[Homo Ludens und die Totalität der Ware… ]

„[…] Bekannt sind Aktionen wie der falsche Weihnachtsmann von King Mob der zur Weihnachtszeit in Kaufhäuser ging und dort das Spielzeug aus den Regalen direkt an Kinder verschenkte. Die herbeigerufene Polizei musste den Kindern die Waren wieder abnehmen, die dann ungläubig dabei zusahen, wie der Weihnachtsmann verhaftet wurde.
[…] [Debord] kritisiert das Leben in einem Kapitalismus, der alle Aspekte des Lebens in Waren verwandelt (Totalität der Ware, Kommodifizierung) und menschliche Erfahrungen oder Beziehungen nur noch durch er vermittelt, simuliert (wie z.B. in der Verkaufspsychologie), Sehnsüchte verdinglicht (Entfremdung, z.B. die Service-Kultur als kommerzialisierte Menschlichkeit). […] Statt seine eigenen Bedürfnisse zu erkennen, orientiere sich der Mensch im Spektakel an vorgefertigten, massenmedial verbreiteten Bildern (klischeehafte Lebensstile, Rollenangebote, erwünschte Verhaltensweisen), versuche diese zu imitieren und ihnen zu gleichen. Wahlfreiheit beschränke sich auf die Wahl zwischen Produkten. Dieses Leben erzeuge aber durch seine mangelnde Intensität Langeweile und Überdruss beim Einzelnen, die durch vermehrten Konsum von immer ausgefalleneren Produkten, Stars, Ideologien oder Moden übertüncht werden müssten. Debords Denken ist dabei geprägt von der Überfluss-Gesellschaft der 60er, die noch nicht von den späteren Wirtschaftskrisen und der Massenarbeitslosigkeit erschüttert war. Die Konsumwelt sollte sich aber dennoch bis heute immer weiter ausdifferenzieren, Rebellion zunehmend zu oberflächlichen Modeartikeln werden. Die Kritik an diesen Entwicklungen, an einer Gesellschaft, die nur noch aus Oberflächen zu bestehen scheint, ist ein Grund für ein weiterhin bestehendes Interesse an Debords Thesen, bald 40 Jahre nach ihrer Publikation, auch wenn Debords philosophisches, dem Laien sprachlich schwer zugängliches Werk schon manchen Leser abgeschreckt hat.
[…] Dem Menschenbild Homo oeconomicus stellten die Situationisten das des Homo ludens gegenüber. Sie wandten sich somit gegen jede Verfestigung, Erstarrung, Absolutierung.
Dabei betonten sie immer wieder, dass es keinen Situationismus als -ismus, als starre Ideologie gebe. Sie behaupteten, der Begriff Situationismus sei eine Erfindung ihrer Gegner. Sie wendeten sich auch gegen ihre eigenen Fans und Bewunderer, denen sie vorwarfen, ihre Bewunderung stelle nur eine Form von Konsum und Mystifikation dar, keine aktive Teilnahme an ihrem Projekt. …“

Aus: „Situationistische Internationale“
Quelle (2005-05-30): http://de.wikipedia.org/wiki/Situationistische_Internationale

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