“ … Die meisten verbeugten sich in Resignation vor der Übermacht des Faktischen … Aufgrund derselben Dispositionen biegen sich die Bibliotheksregale unter der Last von Hunderten faktensüchtiger Hitler-Biografien, indes man noch immer einen Roman vermisst, der zeigte, wie Adolf H. nach der Entlassung aus der Armee gemeinsam mit einem befreundeten jüdischen Maler einen florierenden Postkarten-Laden in Salzburg eröffnete, bis er schließlich 1932 bei einer sommerlichen Alpenwanderung durch Steinschlag tragisch verfrüht ums Leben kam. Aus einem solchen Konjektural-Roman träte ein anderes 20. Jahrhundert ans Licht. … “ | Peter Sloterdijk (2016), Quelle: http://www.zeit.de/2016/11/fluechtlingsdebatte-willkommenskultur-peter-slotedijk/komplettansicht
// Kontext: Leider sei ansonsten bei Sloterdijk hingedeutet zu: –>> [Weltdeuter und der Strom eines Unbewussten…] — Hinzugekommen ist als Nachtrag nun eine Kritik auf die Kritik Peter Sloterdijks Kritik (Es geht um Männerphantasien und politisierte Intellektuelle die dadurch auffallen, „dass sie Ideen umzingeln wie Frauen in Silvesternächten“ [Herrn Sloterdijks Ideen seinen demnach wehrlose Opfer, die von politisierten Intellektuellen belästigt, bedränkt und kriminell bedroht würden.]… Peter Sloterdijk, Conférencier der Mühelosigkeit, der sich stets als Gewinner fühlen kann, weil er allein auf einem Feld spielt, dass er sich selbst erfunden hat … (Jürgen Kiel, 2009)) ]
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Nachtrag #1
“ … „Shifting Baselines“ beschreiben das Phänomen, dass die Orientierungspunkte, anhand derer Menschen ihre Umwelt beurteilen, sich schleichend verschieben. …“ http://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/wire/fachgebiete/produktion/download/081031Shifting-Baselines-Abschiedsvorlesung.pdf
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Richard David Precht und Harald Welzer (in DIE ZEIT Nr. 13/2016, 17. März 2016): “ … Sich vor „Überrollung“ und „Flutung“ zu fürchten, wie es Peter Sloterdijk tut (ZEIT Nr. 11/16), ist in einer multipolaren Welt mit ökologischen und wirtschaftlichen Ungleichheiten von gestern. … Statt mit der normativen Kraft des Faktischen haben wir es mit einer normativen Kraft des Fiktiven zu tun. In Staaten wie dem Libanon ist jeder Fünfte ein Flüchtling. Jordanien gibt ein Viertel seines Staatshaushaltes für Flüchtlingshilfe aus. In Deutschland ist nicht mal jeder Vierzigste ein Flüchtling, und die Staatsausgaben für Zuwanderer liegen im niedrigen einstelligen Bereich. Trotzdem konstatieren Kommentatoren „Staatsversagen“. So hält das völlig fiktive Bild eines kollabierenden und überrannten Landes dafür her, harte Maßnahmen zu fordern. Wer hier die öffentliche Ordnung kollabieren sieht, redet wohlgemerkt von Deutschland im Jahr 2016 und nicht von Syrien, Afghanistan oder Somalia. Nicht die Realität, sondern Übertreibung und Phantasma begründen die immer stärkere begriffliche Aufrüstung. … Die Migrationsbewegung, die wir derzeit erleben, ist keine sozialrevolutionäre Vereinigung. Aber sie ist eine Herausforderung an unsere kapitalistische Gesellschaft, die neue Impulse setzt, weil sie zum Umdenken zwingt. Weil sie uns dringlich vorführt, was wir alle wissen: wie unfair die Chancen auf ein erfülltes Leben in der Welt verteilt sind. In diesem Bewusstwerden von Unfairness liegt ihr gesellschaftlicher Sprengstoff. Wie früher die Sklaverei, die Frauenfrage oder die Arbeiterfrage haben wir die ungleiche Verteilung von Ressourcen und Lebenschancen lange als naturgegeben betrachtet. Aber sie ist ebenso wenig naturgegeben wie einst die Rolle der Sklaven, der Frauen oder