Kategorie: Kiel Gaarden

[Blüten der Abscheu-vor-Gaarden-Prosa #1… ]


Gibt es die Elisabethstrasse? – Gibt es etwa diesen Stadtteil Kiel-Gaarden?

Dieses Gaarden gibt es wirklich.
– Joachim Güntner (nzz.ch, 29.3.2015)

Den Stadtteil Gaarden gibt es tatsächlich im Südosten von Kiel.
– Silke Hellwig (weser-kurier.de, 29.03.2015)

Ist es denn die Möglichkeit?! – Dieses Kiel-Gaarden, ein Brennpunkt des bundesdeutschen Elends (Elmar Krekeler), ein soziales Nirgendwo (Felix Müller) gibt es wirklich! – Auch wenn es für manche Artikelschreiber fast kaum zu glauben ist. Für Außenstehende mag es verwunderlich erscheinen, wie man Gaarden, diesen sozialen Albtraum (Frank Patalong), ein Schmuddelbezirk mit größter Problemdichte (Jürn Kruse), der „Problembezirk“ (Eva Zahn), jenen Stadtteil mit Nichts als Tristesse (Silke Hellwig) so innig lieben kann. Ich mache es kurz: man kann – besonders wenn man Gaarden aus der Nähe kennt. Das geht nicht allen so – das alles wäre auch fernerhin keine große Sache. Wahrnehmungen können eben sehr verschieden fokussiert sein.
Aber warum hageln aktuell so gesteigert viele dieser überfreundlichen Stadtteil-Zuschreibungen aus der Presse über dem Kieler Ostufer herab? – Einige Journalisten haben wohl plötzlich aufgemerkt, da dieses Gaarden für einen „Tatort“ öffentlich rechtlich als Kulisse missbraucht auserkoren wurde. Dieser Anlass allein ist der Auslöser für eine Vielzahl von Beiträgen in denen Gaarden mit seiner Parallelgesellschaft (Dominik Kamalzadeh) nicht gerade ausgewogen beschrieben wird. Es genügt ein (fiktiver, also ein inszenierter) Tatort (wohlgemerkt keine Dokumentation) und schon trieft aus so manchem Artikel eine unmissverständliche Abscheu vor dem realen Stadtteil. Nun, neu ist das nicht – die Bewohner von Gaarden sind es seit langem gewohnt, dass ihre Lebenswelt beispielsweise als die trostlose Welt am unteren Rand der Gesellschaft (Britta Schienbein) herabgewürdigt wird. Ich vermute mal naturgemäß, dass der nicht fiktive (also der wirklich real vorhandene) Stadtteil touristisch meist nicht im gesteigerten Interesse all derer steht, die sich da mal eben nebenbei über Kiel-Gaarden verbal erbrochen haben.
Dennoch: manche von den netten Schmeicheleien der weiter unten ausgewählten Artikel sind durchaus amüsant. Und ja, nicht alles über Gaarden ist hier völlig falsch beschrieben – es fehlt nur viel von dem, was Gaarden eigentlich ausmacht.
Ein nächster Tatort wird kommen – und die Aufmerksamkeit der Massen wird als Herde weiterziehen. Ein bisschen von dem, was da zu Kiel-Gaarden klischeehaft und pauschal geschrieben stand, wird noch etwas verfestigter an dem Stadtteil hängen bleiben. Und die Gaardener, welche hier und da durchaus nicht immer mit einem übergroßen Ego ausgestattet sind – all die, welche sich vielleicht bereits ein wenig geschämt haben, dass sie in diesem Milieu der Schwächsten (NDR) wohnen, werden dies möglicherweise noch ein wenig mehr tun als zuvor.
Trotzdem möchte ich dem geneigten Leser und der geneigten Leserin die schönsten Blüten der Abscheu-vor-Gaarden-Prosa aus der aktuellen deutschen – und sogar internationalen – Presselandschaft nicht länger vorenthalten.
Ich konnte mir bei der Auswahl der unten stehenden Textbrocken ein sanftes Lächeln, das ein oder andere zarte Hochziehen der Augenbrauen, und im schlimmsten Fall ein gesteigertes Huste-Lachen nicht immer verkneifen.
Also auf zu den illustren Textquellen – und vielleicht gibt es da draußen ja sogar ein paar mehr Leute außer mir selbst, welche Gaarden (gerade weil es so ist wie es ist!) – ohne Ekel aus der Ferne und eben nicht nur von oben herab – zu würdigen wissen.

