“ … Es entstand ein verhängnisvolles Machtdreieck aus Postdemokratie, Finanzkapitalismus und Blödmaschine. Das eine ist ohne die anderen nicht zu denken, das eine ohne die anderen nicht zu kritisieren. …“
Aus: „LESUNG: Die Untüchtigen“
GEORG SEEßLEN, MARKUS METZ
BLÖDMASCHINEN – DIE FABRIKATION DER STUPIDITÄT“ (2011)
http://golem.kr/?p=822
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“ … Das Konzept der Maschine, auf das sich Metz und Seeßlen berufen, ist jenes, das Gilles Deleuze und Felix Guattari mit ihrem 1972 erschienen Buch „Der Anti-Ödipus“ in die Diskussion einbrachten. Maschinen werden da nicht als mechanistische Objekte gesehen, sondern als verschiedene gesellschaftliche Praktiken, die zusammen ein bestimmtes Ergebnis hervorrufen.
Demgemäß lassen sich die Blödmaschinen nicht genau verorten. Was sie sind, wo sie sind, wer sie bedient – das alles lässt sich nicht genau sagen. Was man aber sagen kann: Dieses Konzept der Maschine bricht eine alte linke Ideologie auf, denn die traditionelle Linke ging ja immer davon aus, dass der Einzelne im Grunde gut sei, dass er gerne klug wäre, dass er, wenn er nur könnte und es besser wüsste, sich ausschließlich mit klugen Dingen umgeben und nur Kluges konsumieren würde, und es nur deshalb nicht tue, weil ihm die Konzerne, die Medien, die Politik mit aller Macht davon abhielten, gescheiter zu werden. …
Wie jede andere Religion funktioniert auch die Religion der kolossalen Dummheit durch drei Impulse: das Interesse der Herrschaft, die Lust der Beherrschten und die Schwäche der Gegenkräfte. Anders gesagt: Wir sind so dumm, weil unsere Dummheit dem System nutzt; wir sind so dumm, weil es uns dann besser geht; und wir sind so dumm, weil es niemanden gibt, der uns die Käseglocke der Blödheit den entscheidenden Spalt breit öffnet. …
Über mehr als 750 Seiten hinweg beschäftigen sich die Autoren mit den verschiedensten Aspekten der Dummheit. Die dummen Dinge des Konsums werden ebenso abgehandelt wie Al Bundy oder die Simpsons. Alles hängt hier irgendwie mit allem zusammen; alles macht irgendwie blöd: das Kabarett, IKEA, Mercedes, Lidl, das freiwillige Totarbeiten von Angestellten, die Vermischung von Meinung und Kommentar in den Medien, die „Bild“-Zeitung, die Karnevalisierung der Politik.
Und so ist „Blödmaschinen“ dann ein verwirrendes Buch. Kluge Analysen finden sich darin ebenso wie ziemlich banale Abhandlungen über alltägliche Dinge. …“
Aus: „Blödmaschinen“ Gerhard Pretting (01.09.2011)
http://oe1.orf.at/artikel/285090
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Nebukadnezar Böhmam 04 Jun 2011 um 17:48 Uhr.
Aus der Zentrale der Blödmaschinen, dem »Office for Entrepreneurship« [Bürp für Unternehmertum] erhielt ich vor ein paar Tagen über den Univerteiler ein Angebot zu „Workshops in Unternehmensgründung, Business-Plan, Marketing und Vertrieb†inkl. einer Einführung in die Strategien des „Elevator-Pitchâ€; Alumni [http://de.wikipedia.org/wiki/Alumni] müllt mich mit dem Manager-Magazin zu, und ich kenne jede Drittmittelstatistik der Kollegen ohne zu wissen, wovon ihre letzte Veröffentlichung handelt. Das ist Blödmaschinenalltag in Reinform. …
Zu: http://www.seesslen-blog.de/2011/05/31/nachschriften-zu-den-blodmaschinen-1/
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„… eine Menge kluger Beobachtungen und witziger Formulierungen finden sich im Buch. Letztlich ist es aber zu schnoddrig, unfokusiert und von seiner Struktur Stückwerk. Nur deshalb auch die vielen bedruckten Buchseiten. Als fortgesetzte Zeitungskolumne oder Theaterstück böte das Buch Material, im Genre des wissenschaftlichen Diskurses, selbst eines Essays ist das Buch misslungen. …“
Aus: „Es gibt zu lange Bücher…“ Von Wolfgang Lederhaas, 20. Juli 2011
Rezension bezieht sich auf: Blödmaschinen: Die Fabrikation der Stupidität
