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[Die Schule des Sehens... ]

Started by Textaris(txt*bot), February 13, 2019, 03:08:41 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] "Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar." Dieser fundamentale Ausspruch von Paul Klee gilt grundsätzlich für die Rezeption aller Malerei und bildenden Kunst. Was macht sie aber sichtbar? ...


Aus: "Stefan Proust: "Denn er entspringt der Einsicht, daß es ohne Kunst kein lebenswertes Leben gibt." (Hildesheimer)
Rezension aus Deutschland vom 23. August 2017 zu: "Schule des Sehens: Kunstbetrachtungen Gebundene Ausgabe – 1. Januar 1997 von Wolfgang Hildesheimer (Autor)"

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Quote[...] Moderne Kunst ist in ihrer Komplexität für den Betrachter bisweilen einschüchternd und unbegreiflich. Manches Werk der Alten Meister scheint ohne detaillierte Kenntnisse der griechischen und römischen Mythologie oder der christlichen Theologie, damals so lebendig in den Köpfen der Künstler und der Betrachter, unbedeutend. Denn das Geheimnis für das Verständnis von Meisterwerken der Kunstgeschichte liegt oft in einem reichen System von Symbolen, Themen und Motiven, die dem heutigen Betrachter häufig versperrt bleiben.

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Klappentext zu: "Schule des Sehens: Bilder von Giotto bis Warhol" (2019)
Englisch Ausgabe von Patrick de Rynck und Jon Thompson

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Quote[...] Die Krise des Films ist in erster Linie eine der Aufmerksamkeit. Dass fahrig zusammengeschnittene Clips gleichermaßen boomen wie tagelange Serien, ist kein Widerspruch.

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Aus: "Der Sinn des Sehens" Wolfgang M. Schmitt (Ausgabe 06/2019)
Quelle:  https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/der-sinn-des-sehens


Textaris(txt*bot)

#1
Quote[...] Um in eine narrative Welt eintauchen zu können, richten wir unseren Aufmerksamkeitsfokus auf die dargestellten Ereignisse, während wir weitgehend  ignorieren, was um uns herum vorgeht.

Wofür genau benötigt nun der Prozess, in eine narrative Welt einzutauchen, aktive Aufmerksamkeitsressourcen?

Transportation ist ein komplexer mentaler Vorgang, der  über das einfache Aufnehmen externer Informationen  hinausgeht. Busselle und Bilandzic verbinden das Phänomen der Transportation mit dem Verstehensprozess von Geschichten und postulieren, dass Transportation dann auftritt, wenn die Rezipienten absorbiert sind in die aktive Konstruktion eines mentalen Modells der Narration, das heißt sich stark darauf konzentrieren, die Geschichte zu verstehen (vgl. Busselle/Bilandzic 2008). Dabei wird subjektiv umso stärker Transportation erlebt, je reibungsloser diese Modellkonstruktion  erfolgt. ...

Es scheint so, dass je mehr man als Zuschauer in die narrative Welt eines Films hineinversetzt ist – und das ist sicherlich eine der Hauptursachen dafür, sich beim  Filmsehen  gut  unterhalten  zu fühlen (vgl. Greenet al.2004; Vordereret al.2004)–, desto mehr kognitive Anstrengung muss man als Zuschauer in den Rezeptionsprozess investieren. Das erstrebenswerte Gefühl der Transportation ist keine passive Erfahrung, die dem  Zuschauereinfach  passiert, sondern  ein  aktiver  Prozess, der stark von kognitiven Ressourcen  und  Anstrengungen abhängt. ...


Aus: "Aufmerksamkeit und Filmerleben" Bärbel Garsoffky, Manuela Glaser & Stephan Schwan, Tübingen" (2012)
Quelle: http://www.rabbiteye.de/2012/4/garsoffky_glaser_schwan_aufmerksamkeit.pdf


Textaris(txt*bot)

Das Kino als Agent des Eskapismus?

Quote[...] Die dämonische Genialität des "Dr. Mabuse", das symphonische Grauen von "Nosferatu", die alptraumhafte Atmosphäre im "Cabinet des Dr. Caligari", der parasitäre Wahnsinn des Kindermörders in "M" und die übermächtige Sterilität der Maschinenwelt in "Metropolis" - dies sind die heute wohl populärsten Beispiele für die überragende Produktivität des frühen deutschen Kinos, das zur damaligen Zeit auf internationalem Parkett noch unmittelbar hinter der amerikanischen "Traumfabrik" rangierte.

