Kategorie: Kiel.Refugium

[Return to Slumberland (2)… ]

8:55 Groovin‘ at Small’s Paradise – Jimmy Smith spielt My Funny Valentine und die Luft riecht erstmals etwas nach Herbst in diesem Jahr – in diesem kleinen Waldstück – auf dem Klapperrad. Bin wieder mal spät dran. Im Mund ist noch ein kleiner Krümelrest vom Räuberkaffee.

[Die Frau, die man liebt… ]

Fräulein Krummweide, 24. August 2011, 22:05
… Es gibt kein richtiges Leben im falschen…Bundesland.

Kommentar zu: http://faz-community.faz.net/blogs/stuetzen/archive/2011/08/24/oeffentliche-hinrichtungen-unter-konservativen.aspx

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Und Tad Baste schreibt am 16.08.2011 um 12:26 Uhr
Das Land zwischen den Meeren bietet schon ganz besondere Beiträge zur politischen Kultur der Bundesrepublik. Uwe Barschel, Björn Engholm, Heide Simonis und jetzt Christian von Boettcher. …

Und DerSchnitzelflüsterer schreibt am 16.08.2011 um 12:15 Uhr
Ich überlege gerade, wie ich reagieren würde, wenn mein 16-jähriger Sohn mit einer 40-jährigen Frau (mit Option zur Ministerpräsidentin eines Bundeslandes) ein Verhältnis gehabt hätte.

Und xpeten schreibt am 16.08.2011 um 14:13 Uhr
Man will gar nicht wissen, was die Moralapostel, die hier empört aufschreien und den sofortigen Rücktritt des Kandidaten fordern, so alles hinter ihren um 18:00 h heruntergelassenen Rollläden treiben.

Kommentare zu: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2011-08/cdu-schleswig-holstein-landtagswahl/seite-1?commentstart

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Und in der Sueddeutschen steht: „In Kiel ist jedem alles zuzutrauen. …“
Aus: „Ein Naivling, umgeben von Erpressern“, Ralf Wiegand, 16.08.2011 (Quelle)

Dazu fällt mir ein: „Die Heimat ist ja nie schöner, als wenn man in der Fremde von ihr spricht.”
Zitat – Horst W. Geißler (Die Frau, die man liebt)

Und Ivrit schreibt am 16.08.2011 um 09:59 Uhr:
„der Anstand für eine Führungsrolle“ – Danke, Herr Wiegand, den hab ich gebraucht am Morgen. Wie krieg ich jetzt den Kaffee aus der Tastatur?

Und anna_lupa schreibt am 16.08.2011 um 09:31 Uhr:
Wenn es denn Liebe war, hätte er doch weiter zu der Frau stehen können, allen Widerständen zum Trotz, ganz souverän. Das gemeine Wahlvolk ist nicht so intolerant wie das gemeine Parteivolk.

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Mal so nebenbei & was übrigens viel wichtiger ist, als ein Adeliger in moralischen Nöten:
1985 beschloss man in Kiel die Einstellung der Straßenbahn. Das war ein Fehler.


Die Linie 4 (Karlstal, Kiel Gaarden [01.05.85])
Gefunden @ „Straßenbahn Kiel vor 25 J. eingestellt“
Von: Egbert Roser (01.03.10 20:35)
=> http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?17,4706544

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Die Kieler Straßenbahn wurde am 8. Juli 1881 als Pferdebahn mit einer Spurweite von 1100 mm eröffnet. Die Spurweite wurde bis zum Betriebsende 1985 beibehalten, sie ging auf eine Umrechnung der britischen Spur 3 Fuß 6 Zoll (1067 mm) in metrische Maße zurück und wurde in Deutschland nur noch bei den Straßenbahnen in Lübeck und Braunschweig verwendet. Die Umstellung auf elektrischen Betrieb erfolgte im Jahre 1896. ….
=> http://de.wikipedia.org/wiki/Stra%C3%9Fenbahn_Kiel

[Kurz mal am 3Ecks Platz… ]

Urbanes Träumen am Stadtausschnitt: Da oben, hinter der Werbung sieht das Haus mit seinen eigenen Fenstern etwas über der Straße. Das blaue Schild mit dem Fahrrad bezieht sich selbstvergessen auf den Pfeil auf dem gelben Schild. Es bedeutet ihm: Fahrrad, fahre dem Laster auf die Achse. Und bei solch kleinen Kacheln – da rechts oben – denke ich oft automatisch: „50iger Jahre“.

