Schlagwort: Platon

[Zum Wahn der Liebe #105 … ]

“ … Judy drafts a letter of confession: she is Madeleine …“
| https://bostonhassle.com/go-to-vertigo-1958-dir-alfred-hitchcock/
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“ … Die Hauptelemente von Alfred Hitchcocks „Vertigo“ sind Obsession, Manipulation und der Schatten der Vergangenheit, der auf uns allen lastet. … Dabei war die gleichermaßen traurige wie makabre Liebesgeschichte kurz nach ihrem Erscheinen im Jahr 1958 beim Publikum nicht sehr beliebt. Heute ist „Vertigo“ einer, wenn nicht sogar der von anderen Filmemachern am meisten aufgegriffene und zitierte Film. Er ist also eindeutig ein wichtiger Klassiker der Kinogeschichte und alles andere, als ein angestaubter, altbackener Krimi. …“ – bass lines (17 September 2022)
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“ … Hitchcock war der einzige Experimentalfilmer des Mainstreamkinos. … „Vertigo“, diese perfekte und ergreifende Geschichte einer Liebe und eines Verbrechens, diese Verstrickung von Scottie (James Stewart) und Madeleine/Judy (Kim Novak) hat viele Interpretationen herausgefordert. Zu recht: Es geht um die Unterschiede von Frauenbildern, um die Zurichtungen des männlichen Blicks, die Erschaffung einer Imago, den Star-Typus. Es handelt sich offensichtlich auch um solche Schemata wie Heilige und Hure, Polizist und Täter. Betrug ist Erfüllung und Liebe ist Zwang in diesem Film. … Nicht nur Scottie Ferguson, auch Madeleine und Judy sind Zuschauer. Der Mann aber modelt die Welt nach seinen Vorstellungen und schafft sich auch sein Bild danach. Am Ende verliert er es. Das mag ihm recht geschehen, ist aber ein Grauen insgesamt: Wie oft man den Film auch gesehen hat, sein Ende, an dem Judy den Tod findet und Scottie durch den Verlust der Geliebten auch von den „Schwindelanfällen“ geheilt wird, bleibt ein Skandalon. Der Film steuert mit Notwendigkeit auf dieses Ende hin; jedes andere wäre inkonsequent. Aber er schafft es auch, daß der angeblich redliche, seine Obsessionen besiegende Scottie nun der Täter ist und die Frau, die er nach seinem Bilde erschaffen hat, das Opfer. Zu Beginn des Films ist Scottie die Identifikationsfigur. An seinem Ende ist es Judy, und die Zuschauer wünschen nichts sehnlicher, als daß der Mann die Frau um ihrer Willen und nicht aufgrund seiner Projektionen liebte. …“ | Aus „Blicke, die die Welt erschaffen“ (BLZ, 27.02.1997) | https://www.berliner-zeitung.de/archiv/blicke-die-die-welt-erschaffen-e-li.1136711
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“ … Das kleine Buch ist das wohl schönste, das uns der Dichter Philosoph Platon hinterlassen hat: Symposion – oder das Gastmahl der Liebe. … Im Symposion des Platon haben sich Sokrates, Aristophanes und ihre Freunde zu einem Trinkgelage zusammengefunden. … Aristophanes erzählt die Geschichte vom Eros als der Kraft der Sehnsucht zwischen den Menschen. Das ist die Geschichte vom Kugelmenschen. Sie ist eine Erfindung des Platon. Der Kugelmensch war ein Wesen, das sowohl männlich als auch weiblich war. Dieser Mensch war so mächtig, dass die Götter in Sorge gerieten, er könne ihnen an Kraft und Weisheit überlegen sein. So sannen sie danach, sich die unerwünschte Götter- Konkurrenz vom Halse zu schaffen. Ein Mensch – wie die Götter – das darf es nicht geben. Also teilten sie die Kugelmenschen mit Gewalt. Seit dieser Zeit suchen die getrennten, ehemals zusammengehörenden beiden Hälften jedes Kugel-Menschen einander. …“ | https://www.die-goetter.de/eros-bei-platon
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“ … Jacques Lacan setzte sich intensiv mit Platons [Symposion] auseinander. Dabei beschäftigte ihn insbesondere … [der] psychoanalytischen Gesichtspunkt der Übertragung von Affekten von einem Objekt auf ein anderes [ ]. Er fragte nach dem Ziel der Begierde … In seiner Abhandlung Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse (1964) konstatierte Lacan, die Übertragung sei im Symposion „in vollendeter und strengster Form“ artikuliert. … [“ … Die Übertragungsneurose ist das „Ergebnis eines Konflikts zwischen dem Ich und der libidinösen Objektbesetzung“.]. … In Robert Musils Roman Der Mann ohne Eigenschaften erhält die Gastgeberin eines Salons von einem Bewunderer den Namen Diotima. Musil knüpft mit ironischer Absicht an die antike Tradition an: Er wendet sich gegen eine romantische Überhöhung trivialer Verhältnisse. … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Symposion_(Platon)
