Kategorie: Wortbrocken.Cafe
[Gemäßigte Entrissenheit #4… ]
Es geht über die kleine Brücke auf den Drammenweg. Ich bin in Kiel Mettenhof. Verwaschen weiße Hochhäuser an der Seite. Das Fahrrad gleitet leise klappernd über den sich ruhig biegenden roten Klinkerstein. Der Himmel grau. Der Wind kalt. Der alte Mann mit einem kleinen Hund tritt höflich zur Seite. Ein flüchtiges ‚Danke‘, ein kurzes Lächeln blitzt zurück. Der Boden ist feucht und die Büsche sind kahl. Der Junge auf dem Roller schaut nicht auf. Er singt eine halb verschluckte Melodie für sich selbst. Fast hätte ich links auf den Rasen fahren müssen. Zuletzt schaut er doch noch auf. Ich sacke in mich hinein. Ich erinnere mich, wie es war, wie verträumt verloren die Welt sein kann, wenn man 12 ist. Der Blick ins Irgendwo. Geborgene Verlassenheit. Die Momente fliegen dahin, ohne dass einem die Verletzlichkeit der Zeit zu Bewusstsein kommt. Die Verletzlichkeit die am meisten darin liegt, dort nie wieder hin zu können. Als ginge man in Gedanken durch die Wohnung der längst verstorbenen Großmutter. Das Haus ist verkauft, aber alle Gegenstände, die Wanduhr, der runde Esstisch, die Treppe in den Keller, der hölzerne Getränkewagen, alles ist noch da. Für ein oder zwei Sekunden.
Eine Viertelstunde später geht es in die Herzog-Friedrich-Straße. Da fragt jemand nach Geld. Er habe kein Zuhause. Unsere Augen treffen sich und wir müssen ein bisschen lachen, wie absurd das alles ist. Mir fällt der Motorradfahrer an der Raststädte ein, der kurz eine kleine Tasse Kaffee trinkt und mit einem 50 Euroschein bezahlt und sagt „stimmt so“. Die Bedienung lächelt und zieht die Augenbrauen nach oben. Dieser Motorradfahrer gehört für mich zusammengeklebt mit der etwas verrückten Alten. Er ist ihre Rückseite. Sie steht im düsteren „SKY“ Supermarkt am Alfons-Jonas Platz. Hinten beim surrenden Kühlregal auf den Fliesen. Draußen ist es schon dunkel. Das lange graue Haar fällt ihr seitlich ins Gesicht und sie zählt durch ihre Brillengläser die 10 Cent Stücke in der Hand, um zu prüfen, ob der Joghurt noch drin ist.
Und in den letzten Jahren sind die Kopfsteinpflasterstraßen in Kiel Gaarden zu eng geworden, um die immer breiter werden Autos in beide Richtungen durchzulassen. Lichthupend geben sich die kleinen Menschen in ihren großen Autos Zeichen, während ein paar nassgeregnete Zeitungsseiten vom „Kieler Express“ in der Medusastrasse auf dem Bürgersteig kleben.
[Gemäßigte Entrissenheit #3… ]
In der frühen Dunkelheit des Novembers, ist mir so, als hätte sich die Welt zusammengezogen. Als sei da draußen alles klein wie ein verkommenes Dorf. Ein bisschen Holz, Dachpappe, Regenrinnen, roter Klinker, Putz an den Wänden, der an manchen stellen abfällt, Glas, Stahl, Unrat, Zivilisation und Infrastruktur legen sich um das das eigene Leben, wie ein Fuchsfell um den Hals einer Frau. Der Blick geht aus dem Fenster. Daran denkend, wie die Haare von G. leicht im Wind wehten, nachdem wir die zwei Kerzen an den zwei Gräbern in den Laternen angezündet hatten – und wir etwas später an der Eckernförder Straße darüber sprachen, wie wir die Welt vor 20 Jahren wahrgenommen haben.
[Memento Mori #13… ]
Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 22.11.2005 – “ … Ein „Jahrhundertbuch“ hat Thomas Meyer hier anzuzeigen. Vladimir Jankelevitchs Buch über den Tod verfällt nicht der „Todestrunkenheit“ seiner europäischen Kollegen, auch wenn der Rezensent von der Lektüre ein wenig benommen zurückbleibt, noch setzt es irgendwelche Hoffnungen auf die ausgleichende Kraft der Geburt. Jankelevitch untersuche den „Skandal“ des Todes, der trotz aller Anstrengungen unbegreiflich bleibt. Dazu überschreitet er die Grenzen der eigenen Disziplin und nimmt auch Literatur und Musik zu Hilfe, um sich dem Tod in „genau kreisenden Bewegungen“ anzunähern. Der Tod ist bei Jankelevitch eine „Ordnungsmacht“, die Vergangenheit und Zukunft des Menschen strukturiert. …“ | https://www.perlentaucher.de/buch/vladimir-jankelevitch/der-tod.html
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“ … Mit dem Begriff Presque-Rien, Beinahe-Nichts, bezeichnet Jankélévitch einen Zeitpunkt, dessen Dauer so gering ist, dass Auftauchen und Verschwinden fast gleichzeitig stattfinden. Ähnlich wie der Blitz wird das Beinahe-Nichts erst dann wahrgenommen, wenn es fast schon wieder vorüber ist. In seinem Auftreten als intuitiver Einfall oder mystisches Erlebnis handelt es sich um keinen beliebig herausgestellten Zeitpunkt innerhalb einer Ereigniskette, der notwendigerweise aus dem Geschehen der Vergangenheit folgt. Vielmehr ist das Beinahe-Nichts als ein einzelner isolierter Augenblick, dem keine Zukunft vergönnt ist, ein Abbruch einer Entwicklung. Das Beinahe-Nichts ist die äußerste Annäherung des Seins an das Nichts, des Diesseits an das Jenseits. Allein auf intuitivem Weg ist eine Kenntnis des Metaphysischen möglich. Jankélévitch schreibt: „Dieser so seltene und so unzureichende Erfolgs-Blitz ist dennoch der einzige metaphysische Erfolg, dem ein Mensch nachstreben kann.“ … Kann man sich eine Vorstellung vom Nichts der Existenz und des Bewusstseins machen? Kann man den Tod denken? Gleich zu Beginn von „La mort“, einem seiner Hauptwerke, stellt Jankélévitch klar, dass es über den Tod fast nichts zu sagen gibt: Wir wissen nur, dass er eintreten wird, und bemühen uns im Übrigen, den Skandal des Todes zu verdrängen, zu beschönigen oder uns jenseitigen Hoffnungen hinzugeben. Jankélévitch erteilt diesen Ausflüchten eine Absage. Für ihn ist der Tod Organon-Obstaculum, Werkzeug und Hindernis, denn einerseits setzt er allen Aktivitäten ein Ende, andererseits führt das Bewusstsein von der Begrenztheit des Lebens zur Aufwertung der einzelnen Momente. …“ | Aus: „Vladimir Jankélévitch“ (2. Oktober 202) | https://de.wikipedia.org/wiki/Vladimir_Jank%C3%A9l%C3%A9vitch
[Aber Wissen ist hier Ohnmacht #2 …]
“ … „Unter einer „symbolischen Form“ soll jene Energie des Geistes verstanden werden, durch welche ein geistiger Bedeutungsgehalt an ein konkretes sinnliches Zeichen geknüpft und diesem innerlich zugeeignet wird.“ – Ernst Cassirer …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst_Cassirer (06.03.2020)
