Schlagwort: Phantom

[Zur Begegnung mit Phantomen #11… ]

„Orlacs Hände (1924): “ … Bei einem Eisenbahnunglück verliert ein bekannter Konzertpianist beide Hände. Ihm werden gegen sein Wissen die Hände eines Mörders transplantiert. Nach der Operation kommt es im Umfeld des Pianisten plötzlich zu einigen Morden – und nach und nach wächst in ihm der Verdacht, dass seine neuen Hände die Täter sein könnten. … Die von Licht und Schatten geprägter Bildsprache thematisiert den Kontrollverlust des eigenen Körpers und verdichtet dadurch mit traumtänzerischer Sicherheit eine der ältesten Horrorvisionen des menschlichen Bewusstseins. …“ | https://www.moviebreak.de/film/die-unheimlichen-hande-des-doktor-orlac

“ … [R: Robert Wiene, 1924] … Der Film wurde am 25. September 1924 für Deutschland zugelassen, jedoch mit der Einschränkung eines Jugendverbotes. Ein Antrag des sächsischen Innenministeriums vom 10. Januar 1925, wo eine Zensur des Films gefordert wurde, da dieser „geeignet sei, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gefährden. […] Gestützt auf ein Gutachten des Landeskriminalamts Dresden erachtet es die Sächsische Regierung nicht für angängig, die inneren Einrichtungen und Hilfsmittel der Kriminalpolizei, insbesondere das Fingerabdruckwesen, in aller Öffentlichkeit bekannt zu machen, weil dadurch die Bekämpfung des Verbrechertums erschwert werde. Unangebracht sei ferner die Darstellung von Mitteln, die es dem Verbrecher ermöglichen, seine Spuren zu verwischen und die Polizei zu täuschen.“ Der Zensurantrag wurde von der Oberprüfstelle abgelehnt, da ein von ihr vernommener Sachverständiger des Polizei-Präsidiums Berlin den Sachverhalt als unrealistisch bezeichnet hat. … Die Oberprüfstelle räumte zwar ein, dass der Film, wenn er eine realistische Methode zur Fälschung von Fingerabdrücken, sofern es sie gäbe, darstellen würde, bedenklich für die öffentliche Sicherheit wäre, stellte aber abschließend fest, dass es sich bei der im Film gezeigten Methode nur um ein „Hirngespinst“ handeln könne. …“ | Aus: „Orlac’s Hände“ | Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Orlac%E2%80%99s_H%C3%A4nde (10. Januar 2022)

“ … Auch wenn Orlac nicht als verwundeter Soldat vom Krieg, sondern als verunfallter Pianist von einer Konzerttournee heimkehrt, ist kaum Dechiffrierungsarbeit vonnöten, zahlreiche Passagen des Films als allegorische Anverwandlung des Weltkriegstraumas zu interpretieren. … Bemerkenswert ist auch, dass Orlac nebst seinem […] Trauma (Unfallschock und Transplantation) die Nachwirkungen eines hinzugesetzten, mittransplantierten Traumas erlebt und von Phantomen heimgesucht wird, die auf eine Vergangenheit referieren, die nicht die seine ist, die er aber als die seine anzunehmen und zurückzuphantasieren beginnt. … „Das Phantom ist [ ] auch ein metapsychologisches Faktum. Das heißt, nicht die Gestorbenen sind es, die uns heimsuchen, sondern die Lücken, die aufgrund von Geheimnissen anderer in uns zurückgeblieben sind. […] Das Phantom ist eine Bildung des Unbewußten, deren Eigentümlichkeit darin besteht, daß sie niemals bewußt geworden ist, und zwar ist sie hervorgegangen aus dem […] Übergang aus dem Unbewußten eines Elternteils ins Unbewusste eines Kindes.“ (Nicolas Abraham, „Aufzeichnungen über das Phantom. Ergänzung zu Freuds Metapsychologie“, in: Psyche. Zeitschrift für Psychoanalyse und ihre Anwendungen 45, 8 (1991), S. 691-698: 692. [Frz. OA 1978.]) … Am Ende von Orlac’s Hände steht ein ordnungsstiftendes Phantasma, das Phantasma einer wiederhergestellten Identität und Integrität …“ | Aus: „Wittmann, Matthias: Hand/Gemenge. Über sichtbare und unsichtbare Hände in Robert Wienes Psychothriller ORLAC’S HÄNDE (1924). In: Hannelore Bublitz, Irina Kaldrack, Theo Röhle u.a. (Hg.): Unsichtbare Hände. Automatismen in Medien-, Technik- und Diskursgeschichte. Paderborn: Fink 2013 (Schriftenreihe des Graduiertenkollegs „Automatismen“), S. 61-89. | https://mediarep.org/bitstream/handle/doc/4665/Unsichtbare_Haende_61-89_Wittmann_Hand_Gemenge_.pdf



