[Zum Sprachgebrauch #22… ]

“ … Daß die metaphysischen Probleme womöglich der Sprache zu verdanken sind, ist der Grundgedanke bei Gottlob Frege und bei Fritz Mauthner. Die Auseinandersetzung mit diesem Gedanken zieht sich durch das Philosophieren bei Ludwig Wittgenstein … Sprachkritik bedeutet hier nicht Dekonstruktion der Philosophie, sondern ihre Rettung durch logische Klärung der Gedanken. Was Wittgenstein interessant macht, ist die immanente Kritik dieser Forderung im Sinne der „Lebensprobleme“, welche die Philosophie nicht löst. … Der Umgangssprache wird dabei das absolute Mißtrauen ausgesprochen. Sie täusche wie die „äußere Form des Kleides, die nach ganz anderen Zwecken gebildet ist als danach, die Form des Körpers erkennen zu lassen.“ (Philosophische Bemerkungen). … der jeweilige Sprachgebrauch erschließt die Bedeutung, [ ] ist [ ] kontextabhängig und hat keinen Absolutheitsanspruch (Sprache muß sich ‚bewähren‘). Der Gebrauch sprachlicher Ausdrücke kann ganz verschieden sein. … Neuere Forschungen verstehen die Entwicklung von Sprache und Denken als einen koevolutionären Prozeß, der durchaus im Sinn von Herder Wurzeln in einem ‚Instinkt‘ hat und nicht ganz Konvention ist. …“ | Aus: [Wintersemester 1998/99] „Hartmann: Philosophische Grundlagen 1.8. – Sprachtranszendentalismus: Wittgenstein“ >> http://www.netzgestalten.de/Frank.Hartmann/Wittgenstein.htm

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no-panic, gestern 10:48 Uhr: “ … Sprache ist wie ein Fluss. Er/Sie mäandert, sucht sich einen Weg. Zuflüsse machen Ihn/Sie reicher, mächtiger. Hindernisse umfließt er/sie, wenn er/sie sie nicht niederreissen kann. Ab und zu entsteht ein Nebenfluss, er/sie teilt sich, oft versickern diese Nebenflüsse nach wenigen Metern, andere wachsen und werden stärker. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/linguistik-sprachforschung-code-switching/seite-2?commentstart=25#cid-3803364

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Burkhard Straßmann: Ihre Doktorarbeit trägt den Titel „Gehst du Bahnhof oder bist du mit Auto?“ Wo sind Sie diesem Satz begegnet?
Diana Marossek: Zu Hause! Meine jüngere Schwester hatte Freundinnen zu Besuch, alle von einer behüteten Schule in Pankow am Stadtrand von Berlin, ohne Migrationseinflüsse. Trotzdem sprachen sie, als ob sie aus dem tiefsten Wedding kämen. Ich habe auch Kita-Erzieherinnen mit ihrer Gruppe so sprechen gehört oder Menschen in der S-Bahn.
Diana Marossek: … Meine erste These: Berliner ohne Migrationshintergrund verwenden unreflektiert die türkische oder arabische Frage- und Antwortsyntax. Die zweite These: Das fällt gerade Berlinern leicht. Denn unser Dialekt hat ähnliche grammatische Strukturen. Berliner sagen auch: Bist du auf Arbeit? Ich bin mit Auto. …
Burkhard Straßmann: Machen das vor allem die Jungen?
Diana Marossek: Nein, Mädchen sprechen ganz ähnlich. Sie sind nur ruhiger, weniger aggressiv. Sie schimpfen anders. Liebevoller.
Burkhard Straßmann: Wie schimpft man denn liebevoll?
Diana Marossek: „Schätzchen, zick jetzt mal nicht so rum.“ Ein Junge würde sagen: „Alter, ich ficke deine Mutter.
Diana Marossek: … Diese Sprache scheint sich leicht im Gehirn festzusetzen. Manchmal rutscht auch Erwachsenen so etwas heraus: „Ich geh Bäcker. Soll ich dir was mitbringen?“ Und im Lehrerzimmer habe ich gehört: „Margit, gehst du Kopierer?“ … | Aus einem Interview von Burkhard Straßmann (DIE ZEIT Nº 27/2014) | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch

alex_x, gestern 11:05 Uhr: „Ich bin Hansaring! … Mir war nicht bewusst, dass das Weglassen von Artikeln und Präpositionen durch die türkische Grammatik geprägt ist. Jetzt verstehe ich auch, warum ein deutscher Junge in Köln in sein Smartphone ruft: „Alter! Bist du Hauptbahnhof? Ich bin Hansaring!“ …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=1#cid-3803410

sokleidas, gestern 11:29 Uhr: „Das ist einfach nicht richtig! – Das türkische ist eine agglutinierende Sprache [https://de.wikipedia.org/wiki/Agglutinierender_Sprachbau] und verfügt über Kasusendungen und Postpositionen (statt Präpositionen)! Dieser Sprachverfall ist _nicht_ durch die türkische Grammatik erklärbar. Wenn Sie im Türkischen eine Kasusendung an ein Wort hängen ist es damit auch determiniert, das heißt, man muss es mit Artikel übersetzen! Auch ein Türke sagt: »Ich bin _am_ Bahnhof« (gardayım), oder »ich steige _in_ den Bus« (otobüse bineceÄŸim). Ähnliches gilt auch für das Arabische, das kennt auch determinierte Wörter und Kasus. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=1#cid-3803464

