[...] Die Antike entwickelte eine ausgeprägte Tradition angenehmer Naturvorstellungen in Alternative zum Leben der Stadt und des Staatswesens. Wer es konnte, leistete sich Landhäuser. In der Dichtung besang man das glückliche Leben der Hirten. Mit dem Beginn des 17. Jahrhunderts sollte diese Kulturtradition mit einer breiten Mode der Schäfereien neu aufleben, die ihren Ort vor allem an den Höfen und in geschlossenen Gesellschaften fand. Man inszenierte Idyllen, feierte sommerliche Tage bei weniger strenger Etikette unter freiem Himmel. Schäferspiele, die Oper, galante Lyrik und eine eigene Romanproduktion trugen die Mode, und nährten das Gefühl, ein weit glücklicheres Leben könnte außerhalb des streng reglementierten Zusammenlebens in Stadt und Hof bestehen oder zumindest in der fernen Antike bestanden haben. ....
... 20. Jahrhundert und Gegenwart: Der Naturzustand als problematischer Debattengegenstand: Was als philosophisches Argument begann und von der Forschung des 19. Jahrhunderts am Ende eingeholt wurde, entfaltete im 20. Jahrhundert Massenbewegungen – von denen des trivial-darwinistisch ausgerichteten Nationalsozialismus, der über die Rolle der menschlichen Rassen philosophierend den Staat zum verlängerten Arm der weiteren „natürlichen“ Selektion machen wollte, bis zu den vielfältigen Bewegungen der „Aussteiger“, die ein „Zurück zur Natur!“ als Absage an die westliche Konsumkultur propagierten.
Ein Nachdenken über den Naturzustand, für den der Mensch geschaffen ist, wurde selbstverständlich. ...
Grundlegend erhalten blieb die Argumentation mit Differenzen zwischen einem Zustand, für den wir geschaffen sind, und einem Zustand, in dem wir demgegenüber leben. ...
Aus: "Naturzustand"
Datum der letzten Bearbeitung: 11. August 2012, 13:14 UTC
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Datum des Abrufs: 12. September 2012, 10:13 UTC
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[.... Der Rammstein-Sänger Till Lindemann hat vor ein paar Wochen in einem Interview gesagt: "Alles Gute in meinem Kopf entsteht auf dem Land". Als ich es gelesen habe, hat mein Herz sofort einen Sprung gemacht. Nicht, weil ich Rammstein-Fan bin. Sondern weil wieder einer das Leben auf dem Land lobt. Ich sammele "Promis-sprechen-übers-Landleben"-Zitate, weil ich nicht jeden Tag gleich sicher bin, wie gut ich es hier oben auf dem Berg finde. Eine seltsame Variante der Absolutionssuche.
... Ich weiß schon auch, dass das echte Leben, und auch das in der Stadt, viel härter sein kann als unser Alltag. Meine Kinder haben zum Beispiel noch nie einen Junkie oder einen Obdachlosen gesehen.
Wir nähern uns der Härte des Lebens in kindgerechten Dosen: Alle paar Wochen haben wir Beerdigungen, von den einzelnen Teilen der Blindschleiche, die in den Rasenmäher gekommen ist, vom Rotkehlchen, das die Katze erwischt hat oder von den Meisenküken, denen die Mutter kein Fressen mehr gebracht hat. Oder wir feiern den Abschied vom Pferd, das plötzlich nicht mehr beim Nachbarn stand, weil es einen schlimmen Husten hatte, und keiner einen Arzt geholt hat.
... Es klingt ja alles immer so kitschig, so nach Klischee: Aber schon die Luft oder der spezielle Geruch dort, wo wir wohnen, der macht mich glücklich. Diese Waldluft, der Duft der Wiese.
... Ich sehe die Jahreszeiten mit ihren verschieden farbigen Wolken über das Tal heraufziehen, kein Haus versperrt den Blick. Ich finde es wunderbar, wenn eine warme Böe den Frühling ankündigt oder ein Sturm den Herbst. Mir ist der Wechsel der Jahreszeiten viel bewusster. Das merke ich auch am Essen, das es bei uns gibt. Wenn zum Beispiel bei uns im Garten alle Himbeeren geerntet sind, kaufe ich im Supermarkt keine neuen mehr. Weil ich hier gelernt habe, das alles seine Zeit hat, auch das Aufstehen zum Beispiel. Es wird hell, der Hahn kräht und ich beginne den Tag. Ich freue mich, wenn das Licht im September endlich wieder mild wird und nicht mehr so gleißend wie kurz zuvor im August. Wenn die Sonne jetzt nicht mehr in der Mitte des Sees versinkt sondern irgendwo am Ufer untergeht. Und ich weiß es, es wird nächstes Jahr wieder ganz genauso sein.
Seit ein paar Jahren gibt es ja auf den Bestsellerlisten diese "Gummistiefel statt Pumps"-Veröffentlichungen. In diesen Büchern beschreiben Menschen, wie sie ihr Glück auf dem Land gefunden haben. Ich hab noch nie so ein Buch gelesen und habe auch nicht vor, es zu tun. Die Vorstellung, dass ich mit meiner Familie in einem Trend lebe, ist mir unangenehm. Aber wahrscheinlich stimmt das mit dem Glück und dem Land schon so.
...
Barbara Lavaud
12.09.2012 um 11:39 Uhr
.... Sie brauchen dringend eine Rubrik "Jammern auf hohem Niveau" - denn die Kinder dieser Frau verbringen eine schöne Kindheit in behüteten und finanziell abgesicherten Verhältnissen, in einer intakten und gesunden Familie. Natürlich ist die Truman-Show auf dem Land manchmal schwer auszuhalten, aber wenn die Autorin sonst keine Probleme hat, kann ich ihr eigentlich nur gratulieren! [...]
Gekürzt. Bitte bleiben Sie trotz Kritik sachlich. Danke, die Redaktion/lv
Aus: "Die Härte des Lebens in kindgerechten Dosen" Julia Decker (12.09.2012)
Quelle:
http://www.zeit.de/lebensart/2012-08/lust-auf-stadt-landleben-kind