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“ … Zulawski erzählt [ ] eine Geschichte, in der sich zwei Prinzipien nicht nur diametral gegenüberstehen, sondern miteinander verschränkt sind: das Prinzip Geld und das Prinzip Liebe. .. [Er] zeigt in „Nachtblende“ auch, wie die Beziehungen der Figuren mit Geld und Macht zusammenhängen. Nicht zuletzt kann man „Nachtblende“ als Reflexion über die Frage … verstehen … was die Kommerzialisierung für Künstler bedeutet. … [„Wir sind alle Marionetten mit einem Scheißleben, die noch keine Karriere gemacht haben.“ (Klaus Kinski als Karl Zimmer zur Schauspielerin Nadine Chevalier). … Zulawskis [ ] Drama wirft den Betrachter in die Welt der erfolglosen Schauspieler, Fotografen und Filmfreaks. Mit Großaufnahmen und Nacktszenen verhandelt der Film in schäbigen Wohnungen und Cafés den Wert des Lebens und der Liebe. … | https://www.choices.de/film/nachtblende] … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Nachtblende_(1975) (4. Mai 2020)
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Wenke Husmann (20.01.2021): “ … Sicher, wir hatten das romantische Bild vom Genie oder gar dieses biedermeierliche Spitzweggemälde vom inspirierten Hungerleider längst abgehängt. Existenzsorgen machen nicht erfinderisch. Manchmal müssen sich auch Künstler schlicht um das Bezahlen der Miete oder die Kinderbetreuung kümmern, manchmal vermutlich auch ums Ausfüllen eines Novembergeldantrags … auch Filmschaffende, Musiker, Theatermacher haben versucht, möglichst so weiterzumachen wie bislang, also mit Musizieren, Filmen, Schauspielern. Eine bunte Feier der Gemeinschaft, ein mal lustiger, mal ernsthafter Tanz um die immergleiche Leerstelle. …“ | https://www.zeit.de/kultur/2021-01/kultur-kunst-enttaeunschung-innovation
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“ … Wolfgang Fritz Haug hebt in seinem Konzept der Warenästhetik hervor, welch wichtige Rolle die Vorstellung, die Imagination des Konsumenten, spielt, über die dem Produkt ein Gebrauchswert als Erlebnisfolge zugeschrieben wird. In diesem Modus des ‚Andichtens‘ seitens der Vorstellungskraft des Rezipienten/Konsumenten kommt dem (ästhetischen) Produkt das Potenzial einer erweiterten Erfahrungsdimension zu; mit Deleuze gesprochen: In der aktuellen ästhetischen Erscheinungsform ist für den Konsumenten immer das Potenzial eines über das Aktuelle hinausgehenden Erlebnisses enthalten; das Potenzial des ständigen ‚Mehr‘. Dies wird im Folgenden als Prozess der Fetischisierung gefasst, der als spezifischer Wahrnehmungsmodus und als bestimmende Rezeptionshaltung anzusehen ist. …“ | Aus: „Film- und Mediengeschichte im Zeitalter der digitalen Reproduzierbarkeit – Kapitel 4 Fetischisierung des Filmerlebnisses und der Kinogeschichte“ (Franziska Heller, March 2020) | https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/186941/1/[9783770564606_-_Update!]_Update!(1).pdf
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Zeitleser Heidelberg (21.01.2021): “ … Immerwährend betrügt die Kulturindustrie ihre Konsumenten um das, was sie immerwährend verspricht. Die Talente gehören dem Betrieb, längst ehe er sie präsentiert: sonst würden sie nicht so eifrig sich einfügen. Was widersteht, darf überleben nur, indem es sich eingliedert. Einmal in seiner Differenz von der Kulturindustrie registriert, gehört es schon dazu … Zugleich aber hat die Mechanisierung solche Macht über den Freizeitler und sein Glück, sie bestimmt so gründlich die Fabrikation der Amüsierwaren, dass er nichts anderes mehr erfahren kann als die Nachbilder des Arbeitsvorgangs selbst. Kultur heute schlägt alles mit Ähnlichkeit. … Das Existieren im Spätkapitalismus ist ein dauernder Initiationsritus. Jeder muss zeigen, dass er sich ohne Rest mit der Macht identifiziert, von der er geschlagen wird. Was früher nur prekäre Künstlerexistenzen am Rande der Gesellschaft auszeichnete, wird verallgemeinert und die prosaische Selbstdressur des kapitalisierten Subjekts nimmt Bestimmungen der Kunst in sich auf, die wiederum den ordinären Zwangshandlungen unverdienten Glanz verleihen: Auf diese Weise avanciert der fröhliche Vollzug des ungelebten Lebens wahlweise zur „Lebenskunst“ oder zum „Event“, also selber zu einem künstlerischen Akt. Dies ist der harte ökonomische Kern jener allgegenwärtigen und institutionell abgesicherten Kulturalisierung aller Lebensäußerungen und Lebensbereiche. Umgekehrt regrediert die künstlerische Produktion vielerorts entweder auf schnödes Kunstgewerbe oder gleicht sich, soweit sie sich als „engagiert“ begreift, den politischen Ersatzhandlungen an und macht sich auf diese Weise vom ökonomisch-gesellschaftlichen Alltag umso schwerer unterscheidbar, je lauter sie mit infantilen Aktionen gegen ihn mobilisiert. Die sogenannte Kunst ist dann auch entsprechend: streng organisierte Phantasielosigkeit, die ewiggleichen „performativen Akte“, in denen der schon vergessen geglaubte Aktions-, Phrasen- und Kunstgewerbemüll aus 40 Jahren Bewegung postmodern recycelt wird, ödeste, weil gegenstandslose Selbstbespiegelung, ein großes, gähnendes, zum Existential aufgeblähtes Nichts. Kunst will das, was noch nicht war, aber alles, was sie ist, war schon. Kunst ist tatsächlich die Welt noch einmal, dieser so gleich wie ungleich. …“ | https://www.zeit.de/kultur/2021-01/kultur-kunst-enttaeunschung-innovation?cid=55678767#cid-55678767 | —> Kontext: Klaus Kreimeier – Die Unbesiegbarkeit des Endverbrauchers, Dialektik der Aufklärung (24.12.1999) “ … Max Horkheimers und Theodor W. Adornos Kritik der »Kulturindustrie« prägte wie kein anderer Text hierzulande die Kultur- und Medienkritik der vergangenen Jahrzehnte. Am Ende dieses Jahrhunderts wieder gelesen, erscheint ihr Text wie die Blaupause des heutigen fit-for-fun-Universums….“ | http://www.icantrelaxin.de/texte/text-kreimeier-dieunbesiegbarkeitdesendverbrauchers.html | https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-unbesiegbarkeit-des-endverbrauchers
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[Memento Mori #11… ]
Uwe Kalkowski (Oktober 2020): “ … wenn man die Eltern beerdigt hat, gehört man – bildlich gesprochen – selbst zu der Generation, die als nächstes an der Reihe ist. Dieses Gefühl der Vergänglichkeit und des unerbittlichen Vergehens der Zeit ist wahrhaft atemberaubend. … Das Ausräumen des Elternhauses – es ist ein einfaches, aber großes Haus, bis unter das Dach vollgestopft mit Erinnerungsstücken – hat wehgetan, doch es hatte auch etwas Befreiendes, sich so intensiv mit der eigenen Kindheit und Jugend zu beschäftigen, mit all den kleinen und großen Erlebnissen, die das eigene Leben geprägt haben bis heute. Auch wenn man sie schon längst vergessen zu haben glaubte. Aber es ist alles noch da.Â