Wescha, gestern 11:30 Uhr: „Sprache ist eben lebendig. Sie verändert sich fortlaufend, heute redet man ja auch nicht mehr wie 1850, 1950 oder 1995. Jeder Versuch diesen Prozess aufzuhalten ist verlorene Liebesmühe. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=1#cid-3803469

slipstream, gestern 11:57 Uhr: „Richtiges Deutsch – Zitat: „…Man stelle sich vor wir würden die Schwaben oder Sachsen dazu zu zwingen „richtiges“ Deutsch zu sprechen!…“ In gewissen Berufen kann Ihnen das durchaus passieren. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=17#cid-3803549

ILoveCycling, gestern 11:35 Uhr: „Sprache kennt keine Regulierungen – Wunderbar anzusehen, wie die deutsche Sprache sich von unten nach oben entwickelt. Was jetzt noch von der „Bildungselite“ abgelehnt wird, ist in 20 Jahren völlig normal. Da helfen Gezeter und Regulierungsversuche nicht. Dieses Gezeter gibts vermutlich schon, seitdem der erste Mensch anders gegrunzt hat als die Affen vor ihm. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=9#cid-3803481

MarlinFlake, gestern 23:44 Uhr: “ … ein sächselnder Vertriebler hat im Rheinland so wenig Erfolgschancen wie ein schwäbelnder Vertriebler In Hamburg. Umgekehrt gehts etwas besser…. “ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=113#cid-3805424

Mike -Stgt-, gestern 14:26 Uhr: „Du zahl Rechnung oder ich mach dich Messer. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=41#cid-3803959

Peggâne, gestern 16:39 Uhr: „Hesssch – In Hessisch „Komm ma bei die Omma“ – Meine Mutter ist im Kreis gesprungen und hat meiner Großmutter dieses falsche Deutsch vor uns Kindern verboten… Immerhin ist da noch ein Artikel mit drin ;-) …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=65#cid-3804283

HonorisCausae, gestern 18:00 Uhr: „Bildungsbrutstätte – Auf dem hiesigen Gymnasium, dessen Schüler sehr behütet im Speckgürtel der Großsstadt – nicht in Berlin – aufwachsen, dort, wo die Mamis noch halbtags arbeiten oder zuhause bleiben und die Papis im Anzug in die Konzerne ziehen, um das deutsche Wirtschaftswachstum voranzutreiben, dort leben Schülerinnen und Schüler von der 7. bis zur 12. Klasse in beiden Sprachwelten. Untereinander heißt es: „He du Spast!“, „Ey Mann Alter F*ck dich wo hast du Arbeitsblatt?“ und was dergleichen Nettigkeiten mehr sind. Das tun sie, wenn sie unter sich sind oder einander meinen. Erinnert man sie daran, dass wir hier uns in der Regel nicht mit „F*ck dich“ begrüßen, erröten sie mitunter sogar. Sie scheinen sich dem Irrtum hinzugeben, dass Ghettodeutsch auf einer unglaublich coolen Frequenz läuft, die keiner über 18 versteht; und für die ist es auch nicht gedacht.
Sprechen sie mit Erwachsenen, sprechen sie großteils korrektes Hochdeutsch. Ab und zu sagen sie „der Einzigste“, aber das war’s dann auch schon.
Rechtschreiben können sie nicht, aber das liegt wohl weniger an drastischem Prollrap (den hören sie, lesen ihn aber nicht) als daran, dass sie mit wenigen Ausnahmen freiwillig keine Texte lesen, die länger sind als 140 Zeichen. ..“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=89#cid-3804516

b4w3f, gestern 18:16 Uhr: „Das Weglassen der Präposition bei Sätzen wie „Bin Bahnhof“ sorgt in keiner Weise dafür, dass es unverständlich wäre. „Ich“ und „am“, vielleicht auch „im“, kann impliziert werden. Zudem ist das Weglassen der Präposition im Bekanntenkreis unwichtig, wenn jeder weiß worum es geht. „Bin Kino“ löst im Allgemeinen zu allererst die Frage nach „Welches“ aus und nicht nachdem „vor“ oder „im“. … “ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=89#cid-3804563

Erkos, gestern 19:31 Uhr: “ … In meiner Heimat heißt es z.B.: „Ich wärde Sie maa helfen.“ oder „Jibb mich das maa rübber!“ Mein Vater, aus Schlesien gebürtig hat einen heftigen Kampf gefochten, uns Kindern ordentliches deutsch beizubringen. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=97#cid-3804771

Siri W., gestern 19:44 Uhr: „104. @ Erkos – Bei uns waren es die gesamte weibliche Verwandschaft, welche teilweise mit „brachialer Gewalt“ versuchten uns von den „bösen Slangs“ fernzuhalten. …“ | http://www.zeit.de/2014/27/soziolinguistin-diana-marossek-deutsch-tuerkisch?commentstart=97#cid-3804808

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