[Zwischen den Augen der Häuser… ]

Zum ersten mal sitze ich ohne Jacke auf dem Klapperrad in diesem Jahr. Eine Hummel knallt, getragen von Fahrtwind und Flügelschlag, mitten auf der Straße gegen meine linke Schulter. Meine Augen folgen den grell weißen Pfeilen und Streifen auf dem Asphalt. Für kurz liegt der Geruch von Grillanzünder in der Luft. Fenster sind die Augen der Häuser. Die Bäume sind hell grün. Ostern 2011. Der Ledersattel knatscht ganz leise.
Wie war das noch? – Ich hatte es fast schon vergessen, dabei hatte sie es mir ausfühlich erzählt:
V. inspiziert bei jedem Mann, wenn sie in seine Wohnung geht, als erstes immer das Badezimmer. Sie vertraut darauf, das sein Badezimmer ihr seine Seele offenlege – und somit das Badezimmer bei der Entscheidungsfindung zur Situation sekundiert.
Ein Bahnübergang. Ich kann den wahllosen Symbolen des Alltags nicht mehr folgen. Es ist keine bewusste Entscheidung. Es kommt eher Stück für Stück über mich. Symbole haben auf ein mal geheime Türen, Kellergänge & Hinterhöfe.
Der Himmel ist hellblau. Ich erinnere mich: M. sitzt im Cafe – und T. sagt mit neidischem Unterton in seinem Zimmer M. würde nicht lesen, sondern Bücher in sich hinein ’schlabbern‘ – wie Schokoladeneis.
E. aus Kalifornien erzählt mir, das sie fast immer weiß wer anruft – wenn ihr Mobiltelefon klingelt. In der nächsten Stufe der Evolution bräuchten wir darum die Geräte nicht mehr. Ich habe zwar Zweifel aber schweige und nicke nachdenklich.
Nun geht es über eine Autobahnüberführung. Die erst vor 2 Wochen geölte Kette vom Klapperrad schleift dabei sanft über den Kettenschutz. klakedaga-kilckedigga klakedaga-kilckedigga klakedaga-kilckedigga.

[In E’hagen nachts um halb 3… ]

Peggy im Haus gegenüber kauft günstige Gangster-Filme aus den frühen 60iger Jahren im Baumarkt. Ich packte die Gelegenheit in einem Kieler Video-Filmverleih am Schopf und erstand einen über 50 Jahre alten Hans Albers Film auf DVD für 2.49 EUR.

Ich hatte es Lenny schon angedroht: Auf der Reeperbahn nachts um halb eins – heute Nacht muss er da durch. Lennardo atmet – vorgeblich leicht genervt aber doch auch neugierig nach einem „na ja ich weiß nicht…“ – den Zigarettenrauch in die Radiatorluft der ansonsten unterkühlten Garage.


[Hannes Wedderkamp – Auf der Reeperbahn nachts um halb eins (BRD 1954)]

Los geht’s. Die Stimmungskanone Hans Albers alias Hannes Wedderkamp rollt das R in „…Hierrrrrr wackelt die Wand!“ vor der Galopp-Diele in Hamburg St. Pauli im Jahre 1954. Schon muss ich mich unfreiwillig schütteln vor Lachen. Es bringt Spaß ihm zuzusehen – Hannes Wedderkamp scheint als einzige Figur über der Zeit zu stehen – er war ja auch 25 Jahre in Amerika und hat dort Brücken gebaut. Als Hannes nun seinen alten Freund Pitter zum ersten mal trifft, ist dieser unfreiwillig am Schlammcatchen. Hannes: „So was hat’s zu meiner Zeit nicht gegeben…“. Eine Frau am Tresen: „Tja, aber so was ist jetzt modern…“ – Hannes holt Pitter aus der Schlammcatchbecken. Pitter: „Hannes, wo kommst du den her?!“ Hannes: „Aus Amerika, extra um dich aus dem Dreck zu holen!…“

Die ersten nur kurz angedeuteten Anspielungen und Trümmerstücke des Krieges tauchen auf. Hannes und Pitter stehen vor dem Eingangsportal der Galopp-Diele und Hannes sagt: „Das ist ja immer noch die alte Bruchbude“. Heinz Rühmann alias Pitter Breuer entgegnet in seiner Verzweiflung seinem Freund Hannes: „Was soll man machen? – Leider nicht ausgebombt“. Hannes Wedderkamp zeigt ihm darauf einen Vogel und knuft Pitter in die Brust.


