Kategorie: Traum.Log

[Das Reale, Symbolische und Imaginäre #87…]

Bild: „Lustprinzip und seelische Instanzen“ | Quelle: “ … Mit Primärprozess werden in mancher psychoanalytischen Literatur alle Vorgänge des unbewussten Seelenlebens bezeichnet, die nach dem Lustprinzip ablaufen. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Prim%C3%A4rprozess (24. Januar 2021)
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“ … In seinem Traumbuch analysiert Freud vielfach auch eigene Träume. Seine Auseinandersetzung mit dem Phänomen resultiert jedoch auch aus der Erfahrung mit seinen Patienten, die ihm in den analytischen Sitzungen ihre Träume erzählen. Der Traum bietet sich ihm als Untersuchungsobjekt zumal auch an, weil er zeigt, dass ein psychodynamisches Unbewusstes im Sinne von gestaltauflösenden Primärprozessen auch bei ’normalen‘ Menschen besteht. … Allerdings stehen Psychoanalyse und Hirnforschung durchaus kontrovers zueinander. Versucht die Hirnforschung ihrerseits anhand bildgebender Untersuchungs- und Darstellungsverfahren das Traumgeschehen in den Gehirnarealen zu lokalisieren, stellt die Psychoanalyse Freuds von Beginn an ein Gegenprogramm zur neuronalen Lokalisationstheorie dar: Indem Freud das Feld der Sprache in die Psychiatrie einfügt, reagiert er gerade auf den Mangel an Instrumenten der naturwissenschaftlich arbeitenden psychiatrischen Medizin für ein Verständnis psychologischer Phänomene. …“ | Aus WUNDERBLOG ist ein E-Journal für Psychoanalyse (Datum ?) | https://www.wunder-blog.de/was-weckt-traum-und-traumdeutung/
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Andrea und Justin Westhoff (11.07.2019 / 10.12.2020): “ … Im Traum ist die Logik außer Kraft gesetzt, sind die Grenzen von Raum und Zeit aufgehoben, moralische Kontrolle greift nicht mehr. Ein besonderer Seins-Zustand, zweifellos. … Streng genommen, so Gehring, gibt es kein objektives Traumwissen, sondern nur individuelle Traumerfahrungen, die auch noch vermittelt werden müssen. Genau deshalb aber sind Träume durchaus ein interessantes Forschungsfeld, weil sie so etwas über die jeweilige Kultur aussagen, über gesellschaftliche oder politische Verhältnisse möglicherweise … “ | https://www.deutschlandfunkkultur.de/raetselhaftes-nachtleben-traumwissen-und-traumkulturen-100.html
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Carl-Heinrich Bock (18. März 2007): “ … Bruce Chatwin war ein wunderschöner, gut aussehender Weltreisender, der sowohl Männer wie Frauen verzauberte. Er war in der Lage alles mit Magie zu versehen. … Die romantischen Erzählungen sind garniert mit exotischen Geschichten, lustigen Anekdoten. Bruce Chatwin erfindet häufig die Wahrheit, macht sie aus Fiktion und Phantasie. Er schafft die Kostbarkeiten in dem er immer ein Stückchen zum Vorhanden dazu erfindet. …“
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“ …“Traumpfade“ (im Original „The Songlines“) ist der bekannteste Roman des Briten Bruce Chatwin (1940–1989). Der Roman wurde 1987 veröffentlicht. … Die Aborigine-Gründungsmythen über die Traumzeit sind demzufolge eine detaillierte Beschreibung des Landes; sie werden von den Aborigines in Form von Liedern erlernt und bewahrt, so dass jeder Aborigine-Clan in den überlieferten Liedern eine detaillierte Karte des Landes und seiner Mythen mit sich trägt. Diese Landkarte wird von der heutigen Zivilisation durch Baumaßnahmen verändert, so dass die kulturellen Wurzeln der Urbevölkerung zerstört werden und verlorengehen. Das letzte Drittel des Romans besteht fast ausschließlich aus kurzen Notizen, Zitaten und Beobachtungen, die der Ich-Erzähler Bruce im Laufe seiner weltweiten Reisen gesammelt hat. In diesen treibt Chatwin seine These über Nomadentum und die Ursprünge der Menschheit voran: der Mensch, so seine Überzeugung, ist zu nomadischer Lebensweise geboren; Kriege und exzessive Gewalt in Gemeinschaften entstehen erst dort, wo Menschen sesshaft werden und Eigentumsansprüche entwickeln. … heftig kritisiert [wurde, dass] Chatwin sich auf die umstrittenen Theorien von Theodor Strehlow stützte. Kritisiert wurde unter anderem auch, dass er nicht direkt mit Aborigines gesprochen hätte. … “ | https://de.wikipedia.org/wiki/Traumpfade_(Roman)
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“ … Strehlow stand im Zentrum einer Kontroverse mit Aborigines. Sie warfen ihm vor, entgegen ihren Sitten Gegenstände aus geheimen Zeremonien gesammelt zu haben. Besonders kritisiert wurde, dass Strehlow in seinem letzten Lebensjahr Fotos von Zeremonien an das deutsche Magazin Stern verkauft habe, und dass die Sammlung anschließend von einer Frau, nämlich Strehlows Witwe, verwaltet wurde. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Theodore_George_Henry_Strehlow

