Kategorie: Gedanken.Memo

[Zum Sprachgebrauch #11… ]

„Fümmsböwötääzääuu, pögiff, kwiiee. dedes nn nn rrr, ii ee, mpifftilfftoo tilll. Júú kaass. Rinnzekete bee bee nnz krr müü ziiuu ennze ziiuu rinnzkrrmüü; rakete bee bee. Pumpfftilfftoo? Ziiuu ennze ziiuu nnz krr muü, ziiuu ennze ziiuu rinnzkrrmüü; kakete bee bee, rakete bee zee. – Fümms bö wö tää zää uu, Uu zee tee wee bee fümmmmms!…“ – Lautgedicht in ‚Autobiographie von Kurt Schwitters‘ Kurt Schwitters 6. Juni 1926. zitiert nach „Kurt Schwitters – Words and Works“, ed. Helen Serger, La Boetie, Inc., New York 1985, nicht nummeriert | http://de.wikiquote.org/wiki/Kurt_Schwitters

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Seltsam, immer wenn ich das Wort Kompetenz lese oder höre zuckt in mir ein Pein behaftetes Gefühl der Verzweiflung an der Sprache durch den Gehirnkorridor. Noch nie in meinem Leben habe ich das Wort Kompetenz an einer passenden Stelle entdeckt.

Hier ein Beispielsatz [von Klaus Irler (20.06.2012), „Berühmt im Verborgenen“, https://www.taz.de/125-Jahre-Merz-Kunst/!95699/]: “ … Im Kurt Schwitters Archiv sitzt Isabel Schulz an einem funktionalen Konferenztisch und sagt: „Wir sind ein Forschungs- und Kompetenzzentrum. Wir wollen das Erbe des vertriebenen Künstlers zurückholen.“ … “ – Immerhin der eingefügte funktionale Konferenztisch ist reizvoll – Hingegen sollte bei – „… In der Tourismusinformation gibt es keine Broschüre zu Schwitters … “ – mpfft kohul dräää mihuluft bamboluos dringlichst betont werden.

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„… Im weiteren Sinne gehört zur sprachlichen Kompetenz auch, sich dem jeweiligen Bezugsrahmen entsprechend angemessen zu äußern und das heißt, eine für die jeweiligen Teilnehmer der verbalen Kommunikation zumutbare bzw. verständliche Form zu wählen (z. B.: auf eine hochsprachliche Äußerung nicht im Jargon oder Dialekt zu reagieren) und auch: den metakommunikativen Kontext zu berücksichtigen (z. B. auf eine offenkundig humoristisch oder satirisch gemeinte Äußerung entsprechend zu reagieren)…“ | http://de.wikipedia.org/wiki/Kompetenz_%28Linguistik%29 (7. Januar 2012 ) | “ … Das Wort „Kompetenz-Kompetenz“ gilt bisweilen als das längste Reduplikationswort der deutschen Sprache, ist aber tatsächlich ein Determinativkompositum. …“ | http://de.wikipedia.org/wiki/Kompetenz-Kompetenz#Trivia (20.06.2012) | de.wikipedia.org…Determinativkomposita

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Kontext:

[Zum Wahn der Liebe #17… ]

Herbert_Schmalz_LeVeil_de_Galatee
L’Eveil de Galatée | Herbert Schmalz (Near Newcastle, 1856 – London, 1935)

http://en.wikipedia.org/wiki/Herbert_Gustave_Schmalz

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“ … Giulia Farnese (* 1474 in Canino oder Capodimonte; † 23. März 1524 in Rom), genannt la Bella, war eine der Mätressen des Borgia-Papstes Alexander VI. und Schwester von Papst Paul III. … Giulia Farneses Grab ist unbekannt. Dennoch soll sich bis heute ein Abbild von ihr erhalten haben und zwar ausgerechnet im Petersdom in Rom. Als Teil des links vom Hochaltar befindlichen Grabmals des Papstes Paul III., geschaffen vom Bildhauermeister Guglielmo della Porta, glaubten schon Zeitgenossen, eine Statue seiner Schwester, der „Bella Giulia“, zu erkennen. Der Stein sei so lebendig und voll erotischer Ausstrahlung gewesen, dass immer wieder junge Männer vor ihm zu „unsittlichen Handlungen“ hingerissen wurden. Um 1600 ließ daher der Vatikan diese liegende, ursprünglich nackte Figur mit einem Metallhemd aus Blei bekleiden, das sich noch im 18. Jahrhundert gegen ein Trinkgeld entfernen ließ. …“
Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Giulia_Farnese (29. März 2012)

http://de.wikipedia.org/wiki/Agalmatophilie

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„… Der Künstler Pygmalion von Zypern ist aufgrund schlechter Erfahrungen mit Propoetiden (sexuell zügellose Frauen) zum Frauenfeind geworden und lebt nur noch für seine Bildhauerei. Ohne bewusst an Frauen zu denken, erschafft er eine Elfenbeinstatue, die wie eine lebendige Frau aussieht. Er behandelt das Abbild immer mehr wie einen echten Menschen und verliebt sich schließlich in seine Kunstfigur. Am Festtag der Venus fleht Pygmalion die Göttin der Liebe an: Zwar traut er sich nicht zu sagen, seine Statue möge zum Menschen werden, doch bittet er darum, seine künftige Frau möge so sein wie die von ihm erschaffene Statue. Als er nach Hause zurückkehrt und die Statue wie üblich zu liebkosen beginnt, wird diese langsam lebendig. Aus der Verbindung geht ein Kind namens Paphos hervor. Im 18. Jh. erhält die zum Leben erweckte Statue den Namen Galatea. …“
Aus: http://de.wikipedia.org/wiki/Pygmalion (23. April 2012)

http://en.wikipedia.org/wiki/Pygmalion_and_Galatea

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… I needed inspiration,
A brand new start in life,
Somewhere to place affection,
But I didn’t want a wife

And then by lucky chance I saw
In a special magazine
An ad that was unusual,
The like I’d never seen,

„Experience something different
With our new imported toy,
She’s loving, warm, inflatible
And a guarantee of joy“

She came all wrapped in cardboard,
All pink and shrivelled down
A breath of air was all she needed
To make her lose that frown

I took her to the bedroom
And pumped her with some life,
And later in a moment
That girl became my wife

And so I sit her in the corner
And sometimes stroke her hair
And when I’m feeling naughty
I blow her up with air

She’s cuddly and she’s bouncy,
She’s like a rubber ball,
I bounce her in the kitchen
And I bounce her in the hall

And now my life is different
Since Sally came my way
I wake up in the morning
And have her on a tray …

From: „Be My Girl – Sally“ (Summers, Sting)
http://en.wikipedia.org/wiki/Outlandos_d%27Amour

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Casanova fa l’amore con una bambola meccanica.
http://www.youtube.com/watch?v=zPE-c43cOGc

Fellinis Casanova (Originaltitel: Il Casanova di Federico Fellini) ist ein Film des italienischen Filmregisseurs Federico Fellini aus dem Jahr 1976 nach der Autobiografie Geschichte meines Lebens (französ. Originaltitel: Histoire de ma vie) von Giacomo Casanova, einem Abenteurer und Schriftsteller des 18. Jahrhunderts. …
http://de.wikipedia.org/wiki/Fellinis_Casanova