der Arbeiter. … Fragestellungen dieser Größenordnung wecken Ängste. Es sind naheliegende Ängste, denn von Lösungen sind wir, trotz des beherzten Einsatzes der Kanzlerin, weit entfernt. Es sind gerechtfertigte Ängste vor einem Anwachsen von Kriminalität, wenn es uns nicht gelingt, eine Integrationspolitik zu machen, die diesen Namen auch verdient. Doch eine pauschale Lösung gibt es nur in Märchen. In der Realität muss man der Herausforderung auf verschiedenen Feldern begegnen. Dabei wird klar, dass das Flüchtlingsthema genau dort Probleme sichtbar macht, wo sie ohnehin vorhanden sind und jetzt lediglich virulenter werden. … Aus sozialpsychologischer Perspektive mutet die vollkommen hysterisierte Diskussion allfälliger Real- und Fantasieprobleme mit „den Flüchtlingen“, die Klage über die „Willkommenskultur“, die dringend von einer „Verabschiedungskultur“ (FAZ) abgelöst werden müsse, wie ein gespenstisches Realexperiment zum Phänomen der shifting baselines an. Gemeint ist die unbemerkte Verschiebung der normativen Maßstäbe, die man an Geschehnisse anlegt. Das Phänomen ist an vielen unguten historischen Beispielen ausführlich beschrieben. Die Referenzrahmen der Wahrnehmung und Deutung von Ereignissen und Situationen wandeln sich oft erstaunlich schnell, und alle halten sich auch dann noch für moralisch integer, wenn sie schon längst der Gegenmenschlichkeit und ihren Maßnahmen zustimmen. Man kann zur Illustration die Geschichte eines Deutschen von Sebastian Haffner lesen oder in der Gegenwart beobachten, wie unter dem mutwilligen Einsatz intellektueller Stichwortgeber ein „Flüchtlingsproblem“ so ins Maßstablose vergrößert wird, dass am Ende die „Lösung“ der „Krise“ nicht etwa in der Modernisierung der Zuwanderungspolitik und des staatsbürgerlichen Selbstverständnisses, sondern in der Schließung der Grenzen imaginiert wird. …“ | http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend
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andrea51 #61 (März 2016):“ … Was ich dem Kommentar des Herrn Precht ankreide, ist: eine verklärende Sicht des modernen Kapitalismus. Die Frage: „Was kann der Kapitalismus leisten, was kann er nicht mehr leisten?“ wird ohne viel Nachdenken mit einem positiven Bias belegt. Die Gleichsetzung der Arbeiterfrage des 19.Jhdts. mit der Migrationsfrage des 21. Jhdts. unterstellt, dass der Kapitalismus dazu in der Lage wäre, hunderte Millionen zusätzlicher Menschen in den Markt zu integrieren. Nichts absurder als das: Die Tatsache, dass es überhaupt eine Migrationskrise gibt, ist der Beweis dafür, dass der Kapitalismus diese Menschen eben nicht integriert. Anders gesagt: Wäre der Kapitalismus als Weltsystem in der Lage alle Menschen aufzunehmen, würden wir derart schicksalshafte Migrationsbewegungen gar nicht erleben. Es ist die Armut, die mangelnde Perspektive, nicht primär die Kriege, die die Menschen zur Migration treibt. Wie kann man also hoffen, dass eben jenes System, das den Wahnsinn im Weltmaßstab befördert, ihn dann beseitigt? Für mich ist das das Grundproblem aller hoffnungsfrohen Philosophen: Sie sind sich über die inhärente Grenze des Systems nicht bewußt und phantasieren sich in eine Zukunft, die durch die Tatsachen der Gegenwart bereits widerlegt ist. Hundertmal sympathischer ist mir ein Herr Sloterdijk, der das Ausschlußprinzip des Kapitalismus spürt, die Überflüssigmachung vieler, vieler Menschen, von dem Herr Precht keine Ahnung zu haben scheint…..“ | http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend?cid=6319679#cid-6319679