"Mabuse" & Co. haben inzwischen Kultstatus erlangt und somit über die Jahrzehnte kaum an Faszinationspotential eingebüßt. Wie aber ist es zu erklären, dass die deutsche Leinwand in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen vornehmlich von Wahnsinnigen, Monstern und Maschinen, von Hypnotiseuren, Manipulatoren und scheinbar allmächtigen Über-Menschen bevölkert wurde? Wie kommen diese Phänomene zur Darstellung, wie wurden sie vermarktet und rezipiert, und was lässt sich anhand dieser "Verarbeitungsmuster" über die Gesellschaft aussagen, die sie generierte?

All das sind Fragen, die Wolfgang Kabatek in seiner Dissertationsschrift in den Blick nimmt. Jedoch trennt der Autor nachdrücklich zwischen explizit als "künstlerisch" etikettierten Produktionen und solchen, die vornehmlich zur Unterhaltung eines Massenpublikums konzipiert waren. Fokussiert werden dabei auch und vor allem Reise-, Forschungs-, Expeditions- und Abenteuerfilme, die das Publikum in exotische (Phantasie-)welten entführen und die in der bisherigen Forschungslandschaft eine eher marginale Position innehatten.

Das Medium Film definiert Kabatek als "Bewegungsschrift", in die sich Konflikte, Ängste, Sehnsüchte und Wünsche der Menschen in der modernen Gesellschaft als "'Lichtspur' und Sehnsuchtsbild einschreiben" - kinematografische Praxis als Zeitenspiegel also. Im Unterschied zu den beiden wohl prominentesten Abhandlungen zur Weimarer Filmgeschichte, nämlich Siegfried Kracauers "Von Caligari zu Hitler. Eine psychologische Geschichte des deutschen Films" (1947) und Lotte H. Eisners "Die dämonische Leinwand" (1952), möchte der Autor jedoch eine "teleologische Argumentation ex post", also aus der "zeitgeschichtlichen Perspektive der Ereignisse von 1933-1945" heraus, vermeiden. Anstelle einer Entlarvung der vermeintlich homogenen "Mentalität der Zeit" als konsequentem Wegbereiter der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft geht es ihm darum, anhand beispielhafter Filmanalysen sowie mannigfaltigen Archivmaterials wie Zensurkarten, Drehbüchern, Rezensionen und Werbematerialien, "den annähernd versunkenen Kontinent des Weimarer Kinos" gleichsam "medienarchäologisch" zu rekonstruieren, um darauf basierend schließlich "indirekte" Aussagen über die Gesellschaft treffen zu können.

Der Fokus dieser Rekonstruktion richtet sich auf die "Imagerie", d. h. "die Herstellung, Zirkulation und Akkumulation von Bildern" des Anderen, wobei dieses Andere in Kabateks Definition als synonym zum Fremden gebraucht wird und sowohl die Thematisierung und Darstellung topografisch entlegener Welten als auch "das Andere der Vernunft", wie es etwa in den hier eingangs genannten Filmen zutage tritt, umfasst. In der Ambivalenz von Verführung und Abschreckung zwischen amor alieni und horror alieni bzw. zwischen fascinans und tremendum changierend, erscheint die im Kino zu beobachtende, gleichsam eskapistische Konzentration auf das Andere/Fremde bei Kabatek als geradezu symptomatisch für die Zeit der Weimarer Republik, die sich durch die "fortwährende Auflösung vorgeblich verbürgter Gewissheit" und daraus resultierender Unentschiedenheit charakterisiert. Die "Imaginationsmaschinerie des Kinos" fungiert nach Kabatek dabei als "Mythendistribuent par excellence" und das so populäre Thema des Anderen/Fremden als "kontinuierliche Folie in der Suche nach dem Selbstbild - und damit nicht zuletzt nach nationaler Identität".

So weit der vielversprechende Ansatz einer Untersuchung, die den Leser indes etwas ratlos zurücklässt. Während eine eingangs zu erwartende präzise Formulierung der Arbeitshypothesen sowie der zugrunde liegenden Fragestellung fehlt, erfährt man im Zuge der acht relativ unzusammenhängenden Kapitel zwar durchaus einiges über die "vielfältigen diskursiven und ästhetischen Bezüge" der bildgewordenen Fremdheitsmuster. Diese Bezüge konkretisieren sich zunächst durch mentalitätsgeschichtliche Überlegungen, durch die Darstellung unterschiedlicher Authentisierungsstrategien sowie durch eine Untersuchung der "Stellung der Kinematographie" in der Weimarer Republik. Im Anschluss daran betrachtet der Autor die Beziehungen und Wechselwirkungen von "Massen- und Elitekultur", analysiert anhand eines Filmbeispiels den damals besonders beliebten Imaginationsraum Indien und versucht sich an der Generierung einer "visuellen Anthropologie", bevor er seine Ausführungen mit einer Skizzierung der Filmtheorie Béla Balázs' sowie einer Veranschaulichung des besonderen Reizes der Insel als Lieferant von "Gegen-, Sehnsuchts- und Fluchtbildern" abschließt.

