Schlagwort: Kunst

[Sprachgebrauch #14… ]

“ … Die Frage ist stets: Würden Natur, Technik und Kunst auch ohne Sprache „funktionieren“? Bei der Natur nehmen wir es gar als moralische Prämisse: Ökologisches Empfinden entsteht aufgrund des, nun ja, Dogmas: Die Natur kann ohne den Menschen auskommen, aber der Mensch nicht ohne Natur.

Bei der Technik genießen wir gelegentlich die Un-Sprachlichkeit ihrer Protagonisten, die Hilflosigkeit der Bedienungsanleitungen, den Kürzel-Jargon etc.

Bei der Kunst geraten wir, mit einer gewissen Wollust, an den Punkt, an dem man „eigentlich in Worten nicht mehr ausdrücken“ kann, was einen in Beziehung auf das Werk bewegt.

Was außerhalb der Sprache geschieht, will stets zugleich includiert und excludiert werden. Das heißt, zum Beispiel, die Technik kann nur durch Sprache „gezähmt“ werden, aber zugleich ist sie dieser Sprache voraus; die Kunst bedarf der Sprache (und es wird, spätestens seit dem Beginn des bürgerlichen Zeitalters) in gewaltiger Quantität über sie gesprochen, aber vor allem bedarf die Kunst der Sprache um in der Sprache selber auszudrücken, dass sie Mehr-als-Sprache ist. Die Kunst steht über der Sprache (so wie die Natur vor der Sprache war und die Technik vor der Sprache ist).

… In einer populären Denkfigur driften Kunst, Technik und Natur immer weiter auseinander. (Umso schärfer scheinen sie einander zu kommentieren.)

In der Katastrophe, in der Krise, im Skandal kommen sie, mit einem Schlag, mehr oder weniger, wieder zusammen.

Die Wirklichkeit, zweifellos, setzt sich aus Natur, Kunst und Technik zusammen (und aus noch einigem mehr). Das heißt, sie setzt sich aus Widersprüchen zusammen. Was diese Widersprüche überwinden soll, ist Mythos, Ideologie, Religion. Wirklichkeit ist ein unentwegter Kampf um die Hegemonie. …

Natur, Technik und Kunst sind nicht nur sprachlos, sondern erzeugen auch Sprachlosigkeit (in allem Geschwätz). Wer sagen soll, was Natur ist, gerät entweder ins Plappern oder an die Grenzen seiner Sprache. Wer der Kunst etwas sagen will, provoziert sie zu einem Verhalten, welches das Gesagte, das Sagbare sogleich überschreitet. Und es ist ein Wesenszug des Technischen, sich schneller zu entwickeln als das Sprachliche. …“

KL am 08 Aug 2012 um 07:59 Uhr: … Ob die „abendländische“ Kultur zu einem Bewußtsein kommen kann, das uns trotz technischer Beherrschung der von uns aus Substrat gemachten Apparate Respekt vor seiner Unbegreiflichkeit erlaubt?

Aus: „KUNST/ZEIT/SCHRIFT NR. 4/12“ von Georg Seeßlen
http://www.seesslen-blog.de/2012/08/02/kunstzeitschrift-nr-412/

[Zur Funktion der Künste… ]

Anthony Discenza – Installation view of Limits Of Poetry
=> http://www.cclarkgallery.com/dynamic/artwork_detail.asp?ArtworkID=1402

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Und wie legen Galeristen ihre Preise fest?

Don Thompson: Auf jeden Fall nicht nur, indem sie sich überlegen, was ein Künstler wert sein könnte. Die Preise spiegeln auch das Ansehen des Kunsthändlers: Wenn ein Superstar-Händler wie Larry Gagosian in New York ein Werk anbietet, dann erzielt es das Doppelte oder Dreifache dessen, was ein normaler Händler verlangen könnte. Das Werk ist allein dadurch schon teurer, dass die berühmte Galerie Teil seiner Geschichte wird.