Man kann sich vielleicht vorstellen, wie nach diesen Tagen das Buch »Zuhause« [von Daniel Schreiber] auf mich gewirkt hat. Stellen etwa wie diese: »Wenn man noch jung ist, glaubt man, dass man imstande sei, sich unabhängig von seinen Ursprüngen und seiner Herkunft neu zu erschaffen, durch die Gesellschaft anderer Menschen, den eigenen Willen, durch neue Lektüren und Interessen. Die Geister der Vergangenheit holen einen in der Regel erst später im Leben ein. Und wenn sie einen einholen, steht man ihnen meist ratlos gegenüber.«Â … Der Teppich ist uralt, die Vorhänge hingen schon dort, als ich in diesem Raum noch mit Lego auf dem Boden gespielt habe. Und rechts im Hintergrund steht der Schreibtisch, an dem ich als Grundschulkind saß und angefangen habe, die »Ilias und Odyssee«-Nacherzählung aus der Bibliothek abzuschreiben, weil ich dieses Buch unbedingt selbst haben wollte. … “ | https://kaffeehaussitzer.de/daniel-schreiber-zuhause/
[Seelenleben #3… ]
Maximilian Buddenbohm (Okt 3, 2020): “ … Am Feiertagsmorgen ist es grau und frühherbstkalt, es nieselt es etwas und die Ringeltaube sitzt zur Unzeit schon auf dem Balkongeländer, nass und windzerzaust, ihr Gefieder sträubt sich unordentlich in den Böen. Sie sitzt und guckt empört. Wozu man wissen muss, dass dies ihr Standardgesichtsausdruck ist. Eine gewisse matronenhafte Empörung sehe ich dort immer und bei jedem Wetter. Ob sie tatsächlich ihrer routinemäßigen Seelenlage entspricht, das konnte ich bisher nicht recht ergründen, wir reden nicht viel miteinander. Der Vogel sitzt dort jedenfalls und sieht empört durchs Fenster ins Wohnzimmer und zu mir, und es ist mit dieser dauergekränkten Ringeltaube nun so, dass ich unwillkürlich ein schlechtes Gewissen bekomme, wenn ich auf diese Art durchdringend angesehen werde. Was habe ich jetzt wieder falsch gemacht? Irgendwelche unverarbeiteten Reste aus der Kindheit werden da bei mir angesprochen. Das kannste auch keinem Therapeuten erzählen, ich habe ein Problem damit, wie Tauben gucken. …“ | Quelle: https://www.buddenbohm-und-soehne.de/2020/10/03/es-ist-nichts-passiert-es-gab-nichts-zu-sehen/
[Arbeit am Mythos #4 … ]
“ … Der italienische Philosoph Giovanni Battista Vico weist […] in der „Scienza nuova“ jede allegorische Interpretation von Mythen strikt zurück. Genauso wenig wie der Urmensch in der Lage gewesen sei, abstrakte Begriffe zu bilden, sei es ihm möglich gewesen, metaphysische oder naturphilosophische Gedanken in Form von Mythen zu „verpacken“. Vico glaubt, im mythischen Denken „die Logik des Urmenschen“ erkennen zu können. Unter diesem Gesichtspunkt zeigt er sich als Vorläufer Ernst Cassirers. …
Für die Denkarbeit eines Giordano Bruno „ist die Allegorie kein bloßes äußeres Beiwerk, keine zufällige Hülle, sondern sie wird zum Vehikel des Gedankens selbst“. Ein Ansatz, der deutlich über den von Comes und Bacon hinausgeht. Auch Lorenzo Valla, an dem Cassirer rühmt, daß bei ihm zum ersten Mal seit der Antike das Freiheitsproblem wieder „vor ein rein weltliches Forum,vor den Richterstuhl der ’natürlichen Vernunft‘ zitiert“ wird, begnügt sich nicht mit dem abstrakten Ausdruck seiner Gedanken, sondern sucht nach bildhaft-symbolischen Ausdrücken, die einen Begriff verkörpern. So stellt Valla z.B. das göttliche Vorherwissen in der Gestalt Apollons und die göttliche Allmacht in der Gestalt Jupiters dar. Der antike Mythos erhält so eine neue Rolle zugewiesen: er ist Teil der logischen Denkarbeit, Medium und Instrument zugleich. …
Deutlich grenzt sich Vico von jenen Gelehrten ab, die von der unerreichbaren Weisheit der Alten sprechen und in die griechischen Mythen philosophische Allegorien hineindeuten, was für Vico, wie Vittorio Hösle in seiner umfangreichen Einleitung zur Scienza nuova ausführt, ferner bedeutet, „daß Weisen der Urzeit zugeschriebene Werke, in denen sich tatsächlich philosophische Gedanken finden, wesentlich später entstanden, also Fälschungen sein müssen“. Neu an Vicos Mythentheorie ist, daß der Mythos hier als eigenständige symbolische Sprachform gefaßt wird „mittels derer der Mensch seine ursprüngliche Fremdheit in der Welt überwindet“ …“ | Aus: „Das mythische Denken bei Ernst Cassirer nach der „Philosophie der symbolischen Formen““ Patrick Conley (Universität Frankfurt, 1993) | http://www.forschungsnetzwerk.at/downloadpub/Das_mythische_Denken_bei_Ernst_Cassirer_Cassirer.pdf
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“ … Wer das Ulmer Münster betritt, ist fasziniert von der riesigen Statue, die mit ausgebreiteten Schwingen den Spitzbogen im Durchgang der Turmhalle zum Hauptschiff ausfüllt. Es ist Michael – übergroß, der Engel mit Schild und Schwert. Michael ist ein Erzengel. Doch mit Erz hat das Wort „Erzengel“ eigentlich nichts zu tun. Es hat sich sprachlich aus dem griechischen ArchÂangelos herausgebildet. Das bedeutet soviel wie der Erste der Engel, der Oberste, der Engelsfürst, der Anführer der himmlischen Heerscharen. Und der 29. September ist sein Tag: Michaelis, Tag des Erzengels Michael und aller Engel. Es ist kein gesetzlich geschützter Feiertag, aber ein altes kirchliches Datum – auch, aber nicht nur im liturgischen Kalender. In der Bibel werden drei Erzengel erwähnt, Gabriel, Raphael und Michael. Im Hebräischen klingt der Name wie eine Frage aus den drei Wörtern: „Wer ist wie Gott?“
Die entscheidende Bibelstelle zum Erzengel Michael findet sich in Offenbarung 12,7-9. Dort wird der Kampf zwischen Michael und dem Drachen dramatisch geschildert: „Es entbrannte ein Kampf im Himmel: Michael und seine Engel kämpften gegen den Drachen. Und der Drache kämpfte und seine Engel, und sie siegten nicht, und ihre Stätte wurde nicht mehr gefunden im Himmel. Und es wurde hinausgeworfen der große Drache, die alte Schlange, die da heißt: Teufel und Satan, der die ganze Welt verführt, und er wurde auf die Erde geworfen, und seine Engel wurden mit ihm dahin geworfen.“ … Der Erzengel Michael hat eine ganze Reihe verschiedener Spuren hinterlassen, im Schwäbischen, in Deutschland, fast überall in Europa. Der Engel mit der Posaune über der Kanzel der Stuttgarter Stiftskirche ist wohl ein Michael: „Denn er selbst, der Herr, wird, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaune Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen“ (1. Thessalonicher 4,16).