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“ … Sokrates geht anfänglich von der Annahme aus, Eros sei ein großer Gott und müsse schön sein. Diotima widerlegt diese Meinung. Sie zeigt, dass Eros weder gut und schön noch schlecht und hässlich ist, sondern in einem Mittelbereich zu verorten ist. Wegen dieser Unvollkommenheit kann er kein Gott sein. Zu den Sterblichen zählt er aber auch nicht. Da er zwischen Gottheit und Mensch steht, ist er ein Daimon („Dämon“, aber nicht im heute gängigen, meist abwertenden Sinn dieses Begriffs). Damit fällt ihm – wie allen Dämonen – eine Mittlerrolle zwischen Göttern und Menschen zu. Diese Aufgabe erfüllt er in seinem Zuständigkeitsbereich, auf dem Gebiet des Erotischen. Er übermittelt den Menschen das, was ihnen diesbezüglich von den Göttern zukommen soll. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Diotima
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“ … Was Freud mit dem Wort «Phantasie» bezeichnet, sind zunächst die Tagträume, Szenarien, Episoden, Romane, Fiktionen, die das Subjekt im Wachzustand ersinnt. … Die Fragmentierung des Realen verweist auf die Mehrdimensionalität der Zeit und der Schauplätze. Wenn das Unbewusste keine eindimensionale, irreversible Zeit kennt, so heißt das nicht, dass es keine Geschichte kennt, im Gegenteil. Die Elemente des Fantasmas werden aus mehreren Zeitmomenten herausgeholt und zu einem neuen Gebilde kombiniert. Aber der entscheidende Zeitaspekt liegt in der Nachträglichkeit und der partiellen Wiederholung des fantasmatisch konstruierten Ereignisses. Die Nachträglichkeit ist nur durch die Funktion des Symbolischen denkbar; was in der gängigen Literatur als «Symbol» bezeichnet wird, ist eigentlich ein Fantasma, und es darf nicht mit dem Symbolischen verwechselt werden. …“ | http://www.hispanoteca.eu/Linguistik/pa/PHANTASIE%20in%20der%20psychoanalytischen.htm
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“ … Unbewusste Phantasien werden […] als strukturierende Prinzipien des psychischen Lebens begriffen, die von Anfang an in Objektbeziehungen organisiert sind …“ | Zu: Heft 9/10, September 2013, 67. Jahrgang: Das Unbewusste – Weiß, Heinz: Unbewusste Phantasien als strukturierende Prinzipien und Organisatoren des psychischen Lebens | https://elibrary.klett-cotta.de/article/99.120105/ps-67-9-903
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“ … [Menschen] mit Borderline-Problemen leben in einem prekären Grenzbereich zwischen innerer und äusserer Realität. Die Schwierigkeiten, die sie beim Aufbau ihres psychischen Raumes haben, äussern sich in Symbolisierungsstörungen … “ | Zu: „Das Labyrinth der Borderline-Kommunikation“ – Klinische Zugänge zum Erleben von Raum und Zeit von Heinz Weiss | https://www.orellfuessli.ch/shop/home/artikeldetails/A1031229105
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“ … Ein komisches Gefühl ist die Liebe, da der Liebende sich von einem Gefühl überwältigen lässt, das nicht er, sondern das ihn kontrolliert. Lacan geht so in seinem Seminar auf Distanz zur Liebe und den mit ihr einhergehenden Verdummungsprozessen, um zugleich die Frage zu stellen, wie sich das Begehren des Analytikers von der Dummheit der Liebe lösen lässt. Den Grund für die jederzeit ins Komische abdriftende Dummheit der Liebe, die sich aus dem Symposion entnehmen lässt, ist die Einsicht in die Negativität des Begehrens, die schon Sokrates in seinen Ausführungen formulierte. Der Liebende ist für Lacan ein Subjekt des Begehrens, das Begehren aber auf einen unaufhebbaren Mangel ausgerichtet, auf das fehlende Objekt, das nur in seiner Abwesenheit zum Gegenstand des Begehrens werden kann. Die Komödie der Liebe beruhe auf der schlichten Tatsache, dass der Liebende in dem Geliebten zwar das vermutet, was ihm zur Erfüllung fehlt, dieser darüber aber gar nicht verfüge […] Lacan begreift die Liebe als eine komische Szene, die einen Betrug vor Augen führt, den keiner der Beteiligten erkennt, sondern nur der Zuschauer – in diesem Fall der Analytiker, der sich in seiner therapeutischen Arbeit Tag für Tag mit den Fallstricken der Liebe im Zeichen der Übertragung auseinandersetzen muss. …“ | Aus einem Essay – Schwerpunkt: Liebe, Angst und andere Gefühle – Wege der Übertragung – Über die Sprache der Liebe bei Platon, Shakespeare, Freud und Lacan von Achim Geisenhanslüke (9, September 2016) | https://literaturkritik.de/id/22432

