternative in der internationalen Politik und wie verhindert man dann, dass die starken Staaten den schwächeren ihren Willen aufzwingen?

... Wir brauchen keine multipolare Welt und keine Konfrontation zweier imperialistischer Blöcke. Wir müssen für eine allgemeine Demokratisierung der Weltordnung kämpfen, und dafür kann man Widersprüche zwischen verschiedenen Ländern nutzen. Aber eine multipolare Welt, in der jeder imperialistische Staat seine Einflusssphäre hat und seine imperialistische Politik fährt – das ist eine Rückkehr ins 19. Jahrhundert. Das kann uns wirklich gestohlen bleiben.   

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Aus: "Meduza: ,,Die westlichen Linken verstehen nicht, was hier passiert""
(Original 22.08.2022 von Alexej Kowaljow , Taras Bilous — Übersetzung (gekürzt) 12.10.2022 von Jennie Seitz , Ruth Altenhofer)
Quelle: https://www.dekoder.org/de/article/bilous-linke-westen-russland-ukraine-klischees (https://www.dekoder.org/de/article/bilous-linke-westen-russland-ukraine-klischees)

Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on May 25, 2023, 10:04:33 AM
[Stand: 25.05.2023]:
Nachdem das Schneiderlein sieben Fliegen auf einen Schlag getötet hat, näht es sich eine Scherpe mit der Aufschrift "7 auf einen Streich". Voller Zuversicht zieht er über Berg und Tal, um nun seinen Mut zu erproben.
https://www.ardmediathek.de/video/maerchen-im-mdr/das-tapfere-schneiderlein/mdr-fernsehen/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9kMWIwZGUwNC1mZmQxLTQwMjMtYTkwMS1jYThkNWM4ZjQxOTc?isChildContent (https://www.ardmediathek.de/video/maerchen-im-mdr/das-tapfere-schneiderlein/mdr-fernsehen/Y3JpZDovL21kci5kZS9iZWl0cmFnL2Ntcy9kMWIwZGUwNC1mZmQxLTQwMjMtYTkwMS1jYThkNWM4ZjQxOTc?isChildContent)

QuoteAktuell kann man den #DEFA-Märchenfilm "Das tapfere Schneiderlein" von 1956 @ARDde-Mediathek sehen. Als der Film 1957 in der Bundesrepublik gezeigt werden sollte, kam es zu einem der skurrilsten Fälle von #Filmzensur.
Die DEFA hatte das Grimm'sche Märchen mit politischen Untertönen adaptiert: Anstatt am Ende die Königstochter zu heiraten und das halbe Reich zu erben, wird der feudale König nebst dekadentem Hofstaat verjagt und das Schneiderlein heiratet eine einfache Bauersmagd.
Die ideologische Überzeichnung stieß selbst in der DDR-Presse auf deutliche Kritik. Das "Neue Deutschland" sprach von einer "vulgären Anwendung marxistischer Grundsätze". Die "Neue Zeit" meinte, durch die "gutgemeinte Fortschrittlichkeit" würde der Märchenstoff verballhornt.
Auch in der Bundesrepublik waren die Reaktion deutlich. Die "Zeit" berichtete ausführlich über das "marxistische Schneiderlein", ging aber nicht weiter darauf ein, dass die plumpe Politisierung des Märchens selbst in der DDR umstritten war.
1957 beschäftigte das "Schneiderlein" schließlich den "Interministeriellen Ausschuss". Sechs Bonner Ministerialbeamte sichteten den #DEFA-Film und sprachen ihre "Bedenken" gegen eine Kinovorführung in der Bundesrepublik aus. Näher begründet wurde das Verbot nicht.
Die Angst vor "kommunistischer Propaganda" war jedoch bei Kinderfilmen besonders ausgeprägt und sicher au Das Filmverbot bestand fast zwei Jahre, bis zum Herbst 1958, als das "Schneiderlein" erneut vom Ausschuss begutachtet wurde.
Diesmal nahmen 14 Beamte aus sieben verschiedenen Bundesministerien an der Filmvorführung teil. Die Bedenken wurden schließlich zurückgestellt und der Film nachträglich freigegeben.
Die Geschichte wirkt heute befremdlich, zeigt aber zugleich, welche besondere Wirkmächtigkeit Filmen in der Zeit des Kalten Krieges zugesprochen wurde, insbesondere wenn es um ein jugendliches Publikum ging.
Kurze Randnotiz: 1961 verschwand der Film still und leise aus den Kinos der DDR - der Hauptdarsteller, Kurt Schmidtchen, war nach dem Mauerbau in die Bundesrepublik übergesiedelt. Der Film wurde danach kaum noch gezeigt.

Andreas Kötzing @AKoetzing
11:37 vorm. · 24. Mai 2023

https://twitter.com/AKoetzing/status/1661305466184511490 (https://twitter.com/AKoetzing/status/1661305466184511490)

