[Zum Wahn der Liebe #53… ]


Ultimo tango a Parigi (1972) | Bild/Impuls via

(29.11.2021):“ … Dieser Film ist ein Klassiker – und gilt bis heute als grenzüberschreitend und kontrovers, nicht zuletzt wegen Berichten, dass eine entscheidende Szene ohne Einwilligung von Hauptdarstellerin Maria Schneider gedreht worden sei. … Die im Jahr 2011 an Krebs verstorbene Schauspielerin Maria Schneider äußerte sich mehrmals über die Szene. Der Daily Mail sagte sie im Jahr 2007, dass sie sich vergewaltigt gefühlt habe. …“ | https://kurier.at/kultur/medien/tv-serie-arbeitet-skandal-um-marlon-brando-klassiker-der-letzte-tango-in-paris-auf/401822692

“ … Weltverlorene Figuren finden sich bei Bacon wie bei Bertolucci in Räumen wieder, die von der Außenwelt hermetisch abgeschlossen zu sein scheinen. … das von Bertolucci vorgestellte erotische Modell bleibt eine Utopie, die zum Scheitern verurteilt ist. Als Jeanne später in der Liebeswohnung von ihrem Vater erzählt und auch Paul von seinen Eltern berichtet, wird die Autarkie ihrer Beziehung und des Ortes nach und nach aufgebrochen. Beide transportieren über ihre Erzählungen ein Stück der Außenwelt, ein Stück bourgeoiser Wirklichkeit mit allen Konventionen und Beschränkungen in den zuvor hermetisch abgeriegelten Raum. … hier [soll] noch [] auf die Interpretation Bernd Kiefers hingewiesen werden, der die Befunde zusammenfassend dargestellt hat: „Bertolucci wollte schockieren, und er wußte, wodurch sich die bürgerliche Kultur, die die „sexuelle Revolution“ (Wilhelm Reich) integriert hatte, noch schockieren ließ: durch die Darstellung kruder, emotional, ja personal abgelöster Sexualität. Das Sakrale, die transzendierende Kraft, ist dem Sexus genommen worden; es bleibt das wahnsinnig-verzweifelte Suchen nach dem Körper, dem eigenen und dem des Partners, in einer fremd gewordenen Welt.“ (Bernd Kiefer: Bernardo Bertolucci. In Thomas Koebner (Hg.): Filmregisseure. Stuttgart 1999, S. 67)“ … Bertoluccis zu Puppen erstarrten Tangopaare visualisieren eine moderne Gesellschaft, die zur produktiven Maschine verkommen ist. Gefangen in einem dichten Regel- und Normenwerk, treten diese völlig ignorant ihrer Umwelt gegenüber und sind gekennzeichnet durch emotionale Blindheit. …“ | Aus: „Seduktionstheorie des Films IV: Anatomie einer Leidenschaft – Anmerkungen zu Bernardo Bertoluccis transgressivem Liebesfilm DER LETZTE TANGO IN PARIS“ Peter Moormann (Datum ????) | Quelle: www.ikonenmagazin.de/artikel/Tango.htm

(15. Januar 2016): “ … Einer von Bertoluccis Freunden, der Schriftsteller Alberto Moravia, sah im Letzten Tango zwei gegensätzliche Kräfte walten, den Eros, der das Lustprinzip verkörpert und Thanatos, das Prinzip des Todes. Die Wohnung ist der privilegierte Sitz des Eros, während über alles andere, über die Außenwelt, Thanatos obwaltet. Der Eros verbleibt als die einzige vollkommene Artikulationsmöglichkeit in der Zivilisation, was eine klare Kritik Bertoluccis an der westlichen Kultur bedeutet. „Der Sexus ist lebendig. Der ganze Rest ist tot: die Bourgeoisie, die Ehre, die Orden, die Familie, die Ehe und sogar die Liebe selbst.“ Die bürgerliche westliche Gesellschaft kennt keine andere lebendige Wahrhaftigkeit als den Sex, … Bertolucci erklärte, in der westlichen, bürgerlichen Gesellschaft sei die Paarbeziehung von Einsamkeit und Tod gekennzeichnet. In seinem Film erlebten die Figuren den Sex als eine neue Sprache. Entsprechend ist der Einsatz des Tango. Er entstand Anfang des 20. Jahrhunderts in den Bordellen von Buenos Aires und genoss in Europa als Import einen Anstrich von Verruchtheit und Erotik. Die bürgerlichen Tanzpaare, die sich bei Bertolucci im Tango üben, führen ihn ritualisiert und leblos aus. War der Tango im Großen Irrtum noch heißblütig, ist er hier eine kalte Karikatur. … Ist er [Paul] zu Beginn der Erzählung noch brutal gewesen, so wird er im Lauf des Films entmännlicht. Gegen Ende rückentwickelt sich Paul zum Flegel, welcher der feinen Gesellschaft den Hintern zeigt, und zum Kind, das den Kaugummi unter die Balustrade klebt, ehe er in fötaler Stellung tot liegen bleibt, im Schoß von Paris. … Jeannes Vater ist im Algerienkrieg gefallen. Sie hat ihn in seiner Uniform hinreißend gefunden. Die Vermutung liegt nahe, dass sie in Paul ihren Vater wiederzufinden hofft. Auch Bertolucci bezeichnete ihre Beziehung als ödipal. Jeanne ist passiv, nur durch Brutalität erregbar, unterwirft sich Paul und ist von ihm fasziniert, weil er ihr die Erfahrung völliger Hingabe vermittelt. Pauls Einsiedlertum, sein Mysterium und seine Authentizität machen ihre Begegnungen mit ihm zu etwas Höherem als ihr Alltag, vermitteln ein Erlebnis von Abenteuer und Freiheit. Paul will nicht altern, Jeanne nicht erwachsen werden. … Als Bertolucci den Letzten Tango schrieb, brach nach fünf Jahren gerade die Beziehung mit seiner Lebensgefährtin auseinander. Bei Brando gab es Vermutungen, dass er aufgrund der Streitigkeiten um Alimente und Sorgerecht einen gehörigen Hass auf Frauen und Familie entwickelt hatte. Der Streifen geriet sofort unter Beschuss durch Feministinnen, von denen einige ein Verbot forderten. Dazu meinte Bertolucci, das sei für ihn eine viel zu instinktive Reaktion. Das Werk handle von Chauvinismus, und moralische Urteile abzugeben interessiere ihn nicht. Überhaupt traumatisiere der Film Männer stärker als Frauen, weil er Männlichkeit in Frage stellt. Es gab Kritikerinnen, die sich dieser Lesart anschlossen: Paul sei gleichzeitig eine extreme Ausprägung des Machotums wie auch ein Beispiel dessen Scheiterns, was eine feministische Kritik erschwere. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Der_letzte_Tango_in_Paris

CLAUDIA TIESCHKY (10. Mai 2010): “ … Das Rätsel des Tangos löst der Film nicht. „You fucking big fucker — ein Mann mag alle Mysterien des Universums kennen, aber das seiner Frau wird er nie verstehen“, sagt Brando am Sarg seiner Ehefrau. Bertolucci schwört, das war improvisiert — so einen Monolog hätte er sich nie ausgedacht. …“ | http://www.sueddeutsche.de/kultur/im-fernsehen-der-letzte-tango-ich-kenne-diesen-mann-nicht-1.419898

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