Michaelskirchen haben immer besondere Standorte. In Esslingen-Berkheim liegt die Michaelskirche nicht etwa im Zentrum, sondern außerhalb des alten Dorfkerns, auf einem Hügel und ist von einem großen Friedhof umgeben. Man vermutet, dass es an dieser Stelle eine heidnische Kultstätte gab. Als im frühen Mittelalter das Christentum auf den Fildern Fuß fasste, wurde dort eine Kirche errichtet, die dem Erzengel Michael gewidmet wurde. Michael als Drachentöter repräsentiert auch den Sieg des Christentums über das Heidentum. …“ | Aus: „Der Kampf gegen das Böse“, Ev. Gemeindeblatt 39/2013 | https://www.evangelisches-gemeindeblatt.de/lebenshilfe/glaube/detailansicht/der-kampf-gegen-das-boese-103/
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Michael Eggert (: “ … Als ich noch gläubig war, in jungen Jahren, an Herbstfesten zu Ehren des Drachen- Besiegers teil nahm, an anthroposophischen Seminaren, die das Wirken des Zeitgeistes immer neu, aber in immer gleichen Vokabeln erläuterten, Steiner in meditativer Haltung las, war Michael für mich die tröstende Herbstgestalt … Michael ist auch ein Symbol für die „kosmische Intelligenz“, ein Begleiter, ja das Antlitz des Logos. Immer wieder wurde in Seminaren erläutert, wie wesentlich es sei, dass Michael den Drachen in Schach halte, aber nicht zu töten versuche. Es geht, zumindest in spiritueller Hinsicht, bei der Spiritualisieren der Intelligenz um eine Frage der inneren und äußeren Balance, nicht um eine Überwindung des „Niederen“. … Es hat auch erschütternde Aussagen Rudolf Steiners darüber gegeben, dass sich die übrigen Zeitgeister mit Michael verkracht hätten, was man schon an der Zunahme von Sonnenflecken erkennen könne. Durch all diese Streitigkeiten in der Organisation der Menschheit ist das Karma völlig durcheinander geraten, was womöglich nicht allein den Grund für die Alpträume des 20. Jahrhunderts darstelle, aber schon doch auch. Das sei aber nur der Anfang. Der wahre Alptraum werde im kommenden Oriphiel- Zeitalter beginnen. …“ |Aus: „Geistesheld und Quasi- Gott; der Mythos des Erzengels Michael“ (), https://egoistenblog.blogspot.com/2020/09/geistesheld-und-quasi-gott-der-mythos.html
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Michel Gastkemper : “ … Du kannst Deine Beiträge hier von solcher Art in einem Publikation zusammenstellen unter dem Titel: Wiederholte Lektüre eines enttäuschten Anthroposophen. …“
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Harald Neugebauer : “ … fast überall nur noch voraussetzungsvolle Esoterik …“
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Michael Eggert -> Harald Neugebauer: “ … Das Konzept der „voraussetzungsvollen Esoterik“ interessiert mich. …“
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“ … Äußerst abenteuerlich dürfte es auch in dem Rollenspiel „Divinity II – Ego Draconis“ von dtp Entertainment zugehen. Seinen besonderen Reiz erhält dieser Titel aus der Spannung, die sich aus der inneren Zerrissenheit des Protagonisten ergibt: Er ist nämlich Drachentöter und Drachenritter in einer Person. Die spezifischen Fähigkeiten werden optimalerweise in den richtigen Situationen abgerufen. Der Spieler greift unmittelbar in den Kampf zwischen Drachen und Dämonen ein, um die Welt Rivellon wieder auf den Pfad des Guten zu führen. …“ | Aus: „Videospiele: Zauberei und Drachenkämpfe“ (27.01.2019) | https://www.fr.de/kultur/zauberei-drachenkaempfe-11521547.html
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(Freitag, 09. April 2010): “ … „Die Nibelungen“: Innerhalb von nur wenigen Monaten wird in Berlin zum zweiten Mal ein Stummfilmklassiker von Regisseur Fritz Lang (1890-1976) in einer restaurierten Fassung uraufgeführt. Das fünfstündige Werk ist mit der vervollständigten Schlussszene am 27. April in der Deutschen Oper zu sehen, wie die Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung in Potsdam mitteilte. … In dem Stummfilmklassiker geht es um den Untergang der Nibelungen an König Etzels Hof. Das Nibelungenlied um Siegfried, König Gunther und den Nibelungenschatz gilt als Nationalepos. Von 1922 bis 1924 drehte Regisseur Lang seinen Film am Standort Potsdam-Babelsberg. „Es ist unglaublich, welche Innovationen dahinter stecken“, betonte Junkersdorf. So habe Lang in einem nachgebauten Drachen einen Turm integriert, der Platz für diejenigen bot, die die Technik bedienten, damit das Ungetüm laufen und Feuer speien konnte. ..“ | https://www.n-tv.de/panorama/Die-Nibelungen-in-neuem-Glanz-article816616.html
[Unmaßgebliche Augenblicke #1 … ]
Ein neuer Tag. 6 Uhr. Langsam zu sich kommen. Der zweite Becher Kaffee war ohne Milch. Rasur, Socken, Schuhe, alte Jacke. Auf dem Klapperrad sitzend, landen ein paar kühle Regentropfen im Gesicht. Morgendämmerung an der Kieler Förde. Lastenkräne mit orangenen Signallampen über der matschigen Baustelle. Hier wird gebaut. Hier stehen zugleich die Zelte des Circus Royal, wo es kurz nach Pferdeäpfeln von Circuspferden duftet und das Rad über die provisorische Stromleitung holpernd übersetzt. Das Vorderrad erreicht die Klappbrücke. Der Uhrenwürfel an der Kaistrasse zeigt Punkt 8 Uhr.
Im Sophienhof sitzt wieder Chruschtschow. Sein Gesichtsausdruck, seine behäbige zugleich kraftvolle Körpersprache, lässt meine Gehirn, still und ohne Beteiligung von bewußtem Willen, seinen Namen ausspucken. Gehe ich an ihm vorbei, denke ich an die Archivaufnahmen von 1960 in denen Nikita Chruschtschow mit einem Schuh auf einen Konferenztisch hämmerte. Mit einem großen Hörgerät sitzt er im Mittelgang. Mal ist er ganz allein, mal sitzt er mit befreundeten oder unbekannten Delegierten der UNO auf der roten Sitzgelegenheit und beobachtet Szenerie. Chruschtschow schaut ruhig in das Gemenge. Die Sitzgelegenheit ist wie eine Insel im Gewusel, die allen Menschen gut tut, die was mit den Knien haben und mal eine Pause brauchen.