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Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on June 01, 2023, 12:53:18 PM
"#Westsplaining und #Eastsplaining" Sylvia Sasse (28. Mai 2023)
" ... Der Blick in die russische Propaganda zeigt, dass es bei Westsplaining eigentlich nicht um Ost und West geht. Die Gegenüberstellung von Osten und Westen lenkt nur davon ab, die politische Interessen und Machttechniken zu tarnen. Bei den russischen ,,Werten", die Putins Regime vertritt, und die dieses in Russland seit mehr als zwanzig Jahren Schritt für Schritt mit repressiven Maßnahmen durchsetzt, handelt es sich um einen rechtskonservativen und christlich-fundamentalistischen kulturellen Backlash, den das Putinregime u.a. von rechten Kreisen aus den USA nach Russland importiert hat. Umgekehrt lässt sich auch sagen, dass Putins ,russische' Werte auch die Werte von Alt-Right oder die von AfD sind, die Werte des Front National und weiterer rechtsnationalen Parteien. ... Das Kulturparadigma, das im ,Westsplaining' mitspielt – eben ein angeblich einheitlicher Westen gegen einen angeblich einheitlichen Osten –, verstellt die politische Dimension der Debatte und das Ziel der russischen Desinformation, den kulturellen und politischen Backlash weiter zu befördern und das Politische zu kulturalisieren. ..."
https://geschichtedergegenwart.ch/westsplaining/ (https://geschichtedergegenwart.ch/westsplaining/)
Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on December 30, 2023, 01:44:31 PM
Meet the Author | Katharina Bluhm: ,,Der Fokus auf Putin hat den Blick verengt" (08.12.2023)
In ihrem Buch ,,Russland und der Westen" untersucht Katharina Bluhm wie aus der illiberal-konservative Gegenbewegung zu Liberalismus und Westintegration, die seit dem Ende der 1990er-Jahre versucht hatte, sich im politischen Feld zu etablieren, ein Staatsprojekt wird, das immer weiter forciert wird. Dabei spielen nicht nur Ideologie und Machtpolitik, sondern auch politökonomische und sozialpolitische Faktoren eine Rolle.
Was war Ihre Motivation, dieses Buch zu schreiben? Welche Dimension hat Ihnen in der wissenschaftlichen oder auch in der öffentlichen Debatte zu Russland gefehlt?
https://www.zois-berlin.de/publikationen/meet-the-author/der-fokus-auf-putin-hat-den-blick-verengt (https://www.zois-berlin.de/publikationen/meet-the-author/der-fokus-auf-putin-hat-den-blick-verengt)

Katharina Bluhm (* 1961) ist eine deutsche Soziologin.
https://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_Bluhm (https://de.wikipedia.org/wiki/Katharina_Bluhm)
Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on January 01, 2024, 01:41:18 PM
Quote[...] Russlands Staatsfernsehen ist schon lange ein Gruselkabinett des Hasses und der Kriegstreiberei. Aber in letzter Zeit dröhnen die Propaganda-Trommeln noch lauter als sonst. Die ins Studio geholten «Experten» übertreffen sich mit primitiven Verwünschungen an die Adresse der Ukraine und des Westens. Seelenruhig wird damit gedroht, die Hauptstadt Kiew auszuradieren oder ganze Länder der Nato mit Atombomben einzuäschern. Das Publikum darf miträtseln, wen Russlands Panzer als Nächstes überrollen – die Balten oder die Polen –, bis dann die überfällige «Entnazifizierung» Berlins ansteht.

«Wir müssen bis zu natürlichen Grenzen vorstossen», bis zum Atlantik, räsonierte kürzlich Wladimir Solowjow, der am Staatsfernsehen die Rolle des Kreml-Chefpropagandisten spielt. Als Teil des Russischen Reiches hätten die Portugiesen ein wunderbares Leben, meinte er.

Solche grotesken Aussagen sind nicht zum Nennwert zu nehmen. Aber man sollte sie auch nicht als belanglos abtun. Die ständige Hetze entspringt keineswegs dem Zufall oder den Köpfen einiger Spinner, sondern spiegelt eine Strategie des Regimes von Wladimir Putin. Es geht darum, das Land in einen Kriegstaumel zu versetzen und dem Volk eine tägliche Dosis imperialer Grossmannssucht einzuimpfen.

Wenn die staatlich bezahlten Kommentatoren darüber sinnieren, wie gerne sich Ukrainerinnen von russischen Soldaten vergewaltigen lassen, wenn sie das Aufschlitzen feindlicher Kehlen zur christlichen Tat verklären, die Tötung von mehreren Millionen Ukrainern zur Staatsräson erheben wollen und die Jagd auf Opponenten im Ausland mit der Vergiftung von Ungeziefer gleichsetzen, so dient dies auch dazu, zivilisatorische Normen umzustossen. Von Kaliningrad bis Wladiwostok soll niemand durchschauen, was Russlands Krieg ist: eine Barbarei epochalen Ausmasses.

Dies beantwortet aber nicht die Frage, was der Drahtzieher dieses Irrsinns im Schilde führt – und wie weit er gehen will. Die kurze Antwort lautet: so weit, wie man ihn lässt. Putin wird seine Aggression fortsetzen, bis er gestoppt wird und erkennt, dass er auf dem Kriegspfad mehr zu verlieren als zu gewinnen hat.

Seine Äusserungen, vor allem aber sein Handeln gibt wichtige Aufschlüsse. Zwar strotzt auch Putins Rhetorik von Absurditäten, die die Frage aufwerfen, ob kühle Demagogie dahintersteckt oder fortgeschrittener Wahnsinn. Ohne Wimpernzucken verkündete der Diktator diesen Monat, Russland kämpfe in der Ukraine für die «Freiheit der gesamten Welt». Sein Land zähle zur Avantgarde einer Bewegung für eine gerechtere internationale Ordnung – blanker Hohn aus dem Mund eines Mannes, der das Völkerrecht mit Füssen tritt und Leid über Millionen unschuldiger Menschen gebracht hat.

Aber jenseits solcher Propagandafloskeln sind bei Putin inhaltliche Konstanten erkennbar. Erstens leugnet er beharrlich die Existenz einer ukrainischen Nation. Dass es sich um ein Volk mit eigener Geschichte, eigener Sprache, anderen Mentalitäten und einem ausgeprägten Selbstbehauptungswillen handelt, will er nicht wahrhaben. Daher ist es eine Illusion, zu glauben, es gehe um einen blossen Territorialstreit, den man mit einem Kompromiss beilegen könnte. Putin wird sich mit einem Gebietsstreifen im Osten nicht zufriedengeben. Sein Plan ist die Auslöschung der Ukraine als freiheitlicher Staat ausserhalb der russischen Machtzone.