[Und hier liegt das Nazigold in der Ostsee]

Doch nun wollen 3 verschlagene Trenchcoat-Gauner Nazigold aus der Ostsee heben. Ich bin hin – und her gerissen zwischen den, in den 50iger Jahre wohl üblichen devoten wie verklemmten Gesten, den verkrampften Versatzstücken einer damals wohl neu entstandenen übersteigerten Biederkeit des im Film nur angedeuteten Familienlebens, einem selbstmitleidigen und überhaupt nicht lustigen Heinz Rühmann. Seine Clownsnummer bringt mich als Zuschauer zur Verzweiflung. Aber da ist dann ja auch immer wieder die grandios energiegeladene, aber dabei auch etwas debil wirkenden Rolle von Hannes Wedderkamp. Hannes Wedderkamp der Tausendsassa – einer, der in jedem Moment einen locker passenden Spruch auf der Zunge hat – und natürlich immer gern mal ein Lied zum Besten gibt. Einer, der aber seiner Tochter gegenüber plötzlich sprachlos wird. Der einfach nicht mehr sagen kann – oder will – das er ihr leiblicher Vater ist. Er wählt wieder die Ausflucht in die offene See. Hannes flüchtet wie vor 25 Jahren vor seiner vorgeblich geliebten Frau.
Seine unschuldige Tochter ist immer so fleißig, vernünftig, aufrichtig und so lieb das es beim zusehen schmerzt. Hat sie sich durch alle ihre Tugenden das belogen werden von ihrem vorgeblichen Vater Pitter und den Schutz dieser Illusionen durch Hannes verdient?
Durch den Verzicht von Hannes auf „seine Tochter“ bleibt das ehemalige alte Familienglück intakt – Hannes zieht abermals die Flucht vor der Konfrontation mit der Wahrheit vor – und seine Tochter kann nun schön unwissend und glücklich in die Ehe gehen. Prost.

Es ist gegen 2:10 Uhr und mit einem unentschlossenen „… na ja …“ treibt es uns als klamme Gestalten aus der Garage in E’hagen in die feucht-kalt verregnete Nacht. Irgendwo auf der Strecke nach Gaarden horchen wir verblüfft auf – nachts um halb 3 steht ein Mann im Dunkel mit seiner Gitarre und einem hingebungsvollem Liebeslied auf den Lippen. Er schmettert ohne Publikum seine Weise für die Umgebung deutlich vernehmbar in den Nieselregen. Hier im verlorenen Randgebiet von Kiel gibt es einen einsamen Minnesänger der Nacht, den keine Widrigkeiten zurückhalten seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Selbst Lennardo musste gestehen: „So viel Poesie hätte ich Elmschenhagen gar nicht zugetraut.“

[Die Schaubudensituation (Kiel)…. ]

Die Schaubude steht der Kieler Volksbank im Weg („Wir machen den Weg frei“)…
Mit der Schaubude würde ein Stück Kieler Kulturleben vernichtet werden.
=> http://www.kieler-schaubude.de/legienstr40/ http://www.kieler-schaubude.de/

Hier eine Petition, um sich für die Schaubude Kiel namentlich einzusetzen.
=> http://www.kieler-schaubude.de/legienstr40/index.php?site=5&module=petitionIpetition2&lan=

[Schlendern (3)… ]

Rathausplatz. I, I wish you could swim Like the dolphins, like dolphins can swim… in den oberen Stockwerken ist ein Fenster auf und Musik weht auf die Straße. Ein paar Hausecken weiter höre ich noch ein Motorrad durch die Nacht rattern. Ein wohlwollender Moment. Die Gefühle und Gedanken verlangsamen sich zur Zeitlupe. Ich bin ein blinder Passagier der Straße – die Nacht voller Gaukelbilder.

