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[Debattenkultur (Notizen)... ]

Started by Textaris(txt*bot), July 25, 2016, 02:44:05 PM

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Textaris(txt*bot)

QuoteJetzt halt mal die Fresse! Das ist einer der meistgeschriebenen Sätze in den "sozialen Medien". (Daniela Müller in den "Salzburger Nachrichten", 04. März 2023 )

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Quote[...] Seit der Antike bildet der Dialog, indem er auf der Symmetrie partnerschaftlichen Austauschs gründet, die Urform jedes ästhetischen Diskurses. Die Aufklärung – von Diderot bis Wieland – steckt voller Belege für eine diskursive "Arbeit am Wissen". Diese soll gemeinschaftlicher, das heißt: dialogischer Betrachtung standhalten.

Doch hat sich seit Anbruch der Moderne ein furchtbarer Verdacht geregt. Nur von gleich zu gleich wäre gut miteinander zu reden. Allein: Die Verhältnisse, sie sind nicht so.

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Aus: "Warum schreien alle so laut, wenn sie über Rammstein reden?" Ronald Pohl (19.6.2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000175315/warum-schreien-alle-so-laut-wenn-sie-ueber-rammstein-reden

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Quote[...] Die alte Frage, womit man Menschen mehr gerecht wird: mit dem Seziermesser oder mit dem verständnisvollen Blick, der die eigenen anfechtbaren Punkte mit umfasst. ...


Aus: "Christa Wolf: Ein Tag im Jahr 1960-2000" Seite 509 (1993)

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Quote" ... Der Politikwissenschaftler Nils Heisterhagen fasst das so zusammen: ,,Der politischen Debattenkultur in Deutschland geht es schlecht. Es fragt sich, ob es überhaupt noch eine Debatte mit Argumenten und Gründen gibt, oder ob sich alle gegenseitig nur ihr falsches Weltbild vorwerfen." Vielleicht ist es an der Zeit darüber zu reden, wie wir miteinander reden. ..."
Aus: "Warum wir dringend über unsere Debattenkultur reden müssen"  THOMAS BLOCK (05.07.2016)
Quelle: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Warum-wir-dringend-ueber-unsere-Debattenkultur-reden-muessen;art1222886,3911302

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QuoteAsal Dardan @asallime
Finde immer wieder erstaunlich, dass bei so vielen Menschen der Drang, Dinge zu erklären weitaus größer ist, als Dinge zu erfahren und zu verstehen.
5:32 PM · Nov 11, 2020
https://twitter.com/asallime/status/1326563507018592261

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QuoteDie größten Vollidioten erkennen Sie zuverlässig daran, dass sie ihre persönliche Meinung für ein unwiderlegbares Naturgesetz halten.
Matthias Eberling (Januar 25, 2021) | Quelle: https://kiezschreiber.blogspot.com/2021/01/wissen-rettet-leben.html

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Quote" ... Die Wahrheit allerdings, ... ist in niemandes Besitz. Ihr die Ehre zu geben, bedeutet, bereit zu sein, die eigene – für wahr gehaltene – Überzeugung dem Einspruch anderer auszusetzen und sie nicht nur zu verteidigen, sondern gegebenenfalls auch aufzugeben oder zu ändern. Anders und kurz gesagt: Keine Wahrheitsliebe ohne «Debattenkultur».  ..." --- Justus Wenzel (8.3.2016)

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Quote... Die Argumentationstheorie ist eine Teildisziplin der Philosophie, die sich mit der Form und dem Gebrauch von Argumenten befasst. ... Der Begriff des Argumentierens wird in zahlreichen Disziplinen thematisiert, teils als Objekt der Untersuchung, teils als Rahmen zur Klärung von Methodenproblemen. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Argumentationstheorie

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Quote" ... Wie sagte Helmut Schmidt? ,,Wer Kritik übel nimmt, hat was zu verbergen." ..." --- Ahmet Refii Dener (Aus: "Auf den wunden Punkt", 17.04.2018)

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Quote[...] Zusammenhalt, darauf hat der Philosoph Rainer Forst hingewiesen, ist kein Wert an sich: Bei der Mafia hält man ja auch zusammen. Zusammenhalt muss sich an demokratische Grundvorstellungen von Freiheit und Gleichheit rückbinden lassen; erst dann wird das Wort nicht zum Kürzel für allen möglichen kommunitaristischen Kitsch oder Sonntagsreden-Kleister, mit dem sich legitime Konflikte unsichtbar machen lassen.

Auch heute gilt noch, woran ein großer Liberaler wie Ralf Dahrendorf nicht müde wurde seine gemeinschaftsseligen Landsleute zu erinnern: ,,Konflikt ist Freiheit".  Er zog in seinem 1965 erschienen Klassiker über "Gesellschaft und Demokratie in Deutschland" sogar den weitergehenden Schluss, liberale Demokratie sei ,,Regierung durch Konflikt".

...


Aus: "Wer nicht streiten will, schadet der Demokratie" Jan-Werner Müller (06.04.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/der-riskante-ruf-nach-zusammenhalt-wer-nicht-streiten-will-schadet-der-demokratie/27067036.html

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Quote"Im Kindergartenalter müssen Kinder erst noch lernen, ihre Gefühle zu regulieren. Sie spüren einen Impuls, etwa Frust, und reagieren zunächst impulsiv und oft auch körperlich. Dann brauchen sie Erwachsene, die ihnen helfen, angemessenes Verhalten zu entwickeln", erklärt Isabelle Dulleck von der Onlineberatung der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung. ...


Aus: "Aggressiver Freund: Umgang mit spielenden Kindern" (2018)
Quelle: https://www.augsburger-allgemeine.de/themenwelten/leben-freizeit/Aggressiver-Freund-Umgang-mit-spielenden-Kindern-id52710291.html

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QuoteEine Debatte (franz. débattre: (nieder-)schlagen) ist ein Streitgespräch, das im Unterschied zur Diskussion formalen Regeln folgt und in der Regel zur inhaltlichen Vorbereitung einer Abstimmung dient. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Debatte

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QuoteEine Kontroverse (v. lat: contra entgegen; versus gerichtet) ist ein länger anhaltender Streit oder eine Debatte. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Kontroverse

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Quote... Statt Zensur zu betreiben, müssen wir mit allen Mitteln - technisch, sozial und bildungspolitisch - der Zerstörung des öffentlichen Raums entgegenwirken. Technisch bedeutet dies, Strukturen zu schaffen, die die Konfrontation mit anderen Meinungen gezielt fördern ... Ob wir uns mit anderen Meinungen konfrontieren oder einigeln, ist letztlich auch eine Willensfrage. ... Schließlich sollte man sich auch über die Natur des öffentlichen Raums selbst keine Illusion machen: Er war noch nie von einer ausnehmend freundlichen Atmosphäre gekennzeichnet und stand klassisch in der Regel einer kleinen (Bildungs-)Elite offen. Meist erhielten Menschen, die hier regelmäßig auftraten, eine spezielle Schulung in Rhetorik, Autodidakten waren seltene Erscheinungen. Das Internet hat die Zugangshürde radikal gesenkt und den öffentlichen Raum demokratisiert. Nun wimmelt es von "Selbst-Berufenen", die zu allem und jedem ihre Meinung kundtun, egal wie viel oder wie wenig Ahnung und rhetorisches Geschick sich hinter ihren Worten verbirgt. ...Das ist ihr demokratisches Recht, aber nun mischen sich vulgäres Gepöbel, geschickte Hetze und schlicht verunglückte Wortmeldungen von "Anfängern", die die Regeln der Debatte erst noch lernen müssen, zu einem manchmal schwer erträglichen Sammelsurium. Die Idee, dass der öffentliche Raum freundlicher werden müsse, ist eine Illusion, er war und wird nie ein Ort für Schüchterne sein. Noch immer und gerade in Demokratien wird hier um die Meinungshoheit gerungen, Macht und Einfluss verteilt. Eigentlich weiß jeder: Wer sich in der Öffentlichkeit exponiert, eventuell noch dazu mit kontroversen Thesen, wird nicht nur auf Freunde treffen, und er sollte wissen, worauf er oder sie sich einlässt. Wer Beschimpfung nicht aushält, sollte vielleicht einfach etwas Schöneres mit seiner Zeit anstellen. ...