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Karin Krichmayr (16. Oktober 2023): “ … Das kulturelle Umfeld und die gesellschaftlichen Werte haben einen großen Einfluss auf Träume und darauf, wie darin Emotionen verarbeitet werden … Wir wissen, dass Träumen eine komplexe halluzinatorische Erfahrung ist, die verschiedenste Emotionen anspricht und zu einem wechselnden Grad die Realität simuliert. … Die Neurowissenschaft geht davon aus, dass dieser veränderte Bewusstseinszustand unter anderem der Emotionsregulierung und der Verarbeitung oder auch der Vorbereitung von Situationen im „echten“ Leben dient. … Neuere Theorien zur Entwicklung von „funktionalen“ Träumen besagen, dass Menschen während eines Traums gefährliche und sozial fordernde Situation quasi durchspielen, was ihnen die Anpassung an derartige Situationen im Wachzustand erleichtere – und ihnen somit einen evolutionären Vorsprung verschafft hat. … “ | Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000191309/wie-indigene-voelker-traeumen-im-vergleich-zu-westlichen-menschen
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DieZenZn (10/2023): “ … Ich träumte auch schon ganze „Filme“. Mit Schnitt, Überblendung, parallelen Handlungssträngen. Oder auch Wechsel von Schwarzweiß und Farbe. Sachen, wo ich mir im Aufwachen noch dachte Whow!!! Wenn man sich das merken könnte, wenn man diese Gschichte in der echten Welt visualisieren könnte…ein Wahnsinn! Hilft aber nix, dann war es jedesmal weg. Oder nur mehr winzige Bruchstücke davon da, die keinen Sinn mehr ergeben. …“
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der plauscher (10/2023): “ … Ich hab schon mit Lachen aus der Konserve und Selbstkommentaren zu Szenen à la „Malcolm mittendrin“ geträumt [https://de.wikipedia.org/wiki/Malcolm_mittendrin]… Untertitel fehlen noch ;) … Ich frage mich auch, inwieweit uns die Art der konsumierten Medien beeinflusst. Wir sehen im TV oft Vogelperspektiven, Zeitlupe. Oder sprechen übers Telefon. Das spiegelt sich dann auch z.B bei mir in Träumen wider. Hätte ich diese „Kameraeinstellungen“ auch, wenn ich im 18. Jahrhundert leben würde? So, in dieser Ausprägung, glaube ich nicht… „
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wiener chutney (10/2023): “ … ich hab damals von einer latein schularbeit geträumt (die buchstelle im traum gesehen) – ich war grottenschlecht in dem fach. und am nächsten tag hab ich genau diese stelle bei meiner nachhilfelehrerin in einem ihrer bücher wieder gefunden. das schuljahr war gerettet :) …“
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U.L.Suffer (10/2023): “ … Hab vor nem jahr aufgehört zu rauchen. Jetzt noch träume ich öfters eine zu rauchen. Danach bereue ich es schwer und wünschte ich hätte nicht wieder angefangen. …“
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FluffiWuffi (10/2023): “ … Viele träumen auch einfach nur nach Europa zu kommen um am Reichtum des weißen Mannes zu antizipieren. …“
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Maingano (10/2023): “ … Davon träumt der Weiße Mann dessen Reichtum auf Raub, Plünderung und Mord beruht …“
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Bellana_bsc (10/2023): “ … Vor Jahren am Gymnasium (ich glaube 5.Klasse) träumte ich in der Nacht nach der Mathe-Schularbeit die Lösung eines Beispiels, und wusste dann, dass ich dieses Beispiel richtig berechnet hatte. Es ging um so ein Zeit-Weg-Beispiel (Radfahrer fährt zu einer Uhrzeit mit durchschnittlich soundsoviel km/h von A weg, Autofahrer fährt zu einer späteren Uhrzeit mit durchschnittlich höher Geschwindigkeit von B weg. Wann und in welcher Entfernung von A/B treffen sich die beiden) Im Traum sah ich das Auto und den Radfahrer fahren, und gleichzeitig sah ich eine Uhr, und am Treffpunkt konnte ich Zeit und Wegstrcke ablesen. …“
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profeline (10/2023): “ … Von richtig gelösten Mathe-Schularbeiten konnte ich wirklich nur träumen! :-) …“
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wenn man dich (10/2023): “ … wie träumen „westliche“ menschen? wie träumt eine italienerin im vergleich zu einem finnen? wie täumt ein südburgenlander im vergleich zu einer bregenzerin? wie träumt ein texaner im vergleich zu einer berlinerin? …“
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Iwoasis (10/2023): “ … Ich träum von Italienerinnen. … ;) …“
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wilderigel (10/2023): “ … Ich erinnere mich immer nur daran, das ich wieder mal Blödsinn geträumt habe. Aber ich merke mir nie, was für ein Blödsinn das war. …“
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“ … Freud begründete die moderne Traumdeutung und zeigte in seinem Werk Die Traumdeutung Wege zur Aufdeckung des Traumsinns auf. Freud stellte eine Theorie auf, wonach Träume keine Produkte einer bloßen Verarbeitung vorheriger Tageserlebnisse seien. Ihnen wohne auch kein prophetischer Gehalt inne. Vielmehr sei der Traum eine Befriedigung eines verdrängten Triebwunsches und enthalte eine höchst intime „Botschaft“ … Zu ihr gelange der Psychoanalytiker vor allem über die freien Assoziationen, die sein Klient über jedes erfragte Symbol seines Traumes anfertigen soll. … Mit Hilfe der … Traumarbeit wie Verschiebung, Verdichtung, Verbildlichung und Symbolbildung kann der Traum leichter entschlüsselt werden. …“ | https://de.wikipedia.org/wiki/Traumdeutung (30. September 2023)