“ … Federico Fellinis Spielfilm „Casanova“ aus dem Jahr 1976 dar. Im Schlußbild dreht sich der Titelheld, der sich in seinem Verhalten als von Automaten beeinflußt erweist und schließlich, dem Klischee entsprechend, selbst Maschinencharakter erlangt, mit einer mechanischen Puppe auf dem zugefrorenen Canale Grande. In der mechanischen und willenlosen Puppe erkennt der Protagonist offenbar die lange gesuchte, ihm adäquate Frau. Fellini beschreibt in seinem Drehbuch Casanova als „eine elektrifizierte Marionette“ [Federico Fellini 1977, zit. n. ebda., S. 151f.] mit dem zwanghaften „Eros einer Kolbenmaschine“ [ebda.]. …“ | Aus: „Automaten und Androiden – Auszug aus: E. Wenzel Mraček: Simulatum Corpus. Vom künstlichen zum virtuellen Menschen. Diplomarbeit am Inst.f. Kunstgeschichte, Graz 2001“ | http://www.chess.at/geschichte/kempelen.htm

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„… Blade Runner … ist ein am 25. Juni 1982 erschienener US-amerikanischer Science-Fiction-Film des Regisseurs Ridley Scott. Literarische Vorlage ist der Roman Träumen Androiden von elektrischen Schafen? von Philip K. Dick. … Die [Film]Musik nimmt grundsätzlich die Themen der Nostalgie und der Durchmischung verschiedener Epochen und Kulturen auf. … Besondere Bedeutung hat die Musik in Szenen mit wenig Dialog, so etwa in den fast wortlosen romantischen Szenen zwischen Deckard und Rachael – die selbst eine kurze Chopin-Variation am Klavier spielt … Am Schluss flieht Deckard mit Rachael aus der Stadt. In der ersten Kinoversion des Films gelingt ihnen die Flucht, und Rachaels Lebenszeit ist überdies nicht begrenzt wie die der anderen Replikanten. Im Director’s Cut bleibt hingegen offen, ob die Flucht gelingt und ob Rachael überleben wird, und sogar die Möglichkeit, dass Deckard selbst unwissentlich ein Replikant sein könnte, wird angedeutet. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Blade_Runner (09/2014)

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“ … Die drei Androiden Olimpia, Hadaly und Iolanthe stehen für drei Stufen in der technischen Entwicklung: für die Mechanisierung, die Elektrifizierung und die Elektronisierung. In keiner der drei vorgestellten Automatengeschichten kommen die Männer an das Ziel ihrer Wünsche: der Vereinigung mit dem projizierten Wesen. Alle drei Automaten werden brutal zerstört. … Peter Gendolla hat – aus psychoana lytischer Perspektive – behauptet, daß sich die weiblichen Automaten nicht ohne weiteres „als die mehr oder weniger sublimierten sexuellen Wunschbilder ihrer männlichen Autoren identifizieren“ ließen, daß sie – im Unterschied zu den belebten Statuen des Pygmalion-Mythos – nicht bloß der männlichen Lustbefriedigung dienten. Als Primärmotiv für die Konstruktion künstlicher Frauen erkennt er die Überbietung der Wirklichkeit: Die künstlichen Frauenseien ‘echter‘, wahrhaftiger, identischer als die wirklichen Frauen. Der Mann erschafft ein quasi „lebendiges“ Wesen; er erfüllt damit „das männliche Phantasma einer Zeugung ohne Mutter“. Indem sein Kunstprodukt sogar die Wirklichkeit überbietet, scheint der zivilisationsgeschichtlich bedingte Gegensatz zwischen Natur und Kultur aufgehoben zu sein. Diese These läßt das Motiv der Männer eine Nuance geistiger erscheinen: Es geht um die Schaffung eines Ideals, aber – und das muß doch kritisch festgehalten werden – es geht um ein Männerideal, eine Männerphantasie, eine Projektion des männlichen Ichs ins weibliche Gegenüber. Ob man nun diese Spiegel ung der eigenen Tätigkeiten in einem Objekt mit Freuds Theorie der narzißtischen Entwicklung erklären oder sogarmit Lacan von dem Spiegelstadium einer gesellschaftlichen Ich-Bildung sprechen will – sicher steckt dahinter ein gehöriges Maß narzißtischer Trieb Befriedigung. …“ | GUNTER E. GRIMM „Elektronische Hirne“ – Zur literarischen Genese des Androiden (Ringvorlesung Duisburg Sommersemester 1997) | http://www.goethezeitportal.de/db/wiss/epoche/grimm_hirne.pdf

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Found & Impuls via http://www.kawaikittens.com/post/16286950422 (22/01/2012)

[Ein Rausch kommt über den… ]

„… Dieser Zustand [des Flanierens] ist unmittelbar mit der Art der Fortbewegung verbunden und kommt dem Rausch nach der Einnahme halogener Drogen gleich.

Ein Rausch kommt über den, der lange ohne Ziel durch Straßen
marschierte. Das Gehn gewinnt mit jedem Schritte wachsende
Gewalt; immer geringer werden die Verführungen der Läden, der
Bistros, der lächelnden Frauen, immer unwiderstehlicher der
Magnetismus der nächsten Straßenecke, einer fernen Masse
Laubes, eines Straßennamens.

Es lässt sich also für die Belange dieser Arbeit festhalten, dass Benjamins Flaneur sich auf eine ganz bestimmte Weise fortbewegt, dabei in einen Rauschzustand verfällt, der es ihm ermöglicht, Personen, Objekte und ganz besonders die Orte auf eine veränderte Weise wahrzunehmen. Er präformiert damit die Figur des Detektivs und ist mit diesen Eigenschaften auch dem Dandy ähnlich, für den allerdings, anders als für den Flaneur, die Kommunikation eine entscheidende Rolle spielt. … Das Flaneurprinzip ist eine besondere Form der Metaphorisierung, wobei das physische Flanieren als Bildspender funktioniert und die Erinnerung als Bildempfänger. … „Die Stadt ist die Realisierung des alten Menschheitstraumes vom Labyrinth. Dieser Realität geht, ohne es zu wissen der Flaneur nach.“

Das klassische Labyrinth aus Mauern wird ersetzt durch das Labyrinth der Straßennamen und diese Übertragung des Labyrinths auf die Straßen der Stadt bildet die Grundlage für Benjamins Überlegungen zum Flaneur. … Die Studien der Menschen und Orte, die für solch ein Konzept nötig sind, kann nur der Flaneur betreiben. So schreibt Benjamin:

Landschaft – das wird sie in der Tat dem Flanierenden. Oder genauer: ihm tritt die Stadt in ihre dialektischen Pole auseinander. Sie eröffnet sich ihm als Landschaft, sie umschließt ihn als Stube … “

Aus: „Der Flaneur in Walter Benjamins Berliner Kindheit um neunzehnhundert – Von der Figur zur Struktur“ Doreen Lutze (2004) | http://www.maikatze.de/grafik/Flaneur.pdf

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Kontext | LASER #17 [Der Flaneur und die Architektur der Großstadt… ]
http://www.subf.net/forum/index.php/topic,571.0.html

[Der Bambusschaukelstuhl… ]


Die Hände voll gekochtem Mais, Bildquelle Twin Peaks (1990-1991)

& Als Realitätstablette gibt es heute morgen mal eine Kanne Kaffee und Supertramp (Frühstück in Amerika) über Kopfhörer. Seltsames Gefühl. Das Hören der Musik gleicht einem alten Treppenhaus, dessen Geruch ein paar verschüttete Erinnerungen bruchstückhaft zurück ins Gehirn schleudert.
Seit einiger Zeit wird mir „ironisches Hören“ mehr und mehr zum Bedürfnis. Ich könnte kotzen, wenn ich mich zwingen würde, dauernd Musik hören zu müssen, die ich „mag“. Es ist verwirrend – ich „mag“ nicht mehr die Musik, die ich dachte zu mögen. Es ist auf das Auge übertragen in etwa so, wie beim ansehen von Filmen mit Hans Albers oder „Twin Peaks“. Es kann dabei nicht mehr um das Mögen gehen. Aber die Beschreibungen sind nur Annäherungen. Es ist als schöbe sich eine Zeitschicht oder sogar mehrere Zeitschichten übereinandergelagert in die unmittelbare Wahrnehmung. Und wir sitzen auf einem riesigen Trümmerfeld von Artefakten. Da macht es Sinn das Hören und Sehen ganz neu zu sortieren.