Siegesgewiss hat der Kreml nun die alten Ziele nochmals bekräftigt: «Entnazifizierung» – gemeint ist der Sturz der demokratisch gewählten Regierung in Kiew – und «Entmilitarisierung», die Auflösung der ukrainischen Streitkräfte. Hinzu kommen masslose territoriale Forderungen: Putin erhebt Anspruch auf die gesamte ukrainische Schwarzmeerküste und indirekt auf einen Grossteil des übrigen Landes. Er gibt zu verstehen, dass er die restliche Konkursmasse, darunter einige im 20. Jahrhundert der Sowjetukraine angegliederte Gebiete im Westen, grosszügig den Nachbarn Polen, Ungarn und Rumänien überlassen könnte. Es wirkt, als hätten solchen Teilungsplänen Hitler und Stalin Pate gestanden.

Aus Putins Äusserungen geht auch hervor, was das ukrainische Volk unter seiner Herrschaft zu erwarten hätte: gewaltsame Russifizierung, ideologische Umerziehung, Vernichtung der einheimischen Eliten. In den besetzten Gebieten im Südosten geschieht dies bereits jetzt. In Moskauer Schubladen liegen zudem Vorschläge für die Umsiedlung von mehreren Millionen Ukrainern nach Sibirien – auch dies eine Idee im Geiste Stalins.

Eine zweite Konstante Putins besteht in der Kampfansage an den Westen. Der Kreml zeichnet das Bild einer epischen Konfrontation mit Amerika und seinen Verbündeten, die weit über die Ukraine hinausreicht. Unablässig hämmert Putin seiner Bevölkerung ein, dass der Westen die Zerstückelung und Ausbeutung Russlands vorhabe. Es ist eine Propagandalüge, an die das Regime offenkundig selber nicht glaubt. Anders ist nicht zu erklären, weshalb Russland seit 2022 den Grossteil seiner Truppen an der Grenze zu Finnland, Norwegen und zum Baltikum abgezogen und in die Ukraine verlegt hat. Wäre Putin wirklich davon überzeugt, dass die Nato Russland überfallen möchte, würde er seine Grenzen nicht entblössen.

Zur Manipulation der eigenen Bevölkerung eignet sich die Fiktion vom böswilligen Westen jedoch gut. Das Regime kann damit jede Schuld am gigantischen Blutzoll im Ukraine-Krieg, an den Sanktionen und den explodierenden Militärausgaben von sich weisen und sie als von aussen erzwungene Übel darstellen. Putin vermag sich zugleich als Führer in einem nationalen Überlebenskampf zu inszenieren.

Krieg und Konfrontation dienen daher, drittens, hauptsächlich einem innenpolitischen Zweck. Seit seinem Aufstieg in den Kreml vor 24 Jahren während des zweiten Tschetschenienkrieges hat Putin die Erfahrung gemacht, dass sich damit die Macht absichern lässt. In den letzten Jahren wurde die Notwendigkeit aussenpolitischer Abenteuer zur Legitimierung der Kreml-Herrschaft immer grösser. Denn wirtschaftlich kann der Staatschef wenig vorweisen – Russland wird zunehmend abgehängt, von Amerika ohnehin, aber auch von wichtigen Schwellenländern.

Ein echter Frieden mit Russland ist daher illusorisch, solange Putin an der Macht bleibt. Eine aggressive, imperiale Politik ist das eigentliche Lebenselixier seines Regimes. Selbst wenn er wollte, gibt es für ihn keinen Weg zurück zu Kooperation mit dem Westen. Eine solche Kehrtwende wäre der Bevölkerung nicht zu vermitteln, und ohne die staatlichen Finanzspritzen in die Rüstung würde der Wirtschaftsmotor vollends abgewürgt. Viel naheliegender ist es für den Kreml deshalb, die Konfrontation weiter zu schüren und den Einsatz noch zu erhöhen.

Nach den horrenden Verlusten der russischen Armee – schätzungsweise 300 000 Getötete und Verletzte – könnte man meinen, dass selbst Putin an seiner Kriegspolitik zweifeln müsste. Aber nichts deutet darauf hin. Proteste hat er nicht zu befürchten, sein Repressionsapparat scheint alles im Griff zu haben. Trotz Sanktionen, Kapitalflucht und dem Exodus von Investoren ist der wirtschaftliche Kollaps ausgeblieben. Putin dürfte sich am längeren Hebel fühlen.

Er hat die Rüstungsindustrie erfolgreich angekurbelt, während der Westen Mühe bekundet, die Munitionsproduktion rasch genug hochzufahren. Das Reservoir an Soldaten ist in Russland grösser als in der bevölkerungsmässig nur ein Viertel so grossen Ukraine. Nicht zuletzt winkt dem Kreml die Chance einer Rückkehr Donald Trumps ins Weisse Haus. Das Ende der amerikanischen Militärhilfe an die Ukraine und eine Existenzkrise der Nato wären dann ein realistisches Szenario.

Obwohl Russland wirtschaftlich vergleichsweise ein Zwerg ist, untergräbt es die Sicherheit des ganzen Kontinents. Seine ökonomische Schwäche macht Putin mit grösserer Entschlossenheit und krimineller Energie wett. Systematisch plant er für einen langen Krieg. Der Westen dagegen hat die Zeitenwende verschlafen, verwehrt der Ukraine wichtige Waffensysteme, duldet die Umgehung der Russland-Sanktionen und begnügt sich in Europa mit Armeen, denen die Munition nach wenigen Wochen Krieg ausginge.

Unterschätzt werden noch immer die Folgen eines Zusammenbruchs der Ukraine – riesige Flüchtlingsströme, ein Vorrücken russischer Truppen nach Mitteleuropa und ein Signal an die ganze Welt, wie wertlos westliche Hilfsversprechen sind. Selbst ein sofortiger Waffenstillstand brächte keine Abhilfe, denn Putin würde ihn nutzen, um seine geschwächte Armee zielstrebig auszubauen. In einigen Jahren wäre Russland dann bereit, auch Nato-Gebiete wie das Baltikum zu bedrohen.

