“ … Ein ungeklärter Alarm im Kraftwerk Krümmel im September 1986. Die Verdichtung der Krankheitsfälle rund vier Jahre später, die genau der Latenzzeit der Leukämie entspreche. Der Nachweis von angereichertem Uran, Plutonium und Americium im Staub einiger Dächer und im Boden. Mikrokügelchen, die auf kerntechnische Brennstoffversuche verwiesen und von denen eine Forschergruppe namens Arge PhAM (Arbeitsgemeinschaft Physikalische Analytik und Messtechnik) bei Stichproben im Boden und in alten Reetdächern umso mehr gefunden habe, je näher sie einem Punkt in der Nähe des Atomkraftwerks und der Forschungsanlage gekommen sei. Ungefähr dort ein gerodetes, jetzt umzäuntes Grundstück mit Brandspuren. In diesen Krimi passe auch die Tatsache, dass der »wissenschaftliche Vater« des Forschungszentrums GKSS, Erich Bagge, während des Zweiten Weltkriegs am Bau einer Atombombe für Hitler beteiligt gewesen sei und jene Mikrokügelchen »höchstwahrscheinlich aus der auch militärisch nutzbaren Hybridtechnik aus Kernfusion und Kernspaltung« stammten. Ein gegensätzliches Bild zeichnet der Münchner Forscher Heinz-Erich Wichmann. Für ihn mündet die jahrelang ergebnislos gebliebene Forschung heute in der »Zufallshypothese«. Wer angesichts des frustrierenden Zustands, dass man die Leukämiefälle auf keine eindeutige Ursache zurückführen kann, überhaupt eine Erklärung anbiete, »noch dazu eine derart spannende«, der befriedige, so Wichmann, nur die »Sehnsucht der Menschen nach Ursache-Wirkungs-Beziehungen« …“ | Bruchstück aus: „Die Spaltung“ (Von Christiane Grefe; zeit.de; 2004) | Quelle: http://www.zeit.de/2004/49/Geesthacht_49
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“ … Arbeitete man in der GKSS an der Mini-Atombombe? Das ist ein Verdacht, der im übrigen nicht nur von uns geäußert wurde aufgrund dieses ambivalenten Spielmaterials. Es gab zum Beispiel im Bereich des Ministeriums der Staatssicherheit eine Gruppe, die ein Gutachten geschrieben hat, über die Norddeutsche Kernphysik und die Stasi artikuliert ausdrücklich den Verdacht, dass in Norddeutschland möglicherweise an Atomwaffen gespielt wird.
Im Bericht geht es um „Fusion-Fission-Kügelchen“, einer „militärisch nutzbaren Hybridtechnik aus Kernfusion und Kernspaltung zum Einsatz in kleinen Atomwaffen“. Diese PAC sollen in Krümmel überall im Boden liegen. Allerdings haben sie eine hervorstechende Eigenschaft: Die eine Seite findet sie in jeder Schaufel. Die andere nie. Sebastian Pflugbeil:
“ … Stellen Sie sich vor, Sie haben zwei Kinder und schicken die Kinder in den Wald zum Pilze suchen. Und das Mädel kommt mit einem Korb voller Pilze zurück, und der Junge kommt mit einem leeren Korb zurück. Das Mädchen sagt, der Wald ist voller Pilze und der Junge sagt, im Wald sind keine Pilze. Natürlich ist jeder Mutter klar, dass es in dem Wald Pilze gibt, da gibt es gar keine Debatte. Aber bei den Kügelchen debattiert man jahrelang darüber, ob es jetzt Kügelchen gibt oder nicht.