Wenn in Bezug auf diese Vorgehensweise hier jedoch von einem "Streifzug" die Rede ist, so ist diese Vokabel durchaus wörtlich zu verstehen. Denn was einerseits die Stärke von Kabateks Arbeit ausmacht, markiert zugleich auch ihre größte Schwäche - zumindest wenn man von der (für eine wissenschaftliche Abhandlung unangemessen) hohen Zahl an Rechtschreib- und Zeichensetzungsfehlern sowie von den teils allzu verqueren und antiquierten Formulierungen absieht. So wirkt die Vielzahl unterschiedlicher Ansätze und Diskurse zwar grundsätzlich interessant, konterkariert aber gleichzeitig eine kontinuierliche Argumentationsführung. Zu viele Ideen werden aufgegriffen, um sie allesamt konsequent zu Ende denken zu können, zu viele Autoritäten allzu unvermittelt angeführt, als dass sie sich in einen homogenen Rahmen fassen ließen. Dabei bewegt sich der Autor streckenweise gleich einem Irrfahrer, von dem man den Eindruck gewinnt, als wüsste er nicht so recht, wo er sich gerade befindet, weshalb er immer wieder neue Wege einschlägt oder die Verfolgung anderer, bereits beschrittener Pfade mehr oder weniger willkürlich erneut aufzunehmen scheint. Wo der Leser so auf einheitsstiftende Resümees hofft, erwartet ihn Nebensächliches, wo er Antworten sucht, eröffnen sich neue Fragen.

Auch was die versprochenen Filmanalysen angeht, fällt die Praxis letztlich eher enttäuschend aus. Zwar wird Kabatek nicht nur seinem interdisziplinären, sondern ebenso einem intermedialen Anspruch gerecht, indem er neben den Filmszenen auch Werbeplakate und Textbelege in die Untersuchung mit einbezieht. Dabei bleibt der Korpus der in den Blick genommenen Materialien allerdings recht begrenzt, was einerseits sicherlich der lückenhaften Überlieferungssituation zu schulden ist. Andererseits erscheint jedoch nicht ganz nachvollziehbar, weshalb der Autor eine Analyse des Kinos der Zwischenkriegszeit ankündigt und diese dann mit Robert Wienes "Cabinet des Dr. Caligari" (1919/20) sowie Fritz Langs "Die Spinnen" (1919/20) und "Das indische Grabmal" (1921) in der Hauptsache auf drei Filmbeispiele aus einem sehr frühen und vergleichsweise engen Zeitraum beschränkt.

Weniger - im Sinne eines von vorneherein konziser gefassten Gegenstandsrahmens - wäre hier also sicherlich mehr gewesen, auch wenn das "Mehr" respektive das "Zu viel" an Information dennoch nicht zwangsläufig negativ zu bewerten ist. Denn ebenso wie Kabateks zentrale These die zu sein scheint, dass sich im Falle der Weimarer Gesellschaft Identität daraus gewinnen ließ, dass man das zur Darstellung brachte, was einem selbst fremd bzw. was in irgendeiner Form exotisch und damit anders war als man selbst, - kurz: daraus, "wie der Bildproduzent sich nicht sieht" -, so wird auch der eigentliche Wert der Kabatek'schen Untersuchung erst dadurch erkennbar, dass man sich bewusst macht, was die Dissertation nicht ist, was sie nicht leistet und was sie nicht aussagt. Wohl erst mit Rückgriff auf diese "negative Folie" lässt sich die Absenz eines definitiven analytischen Erkenntnisgewinns verschmerzen und diese "kleine Medien- und Kulturgeschichte des Anderen im Weimarer Kino" als Inspirationsquelle und Nährboden für weiter- und vor allem tiefergehende medienhistorische und kulturwissenschaftliche Untersuchungen wertschätzen.