& Als ich mit meinem Sohn und Kumpel Theo eine Pizza gegenüber dem Prinz Willy am Südfriedhof esse, kommt ein langhaariger blonder Typ mit Tattoos im Gesicht an die Theke und erklärt kurzatmig, das er kein Geld mehr hat.

Aber er hätte draußen vor der Tür einen Bambusschaukelstuhl. Das „Ding“ sei völlig okay. „Nein wirklich, völlig einwandfrei.“ Es fehle nur so ein Sitzkissen, aber das können man überall günstig bekommen. Theo steht auf und guckt durch die Glastür – und tatsächlich da steht ein völlig intakter Bambusschaukelstuhl. Theo setzt sich wieder und nimmt das nächste Stück Pizza in die Hand.

Er bräuchte nur 2, nein 3 Euro. „Wegen Tabak“. Die Verkäuferin hinter der Theke will keinen Ärger und ist gerade dabei ihm die 2 Euro für den Bambusschaukelstuhl zu geben. Er kneift die Augen zusammen und überfliegt die Speisekarte – „Nein, ‚Tschuldigung, aber ich ’nehm doch lieber einen Kinderdöner“ – er lächelt etwas debil in den Raum und wippt von einem Fuß auf den anderen. Schon ist er mit dem „Kinderdöner“ an uns vorbei und zur Tür hinaus. Als Theo mit der Pizza fertig ist und sagt „Ich kann nicht mehr“, sehe ich den Bambusschaukelstuhl aus den Augenwinkeln draußen vor der Tür, wie er im kühlen Wind sanft schaukelt wie von Geisterhand.

[Zur Abkehr vom idealistischen Selbstbild der Moderne… ]

[…] Gerhard Roth: Die revolutionäre Einsicht für die Neurowissenschaften liegt darin, dass die Kommunikation und Interaktion das Gehirn formen, oft in Minutenschnelle. Das Ich entsteht aus dieser Interaktion, genauso wie Gene durch Umwelteinflüsse aktiviert werden. Erst Freuds Perspektive macht verständlich, wofür das Gehirn da ist. Doch nicht dafür, Neuronen feuern zu lassen, sondern Bedeutungen im individuellen und insbesondere sozialen Handeln zu erzeugen und zu verarbeiten.

Harald Welzer: Ernst genommen, bedeutet das nochmals eine gewaltige Kränkung des Ichs und die Abkehr vom idealistischen Selbstbild der Moderne. Das Ich ist nicht nur nicht Herr im eigenen Haus, wie Freud gesagt hat, sondern es gibt dieses eigene Haus gar nicht.

Aus: „Die Seele gehört nicht mir“ Von evt/schnabel (16.03.2007)
http://www.zeit.de/2006/09/F-Welzer_2fRoth

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Und auf dem alten Klapperrad über dem Kopfsteinpflaster dachte ich noch mal zurück an die interne Zustandsmaschine. Das fast schon hilflos geistige Fallen, das erlebbar werden kann, wenn es nicht gelingen will, ein Gegenüber zu erreichen. Worte ohne Wahrnehmung. Und am Telefon zur Nacht hilfloses emotionelles Hyperventilieren. Als ich am Krankenhausbett stand, dachte ich mit Worten etwas ausrichten zu können. Mir scheint, dies war recht weit gefehlt.
Auch wenn der eine oder die andere nie ganz „Herr im eigenen Haus“ sein kann, selbst wenn es dieses Haus gar nicht gibt, so ist es doch sehr erheblich, wie viele Stockwerke von diesem bereits unter Wasser stehen.

[Tageszentrifuge #2… ]


[Quelle: Jugend + Technik 7/1974 Verlag Junge Welt, Berlin]

8:32 – Eine mich an meine verstorbene Urgroßmutter aus Ratzeburg erinnernde Dame, sitzt auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf ihrer Simson Maschine. Sie sieht mich herausfordernd an. Ein wundervolles Bild. Die Simson ist in einem recht guten Zustand. Alt-Violett und ein bisschen Rost an der Vorderlampe. Dazu wiegen vorzüglich die seidigen weißen Haare im Wind.
Später nach dem ich das Rad einen steilen Hügel heraufgeschoben hatte steht ein Laster am Wegesrand auf dem groß geschrieben steht: „Mietwäsche zum wohlfühlen“. Wer denkt sich so etwas aus?

[Tageszentrifuge… ]

Der Wind pfeift kalt um die Ohren, da hilft die Wollmütze auch nicht. Schnell noch vor der Arbeit einen Joghurt besorgen im Supermarkt (I have to pay the bills I have to pay, halleluja!).
Und Matti sagte es fühle sich an, als habe er eine Schippe Zement im Gehirn. Und der zerstörte Blick von I. verfolgt mich noch. Wäre ich ein Flugzeug, hätte der Pilot heute Probleme die Maschine in die Luft zu bekommen.
Kleine Lügen umkreisen kleine Wahrheiten, große Lügen große Wahrheiten. Heute würde ich liebend gern in der Embryostellung bleiben – unter der Decke – und einen Tag aussetzten. Doch die Füße treten bereits in die Pedale.

[Theo Angelopoulos (17.04.1935 – 24.01.2012)… ]

Perikles Monioudis („Kein anderes Meer“) 25. Januar 2012, 11:28, NZZ Online: “ … Theo Angelopoulos wurde am Dienstagabend kurz nach 19 Uhr von einem Motorrad erfasst, als er in der Nähe der Hafenstadt Piräus bei Athen eine Strasse überquerte. Der 76-jährige Regisseur erlag im Spital einer Gehirnblutung.
Angelopoulos starb während der Dreharbeiten zu seinem Film zur griechischen Schuldenkrise und ihren oft verheerenden Auswirkungen im griechischen Alltag. «Das andere Meer» sollte das Werk heissen … Angelopoulos, dessen Filme oft «on the road» spielen, hätte der traurigen Tatsache eines fatalen Verkehrsunfalls zumindest abgewinnen können, dass seine bevorzugte Ästhetik – ein Motorrad, gelenkt von einem Polizisten ausser Dienst – respektiert wurde.
… “ | http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/theo_angelopoulos_1.14517723.html

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Der Blick des Odysseus“ Von Theo Angelopoulos (1995)

http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Blick_des_Odysseus

http://de.wikipedia.org/wiki/Theo_Angelopoulos

[Verfassung und Wirklichkeit… ]