Nachtrag I

Die Malereie zeigt ein Symposion – Das Grab des Tauchers (Tomba del Tuffatore) ist eine antike Grabanlage rund 1500 Meter südlich der Stadtmauer der unteritalischen Stadt Paestum (griechisch Poseidonia). Es handelt sich um eine kleine ausgemalte Grabkammer, die um 480/470 v. Chr. datiert wird. | https://de.wikipedia.org/wiki/Grab_des_Tauchers
Museo archeologico nazionale di Paestum | https://it.wikipedia.org/wiki/Tomba_del_tuffatore



[Zum Wahn der Liebe #64 … ]

Malte Lehming (04.12.2017): “ … Im Buch „Phaidros“ von Platon wird ein fiktives Gespräch wiedergegeben zwischen Sokrates und dessen Freund Phaidros. Es geht um die Frage, ob die Liebesleidenschaft eine gute oder schlechte Voraussetzung für eine Freundschaft sei. Phaidros verliest eine Schrift des Redenschreibers Lysias, der gegen die erotische Begierde als Grundlage für eine dauerhafte Freundschaft plädiert. Denn die Leidenschaft erkaltet eines Tages, und dann bereut man womöglich die Wohltaten, die man dem Geliebten erwiesen hat. Besser sei es, einen Freund aus freiem Entschluss zu wählen, ohne von einem starken Gefühl gesteuert zu werden. Zunächst stimmt Sokrates zu. Dann aber widerspricht er gewissermaßen sich selbst. Der Wahnsinn der erotischen Leidenschaft sei nicht negativ zu bewerten. Verzückung und Begeisterung könnten ein Zeichen göttlicher Gunst sein und zur Erkenntnis führen. Enthusiasmus und Inspiration seien dem nüchternen Verstand oft überlegen. Generationen von Philosophen haben über den „Phaidros“ nachgedacht. Verteidigt der Ultrarationalist Platon plötzlich das Irrationale? Er billigt ja nicht nur die „mania“, die Raserei, sondern sieht in ihr sogar eine Voraussetzung für wichtige Einsichten. Gelöst ist der Streit nicht. Kopf und Bauch ergänzen sich, und ihr Verhältnis zueinander bleibt paradox. …“ | http://www.tagesspiegel.de/politik/woraus-entspringt-die-wahrheit-nur-narren-verachten-narren/20660464.html