Aus: „“Ein Drittel der zeitgenössischen Kunstwerke wird nie wieder die Preise von 2008 erzielen““ aus einem Interview mit Don Thompson Von Malte Herwig (Kunst|Heft 49/2009)
Quelle: http://sz-magazin.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/31707

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[…] „Die ökonomischen, emotionalen, ethischen und ästhetischen Probleme sind jedoch bis heute einer Verflüssigung nicht viel näher gekommen. Und so, wie die in ein übergreifendes Herrschaftssystem eingebettete Religion als Kirche in ihr emotionales Gegenteil geführt wurde – von deren inneren Schau als Befreiung zur veräußerlichten, bloßen Form als Unterdrückungs- und Machtinstrument, hat sich auch die Funktion der Künste für die Gesellschaft gewandelt, Museen sind heute Staats- und Markt-Kathedralen ökonomischer, und damit politischer, Kräfte.

Mit ihnen schreibt man die Geschichte des Kapitals auf perfideste Weise fort. Sie repräsentieren nicht mehr Erkenntnisse der philosophischen, sozialen und ästhetischen Reflexion, sondern ein Wertesystem von Shareholder Values, und könnten auch „Dow Jones Memorials“ oder „Gebäude zum Dax“ genannt werden. D.h. auch: der Begriff postmoderne Willkür ist schon wieder ein Gespenst, denn willkürlich ist da nichts. Nur sind es nun die Werte des angeblich freien Marktes, die den Tausch eines vermeintlich bohemiantischen Lebensgefühls gegen Börsenaktien tauschen lassen. Abstraktionswert Geld gegen einen seiner Inhaltlichkeit, Geschichtlichkeit und Geistigkeit beraubten Geschmackswert.

[…] Geschmacksfragen sind im heutigen Jargon Fragen der Schichten und Zielgruppen – Also doch: Klassenfragen. Aber die Hoffnung, die in der Kunst sich manifestiert, ist auf freie Entfaltung des frei entfalteten Individuums gerichtet, daß sich seiner gesellschaftlichen Bedingt- und Verhältnismäßigkeiten sensibel und intelligent bewußt ist.

[…] Es ist das Ringen um Freiheit und Ausdruck, daß in jeder Gesellschaft ständig bedroht ist. Besonders dann, wenn art bzw. kunstferne Kategorien ihre erkenntnistheoretischen und praktischen Ergebnisse negieren und als Frage von Angebot und Nachfrage in ein heuchlerisches System transformieren. …“

Aus: „“Wie lange wollen Sie noch beim ersten Schritt bleiben?“ (Joseph Beuys) – Modelle operativer Kunst zwischen Avantgarde und Anarchismus – Überlegungen zum Verhältnis von Kunst und Politik“
Aus einem Vortrag von Gunnar F. Gerlach gehalten im Rahmen einer Tagung der „Erich Mühsam Gesellschaft“ (Lübeck, 1996)
=> http://medienwatch.wordpress.com/modelle-operativer-kunst-zwischen-avantgarde-und-anarchismus-uberlegungen-zum-verhaltnis-von-kunst-und-politik/

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medienwatch & metainfo (gfok)
Medienrecherche: Politik | Wissenschaft | Kunstprojekte
Recherche | Wirtschaft | Politik | Kultur & Projekte (operativer) Kunst |
=> http://medienwatch.wordpress.com/

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FREE ART
Art’s role in society has undergone many drastic changes and is due for another right now. This is a new gospel intended for a generation of artists tragically forced to clutch cynicism as their only reliable conviction. To them The Art World is not only hopelessly outdated, but exploitative as well- an abusive Grandpa lurking in the distance. … (the jogging, 05/2010)
=> http://thejogging.tumblr.com/post/593355676/free-art-introduction-arts-role-in-society-has
=> http://thejogging.tumblr.com/post/591615653/download-a-pdf-of-the-full-essay-free-art-by

[NO GURU NO METHOD NO MASTER… ]

