“ … Man muss an diese Ereignisse erinnern, um die Bedeutung des Prozesses gegen Verena Becker weit mehr als 30 Jahre nach der Tat zu verstehen. Zum einen wurden zahlreiche Mitglieder der RAF wie Becker zu lebenslanger Haft verurteilt, ohne dass deren genaue Tatbeiträge vor Gericht im Detail verhandelt worden waren – unter anderem, weil nahezu alle Angeklagten konsequent jede Aussage verweigerten. … Dass es 33 Jahre nach der Tat dennoch zum Prozess kommt, ist vor allem dem beharrlichen Auftreten Michael Bubacks geschuldet. Wie kein anderer hat der Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Widersprüche in den Ermittlungen um den Mord an seinem Vaters öffentlich angeprangert, sodass sich die damalige Generalbundesanwältin Monika Harms im April 2010 am Ende genötigt sah, ein neues Verfahren auf den Weg zu bringen. Besonders brisant ist dabei der Vorwurf des Buback-Sohnes, er könne sich die Nicht-Anklage Beckers nur dadurch erklären, dass jemand über Becker eine „schützende Hand“ halte. Michael Buback ist überzeugt, dass die als Mittäterin beschuldigte Becker auch die Person gewesen sein muss, die in der Karlsruher Innenstadt am Gründonnerstag des Jahres 1977 vom Rücksitz eines Motorrades aus mit einer Maschinenpistole seinen Vater ermordet hat. Die Bundesanwaltschaft bestreitet das. Doch der Göttinger Chemie-Professor glaubt gar zu wissen, dass Becker geschützt wird, weil sie als Informantin für den Verfassungsschutz tätig wurde. … Beckers Geheimdienstkontakte waren einigen wenigen RAF-Gefangenen bekannt. Nach der Ablehnung einer vorzeitigen Haftentlassung hatte sie sie selbst den Mitgefangenen gebeichtet und als „Sühne“ vorgeschlagen, sich umzubringen. Die GenossInnen lehnten ab, kappten aber jeden weiteren Kontakt. … Die Befragung beim Verfassungsschutz vor 30 Jahren füllt eine 82-Seiten-Akte vom 4. März 1982. Außerdem gibt es in Köln noch eine Fallakte, gut 200 Seiten, mit den Originalaussagen. Beides trägt seit beinahe drei Jahrzehnten den Stempel „Geheim“. Die Aufzeichnungen wurden nach langem Hin und Her vom CDU-Bundesinnenminister Thomas de Maizière zwar im März 2010 den Prozessbeteiligten zur Verfügung gestellt, deren Geheimhaltung aber nicht aufgehoben.“ | Aus: „Die Agentin“ von Wolfgang Gast (14.05.2012) https://www.taz.de/Fruehere-RAF-Terroristin-Verena-Becker/!93277/
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An Bubacks Sohn Michael gerichtet, der als Nebenkläger auftritt, sagte sie: „Wer Ihren Vater getötet hat, kann ich nicht beantworten. Ich war nicht dabei.“ …
Aus: „Verena Becker bestreitet Beteiligung an Buback-Mord“ (14.05.2012) | (ZEIT ONLINE, dpa, 14.05.2012) http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/becker-buback-prozess
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“ … Pokatzky: Die letzten Sätze in Ihrem Buch lauten, der Verdacht, dass Becker bereits vor 1977 für den Verfassungsschutz gearbeitet haben könnte, ist und bleibt eine begründete Vermutung, nicht mehr, aber auch nicht weniger. …“
Aus: „Stoff für einen Polit-Thriller“ (06.10.2010) | Wolfgang Kraushaar glaubt im Fall Verena Becker an eine Geheimdienstaffäre – Wolfgang Kraushaar im Gespräch mit Klaus Pokatzky | http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/thema/1290145/
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Gerd Meier (Gerd_Meier) – 14.05.2012 10:39 Uhr
… Wer und aus welchen Gründen hat beim Verfassungsschutz oder der aufsichtführenden Behörde, dem Bundesinnenministerium, ein Interesse daran, diese beim Verfassungsschutz vorhandenen Erkenntnisse nicht frei zu geben? Es kann nicht sein, dass ein Behörde, aus welchen Gründen auch immer, in diesem demokratisch verfassten Staat, irgendwelche Erkenntnisse nach mehr als 30 Jahren zurück hält! …
Phillip Stolze (philze) – 14.05.2012 11:55 Uhr
vollkommen klar ist, dass die Gesellschaft viele der noch bestehenden Geheimnisse weder verkraftet noch verarbeiten könnte. Also warum muss man sie aufschrecken und ihnen zeigen wie unwissend sie eigentlich sind? Sie schaffen es doch nicht einmal sich richtig über Politik oder Wirtschaft zu informieren, warum sollten sie dann wichtige Informationen erhalten wenn sie diese nicht verknüpfen und in Bezug setzen können?