„Sie schaden unserem Ruf“ – WELT am SONNTAG vom 04.06.67, Seite 8 von 36
http://www.medienarchiv68.de/dl/202104/524.jpg.pdf

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Studentenbewegung_der_1960er-Jahre

Kontext: http://de.wikipedia.org/wiki/Benno_Ohnesorg

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“ … 1967 wurde bei einer Demonstration der Student Benno Ohnesorg erschossen. Offenbar gezielt … Der makaberste Akt der Vertuschung ereignete sich im Krankenhaus Moabit: Dort entfernten Ärzte Schädelteile um das Einschussloch herum und nähten die Kopfhaut wieder zu. Im Totenschein ist als Todesursache angegeben: „Schädelverletzung durch stumpfe Gewalteinwirkung.“ Dies, so sagte jetzt der Arzt, der den Schein ausstellte, dem SPIEGEL, habe er „nicht aufgrund eigener Feststellungen, sondern auf Anweisung meines damaligen Chefs gemacht.“ … “
Aus: „Berliner Polizei vertuschte Hintergründe des Ohnesorg-Todes“ (22.01.2012)
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,810583,00.html

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“ … Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte die Prüfung, ob das Strafverfahren gegen Kurras neu aufgerollt werden muss, im vergangenen November wieder eingestellt. Trotz neuer Erkenntnisse würde es für eine Wiederaufnahme nicht reichen, hieß es. Für ein Verfahren gegen einen rechtskräftig Freigesprochenen gebe es „engste rechtliche Voraussetzungen“. Der Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft sagte am Sonntag auf dpa-Anfrage, eine detaillierte Foto-Auswertung habe sich erst durch neue technische Möglichkeiten ergeben. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe sagte, es gebe keinen Anhaltspunkt für eine Verbindung zwischen dem Schuss von Kurras und seiner Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit. …“
Aus: „Ohnesorg-Tod: Wahrheit vertuscht?“ 22. Januar 2012 12.54 Uhr, B.Z./dpa
http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/ohnesorg-tod-wahrheit-vertuscht-article1368915.html

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mixolydisch, 22.01.2012:“ …. Die als „Verschwörungstheoretiker“ diffamierten wussten schon immer, dass da was vertuscht und manipuliert wurde – aber den „aufrechten“ Deutschen war das damals egal, denn schließlich hat es nur einen Studenten, Kommunisten-Freund und somit Vaterlandsverräter „erwischt“. …“

tijeras, 22.01.2012: “ … und bemerkenswert ist ja auch dass jetzt erst Leute Zugang zu diesen Quellen haben. Vorher gab es scheinbar kein Interesse, trotz der Tragweite der Ereignisse. …“

bassman1, 22.01.2012: „Es handelt sich um Staatsterrorismus. … “

Werner655, 22.01.2012: „Das haut einen wirklich um! Zu sehen, was alles möglich ist, wenn es nur von den „Oberen“ gewollt wird. …“

Qual, 22.01.2012: „Und da wundert sich wer über Misstrauen? …“

griedemann, 22.01.2012: “ Deutschland hat ein fundamentales Problem: Die Diskrepanz zwischen Verfassung und Wirklichkeit. “

maybee“, 22.01.2012: “ … dass es derartiger Staatsterrorismus war, konnte ich mir bislang nicht vorstellen. Allein der Einsatz der Prügelperser- zusammen mit der deutschen Knüppelgarde- war und ist ein Skandal, für den niemand je zur Verantwortung gezogen wurde. …“

realpress, 22.01.2012: „…Die Errichtung der RAF in 1970 und deren Taten erweckten mein Interesse als junger Journalist, wohnhaft in Deutschland mit ausländischem Pass. In meinen Recherchen nach dem wahren Sachverhalt zum Tode Ohnesorgs wurde ich in 1973 abrupt durch den BND gestoppt. In eindeutiger Form und unmissverständlich wurde mir klar gemacht dass ich per sofort meine Recherchen stoppen und auf gar keinen Fall Erkenntnisse hieraus veröffentlichen sollte. Im Falle der Nichtbefolgung hätte ich mich als „Persona non Grata“ zu betrachten und man (BND) würde Wege finden mich aus der BRD auszuweisen. …“

Schroekel, 22.01.2012:“ … Eine merkwürdige Häufung von losen Enden: Wenn es stimmt, dass Kurras Ohnesorg gezielt erschossen – also exekutiert hat – erscheint ausgeschlossen, dass er das aus eigenem Antrieb getan hat. Wer steckt dahinter und was war das Kalkül?
Wenn es stimmt, dass am Tatort anwesende Polizisten (und Vorgesetzte) gezielt Falschaussagen gemacht und damit den Todesschützen gedeckt zu haben, stellt sich die gleiche Frage. Eigener Antrieb, Anweisung von oben? Wer (und wo) ist in diesem Fall ‚oben‘?
Wenn es stimmt das Westberliner Ärzte auf Anweisung von oben die Leiche Ohnsesorgs manipuliert haben, stellt sich die gleiche Frage: wer gab die Anweisung? Hängen beide Fäden zusammen, oder hat sich der westdeutsche Staat ohne Not und Wissen zum Gehilfen der Stasi gemacht? …“

Tigermiu, 22.01.2012:“ … Obwohl 68-er habe ich bis heute nicht geglaubt, dass die Stammheim-Häftlinge der RAF ermordet wurden. Jetzt beginne ich zu zweifeln. …“

dr_schiwago, 23.01.2012: “ … Dieses Thema bestätigt meine Sichtweise als Realitäts-Agnostiker („es mag eine Realität geben, wir können sie aber nicht erkennen“). Noch schwieriger wird es mit der „Wahrheit“, die entgegen der allgemeinen Ansicht auch nur eine Interpretation der Realität ist. …“

http://forum.spiegel.de/f22/schuesse-auf-studenten-berliner-polizei-vertuschte-hintergruende-des-ohnesorg-todes-52606-12.html

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carpaccio, 23.01.2012 um 08:26 Uhr „Das macht verständlich warum Herr Prof. Buback auch nicht an die offizielle Version vom Tode seines Vaters glaubt. Vermutlich hat er Recht und die eigenen Leute waren tiefer verstrickt als bisher bekannt….. Celler Loch, die kleinste terrorstische Vereinigung der Welt in Thüringen….. Alles Verschwörungstherorien….“

Irelandfriend, 23.01.2012 um 10:59 Uhr “ Wenn jetzt noch die „wahren“ Vertuscher genannt würden. Die wahren Hintergründe etc. etc., DANN hätten wir einen Artikel von gutem Journalismus und umfassender Berichterstattung. Ansonsten: im Westen nix Neues. Daß Kurras Ohnesorg erschossen hat, ist ja schon seit ein paar Jahren bekannt. …“

Kommentare zu „Berliner Polizei vertuschte den gezielten Schuss“ (22.01.2012)
http://www.sueddeutsche.de/politik/tod-von-benno-ohnesorg-berliner-polizei-vertuschte-den-gezielten-schuss-1.1264325

