Schlagwort: Nichts ist jemals mit Gewissheit auszuschließen

[Das Reale, Symbolische und Imaginäre #2… ]

“ … Als Lanyon der Polizei im Labor den Übeltäter verrät, verwandelt Dr. Jekyll sich erneut in Mr. Hyde und wird von der Polizei erschossen. Ein letztes Mal verwandelt sich Mr. Hyde in Dr. Jekyll zurück. …“
Dr. Jekyll und Mr. Hyde (1931) | https://de.wikipedia.org/wiki/Dr.Jekyll_und_Mr._Hyde(1931)

-.-

Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre (RSI) – Die drei Strukturbestimmungen des Subjekts Reales, Imaginäres und Symbolisches sind in der Struktur eines Borromäischen Knotens miteinander verbunden, das heißt: Jedes dieser „Register“ des Psychischen bedingt die anderen beiden, so dass die drei Begriffe eine unauflösbare Einheit bilden. … [Wikipedia, „Das Reale“ (02/2013)]


kurier.at (15.03.2017, 12:36): “ … Er ist der Filmproduzent mit dem richtigen Riecher: Harvey Weinstein wird 65. Wer in seiner Gunst steht, kann im Handumdrehen zum Hollywood-Star werden …“ | https://kurier.at/stars/harvey-weinstein-wird-65-wie-tickt-der-maechtigste-mann-hollywoods/251.902.842

“ … Eigentlich klingt die Mär von der Besetzungscouch ja derart abgeschmackt, dass sie nicht einmal mehr für schlechte Witze taugt. Nun stellt sich heraus, dass die Realität leider genauso abgeschmackt ist. … Wer [Harvey Weinstein] einmal auf dem Filmfest in Cannes sah, wie er durch die Rue d’Antibes eilt, mit einem halben Dutzend, handybewehrter (männlicher) Assistenten im Schlepptau, die abwechselnd nach vorne zum Chef eilen, um ihm das nächste Telefonat zu reichen, vergisst diesen Anblick der zur Schau gestellten Macht nicht mehr. Produzenten wie Weinstein jonglieren mit vielen Millionen Dollar, sie haben tatsächlich das Potenzial, Karrieren zu kreieren oder zu zerstören. In der Branche, so heißt es jetzt, war Weinsteins Sexismus ein offenes Geheimnis, ebenso wie sein cholerisches Wesen. … Lisa Bloom, jene beratende Firmenanwältin, nennt ihn jedenfalls einen „alten Dinosaurier, der neue Wege lernen muss“. Man kennt das, vom kürzlich gestorbenen Playboy-Herausgeber Hugh Hefner bis zu US-Präsident Donald Trump … [Und da ist] die politische Dimension. Weinstein gilt als Liberaler, er hat die Demokraten mit großzügigen Spenden unterstützt und soll während des diesjährigen Sundance Filmfestivals in Park City beim Women’s March gegen Trump mitdemonstriert haben. …“ | http://www.zeit.de/kultur/2017-10/harvey-weinstein-sexuelle-belaestigung-entlassung-weinstein-studios/komplettansicht

xy1 #15 (10.10.2017): “ … Ist es auszuschließen, dass gelegentlich auch Frauen ihm mal mit einem vielversprechenden Augenaufschlag begegnet sind, um eine bessere Rolle zu bekommen, oder um eine Konkurrentin auszustechen? …“