Aus Kommentaren zu: http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/raf-prozess-verena-becker-ich-war-nicht-dabei-11750755.html?selectedTab=comments
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kaschperle, 14.05.2012 um 10:07 Uhr
Kraushaars Theorie ist alles andere als unglaubwürdig. … Wahrscheinlicher ist eher noch, daß ihre Aussage vorab mit den Sicherheitsbehörden abgesprochen wurde. Glaubt irgendwer, daß Beckers Anwalt NICHT abgehört wird? | http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-05/becker-buback-prozess?commentstart=1#cid-2058489
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gerhard berlin, 14.05.2012: … Die RAF-Akten wurden aber für weitere 30 Jahre gesperrt – »um Schaden von der BRD abzuwenden«. … Schaden könnte man abwenden, wenn man endlich alles publizieren würde … | http://forum.spiegel.de/f22/prozess-stuttgart-ex-raf-terroristin-becker-bestreitet-buback-mord-60931.html#post10180145
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… Michael „Bommi“ Baumann, Mitbegründer der Terrorbewegung „2. Juni“ lernt sie in den 1960ern kennen. Mit anderen Frauen bildet sie die radikale Gruppe „Schwarze Braut“ und sucht die Nähe zu Baumann. „Sie waren alle in Wohnungen, die dem Verfassungsschutz gehört haben“, sagt Ex-Terrorist Baumann. „Das haben wir erst jetzt herausgefunden. Die ganzen Häuser in der Köpenicker Straße und in der Eisenbahnstraße, wo die Damen alle saßen, haben Volker von Weingraber gehört [http://de.wikipedia.org/wiki/Volker_Weingraber], der auch in den Schmücker-Mord [Der Schmücker-Prozess bestand aus insgesamt vier Strafverfahren >> http://de.wikipedia.org/wiki/Schm%C3%BCcker-Prozess] involviert ist und vom Verfassungsschutz Unsummen gekriegt und jetzt ein Weingut in der Toscana hat.“ Ulrich Schmücker war Geheimdienstspitzel und Weggefährte von Verena Becker. Er wurde ermordet. Die Tatwaffe fand sich später im Tresor des Verfassungsschutzes. … „Wir haben gedacht, wir handeln autonom“, so Baumann. „Der Gedanke ist unheimlich, dass man irgendwo auf dem Schachbrett hin- und hergeschoben worden ist oder zwar über das Schachbrett rennen durfte, aber immer noch eine Figur war.“ Es ist anzunehmen, dass der Verfassungsschutz es auch bei Verena Becker versuchte – vielleicht als sie 1974 eine Jugendstrafe absaß. Sie war es, die immer wieder mit harten Worten Militanz einpeitschte.“ … | Aus: „Im Visier“ (Clemens und Katja Riha für Kulturzeit / rh, 07.10.2010) http://www.3sat.de/page/?source=/kulturzeit/themen/148468/index.html / http://de.wikipedia.org/wiki/Bommi_Baumann#cite_note-Becker-Prozess-6
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Nachtrag I (21.05.2012)