Aus: "Echokammern zerstören den öffentlichen Raum"  Niels-Arne Münch (24.07.2016)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/48/48916/4.html

Quote...      McGyver777, 24.07.2016 08:19

Danke für den ziemlich vernünftigen und gut lesbaren Artikel

... Dazu Folgendes:

A)
Willensfrage! Sich eine Meinung, die auch im Rahmen anderer Meinungen standhält, überhaupt erstmal bilden zu können, ist eine Frage des fortgesetzten Willens zum selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lernen, wozu auch die eigene Kritikfähigkeit gehört, sowie ein langer Atem (auch gegenüber der eigenen Bequemlichkeit). Dazu werden bestimmte Skills und Werkzeuge (--> Medienkompetenz) benötigt. Wer die aber nicht ausreichend trainiert hat, kommt gar nicht erst in den Bereich des tatsächlichen Meinens durch Meinungsbildung. Allerhöchstens erreicht jemand so die Phase des beliebigen Dafürhaltens, und verschwendet sinnlos Elektronen und anderer Leute wertvolle Lebenszeit.
[Anmerkung: aber auch das muß er prinzipiell dürfen]

B)
Wer hingegen nur in üblicher Weise tradierte / ererbte Vorurteile sowie mehr oder minder radikale Glaubenssätze äußert und somit (ggf. destruktiven) Unsinn verbreitet, läuft in einer medienkompetenten Gesellschaft - die sich offenen, aber möglichst konstruktiven Diskursen verschreiben will - ständig Gefahr, widerlegt zu werden und sich zu blamieren, und kommt daher nicht mal im Ansatz in den Bereich des (selbstbestimmten) Meinens durch Meinungsbildung. Denn nicht alles, was sich dafür hält, ist auch wirklich Meinung.

...

P.S.: das wäre doch eigentlich mal ein guter Anlaß und höchste Zeit für Heise, den Mobbingbutton durch ein intelligenteres System zu ersetzen, welches eher Diskurse fördert, anstatt dümmliches Netzherdenverhalten im Sinne einer zu niederschwellig erfüllbaren Selbstwirksamkeitserwartung zu belohnen. Im offenen Diskurs ist zwar zunächst jeder sich selbst der Nächste, aber genau hier verbieten sich primitive Bewertungsfunktionen ohne weitere Datenreferenz (z.B. nachvollziehbare Gestaltungswertungen), die entweder beliebig zur Knuddel-Welle werden, oder aber beliebig als Punishment-Knopf mißbraucht werden. Wer von dümmlichem Schwarz-Weiß weg will, möge doch bitte ein responsiveres Bewertungsystem anbieten, das dem Kontext Forendiskussion auch wirklich gerecht wird. Wenn die User sich schon gegenseitig moderieren sollen (was mithin der ursprüngliche Grund der Einführung des Rot-Grün-Draufklick-Deppensystems war, was jedoch nach ca. zehn Jahren an nicht unbedingt gewachsener Diskussionsqualität durchaus als gescheitert betrachtet werden kann).

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (24.07.2016 09:05).


Quelle: http://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Meine-Feinde-verteidigen/Danke-fuer-den-ziemlich-vernuenftigen-und-gut-lesbaren-Artikel/posting-28950272/show/


Textaris(txt*bot)

#1
Quote

If an opinion contrary to your own makes you angry, that is a sign that you are subconsciously aware of having no good reason for thinking as you do.

Bertrand Russell


Quelle: https://twitter.com/noamchomskyT/status/1362415993776205827

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Quote[...] Gewalt verletzt den Anspruch auf eine dialogische Existenz überhaupt, diese höchst verletzliche menschliche Grundqualität, die sich im Anspruch auf Anwesenheit und auf Verständigung ausdrückt. Diese Möglichkeit wird mit jedem Akt der Gewalt verweigert oder verworfen. Die Täter zerschlagen sie bei sich selbst wie beim Gegenüber. Sie benehmen sich so, als seien sie ein Ding - der Stein, das Messer, die Bombe - , das sich nicht verständigen kann und verständigen muß, weil es kein Mensch ist. Die Gewalttat macht die Opfer zum Ding, und Täter mutieren selbst zum Ding, indem sie die Instrumente auf ihren Weg bringen.

[...] Gewalt definiert sich nicht nur über die einzelnen Gewalttaten und -täter, sondern ebenso über ihren Kontext, ihre Unterstützung und Duldung. Die Komplizenschaft im Gewaltensemble bedeutet nicht nur Zugehörigkeit zum Ensemble der Schadensanrichter, sondern zum Ensemble der Dialogzerstörer. Duldung von Gewalt ist gleichbedeutend mit der Stärkung eines monologischen Prinzips, das die Verweigerung der Anerkennung in die Eingeweide der Gesellschaft einsickern läßt. Die Kompliz/innen sind eingebunden in die Stummheit, indem sie ihrem Beitrag zur Löschung der Anderen leisten. Gewalt braucht den abgeschotteten Bewußtseinsraum, und bereits mit dieser Schließung des Bewußtseins wird Gewalt zum Akt des Überflüssigmachens, einer Form der Vernichtung dessen, was Menschen zu Menschen macht. Gewalt ist die Attacke gegen ein zerbrechliches Gut, das mit dem Wort Dialog die Bereitschaft bezeichnet, die Welt mit den Anderen zu teilen.

[...] Die Komplizenschaft im Gewaltensemble zeigt sich in einer Stummheit, die sich wie eine Epidemie addierter Monologe ausbreitet. Deren Niederschläge sind z.B. in fast gleichlautenden Aussagen normaler Männer und Frauen NS-Deutschlands gesammelt, die die Ereignisse auch noch nach mehr als 50 Jahren so erinnern, als gäbe es nur ihre Sicht, die Sicht nicht-verfolgter Deutscher mit ihrer ,,glücklichen Kindheit", von der sie gern erzählen. Das Andere ihrer Erfahrung bleibt abwesend, irrelevant, amputiert, auch in der Retrospektive. Gesprochen wird aus einer Perspektive, bedürfnislos gegenüber der anderen. Die Gewalt ist nicht nur bei denen, die das gefährliche Werkzeug in der Hand haben, sondern auch bei denen, die den Verschluß des Bewußtseins vor dem Eintritt der anderen Erfahrung zum stillschweigenden Konsens machen. Mit der Stummheit der Gewalt wird den Anderen ihre Entbehrlichkeit dokumentiert.

...


Bruchstuecke aus: "DIE STUMMHEIT DER GEWALT - UND DIE ZERSTÖRUNG DES DIALOGS" CHRISTINA THÜRMER-ROHR (Erschienen in: UTOPIEkreativ; 2002)
Quelle: http://www.volksuni-berlin.de/CTR.pdf


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Quote[...] Eine soapbox (deutsch Seifenkiste) ist eine improvisierte Plattform für einen Redner unter freiem Himmel. Insbesondere in England wird das Wort auch metaphorisch für das Recht auf freie Rede benutzt. Der Londoner Hyde Park ist bekannt für die im dortigen Speakers' Corner seit 1872 gehaltenen Sonntagsreden, die ursprünglich vor allem religiöse Themen zum Inhalt hatten.

