[Todesangst und Allmachtsfantasien]

[…] „Eben weil die Menschen sich weigern, dem Tod ins Auge zu blicken, ihn als Notwendigkeit und Bestandteil des Lebens anzuerkennen, wollen sie ihre Feinde in die Todesangst versetzen, die selbst zu fühlen sie nicht den Mut aufbringen.“ Um die unausweichlich über uns kommenden Schatten von Alter, Krankheit, Gebrechlichkeit, Schwäche, Ohnmacht und Tod aus dem Blickfeld zu verbannen, „betont der moderne Mensch, insbesondere die Männer, die entgegengesetzten Eigenschaften: Jugendlichkeit, Gesundheit, Fitness, Stärke, Macht und Todesverachtung. Er ist ständig bereit, seine eigene Schwäche und Brüchigkeit zu überspielen, andere Menschen, die Natur und auch sich selbst zu dominieren, zu manipulieren und zu beherrschen bis hin zur militärischen Aggression.“ Das wesentlich auf dieser psychischen Abspaltung beruhende militär-technokratische Denken führe nicht nur zu einer inneren Verfassung, in der empfindsame Reaktionen weitestgehend abgeblockt werden, sondern es produziere damit zwangsläufig auch „äußere Feinde, auf die man als Sündenböcke die eigene verdrängte Gefühlswelt mit allen ihren Erscheinungsformen der Depression und der Verzweiflung, aber auch der Bösartigkeit und Aggressivität projizieren kann.“

In der Dynamik dieser von Verfolgungswahn getriebenen „Friedlosigkeit“ (Carl Friedrich von Weizsäcker) müsse die eigene verdrängte Feindseligkeit und Todesangst immer wieder an die Oberfläche zurückkehren, wobei sie „im Extremfall die Gestalt der Kriegsbegeisterung, der Kriegslust und der Todessehnsucht annimmt. Indem man den Feind unterwirft und tötet, stellt man die eigene Unversehrtheit unter Beweis.“ Aus derart zwanghafter Abhängigkeit von wahnhaften Unverletzlichkeitsbeweisen könnte es äußerstenfalls so weit kommen, „dass die Menschen sich planvoll selbst in einem Atomkrieg auslöschen, um den unausweichlichen Tod nicht passiv erleben zu müssen, sondern ihn aktiv herbeizuführen, um ihre Allmachtsfantasien mit in den Tod retten zu können.“

[Aus: „Annäherungen an das Thema der Macht“ von Josef Berghold (15.01.2004 ) / Quelle: berghold_josef/berghold-macht.html]

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