// [“ … „Die Überflüssigen“ sind eine Gruppierung, die unter gleichen Namen Aktionsformen des sozialen bzw. zivilen Ungehorsams praktiziert. … Der Name wurde als Kampfbegriff gewählt, weil sich die Akteure als Menschen verstehen, die in einem „profitfanatischen“ System überflüssig gemacht werden. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Die_%C3%9Cberfl%C3%BCssigen_%28Gruppe%29- (26. Mai 2014)]]
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tiefstapler #213 (März 2016 ): “ … Dabei wird klar, dass das Flüchtlingsthema genau dort Probleme sichtbar macht, wo sie ohnehin vorhanden sind und jetzt lediglich virulenter werden. Der kernsatz des ganzen Artikels! …“ | http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend?cid=6321222#cid-6321222
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andrea51 #88 (März 2016): “ … Der Kapitalismus leidet seit geraumer Zeit unter Verengung, unter nicht ausreichender Aufnahme von Arbeitskräften im Verhältnis zum weltweiten Bevölkerungswachstum, hervorgerufen dadurch, dass die Arbeitsproduktivität schneller wächst als sich die Märkte mengenmäßig ausdehnen. Die Folge ist, dass mehr und mehr Menschen überflüssig werden, das alte Marx`sche Dogma der „industriellen Reservearmee“ kehrt mit Wucht auf die Weltbühne zurück – nur, dass die Armee keine Reserve mehr ist, sondern schlichtweg „überflüssig“. Ein System, das unter Verengung leidet, wird Ausschluß suchen und nicht Integration. Es wird Mauern bauen, um es wenigstens für die Wenigen zu erhalten, und sich dagegen sträuben die Mauern, die gegen die „Überflüssigen“ schützen sollen, niederzureissen. Diese kapitalistische Logik können oder wollen unsere Philosophen nicht sehen und dementsprechend weltfremd sind ihre Schlüsse. …“ | http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend?cid=6319795#cid-6319795
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jjkoeln #90 (März 2016 ): “ … Ein schöner Artikel, der aufzeigt, dass es um Gerechtigkeit geht, dass es darum geht, die Ressourcen für ein grechte Gesellschaft wieder zu moblisieren, anstelle dem Irrweg eines „Trickle Down“ oder einer alternativlos marktkonformen Demokratie zu folgen. Bei hinreichender Orgnisation und Ressourcenfreigabe gibt es keine „Flüchtlingskrise“. Aber das Vermögen, die Erbschaften und Wohngbiete der obersten 1% sind sakrosankt. Menschenrechte stehen eher zur Disposition als Vermögenswerte …“ | http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend?cid=6319805#cid-6319805
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Für Elise #142 (März 2016 ): “ … Ein weiterführender Denkanstoss, den ich sehr gerne gelesen habe, weil er einen neuen Anlauf nimmt in dieser in allmählich hysterischer Endlosschleife – immer die gleichen Perspektiven! Denkmuster! Argumente! – ablaufenden Diskussionen. Die immer mehr um sich greifende Schwarz-Weiß-Malerei auch in den Foren finde ich langsam ziemlich ermüdend. …“ | http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend?cid=6320187#cid-6320187
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maramalis #221 (März 2016 ): “ … Wir haben uns in den letzten Jahren mehrfach die Augen gerieben. Wer hätten den Beinah-Zusammenbruch des Kapitalismus in der Bankenkrise denn vorhergesehen oder auch nur annähernd für möglich gehalten. Der arabische Frühling hat an den Gitterstäben der nordafrikanischen und nahöstlichen Diktaturen gerüttelt – und einige davon zu Fall gebracht. Dass Menschen nun sich auf den Weg in eine sinnvolle Zukunft machen, auch nach Europa… erstaunt uns das wirklich? …“ | http://www.zeit.de/2016/13/migration-debatte-gefluechtete-zuversicht-jugend?cid=6321629#cid-6321629
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