Das Recht auch über andere, kontroverse Themen frei zu sprechen, wurde in mehreren teilweise heftigen Auseinandersetzungen etabliert und gilt mittlerweile als zentraler Aspekt der britischen politischen Kultur. Einige Versuche, dies auch in Deutschland einzurichten, scheiterten, was Erhard Eppler mit Berufung auf Carl Gustav Jochmann auf die Vorherrschaft der geschriebenen Sprache, der Vorlesung und des dozierenden Stils in Deutschland gegenüber der mündlich geprägten angelsächsischen Öffentlichkeit, Debattenkultur und Rechtsprechung zurückführte. ... Eine moderne Form des ,,Soapboxing" sind Blogs und andere Webseiten, auf denen User ihre eigenen Gedanken veröffentlichen. ...

... Im Wahlkampf zu den britischen Unterhauswahlen 1992 gelang es dem konservativen Spitzenkandidaten John Major, mit einer Soapboxkampagne den sicher geglaubten Wahlsieg von Neil Kinnocks Labour Party in Großbritannien abzuwenden. Während Labour sich auf professionelle Wahlkampfinszenierungen verließ, betrieb Major einen intensiven Straßenwahlkampf mit einer Vielzahl von klassischen Soapboxauftritten, was ihm mit den Wahlsieg einbrachte, da seine Wahlkampagne als wesentlich authentischer und ehrlicher wahrgenommen wurde als die seines Gegners.


Aus: "Soapbox" (9. August 2013)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Soapbox


Textaris(txt*bot)

#2
QuoteApfelansager 14.11.2021 12:08 Uhr

Meinungsfreiheit ist nur dann etwas wert, wenn sie unangenehm ist. Wenn dem anderen gesagt werden kann und darf, was dieser nicht hören will. Freiheit für die eigene Meinung und die Gleichgesinnter ist wohlfeil.


https://www.tagesspiegel.de/politik/wut-auf-knopfdruck-warum-viele-muslime-so-emotional-auf-mohammed-karikaturen-reagieren/26731878.html

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QuoteNoch heute werden Parlamentsdebatten in der Ukraine, der Türkei, in Russland, Südkorea, Mexiko oder Italien nicht nur lautstark, sondern traditionell auch unter Anwendung physischer Gewalt geführt – ausgeraufte Haare, zerfetzte Anzüge und blutige Lippen sind an der Tagesordnung. ...
Aus: "Demokratie als Shitstorm? Implikationen zur politischen Debattenkultur durch Social Media"
Stephan Weichert (Bd. 47, Nr. 2, (2014))
http://ejournal.communicatio-socialis.de/index.php/cc/article/view/657/656

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Quote[...] ,,Parteien wie die AfD haben viel dazu beigetragen, dass rechtspopulistische Meinungen heute wieder salonfähig sind." Rund jede zehnte Anfrage habe man im Herbst als fremdenfeindlich, rassistisch oder diskriminierend aussortieren müssen, viele bewegen sich im Grenzbereich, die Differenzierung werde zunehmend schwieriger. Internet-Seiten, die auf eine solche Moderation verzichten, haben oft das Problem, dass die Pöbler all jene Nutzer vertreiben, die an einem tatsächlichen Austausch interessiert sind. Der Dialog kann nur aufrecht erhalten, wenn die Entgleisungen gelöscht werden.

In der realen Welt geht das mit dem Wegmoderieren leider nicht so leicht, erst recht nicht in den Bürgerdialogen der Stadt Ulm. ,,Für mich ist das eine Einschränkung", sagt die Bürgermeisterin Iris Mann, ,,weil Beleidigungen selten zu konstruktiven Dialogen führen." Sie versuche dann die Diskussion mit Argumenten wieder auf eine sachliche Ebene zu führen, all jene zurückzuholen, die nicht bloß ihrer Wut freien Lauf lassen wollen. Es lohne sich immer, auf Menschen zuzugehen. Doch es bleibt ein Kampf gegen Windmühlen. Der harsche Ton ist kein Ulmer Problem. Er ist ein gesellschaftliches.

,,Die veränderte Gesprächskultur ist Ausdruck der Dekadenz unserer Gesellschaft", sagt Mann. Einer selbstzufriedenen Gesellschaft nämlich, die sich nicht mehr für das große Ganze, sondern vorrangig für den eigenen Vorgarten interessiert. ,,Zu größeren politischen Fragestellungen, zu sozialer Gerechtigkeit oder Zukunftsplänen, gibt es kaum noch Bewegungen. Erst wenn es konkret wird, wenn es um das ganz persönliche Erleben geht, werden die Menschen aktiv." Die Diskussion um saubere Energie interessiert viele halt erst, wenn ein Windrad in Sichtweite aufgestellt wird. Es sei diese Fokussierung auf das persönliche Glück, die viele Diskussionen ins Emotionale abgleiten lässt.

Der Politikwissenschaftler Nils Heisterhagen fasst das so zusammen: ,,Der politischen Debattenkultur in Deutschland geht es schlecht. Es fragt sich, ob es überhaupt noch eine Debatte mit Argumenten und Gründen gibt, oder ob sich alle gegenseitig nur ihr falsches Weltbild vorwerfen." Vielleicht ist es an der Zeit darüber zu reden, wie wir miteinander reden.




Aus: "Warum wir dringend über unsere Debattenkultur reden müssen"  THOMAS BLOCK (05.07.2016)
Quelle: http://www.swp.de/ulm/nachrichten/politik/Warum-wir-dringend-ueber-unsere-Debattenkultur-reden-muessen;art1222886,3911302

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Quote[...] Jeder Mensch und jede Journalist_in haben ihren Platz in der Welt, einen Blickwinkel auf das (Welt-)Geschehen und eine individuelle Perspektive. Das Kind, das sieben Geschwister hat, wird bezüglich der Verteilungsgerechtigkeit einen enorm geschärften Blick haben; der transsexuelle Junge einen viel klareren Blick für überall präsente Geschlechterstereotype, gegen die er/sie Tag für Tag ankämpfen muss. Und schließlich wird das Mädchen aus einer Einwandererfamilie Diskriminierung aus eigener, trauriger Erfahrung (,,Du sprichst aber gut deutsch!") viel eher erkennen als Hans und Maria von nebenan.

Ganz zu schweigen von so offensichtlichen Dingen wie Parteipräferenz, ökonomischem und sozialem Hintergrund, Religion und Bildung. Das alles sind Faktoren, die unsere Sicht der Dinge entscheidend beeinflussen, man könnte sogar sagen: ideologisch verändern. Nicht nur die wohlbekannte Rechts-links-Unterscheidung beeinflusst das Denken und Schreiben.

Vielleicht sollte man Jan Hofer bitten, am Ende jeder ,,Tagesschau"-Sendung seine Lieblingsfarbe zu offenbaren. Oder seine echte Haarfarbe. Denn wer weiß schon, in welcher Weise ihn dies beeinflusst und zur Auf- oder Herausnahme des einen oder anderen Beitrags bewegten – beispielsweise über gestiegene Haarfärbemittel-Preise.

Problematisch ist dieser selektive Blickwinkel eigentlich nicht, solange das allen klar ist. Schwierig wird es erst, wenn der Habitus der absoluten Neutralität vorgetäuscht wird. Weder Journalist_innen noch Leser_innen sind neutral. Dagegen hilft größtmögliche Diversität in den Redaktionen, denn wie schon dargelegt, ist es gerade die Themenauswahl, die durch die eigene Weltsicht beeinflusst wird. Wer welches Problem sieht und erkennt, hängt enorm von den eigenen Erfahrungen ab. Weiter hilft ein transparenterer Umgang mit der Problematik, etwa in Form einer Offenlegung der politischen und religiösen Überzeugungen von Journalist_innen. Viel leichter fiele es, Geschriebenes einzuordnen, wüsste man, bei wem die Journalist_in ihr Kreuz bei der letzten Wahl gemacht hätte. Warum also immer der verschämte Umgang mit Parteienpräferenz im Journalismus?