// Robert Wiene (* 27. April 1873 in Breslau; +  15. Juli 1938 in Paris)
// https://de.wikipedia.org/wiki/Robert_Wiene

// Hans Walter Conrad Veidt (* 22. Januar 1893 in Berlin; +  3. April 1943 in Hollywood, Kalifornien, USA)
// https://de.wikipedia.org/wiki/Conrad_Veidt

[Zur Begegnung mit Phantomen… ]


… Phantom ist ein deutscher Spielfilm von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahr 1922. Der Film wird der Stilrichtung des Expressionismus zugerechnet und entstand nach der gleichnamigen Erzählung von Gerhart Hauptmann. … | >> https://de.wikipedia.org/wiki/Phantom_%281922%29

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“ … [Ein Phantom ist das, was nicht loslässt, in Gestalt einer trügerischen Vergangenheit, die nicht aufhört, oder einer verheißenen Zukunft, die nicht anfängt.] … Täuschung der Sinne tritt für Purkinje im Rauschzustand ebenso auf wie in Traum und Wahnsinn. Kaum verwunderlich ist daher, dass Begegnungen mit Phantomen und Schwindelerfahrungen um 1800 in Wissenschaft wie Unterhaltungskultur gleichermaßen Aufmerksamkeit zuteil wird. Phantome haben gerade wegen ihrer prekären Stellung zwischen Faktum und Fiktion, zwischen Taumel und Täuschung Faszination erregt. … Die Zeit des Phantoms ist aus der Zeit gefallen, eine Spalte bzw. Verzögerung in der Zeit, eine unmögliche Zeit zwischen Traumzeit und Erwachen. Seine Gestalt ist, wie Kracauer unterstreicht, „erschwindelt“, sie ist immer schon im Verschwinden begriffen, nicht greifbar deshalb. Im Übergang vom Erschwindeln zum Verschwinden gerät die Sprache selbst in den Taumel einer bildmächtigen Metaphorik, die ihren Gegenstand mehr umtänzelt als ergreift. … Die Filmleinwand fungiert generell als Blickscharnier, durch das sich Zuschauerblicke und Blicke in die Kamera kreuzen. Das gilt besonders für das frühe Kino, das Ansichten und Aktualitäten großstädtischen Lebens mit all seinen Zufällen auf Zelluloid gebannt hat […]. … Das Kino, das weiß auch Kracauer und das wussten schon die Kinotheoretiker der ersten Stunde, ist die Heimat der Phantome. Das bewegte Lichtbild nimmt den Menschen wie den Dingen ihre Räumlichkeit und Dichte, macht aus ihnen unheimliche Schemen. Das hebt Herbert Tannenbaum ausdrücklich hervor: „Durch das Fehlen jeder seelischen Tiefe entwachsen die Personen des Lichtbildes gänzlich ihrer irdischen Bodenständigkeit: sie werden zu eigenartigen, triebhaft lebendigen, bewegten Phantomen, sie werden unheimlich, phantastisch.“ … Die „besondere poetische und psychologische Möglichkeit“ des Films sieht Balázs deshalb besonders darin, „daß er das Verhältnis von Traum und Träumer zueinander darstellen kann“ […] … Das eigentliche Skandalon ist jedoch, dass der Film keinen kategorialen Unterschied zwischen Dingen und Phantomen, Gedachtem und Geträumtem macht. […] … Phantome sind [] immer schon da als „analogische Vorstellungen unserer Sinne“ bei Kant, als „Vor-Dinge“ …“ | >> Aus: „Phantome – Begegnungen mit dem Ungewissen“ Petra Löffler (1997) | >> http://edoc.hu-berlin.de/ilinx/1/loeffler-petra-97/PDF/loeffler.pdf (24 Seiten)