„…[Bei] Kunst und Liebe gibt es Gebiete, in denen die ihnen beiden konstitutive Eigengesetzlichkeit ihre Gültigkeit einbüßt: in der Warenförmigkeit und in der Prostitution. […] Wahrhaft autonome Kunst, das ist der ethische Kerngedanke der modernen Ästhetik, unterscheidet sich von der Ware dadurch, dass man sie nicht konsumieren, sondern allein anerkennen kann. Darin ähnelt sie nicht nur einem anderen Subjekt eher als einem dinglichen Objekt. Das Verhältnis zu ihr ist überdies einem Ideal von Liebe nachgebildet, bei der die erste Phase bloßer Verliebtheit überwunden, die rosa Brille euphorisch hemmungsloser Projektion auf den anderen abgelegt ist und dieser bedingungslos als anderer angenommen wird. Liebe existiert diesem Ideal zufolge nur unter den Bedingungen solcher Bedingungslosigkeit: sofern sie den anderen nicht zum Besitz macht, ihn weder idealisiert (das Idol der Persönlichkeit ist die Spiegelung von Besitz, sagt Adorno) noch zum Eigentum erklärt. Am Beginn wahrer Liebe steht demnach eine Erfahrung von Unverfügbarkeit der andere ist nicht für mich. Das negative Gegenstück hierzu ist der käufliche Liebesdienst. Denn dieser besteht nicht zuletzt darin, dass sich die Prostituierte dem Kunden als Screen für dessen Projektionen zur Verfügung stellt. Eben deshalb ist sie für diesen auch, anders als die Geliebte, austauschbar. Als Tabula rasa subjektiver Projektionen ist sie nichts als „sein“ Objekt. …“ | Aus: „DIE LIEBE ZUR KUNST UND DEREN VERKENNUNG – Adornos Modernismus“ von JULIANE REBENTISCH (Heft Nr. 52 / December 2003 „Liebe“) | https://www.textezurkunst.de/52/die-liebe-zur-kunst-und-deren-verkennung-adornos-/

“ … Um sich der Unterwerfung unter die gegebenen Verhältnisse die Ökonomisierung des Kulturellen, die Effizienzlogik, die Popularisierung kritischer Diskurse, die Verdummung öffentlicher medialer Räume entgegenzustellen […][…][Die] Repolitisierung des Kunstfelds, die, wie kürzlich Suely Rolnik, eine Psychoanalytikerin und Professorin aus Sao Paulo, formuliert hat, Kreativität mit Widerständigkeit zu verbinden sucht. Die globale Maschinerie des Kapitalismus funktioniert nämlich genau umgekehrt sie versucht unablässig, Kreativität und Widerstand voneinander zu trennen. … Nach der Idealvorstellung postindustrieller staatlicher Politik verwandeln sich Bildungseinrichtungen in effiziente, leicht kontrollierbare Managementschmieden, die anstelle denkender Bürger/innen neue Generationen von Konsument/innen (heute sanft „User“ genannt) und einsatzbereiter Bürokraten hervorbringen. Genau darum bestehe ich auf einer Repolitisierung des Kunst- und Kulturbereichs. Man kann, wie ich finde, kaum von einem offenen demokratischen Projekt der Kunst sprechen, wenn man nicht zugleich auch wieder an die Möglichkeit einer radikal-künstlerischen Erfahrung denkt, die sowohl als „open source“, als frei zugängliche Quelle, funktionieren könnte als auch die Möglichkeit eines Sprungs hin zu einer radikal-politischen Erfahrung innerhalb einer größeren Community birgt. Wir leben heute in einer Welt, die nur im Sinne eines oberflächlichen Trends multikulturell, tatsächlich aber ganz und gar nicht offen genannt werden kann. … Der Zuhälter, den wir … im kapitalistischen Kunstsystem erblicken können, kann aus einem „Engel“ in der Kunst schnell eine Hure machen. … “ | Bruchstücke aus: UMFRAGE – NO GURU NO METHOD NO MASTER – ZUR METHODE UND ZUKUNFT DER LEHRE – CHARLES HARRISON / ASTRID KLEIN / HANS HAACKE / THOMAS BAYRLE / GARETH JAMES / JUDITH HOPF / ALBERT OEHLEN / ERAN SCHAERF / MARINA GRZINIC / ROBERTO OHRT / RENÉE GREEN / JOHN MILLER / ALEXANDER ROOB) | Quelle: http://www.textezurkunst.de/NR53/tzk53_Umfrage2.htm