[Fellini #18… ]

„A director´s notoebook“ by Federico Fellini shot in 16mm (54 Minutes, 1969) | Fellini discusses his views of making motion pictures and his unorthodox procedures. He seeks inspiration in various out of the way places. During this film viewers go with him to the Colisseum at night, on a subway ride past Roman ruins, to the Appian Way, to a slaughterhouse, and on a visit to Marcello Mastroianni’s house. Fellini also is seen in his own office interviewing a series of unusual characters seeking work or his help.

via

[Der psychische Apparat #1… ]

Memo: Schlaf, Subjektivität, Bewusstsein, Sprache dekodieren [Wahrnehmung der ‚Module des Bewusstseins‘] (6-7.07.2016): Ich liege im Bett und höre jemanden zu – es ist spät. Müdigkeit überkommt mich. Zum ersten mal in meinem Leben kann ich klar und bewusst erinnern, miterleben und wahrnehmen, dass meine Aufmerksamkeit dabei teilweise ausfällt (oder sollte ich von ’sich wegblendet‘ reden?). Ich höre Wörter, aber ich nehme sie nicht mehr als solche wahr. Ich dekodiere sie nicht mehr, ich werde sie später nicht erinnern können, ich gleite hinweg, die Wörter und Sätze zerfallen in dieser Zeit in Lautmalerei, der Ton wird leiser, verschwindet manchmal ganz, kommt wieder zurück, fällt dann wieder zusammen. Der Vorgang des Einschlafens: in Zeitlupe bemerke ich das Auseinanderfallen der Geisteskraft. Neu war für mich, das ich diesen Vorgang bei klarem Bewusstsein beiwohnen konnte (vielleicht nur so um die 20 Sekunden, aber immerhin). Ich merkte, dass ich die Gesprochene Sprache mehr als Information in mich aufnehmen konnte. Als würden Module des psychischen Apparates langsam abgeschaltet werden – bis dann etwas später wohl ganz die Lichter der Erinnerung und der Gedankenklarheit ausgegangen sein mögen.

[Es ist immer 17:09…]

Der orange-rote Klappziffernwecker steht seit Monaten auf 17:09 – ich sehe mir die Ziffern immer wieder wie zufällig an. Ich brauchte die Steckdose des Klappziffernweckers für den Drucker, der jetzt auf dem Holzstuhl steh. Dadurch habe ich eine symbolische Zeitstillstandszone in dem Zimmer hergestellt. Es ist immer 17:09. Es klappert nachts nicht mehr. Der Drucker ist für die Flugtickets in das Zimmer eingedrungen. Diese kleine schwarze Maschine druckt etwas aus und andere Maschinen lesen mit einem Piepp-geräusch am Flugplatz, was der kleine schwarze Drucker geschrieben hat. Ich als Mensch war nur der Übermittler auf 2 Beinen, der benötigt wurde, damit die zwei Maschinen miteinander reden können. Sie haben sich über das Stück Papier verabredet, dass eine Flugmaschine mich mitnehmen soll – bis in die Höhe von 11km. Immerhin sitze ich am Fenster. Nachts sehen die Großstädte von hier oben aus wie glühende Lava.
Lieber würde ich jetzt mit G. eine Zigarette rauchen in seiner kleinen Kellerküche. Wir könnten über Elektronenröhren reden. Zum Beispiel über die EL156. Seinen alten zerfledderten Arbeitssessel hat G. kürzlich aus der Kellerwohnung verbannt – der stand dort über Jahrzehnte. Wir haben so manche Nacht auf ihm gesessen und G. hat dann gekonnt den Lötkolben geschwungen. Er wollte schon seit Jahren mal alles umbauen und wieder Platz schaffen. Jetzt hat er mit dem Sessel augenscheinlich begonnen den Gedanken in die Tat umzusetzen.
Oder ich könnte bei S. einen Becher Kaffee trinken in der Wik. Dort wo die alten Klinikgebäude im Anscharpark zerfallen. S. sagt, sie könne nichts für Später zurücklegen, obwohl sie die ganze Zeit wie wild arbeitet. Manchen Gästen würde sie gern andere Preise für das Essen abverlangen. Höhere Preise für die Kieler-Nachrichten-Leser, gleichbleibende Preise für die Leute, die sie immer schon unterstützt hätten.
Oder ich würde mit V. über Musikequipment reden. Vielleicht würden wir dann etwas später loslegen, V. würde in die Tasten hauen – und ich die Gitarrenseiten hin und her schwingen lassen. Aber V. arbeitet jetzt in Hamburg, kommt darum seit den letzten Wochen etwas später zur Probe.
Oder ich begegne T. im Treppenhaus. Wie das wohl wird. Gerade wurden „wir“ verkauft. Das alte Haus aus der Jahrhundertwende hat die Kontonummern und den Besitzer gewechselt. Unten aus dem Keller kommt etwas vermoderte Luft, diese reicht aber nur bis in den ersten Stock. Wir lächeln uns kurz an – und fragen einander wie es uns denn so geht – und ich würde T. vielleicht fragen, ob die Stadtwerke den Strom in seiner Wohnung wieder eingeschaltet hätten.
Es ist 17:09. Ich liege im Bett, habe die Augen zu. Ich schlafe. Ich träume. Es ist nicht leicht Dich (meine erste große Liebe) so zu sehen. Warum liegst du im Bett? Warum hat du dich die letzten 25 Jahre nicht verändert? – Warum sagst du denn nichts? – Ach, es war nur ein Traum. Es ist wieder morgens. Es ist 17:09. Ich trinke einen Becher Kaffee mit J. – ein Blick in die Augen, ein schneller Kuss, schon halb im Flur. Mal schnell quer über die Straße. Ein Stück weiter überblickt der Funkturm die Stadt. Als würde er uns alle ungerührt beobachten, wie ein alter bentongrauer ungelenker Mann auf einem Bein, der seit Jahren inne hält. Die Linie 41 war gerade noch zu bekommen, denn das Rasieren hat zu lange gedauert. Die zwei Halogenlampenreihen an der Linienbusdecke fluchten als Parallelen über unseren Köpfen. Diese seltsame Mischung von Anonymität und Privatheit ist ein ungeheure Quelle für den Psychogeographen. Hier tritt alles zu Tage, die eher leeren Blicke der Müdigkeit, oder wer mit wem den Augenkontakt wagt, wer sich mit Kopfhörer und Touchscreen in die cybernetische Welt der Taschentelefone zurückzieht. Wer traurig ist, wer noch fast wie betäubt sich fühlt, wer in der morgendlichen Ich-Verdünntheit mit wackeligen Gedanken auf die Reise gegangen ist.