Ein lange Zeit verschmähtes Wort muss daher wieder salonfähig werden: Abschreckung. Amerika und Europa können den Frieden nur sichern, wenn sie Regelbrecher wie Moskau und Peking vor Angriffen zurückschrecken lassen. Das wird teuer werden, nachdem man die nötigen Investitionen in die Verteidigung und die Rüstungsindustrie zu lange hinausgeschoben hat. Der am wenigsten schmerzhafte Weg führt weiterhin über die Ukraine: Je schneller und umfassender dieses Land die nötige Hilfe gegen Russland erhält, desto eher lässt sich das Kalkül des Kremls durchkreuzen.



Aus:"Kommentar: Zwischen Grössenwahn und eiskaltem Kalkül: Putin plant einen langen Krieg" Andreas Rüesch (29.12.2023)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/russland-gegen-ukraine-putin-plant-einen-langen-krieg-ld.1772254 (https://www.nzz.ch/meinung/russland-gegen-ukraine-putin-plant-einen-langen-krieg-ld.1772254)

QuoteAlfons Widmer

Sachliche realistische Analyse. Jetzt stelle man sich eine Beurteilung desselben Gegenstandes von Roger Köppel bzw. der WELTWOCHE vor!


QuoteMartin Rust

Würde ich gern lesen.


QuoteL. M.

Bin bei ihnen, Herr Widmer, eine gute Analyse von Herr Rüesch.

Bezüglich Roger Köppel:

Köppel ist tragisch. Er war mal eine interessante, andere Stimme, die vieles, was in der EU sicherlich schiefläuft, frühzeitig verstanden und in die gesellschaftliche Diskussion in der Schweiz gebracht hat. Ich denke die Schweiz hat davon profitiert.

Inzwischen lebt er mit seiner Weltwoche allerdings davon, den Systemhass der Verqueerdenker zu bewirtschaften, und mit dem Schritt zum Putin-Versteher hat er endgültig den Platz des freiheitsliebenden kritischen Denkers aufgegeben.


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Quote[...] Der Journalist Köppel ist zwar seit 2015 Abgeordneter der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) im Nationalrat. Doch richtig heimisch, so wirkt es bis heute, ist der 57-Jährige im Bundeshaus in Bern nicht geworden. Er fehlt oft, schon zwei Mal hat ihn das Boulevardblatt Blick zum "Absenzenkönig" im Nationalrat gekürt. Er sei "ein hoch engagierter Unternehmer einer erfolgreichen Firma" und eben kein reiner Berufspolitiker, rechtfertigte sich Köppel, der im Hauptberuf Verleger und Chefredakteur der Weltwoche ist. Das einst eher linksliberale Magazin hat sich unter seiner Führung zum Sprachrohr der Schweizer Rechtspopulisten entwickelt. ...


Aus: "Streitbarer Köppel verlässt die Politik" (4. März 2023)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/politik/roger-koeppel-schweizer-nationalrat-politik-abschied-weltwoche-chefredakteur-1.5762667 (https://www.sueddeutsche.de/politik/roger-koeppel-schweizer-nationalrat-politik-abschied-weltwoche-chefredakteur-1.5762667)

QuoteRoger Jürg Köppel (* 21. März 1965 in Zürich; heimatberechtigt in Küsnacht und Widnau) ist ein Schweizer Journalist, Medienunternehmer, Publizist und Politiker (SVP). Seit 2001 ist er Chefredaktor des Wochenmagazins Die Weltwoche, mit einem zweieinhalbjährigen Intermezzo als Chefredaktor bei der bundesdeutschen Tageszeitung Die Welt (2004–2006), seit 2006 auch Verleger. Von 2015 bis 2023 war er Mitglied im Schweizer Nationalrat. ... Am Tag des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 titelte die Weltwoche mit der Schlagzeile «Putin, der Missverstandene».[35] Unter dem Titel «Kleine Psychologie der Putin-Kritik» schrieb Köppel in der Weltwoche, Putin werde «von Journalisten und Intellektuellen» gehasst, «weil er für all das steht, was sie ablehnen, verteufeln und was deshalb nicht sein darf: Tradition, Familie, Patriotismus, Krieg, Religion, Männlichkeit, Militär, Machtpolitik und nationale Interessen». Putin entlarve, so Köppel, «den hohlen Moralismus seiner Gegner. Und die Dekadenz des Westens». Durch das Auffahren seiner Panzerdivisionen habe Putin klargemacht, es gebe «da draussen doch noch so etwas wie eine harte Wirklichkeit der Tatsachen, nicht nur das eingebildete Metaversum der ‹Diskurse› und ‹Narrative›, mit denen man sich die Welt so zurechtlegt, wie man sie gerne hätte. Vielleicht, hoffentlich, ist Putin der Schock, den der Westen braucht, um wieder zur Vernunft zu kommen». Laut Köppel ist Putin «nicht unser Feind», sondern «unser potenzieller Partner». ,,,

... Im Mai 2023 wurde Köppel für einen Besuch in Moskau kritisiert, bei dem er unter anderem den Propagandisten Wladimir Solowjow und die für Kriegsverbrechen sanktionierte Marija Lwowa-Belowa interviewte. In der Weltwoche hatte Köppel Ende April 2023 über seinen Aufenthalt in Moskau — dem, wie er es nannte, «Epizentrum des angeblich Bösen» — geschrieben: «Mediterrane Unbeschwertheit herrscht, Fröhlichkeit in überfüllten Restaurants, aber auch Ordnung und Sauberkeit beeindrucken, freundliche Polizisten, keine Klima-Vandalen.» Vielleicht, so Köppel, komme «der Hass auf Russland auch daher, dass sich die Russen einfach dem Wahnsinn verweigern, der unsere westliche Welt zugrunde richtet: grüne Ideologie, politkorrekte Meinungsverbote, Gender-Irrsinn, Zertrümmerung der Familie, Verwahrlosung des Rechtsstaats, blinder Gehorsam gegenüber den USA. Sind die Russen heute die besseren, die wahren Europäer? Nach einem Besuch in ihrer Hauptstadt könnte man es fast meinen.» ...

https://de.wikipedia.org/wiki/Roger_K%C3%B6ppel (https://de.wikipedia.org/wiki/Roger_K%C3%B6ppel) (30. Dezember 2023)

Link (Dies ist die aktuelle Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 30. Dezember 2023 um 05:48):
https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Roger_K%C3%B6ppel&oldid=240655127 (https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Roger_K%C3%B6ppel&oldid=240655127)

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QuoteDietmar Wandel

Wer sich mit der Geschichte der Ukraine beschäftigt, dazu sind offenbar viele Kommentatoren nicht fähig, muss zweifelsfrei feststellen, dass dieser Krieg hätte vermieden werden können (Stichwörter: Regime-change eines gewählten Janukowitsch, Maidan wird nicht aufgeklärt, Frau Nuland - fu... the EU, usw). 