“ … Der entscheidende Unterschied zu allen anderen Veröffentlichungen zum Thema ist, daß die Blödheit hier nicht als bloßes Doofsein (über das man sich, vor allem als „gebildeter“ Blödmann, gern und leicht erhebt) oder als monokausaler Medieneffekt beschrieben wird, sondern wirklich als „Maschine“, also als komplexe Struktur, bei der alle Beteiligten auf ihre Art mit drin hängen, die blöden Journalisten und Fernsehfritzen genauso wie die blöden Leser und Zuschauer, die blöden Dozenten genauso wie die blöden Studenten, die Twitterer wie ihre Follower usw.. Natürlich ist das Buch lang, vielleicht zu lang, aber unsere Gegenwart ist eben auch ZIEMLICH blöd, vielleicht auch schon zu blöd, um ihre eigene Analyse ertragen oder auch nur wahrnehmen zu können. Es ist ja auffällig, daß ein Buch, das in Netzkommentaren mit Bourdieus „Feinen Unterschieden“ verglichen wird […] in dieser Gegenwart nicht öffentlich wahrgenommen werden kann, in keinem größeren Feuilleton erwähnt wird, geschweige denn im Fernsehen, nirgendwo. …“
Aus: „Gut, aber zu kurz…“ Von Antiart, 22. Juli 2011
http://www.amazon.de/Bl%C3%B6dmaschinen-Die-Fabrikation-Stupidit%C3%A4t-suhrkamp/dp/3518126091/ref=pd_sxp_f_pt
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“ … Die Gewalt zwischen Demonstranten und Polizisten zum Beispiel, die in erschreckend bedenkenlosem Maße von Regierungen in Deutschland, Italien oder Griechenland erzeugt wird, funktioniert unter anderem deswegen, weil man sich, obwohl „Kleinbürger“ auf beiden Seiten, gewiss, was die ökonomische und soziale Situation anbelangt, gegenseitig als Mensch nicht mehr vorstellen kann. Dabei muss man sich vorstellen, dass der Polizist und die Polizistin, kaum zu Hause und der Uniform entledigt, die selben Probleme und Interessen haben würde, wie der Demonstrant und die Demonstrantin, und umgekehrt wäre für diese, an anderem Ort, die Polizei Instrument eines demokratischen Staates, der genau dies als Recht und Pflicht beinhaltete: Sich den Anderen vorstellen.
Kann, wer sich den Anderen vorstellen kann, diesen mit Steinen, Schlagstöcken oder Tränengas traktieren? Die konkrete Frage lautet: Wer oder was hat Interesse daran, den Menschen die Fähigkeit zu nehmen, sich den Anderen vorzustellen? Sich den Anderen vorzustellen heißt nicht, keinen Zorn zu empfinden. Es heißt, auf einen Interessenkonflikt zu reagieren, und nicht auf eine Normverletzung. Ein Polizist, der sich den Anderen vorstellen kann, müsste in sich eine Trennlinie ziehen können zwischen einer angemessenen Realisierung des Rechtsstaates und seinem Missbrauch in einem ökonomisch erzeugten Bürgerkrieg. Er oder sie müsste das Recht dazu haben; er oder sie müsste. …“
Aus: „Nachschriften zu den „BLÖDMASCHINEN†(2)“ von Georg Seeßlen (30.06.2011)
http://www.seesslen-blog.de/2011/06/30/nachschriften-zu-den-blodmaschinen-2/
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Georg Seeßlen, 1.6.2011:“… Als Blödgemachter muss ich mir daher immer wieder ein Ventil für dieses Unbehagen suchen. Dieses Ventil ist dann selbst wieder ungeheuer intelligent, weil es nicht nur nicht blöd ist, sondern auch die Analyse der Blödheit beinhaltet. Lange Zeit war das auch eine praktikable Strategie der Kritik, zu sagen: Da, wo das Blöde wächst, wächst auch das Subversive. Der Schlüsselbegriff dazu ist seit einem halben Jahrhundert die Ironie. Man kann die Bild-Zeitung wie ein dadaistisches Gesamtkunstwerk lesen oder, wie Enzensberger meinte, das Fernsehen als buddhistisches Nullmedium begreifen. Wenn man sich aber die Leute vor dem Fernsehen ansieht, muss man feststellen: Das stimmt leider nicht. Die Verblödung des Intellektuellen ist die Ironie. …
… Al Gore hat im Fernsehen ein recht vernünftiges Programm vorgestellt, das aber vom Publikum abgelehnt und als elitär empfunden wurde. Die Wahlkampfberater haben ihm daraufhin empfohlen, nicht so intelligent daherzuschwafeln, mehr Fehler zu machen und über den eigenen Hund zu reden. Tatsächlich gingen die Umfragewerte dann wieder nach oben.