[Zwischenspiel… ]

Preludium

Bei den Flugversuchen am 11. Juli 1934 konnte Engelbert Zaschka in Tempelhof ohne fremde Starthilfe [ ] nur Schwebeflüge von 20 Meter Länge erreichen. Das Flugzeug war zu schwer. … Versuche die Konstruktion von Zaschka mit modernen Materialien nachzubauen, sind bislang nicht bekannt.
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Zaschka_Muskelkraft-Flugzeug (21. März 2011)

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Interludium

Zeitgleich träumt eine unbekannte Frau am 11. Juli 1934 um 2:23 an Bord eines unbekannten Schiffes, etwas aus dem Leben einer Garderobendame. Begeben wir uns nun in die Anfangsphase des Traumgeschehens.

Der alte schwere rote Vorhang ist noch verschlossen – doch hinter den Kulissen ist schon etwas zu hören: „Meine Damen und Herren! – Vielleicht gibt es etwas wie den Zusammenbruch einer Situation. Jede Situation kann ihr Gleichgewicht verlieren. Dann kippt die Situation…“ Auf den hinteren Plätzen der Tribüne ruft jemand „Was soll den das für eine Vorstellung sein!“. Vereinzeltes Gelächter. Sacht wird der Vorhang beiseite geschoben.

Nun betritt leicht ergraut ein Mann die vereinsamte Bühne. Mit übergroßen Clownsschuhen ruft er den feixenden entgegen: „Wie sollte es auch möglich sein sofort zum Zentrum der Dinge zu stoßen, nein ich muss eher der Wildkatze gleich auf einem alten knorrigen Baum darauf warten, das sich eine Situation ergibt, in der es möglich wird, sich auf eine Sache, die es wert ist (der Sprecher macht eine tiefe Atempause um die Bedeutung zu steigern, um dann die volle Wucht in die nun folgenden Worte zu legen) mit Lebenslust zu stürzen!“ Ein energischer Zwischenruf aus der zweiten Reihe direkt vor dem Podium: „Manchmal möchten die Gedanken nicht wie der Denker will…“ Dabei geht ein Raunen durch die Zuschauerbänke. „Nein“ schnauft der Mann mit den Clownsschuhen „…dann hat sich der Denker eben über seinen Kopf getäuscht!“ – Nun wendet sich ein Zarah Leander Double auf der Tribüne direkt an das Publikum: „Dein Kopf ist mir egal – der denkt doch was er will – mich aber zieht und zerrt es – ich gehe in die Stadt. Dort kann ich mich im Gedränge verlieren. Selbst die Schaufensterpuppen sehen mich an – und ihre unnachgiebigen Blicke erhöhen meine Temperatur!“ Eine kurze allgemeine Erheiterung ergreift ein paar vereinzelte aus Verzweiflung. „Was soll denn das?“ Fragt eine Frau den Mann neben sich. Der angesprochene starrt ins Nirgendwo. Zarah verneigt sich.

Eine Mutter wippt ein schlafendes Kind auf ihrem Schoß: „Wenn du groß bist, habe ich fast alles wieder vergessen – ich meine – wie es gerade jetzt genau ist, das ich weinen könnte vor Glück“. Ein 6-kahlköpfiger Männerchor schlürft in offensichtlich verdreckter Unterwäsche von der Seite her auf die Holzbretter und schmettert mit einem tönenden Sprechgesang los: „Wenn wir zu lange (kurze Pause) – lange Laster über die Landstraße fahren, und den Kaffee literweise trinken, Holz hacken, Schrauben drehn, Rasen mähen – riechen wir unerträäääglich! – Nach Muff! – Nach alter Zeit! – Nach Verzweiflung und nach Schwah-ha-heiß!“ – Ein Kritiker in der dritten Reihe kritzelt auf seinen Notizblock parallel Stakkato: „Das ist erbärmlich, Was-Für-Ein-Scha-Ha-heiß!“.