Vorfreude mischt sich mit leiser hysterischer Angst. Die Übung heißt freundlich, aber nicht zu vulgär zu werden. Hingegeben zu sein, aber zugleich auch aus Tackt ein Stückweit unbeteiligt zu bleiben. Zwischen Alltagslärm und Kapitalismus, kommt es in der Eingangshalle an der Supermarktkasse zu einem temperierten Sirenengesang (Nymphenblick) der süchtig macht.
Der Bon, nein Danke, den brauch‘ ich nicht. Das Studentenfutter und eine Gemüsesaftflasche landen in der zerlebten Ledertasche, die an der Schulter durch den Lederriemen zerrt.
Im Kieler Hauptbahnhof steht schon der dauerredende Holländer am Bahnsteig. Einer aus der Menge, schlank gewachsen, immer sprechend, einem inneren Zwang nach in ständigem Wortschwall gefangen. Ob ihm jemand zuhört ist Schnuppe. Was mag es für eine Sprache sein, woher kommen die kräftigen Gesten, der Blick ins Ungefähre, die Lautäußerungen, die ihm unwillkührlich aus dem Munde fahren – ist es Niederländisch (ich weiß es nicht)?
Die Tür schließt sich mit Regionalbahn-typischer Warntonfolge. Auf den Schienen geht es über die Autobahnbrücke an der silbernen Müllverbrennungsanlage vorbei.
[Geistige Minenfelder #2… ]
“ … Und nur eines kann ich nicht verstehen, wenn ich die Figur dieses Menschen betrachte, der mit Hartleben herumgesoffen hat, und von dem man sagt, er habe in diesen fröhlichen Kneipnächten die Figur des »Serenissimus« erfunden. Christian Morgenstern liebte ihn. Dieser feine, gütige, hohe und tiefe Geist liebte Rudolf Steiner. War das Weltfremdheit? …“ | Wrobel, Ignaz (Kurt Tucholsky): Rudolf Steiner in Paris, WB 20/II, Nr.27, 03.07.1924, S.26 | https://de.wikisource.org/wiki/Die_Schaub%C3%BChne_%E2%80%93_Die_Weltb%C3%BChne/Inhalt_Weltb%C3%BChne | –> “ … Otto Erich Hartleben (*1864 – 1905) war ein deutscher Schriftsteller. Zu Lebzeiten besonders als Dramatiker ungeheuer populär, kursierten zahlreiche Anekdoten um seine Person. … Eine seiner bekanntesten Figuren war der „Serenissimus“, ein vertrottelter Duodezfürst eines imaginären Zwergstaates. … [Duodezfürst = „Herrscher eines sehr kleinen Fürstentums“] …“ –> https://www.textlog.de/tucholsky-rudolf-steiner.html | https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Erich_Hartleben ( 27. September 2019 )
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Serenissimus (Deutsch), Wortart: Substantiv, (männlich) – Wortbedeutung:
1) Bewusstseinswissenschaft:
Bezeichnung für ein höheres Niveau in der Evolutionsstufe des Bewusstseins
2) veraltet: Anrede oder Titel eines regierenden Fürsten (zur Zeit der Kleinstaaterei)
3) veraltet, scherzhaft: Kleinstaatfürst; Witzfigur
https://www.wortbedeutung.info/Serenissimus/
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Ambros Waibel (20.11.2019): “ … Menschen machen sich seltsame Vorstellungen von sich selbst und ihrer Umgebung, und andere Menschen, die diese Ideen nicht teilen – ja sie sogar, wenn sie in ihren Grundlagen und Konsequenzen vor ihnen ausgebreitet würden, scharf ablehnten … Sie handeln sozusagen, auch wenn sie sich selbst ein rationales Weltbild zuschreiben, diesem entgegen – und fahren oft sehr gut damit. Diesem Widerspruch versucht das Buch von Helmut Zander „Die Anthroposophie: Rudolf Steiners Ideen zwischen Esoterik, Weleda, Demeter und Waldorfpädagogik“ auf den Grund zu gehen: Ohne Schaum vor dem Mund oder Filz vor den Augen, mit wirklichem Erkenntnisinteresse, aber immer mit kritischem, ironischerweise ebenfalls weltanschaulich gebundenem Abstand – Zander ist katholischer Theologe und lehrt Religionswissenschaften an der Universität Fribourg. … Als mein Sohn dann vor 20 Jahren gut katholisch auf die Welt gekommen und in ihr heimisch geworden war und wir eine Schule für ihn suchen mussten, war die Wahl übrigens ganz einfach: Die Waldorfschule war die Einzige, die einen nicht wie eine Kaserne begrüßte, die nicht wie eine Anstalt aussah und die nicht nach Klo roch, sondern zur Weihnachtszeit morgens im Kerzenlicht erstrahlte. Man muss kein Anthroposoph sein, um das verwirklichen zu können. Aber wenn es hilft – wer wollte da das erste Zuckerkügelchen werfen? …“ | https://taz.de/Waldorf-Weleda-Demeter-und-Co/!5638891/
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Wolf Haberer (20.11.2019, 18:01): “ … Also eines muss man dem Zander neidlos zugestehen … er wird ja von beiden Seiten gelesen, von den zürnenden oder zumindest beunruhigten Anhängern genauso wie von jenen, die unter- bis oberschwellig fasziniert einen tieferen Blick in diese Welt riskieren wollen …“
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Jim Hawkins 21.11.2019, 09:19: “ … Aber: Auf mein Weleda-Wildrosen-Öl lasse ich nichts kommen.“
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gelöschter User (16. Jänner 2011, 18:21:50): “ … Mir wir schon flau im Magen, wenn ich das typisch anthroposopisches Design sehe, dazu reicht schon der „Weleda“-Schriftzug. Dann befällt mich eine klaustrophobische Beklemmung und das Bedürfnis, die Fenster aufzureißen zu müssen. Dies, obwohl ich eigentlich recht wenig mit der Anthroposophie in Berührung gekommen bin. Ein sehr guter Freund von mir hatte sich vor langer Zeit mit einer zwar nicht konsequent praktizierenden, aber doch stark anthroposophisch geprägten (und im übrigen nicht sonderlich intelligenten) Frau liiert, die auf Dauer nicht zu ertragen war. Das hat gereicht, um mich bis heute zu traumatisieren. …“ Kommentar zu: https://www.derstandard.at/story/1293370714873/anthroposophie-steiner-entsteinern
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“ …
Hans-Florian Hoyer (27. Januar 2011 um 01:03): “ … to whom it may concern: Huber, J., Astral-Marx, Über Anthroposophie, einen gewissen Marxismus und andere Alternatiefen, in Kursbuch 55, 1979, S.139-161. — Joseph Huber beschreibt in dem Aufsatz „Astral-Marx“ sein Erleben mit solchen Aktivitäten der anthroposophischen Bewegung wie folgt: „Mir persönlich ging es mit der Anthroposophie wie im Märchen vom Igel und vom Hasen. Als linke Hasen rennen wir uns nach den sozialistischen Träumen die Hacken ab, und wenn wir wo hinkommen, steht da oft ein anthroposophischer Igel und sagt „Ätsch, ich bin schon da“: hier ist ein klassenloses Krankenhaus, dort eine eigene Genossenschaftsbank, da sind selbstverwaltete Kindergärten und Schulen, Verlage, alternative Heil- und Therapieeinrichtungen, Tagungsstätten, freie Kunstakademien, Arzneimittelfabriken, biologisch-dynamische Landwirtschaftsbetriebe und anderes. Wo die heutige Linke mit lautem Getöse relativ wenig erreicht, schaffen Anthroposophen im Stillen viel.“ …“ | https://www.ruhrbarone.de/150-jahre-rudolf-steiner-%E2%80%93-%E2%80%9Eaber-ich-hab%E2%80%99-doch-nichts-davon-gewusst%E2%80%9C/22119