Die andere Seite hält die PAC für blanken Unsinn. Als der Verdacht erstmals aufgekommen war, hatten die Internationalen Ärzte gegen den Atomkrieg IPPNW Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte die Proben der ARGE PhAM. Die Analysen waren – negativ. Fünf Forschungsinstitute fahndeten nach den strahlenden Kügelchen. Nichts. Beziehungsweise – Kügelchen gibt es reichlich, wie in jedem Boden. Aber keine PAC. Und so lautet der Schluss der Strahlenschutzkommission:
Tatsächlich sind im Boden der Umgebung von GKSS und Kernkraftwerk Krümmel in unterschiedlichen Konzentrationen Kügelchen vorhanden, die zum Teil anthropogenen Ursprungs sind, z.B. Flugasche. Die … Untersuchungen an Partikeln und Kügelchen … haben keine Hinweise für eine Bestätigung der These, dass es sich um Kernbrennstoffpartikel handelt, erbracht. …“ | Aus: „Die Leukämiekinder von Krümmel – Die vergebliche Suche nach einer Antwort“ von Dagmar Röhrlich (Deutschlandfunk – Wissenschaft im Brennpunkt; 14.08.2005) | Quelle: http://www.dradio.de/dlf/sendungen/wib/406152/
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“ … Die neuen Untersuchungsergebnisse sind schockierend, widerlegen sie doch offizielle Untersuchungsergebnisse. Sie belegen nach Aussage der Ärzteorganisation, daß im Umkreis des Kernkraftwerkes Krümmel und des Kernforschungszentrums GKSS in Geesthacht, eines Institutes, das einen atomaren Forschungsreaktor betreibt, der Boden an bestimmten Stellen radioaktiv verseucht ist. Die Region weise eine deutlich erhöhte künstliche Radioaktivität auf, darunter erhebliche Konzentrationen von Plutonium und Thorium. … Dr. Sebastian Pflugbeil, Präsident der Gesellschaft für Strahlenschutz, verweist auf Augenzeugenberichte vom Herbst 1986, nach denen es auf dem Hochufer, wo die Kernforschungsanlage GKSS steht, einen großen Brand gegeben hat. Auskünfte zu einem solchen Brand rückt die Feuerwehr in Geesthacht nicht heraus. Alle Einsatzprotokolle von September 1986 seien bei einem Brand ausgerechnet im Aktenschrank der Feuerwache vernichtet worden. …“ | Aus: „Boden um Geesthacht hochradioaktiv verseucht“ (saar-echo.de; JOACHIM KELLER; 31.03.2006) | Quelle: http://www.saar-echo.de/de/art.php?a=31484
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“ … Seit 1990 sind in der Elbmarsch 16 Kinder an Leukämie erkrankt. Vier von ihnen sind an dem Blutkrebs gestorben. Nirgendwo auf der Welt gibt es eine solche Häufung von Leukämie-Erkrankungen wie hier an der Elbe, in einem nur wenige Quadratkilometer großen Gebiet zwischen Niedersachsen und Schleswig-Holstein. … Tatsächlich gab es einige Jahre vor den ersten Erkrankungen einen Zwischenfall in der Region: Am 12. September 1986 wird im Atomkraftwerk Krümmel plötzlich alarmierend hohe Radioaktivität gemessen. Eine Panne in dem Kraftwerk kann schnell ausgeschlossen werden. Die Ursache für die erhöhten Werte muss außerhalb des Kernkraftwerkes gelegen haben.