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“ … Durch Vergrößerungen dieser bekannten Bilder habe man Details entdecken können, die gegen die von Kurras vorgetragene Begründung sprachen, er habe in Notwehr gehandelt, sagt der Publizist Uwe Soukup, der unter anderem das Buch Wie starb Benno Ohnesorg? Der 2. Juni 1967 geschrieben hat. Beispielsweise sei jetzt auf einem Pressefoto des Tatortes an einer Seite Kurras zu erkennen; bislang war das Bild immer beschnitten zu sehen gewesen. Eine bisher unveröffentlichte Filmsequenz zeigt zudem, wie ein Mann, von dem man annimmt, dass es Kurras ist, völlig unbedrängt den Tatort, einen Parkplatz, betritt. In der Hand hält er eine Waffe. Als er die Schüsse abgab, soll er den Bildern zufolge von anderen Polizisten umgeben gewesen sein. Laut Soukup war dieser Film stets Teil der Ermittlungsakte; man hätte ihn also vor Jahren – auch ohne Digitalisierung – auswerten können. Auch an dem Leichnam des erschossenen Studenten soll durch Operationen manipuliert worden sein.
Nach den jetzt bekannt gewordenen Darstellungen werde die Staatsanwaltschaft „neue Erkenntnisse und Rechercheergebnisse prüfen“, sagte am Sonntag Martin Steltner, Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft, dem Tagesspiegel. …“
Aus: „Tötete Kurras Benno Ohnesorg doch vorsätzlich?“ Von Sabine Beikler | Christoph Stollowsky | Sigrid Kneist (23.01.2012) | http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-01/ohnesorg-kurras-berlin

Schrdro, 23.01.2012 um 14:01 Uhr
„Noch Jahrzehnte später haben linke Verschwörungstheoretiker behauptet, was in diesem Artikel steht. Ich hab dann immer gelangweilt gegähnt. …“ | http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2012-01/ohnesorg-kurras-berlin?commentstart=1#cid-1825864

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“ … Wie DER SPIEGEL vermeldet, gab es beim angeblich aus Notwehr erfolgten Schuss auf den Studenten Benno Ohnesorg durch den West-Berliner Polizisten (und IM des MfS) Karl-Heinz Kurras uniformierte Zeugen, die bislang schwiegen. Der Todesschuss wurde sogar auf Film festgehalten.

Man frisierte nicht nur die Akten, sondern dokterte auch an der Leiche herum. Im Krankenhaus Moabit haben Ärzte offenbar Schädelteile um das Einschussloch herum entfernt und die Kopfhaut wieder zugenäht. Die im Totenschein als Todesursache angegebene „Schädelverletzung durch stumpfe Gewalteinwirkung“ habe der ausstellende Arzt dem SPIEGEL zufolge auf Anweisung eines damaligen Chefs attestiert. Seit 45 Jahren versuchte mithin der Staat, eine Generation um ihre Geschichte zu betrügen … Diese makabere Operation von 1967 erinnert an die beiden 1963 erfolgten widersprüchlichen Leichenschauen des erschossenen Präsidenten John F. Kennedy. Die in Dallas zuständigen, mit Schusswunden erfahrenen Ärzte hatten keinen Zweifel an einem frontalen Schuss, wofür schon die kleine Eintritts- und die große Austrittswunde sprachen. Bei einer zweiten, erstaunlicherweise vom Militär eigenmächtig angeordneten Untersuchung in einem Militärhospital, bei der Kennedys Gegner, der ultrarechte Airforce General Curtis LeMay zugegen war, schien die Austrittswunde wieder zugewachsen zu sein. …“

„Makabere Inszenierung im „Ohnesorg-Staatsheater““ Von Markus Kompa (22.01.2012)
http://www.heise.de/tp/blogs/6/151275

[Fellinis Intervista… ]

„…Ein Versuch zu sagen: ich habe nichts zu sagen. Ein Versuch, von der Unmöglichkeit des Erzählens zu erzählen. … Dies ist ein Film ohne Perspektive, ohne Handlung, ohne Helden … Ja, soviel kann ich sagen: es ist ein ziemlich unverschämter Film, der mir von Anfang an in dreister und unverfrorener Weise gesagt hat: „Ich brauch niemanden, brauche keine Spezialisten, kein Fachwissen, keine Assistenten, denn das, was ich machen will, hat nichts mit dem gemein, was man eigentlich machen sollte, wenn man einen Film macht. … Ich mache mich selbst“ …Was sollte ich tun? …“ Aus: „Fellini Intervista“ S.158,163,164 (1987)

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“ … Kontrovers [wird] vor allem verhandelt, ob die Anwendung einer romantischen Ironietechnik der Objektivierung des jeweiligen Kunstwerks dienen sollte oder im Gegenteil subjektive Willkür im Kunstwerk walten lässt. … Jener stete Wechsel aus Selbstschöpfung und Selbstvernichtung … ist die erste von drei Grundauffassungen von Ironie … sie beschreibt also das Verhältnis von Autor und Kunstwerk. … In Ironie ist demnach alles nur Zeichen, Mittel zur Anschauung des Ganzen, Ironie ist ein symbolisches Verständnis alles einzelnen und notwendig begrenzten Seins als Teil der unendlichen Lebensfülle, das Bewusstsein um die ewige Agilität, um das unendlich volle Chaos. … In jenem ursprünglichen Sokratischen Sinne […] bedeutet die Ironie eben nichts andres, als dieses Erstaunen des denkenden Geistes über sich selbst, was sich oft in ein leises Lächeln auflöst. …“ | Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Romantische_Ironie

[Die feixenden Flieger… ]

El Blondo (Bruno) kommt mal wieder aus Spanien und steigt in die Linie 11. Das war wohl eine lange Nacht gestern, diese Augen können nicht lügen. Musiker sind Musiker sind Musiker. Wir fahren über die Gablenzbrücke. Und in Espanol? – El Blondo: „Die Jungs da nimmt keiner mehr erst, die spielen zu viel Bongo und trinken zu viel Rotwein. Oh, hier muss ich schon raus…“

Am Telefon ist J. Aber wo ist jemand genau, wenn er am Telefon ist? Wir sind beide am Telefon. Wir sind in einem Telefonzustand. In einer Zwischenwelt die 2 Räume verbindet. Am Telefon hat J. mich für diesen Augenblick in der Hand. Es könnte irgendwie an ihrer Stimme liegen. Wir befinden uns in einem ersten Moment. Darum müssen wir lachen. Liebesspiel ist Schauspiel ist Liebesspiel ist ernst. Natürlichkeit ist vielleicht selbstvergessenes und unbeobachtetes Schauspiel. Wir sind ganz wild auf die Natürlichkeit. Eine Natürlichkeit, die beim genaueren Hinsehen vielleicht wieder eine verruchte Machtergreifung sein könnte – und gar nicht so zufällig – wie ich eben noch dachte. Du bist wütend auf mich – und das zu recht. Wir lieben an einander das Unbekannte und mögen das Vertraute? – Jetzt bist du nicht mehr wütend? – Ich höre es an deiner Stimme. Ich weiß nicht warum. Ich ergebe mich auch. Natürlichkeit will wie aus Versehen entdeckt werden. Ich dachte an Oliven, am Telefon sagt J.: „Bringst du noch Milch mit?“

Ich sehen ihn manchmal da draußen stehen – ein eigentlich noch junger Typ – beim vorbeifahren in der Linie 11. Er wirkt etwas verwahrlost, steht da am Karlstal mit seinem Hund. Sein Blick verharrt an keinem festen Punkt. Jetzt sitzt er hier im Gelenkbus und zählt sein Restgeld. Deutlich verfettet sind die Haare. Immer wieder zieht er seine Schnotter hoch. Ein Fahrgast Mit Hornbrille sieht bereits verächtlichen Blickes auf den Geldzählenden herab. Ich sehe darauf hin mit Falten in der Stirn den mit der Hornbrille an – für eine Sekunde. Ruhelosigkeit durchzieht den Körper, er, der den Schnotter wieder hochzieht, hockt sich hin. Er steht wieder auf, er greift sich in eine Tasche. Er hockt sich wieder hin. Wir fahren in eine Kurve. Er beginnt immer wieder von Neuem alle seine Taschen – auch die des verdreckten Parkers – zu durchwühlen. Die Rechnerei mit den vielen kleinen Geldstücken beginnt immer wieder von Vorn.