Was wir wirklich brauchen, sind dabei nicht nur Journalist_innen, die offen damit umgehen, nie hundert Prozent neutral sein zu können, sondern auch Leser_innen, die das wissen und einordnen können. Denn Journalismus kann man nicht passiv konsumieren. Kritisches Nachdenken, Diskutieren und (gedankliches) Überprüfen gehören immer auch mit dazu, wenn man eine Zeitung aufschlägt oder die Nachrichten verfolgt. Vielleicht brauchen wir nicht nur guten Journalismus, sondern noch bessere Leser_innen. Dann kommt vielleicht auch die Glaubwürdigkeit zurück.

Warum ich das so geschrieben habe und nicht anders? Entscheiden Sie selbst, was mich wohl beeinflusst hat und ordnen Sie es ein: Ich bin Student der Sozialwissenschaften, getaufter aber nicht praktizierender Christ, habe bei der letzten Bundestagswahl SPD gewählt, bin in Baden-Württemberg geboren, lebe jetzt in Berlin und arbeite als Werkstudent bei ,,The European". Meine Lieblingsfarbe ist Blau und meine Haare sind naturbraun.

QuoteSchnorchel (2015)

Fairness beginnt bei einem jedem selbst. Wer riskiert schon gerne seinen Job?
Welcher Minister in Deutschland sagt schon freiwillig aus für welche Firma, Bank , Waffenfirma diese nebenbei arbeitet und sich somit an der Rentenarmut beteiligt. Welcher Minister steht für die Verfehlungen des SPD Regimes unter Gerhard Schröder Gerade? ...


...


Aus: "Deine Zeitung lügt!" Imre Balzer (28.07.2015)
Quelle: http://www.theeuropean.de/imre-balzer/10434-wie-neutral-kann-journalismus-sein


Textaris(txt*bot)

#3
Quote[...] Es wird hier eben nicht (nur) über konkrete Handlungsnotwendigkeiten und -optionen diskutiert, sondern (auch) auf einer Metaebene über die prinzipielle Frage, welche Argumente in diesen Diskussionen überhaupt zugelassen sind. ... Jedenfalls wird man der Idee, den Angriff auf bisherige diskursive Selbstverständlichkeiten dadurch abzuwehren, dass man deren Geltung durch Gesprächsverweigerung zu bekräftigen versucht, eher skeptisch gegenüberstehen müssen. Natürlich gibt es Dinge, die jenseits des Diskutierbaren liegen; Brandanschläge auf Flüchtlingsheime und offener Rassismus (,,einen Boateng wollen sie nicht als Nachbarn haben") gehören fraglos dazu.

Aber wer für Zuzugsbegrenzungen, für Obergrenzen oder für die Wahrung der – was immer das sein soll – kulturellen Identität eintritt, ruft damit nicht zur Gewalt gegen die Flüchtlinge auf, die schon hier sind. Dies zu unterstellen ist der untaugliche Versuch, unangenehme Fragen loszuwerden, indem man sie in den Bereich des völlig Inakzeptablen drängt.
Die Rechtspopulisten wollen ethnische, religiöse und nationale Homogenitätsvorstellungen wieder auf die Tagesordnung setzen, die wir schon hinter uns gelassen glaubten. Dabei sind die Befürchtungen, dass Deutschland islamisiert wird oder es hier in großen Teilen demnächst aussieht wie in Berlin-Neukölln, sicherlich grotesk übertrieben. Das ändert aber nichts daran, dass die Frage gestellt wird, ob das Gemeinwesen nicht doch einmal etwa diskutieren muss, wie viel öffentliche Präsenz des Islam wir eigentlich wollen. Vielleicht kann und soll man das in einer freiheitlichen Gesellschaft gar nicht beeinflussen, aber dann muss man das auch sagen. Durch peinlich berührtes Beschweigen wird man das Problem nicht los. Was in der Demokratie noch verhandelbar ist, ist eben legitimerweise selbst eine verhandelbare Angelegenheit. ...


Aus: "Schweigen hilft nicht weiter" Stefan Huster (5.6.2016)
Quelle: https://www.taz.de/Debatte-Umgang-mit-Rechtspopulisten/!5307087/

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Quote[...] Die Menschenwürde steht über der Meinungsfreiheit. So hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe einem Beschluss zufolge entschieden. Im konkreten Fall ging es um eine Kündigung wegen einer grob menschenverachtenden Äußerung. Diese hält das Gericht für rechtens. Der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Anspruch auf ein freies Äußerungsrecht stehe dahinter zurück.

In dem Fall, mit dem sich die 3. Kammer des Ersten Senats befassen musste, hatte ein Mann in einer Betriebsratssitzung einen schwarzen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah" angesprochen. Er selbst musste sich als "Stricher" bezeichnen lassen, "Ugah, Ugah" war aber keine direkte Reaktion darauf.

Weil der Mann zuvor schon eine Abmahnung wegen ähnlichen Verhaltens erhalten hatte, wurde er gekündigt. Diese Entscheidung hatte vor den Arbeitsgerichten durch alle Instanzen Bestand. Nun blieb auch die Verfassungsbeschwerde ohne Erfolg. Der Betriebsrat könne sich nicht mehr auf seine Meinungsfreiheit berufe. Einen schwarzen Menschen mit Affenlauten anzusprechen, ist demnach nicht nur eine derbe Beleidigung, sondern "fundamental herabwürdigend", hieß es in der Begründung.

Den Karlsruher Richtern zufolge schützt das Grundgesetz nicht nur die Meinungsfreiheit, es wendet sich auch gegen rassistische Diskriminierung. Die Arbeitsgerichte hätten beides zutreffend abgewogen. "Danach wird die Menschenwürde angetastet, wenn eine Person nicht als Mensch, sondern als Affe adressiert wird."


Aus: "Bundesverfassungsgericht stellt Menschenwürde über Meinungsfreiheit" (24. November 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-11/diskriminierung-urteil-bverfg-kuendigung-betriebsrat-menschenwuerde-meinungsfreiheit

QuoteJacky Brown #22

"Weil der Mann zuvor schon eine Abmahnung wegen ähnlichen Verhaltens erhalten hatte, wurde er gekündigt"

Unbelehrbar ...


QuoteLusu #4

Mich hätte echt mal interessiert welche angebliche "Meinung" der Kläger hier denn meint geäußert zu haben.


QuoteSimsalartist #4.2

Offensichtlich die Meinung, dass Menschen mit anderer Hautfarbe als seiner keine Menschen, sondern Affen sind.
Schön, dass das Gericht diese Meinung passend eingeordnet hat.


QuotePeerchen #4.9

Ich denke eher, dass der Kläger denkt "Meinungsfreiheit" heißt alles sagen zu dürfen.

Dabei reicht ein Blick ins Gesetzbuch, dass das nicht stimmt - Neben Beleidigung und Herabwürdigung der Menschwürden sind ja auch andere verbale Äuerungen strafbar: Meineid, Erpressung, Üble Nachrede...


Quoteregreub #11

Die Gedanken sind frei!

Achte auf Deine Gedanken, denn sie werden Worte.
Achte auf Deine Worte, denn sie werden Handlungen.
Achte auf Deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten.
Achte auf Deine Gewohnheiten, denn sie werden Dein Charakter.
Achte auf Deinen Charakter, denn er wird Dein Schicksal.


Quoteeisensau #11.2

Wahrscheinlich Charles Reade (1814–1884)


Quotelassteskrachen #13

"Betriebsratssitzung einen schwarzen Kollegen mit den Worten "Ugah, Ugah" angesprochen. Er selbst musste sich als "Stricher" bezeichnen lassen"
Was ist das für eine Firma mit so einem Umgangston?


QuoteDurch Schaden wird man klüger_Aber niemals klug #13.1

Das habe ich mich auch gefragt.


QuotefuerdieMitte #15

Absolut richtige Entscheidung. Interessant wäre hierzu die Abwägung warum alles was man so Frau Künast an den Kopf geworfen hat am Gericht zur freien Meinungsäußerung gezählt wurde - obwohl dies ebenso herabwürdigend war.