Zu: Wolfgang Kabatek: Imagerie des Anderen im Weimarer Kino.
Transcript Verlag, Bielefeld 2003. 221 Seiten, ISBN-10: 3899421167


Aus: "Wir sind, was wir nicht sind: Wolfgang Kabateks Streifzug durch die "andere" Welt des Weimarer Kinos"
Archiv / Frühere Ausgaben / Nr. 5, Mai 2006 / Kunst- und Medienwissenschaft | Eva-Christina Glaser (2006)
Quelle: https://literaturkritik.de/id/9445

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Claus-Jürgen Göpfert: Herr Hoffmann, heute laden sich die Leute Kinofilme aus dem Internet herunter oder legen sich eine DVD ein. Wozu brauchen wir noch ein Kommunales Kino?

Hilmar Hoffmann: Warum geht man überhaupt noch ins Kino? Weil dort eine gesellige Atmosphäre, ein ganz besonderes, auch emotionales Erlebnis vermittelt wird. Gemeinsam auf einer großen Leinwand einen Film sehen und dann darüber reden: Das ist am Bildschirm nicht zu ersetzen. Die Leute gehen immer noch gerne ins Kino. ...

Claus-Jürgen Göpfert: Die Gründung des ersten Kommunalen Kinos 1971 in Frankfurt stand auch in Zusammenhang mit Ihrem programmatischen Buch ,,Kultur für alle". Das heißt: Das Kommunale Kino hatte auch den Anspruch, möglichst viele Menschen weiter zu bilden und ästhetisch zu erziehen.

Hilmar Hoffmann: Der Film galt damals gegenüber den anderen Künsten wie Theater oder Bildender Kunst als nicht satisfaktionsfähig. Er hatte mit dem Vorurteil zu kämpfen, ein leicht konsumierbares Massenmedium zu sein. Ich wollte den Film als Kunst rehabilitieren. Ich gründete deshalb den ersten Lehrstuhl für Film an der Universität Bochum. ...

[...]

Claus-Jürgen Göpfert: Was waren das für Filme, Anfang der 70er Jahre?

Hilmar Hoffmann: Wir haben eröffnet mit Buster Keatons großem Film ,,Der General". Das war der Grund für die kommerziellen Filmtheater, vor Gericht zu ziehen. Die haben uns Wettbewerbsverzerrung vorgeworfen, weil wir ihnen mit ,,Staatsknete" Konkurrenz machten. Als dann Ende 1971 das neue Historische Museum eröffnet wurde, habe ich den für Vorträge reservierten Saal zum Kino umgewidmet. ... Ich habe ein Programm entwickelt, bei dem Filme im Kontext gezeigt wurden: Eine Reihe mit zehn Western etwa oder mit zehn Filmen aus der Volksrepublik China. Oder eine Reihe ,,Ideologie im Film" mit den NS-Propagandastreifen von Leni Riefenstahl.

Claus-Jürgen Göpfert: Aber die Filme von Leni Riefenstahl zu zeigen, muss doch auf Protest gestoßen sein?

Hilmar Hoffmann: Ja, das war so. Aber ich habe die Filme der Riefenstahl sogar in Israel vorgeführt. Ich hatte neun Jahre lang einen Lehrauftrag der Universität Tel Aviv. Ich habe dort auch sowjetische Filme gezeigt, von Eisenstein bis Pudowkin und die Rolle von Film in Diktaturen zum Thema gemacht.

Claus-Jürgen Göpfert: Im Kommunalen Kino ging es Ihrer Einschätzung nach also von Anfang an auch um ästhetische Bildung?

Hilmar Hoffmann: Ja. Schon für Goethe war Anschauung der beste Unterricht. Wir haben damals im Kommunalen Kino auch die Filme des Neuen Deutschen Kinos gezeigt, von Volker Schlöndorff bis Werner Herzog, die sonst keine Leinwand gefunden hätten. So bekamen diese Filme einen Abspielort.

Claus-Jürgen Göpfert: Können die Kommunalen Kinos in der Gegenwart noch ein Gegengewicht bilden gegen die kommerziellen Lichtspielhäuser?

Hilmar Hoffmann: Die waren nie als Gegengewicht gedacht. Sondern als autonome Einrichtung, die ganz anders ist als ein kommerzielles Kino. Später haben die privaten Kinobesitzer in Frankfurt gesagt, dass wir durch unsere Schule des Sehens ihnen geholfen haben, in ihren Häusern anspruchsvollere Filme zu zeigen.

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Aus: "Die Schule des Sehens" (20.01.2019)
Quelle: https://www.fr.de/frankfurt/schule-sehens-11365151.html