"Integration: Da musst du jetzt durch" Simone Schmollack (22. August 2018)
Was passiert, wenn eine junge Geflüchtete und eine Deutsche zusammenwohnen? Unsere Autorin erlebt es seit einigen Monaten mit Senait, die als 17-Jährige aus Eritrea kam. ... Wenn sie von ihrem Gott redet, tut sie es sehr leidenschaftlich. Ich höre zu, ich frage nach. Manchmal habe ich das Gefühl, sie möchte, dass ich ihrer Religion ebenfalls folge. Aber ich glaube nun mal nicht ans Jenseits und an ein Leben nach dem Tod, jede Form von Spiritualität ist mir suspekt. Das sage ich Senait nicht. Aber sie spürt es, runzelt die Stirn und sagt: "Das geht nicht. Jeder Mensch braucht einen Gott." ... Wenn wir auf der Straße muslimische Frauen mit Kopftuch treffen, sagt sie: "Das ist nicht richtig." "Doch", sage ich: "Die Frauen, die es wollen, dürfen ein Kopftuch tragen." Senait ist kritisch gegenüber dem Islam und kritisch gegenüber anderen Glaubensrichtungen, die von ihrem Gottesbild abweichen. Sie versteht nicht, dass es in Asien viele verschiedene Religionen mit unzähligen Göttern gibt. Ich versuche, ihr das zu erklären und sage so etwas: "Jeder Mensch darf an das glauben, woran er und sie möchte." Ich verwende Begriffe wie Toleranz, Religionsfreiheit, Gleichberechtigung. Sie versteht die Wörter, beharrt aber darauf, dass ihre Religion die einzig richtige ist. Im Laufe der Zeit habe ich verstanden, dass es egal ist, ob sie meinen Aussagen folgt oder nicht. Und sie hat verstanden, dass mein Leben ohne Gott nicht leer, richtungslos und unvollständig ist. ...
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"EuGH-Urteil: Halleluja, Gleichheit ist der EU heiliger als die Kirche" Ein Kommentar von Luisa Jacobs (11. September 2018)
Die Kündigung eines wieder verheirateten katholischen Chefarztes kann Diskriminierung sein, befand das EuGH. Ein wichtiges europäisches Signal für die Gleichheit. ... Eine Ärztin ist keine weniger gute Ärztin, weil sie eine Frau ist. Ein Pfleger ist kein weniger guter Pfleger, weil er Männer liebt. Und eine Krankenschwester macht ihre Arbeit nicht schlechter, weil sie eine nicht weiße Hautfarbe hat. In Deutschland regelt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, dass Menschen nicht aus Gründen der Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung benachteiligt werden dürfen. Diskriminierung ist laut deutschem Arbeitsrecht verboten. Eigentlich.
Die katholische Kirche aber tut genau das. Sie diskriminiert. Wenn beispielsweise ein katholischer Arzt gegen katholische Moralvorstellungen verstößt, dann soll er auch nicht mehr in einem katholischen Krankenhaus arbeiten. ... Konkret geht es um folgenden Fall: Ein katholischer Chefarzt, der die Abteilung für Innere Medizin an einem katholischen Krankenhaus in Düsseldorf leitet, lässt sich von seiner ersten Ehefrau, mit der er nach katholischem Ritus verheiratet war, scheiden und heiratet erneut standesamtlich, ohne seine erste Ehe für nichtig zu erklären. Weil das gegen die Moralvorstellungen der katholischen Kirche verstößt, kündigt ihm das katholische Krankenhaus. Der Chefarzt klagt gegen die Kündigung. Denn: Einem evangelischen oder konfessionslosen Chefarzt wäre bei Wiederheirat nicht gekündigt worden.
Seit neun Jahren streiten deutsche Gerichte nun darüber, ob die katholische Kirche ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern kündigen darf oder nicht. Drei Arbeitsgerichte gaben dem Chefarzt recht. Die Kirche aber gab nicht auf und zog vor das Bundesverfassungsgericht, und das befand im Jahr 2014, die Arbeitsgerichte hätten sich zu tief in innerkirchliche Angelegenheiten eingemischt.
Heute, endlich, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das Privatleben des Chefarztes keine Auswirkung auf seine Tätigkeit, "nämlich die Beratung und medizinische Pflege in einem Krankenhaus und Leitung der Abteilung Innere Medizin", hat, so drückt es der EuGH in seinem Urteil aus. Kurz: Ein mehrfach geschiedener Chefarzt kann sich um kranke Patienten ebenso gut kümmern wie ein nach katholischem Ritus verheirateter Chefarzt.
Dafür spricht auch die Tatsache, dass an katholisch geleiteten Krankenhäusern eben nicht ausschließlich katholisches Personal arbeitet, sondern ebenso konfessionslose oder anders gläubige Mitarbeiterinnen. Dass ein nicht katholischer und ein mit den moralischen Vorstellungen brechender Katholik unterschiedlich behandelt werden können, ist ein Fall von Diskriminierung.
Mit dieser Entscheidung weist der Europäische Gerichtshof den deutschen, traditionell kirchenfreundlichen Gerichten die richtige Richtung: Gleichheit muss vor kirchlicher Selbstbestimmung kommen. In Deutschland haben Gerichte in der Vergangenheit im Zweifel eher für die Kirche entschieden." Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheit selbständig innerhalb des für alle geltenden Gesetzes", so steht es im Grundgesetz und so wurde der Passus oft kirchenfreundlich interpretiert.
Der Europäische Gerichtshof muss sich dieser Tradition nicht unterordnen. Der EU ist die Gleichstellung heiliger als die Kirche. ...
https://www.zeit.de/arbeit/2018-09/eugh-urteil-katholische-kirche-gleichheit-arbeitnehmerrechte/komplettansicht Renfrew #2
Ein wichtiges Urteil. Es muss Schluss damit sein, dass sich die Kirchenoberen wie Stammesfürsten verhalten, die mit dem Personal nach Gutsherrenart umgehen.
Heiliger Römischer Reis #4
Mit dieser Entscheidung weist der Europäische Gerichtshof den deutschen, traditionell kirchenfreundlichen Gerichten die richtige Richtung: Gleichheit muss vor kirchlicher Selbstbestimmung kommen
Halleluja!
Wurde aber auch Zeit...
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