Schlagwort: Foltergesinnung

[Dass diese Zerstörung stattfindet… ]

Jörg Diehl (02.07.2007):“ … „Ich habe nichts zu sagen“, war die Standardformel des damals 73-jährigen Barbie vor Gericht. Wie ein grinsender Automat wiederholte der ehemalige Lyoner Gestapo-Chef diese Worte, wenn ihn der Präsident der Kammer ansprach. …“ | http://www.spiegel.de/panorama/zeitgeschichte/ns-verbrecher-klaus-barbie-ich-bin-gekommen-um-zu-toeten-a-489560.html | [“ … Barbie war für die Folterung und Ermordung von Mitgliedern der Résistance unter ihnen Jean Moulin … in Südfrankreich verantwortlich. Barbie folterte mit Schneidbrennern, glühenden Schürhaken, kochendem Wasser und einer ganzen Sammlung an Peitschen, Werkzeugen und Knüppeln die bei Verhören vor ihm auf dem Schreibtisch lagen. Die Folter seiner Opfer zog sich teilweise über einige Tage hin, die viele nicht überlebten. … „] (6. Dezember 2014) >> http://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Barbie

“ … Der Heidelberger Rechtswissenschaftler Winfried Brugger [*] bedauert die „eminent starken Widerstände“ gegen die Idee eines staatlichen Folterrechtes, die „vermutlich in der Erfahrung des Dritten Reiches“ wurzelten, „das nach wie vor einen langen und düsteren Schatten auf Themen wie Folter wirft und das Ergebnis differenzierungslos vorher bestimmt.“ Das klingt, wie Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung vom 10.3.2003 kommentierte, „als hätten die Nazis eine ansonsten durchaus vernünftige Verhörmethode diskreditiert. Zu den Schandtaten der Nazis zählt demnach auch, daß man ihretwegen sich in Deutschland nicht unvoreingenommen über Folter unterhalten könne“. Der Mainzer Rechts wissenschaftler Volker Erb (2005) sieht in der Absolutheit des Folterverbots gar den „Geist des Totalitarismus“ und eine sicherheitspolitische Selbstabdankung des Staates. … “ | Aus: Rainer Mausfeld „Foltern für das Vaterland – Über die Beiträge der Psychologie zur Entwicklung von Techniken der Weißen Folter'“ (2009) >> Quelle: http://www.uni-kiel.de/psychologie/psychophysik/mausfeld/Mausfeld_Psychologie%20und%20Folter.pdf | [*] -> ([Brugger, W. (2000). Vom unbedingten Verbot der Folter zum bedingten Recht auf Folter, Juristenzeitung, 55, 4, 165-173. Brugger, W. (2006) Einschränkung des absoluten Folterverbots bei Rettungsfolter? Aus Politik und Zeitgeschichte (Bundeszentrale für politische Bildung), 36, 9-15.]) | >> http://de.wikipedia.org/wiki/Winfried_Brugger

Andreas Ross (09.12.2014, Washington): “ … Dick Cheney hatte gar nicht abgewartet, bis Feinsteins Ausschuss die an vielen Stellen geschwärzte, fünfhundertseitige Zusammenfassung des Reports ins Internet stellte. „Absolut, total gerechtfertigt“ sei das Vorgehen der CIA gewesen, bekräftigte der frühere Vizepräsident schon am Montag. Auch George Bush suchte die Kameras. Die Mitarbeiter der CIA, bekräftigte der damalige Präsident, seien Patrioten. „Was auch immer in dem Bericht steht: Wenn er ihren Beitrag für unser Land herabmindert, dann ist er voll daneben.“ Cheney legte noch nach: „Was mich betrifft, sollten diese Leute ausgezeichnet und nicht kritisiert werden.“ …“ | http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/amerika/cia-bericht-ueber-verhoermethoden-veroeffentlicht-13311951.html

CHRISTIAN GRÜNY (Zur Logik der Folter): “ … Dass diese Zerstörung stattfindet, und zwar nicht in einem unzugänglichen Außen, sondern inmitten der „Zivilisation“, und dass diese Zivilisation dabei nicht zusammenbricht, sondern ungestört weiter funktioniert, nimmt dem tatsächlich gelingenden sich Einrichten in der Welt die Unschuld. …“ | http://www.academia.edu/8203408/Zur_Logik_der_Folter (Publication Name: Gewalt Verstehen, hg. Burkhard Liebsch u. Dagmar Mensink, Berlin 2003)

lyam „Dünn ist die Decke der Zivilisation“ (12. Mai 2008):“ … In abschließender, freier Anlehnung an Benjamin: man muss, freiwillig oder trotz vehementen Abstreitens, eingestehen, dass es wohl keine Zivilisation gibt, die im Zuge ihrer beständigen Berufung auf ihren kulturellen Fortschritt und ihre ontologische Überlegenheit nicht auch ihre barbarische Rückständigkeit beweist. Das Verstörende daran ist aber: Unsere freiheitlich-demokratische „Zivilisation“ scheint mir die unverkennbar Scheinheiligste. …“ | http://willyams.wordpress.com/2008/05/12/dunn-ist-die-decke-der-zivilisation/