Quotemarcel_nrw #15.1

Die Begründung des Gerichts war, dass ein Spitzenpolitiker sich aufgrund seiner Position mehr gefallen lassen muss als Lieschen Müller. Kann man aber auch anders sehen.


[ " ...  Durfte Renate Künast in Kommentaren zu einem Facebook-Post als "Stück Scheisse", "Schlampe", "Drecks Fotze", als "hohle Nuß, die entsorgt gehört" und als "Sondermüll" bezeichnet werden? Im September 2019 beantwortete das Landgericht Berlin diese Frage mit Ja. Nun kommt es zu einem anderen Ergebnis und ändert seinen Beschluss von damals teilweise ab. Die Grünen-Politikerin will von Facebook die Daten der Nutzer, die sie in den Kommentaren zu einem Post wüst beschimpft hatten, um anschließend zivilrechtlich gegen diese Nutzer vorgehen zu können. Facebook ist gesetzlich zur Herausgabe der Daten verpflichtet, wenn die Kommentare strafbar sind - also etwa beleidigend. ...  Neu war für das Gericht auch, dass der Betreiber der Facebook-Seite seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet und "in vielen Presse- und TV-Beiträgen als Prototyp der deutschen 'Fake-News' Szene beschrieben" werde. Zudem sei dem Gericht inzwischen durch ein anderes Verfahren bekannt geworden, dass der Mann "öffentlich Hetze gegen Personen des liberalen bis linken politischen Lagers" betreibe, unter anderem auf einem eigenen Blog. All das rückt die Facebook-Kommentare aus Sicht des Gerichts nun in ein anderes Licht.  Maßgeblich sei nämlich, wie die Kommentatoren den Facebook-Post verstehen durften. Es mache einen "erheblichen Unterschied", ob sie davon ausgehen durften, dass Künast richtig zitiert worden ist. Da den Fans und Followern des Mannes aber der Ruf von dessen Blog bekannt sein dürfte, mussten sie wohl eher davon ausgehen, dass es sich um ein Falschzitat handelte: "Angesichts der für die Nutzer erkennbaren Hintergründe des Posts mussten sich ihnen Zweifel in Bezug auf die Authentizität des weiteren Zitates aufdrängen", heißt es in dem Beschluss. Durch das Falschzitat fehlt den Kommentaren damit jeglicher Bezug einer Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Zwischenruf von Künast während der Debatte von 1986. Im Einzelnen geht das Gericht deshalb nun davon aus, dass die Kommentare teilweise unzulässige Schmähkritik sind - also eine bloße Herabsetzung der Person, keinerlei Auseinandersetzung in der Sache. ..." | https://www.tagesschau.de/inland/kuenast-beleidigung-103.html (21.01.2020) ]

QuotePardier #16

Hier hätte das BVerfG die Menschenwürde als konkurrierendes Schutzgut gar nicht bemühen müssen. Beleidigungen sind bereits vom Grundrecht der Meinungsfreiheit selbst nicht gedeckt, und zwar unabhängig davon, ob sie rassistisch motiviert sind oder nicht; vgl. Art. 5 Abs. 2 GG: "Diese Rechte finden ihre Schranken (...) in dem Recht der persönlichen Ehre."

Auch ein "Sie Volltrottel" berechtigt (nach Abmahnung) zur verhaltensbedingten Kündigung.


QuoteGeai Raison #16.2

Was eine Beleidigung ist, kann man aber nur über die Abwägung mit der ,,Wahrnehmung berechtigter Interessen" herausfinden, was dann wieder geradewegs zum Aufwiegen (manche sagen auch spöttisch: Schaukeln) der Grundrechte führt.

Wenn jemand einen besonders doofen Fehler macht und viel Schaden anrichtet, wird man den wegen des sachlichen Bezugs schon mal straflos als Volltrottel bezeichnen dürfen (müssen).

Etwas anderes ist eine rassistische Beleidigung, die den Persönlichkeitskern und damit die Menschenwürde berührt.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Problemkreis, den die im Medium philosophischer Diskussionen bearbeiteten Konfliktstoffe aus Jerusalem, Makassar und New York bilden, hat sein Gravitationszentrum indes im Kreuzungspunkt von Religion und Politik. Das spannungsvolle Verhältnis von Heilsgewissheit und Lebensform, Glauben und Wissen, Wahrheitsanspruch und Pluralismus, Tradition und Moderne, geschlossenen Weltbildern und offenen Gesellschaften wird in den sorgsam protokollierten Gesprächen zum Hauptthema. Der umsichtige Philosoph sorgt in den Dialogen für die Zufuhr von «Logos», von argumentierender und abwägender Vernunft. Patente Problemlösungen hat er nicht zu bieten – das widerspräche ohnehin dem sokratischen Ethos, das nicht vorsieht, dem Gegenüber das Denken abzunehmen. In der Reinszenierung der Dialoge steht dem nicht selten zu verzeichnenden Verlust an Gewissheiten jedoch ein Gewinn an Klarheit gegenüber – Klarheit über die jeweilige Problembeschreibung.

Zu solcher Klarheit kann auch eine Einsicht beitragen, die sich in den Workshops dank dem theologie- und philosophiegeschichtlich überaus bewanderten Moderator des Öfteren eingestellt zu haben scheint: Auch religiöse Überzeugungen, die sich heute in unbezweifelbarer Glaubensgewissheit abschotten zu können vermeinen, entstammen Traditionen, in denen es «immer schon» eine Vielfalt an Interpretationen, in denen es Differenzen und Diskussionen gegeben hat. Ebendiese Einsicht ist ein Anknüpfungspunkt für den knappen, aber bedeutsamen zweiten Teil des Buches, in dem Fraenkel den philosophischen Ertrag seiner Exkursionen unter der Überschrift «Vielfalt und Debatte» skizziert.

Auf Meinungsverschiedenheiten und Interpretationsdifferenzen in einer religiösen Tradition hinweisen zu können, ist nicht gering zu veranschlagen, wenn es darum zu tun ist, in entspannungspolitischer oder friedensstiftender Absicht Fundamentalisten zu verunsichern. Carlos Fraenkels gedanklicher Fluchtpunkt ist freilich nicht der Begriff des Friedens, sondern – dem philosophischen Impetus entsprechend – derjenige der Wahrheit. Ebendeswegen hält der Autor nichts davon, einem falsch verstandenen Multikulturalismus das Wort zu reden, einem Relativismus, dem alle Ansichten gleich viel oder wenig gelten und der darum auf Gleichgültigkeit hinausliefe. Solcher Indifferenz leistet, wie Fraenkel zu Recht notiert, auch der Laizismus Vorschub, der Glaubensbekenntnisse aus der Öffentlichkeit verbannt und somit der Infragestellung entzieht.

Die Wahrheit allerdings, die Fraenkel meint, ist in niemandes Besitz. Ihr die Ehre zu geben, bedeutet, bereit zu sein, die eigene – für wahr gehaltene – Überzeugung dem Einspruch anderer auszusetzen und sie nicht nur zu verteidigen, sondern gegebenenfalls auch aufzugeben oder zu ändern. Anders und kurz gesagt: Keine Wahrheitsliebe ohne «Debattenkultur». Weil sie sich nur in Kontroversen beweisen kann, heisst solche Wahrheitsliebe die Vielfalt der Standpunkte, Perspektiven und Kulturen willkommen. Um diese Liebe leben zu können, ist zunächst nicht mehr nötig als das Bewusstsein und Eingeständnis der eigenen Irrtumsanfälligkeit, eine Art «Fallibilismus». ...

Zu: Carlos Fraenkel: Mit Platon in Palästina. Vom Nutzen der Philosophie in einer zerrissenen Welt. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Hanser, München 2016. 256 S., Fr. 31.90.