Oben im Büro zählt mit Nickelbrille der Künstlerische Leiter hektisch die schwindenden Einnahmen. Die Kleiderdame vom Empfang ist schnell mal heimlich eine rauchen gegangen. Sie steht an eine Mauer gelehnt. Sie sieht die neue hübsche Putzfrau, die ein Fenster vom Damen WC von innen trocken wischt. Die Kleiderdame denkt mit der Zigarette in der Linken: Wie haben mich die letzten Jahre doch geprägt – ich fühl‘ mich so verändert. Ich fühle alles so zerklüftet. Ich komme nicht mehr hinterher – wenn etwas passiert, will ich es kaum noch deuten. Aber in der Nacht rast es dann durch meinen Kopf – und ich werde wütend wenn es plötzlich wieder hell wird und ich immer noch über die Dinge nachdenken muss – ohne das ich es überhaupt will.

Der Bühnenkritiker hat es drinnen im Theater auch auch nicht mehr ausgehalten. Hat sich heran geschlichen an die Kleiderdame vom Empfang und fragt recht nebensächlich:

„Darf ich ihre Gedanken lesen Fräulein? – Entschuldigen Sie – aber ihre Melancholie rührt meinen inneren Parzival.“ Bei dem Wort Parzival zieht er etwas larmoyant die Augenbrauen hoch. Etwas schelmisch lächelt er – tritt fast tastend noch einen nächsten Schritt heran.

Sie: „Geben Sie’s zu – Sie wollen doch nur mit mir ins Bett.“

Er: „Nein, da haben Sie mich falsch verstanden.“

Sie: „Wenn Männer von Melancholie reden dann…“

Er: „Bitte reden Sie nicht weiter, erhalten Sie doch bitte meine Illusionen.“

Sie: „Pardon, aber mir geht es gut.“

Er: „Ich wollte nur, das Sie kurz mal so tun, als ob sie traurig wären – nur so nebenbei für mich.“

Sie: „Wollen Sie mich erniedrigen – oder lieber liebestrunken in höchste Himmel erheben? – Bis ich mich schließlich jeweils aus Verzweiflung – oder vor lauter langer Weile aus dem Fenster stürze?“

Er: „Moment, so schnell bin ich nicht. Ich überlege noch…“

Sie: „Dann ist es zu spät, die Vorstellung ist gleich zu ende und ich wollte mit dem Rauchen aufhören.“

Er: „Ich würde gern, das sie dieses Gespräch gänzlich vergessen – es stand unter keinem guten Stern.“

Sie: „Das kann ich nicht.“

Er: „Sie haben recht, ich auch nicht.“

Sie: „Aber ich werde mit niemanden darüber reden.“

Er: „Wissen Sie, was Sie da eben gesagt haben, das fühlt sich für mich an als hätten Sie mein Leben gerettet“

Sie: (lacht)

Er: „Verzeihen sie, ich bin lächerlich, aber ich habe dennoch meinen Stolz.“

Sie: „Na gut, kommen Sie, küssen sie mich…“

Er: „Seltsam, das ich Sie erst recht nicht vergessen könnte, wenn wir uns jetzt nicht küssen würden.“

Sie: „Jetzt habe ich Sie ertappt. Sie sind ein elender Gedankenverdreher und Gefühlsverbieger. Sie machen mich künstlich frieren – und das macht mich so melancholisch.“

Er: „Unglaublich. Ich danke Ihnen. Sie haben alle meine kühnsten Hoffnungen übertroffen.“

Sie: „Ich glaube ihnen kein Wort.“

[Eisfelsen (Traumlog)… ]


[Foto der Annie Johnson (Datum Unbekannt)] (Bildquelle/Fundort)

Ein Rest Olivenöl verqualmt auf der kleinen E-Herdplatte unter der Espressokanne. Ein paar Traumbrocken aus der Nacht sind noch in der Erinnerung erhalten.

Ich hatte bis 1:47 Uhr in [Brecht & Co, Kapitel 31 (1941)] gelesen. Ich musste mich fast zwingen das Buch zu lesen. Das Buch machte mich gedanklich unwillig und seltsam umtriebig. Das Buch hat ein paar kleine Wasserschäden – die Wasserschäden wiederum machten es im Buchladen erst sympathisch. Letztendlich waren es wohl die Wasserschäden, die mich zur Mitnahme des Buches angetrieben haben.
Das Buch konnte – trotz einer Hochachtung – mein fast frostiges Verhältnis gegenüber Brecht nicht zum tauen bringen – es wurde eher noch etwas frostiger.