Der Hass auf Putin vernebelt offenbar den Blick auf Leid und Tod  und Zerstörung, statt dem Frieden eine Chance zu geben.


QuoteJ. S.

Die Ukraine ist eine unabhängige Demokratie, was man in Russland nicht begreifen kann oder will. Tatsache ist: Russland hat sein perfekt völkerrechtlich unabhängiges Nachbarland aus imperialistischen Gründen überfallen und mordet und zerstört dort.


QuoteHelmut Biely

Ja, weiter als Vasallenstaat von Putins Gnaden hätte der Friede der Ukraine aufrecht erhalten werden können. Dummerweise ,,der Friede eines Kirchhofs", den die Ukrainer nicht wollten. ...


QuoteS. O.

Papiertiger hüben wie drüben. Eigene Söhne oder sich selber wird man nicht an die Front stellen. Da werden nur Bauern geopfert.



QuoteM. S. S.

Herr Rüesch schreibt für die NZZ aus der neutralen Schweiz über Grossmachtpolitik. Das ist bemerkenswert. Bei der NZZ hat man die Neutralität leider längst abgeschrieben, obwohl sie im Volk weiterhin tief verankert ist. NATO- und EU-Beitritte sind als strategische Ziele eigentlich bereits festgelegt, obwohl diese Vorhaben im Volk chancenlos sind. Bedauernswert ist das in der Tat. Wir sind heute konfrontiert mit zunehmenden Rivalitäten zwischen den Grossmächten (USA, Russland, China). Die Hegemonie der USA wird herausgefordert. Diese Rivalitäten können grundsätzlich in grösseren Kriegen ausarten. Die Schweiz muss als Kleinstaat neutral bleiben, immerwährend und bewaffnet. Sonst werden wir in solche Kriege mit hineingezogen. Dazu gehört eine rasche und massive Aufrüstung der Armee. Ebenso hätte das Kriegsmaterialgesetz längst angepasst werden müssen. Militärische Abschreckung ist notwendig, das ist richtig. Realpolitik und Interessenspolitik anstelle einer wertebasierten Aussenpolitik ist ebenso wichtig. Mit Russland wird man verhandeln müssen, daran führt kein Weg vorbei.


QuoteUlrich Amstutz

Das Fazit des Kommentars ist - leider! - genau richtig: unser Kontinent ist zurück in einem kalten Krieg, Europa und Amerika müssen mögliche Agressoren genügend abschrecken können.

In Korea ist der kalte Krieg gar nie zu Ende gegangen, er dauert dort seit bald 75 Jahren ununterbrochen an. Was soll eigentlich werden, wenn Russland den Weg Nordkoreas einschlägt?

Russland kann dann nicht "besiegt" werden, höchstens zurückgedrängt, weil die fortgesetzte Konfrontation Bedingung zum Machterhalt geworden ist. Wenn die zu Sowjetzeiten doch meistens einigermassen rationale Kalkulation des Verhältnisses von Zwecken, Zielen und Mitteln entfällt, wenn die unsäglichsten Lebensbedingungen der eigenen Bevölkerung akzeptabel sind zwecks Machterhalt der Elite, wenn alle politischen und humanitären Skrupel aus der russischen Politik dauerhaft verschwinden sollten, dann muss wie an der innerkoreanischen Grenze mit dauernden Provokationen und einem jederzeit möglichen Grosskrieg gerechnet werden, sollte die Abschreckung durch den Eindruck einer Schwäche versagen.

Der kalte Krieg droht in seiner extremsten Ausprägung zu uns zurückzukehren, nämlich in Form eines brüchigen, instabilen Waffenstillstandes, der jederzeit gebrochen werden könnte.

Deshalb ist es so entscheidend, die Ukraine vorbehaltlos zu unterstützen: Keinesfalls schwach erscheinen!

Wer auf den Sachverhalt hinweist, ist deswegen keine Kriegsgurgel. Es löst kein Problem, das Seismometer für das Erdbeben verantwortlich zu machen.


QuoteBjörn Andersson

Russland muss auch nicht "besiegt" werden, eine Minderheit der Russen ist ja gegen Putin und der brain-washed andere Teil wird "einmal" erschreckt aufwachen, wie damals die glühenden Anhänger der Nationalsozialisten in Reue wieder Gutmachung gelobten.

Das Z-Terror Regime Putins muss eliminiert werden und Russland wird wie einst die UDSSR zerfallen, diesmal in autonome Staaten ggf. Staatenbündnisse einzelner der 160 verschiedene Völker in Russland.

Die Atomwaffen wird Ex-RuZzia abgeben und bekommt im Kiewer- Memorandum von USA, GB, F und Ukraine zugesichert, künftig nicht Angegriffen zu werden.


QuoteUlrich Amstutz

Das wäre gut, Herr Andersson. Bin da leider nicht so optimistisch:

Deutschland wurde erst im 2. WK in dem Sinne besiegt, dass der überwältigende Teil der Bevölkerung die Niederlage auch anerkannte. Nach dem 1. WK standen die Dolchstosslegende von der "im Felde unbesiegten Armee" und verständliche Wut über den Versailler Vertrag bei Teilen der Bevölkerung der Erkenntnis im Weg, eben militärisch "ganz" verloren zu haben und ev. mit Vorteil teilweise umzudenken.