[teilhaft… ]

Neo Merzkunst (Ort: Kiel Elmenschenhagen, 2010, Künstler unbekannt)

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[…] Mit Merz bezeichnete Schwitters seine Technik, aus Zeitungsausschnitten, Reklame und Abfall Collagen zu erstellen. […] Der Begriff „Merz“ entstand bei einer Collage aus einer Anzeige der „Kommerz und Privatbank“ …
=> http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Schwitters (28. September 2010)

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[…] „… Den bürgerlichen Rückzug in die Phantasmagorien der Innenwelten und ihre Abschottung von der fremd gewordenen Außenwelt durchbrachen die Dadaisten durch die Materialien ihrer Montageverfahren. … Selbst wenn Baader 1922 noch einmal in einem Manifest gegen die konventionelle Möblierung von Räumen auf der Möbelmesse in Detmold mit Finsterlin argumentierte – „Sagt mir, ob …..nie die geheimnisvolle Lust an Euch herankroch, Euch zu umräumen nach dem Rhythmus Eurer atmenden Seele“ – , so ist doch auch seine ironische Distanz zu dessen Übermenschen-Pathos zu bemerken, indem er nun dessen geistaristokratische Uberheblichkeit selbst wortspielerisch auf die Möbel übertrug und die „Übermöbel“ vom „Möbel-Pöbel“ abgrenzte. … In ihren labyrinthischen Anti-Architekturen filterten sowohl Baader als auch Schwitters experimentell Zusammenhänge von Zeit, Leben, Zusammenleben, Realität, Politik, Spiel,
Imagination, die gleich einem simultanen Bewußtseinsstrom Spuren von Eindrücken,
Erlebnissen und Erinnerungen übereinanderschichteten und diese in den Dingen
materialisierten….“
Aus: „DER MERZBAU IM KONTEXT DES ARCHITEKTONISCHEN“
Dekonstruktive Einflüsse von Dada Berlin, im speziellen von Johannes Baader
Von Hanne Bergius (2007)
=> http://sprengel-museum.de/bilderarchiv/sprengel_deutsch/downloaddokumente/pdf/ks2007_bergius_der_merzbau.pdf

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Johannes Baader (* 22. Juni 1875 in Stuttgart; † 15. Januar 1955 in Adldorf (Niederbayern))
=> http://de.wikipedia.org/wiki/Johannes_Baader

Inflationsheiliger
=> http://de.wikipedia.org/wiki/Inflationsheiliger

[Der Gefühlsidiot… ]

Sommer 2010. Die Abgesandten der himmlischen Heerscharen kommen geflogen – und blicken von oben – erst auf die Kieler Förde, dann auf die kleinen Hausdächer Kiels hinab. Sie feixen ausgelassen und machen alberne Gesten. Lustig, wie kleine animierte Knetwachsfiguren sehen die Menschen da unten in den Straßen aus.

Die Luft ist schon früh morgens warm. Eine junge Frau sitzt träumend auf einer Holzbank an einer Haltestelle. Ein Gefühlsidiot taucht an der Haltestelle auf. Der Gefühlsidiot macht einen mittelgroßen Bogen um die Holzbank. Die Abgesandten stupsen sich gegenseitig an und einer von ihnen ruft triumphierend „Du bist unser Agent Provocateur“ – „pssst!“ mach ein anderer – und ist sich darauf hin dem heiteren Gelächter der anderen fliegenden Kumpanen sicher.

Der Gefühlsidiot blickt erstaunt nach oben. War da etwas zu hören? Er fühlt sich beinahe als Opfer einer Heimsuchung. Bloß nichts anmerken lassen. Er sieht sich um. Er weiß nicht recht, ob er selbst oder die Frau auf der Holzbank von denen, die da oben herum albern, gemeint worden war.

Der Gefühlsidiot steht jetzt am Straßenrand direkt neben dem Haltestellenschild. Auf dem Haltestellenschild steht Hummelwiese. Auf der Holzbank werden die Turnschuhe der jungen Frau von dem brauen Saum ihrer Hose ein Stück weit überdeckt.

