Schlagwort: Nicht lösbaren Verwirrungen

[Gedankliche Abstufungen… ]

Man trägt immer diese Reste mit sich herum. Sie vervollständigen lückenhafte Bilder und manchmal sind sie sehr nahrhaft. Manchmal bleiben sie allerdings im Halse stecken, mal im eigenen und ein anderes Mal in dem von einem anderen.

Aus: „Reste“ (muetzenfalterin, März 28, 2012)
https://muetzenfalterin.wordpress.com/2012/03/28/reste/

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Als ich tot war, konnte ich in der Luft tanzen. Oh mein nicht existierender Gott im Himmel – ich denke Burnt Weeny Sandwich wird mit jedem Jahr besser. Die letzten 4 Jahre hatte ich vergessen Burnt Weeny Sandwich zu hören. Es gibt Unkraut auf dem Balkon. Die Blumen auf diesem blauen Planeten sind ein Wunder. Aber ich bin nicht auf dem Balkon. Ich muss ja arbeiten. Ich hatte vergessen, das es Burnt Weeny Sandwich überhaupt gibt. Da hilft kein Schmetterling-Sammeln und aufspießen. Das würde ich nie tun. Jede lebendige gelbe Löwenzahnblume hebt mich aus der Umlaufbahn der Gefühle. Julietta verschlag und rettete mich. Es ist Frühling.
Der Sonderbare Kerl biegt in die Seitenstraße ein. Er murmelt „Ja, ja, die nicht lösbaren Verwirrungen.“ – Er hält einen blauen Wagen an: „Bitte kurbeln Sie mal die Scheibe herunter – keine Angst. Ich werde ihre Probleme nicht lösen.“
Er beugt sich zum Fahrer: „Wenn ein Gedankenmodul ungefragt anspringt und eine Situation, mag sie in der Kindheit liegen, mag sie Teil einer Liebe gewesen sein, oder mag sie ein wie immer gearteter Ausdruck eines Konfliktes gewesen sein – und die Verwirrungen, die Verletzungen, das Verlangen, die Freuden, das Verbotene kennt viele Abstufungen. Schauen Sie mir in die Augen. Nur Mut! Wie sieht er aus? – Ich meine ihr ganz persönlicher seelischer Müllhaufen. Warum fahren sie weg?! – Wenn Sie die Welt zur Seite schieben verbrauchen Sie nur viel zu viel Energie!“
Der Wagen fährt weiter. Die letzten Worte verhallen in der Elisabethstraße. Der Fahrer schüttelt den Kopf und verdreht die Augen. Immer diese armen Irren. Ein anderer sonderbarer Kerl ruft von der anderen Seite des Bürgersteigs: „Aber der Gedankenapparat wird wieder und wieder alles Unverdaute durchspielen, es bekommt dann den Charakter einer automatisierten Gedankenarbeit. Es ist fast wie beim automatischen Schreiben. Dem einen nutzt es, den anderen quält es.“
Der andere sonderbare Kerl hebt seine Arme zum Himmel und ruft: „Wäre die Unlösbarkeit eines Konfliktes die Voraussetzung für die Gedankliche Wiederholung der Erinnerung – so ist jedoch der Charakter unser Erinnerungen durchaus verschieden. Nur unsere Köpfe lassen uns keine Ruhe – sieh dir Trinker an – wenn sie schon ganz betäubt sind – meistens müssen sie immer noch reden – aber die routinemäßigen Aufräumarbeiten des Geistes stoßen durchaus an ihre Grenzen!“
Ein Passant bringt sich in die Unterhaltung ein: „Der blaue Wagen ist weg. Aber ich bin mir manchmal selbst begegnet – als Kind. Ich hatte plötzlich dieses ungeheure Gefühl. Ich wusste intuitiv wie schwer es ist in einem solchen Alter. Ich konnte kaum an mich halten. Als mir die Tränen kamen, war es so ein befreiendes Gefühl.“ – „Warten Sie mal.“ sagte eine Frau mit Einkauftüten. „Meistens überfährt uns das Leben, wir kommen nicht mehr hinter her, die Dinge überholen uns, manchmal denken wir daran, aber es gibt diese Augenblicke, da kann ich ganz losgelöst sein, dann ist es als würde ich in der Luft tanzen. Alle Last fällt von den Schultern. Und wer will schon in einer Familie groß werden? Das muss man allein tun – Familien sind getränkt mit Wahnsinn – und jede große Liebe wird im Himmel beschlossen.“

Es ist Mai. Die Luft ist feucht. Und auf dem gegenüberliegenden Balkon, singt jemand mit einem weißen T-Shirt leise während er sich eine Zigarette dreht (from: „Valarie“; Burnt Weeny Sandwich, 1970):
Although you don’t want me no more
Oh, but it’s alright, alright with me
‚Cause you know, you’re gonna want me some day
Yes, you will want me, and I’ll run away