Angesichts der Weitläufigkeit Russlands halte ich eine formelle Besatzung, wie in Deutschland nach 1945, für illusionär. Diese wäre Voraussetzung für ein "Erwachen" der Z-ler. Imperiale Überlegenheitsgefühle weichen nicht ohne Not.

Es erscheint fraglich, ob durch die Entfernung Putins eine andere russische Politik erreicht würde. Das ist ein Krieg der meisten Russen, nicht nur Putins.
Die Veränderung muss viel grösser ausfallen, als nur den "Zaren" auszutauschen. Ohne Besetzung glaube ich nicht an den nötigen Austausch tonangebender Kreise.
Die KGBler Putins haben 1989 überstanden.

Die Gewalt ist in Russlands Gesellschaft und Politik endemisch. Seit Peter dem Grossen erwartet Westeuropa eine "baldige" "Modernisierung" des Landes, wirtschaftlich, gesellschaftlich, geistig. Wir warten seit 300 Jahren.

Russland ist autokratisch geblieben, eine Trennung von Kirche und Staat fehlt, Andersdenkende werden als Abweichler in die Wildnis verbannt, eine Entwicklung hin zu mehr Toleranz oder Demokratie setzt sich nicht durch.


QuoteBjörn Andersson

für alle Putin Verseher: Kriege von RuZzia - State Sponsors of Terrorism

1953 Niederschlagung Aufstands vom 17. Juni 1953 in der DDR

1956 Niederschlagung des Ungarischen Volksaufstands

1968 Niederschlagung des Prager Frühlings

1969 Chinesisch-Sowjetischer Grenzkrieg

1974–1991 Militärische Unterstützung des kommunistischen
Regimes im äthiopischen Bürgerkrieg

1975–2002 Unterstützung der MPLA im angolanischen Bürgerkrieg

1977–1978 Unterstützung Äthiopiens im Ogadenkrieg gegen Somalia

1979–1989 Militärintervention in den Afghanischen Bürgerkrieg

1991–1992 Georgisch-Südossetischen Krieg 1994–1996 Erster Tschetschenienkrieg

1999–2009 Zweiter Tschetschenienkrieg

1999 Dagestankrieg

2008 Militäreinsatz im Kaukasuskrieg (Seite südossetischer Rebellen)

2014 Invasion und nachfolgende Annexion der Krim & bis heute Terror Einsatz in der Ostukraine

2015 Militärischer Eingriff auf Seiten der Regierung Syriens im Syrischen Bürgerkrieg

2018 bis heute Militärische Unterstützung des Kampfes gegen die libysche Regierung auf Seiten Marschall Haftars mit Wagner-Söldnern der GRU

2019 bis heute Militärische Unterstützung des Kampfes gegen die Ahlu Sunnah Wa-Jama in Mosambik mit Wagner der GRU

2020 bis 2023 Truppen in Bergkarabach, Aserbaidschan

02.2022 Überfall auf die Ukraine (terroristicher Angriffskrieg)

23.11.2022 Russia official declared as "state sponsor of terrorism"

17.03.2023 Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) erlässt Haftbefehl gegen Putin wegen Kriegsverbrechen  


QuoteDietmar Wandel

Für die Kriegsrhetoriker fehlen mir in Ihrer Aufstellung die Angriffskriege und Regime-changes der USA und NATO (Serbien). Deren Folgen für die Welt, insbes. Europa (Migration) haben schwer wiegende  Schwierigkeiten gebracht.


QuoteBjörn Andersson

sie hätten als lieber...

- den Genozid von Serbien an Bosnien weiter laufen lassen, dien NATO nicht invernieren lassen? ...

- Saddam Hussein weiter mit Giftgas Anschlägen tausende Kurden (Kinder, Zvilisten) und auch eingene Landsleute ermorden lassen? ...

etc. etc. etc.


QuoteRenate Storz

Billige Rechtfertigung eines Angriffskrieges, der ein Land zerstört hat und das heute im Chaos versinkt. Wie stehen Sie zu den Folterungen von Kriegsgefangenen der USA nicht im eigenen Land, sondern in Osteuropa?


QuoteChristof Schweiger-Cociani

Einseitige Darstellungen erwecken grundsätzlich den Eindruck der Parteilichkeit.


QuoteHeinz Gamber

Es kommt selten vor, dass ich einen Artikel nicht zu Ende lese. Dieser Artikel ist so voll mit Unwahrscheinlichem und USA Propaganda, besser könnte es Göbels nicht. Mir wurde es richtig schlecht beim lesen. Unverständlich für mich, dass eine neutrale Weltzeitung wie die NZZ so einen Artikel veröffentlicht. SCHANDE!


QuoteK. L.

... Ich kann es nur wiederholen: der Vorstoss gegen Osten war ein schwerer Fehler und zeugt von unfassbarer Verantwortungslosigkeit unserer Eliten. Die Schäden sind bereits immens und werden sich wohl noch vervielfachen. Wer 2014 nicht begriffen hat, dass wir die roten Linien der Russischen Föderation definitiv erreicht haben, ist einfach schwachsinnig oder kriminell inkompetent.


QuoteGünther Anderer

Putins rote Linien sind für Sie also der Maßstab? Das nenne ich mal Linientreue.


QuoteTom Harst

Die Spaltung der Welt in Gut und Böse, in Schwarz und Weiss. Farbe ist nach transatlantischer Leseart offenbar nur noch bei den vom ,,Wertewesten" weltweit provozierten Regimewechseln und im Rahmen der Genderideologie vorgesehen. Schöne neue Welt.


QuoteM. K.

Ruesch und seine Apologeten merken offenbar nicht, wie sehr sie sich im Geiste Putin schon angenähert haben. Wenn die Droge Krieg nicht mehr genug wirkt, dann wird halt vom totalen Krieg phantasiert, hueben wie drüben. Und jeder blendet die eigenen Verluste aus. Und überhöht die angeblichen Kapazitäten des Gegners. Anstatt ein nur paar Besoffene zu zitieren, wäre es doch angebracht, zu fragen, wie Putin denn das alles erreichen will. Schon jetzt gibt es ja Bewegungen russischer Mütter, die ihre Söhne zurückwollen, etc, etc. Das einzig schöne am Krieg ist, dass er irgendwann zu Ende ist. Und weil die beiden Seiten ja voneinander leben: Das einzig schöne an der Kriegsberichterstattung ist, dass sie einmal zu Ende ist. Putin wird verschwinden, und Ruesch dann wieder über Raubüberfälle in Oerlikon berichten.