Aus: "Wahrheitsliebe und Debattenkultur: Wenn die Philosophie moderiert" Uwe Justus Wenzel (8.3.2016)
Quelle: http://www.nzz.ch/wenn-die-philosophie-moderiert-1.18708062


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#5
[...] ...

QuoteFeldkaplan #13

"Bürgermeister wegen Plänen für Flüchtlingsunterkunft niedergeschlagen"

Der Zusammenhang liegt auf der Hand, dennoch sollte die Zeit der Ordnung halber die Ermittlungsergebnisse der Polizei abwarten.


QuoteYvi155 #1

Und langsam aber sicher wandelt sich die Gesellschaft. Frauen, denen in Berlin das Kopftuch vom Kopf gerissen wird, Kinder, die mit "Scheiss Ausländer" beschimpft werden, ein Bürgermeister, der Menschen helfen will und niedergeschlagen wird. Die Liste lässt sich endlos fortsetzen. Wenn das die Werte sind, die wir angeblich so dringend vor den "eindringenden Horden" verteidigen müssen, dann frage ich mich, ob ich die letzten 33 Jahre meines Lebens in einer Parallelgesellschaft aufgewachsen bin. Und ich frage mich, von wem die eigentliche Bedrohung der Gesellschaft ausgeht.


QuoteMi Asin #1.2

Ihr kommentar ist ausdruck einer tragoedie: ihre eigene kanzlerin hat ihr land tief gespalten.


Quote
Manfred der Erste #1.131

Was für ein absoluter geistiger Blindflug! Hier wird Gewalt doch glatt relativiert und die Schuld an dieser, der Frau Merkel gegeben. Irre.


Quoteeschwenk #1.125

Egal wie man zu anderen Kulturen steht, jemanden niederzuschlagen ist nicht zu entschuldigen und disqualifiziert einen vollständig für die weitere Teilnahme an der Debatte. Punkt.


Quote
christianbln07 #1.136

Deutschland findet zu sich selbst zurück? Nein. Es gab ihn immer schon diesen rassistisch-nationalistischen Mob, der auch vor Gewalt nicht zurück schreckt. ... Das Neue ist, daß plötzlich alle so unglaubliches Verständnis für die "Ängste" der angeblichen Bevölkerung aufbringen. Wer diese "Ängste" versteht, versteht auch warum Bomben gezündet werden und Politiker niedergeschlagen werden. Das Problem sind nicht die 15-20 % AFD Sympathisanten, sondern daß sie die Debatte diktieren und als d i e Bevölkerung wahr genommen werden.


...

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Kommentare zu: "Oersdorf: Bürgermeister wegen Plänen für Flüchtlingsunterkunft niedergeschlagen" (30. September 2016)
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2016-09/oersdorf-buergermeister-fluechtlinge-attacke

http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Segeberg/Oersdorf-Sniper-verstoerte-mit-Drohbriefen

http://www.kn-online.de/News/Nachrichten-aus-Segeberg/Erneut-Bombendrohung-gegen-Bauausschuss-in-Oersdorf


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#6
QuoteDas Aushalten der Widersprüche als Gegenbewegung zum ermüdenden Recht haben Wollen.

Oktober 10, 2019 | muetzenfalterin, Quelle: https://muetzenfalterin.wordpress.com/2019/10/10/6-5/


-

Quote[...] Der islamkritische jordanische Journalist Nahed Hattar, der in seiner Heimat mit einer Karikatur für einen Aufschrei sorgte, ist in der Hauptstadt Amman erschossen worden. Der Täter feuerte am Sonntag außerhalb eines Gerichtsgebäudes drei Schüsse auf den 56 Jahre alten Schriftsteller und Aktivisten ab, wie die staatliche Nachrichtenagentur Petra berichtete. Nach Angaben des arabischen Senders Al-Arabija war Hattar am Sonntag auf dem Weg zu seinem eigenen Prozess, als er ermordet wurde. ...


Aus: "Islamkritischer Journalist erschossen" (25.09.2016)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/medien/jordanien-islamkritischer-journalist-erschossen-14452260.html


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Quote[...] Am Ende war der grosse Wiener Wortführer sprachlos. Oder er wollte zumindest so tun. Mit dem Satz «Mir fällt zu Hitler nichts ein» hat Karl Kraus ein Zögern begründet, das in scharfem Kontrast zu seiner sonstigen Streitlust stand. Die anbrechende «Walpurgisnacht» des «Dritten Reichs» war der Schockmoment, in dem nichts weiter gesagt werden konnte.

Heute ist es gerade dieses Thema, zu dem die Mediokren unter den Meinungsträgern greifen, wenn es darum geht, sich um Kopf und Kragen zu reden. Der Pressesprecher des amerikanischen Präsidenten, Sean Spicer, hat kürzlich vorgemacht, wie das geht. Seine Ansicht zum Einsatz von Giftgas unter Hitler war weder durch historische Kenntnis noch durch politische Vernunft gesichert, aber sie war Teil eines Phänomens, wie man es nicht nur aus dem Amerika Donald Trumps kennt. Auf die Botschaft selbst kommt es kaum noch an. Die Meinung ist nur die Trägerrakete jener Nebelpetarden, die politische Konturen unsichtbar machen.

In diesem Sinn gilt: Je mehr Meinung, umso weniger Klarheit. Es füllen sich die Medien, Foren und Blogs mit Ansichten, während echte Debatten kaum noch auszumachen sind. Es ist nicht allein die Schuld der Intellektuellen, dass sie im donnernden Chor der Kommentare an Autorität verloren haben. Denn es gibt ein strukturelles und hierarchisches Problem. In der globalisierten Welt ist für jene thematische Unübersichtlichkeit gesorgt, die der Furor neuer Diskussionskanäle noch einmal überbietet. Dass beides auf höchst komplexe Art miteinander verbunden ist, kann nicht übersehen werden.

Es gehört zur Debattenkultur, dass sie über lange Zeit fixe Fluchtpunkte hatte. Themen, über die sich streiten liess, weil sie aus den Erfahrungen einer gemeinsamen historischen Topografie kamen. Und so haben Krieg und Holocaust, Nationalsozialismus und Marxismus mindestens bis 1989 die Folie geliefert, vor der hitzige intellektuelle Gefechte über die staatspolitische, die gesellschaftliche und die moralische Neudefinition Europas nach 1945 stattfinden konnten. Mit den Verbrechen des «Dritten Reichs» war der Anwendungsfall für fundierte Diskurse gegeben, wie sie noch über Martin Walser und seiner Rede in der Frankfurter Paulskirche zusammenschwappten. Und auch davor: von der restaurativen Adenauer-Zeit und den Studentenrevolten der sechziger Jahre über den Deutschen Historikerstreit bis zur Affäre Waldheim.

Hinzu kamen zeittypische Ausdifferenzierungen, die nie ganz von den vorangegangenen prekären europäischen Erfahrungen zu trennen waren: der Terror der RAF oder die Debatten um Nato und Nachrüstung; Berufsverbot, Radikalenerlass oder der Wiener Brecht-Boykott. Es mag kurios erscheinen, wie erbittert früher über Details gestritten wurde, während heute ein Grossprojekt wie die Europäische Union kaum in den Fokus der Diskussionen gerät.

Wenn es darum hier eine eher monologische Form des Meinens gibt, dann hat das vielleicht auch mit ganz grundsätzlich veränderten intellektuellen Milieus zu tun. Sie sind ausdifferenzierter und haben sehr spezielle politische Seelenwanderungen hinter sich. Navid Kermani, Peter Sloterdijk, Robert Menasse oder Jürgen Habermas agieren kaum auf derselben rhetorischen Bühne. Und der an die unbedingte Macht des Wortes glaubende Botho Strauss bespielt überhaupt ein Rednerpult für sich.