… Blödmaschinenstürmer wären […] Neobarbaren, die aufhören würden, überhaupt wissen zu wollen. Auch das ist keine wirklich erfreuliche Vorstellung. … “
Aus: „“Blödheit ist ein sozialer Drogencocktail““
Autoren: Thomas Edlinger, Fritz Ostermayer (1.6.2011)
http://www.falter.at/web/print/detail.php?id=1411
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“ … Von den „Veränderungen des Menschenbildes und der Gesellschaftsform“ in Neoliberalismus und Postdemokratie handelt das 780 Seiten starke Buch und diagnostiziert „eine fundamentale Veränderung in der Art, wie gegenwärtig der öffentliche Raum organisiert wird und wie man ihn betritt.“
Aus der enzensbergerschen Bewusstseinsindustrie ist für die Autoren in der Phase des Neoliberalismus die Verblödungsindustrie geworden. Es gibt heute, und das ist der Unterschied zu den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, keine Trennung mehr von Sendern und Empfängern. Der Terminus Maschine wird von den Autoren gewählt, weil Eigner, Maschine, Maschinisten, Händler und Konsumenten in einem maschinellen Regelkreis sich gegenseitig zuarbeiten: Blödmaschinen als kulturelle Subsysteme sind verblödend und verblödet in einem, Produzent wie Konsument eint der gemeinsame Genuss an der Verblödung und, so lautet ein Kernsatz der Autoren, das „Wesen (und das Rätsel) der Blödmaschine (ist) nicht die Blödheit selbst ( … ), sondern das Einverständnis“ mit ihr. …
Ein Grundkennzeichen der Blödmaschine ist, dass sie um jeden Preis unterhalten will. Blödmaschinen haben immer ihr eigenes Wachstum im Auge, so erzeuge eine andauernde Produktion von Unterhaltung einerseits Überdruss, andererseits den Wunsch nach noch mehr und immer neuer, blöder Unterhaltung. Diese Grundbedingung der Kommunikation im öffentlichen Raum produziere auf dem Gebiet der Wahrnehmung, der Schlussfolgerung und Kritik, den einstigen Grundlagen des Denkens und des bürgerlichen Subjekts, gravierende Verschiebungen: Die genaue Wahrnehmung, das genaue Schließen und die fundierte Kritik sind den Blödmaschinen suspekt und werden von ihnen bekämpft oder, und, dies ist das Tückische an ihnen, integriert:
„So wie die alten Blödmaschinen (die Kirchen, die Herrschaft, die Wissenschaft) immer auch Weisheit und Dissidenz erzeugten, so erzeugen die neuen Blödmaschinen (Medien, Mode, Waren) Subversion und Ironie, möglicherweise als paradoxes Symptom ihrer Aktivierung.“
Als postmoderne Blödmaschinen bezeichnen die Autoren die Medien, allen voran das Fernsehen und die Boulevardpresse, das Internet, die Werbung, die Mode, den Sport und die Politik. Die unterhaltsame Inszenierung stehe im Mittelpunkt all dieser gesellschaftlichen Teilsysteme. Impulsgesten und Visiotypen statt Aussagen beherrschen die öffentliche Kommunikation, wie das Beispiel der Politik zeige. Obwohl sich das Buch davon abgrenzen will, ist es in diesem Punkt ein Ausbuchstabieren der Thesen, die der amerikanische Medienpädagoge Neil Postman schon in den achtziger Jahren für die amerikanische Gesellschaft aufgestellt hat. Durch die Transformation von Politik in Unterhaltung erscheinen unsere Politiker nur noch als Chargen in den Medienblödmaschinen. Gestus und Visiotypen haben die Rolle von Sprache, Bedeutung und Aussage längst hinter sich gelassen.
…Das Verschwinden des klassischen Bürgertums ist der unterschwellige Topos, der sich bei den Beschreibungen des öffentlichen Raums immer wieder aufdrängt. Die Autoren zeigen anhand von Extremen unserer Alltagskultur, die das neoliberale System mit sich gebracht hat, wie die Gesellschaft ökonomisch und kulturell auseinanderdriftet. Trashfernsehen für die „da unten“ auf der einen, „Eliteuniversität“ für die da oben auf der anderen Seite, Fast- und Convenience-Food und Nahrungsmitteldiscounter auf der einen, absurde Feinschmecker- und Sterneküche auf der anderen Seite, Ein-euro-Ramschläden für die da unten, Design-Marken- und Ambientekult für die oben, die Integration des Volkstümlichen in teurer Trachtenmode und das Beschwören des Landhausstils auf der einen, die extrem lieblose Nullmode eines Anbieters wie „kik“ mit seinem Slogan „alles unter 7.95“, auf dem anderen Extrem, Prada gegen Reno, dies sind die neuen Eckpunkte einer Gesellschaft, zwischen denen sich die „Mittelschicht“ in der Welt der „beseelten Dinge“, wie die Autoren die Waren nennen, positionieren muss. Entsprechend schwer hat es die bürgerliche Hochkultur: „Wo Unterhaltung herrscht, ist es für jedwelche Oberschicht in der Tat schwer, sich kulturell zu distanzieren. Denn eine Hochkultur, die sich vor allem durch ökonomische Barrieren und Ritualisierung schützt (parodistisch: eine Bayreuth-Kultur, eine Vernissagen-Kultur, eine ‚Kultur-Tussi-Kultur‘), verliert ihrerseits die Erneuerungsfähigkeit und wird – dumm. Ein Berlusconi zerstört mehr ‚Oberschichtkultur‘ als es Horden von Anarchisten ( … ,), Punks und gekränkte Hauptschullehrer je könnten … “ … “
Aus: „Wie Dummheit produziert wird“ Von Heidi Schumacher (19.09.2011)
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/buechermarkt/1558394/
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