QuoteMargot Helmers

Herr Rüesch tickt immer gleich, präzise wie eine Schweizer Uhr. Der deutsche Philosoph Georg W. F. Hegel: ,,Aus Lügen, die wir ständig wiederholen, werden Wahrheiten, die unser tägliches Leben bestimmen." Nur ist das mit den Lügen im Informationszeitalter immer schwieriger geworden, mit dem Translator kann man heute jede Zeitung der Welt lesen. Um zu glauben das Russland ein Nato-Land angreifen, ja gar bis Portugal durch maschiert braucht man schon  einen IQ einer asiatischen Stechmücke. Die Ukraine hatte diese Woche von den USA die letzten Unterstützungs-Gelder von 250 Millionen US$ für 2023 bekommen, es heisst Herr Selensky hatte das kühl entgegen genommen, so die Washington Post. Herr Selensky fordert (!!) für nächstes Jahr mindestens 23 Milliarden, ansonsten könnten keine Renten an die 10 Millionen Rentner, keine Gehälter an die 1,4 Millionen Lehrer und 500'000 Beamte ausgezahlt werden. Woher soll das Geld kommen? 2024 sind Wahlen in den USA, die Mehrheit der Amis will keine weiteren Milliarden an ein korruptes Land pumpen, entsprechend sind auch u.a. deswegen die Zustimmungswerte für Biden im Keller. Und wenn  der Schweflige wieder Präsident wird, dann ist sowieso fertig.


QuoteJürg Simeon

Für Lügen sind Sie bekannt, als Sie behaupteten die Ukrainer setzen Kindersoldaten ein. Ich bin erstaunt dass Ihr Konto noch nicht gesperrt ist.


QuoteM. M.

Inzwischen dürften auf ukrainischer , als auch russischer Seite ganze Jahrgänge junger Männer gestorben sein in einem sinnlosen Krieg.
Es wäre Zeit Frieden zu machen .
Einen Sieg der Ukraine halte ich für Wunschdenken , bar jeder Realität / Geschichtskunde.


QuoteM. T.

Bei allen sicher gut gemeinten Aufrufen zur Aufrechterhaltung der Hilfen für die Ukraine frage ich mich, wie realistisch das ist. 20 Jahre Kampf in Afghanistan gegen die Taliban, dort wo angeblich auch die Bundeswehr die Freiheit Deutschlands verteidigt hat, war letztlich ein Desaster. Die Taliban sind heute an der Macht, mit unendlich viel Geld aus dem Westen und modernsten Waffen, geliefert vorwiegend von den Amerikanern. Ich befürchte, dass sich dieses Desaster auch in der Ukraine wiederholen wird.


QuoteAdrian Wehrli

Die russen wurden in Afghanistan so verhauen wie heute in der Ukraine. Die Geschicht zeigt: Russland als Besatzer, hat keine Chance.


QuoteMarkus Henny

Die Engländer glaube ich auch mal.


QuoteM. T.

Ja auch, richtig. Und die Amerikaner haben das Interesse verloren. Das wird auch in der Ukraine früher oder später der Fall sein. Und zum Problem Europas werden. Keine guten Aussichten.


QuoteHans Rudolf Fischer

Langsam dämmert es: Es gab leider keine Strategie und keine Roadmap für die Vermeidung oder Minimiren von Menschenopfer und Schäden an Haus und Land für den sich seit langem abzeichnenden Konflikt. Aber trotzdem wäre es für die Ukraine nicht besser gewesen, wenn sie kampflos geblieben wär, aber mit mutigem und zähen organisiertem zivilen Ungehorsam, den Okkupanten das Leben so schwer zu machen und zivile Unruhe stiften, bis diese Verhaltensart auch nach Russland überschwappte. Geistige Landesverteidigung und Provokationen, welche Russland erhebliche Kosten und Schwierigkeiten bereiten, gesellschaftlich, ideell und kulturell. Dieser Ungehorsam als intellektuelle Kriegsführung würde auch in Russland zu Unruhen und Umstürzen führen. Dies eben als alternative Strategie zur Landesverteidigung mit Waffen, welche das Land in Schutt und Asche setzt und der zwangsweisen Zurückhaltung von Männern in wehrfähigem Alter , welche zu schmerzhaften und irreparablen Trennungen unter den Flüchtenden führt. Dies als Alternative zum Kampf, Schutt und Asche. Dazu haben wir uns im Westen zu wenig vorbereitet. Im übrigen, auch Putin lebt nicht ewig oder wird bald ersetzt werden. Waren wir blind, taub oder zu viel mit uns selber beschäftigt? ...


QuoteRainer Keil
vor 2 Tagen
(Bearbeitet)
Zu H.R.Fischer,

"wäre es für die Ukraine nicht besser gewesen, wenn sie ... mit mutigem und zähen organisiertem zivilen Ungehorsam ... zivile Unruhe stiften, bis diese Verhaltensart auch nach Russland überschwappte":

Danke für Ihren unkonventionellen Beitrag.

Wer sich einst mit "Soziale Verteidigung" befasst hat

(vgl.
Theodor Ebert,
Soziale Verteidigung,
Waldkirch 1981),

wird nicht wg. d. Gründe, die für sie sprachen, sondern angesichts nur teilw. ermutigender, insgesamt ernüchternder empir. Erfahrungen

(vgl. ber.d.Studie
Anders Boserup, Andrew Mack,
Krieg ohne Waffen? Studie über Möglichkeiten sozialer Verteidigung. Kapp-Putsch 1920 / Ruhrkampf 1923 / Algerien 1961 / ČSSR 1968,
A.d.Dänischen v. H.Kulas u. J.Mez,
Reinbeck bei Hamburg
1974/1983)

v. a. bei totalitären oder autoritären Aggressoren eher skeptisch.