Am 30. Mai besuchte Brecht seine Co-Autorin Margarete Steffin zum letzten mal im Krankenhaus und brachte ihr ein Kopfkissen und einen kleinen Elefanten mit. Am 4. Juni 1941 erliegt sie nach einem Glas Sekt um 20:55 der Tuberkulose – während das Schiff Annie Johnson mit dem flüchtenden Berthold Brecht den Pazifik überquerte schrieb Stalin in roter Tinte an den Rand eines geheimdienstlichen Berichtes: „Diese Information ist eine britische Provokation. Finden Sie heraus, wer für diese Provokation verantwortlich ist, und bestrafen sie ihn.“ Major Archmedow, der als Untersuchungsoffizier eilends nach Berlin beordert war, konnte nur feststellen, das der Bericht völlig den Tatsachen entsprach.
Die Passagiere der Annie Johnson hatten sich kaum an das Leben an Bord gewöhnt, als beim Funkoffizier die Nachricht eintraf, dass das Unternehmen Barbarossa in der Nacht zum 22. Juni angelaufen war.

Trotz all dem Wahn, den perfiden Mordorgien und der Wirren eines Weltkrieges, konnte ich die Augen nicht mehr offen halten. Ich Knipste die kleine weiße Stehlampe aus und legte das Buch zur Seite.
Etwas später musste ich wohl eingeschlafen sein – zudem fand ich mich unversehens auf einer nördlich gelegenen vielleicht skandinavischen Insel wieder. Vor mir stand eine junge Frau, die den häufigste Buchstabe in deutschen Texten als Anfangsbuchstaben in ihrem Vornamen hat – sie war zart, strahlte mich an und hatte trotz der Nacht einen schimmernden Glanz im Haar – wir umarmten uns für kurze Zeit, sie sagte, sie könne nicht lange bleiben – ich vermutete, dass ich sie wohl nicht wiedersehen würde. In diesem Traum sollte ich – trotz einer intensiven Suche – mit der Einschätzung recht behalten.
Ich warf mich dann in eiskaltes Meerwasser – dort schwamm auch der Oberbürgermeister Herr A. aus Kiel und erzählte mir, das er sich manchmal auf Eisfelsen (die dort im Meerwasser schwammen) lege und einschliefe – wenn er dann irgendwann erwachte, sei er zuweilen umgeben – ja geradezu eingewachsen im Eis – und es sei dann oft gar nicht so einfach für ihn sich wieder aus dem Eis zu befreien. Ich sah das Geschilderte – sah wie er fast nackt tief im Eisblock eingefrohren war – wunderte mich, das es möglich sei dies zu überleben. Dachte dann: ich würde wohl sterben wenn ich erst einmal eingeschlafen und festgefroren wäre.

[Hallucination & Mental Landscape… ]

[…] „Many people believe that reality is one thing and your thoughts are something else. Reality is on the outside; the mental landscape created by your thoughts is inside your head, within your mind. (Assuming that you’re sane.)

Yet we each hallucinate every day, when we fall asleep and dream. And when you hallucinate, your own mind redefines reality for you; „real“ reality, outside reality, disappears. No computer will be able to think like a man unless it can hallucinate. …“

DREAM-LOGIC, THE INTERNET AND ARTIFICIAL THOUGHT
By David Gelernter (2010)
=> http://www.edge.org/3rd_culture/gelernter10.1/gelernter10.1_index.html

[Heute ist mein glücklichster Tag… ]

[TRAUM.LOG::20091109 5:34]

Ein Stück weit neben mir steht ein Mittvierziger Bräutigam mit blassen Gesichtszügen. Er ist ganz in weiß gekleidet. Er hat eine große viereckige Brille auf. Er hebt das Sektglas: „Heute ist mein glücklichster Tag“ – in der anderen Hand hält er ein scharfes Küchenmesser mit schwarzem Griff und führt es langsam zu seinem Hals. „Ich möchte das dies mein glücklichster Tag bleibt – bevor ich durch die Tür dort gehen muss“ – er deutet auf die Kajütentür die auf das Deck führt.
Wir sind auf hoher See im Unterdeck einer kleinen Jacht. Es gibt nur eine handvoll Leute auf dieser Hochzeitsfeier. Keiner scheint willens etwas zu unternehmen. Hinter mir, an die Schiffswand gelehnt, steht das einzige mir bekanntes Gesicht und nimmt verächtlich die Würg – und Gurgelgeräusche des kurz vor dem Suizid befindlichen Bräutigams vorweg. Ich finde das Grunzen zwar ein wenig unangebracht – aber auch lustig – und äußere mich nicht weiter dazu. Stehe nur rum mit einem Sektglas in der Hand.

[Zwischen den Dingen… ]

Zu viele Träume in einer fast schlaflosen Nacht, als das ich mir etwas hätte merken können. Die Bilder und Situationen tauchten so schnell wieder unter als wie sie gekommen sind. Kein Taste zum Zugrückspulen. Im Kopf ein wirrer Nachgeschmack (uferlose mentale Speisen) und das Ich ist nicht Herr im eigenen Haus. Nein verdammt, das Ich hat gar kein Haus (nur Mietverträge). Und die Affekte spielen ihre Spielchen mitten in unserer Kopfsuppe.
Kurz vor dem Morgengrau frage ich mich, ob ich als Kind womöglich in der Zeit schnell war – und die Welt langsam. Jetzt keimt der Verdacht, das das Verhältnis sich mit der Zeit umkehrt. Die Welt wird schnell und das Ich wird langsam. Da ist taumelnd keine Zeit mehr für einen Becher Kaffee – und die Dusche ist ein Garant der Zivilisation.
Es ist kalt geworden. Der Himmel blau. Auf dem Klapperrad schwitze ich unter dem Pullover und sehe die aufgehende Sonne kaum. Dann läuft die Rotze während der Fahrt und landet (durch eine kurze reflexartige Bewegung) an den alten schwarzen Handschuhen (von denen ich nicht mehr weiß woher – und seit wann ich sie habe).