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“ … Rainer Herzog: »Nicht von außen, so sagte Rudolf Steiner schon 1914/1915, drohe seinem Werke Gefahr. Die Feinde kommen von innen, aus der Mitgliederschaft selbst.« (Adelheid Petersen, „Erinnerungen an Rudolf Steiner“, S. 189) – Ich muss gestehen, dass ich noch bis vor kurzem die diversen Berichte, Mahnungen und Warnungen über die Offenheit der anthroposophischen Bewegung für Verschwörungstheorien (VT) als etwas übertrieben erlebte – auf Facebook und auch vor allem [ ] auf dem Egoistenblog. Inzwischen weiß ich: Es ist viel schlimmer, irrer und durchgeknallter, als ich angenommen hatte. …“ | „Ein halbes Jahr in einer anthroposophischen Facebook-Gruppe – Ein Selbstversuch“ Eingestellt von Ingrid H. (23. Oktober 2018), Quelle: https://egoistenblog.blogspot.com/2018/10/ein-halbes-jahr-in-einer.html
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Impuls / Kontext: —> https://egoistenblog.blogspot.com/2019/11/lieber-anthroposophischer.html
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Rezensionsnotiz zu Deutschlandfunk (03.09.2019): “ … Wenn sich der Religionswissenschaftler Helmut Zander die Anthroposophie vorknöpft, ist Rezensentin Monika Dittrich ganz Ohr, denn die Felder ihrer Tätigkeit breiten sich aus: Von Demeter-Höfen über Drogeriemärkten und Banken bis zu Weleda bis zu den Waldorf-Schulen. „Prägnant und kurzweilig“ sei das Buch geschrieben, meint die Rezensentin, man könne es in einem durchlesen, aber auch als Handbuch. Dittrichs Darstellung zufolge reibt sich Zander vor allem am Absolutheitsanspruch der Anthroposophie, die er an Rudolf Steiners Glauben an die höhere Erkenntnis festmacht. Höhere Erkenntnis sei nicht verhandelbar, zitiert Dittrich den Autor, dem sie attestiert, auch in seiner Kritik an okkulten Dimensionen der Anthroposophie nüchtern und fair zu bleiben, zwischen verschiedenen Fraktionen zu differenzieren und nie ins Abrechnende zu verfallen. …“ | https://www.perlentaucher.de/buch/helmut-zander/die-anthroposophie.html
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Monika Dittrich (02.09.2019): “ … Anthroposophen werden das nicht gern hören – und auch an andere Ideen von Rudolf Steiner werden sie vermutlich lieber nicht erinnert. So sprach Steiner von menschlichen Rassen, von Wurzelrassen, von degenerierten Indianern und vom starken Triebleben der – Zitat – „Neger“.
Die Art und Weise, wie Anthroposophen heute mit den rassistischen Aussagen ihres geistigen Mentors Steiner umgehen, bezeichnet Zander als „unsouverän“ – trotz diverser Distanzierungsversuche und etwa der sogenannten Stuttgarter Erklärung des Bundes Freier Waldorfschulen.
Hier offenbare sich ein grundsätzliches Problem: Die Kritik am Gründungsvater werde als Gefahr für das gesamte anthroposophische System wahrgenommen.
„Steiner glaubte, dass diese Vorstellungen Ergebnis seiner Einsichten in höhere Welten seien. Wenn man jetzt ein Stück aus diesen höheren Welten herausschneidet und sagt, dieser Teil stimmt nicht, dann ist unklar, ob nicht wie ein Domino-Effekt andere Teile dieser Einsicht auch fallen.“
Dazu schreibt Zander: „Am Ende geht es um viel mehr, um die Logik seines Weltanschauungshauses. Tief in dessen Inneren sitzt eine Evolutionstheorie, die Steiner aus dem 19. Jahrhundert geerbt hat und in der die ganze Kultur evolutionstheoretisch gedeutet wird. […] Steiners Rassentheorie zu kritisieren bedeutet im Kern, seine Logik der Evolutionslehre infrage zu stellen.“
Zanders Buch ist eine kritische Auseinandersetzung mit der Anthroposophie – aber keine Abrechnung. Er schreibt mit dem beobachtenden Blick des Historikers – als Theologe und Religionswissenschaftler vermag er insbesondere die okkulte und religiöse Dimension der Anthroposophie einzuordnen. … Vor allem aber wird in seinem Buch deutlich: Die Anthroposophie ist ein weit verzweigtes Netz mit vielen Aspekten und Ausprägungen – und ihre Akteure lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Das anthroposophische Milieu sei hochdifferenziert, sagt der Autor: „Von offen linken, bürgerlichen, grünen Anthroposophen und einer Betonfraktion auf der anderen Seite, die der Meinung sind, dass die Rassentheorie Steiners doch irgendwie stimmt.“ …“ | https://www.deutschlandfunk.de/helmut-zander-die-anthroposophie.1310.de.html?dram:article_id=457576
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Jürgen Holwein (29.01.2011): “ … Steiner glaubte, dass man die übersinnliche Welt erkennen könne. Deshalb gründete er eine Esoterische Schule, in der Meditation zur Erlangung höherer Erkenntnis gelehrt wurde. Dafür schrieb er Mysteriendramen, in denen der Mensch den Weg in die geistige Welt nachvollziehen können solle. Und deshalb entstanden in der Theosophischen, später Anthroposophischen Gesellschaft Kulträume, in denen ein freimaurerischer Ritus, ein „Erkenntniskult“, gefeiert wurde – dies jedenfalls behauptet Helmut Zander.
Kritiker sehen in der Anthroposophie (wörtlich „Weisheit vom Menschen“) nichts anderes als die „sonderbare ,Weisheit“‚ des Menschen Rudolf Steiner. In ihr verschmelzen die Elementarteilchen aus allen nur denkbaren Erkenntnis- und Wissensgebieten zu einer einzigen Evolutionsgeschichte der Menschheit, der Erde und, ja, des ganzen Kosmos.
Steiner war kein Rassist im nationalsozialistischen Sinn, auch wenn in der Konstruktion seines theosophischen Sozialdarwinismus von „degenerierten“, „zurückgebliebenen“ oder „zukünftigen Rassen“ die Rede ist. Und eine Weltsicht, in der sich Engel und Dämonen gegenüberstehen, die die Existenz von Volks- und Rassengeistern behauptet und die lehrt, dass das Leben der Menschen von Karma aus früheren Leben bestimmt ist, erscheint heute befremdlicher denn je.
