Schlagwort: Gift

[Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre #26… ]

Reife Kirschen (Horst Seemann East Germany, 1972)

David (Sonntag, 10. März 2019): “ … Die [ ] Veranstalter legten für das Programm ihre jeweiligen Vorlieben zusammen, um ein Festival zusammen zu machen: italienisches Genre-Kino und vergessene DEFA-Filme. Klingt komisch, erwies sich aber durch die Kontraste als äußerst interessant. [… Auffällig war die Diskrepanz in der Zuschauerstruktur zwischen den DEFA-Filmen und den italienischen Filmen: abgesehen von einem harten Kern an Dauerkartenbesitzern, die querbeet den Großteil des Programms besuchten, lockten beide Programmsegmente jeweils komplett einige Zuschauergruppen an, die das jeweilig andere Segment des Programms ignorierten.] … Der härteste Brocken, aber auch eine der interessantesten Sichtungserfahrungen, die das Paradies-Festival zu bieten hatte, war REIFE KIRSCHEN (Horst Seemann, 1972). … Wie der Film diesen fürchterlichen, provinziellen, patriarchalischen Spießbürgermief völlig hemmungslos abfeiert und zugleich ohne jegliche Scham tote Ehefrauen und kleine Kinder in Kinderwägen ausnutzt, um den Zuschauern große Gefühle abzuwürgen, ist schon ziemlich einzigartig und unfassbar anzusehen. Das macht REIFE KIRSCHEN auf die Dauer aber auch sehr unangenehm. Trotz nur 97 Minuten Laufzeit war er, zumindest mit gefühlten 140 Minuten, der längste Film des Festivals. … Nach der Projektion von REIFE KIRSCHEN sprach mich ein älterer Herr in der Kloschlange an und geriet über den Film ins Schwärmen: „Das war damals genau so, wie der Film es gezeigt hat!“, drückte er mit einer fast unkontrollierten, sehr erregten Freude aus. Für ihn waren da glückliche Erinnerungen geweckt worden… Des einen Gift ist des anderen Glückselixier. …“ | Aus: „Die cinephile Klasse kommt ins Paradies – Highlights beim 1. Paradies-Filmfestival in Jena, 4. bis 7. Oktober 2018“ (Sonntag, 10. März 2019), Quelle: https://whoknowspresents.blogspot.com/2019/03/die-cinephile-klasse-kommt-ins-paradies.html