[The House of Dr. Edwardes… ]

Full Salvador Dalí-designed dream sequence
in Spellbound (1945, dir. Alfred Hitchcock)

via http://oldhollywood.tumblr.com/

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[…] Er wurde 1945 von Alfred Hitchcock nach dem Roman The House Of Dr. Edwardes von Francis Beeding (Pseudonym von Hilary Aidan St. George Saunders und John Leslie Palmer) gedreht. […] Der auf John Ballantine und Dr. Petersen fallende „Schnee“ während der Ski-Szene bestand aus Cornflakes …
=> http://de.wikipedia.org/wiki/Ich_k%C3%A4mpfe_um_dich

[Traum als Katalysator… (André Breton)]

[…] Der Gedanke an alle menschliche Aktivität macht mich lachen.
Dialog 1: André Breton in seiner Wohnung, zappt am Radio, schnappt folgende Worte auf:
Radiostimme: …. im Studio den amerikanischen Surrealismusexperten Hal Foster.
Foster (mit stark amerikanischem Akzent): Hello.
R: Herr Foster, können Sie uns ihre Hauptthesen erläutern?
F: Mein main interest galt der dunklen Seite der surrealistischen Bewegung um Andre Breton in den 20er Jahren.
André Breton (murmelnd): Was ist denn das für … (dreht lauter)
R: Können Sie das genauer erklären?
F: You see, die story beginnt 1916, im ersten world war. Breton war eine Assistent an der neuropsychiatrischen Klinik in Saint-Dizier. Er behandelte einen Soldaten, der fest daran glaubte, der Krieg sei ein Fake, eine Täuschung. Er bildete sich ein, daß die Wunden make-up seien, und die Leichen aus der Pathologie geliehen.
André Breton: Woher weiß er …
F: Das hat den jungen Breton schwer beeindruckt: da war ein Mensch, der durch einen Schock in eine andere Realität hineinkatapultiert wurde. Und diese Realität war somehow eine Kritik der Wirklichkeit. Sie brachte die Absurdität des Krieges auf den Punkt.
R: (betroffen): Ja, unglaublich. […]

Aus: „Als die Surrealisten noch recht hatten.
Gespräche mit André Breton“ (Autor?, Datum ?, Hypertext-Radio)
Quelle: kubiss.de/kultur/info/freieszene/ht-radio/sur-manu.htm

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“ … Traum als Katalysator zur Vereinigung zweier Welten, einer inneren und einer äußeren. Auch die Romantiker hatten den Traum schon zu ihrem Thema gemacht, jedoch unter anderen Vorzeichen. Der Surrealismus sieht den Traum mit dem Lustprinzip verbunden als Möglichkeit zur Wunscherfüllung. Im Unterschied zur wissenschaftlichen Anwendung richten die Surrealisten ihr Traumprogramm auf ein poetisches Ziel: dabei geht es nicht um die Erhellung des Bewußten durch das Unbewußte, sondern um den ausdrücklichen Vorrang des Unbewußten. …“

Aus: „André Breton : Manifest des Surrealismus (1924)“
Quelle: schlingensief.com/downloads/manifest.pdf

[Eine Sonnenbrille bei Nacht… ]

Traum #1 – Da ist eine graue tote eingefallene Spinne – vorsichtig halte ich sie zwischen meinem Zeigefinger und Daumen. Ich wollte sie gerade fallen lassen, da platz die Spinne plötzlich und viele kleinen schwarz-rote Spinnen krabbeln auf meiner Hand. Ekel ergreift mich. Ich versuche sie abzuschütteln. Es will nicht gelingen.

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Traum #2 – Ich schlendere nachts eine Straße entlang. Plötzlich sehe ich einem alten Freund, der mit einer dunklen Sonnenbrille ebenfalls auf dem Weg ist. Er verhält sich so, als ob er mich nicht sehen würde. Ich grüße ihn dennoch. Er teilt mir mit, dass er seinen elektrischen Fender Bass zurückkaufen möchte – für 50 DM. Zufällig habe ich genau 50 DM in meiner Hosentasche. Ich überlege, ob ich ihm glauben kann und ihm das Geld geben sollte – oder ob die Geschichte nur ein Vorwand ist.

[Zum symbolischen Dachschaden… ]

In der tiefen Nacht gibt es Aufruhr – als neuro-archaischen Echo in meinem Gehirn:

1.) Es gibt viel zu tun – Ich arbeite auf einer Dachterrasse eines ca. 6 stöckigen Hauses. Das oberste Geschoss ist im Zerfall begriffen.
[Traum.Diagnose => Symbolische Visualisierung des persönlichen /oder kollektiven Dachschadens].

2.) Ich schwimme im tiefblauen Meerwasser. Am Himmel strahlt die Sonne. Plötzlich kommt unerwartet eine riesenhafte Flutwelle auf mich zu. Schräg unter mir sehe ich einen grossen Wal. Er sieht aber nicht aus wie eine richtiger Wal, sondern ähnelt einem im Computer gebastelter 3D-Wal. Das Wasser der Flutwelle ist klar und hellblau. Mir geht gerade noch – „Die wird mich unter sich begraben“ – durch den Kopf, bevor ich mich schlaftrunkend wie auch seelisch derangiert auf der Matratze wiederfinde.