M Schäfer (10.10.2017): #15.1 (10.10.2017): “ … Nichts ist jemals mit Gewissheit auszuschließen, deshalb haben Vermutungen keinerlei Beweiskraft. …“

einervonvieren #17 (10.10.2017): “ … Jetzt mal Ernsthaft: Wir leben in einer Zeit, wo der Wirtschaftsliberalismus und Homo Oeconomicus in weiten Kreisen als unzweifelhaft richtig dargestellt wird. Überwiegend auch in der „Zeit“ . Wenn jetzt Weinstein nichts strafrechtlich relevantes getan hat, wo liegt den dann, unter Berücksichtigung des o.a. Wirtschafts- und Menschenbild, das Problem. Er hat sein Bedürfnis (Sex) gegen das Bedürfnis eines anderen (Erfolg) angeboten. Angebot und Nachfrage. Der Markt! – Ich kenne FDP-Wähler mit denen man ernsthaft darüber diskutieren konnte, dass man über seine Organe frei bestimmen kann, also auch zum Kauf anbieten können müsste. …“

roland_s #17.1 (10.10.2017): “ … Worin das Problem liegt? Dass Männer wie Joseph Fiennes, Ben Affleck, John Goodman, Colin Firth, Brad Pit, Christoph Walz, Leonardo di Caprio, Liam Neeson oder John Reilly nicht über die Besetzungscouch mussten, um in Filmen wie Shakespeare in Love, The Artist und The King’s Speech, Gangs of New York, Inglorious Basterds, Django Unchained oder The Hateful Eight mitspielen zu können. Wer darin kein Problem sieht, hat den Schuss nicht gehört. …“

fiesematente #17.2 (10.10.2017): “ … Und Ryan Gosling? …“

Nachtrag #1

(11. Oktober 2017): “ … Das Ausmaß der Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein nimmt immer drastischere Formen an. Wie das Magazin „New Yorker“ berichtet, werfen drei Frauen dem 65-jährigen vor, sie vergewaltigt zu haben. … Schon zuvor hatte sich Weinstein entschuldigt und eine Auszeit angekündigt, um seine „Dämonen“ in den Griff zu bekommen. Er befindet sich Medienberichten zufolge in Europa, um sich in einer Einrichtung ärztlich behandeln zu lassen. … Manche Vorfälle reichen laut „New York Times“ fast drei Jahrzehnte zurück. Mit mindestens acht Frauen habe Weinstein sich außergerichtlich geeinigt. …“ | http://www.stern.de/lifestyle/leute/-es-war-ein-albtraum—-harvey-weinstein-soll-mehrere-frauen-vergewaltigt-haben-7655940.html

(10.10.2017): “ … So soll Weinstein sich vor der TV-Journalistin Lauren Sivan (39) ohne deren Einverständnis im Keller eines Restaurants selbst befriedigt haben. Die beiden sollen sich in dem inzwischen geschlossenen Restaurant Cafe Socialista kennengelernt haben, das unter anderem dem Filmproduzenten gehörte. Nach einem ungefähr zehnminütigen Gespräch habe Weinstein sie gefragt, ob er sie herumführen dürfe. Anschliessend habe er sie in einen abgesperrten Restaurantbereich im Keller gebracht und versucht, sie zu küssen. «Als ich ihn abblitzen liess, sagte er: Dann steh dort und sei still», sagt Sivan in der TV-Show «Megyn Kelly Today». Anschliessend habe er begonnen zu onanieren und in eine Topfpflanze ejakuliert. …“ | https://www.blick.ch/people-tv/kino/eklige-details-im-sex-skandal-um-harvey-weinstein-er-hat-vor-mir-in-eine-topfpflanze-onaniert-id7438903.html

(11 October 2017): “ … Three women have accused Weinstein of raping them in a story published online by the New Yorker. Weinstein denied the claims through a spokesperson, saying any sexual activity was consensual. Gwyneth Paltrow, meanwhile, has described Weinstein’s attempt to lure her, then 22, into giving him a massage in a hotel room, while Angelina Jolie said she refused to work with Weinstein and warned other women against it after a „bad experience“ with him during her youth. An audio recording has come to light of a secretly recorded exchange in which Weinstein allegedly admits to groping the actress Ambra Battilana Gutierrez and tells her: „Don’t ruin your friendship with me. …“ | https://www.theguardian.com/world/2017/oct/11/wednesday-briefing-the-sins-of-harvey-weinstein