Gleich gehe ich die Milch kaufen. Die Luft ist kühl und der Wind fegt durch die Ritzen welche ihm die parkenden Autos bieten. Für kurz schiebt sich mir die gedankliche Gewohnheit ein wenig beiseite. Die feixenden Flieger haben mich entdeckt. Taumelnd beginnt der Flug. Die Häusermauern fluchten. Für kurz werde ich unverhofft zu ihnen hin geschummelt. Für kurz nehmen sie mich auf in ihre Reihen, die spöttelnden himmlischen Heerscharen und treiben Schabernack. Sie lachen mich aus, sie lachen uns alle aus – am meisten die miesgelaunten und die gramvollen Planetenbesetzer. Sie deuten mit fast höhnischen Mündern untereinander an, das sich da wohl jemand verirrt hat. Sie rufen mir zu: „Ja, was kann der Gehweg unter dir, was kann das alte Kiel mit seinen Kopfsteinpflasterstraßen dir schwindenden Menschen schon erzählen?“ Köpfe werden geschüttelt vor Lachen. Einer ruft: „Blast kräftig in die Trompeten, schlagt die Seiten der Laute an!“ – Es nehmen mich – die in der Luft musizierenden – fest am Kragen, reißen mich um die Kurve im Flug und lachen noch dabei. Ich versuche die Gegend wie aus neu geborenen Augen zu sehen. Ich versteh ihren Humor nicht ganz. Schon setzen sie mich ein Stück weiter wieder auf dem Stadtboden ab. Beim Asmus-Bremer-Platz. Um die Ecke erblicke ich einen hell erleuchteten Raum, zwei Menschen verstecken ihre tänzelnden Augen hinter Flachbildschirmen. Der Gesichtsausdrücke sind in einem freien Fall, es geht dem Computer-Nirgendwo zu. Für 2 Sekunden denke ich, der Anblick wäre komisch, wäre eine Vorstellung, wäre eine Gesichts-Kunst-Performance. Gleich werde ich auf der Rolltreppe fahren und die Milch kaufen. Ein alter Knabe kommt vorbei deutet auf die beiden hinter den Bildschirmen und raunt mir zu: „Aber sie machen nur ihren Job, gehen sie schon weiter, das geht sie gar nichts an, jedem sein Lebensentwurf“. Er geht ein Stück, dreht sich noch ein mal um und sagt laut: „Sehen Sie mich an, das auf-die-Schnauze-fliegen hat mich glücklich gemacht, im Nachhinein natürlich erst. Und mir machen die weißen Haare nichts, sie geben mir sogar etwas zusätzliche Würde, nur der Schweißgeruch wir im Alter etwas strenger – ich war als junger Kerl liederlich, da waren die Faxenmacher in den Wolken nicht weit – aber jetzt wo meine Knochen alt sind, lach ich über Alles und Jeden – da brauch ich die Truppe da oben nicht mehr!“

Die Würstchenbude vor dem alten Rathaus ist hell beleuchtet aber Menschenleer. Doch für W. wird das Leben undurchschaubarer, ich sehe es ihm an. Als hätten ihn 3 Kugeln des Schicksalhaften durchlöchert – für manche Dinge gibt es keine Regelhaftigkeit – und bei seiner Schulter gingen die Kugeln-des-zufälligen durch wie Butter, lautlos. Jetzt kann jeder an der Straße durch seine Schulter gucken, jeder sieht die 3 kleinen Durchschußlöcher in seinem Selbstbild.

Es ist mir verstellt. Ich nehme mich gerade nicht ernst. Doch für T. ist es ernst. Sie schluchzt leise in sich hinein. T. ruft nach zarten, schützenden, liebenden und behutsamen Händen. Sie bekommt jedoch Backpfeifen von unsichtbaren Händen, keine Liebe – aber Backpfeifen, keine liebevollen Umarmungen nur unerwartete Backpfeifen. Da hilft auch die Wut und der wilde Atem nicht. Was soll das?! – Des Nachts ist T. allein. Weit weg von der fliegend lachenden Spöttertruppe, der himmelhochjauzenden Lachbande – sie flogen kurz nur über das alte Backsteinhaus, wo T. zur Miete wohnt. Nun wirbeln sie um das alte ehrwürdigen Opernhaus. Es ist spät Nachts. Flatternd finden sie ein offenes Fenster. Schon sind sie im Flur. Vorsichtig wird die Tür zum Fundus geöffnet – dort treffen sie auf das hektische Liebesspiel von unfreiwillig verkanllten. Leise durchstöbern die lustigen Flieger auf leisen Sohlen den Raum. Dann wirft einer von ihnen mit geöffnetem Mund einen alten Garderobenständer um. Die Liebenden sind für kurz erschrocken, für kurz verwirrt, für kurz verharren sie und halten den Atem an.

Sie sagt: „Was war das?“ – Er sagt: „Ich weiß es nicht.“

[A little bit confused (Animals)…]

…got to admit, I`m a little bit confused.

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“ … Im Vergleich zu Animal Farm ist die Rollenverteilung bei Animals ein wenig abweichend; im Orwell-Roman sind die Schweine die herrschende und unterdrückende Klasse und die Hunde ihre treu ergebenen Diener und Wächter. …“
Aus: „Animals (Album)“ (4. September 2011)
http://de.wikipedia.org/wiki/Animals_%28Album%29

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Thomas Glggler 2. Oktober 2002: „… und der kommerzielle Ausverkauf […] fährst Du auch einen Golf Pink Floyd??? und hörst dabei was von den Pet shop boys??? sucht seinesgleichen! …“