Nehmen wir Rudolf Steiner als ein Kind seiner Zeit. Lebensreformerische Bewegungen lagen in der Luft. Aus Steiners reformpädagogischem Konzept wurde die erfolgreichste Privatschulbewegung überhaupt. 221 Schulen gibt es in Deutschland, 1000 sind es weltweit. Das Arnika-Massageöl von Weleda oder die Rosencreme von Dr. Hauschka wird auch in Hollywood geschätzt. … “ | https://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.anthroposophie-rudolf-steiner-geist-und-geister.62671315-0db8-4f0b-ab15-472b679907af.html
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„… Aus den frühen 1890er Jahren in Weimar liegen einige Erinnerungen der bald darauf sehr erfolgreichen emanzipatorischen Schriftstellerin Gabriele Reuter vor, zu deren Freundeskreis Steiner gehörte. Sie schrieb: „Individualisten von reinstem Wasser waren wir sämtlich. […] Friedrich Nietzsche [war] unser Gott geworden. […] Jeder von uns war Herr der Welt und der Mittelpunkt ihres Seins, und die Souveränität des Einzigen [im Sinne Stirners] wurde mit den groteskesten Gründen und den gewagtesten Schlussfolgerungen bestätigt. [ ] Rudolf Steiner […] war groß darin, barocke, unerhörte Prämissen aufzustellen und sie dann mit einem erstaunlichen Aufwand von Logik, Wissen, kühnen Einfällen und Paradoxen zu verteidigen. … Ein Gedanke Steiners ist mir viel nachgegangen: die Forderung von moralischer und religiöser Phantasie […].“ – Gabriele Reuter
… Alles in allem gab es wenig Zeitgenossen, die Steiner indifferent gegenüberstanden. Er hatte eine starke und ungemein polarisierende Wirkung. Seine Zuhörerschaft teilte sich zumeist in Anhänger und Gegner. Die vielfältigen Impulse für verschiedenste Lebensbereiche, die Steiner ausübte, wurden daher in der Regel außerhalb des anthroposophischen Kontextes wenig rezipiert. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Rudolf_Steiner (Stand: 11. November 2019)
[Das Reale, das Symbolische und das Imaginäre #18… ]
Rudolf Stumberger (22. August 2018): “ … Manchmal erschreckt man allerdings selbst, wenn sich die Welt des Trivialen plötzlich auflöst und hinter den Nebelbänken des Happy End plötzlich das normale, mitunter grausame Leben auftaucht. Etwa in der Welt des Schlagers, des musikalischen Verwandten des Groschenromans. Obwohl man es ja wusste, bestürzt einen die tiefe Diskrepanz zwischen heiler und wirklicher Welt. Etwa bei dem Schlagersänger Roy Black, bürgerlich Gerhard Höllerich („Du bist nicht allein“), der 1991 nach Alkoholexzessen allein in einer Fischerhütte starb. Oder bei Rex Gildo, bürgerlich Ludwig Franz Hirtreiter („Fiesta Mexicana“), der 1999 aus dem Fenster sprang. …“ | https://heise.de/-4141333
[Wortgetreu mit feinem Reiz und schroffer Poesie #1… ]
Kurz Notiert: Feris ungekürzte Rede zur Eröffnung des Bachmannpreises in Klagenfurt schafft als Beitrag im Standard aus dem Stand mehr als 600 Kommentare. – Feridun Zaimoglu (4. Juli 2018): „… Ich trat die Heimkehr zu den Verlassenen an. …“ | Die ungekürzte Rede: —> https://derstandard.at/2000082801180/Feridun-ZaimogluEs-gibt-keinen-redlichen-rechten-Intellektuellen
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Wolfxxi, 0x.07.2018: “ … Armer Irrer – Also DER ist echt keine Gefahr, bei diesem wirren Zeugs was er von sich gibt. …“
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Teenage Wildlife, 0x.07.2018: “ … Nur weil man Texte nicht versteht, sind diese noch nicht „wirres Zeug“. …“
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// “ … Ich bin etwas verdutzt, ich bin fremdstämmig, ich kann mich als Spätdeutschen bezeichnen, ich kann aber auch sagen, ich bin Deutscher mit türkischen Eltern. Punkt. Andere Leute können das auch unter Vermeidung akademischer Floskeln sagen. Das Leben ist stärker als jedes Fremdwort, das wird sich durchsetzen. … Mit Verbrämung, mit Verschleierung kommen wir überhaupt nicht weiter. Wir haben es bei den Populisten und bei den multikulturalistischen Verklärern mit Leuten zu tun, die die Fülle der Fakten nicht aushalten können und das Ganze vereinfachen. Es ist hart, die Verhältnisse sind hart, es war aber immer so. …“ | Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/schriftsteller-feridun-zaimoglu-bei-dem-wort.1008.de.html?dram:article_id=421952 (04.07.2018)
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// [ … “ … Während der Flüchtlingskrise in Deutschland ab 2015 kritisierte Zaimoglu die Politik von Angela Merkel und Recep Tayyip Erdoan sowie die „Gewaltkultur“ vieler Einwanderer und „bellende Konservative“. …“ | Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Feridun_Zaimoglu (Stand: 05.07.2018) …]
[Eingespülte Sandkörner… ]
Während ich in der Nacht über den Boden gleite, sehe ich die meterlangen Mondschatten auf der Straße, oder sind es riesige Fledermäuse mit mächtigen Flügeln, oder sind es die schaukelnden Äste unter den Straßenlaternen? Dann kommen plötzlich Regengüsse, die Hose ist schon nass, die Haut wird kühl, das Fahrrad tropft, die Kugellager der Fußpedale knirschen durch eingespülte Sandkörner. Die Nacht ist kurz, die Musik zusammen mit dem schummrigen Rotlicht der Garage verflogen. Im Kopf hallt der Klang nach. Die Augen halb auf im Dunkel, denke zurück. Schreibe mit einem Füller und schwarzer Tinte in Gedanken einen Brief an Dich in die Vergangenheit. Möchte mich tief vor Dir verbeugen. Möchte echte Demut vor Dir bekennen. Möchte in deinem Gesicht nach einem flüchtigem Lächeln suchen. Geläutert wäre ich dann wohl ein bisschen – sollst Du denken. Sag mir, waren wir alle liebeskriminell? Wie konnte ich das vergessen. Weit weg von jener bedeutsamen Moral der in Würde gealterten Gedanken. Führe mich in die Zeit, genau dort an Ort und Stelle, wo ich in der Fahrt die Gedanken fabuliere. Schäme mich dafür. Für jedes Wort. Will es Dir dennoch alles schreiben. Jetzt durch das Treppenhaus, die Socken regentriefend. Und ein Teil vom eigenen Kopf versinkt in einem alten Kissen, das Fenster steht auf kipp. Für ein paar Stunden sinkt alles dahin, der Schlaf breitet seine Schwingen aus. Er kommt und geht wie der eigene Atem. Der Kaffee im Bett, schnell noch werden zwischen Tür und Angel zwei Küsse hingegeben. Jetzt ist wieder Tag. Rollend auf dem alten Eisenesel, die Kette surrt, kühler Wind, aber keine Stille auf dem Waldweg, blätter rauschen mächtig durch den Raum. Wieder auf der Straße, Wolkenschatten mit Lichtflecken gleiten in Windeseile über den verblichenen Teer. Im Industriegebiet ein Wohlgeruch von gerade erst geschnittenem Gras, daneben lärmen zwei Rasenmähermotoren. Hier steht ein Briefkasten am Weg, in den man Briefe einwerfen kann, die in der Vergangenheit landen. Ich werfe da nichts rein – wie heißt es so schön im Englischen: act your age.