Nachtrag #2:

LiberalFreedomFighter (1:02 AM GMT+0200) “ … New Reality TV Show: Cosby, Trump, and Weinstein dropped on a desert island with nothing but a casting couch, a bottle of pills, and a tiny pair of latex gloves. Who wins? …“ | https://www.washingtonpost.com/news/arts-and-entertainment/wp/2017/10/10/harvey-weinsteins-behavior-was-a-dark-inside-joke-on-shows-like-entourage-and-30-rock/?commentID=washingtonpost.com/ECHO/item/0311a63d-f87d-4050-91bd-a97fff2463a2&outputType=comment&utm_term=.9cf137e2558b

Nachtrag #3:

Sabrina Markutzyk (18.10.2017): “ … „Ein Sexskandal trifft die Traumfabrik ins Herz“, vermeldet die „Zeit“. „Süddeutsche“, „Focus“, „FAZ“, „Bild“, „Welt“ – der „Sexskandal“ ist überall, laut einem Tweet von heute.de „erreicht der Sexskandal um Weinstein“ jetzt sogar Amazon. Offenbar hat das schlimme Virus Roy Price, den Unterhaltungsspartenchef des Online-Unternehmens, ebenso „getroffen“ wie den Mann aus Hollywood. Und die Redakteure in beinahe allen deutschen Medienhäusern gleich mit. Auch der Tagesspiegel verwendete den Begriff in Tweets und einer Online-Überschrift – und änderte sie nach Kritik aus der Redaktion. Denn es geht hier mitnichten um einen „Sexskandal“. … Wenn ein verheirateter CSU-Politiker unehelichen Sex hat, mag das ein „Sexskandal“ sein. Wenn sich Männer eines Versicherungskonzerns Prostituierte auf Firmenkosten leisten: ein Sexskandal. Wenn ein mächtiger, reicher Mann einer Frau droht, ihr Leben zu zerstören, wenn sie sich seinen sexuellen Übergriffen entzieht, ist das: kein Sexskandal. Machtmissbrauch … Es geht um Unterdrückung und Gewalt. … Wer „Sexskandal“ schreibt und Missbrauch meint, reproduziert – absichtsvoll oder aus dem Automatismus des meistverwendeten Hashtags heraus – ein System, das das Leid der Opfer missachtet. Wer Missbrauch als „Sexskandal“ bezeichnet und sich im gleichen Atemzug wundert, dass Opfer nicht sprechen, hat das Problem nicht verstanden. Es heißt: „Rape Culture“, eine Kultur, in der sexuelle Gewalt verharmlost oder sogar toleriert wird. …“ | http://www.tagesspiegel.de/politik/hollywood-produzent-weinstein-vergewaltigung-ist-kein-sexskandal/20468434.html

Nachtrag #4:

Christian Vooren (18.10.2017): “ … Die Sängerin Björk warf bereits vor einigen Tagen dem Regisseur Lars von Trier indirekt vor, sie sexuell belästigt zu haben. Von Trier habe sie wiederholt gegen ihren Willen gestreichelt und umarmt und ihr ungewollte sexuelle Anspielungen zugeraunt, oft verbunden mit eindeutigen Handbewegungen. Von Trier bestreitet die Vorwürfe und behauptet lediglich, Björk sei „schwierig“. … Mittlerweile trat auch der Chef der Amazon Studios, Roy Price, zurück. Auch ihm wurde vorgeworfen, eine Mitarbeiterin sexuell belästigt zu haben. Er soll ihr unter anderem 2015 in einem Taxi gesagt haben, sie werde seinen Penis lieben. …“ | http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/weinstein-skandal-albtraeume-aus-der-traumfabrik/20471950.html

Nachtrag #5:

Georg Seeßlen (22. Oktober 2017): “ … Das alte, reaktionäre Modell zur Casting-Couch-Mythologie – und es ist wahrlich nicht verschwunden – lautet [ ]: Wer sich in dieses System begibt, tut es freiwillig, mit der Hoffnung auf den eigenen Vorteil, er hat unsere Warnungen gehört, es geschieht ihm recht, es soll nur möglichst nichts von diesem Verhalten nach außen dringen. Im abscheulichsten, aber nicht auszurottenden Bild ist die unattraktive Frau ja nur neidisch auf die attraktive, die sich „nach oben schläft“. … Die Verhaltensweisen von Trump oder Weinstein lassen sich nicht nur als Rückfälle in barbarischen Machismo lesen, sondern auch als exzessive Auslegungen neoliberaler Gepflogenheiten. So wird aus dem offenen Machtspiel das heimliche Wettbewerbsspiel. … Hollywood war und ist auch in dieser Hinsicht Avantgarde: Man lebt hier zugleich den Traum von Liberalität, Gleichberechtigung, Respekt, Korrektheit und Solidarität und den alten Traum von Sexualität als Preis, Beute, Gespenst und Hierarchie. Früher hat man vereinfachend „Doppelmoral“ zu einem solchen Verhalten gesagt. Aber es reicht vermutlich tiefer. Es ist wirklich eine Art von Bewusstseinsspaltung, was sich da zeigt. … Jedes System, das aus Macht, Abhängigkeit und Karrierehoffnung besteht, besteht auch aus sexueller Unterdrückung, Korruption und Demütigung. Wo das anfängt? Vielleicht schon im gockelhaften Benehmen des Filialleiters? In der Bereitschaft, eine Schmeichelei als Währung einzusetzen? In den symbolischen Gesten erotischer Zugehörigkeit? Im Büroklatsch und in Spitznamen? Wer weiß. Und wohin würde eine gesteigerte Sensibilität für die sexuelle Korruption führen, wenn nicht zur Dysfunktionalität des Systems selbst? Also beschränken wir uns im Allgemeinen auf die Frage: Wo muss das aufhören? Es ist also ein drittes Vertrauen notwendig, um überhaupt miteinander arbeiten zu können, nämlich das Vertrauen in die Fähigkeit eines solchen Systems, Regularien für die Praxis zu entwickeln. Und das umfasst auch die Fragen (die Fragen, die wiederum jeder Film stellt): Wieviel dürfen wir sehen? Was sehen alle, und was nicht? Welche Metapher soll entschlüsselt werden? Wo bin ich Zeuge, wo Komplize, wo Mitautor? … Kann jemand sich über das Verhalten von Harvey Weinstein empören, der zugleich Aussagen unterschreiben würde wie „Macht macht sexy“, oder der vom „Eros des Erfolgs“ spricht? Wie viele Menschen beiderlei Geschlechts haben Trumps Übergriffe als gesundes männliches Verhalten bezeichnet? Die westliche Gesellschaft funktioniert nicht so, wie sie es sich gern glauben macht. Also muss es Opfer geben; der Hyde muss vernichtet werden, damit Dr. Jeckyll immer wiederkehren kann. …“ | http://www.zeit.de/kultur/film/2017-10/sexismus-hollywood-harvey-weinstein-sexueller-missbrauch/komplettansicht

rumbati #33 “ … Aufschrei der Heuchler – Der Opportunismus der Verdammung hat den Opportunismus der Andienung abgelöst. Die gestern noch vor Weinstein den Diener machten, um teilzuhaben an seinen Segnungen, sind heute die Eilfertigsten in Sachen Verdammung, Medien eingeschlossen. Das, was Weinstein vorgeworfen wird, wurde in Showbusiness, Politik und Medien als eine Art Selbstverständlichkeit hingenommen und stillschweigend akzeptiert. … „