Michael Schäfer (Dortmund, NRW) 3. August 2010: „… An Orwells Novelle orientiert sich dabei in erster Linie die Tier-Typologie, in der bestimmte gesellschaftliche Gruppen durch bestimmte Tierarten auf einem Bauernhof repräsentiert werden. Waters vereinfacht hierbei Orwells komplexe Bauernhof-Community und bedient sich für seine Songs auf „Animals“ der Schweine als Repräsentanten der wohlhabenden Führungsschicht, die sich mit perfider Intelligenz die Unwissenheit der Übrigen in ausschließlich eigennütziger, machtversessener Manier zu Nutze macht, sowie der Hunde als Verkörperung einer getriebenen Mittelschicht, die sich aus materieller Besorgnis halb aus Unwissenheit und halb aus Alternativlosigkeit zu willfährigen Ausführern der Befehle der Schweine machen lässt, und schließlich der Schafe, die, sorglos vor sich hin blökend, als gemeiner Pöbel, als Arbeiterklasse letztlich der Willkür der Schweine ausgesetzt sind und auch durch diese erzwungene Aggressivität der Hunde fürchten müssen. … „Dogs“ […] schildert den Druck, der auf dem Hund, sprich dem braven Mittelklassebürger lastet, immer leistungsbereit zu sein, da zu sein, wenn der Chef (das Schwein ;-)) es verlangt, sowie auch den wachsenden Prozess der Selbsterkenntnis, der dem düsteren Song letztlich doch ein gewisses hoffnungsvolles Gepräge verleiht („Gotta admit that I’m a little bit confused, sometimes it seems to me as if I’m just being used“). Atmosphärisch etwas leichtfüßiger, dafür aber musikalisch viel variantenärmer und weniger dicht gestaltet sich dann der Spottgesang auf die Schweine, „Pigs“. Hier lässt sich Waters‘ mit Hilfe der Schweine-Metaphorik über „Three Different Ones“, also drei verschiedene Repräsentanten der Oberklasse aus. Eine allgemein gehaltene Strophe befasst sich mit den Finanzbonzen, wie wir Deutschen sie heute etwa in Frankfurt antreffen können, eine zweite verspottet die „Eiserne Lady“ Margaret Thatcher und ihre reaktionären Ansichten, und die dritte Strophe nennt ihr Opfer sogar beim Namen: Mary Whitehouse, eine religiös verblendete Moralpredigerin und Lieblingsfeindin aller liberal- oder linksorientierter Künstler ihrer Zeit. Beißender Spott und Häme über Großkapital und Wertkonservatismus, der nichts anderes zum Ziel hat, als die „einfache Bevölkerung“ klein zu halten, Machtstrukturen zu erhalten und einer kleinen Elite den materiellen Vorteil zu garantieren – viel treffender als Waters kann man das Dilemma unseres westlichen Kapitalismus gar nicht zusammenfassen, und das unter Anlehnung an einen Text, der sich zu seiner Zeit als Stalinismuskritik verstand. …“

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Thoralf Koss, 1.10.2006: „… dieser Artikel … ist [ ] auch ein großes Stück erlebte DDR-Geschichte des Autors! – Es war einmal ein kleiner Junge, der lebte in einem kleinen Land. Und obwohl die Menschen dieses Landes recht groß waren, genehmigte man ihnen nur eine kleine Freiheit – in der man nur so weit gehen konnte, bis man an eine Mauer stieß, in der man nur so weit denken durfte, bis man eine Mauer stieß und in der man nur bis zur Mauer, aber nie darüber hinaus hören, sehen und fühlen durfte. Dieses kleine Land wurde regiert mit großen Worten und Gesten von kleinen alten Männern, die in der Vergangenheit einmal Opfer waren und in der Gegenwart zu Tätern wurden, weil sie Kleingeist verlangten und freie, große Gedanken verbaten oder einmauerten.
… Und unser kleiner Junge hatte eine große Leidenschaft – und diese Leidenschaft hieß: MUSIK! Wann immer er dazu in der Lage war, hörte er in einem alten, gebrechlichen Radio alle Sender, die dieses empfangen konnte, auch wenn einige davon von den kleinen alten Männern verboten worden waren. Trotz dieser großen, ständig auf ihn lauernden Gefahren, drehte er ständig an dem Knopf, der ihm die verbotenen Sender bescherte und eines Tages hörte er etwas, was er kaum zu glauben wagte… Da grunzten plötzlich Schweine in seinem Radio, natürlich mal wieder auf einem der verrauschten und zugleich verbotenen Sender.
… Man musste sich was einfallen lassen, in diesem kleinen Land, das nur auf Musik stand, die in fein zensierten Texten und vor allem in der eigenen Muttersprache ihr Liedgut zum Besten gab.
Also ging man erstmal zur Ferienarbeit – vier Wochen ins SKET (Schwermaschinenbau Kombinat „Ernst Thälmann“ in Magdeburg), wo man acht Stunden am Tag als vierzehnjähriger Schüler Gewinde in seltsame Stahlplatten bohrte und hoffte, den Eisenspanflug, das Kreischen des Bohrers und den Gestank des verdampfenden Maschinenöls unbeschadet zu überleben. Na ja, so lange man ein Ziel vor Augen hatte – ein Ziel, das PINK FLOYD „Animals“ hieß und aus schwarzem Vinyl bestand – war es das wirklich wert.
Knapp 300 Mark hatte man in den vier Wochen zusammen – und die reichten, um alle Schwarzen Märkte des „Landes der Saubermänner“ zu mobilisieren, um für den wirklich „fairen“ Preis von 130,- Ostmark endlich dieses Album, mit dem seltsam fliegenden Schwein in den Händen zu halten, das mit der Fabrik, über die dieses Schwein flog, auch noch an das SKET erinnerte.
Nie werde ich vergessen, wie ich mit zitternden Händen und größter Vorsicht die Schallplatte auf den Teller meines billigen Plattenspielers (Zumindest war er nicht so teuer wie diese Platte selber!) legte und mit jedem Knistern oder Knacken litt – und an einer Stelle in „Dogs“ sogar glaubte, sterben zu müssen, da die Nadel dort partou den Spitzensportlern dieses kleinen Landes nacheifern musste, indem sie große Sprünge machte. PINK FLOYD waren es, die mein Leben, zumindest von der Musik her, tiefgründig änderten, ANIMALS bewies mir, dass Musik mehr als eingängige Rhythmen in 3- oder 4-Minuten-Charts sein kann, und PIGS weckten das „wahre“ Tier in mir, das sich erhob gegen das Gegrunze der Masse! …“
Quelle: http://www.babyblaue-seiten.de/album_251.html

[Zum Wahn der Liebe (12)… ]

Unten hustete die Mutter von H. Das würde sie jeden Abend machen sagte H.
Meine Sympathie hatte sie nicht nur allein durch die raue Wärme in ihrer Stimme. Aber ich hatte einen mentalen Wackelkontakt. Nicht zu wissen wer man ist, aber zu lieben.

Wenn ich bei S. durch das Esszimmer ging, so hörte ich die Oma rufen, die darum bat noch mehr Morphium zu bekommen. Das einzige Schmerzmittel was noch helfen würde, wurde uns gesagt. Im Traum gab mir S. einen falschen Fünfziger. Da war irgend etwas Wahres dran.

Die Kontraste der Kindheit haben mich meist nonverbal in Schutzgewahrsam genommen. So wie es mich heiß durchfuhr, da ich bemerkte, das andere bemerkten, wie ich log (nicht DAS ich log!). Als 8 Jähriger ist das Anlügen der Mutter wenig erfolgversprechend. Woher sollte ich wissen, wie man unter ihrem Radar hindurchfliegt – denn L. war zwar eine junge gestörte Frau – und ich hatte keine Ahnung was sie mit mir vor hatte, aber es fühlte sich so interessant an. Manche Störungen sind freudig-heimlich. Doch die Mutter passte auf und L. musste weg. So werden Mythen gemacht, der Junge konnte sich jahrelang den Kopf darüber zerbrechen, was alles hätte passieren können. Allein nackte Haut und der Busen waren schon so übermächtig wirksam gewesen. Das hatte doch nur der Anfang sein sollen – wie ich so auf ihr lag. Die Zeiträume verliefen anders. Ich meine die Ruhe zu haben, gebannt zu sein, wenn das reflektierte Licht auf der Tapete langsam rötlich wird.