Die Linie 41 kommt. Die Fahrt beginnt. Es wäre ein Leichtes für sie und ihn gewesen sich auf andere Plätze zu begeben – „doch nein“ – rufen die da oben – „das Arrangement sollte nicht gestört werden!“. So sitzen sie sich nun direkt gegenüber. Der Gürtel der schwarzen Cabanjacke ist geöffnet und das Sonnenlicht spielt in ihrem Haar. Er blickt verstohlen auf ihre lichthafte Silhouette. Sie hat alles minutiös auf ihrem seelischen Radar registriert während sie die Landschaft draußen äußerlich kühl an sich vorüberziehen lässt. Dann blickt sie wie zufällig auf seine Statur. Immerhin unschuldig ist hier niemand. Sie lächelt manchmal sacht in sich hinein – zu den absurden Gesprächsfetzen die heillos durch den Linienbus fliegen.

Der Gefühlsidiot ist magnetisch von ihrer Art und Weise angezogen. Sie hat es leicht, atmet quasi schon seine Seele ein – und aus. Er merkt es – will es sich nicht gestehen, will sich wehren, will erkalten. Es bereitet ihm eine leichte panische Unwilligkeit, da er um die unüberlegten Späße von den fliegenden Herren weiß.

Was denken die eigentlich? – Daß er ein leichtes Opfer wäre? – Das waren vielleicht ein paar vieldeutigen Gefühle zu viel in den letzten Monaten. Bin ich vielleicht liebeskrank? Süchtig nach fast jeder seelischen Hitze? Da lachen die Wolkentänzer draußen. Sie rufen ihm durch das aufgeklappte Fenster zu: „Dein Schiff hat Leck, da ist was defekt, das kannst’e nichts machen, das bringt uns zum Lachen!“
Eine reife Dame mit Hut und grauen Locken (ein paar Sitzreihen weiter hinten) nickt den fliegenden Wolkentänzern freundlich durch die Seitenscheiben zu und sagt: „Denn wir wissen, da helfen keine Ohrfeigen meine werten Herrn, da hilft auch kein Wachprügeln – es ist ja Sommer.“

Die fliegenden Herren da draußen brüllen lauthals auf den Gefühlsidioten ein: „Stell dir vor, wie Du in einem alten Gemäuer vor einem aufgebahrten Sarg mit schlotternden Knien schluchzend stehst. Dort im Sarg sind vergangene Gefühle drin – und vergammeln. Nichts gelernt Gefühlsidiot?!” – Eine Windböe erfasst die fliegenden Herren da draußen am Seitenfenster und schleudert diese ein paar hundert Meter hinter den fahrenden Bus.

Endlich Ruhe. Der Gefühlsidiot wird kaum merklich etwas blass. Jetzt heißt es Stete zu bewahren. Er schließt seine Augen. Ein leichter Überschuss an Tränenflüssigkeit. Irgendwo im Kopf erahnt er sich dumm, verblendet und leicht betäubt.

Der Busfahrer ist eingeschlafen und vom Sitz gerutscht. Die Wolkenläufer haben aufgepasst, sind rein durch das Seitenfenster. Lenken jetzt den Linienbus.

Die strahlenden Augen der jungen Frau sind noch nach draußen auf die Straße gerichtet. Nun wendet sie ganz sacht ihren Kopf. Der Gefühlsidiot sieht sie vorsichtig an. Ihr Blick trifft ganz gezielt den seinigen. In ihrem Blick ist etwas lautloses, mutiges, zart gewalttätiges. Der Blick ist vorüber. Erst im Nachhinein kann er vor dieser Übermacht der weiblichen Wahrheit noch einen stillen Fluchtversuch unternehmen und mit seinem Blick auf die tanzenden Bäume am Straßenrand ausweichen. Die buslenkenden Herren grinsen derweil vieldeutig, starren dabei konzentriert auf die Straße.

Flüstert der eine Fahrer zum Nebenmann: „Ich finde, der Gefühlsidiot, ist wie ein kognitionsloser Schmierstoff seiner eigenen Katastrophe“ – Antwortet ein andrer: „Das reicht, wir hatten unseren Spaß – aber das nächste mal suchen wir uns etwas interessanteres aus. Etwas, das mehr Herausforderung bietet bitte schön!“

Die Seitentüren werden geöffnet und die letzten Fahrgäste verlassen selbstvergessen an der Endstation ihre Sitzplätze. Ruhig atmend der Busfahrer. So tief hat er seit Jahren nicht mehr geschlafen. Kichernd steigen die Ersatzlenker Grimassen schneidend mit Zehenspitzen über ihn hinüber und verlassen den Tatort.

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