alliance1979 #39 “ … Gut und Böse sind abgesteckt, aber so ziemlich niemand stellt die wirklich entscheidenden Fragen. Letztendlich dreht sich alles um ökonomische Abhängigkeit und das Schwimmen mit dem Strom. Sich gegen etwas zu wehren, oder andere auf ihr Fehlverhalten aufmerksam zu machen, kostet Kraft und kann im Zweifel die eigene Existenz gefährden. Etwas zu verdrängen ist wesentlich leichter und sogar lukrativer. Ökonomisch und sozial ist es schlicht einfacher und lohnender Fehlverhalten zu ignorieren, es kann sogar von Vorteil sein Menschen, die sich falsch verhalten, in Ihren Handlungen direkt und indirekt zu bestärken. So machen viele Karriere.
Es hat nichts mit Hollywood oder der Filmbranche zu tun, es hat nichts mit dem Geschlecht zu tun, es liegt schlicht in unserer Natur mit dem Strom zu schwimmen. Unsere Gesellschaft beruft sich zwar gerne auf „ihre“ Helden, aber meist erst dann, wenn es bequem und sicher ist. Was hat etwa ein E. Snowden gewonnen? Wie viel hat er verloren?
Was riskiert ein Mann oder eine Frau, wenn sie oder er angibt missbraucht worden zu sein? Was kann der gewinnen, der Zeuge solcher Handlungen wird, wenn er dem Opfer zur Seite springt? Was riskiert er dabei? Letztendlich hängt es dann von der Stellung von Opfern und Tätern ab. Sich richtig und mutig, moralisch und ethisch zu verhalten, birgt einfach zu häufig keine wirklichen Vorteile. …“

Nachtrag #6:

Berichte über schwere sexuelle Belästigungen im EU-Parlament (derstandard.at, 23. Oktober 2017) “ … Die britische „Sunday Times“ und andere Medien hatte zuvor schwere Vorwürfe von Parlamentsmitarbeiterinnen öffentlich gemacht. So sollen männliche Abgeordnete Frauen auf verschiedene Weise sexuell bedrängt oder begrapscht haben. In einem Fall habe ein Parlamentarier vor einer jungen Assistentin masturbiert, schrieb die „Sunday Times“. Der Zeitung zufolge sind unter den Beschuldigten mindestens zwei deutsche Abgeordnete. Einer von ihnen wird sogar als „führend“ bezeichnet. …“ | https://derstandard.at/2000066549175/Berichte-ueber-schwere-sexuelle-Belaestigungen-im-EU-Parlament

Nachtrag #7:

Jagoda Marini (9.11.2017): “ … Zunächst einmal: Zwei Journalistinnen haben für die New York Times „Die Weinstein-Story“ bis in die Neunziger zurückverfolgt. … Wann hat die Presse die Aufgabe, Vergewaltigungen und sexuelle Nötigung zu einer Sache des öffentlichen Interesses zu erklären, und wann nicht? Ist die Belästigung von Leyla Soundso in einem Dorf in Mitteldeutschland, die einem gewalttätigen Chef ausgesetzt ist, für die Presse von derselben Bedeutung? Und selbst wenn sich die Lokalpresse hinter Leyla Soundso stellte, käme ihr in ihrem Ort dieselbe Solidarität entgegen, wie sie die Welt nun den Reichen und Schönen entgegenbringt? … Die meisten Fälle, die unter #MeToo bekannt wurden, fanden in beruflichen Kontexten statt. Kontexte also, in denen die Macht oft bei Männern liegt und unter Frauen wenig Solidarität herrscht. Mangelnde Solidarität unter Frauen, die Erfolg haben, ist ein Grund, weshalb Männer an der Macht es oft so leicht haben, den Kuchen unter sich aufzuteilen. Auch dahingehend ist #MeToo vielleicht der Anfang von etwas Besserem. Das wird es jedoch nur sein, wenn wir differenzieren lernen. Es gibt eine Sphäre zwischen Mann und Frau, zwischen Menschen, gleich welcher sexuellen Orientierung, die geheimnisvoll ist, in der beide, frei nach Büchner, „Dünnhäuter“ sind. Diese Debatte über sexuelle Selbstbestimmung sollte jetzt nicht wie eine Walze über all jene Momente rollen, in denen auch Erotik oder sexuelle Anziehung ihren Platz haben. Sie verlangt von Männern mehr Feingefühl und Selbstbewusstheit. Von uns Frauen verlangt sie das auch. …“ | http://www.taz.de/Debatte-Sexualisierte-Gewalt/!5457949/

