[Praxis der Sonderauslieferungen]

[…] Sieht man sich die Praxis der Sonderauslieferungen an, kann man eine überraschende Entdeckung machen: Zum Transport ihrer Gefangenen benutzen die CIA und andere Agenturen der USA regelmäßig anonyme Privatflugzeuge.

In meinem Besitz befinden sich die vertraulichen Logbücher eines Langstreckenjets vom Typ Gulfstream V, der für das Transportsystem der CIA offenbar eine zentrale Rolle spielt. Dieses Flugzeug hat seit 2001 über 49 Flughäfen außerhalb der USA angeflogen, darunter regelmäßig Jordanien, Ägypten, Saudi-Arabien, Marokko und Usbekistan – also durchweg Länder, in denen die USA ihre Gefangenen abliefern.

„Plane-spotters“ haben das Flugzeug schon mehrfach fotografiert. Es ist weiß angestrichen und trägt als einzige Aufschrift die zivile Registriernummer N379P, jedenfalls bis vor kurzem. Nach Dokumenten, die ich einsehen konnte, wurden die beiden Ägypter im Dezember 2001 in Schweden eindeutig mit diesem Flugzeug abgeholt. Dieselbe Maschine wurde im Oktober 2001 auch in Pakistan gesichtet, als Zeugen auf dem Flughafen von Karatschi beobachteten, wie eine Gruppe Maskierter einen Mann in ein Flugzeug schaffte. Der Mann landete schließlich in Jordanien.

Auch Robert Baer, dem die Logbücher vorlagen, hat keine Zweifel, dass dieser Gulfstream-Jet mit den Auslieferungen zu tun hat: „Er fliegt immer Orte an, wo gefoltert wird.“ Baer hat für die CIA 21 Jahre lang als Geheimagent im Nahen Osten gearbeitet, bevor er vor etwa zehn Jahren den Dienst quittierte. Er meint, ein solches Flugzeug sei für den Geheimdienst deshalb von Nutzen, weil es keine militärischen Kennzeichen trägt. Als formeller Besitzer fungiere eine Briefkastenfirma: „Die kann man praktisch über Nacht auflösen, wenn sie enttarnt wird. Und wenn’s sein muss, wechselt man einfach das Flugzeug. Das ist ziemlich üblich.“

Nach Baer geht es bei der Sonderauslieferungspraxis um mehr als nur darum, Terroristen in Länder wie Ägypten zu schicken, damit sie dort im Gefängnis sitzen. Manchmal geht es auch darum, sie ganz verschwinden zu lassen. Der angestrebte Zweck sei je nach Land verschieden: „Wenn du einen Gefangenen nach Jordanien schickst, bekommst du ein besseres Verhör. Wenn du aber einen etwa nach Ägypten schickst, wirst du ihn wahrscheinlich nie wieder sehen, und dasselbe gilt für Syrien.“

[…] So befindet sich die zentrale Operationsbasis für die Ausweisungsflüge der CIA in Deutschland. Und die von mir eingesehenen Logbücher belegen, dass der genannte Gulfstream-Jet wie auch eine Boeing-737, die für andere Ausweisungen benutzt wurde, regelmäßig in Frankfurt gelandet sind.

[Bruchstück aus: „DAS STILLE SYSTEM DER AUFTRAGSFOLTER – Entführt, verhört, versteckt“ – Le Monde diplomatique Nr. 7612 vom 11.03.2005, Seite 6-7, STEPHEN GREY / Le Monde diplomatique, Berlin (deutsch von Niels Kadritzke) / Quelle: http://www.monde-diplomatique.de/pm/2005/03/11/a0027.text]

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