Trotzdem erscheint mir Ihr Beitrag wichtig:

Es gibt, wenn ich recht sehe, zwei große Fehler, von denen ich meine, dass wir sie mit Blick auf gewaltlosen bürgerl. Widerstand von Menschen in der Ukraine gegen den Angriffskrieg und seine aggressiven und demokratiefeindlichen Konsequenzen machen können und vermeiden sollten:

1. Illusionen darüber, was diese Art von Widerstand leisten kann (ernste Alternative?);

2. Ignorieren, was möglich & längst erfolgr. durchgeführt worden ist. Weithin ignorierte Informationen aus der Frühzeit des Angriffskriegs sind zu finden über

[The International Catalan Institute for Peace is a research, dissemination and action organization created by the Parliament of Catalonia in 2007 to promote peace in Catalan society and internationally and make Catalonia play an active role as an agent of peace in the world.] Since the beginning of the Russian invasion of Ukraine, Ukrainian civil society has spontaneously and courageously organized to counter the military occupation through hundreds of nonviolent actions, including civil disobedience, road blockades, civilian evacuation or communication campaigns. The report Ukrainian Nonviolent Civil Resistance in the Face of War, prepared by Professor Felip Daza within the framework of a joint ICIP and Novact project, examines the Ukrainian nonviolent civil resistance between February and June 2022 to identify the organizational dynamics and the characteristics of the different actions, their evolution and the impacts and supports they have achieved.
The document analyses 235 nonviolent civil resistance actions shown on an interactive map. It includes a set of recommendations addressed to governments and Ukrainian and international civil society to strengthen nonviolence to transform conflicts.

https://www.icip.cat/en/publication/ukrainian-nonviolent-civil-resistance-in-the-face-of-war/ (https://www.icip.cat/en/publication/ukrainian-nonviolent-civil-resistance-in-the-face-of-war/) .


QuoteK. G.

Sie können es ja mal gleich selbst probieren. Z B nach Moskau fliegen, dann vor dem Kreml eine weisse Fahne schwenken.


...
Title: [Großmächte & Ost-West-Konflikt (Bipolare Welt?)... ]
Post by: Link on March 18, 2024, 05:02:26 PM
Quote[...] MOSKAU taz | So sieht einer aus, der sich politisch unangreifbar fühlt. Wladimir Putin tritt am Sonntag kurz vor Mitternacht, nachdem die Wahllokale quer durch Russland seit Stunden geschlossen sind, ans Rednerpult im Moskauer Gostiny Dwor und spricht plötzlich den Namen aus, den er Jahre bewusst nicht in den Mund genommen hatte, den Namen seines größten politischen Widersachers: Alexei Nawalny. Nun, da dieser tot ist, erlaubt sich Putin einen Kommentar. Es sei ,,immer ein trauriges Ereignis", wenn einer aus dem Leben gehe. Mit gewohntem Zynismus fährt der 71-Jährige fort: ,,Wir hatten auch andere Fälle, bei denen Menschen in Gefängnissen aus dem Leben schieden. Hat es das etwa in den USA nicht gegeben?"

Kurz nachdem klar geworden ist, dass Putin bei seiner inszenierten Präsidentenwahl mehr als 87 Prozent bekommen hat, ein ,,historisches" Wahlergebnis, wie die Wahlkommissionsleiterin Ella Pamfilowa es am Montagmorgen nennt, arbeitet sich der Kreml-Herrscher weiter an den USA ab. Denn genau darum geht es Putin: seinen geradezu zu einem Epos stilisierten Kampf gegen den Westen. Russland sei sich einig darin, das zeigen für Putin die Wahlergebnisse, dass es zusammenstehe, um seine Einzigartigkeit und Einmaligkeit zu bewahren.

Die Wahl, so manipuliert, unfrei und unfair sie auch abgelaufen sein mag, gibt dem alten und zugleich neuen Präsidenten noch mindestens sechs weitere Jahre, sich als Oberkrieger zu fühlen, im Kampf in erster Linie gegen die Ukraine, vor allem aber gegen den Westen, den der Kriegsherrscher als dekadent betrachtet. Die 87 Prozent erlauben ihm eine weitere Radikalisierung, nach außen so auch nach innen.

Der Kreml verkauft erfolgreich die Mär von einer ,,konsolidierten Gesellschaft" und lässt es bewusst beiseite, wie gespalten diese Gesellschaft ist. Die Rechte seiner Untertanen sind für das Regime Putin reine Verfügungsmasse. Will jemand zum politischen Subjekt werden, wird er ausgelöscht, manchmal ist das – Beispiel Nawalny – wörtlich gemeint.

Am Sonntag stellten sich in vielen russischen Städten Tausende von Menschen in Schlangen vor Wahllokalen, um den Mächtigen zu zeigen: ,,Wir sind da, und wir sind unzufrieden." Für den Kreml sind diese Menschen lediglich ,,Verräter*innen" und ,,Extremist*innen". Die Aktion habe ,,keinen wirklichen Effekt" gezeigt, lässt Putin im Gostiny Dwor mitteilen.

Für diese Unzufriedenen dürfte es in den kommenden Jahren noch unangenehmer werden, denn der Staat fordert ganz klar ,,die Einheit des Volkes" ein: ein Land, ein Präsident, eine Meinung. Es gibt kaum kritische Medien im Land, es gibt keine organisierte Opposition. Bereits an den drei Wahltagen gab es mehr als 70 Festnahmen wegen ,,Störung des Wahlverfahrens".

...


Aus: "Die 87-Prozent-Inszenierung" Inna Hartwich (18.3.2024)
Quelle: https://taz.de/Praesidentschaftswahl-in-Russland/!5998718/ (https://taz.de/Praesidentschaftswahl-in-Russland/!5998718/)