[U-Boote, Kaffee und grünbraunes Licht… ]

[Traumlogbuch: Mi20070501]:
Ich sitze in einer schäbigen Kantine, blicke durch die verschmierten Fenster auf den Hafen und trinke noch einen Becher schwarzen Kaffee.
Es liegen mehrere U-Boote kleinerer Bauform im Hafen. Die Technik und das äußere Erscheinungsbild der U-Boote erinnerte an die 30iger Jahre. Es herrscht Krieg – und ich wurde gegen meinen Willen einem U-boot zugeteilt. Mir steht bevor unwillig in ein U-Boot zu steigen. Zudem herrscht düsteres grünbraunes Licht.

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Die zentrale Vorstellung der Tiefenpsychologie ist, dass „unter der Oberfläche“ des Bewusstseins in den Tiefenschichten der Psyche weitere, unbewusste Prozesse ablaufen und eine erhebliche Wirkung auf das bewusste Seelenleben entfalten. Diese Vorstellung hat bereits Vorläufer, z.B. in der Philosophie (Schopenhauer, Nietzsche) oder in der Literatur der Romantik. Freud war der erste, der diese Annahme mit wissenschaftlichen Methoden untersuchte und aus seinen Entdeckungen weitreichende Schlüsse für die Funktionsweise des menschlichen Seelenlebens zog.

[…] Zwar gründet sich die Tiefenpsychologie und die Psychoanalyse ebenfalls auf empirische Methoden, allerdings werden diese bezweifelt, da sie nur schwer oder über Umwege nachvollziehbar d.h. verifizierbar sind. Des Weiteren bedient sich die Tiefenpsychologie auch anderer wissenschaftlicher Methoden, die den Geisteswissenschaften zuzuordnen sind, vor allem der Hermeneutik, des Konstruktivismus, der Systemtheorie (Psyche als System) sowie der Phänomenologie.

de.wikipedia.org/wiki/Tiefenpsychologie

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[…] Die Hermeneutik (von griechisch ἑ�?μηνε�?ειν – hermeneuein: erklären, deuten, interpretieren) ist die Lehre vom interpretativen Verstehen, auch vom Deuten oder Auslegen. In der Antike und im Mittelalter des Christentums diente die Hermeneutik als Wissenschaft und Kunst der Auslegung (Exegese) grundlegender Texte. In der Neuzeit entwickelte sie sich zur Lehre der Interpretation und zu einer Philosophie des „Verstehens“.

de.wikipedia.org/wiki/Hermeneutik

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[…] Unbewusste Gedanken laufen Tag und Nacht ab. Tagsüber werden sie durch den zensierenden Intellekt und andere seelische Leistungen in bewusste Gedanken geformt. Nachts werden mit Hilfe der zensierenden Traumarbeit diese unbewussten, ständig ablaufenden Gedanken in einen Trauminhalt transformiert. Die Traumarbeit zwischen unbewussten Gedanken und Trauminhalt ist eine eigenständige, aktive Kraft, ein Umformer, der immer die Zensur als Gegenspieler hat. Der Umformer versucht, mit verschiedenen Tricks die Aufmerksamkeit der Zensur zu umgehen. Zu den Eigentümlichkeiten des Umformens gehören die Verschiebung, das Übereinanderlegen mehrerer Personen in einer Traumperson, die Verdichtung mehrerer Situationen in eine Traumsituation, die Umkehrung von Wichtigkeiten und die Rücksicht auf Darstellbarkeit, das heißt einzelne Sequenzen müssen als Bilder erkennbar sein, wenngleich der Gesamtinhalt oftmals zunächst als wirr erscheint (S.295/296). Der Umformer verschlüsselt sexuelle Wünsche, um sie den Augen der Zensur zu entziehen (die auch nachts nicht schläft), aber Freud kann seine geheimen Botschaften lesen.
Diese Ausführungen steigern die Verwirrung. Konnte der Leser bisher annehmen, es sei die Zensur, die die Traumarbeit leistet, wird nun recht unvermittelt der „Umformer“ eingeführt. In wessen Auftrag arbeitet der Umformer? Wen versucht die Zensur zu umgehen oder auszutricksen? Das Gewissen, das Bewusstsein, das Ich-Ideal, den autoritären Staat, die Prüderie des Bürgertums, den Puritanismus? Davon abgesehen: Wie geht die Traumzensur mit bewussten sexuellen Wünschen um? Ja, ich will masturbieren! Nein, ich schäme mich deswegen nicht! Welchen Sinn hätte es, bewusste Taggedanken in unbewusste Traumgedanken umzuwandeln und von der Zensur in einem manifesten Traum zu verschlüsseln? Vor allem aber: Warum muss die Zensur (bzw. jetzt neuerdings der Umformer) überhaupt Traumarbeit leisten? Warum arbeitet die Zensur nicht mit völliger Amnesie? Warum dieser Aufwand, wenn das völlige Auslöschen einfacher wäre?

Aus: „Freuds „Traumdeutung“ von 1900 – wieder gelesen, zusammengefasst und kritisiert 100 Jahre später“ von Gerald Mackenthun (Berlin; 2000)
Quelle: ppfi.de/buchbesp/freud00.htm