„…Längst ist auch die Stimme der Opferangehörigen lauter geworden. Im September 2010 wandten sich Corinna Ponto, Michael Buback und Jörg Schleyer – allesamt Kinder der Opfer aus den Anschläge der RAF – in einem offenen Brief, der in der Bild-Zeitung veröffentlicht wurde, an die Kanzlerin mit der Bitte um eine Aufklärung der Morden an ihren Vätern durch ein unabhängiges Forscherteam. Doch bis heute, beinahe zwei Jahre danach, haben weder die Kanzlerin noch ein anderer Parlamentarier sichtbare Schritte unternommen, um eine unabhängige Kommission einzusetzen, die auf historisch-kriminologischer Basis die Geschichte des RAF-Terrors aufarbeitet. Müssen die Opferangehörigen erst vor den Kameras der TV-Sender auf Knien rutschen, bis sich politischen Funktionsträger bequemen, eine Kommission einzurichten, die mit voller staatlicher Unterstützung, aber völlig unabhängig von staatlichen Eingriffen, die Geschichte des Terrors in der Bundesrepublik aufarbeitet? Solange eine unabhängige Untersuchungskommission nicht eingerichtet wird, solange wird wohl Rechtsanwalt Matthias Rätzlaff, der den Bruder von Siegfried Buback vertritt, die Frage auch anderen Medienvertretern stellen müssen, die er gegenüber Telepolis am Rande der Verhandlung äußerte: Warum dient es dem Wohl der Bundesrepublik Deutschland, in einem dreifachen Mord nicht alle Unterlagen offen zu legen? (Matthias Rätzlaff) …“
Aus: „Wenn eine Ex-Terroristin und ein Staat gemeinsam auf halbem Weg stehen bleiben“ Marcus Klöckner (19.05.2012) | Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/36/36961/1.html
Artur_B, 19. Mai 2012 08:08
„Ich halte ihn für verbohrt, wenn nicht gar krank. Eigentlich ist es
doch egal, wer seinen Vater erschossen hat. Ich kann nicht
nachvollziehen, warum er das unbedingt wissen will.“
[(Wolfgang Steinke, ehemaliger Abteilungsleiter beim Bundeskriminalamt, in der ZDF-Dokumentation „Buback – Die Suche nach der Wahrheit“)]Man kann ja auch umgekehrt fragen, warum der Staat das nicht so
locker sieht und bei der Aufklärung in einer Weise mauert, dass es
auch dem Dümmsten auffällt. Fakt ist, dass nur die Kinder der
RAF-Opfer in der Lage sind, hier noch Licht ins Dunkel zu bringen.
Ein aufklärungswilliger Journalist hätte keine Chance, auch keine
politisch motivierte Gruppierung. Deshalb: weitermachen Siggi. Wir
anderen wollen das auch wissen.Nicht so sehr, weil das Geschehen von vor 35 Jahren an sich so
interessant wäre. Vielmehr geht es ums Prinzip: kommen deutsche
Geheimdienste mit getürkten Anschlägen durch, deren einziger Zweck
die Täuschung der Öffentlichkeit war? Darauf kommt es an. Deshalb
ist es nicht belanglos, ob das auffliegt oder nicht. Wenn es
auffliegt, ist es für die Geheimdienste eine Warnung. Auch nach so
langer Zeit.Die Krönung wäre natürlich der Missing Link zur NSU. Das BfV steckt
bis zum Hals in der Sache, es ist ihm aber auch nach den Erfurter
Vorfällen gelungen, völlig ungeschoren aus der Sache herauszukommen.
Ein Skandal ohnegleichen.In beiden Fällen müsste die Presse Sturm laufen und entschieden
Aufklärung verlangen. Schlapp wie sie ist, ist sie aber geradezu der
Haupttäter bei der Vertuschung. Unglaublich.Gruß Artur
http://www.heise.de/tp/foren/S-Anders-erfahren-wir-nichts/forum-229056/msg-21854188/read/
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Im übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht. Kurt Tucholsky in einem Brief an Herbert Ihering vom 10. August 1922. | http://de.wikipedia.org/wiki/Nestbeschmutzer | http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Tucholsky
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