Diesen Befund hat in den achtziger Jahren schon der französische Philosoph Jean-François Lyotard diagnostiziert und darum der Idee eine Absage erteilt, dass Künstler und Intellektuelle durch ihre Statements etwas bewirken können. Es gebe keinen Adressaten dafür, jeder Gedanke, jedes Werk sei nicht mehr als eine in die Wüste geschickte Botschaft. Zur gleichen Zeit hat in Deutschland Hans Magnus Enzensberger festgestellt, dass Geist und Macht dabei sind, einander in die Arme zu sinken.

Wo die Politik das gesellschaftliche Gedächtnis ideologisch verwaltete, waren engagierte Intellektuelle über lange Zeit eine natürliche Kontrollinstanz. Von links bis rechts: Ideologie war ihr Spezialgebiet, und die Ideologiekritik Teil ihres Portfolios. Mitten durch alle politischen Milieus gingen die Gräben, und das befeuerte noch einmal die Debatten in der Zeit des beginnenden gesellschaftlichen Bedeutungsverlusts. Günter Grass gab sich als linker Pragmatiker der Staatsmacht, während sein Kollege Hans Magnus Enzensberger lange Basis-Utopist geblieben ist.

Weit ist der Weg von den ideologischen Stellungskriegen der siebziger und achtziger Jahre bis in die Gegenwart einer vorzugsweise pragmatischen Politik, die auf globale Prozesse Rücksicht nehmen muss. Die Praxis ist die grösste Herausforderung für den Theoretiker, und dass es für neue Erfahrungen wie den aggressiven Islamismus im kulturellen und im historischen Gedächtnis keine Referenzgrössen gibt, macht die Arbeit der diskursbereiten Elite nicht gerade leichter.

Zu alledem kommt die Krise in einem Bereich, der über viele Jahre symbiotisch mit politischen oder sozialen Debatten verbunden war. Mit dem Begriff der «Leitmedien» hat sich eine Branche selbst geadelt, die um ihre Wirkung wusste. Wenn heute noch von einem Leitmedium gesprochen werden kann, dann ist das am ehesten Twitter. Mit allen seinen Folgen. Wer braucht noch Debatten, wenn es doch überall Meinung gibt? In der Entropie des Meinens schwindet die Fähigkeit zum qualifizierten Diskurs. Die Betriebstemperatur der neuen Medien muss nur entsprechend hoch gehalten werden.

Mit ihnen sind die Möglichkeiten, Meinungen zu äussern, ebenso vervielfacht, wie das Publikum immer grösser wird, das von diesen Meinungen erfährt. Die Debatten haben sich demokratisiert, weil es keine Hürden beim elektronischen Zugang zur Öffentlichkeit gibt. Und so findet jede intellektuelle, politische oder soziale Flughöhe ihren Platz im elektronisch-egalitären Äther der Selbstdarstellung. Der Präsident der Vereinigten Staaten ebenso wie die Katzen-Content-Poster oder der Mann, der ein Video seines Hassverbrechens auf Facebook hochlädt.

Die neuen Medien entstehen erst aus dem Input der Nutzer, und so verändern sie mit der Lage des Meinens mitunter auch ihre eigene Gestalt dramatisch. Es sind morphologische Veränderungen, wie sie die klassischen Medien nicht kennen. Kein Printmedium und auch kein altgedientes elektronisches Medium wird durch die algorithmischen Ausschläge seiner Nutzer gewissermassen stündlich neu erfunden.

Diese Transformation der publizistischen Landschaft hat auch Auswirkungen auf die Debattenkultur. Was Substanz haben will, braucht einen Ort, an dem es sich unter berechenbaren Bedingungen diskutieren lässt. Es braucht thematisch verbindliche Fluchtpunkte, von denen aus historisch, soziologisch oder ökonomisch argumentiert werden kann. Es braucht Konsistenz statt Kontingenz.

Wie zusammenhängende Argumentation systematisch unterlaufen werden kann, macht Donald Trump als amerikanischer Präsident gerade vor. Es gibt eine innere Synergie zwischen den erratischen und nicht auf Konsistenz angelegten Tweets von Donald Trump und der Kontingenz des Systems Twitter. Mit seinen aus der Hüfte geschossenen Meldungen hat Trump das Medium okkupiert. Wie sehr seine Form der Aufmerksamkeitslenkung die amerikanische Diskurslandschaft verändert hat, zeigt sich darin, dass der Präsident sein Hase-und-Igel-Spiel mit der Presse bis jetzt fast nach Belieben treiben kann.

Doch es gibt Hoffnung: Die amerikanischen Medien besinnen sich auf alte Primärtugenden. Auf Genauigkeit und Ausführlichkeit. Mit ihrer grossen Diskursfreudigkeit haben sich Portale wie «Politico» innerhalb kürzester Zeit zum entschleunigenden Korrektiv des offiziellen politischen Washington entwickelt.

Ganz allgemein ist Entschleunigung angebracht. Bruno Kreisky, Österreichs ehemaliger Bundeskanzler, war ein beherzter Debattierer, der die Nähe zu den Intellektuellen des Landes keineswegs scheute und ihnen jedenfalls auf Augenhöhe begegnete. Dieser Kanzler hat viele seiner Sätze mit der Formel «Ich bin der Meinung . . .» begonnen. In der kaum überbietbaren Langsamkeit, mit der er das sagte, war zu spüren, dass es für die Meinungsbildung vor allem eines braucht: Zeit.


Aus: "Debattenkultur: Das schwierige Geschäft der Intellektuellen in Zeiten der Unübersichtlichkeit" Paul Jandl (3.5.2017)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/debattenkultur-das-schwierige-geschaeft-der-intellektuellen-in-zeiten-der-unuebersichtlichkeit-ld.1288718

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Über den Zustand der Debattenkultur wird nicht nur in Deutschland geklagt, dort aber besonders gern. Die einen finden, es werde in der Öffentlichkeit zu wenig und zu leisetreterisch disputiert, die anderen, es werde zu laut und zu gehässig gestritten. Hier werden Sprechverbote angeprangert, da werden Enthemmungen, Beleidigungen und Hassreden registriert. Wer sich nicht kopflos ins Handgemenge der wechselseitigen Beschuldigungen stürzt, wird Indizien sammeln können, die sowohl für die eine wie für die andere Wahrnehmung oder Ansicht sprechen.

Die Gefahr, den Kopf zu verlieren, nimmt für Diskutanten (in welcher Diskussion auch immer) ab, wenn sie ein Auge auf das Hin und Her des Wortwechsels selbst haben, auf die Redefiguren, Argumente und Scheinargumente, die ins Feld geführt werden. Wer derlei Aufmerksamkeit schenkt, muss nicht zum Berufsstand der Diskurspolizisten gehören. Ein Sinn für politisch Tunliches und Untunliches schadet zwar nicht, im Gegenteil; doch nötig ist zuvörderst ein Sinn für das, was logisch – argumentationslogisch – korrekt ist.

Wer diesen Sinn schärfen möchte, wer sich wappnen will, um Fehlschlüsse und Scheinargumente im politischen Schlagabtausch zu entlarven oder auch zu vermeiden, dem bietet sich seit kurzem eine «Logik für Demokraten» an, die als Logik der Redepraxis herkömmlicherweise «Dialektik» hiesse.

Geschrieben von dem Philosophen Daniel-Pascal Zorn, Jahrgang 1981, fokussiert das Buch zunächst auf die politische Rhetorik, die derzeit am meisten zu reden gibt, auf den Populismus. Populismus freilich verstanden als Argumentationsweise – als eine Form des Denkens und Sprechens, die verschiedenste weltanschauliche Inhalte haben könne, die aber durch eine gleichbleibende Grundstruktur geprägt sei: Es werde beansprucht, für «das Volk», das «ganze» Volk zu sprechen, und zwar exklusiv. Ein solcher Alleinvertretungsanspruch sei eine «dogmatische Setzung», mit der Populismus als Denkform beginne.