Rudolf Walther „Im Namen der Zivilisation“ (DIE ZEIT No. 23/1996)“ … Am schlechtesten schneiden Politiker und Militärs ab. Spätestens seit dem Wuillaume-Bericht vom 2. März 1955 wußten sie Bescheid, daß in Algerien gefoltert wurde. Aber so wie der Bericht den Tatbestand mit Euphemismen („Mißhandlungen“, „Übergriffe“ et cetera) verkleisterte, so redeten auch Politiker aller Couleur unter der Vierten wie unter der Fünften Republik nur selten Klartext. De Gaulle sprach von „einigen häßlichen Zwischenfällen“. … Sie [Rita Maran] interessiert sich für die ideologischen Versatzstücke, mit denen die Anwendung der Folter während des Krieges und danach gerechtfertigt, verdrängt und kritisiert wurde. Dazu untersucht sie die Texte und Reden von verschiedenen Gruppen von Akteuren: von Regierungsmitgliedern und Beamten, von Offizieren und Soldaten sowie von Intellektuellen. Ihr besonderes Augenmerk gilt der Ideologie der mission civilisatrice, das heißt der zivilisatorischen Mission, mit der sich die französische Kolonialpolitik seit dem 19. Jahrhundert kostümierte. Diese Ideologie konnte offen oder auch nur unterschwellig zur Legitimation dafür dienen, daß die Herren aus dem „Mutterland der Menschenrechte“ nicht daran dachten, die kolonisierten Menschen nach den eigenen universalistischen Standards von 1789 – liberté, égalité, fraternité – anzuerkennen. … “ | http://www.zeit.de/1996/23/Im_Namen_der_Zivilisation/seite-2

Kay Bourcarde (Folter im Rechtsstaat? – Die Bundesrepublik nach dem Entführungsfall Jakob von Metzler, 2004): “ … Gerne wird darauf hingewiesen, dass die Welt vor neuen Herausforderungen stünde. Nach dem 11. September 2001 müsse man sich neu orientieren und bisherige Maßstäbe verschieben. Im Kern läuft dies auf die Aussage hinaus, dass man in früheren, besseren Zeiten zwar ohne Folter auskam, nun aber, wo es ernst wird, nicht mehr darauf verzichten kann. … Die Folter, so hat es die geschichtliche Betrachtung gezeigt, ist in Europa abgeschafft worden, weil sie sich als unmenschlich und ungeeignet herausstellte. Nach wie vor wird rund um den Globus gefoltert, sehr zum Unbehagen der europäischen Staaten. Nun aber wird über ihre Anwendung ausgerechnet in eben jenem Europa erneut diskutiert, nicht mehr um Geständnisse zu erpressen, sondern um Leben zu retten. Ausgestattet mit diesem ehrenwerten Ziel erscheint die „Rettungsfolter“ nicht mehr ganz so verwerflich, in den Augen mancher Juristen ist sie sogar „sittlich geboten“. Folter, so die Aussage, widerspricht dem Rechtsstaat nicht, sondern kann gerade dem Schutz der Rechte seiner Bürger dienen. Diese Meinung, auch wenn sie derzeit zunehmend mehr Anhänger findet, überzeugt nicht. Sie überzeugt nicht, weil ihre Argumentation, … vielfach in sich unlogisch wird, wenn ihre Vertreter zwanghaft versuchen, ein menschenunwürdiges Mittel mit der Menschenwürdegarantie vereinbar zu machen. Ebenso wenig überzeugt es, Folter auf der strafrechtlichen Seite nachträglich mit Nothilfe zu legitimieren, denn der Staat kann sich nicht auf eine Norm beruft, die gerade dessen Abwesendheit regelt …“ | http://www.bourcarde.eu/texte/folter_im_rechtsstaat.pdf

“ … Das unausgesprochene Ziel des Folterers lautet: Ich will, daß du bereust, zu sein, wie du bist, daß du aufhörst, so zu sein, und dich danach sehnst, nicht mehr zu existieren. Erst dieser letzte Erfolg – daß das Opfer um seinen Tod bittet – krönt das Werk des Folterers, indem er es „rechtfertigt“. … Wenn wir betonen, daß jeder von uns zur Brutalität begabt ist und daß die Peiniger sich unter uns bewegen wie andere „Normalbürger“ auch, so könnte sich der Fehlschluß einschleichen, daß Folter nichts Pathologisches sei. Wer diese Meinung vertritt, hat wahrscheinlich einfach nur maßgebliche Gesellschaftsnormen verinnerlicht. Da wir Normalität nicht statisch verstehen, wird eine Epidemie auch durch weltweite Verbreitung nichts Gesundes. Die Foltergesinnung bezeugt, daß Identifizierung und Introjektion eines guten Objektes sehr mangelhaft stattgefunden haben; der Weg vom Ich zum Wir-Ich (Caruso) bleibt unbeschritten. … “ | http://www.raulparamoortega.de/Psychoanalytische_Bemerkungen_zur_Folter.pdf