-.-

Nachtrag #8:

taz.de, (12.2.2018)“ … WASHINGTON dpa | Nach neuen Enthüllungen über sexuelle Übergriffe hat der US-Bundesstaat New York den gestürzten Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein und dessen früheres Unternehmen verklagt. Die Führungskräfte der Weinstein Company und auch Weinsteins Bruder Robert hätten es wiederholt nicht vermocht, die Angestellten vor „unablässiger sexueller Belästigung, Einschüchterung und Diskriminierung“ durch Weinstein zu schützen, hieß es in der am Sonntag eingereichten Klage. Damit hätten sie vermutlich wiederholt die Gesetze des Staates New York gebrochen, da Angestellte gefährdet worden seien, teilte der New Yorker Staatsanwalt Eric Schneiderman mit. Die Klage sei Ergebnis von vier Monate andauernden Ermittlungen, in denen „neues und ungeheuerliches“ sexuelles Fehlverhalten enthüllt worden sei, hieß es weiter. In den neuen Anschuldigungen werden Drohungen Weinsteins zitiert. So soll er einigen Angestellten gesagt haben: „Ich werde dich töten“, „Ich werde deine Familie töten“, „Du weißt nicht, was ich tun kann“. Er habe Beziehungen zu mächtigen Menschen, die „sich um Probleme kümmern könnten“.
Weinsteins Anwalt Ben Brafman teilte der Deutschen Presse-Agentur in einer Mail mit, falls Schneiderman eine faire Ermittlung durchführen würde, würde sich zeigen, dass viele der Anschuldigungen gegen Weinstein unbegründet seien. „Auch wenn Weinsteins Verhalten nicht fehlerfrei war, war es mit Sicherheit nicht kriminell“, schrieb Brafman. Weinstein habe mehr Frauen in leitende Positionen als jeder andere Unternehmenschef gebracht. In seinen Unternehmen habe es „null Diskriminierung“ gegeben. Wenn es das Ziel der Untersuchung sei, zu Reformen in der Filmindustrie zu ermutigen, werde Weinstein die Ermittlungen akzeptieren. Wenn er allerdings zum Sündenbock gemacht werden sollte, werde er sich selbst energisch verteidigen. Weinstein war im Oktober von seiner Firma entlassen worden. Zahlreiche Frauen, darunter Schauspielerinnen wie Salma Hayek, Ashley Judd, Gwyneth Paltrow, Angelina Jolie, Rose McGowan und Mira Sorvino haben Weinstein öffentlich sexuelle Übergriffe und Einschüchterungen vorgeworfen. Er hat in der Vergangenheit Fehlverhalten eingeräumt, aber Vorwürfe von nicht-einvernehmlichem Sex wiederholt zurückgewiesen. Er soll sich in Therapie befinden. …“ | https://www.taz.de/Neue-Anschuldigungen-nach-MeToo/!5483758/

-.-

Nachtrag #9

Beate Hausbichler (25.2.2020)“ … Das Urteil gegen Harvey Weinstein ist ein Erfolg von MeToo, aber es gibt noch viel zu tun … Es braucht dringend einen Kulturwandel und endlich auch eine kritische Selbstreflexion der Beschuldigten. Placido Domingo macht es gerade vor: Lange bestritt er, gegenüber Frauen übergriffig geworden zu sein. Nun entschuldigte er sich öffentlich und kündigte an, volle Verantwortung übernehmen zu wollen. Es ist etwas in Bewegung, so viel steht fest. …“ | https://www.derstandard.at/story/2000115023300/feministischer-etappensieg