[Ein Vogel auf dem Zweig… ]
Ich sehe den alten Mann, der im Pflegezimmer sitzt. Wie er versonnen den Vogel auf dem Zweig durch das Fenster beobachtet – und es scheint so, als sei dieser Vogel nun für ihn die Welt.
Eine Welt, die unscharf zu den größer werdenden Rändern geworden ist. Und am Telefon kommen ihm die Worte völlig falsch vermengt durch den Hörer. So zusammenhanglos wird da plötzlich gesprochen. Da wundert sich der zehnjährige Urenkel mit dem Telefonhörer im Flur. Darum weint des nachts eine Frau unter der Bettdecke, findet sich hingestürzt zu den Empfindungen eines kleinen Mädchens. Es fühlt sich so wehrlos und beschämend an, wenn man nur noch die verblassende Vergangenheit festhalten kann, während die Gegenwart versickert. Vielleicht wäre es ein Anfang unsere generelle Endlichkeit nicht mit tröstenden Beteuerungen zu übermalen. Was hilft die Theorie in den Büchern, die Bilder an den Wänden, die Daten auf den Festplatten, die Bedeutung all der Lebendigen Wesen, wenn das Lebensende plötzlich die Praxis des Seins konkret zerstäubt.
Die anderen haben noch ein paar Atemzüge mehr – aber es fehlt jemand, wenn jemand verschwunden ist. Daran ist nichts zu ändern. Die überlebenden haben die Erinnerung. Wenn Liebe im Spiel ist, so haben wir die Erinnerung und die Trauer. Und Trauer ist nie gleich. Trauer ist diffus, es werden sogar Dinge erhofft, die vorher nicht zur Debatte standen, weil die Trauer dazu verführt. Trauer kann durch so sonderliche Nichtigkeiten auslöst werden. Ein vergessenes paar Schuhe. Ein Schlaflied, was die Mutter dem Sohn vorgesungen hat, als er noch nicht mal mit dem Fahrrad fahren konnte. Trauer als bittersüße Droge von enthobener Benommenheit, ein melancholischer Genuss. Die Trauer ist nicht aufgeklärt, sie ist ungerecht, punktuell und parteiisch. Trauer kann bestens überrumpeln. Trauer bäumt sich unerwartet auf. Trauer vergilbt. Trauer geht auf Zehenspitzen in ein anderes Zimmer. Trauer stampft schnaubend auf wackeligen Beinen. Trauer wankt zur einen Seite der Wahrheit, reißt – wie durchfahren von einem Stromstoß – die Wahrheit vom Sockel. Trauer schreit auf, läuft blindlings gegen die Kulissen der Erinnerung und bringt alles zum beben. Trauer haut mit knöcherner Faust in den großen See der Gefühle, so dass Wasser in die Augen scheißt – und es ist oft vorgekommen, das die Trauer mir fast immer fernbleibt, wenn viele sie im gut gefüllten Saal erwarten.
[Eine Art Auslieferung… ]
Wie schwindelerregend kurzzeitig ist der Orgasmus und die konkrete Liebe gegen den langen unterschwelligen Rausch, den die verdeckte Begierde unter den Teppich kehren kann. Genau dort kann all dies Material jahrelang herumliegen und übersehen werden. Die Essenz ist geistig kaum zu greifen, ist flüchtig, ist virtuell, liegt aber wie unbehauener Marmor im Abklingbecken des Gefühls. Wo kommt das Material her? – Es sammelt sich über die Zeit von überall und nirgends. Es sind zufällige wie auch kurze Begegnungen, drei vier Worte und ein paar Blicke. Meist hat fast alles nichts zu bedeuten und deutet auf fast nichts hin.
Und ich will morgens (bin gerade erst halb wach) unter der Dusche nicht an die Steine eines versunkenen Geröllhaufens denken. Ich will gar nicht wissen, welche Form diese Brocken haben und wie groß sie sind. Aber unter der Dusche denkt der Kopf manchmal ohne den Besitzer zu fragen einfach drauf los. Jeder Gedanke ein kleines Phantasma, eine schlichte Verwirrung oder eine winzige Halluzination. Gerne erzähle ich mir kleine Lügen um etwas zum grübeln zu haben. Und wie klein kann der Anlass sein. Wie kurz der Moment auf den sich Vorstellungen beziehen. Da war ein Blick nur mit freundlicher Anspruchslosigkeit getränkt. Doch dann wird er offener. Da steht für eine halbe Sekunde die Geste der Auslieferung wie eine Öffnung im Raum. Ist das ein Aufblitzen von wirklicher Nähe? Die Zeit dehnt sich. So eine Situation kann nicht nur die Zeit verlangsamen sondern auch den Kopf kosten. Eben noch fremd mit einem Menschen, schon können wir die Luftpost der Seele lesen.
Hinter einer Situation von sachlichen Schlichtheit lauert manchmal eine Art Auslieferung, Hingabe, Selbstaufgabe, Abtretung, Auflösung, Verschlagenheit und Lust. Ich hege keine Skepsis dem Genuss gegenüber. Mag jeder lutschen, küssen, lieben, empfinden und stöhnen wie, wo und so oft er mag. Aber für einen bestimmten Grad von Abstufung der Entsagung spricht der Fakt, dass letztendlich jeder wirkliche Nähe zu einer echten Verschmelzung führt. Hierauf folgt die unwiderrufliche Veränderung der Bedeutungen (man kann, bei der Entscheidung ob man den anderen wirklich treffen will – egal ob man ein Mann oder Frau ist – eben nicht ein bisschen schwanger sein!). Und danach: die Rückwege werden auch von der Logik der Gefühle grimmig bewacht.
So bleibt die Entscheidung bei uns, wie weit wir den Ausdruck des Blicks zu beschränken bereit sind. Wir entscheiden, wie weit wir uns bei mehrdeutigen Gefühlen reduzieren. So entgehen wir leichter der Ergreifung auf den Allgemeinplätzen durch die Sicherheitskräfte der Vernunft. So droht keinem die Inhaftierung des Gefühls. Keinem packt die kalte Selbstablösung. Keiner stolpert über seine Widersprüchlichkeit in den Scherbenhaufen den man in Zukunft hinterlassen würde. Keiner bedroht die Contenance der Gefühle der beteiligten. Es braucht dann kein atemloses aufeinander prallen, keine horizontalen Übereilungen. Es gibt nichts zu bereuen. Und später dann – wenn langsam das klare Denken die Oberhand gewinnt, wenn wir nicht mit dem Kopf gegen die Wand schlagen mussten, dann sind wir vielleicht für einen kleine Augenblick über irgendeinen Punkt in unserem Inneren nur noch leicht amüsiert und verwundert. Dort gibt es also einen Ort den ich selbst nicht kenne und nicht kennen kann. Ein Ort, wo wir im Schummerlicht kaum unsere Gesichter sehen können, wo wir haltlos in der Bestimmung von Gefühlen sind, weil die Gefühle erst noch Zeit brauchen und später kommen werden, weil da Bodennebel in unserem Psychischen Apparat zugegen ist, da der Tag noch gar nicht angebrochen ist.
Als Konsequenz aus den Duschbrausen-Halluzination, kann ich immerhin mit den Fingern schmunzelnd die Abstufungen der Enthaltsamkeit auf den beschlagenen Kacheln vermessen.
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