C. fragte mich, ob ich auch manchmal Gesichter in der Raufasertapete sehen würde. Ich verneinte, aber seit dem suche ich Gesichter in den Mustern der Tapete – und manchmal finde ich eins. Aber eher selten. Und ich glaube bis heute, das C., als sie mir an der verträumten Bushaltestelle vor ein paar Kieler Omas zwischen die Beine fasste und den Schwanz zusammendrückte, gar nicht über meinen Verwunderung, sondern über ihre verwegene Idee, diesen seltsamen deutschen Omas einen Moment der Ausnahme zu bescheren, lachte. Sie explodierte manchmal quasi vor meinen Augen mit schall-schnell-grellen Gefühlen und warf mir meine Beschränktheit vor. Wie gern hätte ich darüber mit ihr zusammen lachen können, aber mir war nicht klar genug wie recht sie hatte. Hätte ich ihr recht gegeben, wären wir zusammen schall-schnell explodiert.

Es machte einen seltsamen Zischlaut, wenn Autos auf der Fockbeker Chaussee am Ladengeschäft meines Großvaters vorbei sausten. Ich konnte sie nicht sehen, aber hören, jedes einzelne Auto. Durch die gläserne Ladentheke sehe ich den Kuchen, der mein Begehren auslöste – ich kannte die verschiedenen Namen der Kuchen nicht – ich zeigte mit dem Finger auf die Donauwelle und sagte „den“. Später allein oben im Bett – in der Dachkammer – durfte ich noch Radio hören. Seltsame Melodien erklangen quäkig im Raum mit der orangefarbener und roter Bettwäsche auf der ich lag.

G. sagte, das F. sich verändert hätte – und ihrer Mutter immer ähnlicher geworden wäre. Ich konnte mich nicht entscheiden – wollte ich es ihm glauben? G. war anstrengend (lachte zu laut) und F. hatte ich lieb. Ich konnte nichts dafür, das ich so zu ihm empfand – und er konnte nichts dafür das er zu laut lachte. Ich wollte doch mindestens meine Erinnerung an F. mit der gleichen Entrücktheit behandeln dürfen, wie ich Musik als 16 Jähriger angehört hatte. Ich kann Musik jetzt nicht mehr so anhören. Die Türen sind vernagelt. Es hilft nicht, wenn man ein Fenster einschlägt, um in das Zentrum der stillgelegten Erlebnisse zu gelangen.

[Schweigen & Klopfzeichen… ]

Wenn man sich wirklich zu verstehen glaubt, so setzt für einem Moment manchmal echtes Schweigen ein.

Aber auch beim Gegenteil. Schweigend liefen wir eine kurze Zeit nebeneinander her. Wie hätten wir auch anders zum Herz der Dinge vorstoßen können. Unsere gegenseitige Befremdlichkeit, gerade weil wir uns womöglich zu ähnlich sind. Das Schweigen hatte den Vorteil, das keiner von uns künstlich Interesse oder Freundlichkeit erzeugen musste.

Selbst im Restaurant. Auch dort herrscht Schweigen zwischen den Zeilen, läuft auch auf einem großen Bildschirm „Media Turk“. Ein lautstarker wilder Kram aus Unterhaltung und schrillem Informationsbrocken. Keiner hier schenkt „Media Turk“ Beachtung, wir sind ja auch zum essen hier. Für einen Moment frage ich mich mit der Gabel im Mund, ob der Nachrichtensprecher mit dem Schnurrbart eine Perücke auf dem Kopf hat. Und dann lenkt mich etwas ab – mag es die Tochter des Reataurantbesitzers sein – jemand Telefoniert am Tisch direkt vor mir. Dort gestikuliert sie nun ausladend und sagt lautstark: „Das hat sie gesagt?! – Die spinnt wohl! (kreisch)“. Sie sieht mir intensiv prüfend in die Augen, prüfend ob ihre Mobiltelefondarbietung und die Körperform betonende Sumpfhose bei mir auch ihre Wirkung entfaltet hätte. Schweigend fragte sie diese Parameter – als Dienstleistung zur Selbstbestätigung – in meinen Augen ab. Oder ist das alles nur eine Unterstellung aus meiner Perspektive? – Und wieder Schweigen. Schweigen als Chance der eigenen Lächerlichkeit zu entkommen. Schweigen als mentaler Notausgang.

Andersherum: wenn einem die Liebeswogen mit Wucht überfahren, so kenne ich keinen wirklich passenden Ausdruck in dem Moment des Geschehens – in der betreffenden Sekunde, ich meine in der Echtzeit bleibt oft nur das Schweigen, nur die Augen – ich sehe es dir an – sprudeln über.

Was läuft in den Adern und in der Hirnströmen ab, dachte der Mann, der als Kellner verkleidet war, brachte einem stillen Gast einen weiteren klaren Schnaps und ein Bier – und schwieg. Der stille Gast kippt mit einem Ruck das kleine Glas an seinen Lippen, schluckt, springt auf und ruft überlauft: „Jouh! Rock’n Roll!“.
Danach wieder Schweigen. Jemand verdreht die Augen am Tresen. Und im Atelier, dort wo die Bilder entstehen, wird die Zeit knapp.

Und was ist wenn jemand nicht schweigen kann? – Der verkleidete Postbote mit dem gelben Rad wird von einem Mann mit 2 Hunden bedrängt mit der Frage, ob er denn nicht rechnen könne – die Fahrpreise der Buslinien seien viel zu teuer in Kiel, da würde er doch eher laufen, wenn er denn mal in die Stadt müsse, aber die junge Generation könne ja nicht mehr rechnen, denen wäre ja so wie so alles egal. „Also“ fragt der Hundehalter „können Sie rechnen? – Können Sie?“ – „Also, dann rechnen Sie mir aus wie viel man bezahlen muss – in die Stadt hin und zurück!“ – Die eindringlichen Blicke des nun ganz nahgekommen Mannes bohren sich in das Postbotengesicht. Doch der erschöpfte Postbote hat noch die ganze Tasche mit Werbeprospekten voll. Er sagt: „Entschuldigen Sie, aber ich will jetzt nicht rechnen – ich muss weiter…“. Da ruft der Mann: „Ha! – Jetzt habe ich Sie, sehen Sie? – Sie können nicht rechnen!“ – Und schon reißt der Mann mit den Hunden den Mund auf und verspeist den Postboten mit einem Haps.

Etwas später klemmt im Badezimmer der Heizungsthermostat. Altbautypisch. Der Hausmeister kommt – da die Heizung nicht warm wird – wenn man sie aufdreht. Er schlägt mit einem Hammer gegen das T-Stück vom Heizungsrohr. Das hilft sofort. Die Heizung wird warm. Die Heizung geht jetzt nicht mehr aus. Der Hausmeister ist nicht mehr zu erreichen. Wenn ich mir des nachts die Zähne putze, ist es unglaublich warm. Da hilft es auch nicht, den Hammer ein weiteres mal zu schwingen. Dumpfe Klopfzeichen eines Wahnsinnigen, die durch die Stockwerke klingen.

Ich habe Glück, Julia hat Kaffee gemacht. Julia hat sich so unglaublich verändert, aber sie will nicht das ich ihr das jeden Tag sage. Die Veränderung gehört zuerst auch nur ihr allein. Die Seifenkiste steht im Flur, das Hinterrad hat ein Loch. Aber es gibt ja Fahrradflickzeug. Schnell zur Arbeit, schnell noch den Bus kriegen.

Manchmal komme ich nicht mit den Gedanken hinterher, sie fliegen hinter meinem Kopf.
Mit 1,5 Sekunden Verspätung.

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