Nachtrag #10

Christiane Peitz (28.07.2020): “ … Es folgte die Erkenntnis von Weinsteins Verhaltensmuster. Schon die ersten Gespräche, teils am anderen Ende des Kontinents oder in London geführt, förderten Varianten des immergleichen Settings zu Tage: Hotelzimmer, Bademantel, Champagner, Massage, Masturbation, Schmeicheleien, rüde Drohungen. Ob Ashley Judd, Laura Madden in Irland, die 1992 als 22-Jährige von Weinstein belästigt wurde, die ehemalige Londoner Miramax-Büroleiterin Zelda Perkins oder die Mitarbeiterin Emily Nestor an ihrem ersten Arbeitstag 2014 – sie alle hatten ähnliches erlebt. Und alle zögerten, hatten Angst. Das Buch erzählt auch, wie tief das Trauma sitzt.
Hinzu kam das Schweigekartell der Mitwisser rund um den Täter, vom Finanzmanager der Weinstein Company bis zu den Assistentinnen, die die Treffen mit „Weinsteins Freundinnen“ (es gab eine Liste) zu managen und ein Penis-Medikament gegen erektile Dysfunktion zu besorgen hatten. Die ganze Struktur, die auf Scham, Schuldgefühlen, Machtmissbrauch und Sorge um die Firma basierte.
Zwei besonders erschütternde Kapitel sind dem Rechtssystem in den USA gewidmet und den teils kriminellen Methoden des Weinstein-Teams beim Versuch, die Veröffentlichung des Artikels zu verhindern. Die weit verbreitete Vergleichspraxis verbannt Opfer ganz legal zum Schweigen. Versuche, die Gesetzgebung zu ändern, wurden unter anderem von Staranwältin Gloria Allred torpediert, die im Weinstein-Prozess eines der Opfer vertrat. Auch andere feministische Anwältinnen verdienten ein Vermögen mit solchen Vereinbarungen. Üblich sind 30 Prozent Anwaltsanteil.
Es sind nicht nur Männer. Lisa Bloom, Allreds Tochter und damals Weinstein-Beraterin, versprach ihrem Klienten, bei Google eine Art Firewall gegen kritische Weinstein-Artikel zu errichten. Agenten der israelischen Firma Black Cube wurden eingeschaltet, die teils mit Ex-Geheimdienstlern auf die Investigativjournalistinnen angesetzt wurden. Dazu gehörte auch eine Frau, die unter falschem Namen operierte und Jodi Kantor unter fadenscheinigen Vorwänden kontaktierte, um ihr Informationen zu entlocken. Von Kriegsführung ist die Rede, keine übertriebene Formulierung. … Die gute Nachricht: Über 80 Frauen, die von Weinstein behelligt wurden, sind seitdem an die Öffentlichkeit gegangen, auch Gwyneth Paltrow, die lange nicht namentlich genannt werden wollte. Zahlreiche mächtige Männer, die sich für sakrosankt hielten, verloren ihre Posten. … Die schlechte Nachricht: Die Strukturen und die Vergleichsgesetzgebung haben sich nicht geändert. Auch die Institutionen nicht – so das Fazit des Schlusskapitels über Brett Kavanaugh, der 2018 Supreme-Court-Richter wurde, obwohl die Psychologieprofessorin Christine Blasey Ford ihn in einer öffentlichen Senatsanhörung der versuchten Vergewaltigung bezichtigte. Ford war ein „Einzelfall“, anders als die Weinstein-Opfer genoss sie zum Zeitpunkt der Anhörung nicht den Schutz der Menge. Auch Trump, über dessen sexuelles Fehlverhalten Megan Twohey schon 2016 berichtet hatte, ist noch im Amt. …“ | https://www.tagesspiegel.de/kultur/buch-zur-enthuellung-des-weinstein-skandals-das-bonobo-prinzip/26044930.html