… Gaarden ist ein Stadtteil von Kiel. … Wie ein grauer Riegel liegt er vor der Innenstadt. Hier ist die Verwahrlosung zu Hause. Gaarden ist ein zentraler Brennpunkt des bundesdeutschen Elends. Hartzhausen. 42 Prozent leben [von/mit] staatlicher Unterstützung, 44,4 Prozent haben migrantischen Hintergrund. Die Wahlbeteiligung ist ungefähr halb so hoch wie der Alkoholgehalt des beliebtesten Getränkes von Gaarden. Da möchte man nicht Kind sein. Nicht Jugendlicher. Da möchte man eigentlich gar nicht sein. Höchstens tot. … “ | Aus: „Der blutige Kindersommer von Hartzhausen“ Elmar Krekeler (29.03.15) | http://www.welt.de/kultur/article138885335/Der-blutige-Kindersommer-von-Hartzhausen.html

… Gaarden, der am östlichen Ufer der Hörn gelegene Stadtteil Kiels, ähnelt an manchen Ecken einem Ghetto. Alkoholismus, Drogensucht, hohe Arbeitslosigkeit, Müll auf den Strassen trüben das Erscheinungsbild. Einst hübsche Gründerzeitbauten sind heruntergekommen, die Mietskasernen sind trist. Dieses Gaarden gibt es wirklich. …“ | „Im Finstern hilft ein Herz für Hunde“ Joachim Güntner (29.3.2015) | http://www.nzz.ch/feuilleton/fernsehen/im-finstern-hilft-ein-herz-fuer-hunde-1.18512044

… Die Wohnungen sehen aus, als ob es da schlecht röche, nicht nur in der Rumpelkammer des pädophilen Rentners Onno Steinhaus. … “ | Aus: „Verlieren und Verlorensein“ Holger Gertz (27. März 2015) | http://www.sueddeutsche.de/medien/tatort-aus-kiel-verlieren-und-verlorensein-1.2413399

… Was bleibt von diesem „Tatort“, ist das Fazit, dass man in Kiel-Gaarden tatsächlich auf gar keinen Fall wohnen möchte. …“ | Aus: „“Tatort“ aus Kiel Revierpflege“ Tatjana Kerschbaumer (28.03.2015) | http://www.tagesspiegel.de/medien/tatort-aus-kiel-revierpflege/11570284.html

… Es ist eine Welt, in der Schnapsflaschen auf fleckigen Teppichen herumliegen, wo die Vorhänge nikotingelb gefärbt sind und die Pornovideos neben ausgekippten Aschenbechern liegen. Im Kieler Stadtteil Gaarden spielt dieser Fall der Kommissare Borowski und Brandt, und diese Gegend gilt auch in der Wirklichkeit als ein Brennpunkt mit vielen sozialen Härten. In diesem „Tatort“ macht er seinem Ruf alle Ehre. …“ | Aus: „Nichts ist in Ordnung: Kindheit im sozialen Nirgendwo: Der „Tatort“ aus Kiel“ Felix Müller (29.03.15) | http://www.morgenpost.de/printarchiv/kultur/article138885672/Nichts-ist-in-Ordnung.html

… Größte Problemdichte. Das hat die Kieler Politik dem Stadtteil Gaarden vor ein paar Jahren attestiert. Bedeutet: bei Arbeitslosigkeit, Armut und Migrantenanteil ganz vorne dabei, bei allem anderen ganz hinten. Woanders heißen diese Orte Neukölln, Ehrenfeld oder Hasenbergl. Mal ist mehr dran am Image des Schmuddelbezirks, mal weniger. …“ Aus: „„Tatort“ aus Kiel: Alles ganz falsch machen“ Jürn Kruse (29. 03. 2015) | http://www.taz.de/!157201/

… Es geht um die Verlierer des Lebens, um Hoffnungslosigkeit und Drogensucht, Existenzangst und Einsamkeit. … Den Stadtteil Gaarden gibt es tatsächlich im Südosten von Kiel. …“ | Aus: „Kritik zum „Tatort“ – Nichts als Tristesse“ Silke Hellwig (29.03.2015) | http://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-kultur-freizeit_artikel,-Nichts-als-Tristesse-_arid,1090716.html

// Hier die Langspielfassung – etwas mehr Kontext plus Reaktionen auf die Reaktionen:
Abscheu-vor-Gaarden-Prosa („Tatort – Borowski und die Kinder von Gaarden“, 2015)
==> http://www.subf.net/linklist/index.php/topic,65.msg1349.html#msg1349

// Kontext & Hintergrundrauschen:
Das Reale ist der unauflösbare Rest, der in den übrigen beiden Ordnungen des Imaginären und des Symbolischen nicht aufgeht.
http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Reale

Das Imaginäre ist ein Sammelbegriff für alles „Bildhafte“.
http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Imagin%C3%A4re

Anders als das bildhafte Imaginäre und das stumme Reale ist das Symbolische die Ordnung der Sprache und des Diskurses. …
http://de.wikipedia.org/wiki/Das_Symbolische

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