Radon, ein natürliches radioaktives Gas, das an diesem Tag in der Nähe des Kernkraftwerks ausgetreten sei, habe den Alarm ausgelöst, so die Erklärung des Kraftwerksbetreibers und der Landesaufsichtsbehörde. Nicht alle Wissenschaftler, die mit der Untersuchung der Leukämie-Erkrankungen beauftragt sind, halten diese Begründung für überzeugend. Bei ihrer Suche nach anderen möglichen Ursachen fühlen sie sich behindert. Sechs der acht von Schleswig- Holstein beauftragten Experten legen deshalb im November 2004 aus Protest ihre Arbeit nieder. Kurze Zeit später schließen Schleswig-Holstein und Niedersachsen die Akte Elbmarsch. Die „Bürgerinitiative Leukämie“, unterstützt von der Vereinigung „Ärzte gegen den Atomkrieg“, will sich damit nicht zufrieden geben. Sie lässt im Dezember 2004 von Geologen noch einmal Bodenproben in der Umgebung des Kraftwerks Krümmel und der GKSS Forschungsanlage entnehmen. Die Proben werden von Prof. Vladislav Mironov, einem international anerkannten Experten für Plutonium- Bestimmung an der Sacharow Universität von Minsk analysiert. Sein Ergebnis: „Die Plutonium- und Thoriumwerte, die wir festgestellt haben, sind so deutlich erhöht, dass man sagen kann, diese radioaktiven Stoffe sind künstlich hergestellt und kommen so in der Natur nicht vor.“ …“ | Aus: „Und keiner weiß warum – Leukämietod in der Elbmarsch“ (zdf.de, 04/2006)
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“ … Gueorgui Kastchiev ist eher der zurückhaltende Typ. 17 Jahre hat der Kernphysiker im bulgarischen Atomkraftwerk Kosloduj gearbeitet, später war er für vier Jahre sogar Chef der nationalen Aufsichtsbehörde. Er kennt die sechs Reaktorblöcke gut, die 150 Kilometer nördlich von Sofia an der Donau gelegen rund ein Drittel des bulgarischen Strombedarfs liefern. Doch was am 1. März dieses Jahres dort geschah, das ist auch für den erfahrenen Atomfuchs „ein unglaublicher Vorgang“. […] Es war morgens um zehn nach sechs, als eine der vier Kühlmittelpumpen im Block 5 plötzlich ihren Dienst aufgab. Automatisch setzte das Kontrollsystem neun der 60 Steuerstäbe oberhalb des Druckkessels frei. Nur von der Schwerkraft getrieben sollten sie in den Reaktorkern einfahren und dessen Leistung von 1000 Megawatt um ein Drittel mindern. Doch zur Verblüffung der Reaktormannschaft blieben drei der Stäbe hängen, die Leistung blieb hoch. Daraufhin versuchten die Ingenieure die volle Schnellabschaltung mit Hilfe aller Kontrollstäbe. Aber erneut verharrte ein volles Drittel der Neutronenabsorber in ihrer Aufhängung. Die Spaltung der Uranatome im Neutronenhagel ihres eigenen Zerfalls konnte nicht gestoppt werden. In ihrer Not griffen die Reaktorfahrer zur letzten Bremse: Sie mischten dem Kühlwasser große Mengen Borsäure bei, die fliegende Neutronen einfangen und so die Kettenreaktion stoppen kann, wenn auch nur langsam. Um 12 Uhr 34 schließlich, mehr als sechs Stunden nach Ausfall der Pumpe, kam die Kettenreaktion im Reaktor zum Stillstand – nach Meinung von Ex-Aufseher Kastchiev viel zu spät. „Das zentrale Sicherheitssystem hat nicht funktioniert“, konstatiert er, das entspreche einer Autofahrt mit Vollgas ohne Bremse. Falle etwa die Wärmeabfuhr durch ein großes Leck im Dampferzeuger aus, blieben aber gerade mal zwei Minuten, bevor der Reaktor außer Kontrolle gerate. Ohne die Schnellabschaltung, so Kastchiev, „hätte in diesem Fall niemand die Katastrophe aufhalten können“. …“ | Bruchstück aus: „In letzter Minute – Rostlöcher im Druckkessel, Explosionen im Kühlsystem, Versagen der Abschaltvorrichtung – schwere Störfälle in den vergangenen Jahre zeigen: Das Risiko für Reaktorkatastrophen ist weit höher, als die Betreiber behaupten“ von Harald Schumann (tagesspiegel, 23.04.2006) | http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/23.04.2006/2473588.asp
etc.
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