Aus der Verabsolutierung der eigenen politischen Position sieht Zorn sodann alles Weitere hervorgehen: ein Schwarz-Weiss-Denken, das dazu tendiert, sich gegen Infragestellungen zu immunisieren, und das, um sich durchzusetzen, vor Fehlschlüssen wie auch selbstwidersprüchlichen Behauptungen nicht zurückschreckt. (Die einzelnen Bestandsstücke dieser Logik des Unlogischen sind in einem Glossar katalogisiert und erklärt.) Dem Drang zum Totalitären, den er in allem populistischen Denken am Werke sieht, widmet der Autor einen eigenen, den mittleren Teil seines mit munterer, aber nicht übermässig eleganter Feder verfassten Buches; darin wendet er das Thema Verabsolutierung der eigenen Perspektive eher überraschend – und ebenso spekulativ wie plakativ – ins Menschheitsgeschichtliche, Anthropologische.

Das «demokratische Denken», das der abschliessende Teil im Kontrast zum populistischen konturieren soll, hat seinen Sitz im Leben laut Zorn in der «gemeinsam geteilten Redesituation» – und nicht etwa in einer Wesenheit namens «Volk». Diese Situation scheint für den Philosophen so etwas wie der Demokratie-Prozessor zu sein. Der nicht unbekannte Grundgedanke, den er sich bei der Diskursethik ausleiht, besagt: Jeder, der in einer Gesprächssituation das Wort ergreift, beansprucht – schlicht dadurch, dass er redet – Geltung für das Gesagte.

Dieser Anspruch verpflichtet, und zwar nicht zuletzt, sondern zuallererst den, der ihn – ob er will oder nicht – erhebt; er verpflichtet ihn, das Gegenüber ebenso ernst zu nehmen, wie er von ihm ernst genommen werden will. Und er verpflichtet dazu, für Behauptungen Gründe zu liefern, Rede und Antwort zu stehen. Darum sind die beiden elementarsten Grundsätze der Argumentationspraxis, die in jeder Redesituation als Forderung gewissermassen mitschwingen, das Prinzip der auszuschliessenden «dogmatischen Setzung» und das des zu vermeidenden Widerspruchs oder Selbstwiderspruchs.

Wie Karl-Otto Apel, der kürzlich verstorbene Diskursethiker, nennt Zorn diese aller Wechselrede innewohnende Verpflichtung zur Begründung «unhintergehbar». Soll heissen: Niemand entkommt ihr. Wer die Verpflichtung bestreite, widerspreche sich selbst, da sein Nein ebenjenen Geltungsanspruch erhebe, der nur als wechselseitig anerkannter Bestand haben kann. Wer aber in Anspruch nimmt, was er verneint, bekräftigt auf diese Weise gerade das, was er aushebeln will.

Das ist praktisch, hilft aber dann kaum, das Niveau der Diskussion zu heben, wenn der, der sich da «unlogisch» verheddert, gar nicht merkt, dass er es tut – oder wenn ihn die in Aussicht gestellte logisch-moralische Nichtigkeit aller Versuche, sich der Rechenschaftspflicht zu entziehen, gerade dazu reizt, es zu tun. Anders und ein wenig überspitzt gesagt: Dummheit und Trotz setzen der Möglichkeit des vernünftigen Gesprächs – trivialerweise – Grenzen. Keine reale Sprechsituation ist die ideale.

Ist die «Logik für Demokraten», die eine «Anleitung» sein will, mithin tatsächlich und nur eine für die, die bereits Demokraten sind? Zorn sieht das anders. Sein Buch richtet sich nicht nur an bekennende Demokraten, die sich in Argumentationskunst üben wollen; es möchte auch die ansprechen, die sich «von der Demokratie abgewandt haben, und diejenigen, die noch nicht genau wissen, ob sie sich für die Demokratie entscheiden sollen». Dem korrespondiert Daniel-Pascal Zorns optimistisches Credo: «Vernunft verteidigt sich selbst – und Unvernunft schlägt sich selbst.»

Realistischer könnte eine andere, erstmals 1997 erschienene (unlängst in neunter Auflage erneut gedruckte) Anleitung sein, nämlich Hubert Schleicherts «Anleitung zum subversiven Denken», die den schönen Titel trägt: «Wie man mit Fundamentalisten diskutiert, ohne den Verstand zu verlieren». Der Autor hat sein Buch offenkundig nicht für Fundamentalisten, sondern für Verständige verfasst, die in einem verbalen Schlagabtausch bestehen wollen.

Ein Fanatiker sei durch Argumente schwer zu beeindrucken, heisst es an einer Stelle. Dessen «Widerlegung» sollte darum nicht das Ziel des Aufklärers sein. Es gelte vielmehr, dazu beizutragen, dass dessen «glühende Ergüsse» nicht mehr auf Interesse stiessen bei denen, die noch nicht (oder nur wenig) von Fanatismus befallen seien. Apropos subversiv: Über Unsinn zu lachen, kann bisweilen erfolgreicher sein, als dem, der ihn verzapft, nachzuweisen, dass er gegen eine «unhintergehbare» Regel des Argumentierens verstossen hat.

Daniel-Pascal Zorn: Logik für Demokraten. Eine Anleitung.
Klett-Cotta, Stuttgart 2017



Aus: "Debattenkultur: Schlägt die Unvernunft sich selbst?" Uwe Justus Wenzel (6.6.2017)
Quelle: https://www.nzz.ch/feuilleton/debattenkultur-schlaegt-die-unvernunft-sich-selbst-ld.1299334


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Streitkultur erfahren Kinder in ihrer engsten Umgebung – auch von Freunden. Unablässig ist, dass Kindern vorgelebt wird, dass Streiten auch ohne verletzende Schimpfworte und mit rücksichtsvollem Verhalten geschehen kann. Allen Beteiligten muss klar sein, dass Konflikte ausgetragen und Lösungen gefunden werden müssen. Jedoch muss dem Kind vermittelt werden, dass durch einen Streit die Beziehung zwischen den Streitparteien nicht infrage gestellt wird und Eltern ihr Kind dennoch lieben. Das Kind muss außerdem lernen, dass nicht jeder Streit gewonnen werden kann, dass man nicht untergriffig werden muss – das hilft dabei zu vermitteln, einen Konflikt fair austragen zu können.

Es macht einen großen Unterschied, ob Erwachsene miteinander, Kinder untereinander oder Eltern mit Kindern streiten. Zuallererst ist wichtig, dass sich Eltern und Bezugspersonen ihrer Rolle als Erziehende bewusst sind. Kinder brauchen ein klares Gegenüber. Das heißt, dass Eltern und Bezugspersonen dem Kind ermöglichen, den Konflikt auszutragen – und ihm dabei gleichzeitig Halt bieten können. Damit ist gemeint, dass ein Kind selten erwachsene Streitstrategien parat hat. Es kann also nichts mit Sarkasmus und Ironie anfangen. In diesem Punkt sind die Erwachsenen den Jüngeren überlegen. Manche Erwachsene greifen auch dazu, dem Kind ein schlechtes Gewissen zu machen. Auch dies ist nicht hilfreich für ein Kind, das gerade dabei ist, eine vernünftige Streitkultur zu erlernen. Aber es darf schon mal laut werden bei einem Streit. Und er muss auch ein Ende haben. Dieses kann bei kleineren Kindern auch in Aussicht gestellt werden. Streit ist ein ziemlich umfassender Begriff, jedoch sollte in einer Familie für viele Facetten der Auseinandersetzung Raum sein. Kinder, die gelernt haben, sich ohne Konsequenzen bei Meinungsverschiedenheiten zu äußern, lernen auch, wann es klüger ist, sich zurückzuhalten oder auf Konfrontation zu gehen.

Streiten Sie als Eltern vor Ihren Kindern, oder verschieben Sie die Klärung von Meinungsverschiedenheit auf später, wenn die Kinder schon schlafen? ...

Quote
marc bygones

Ich streite nie. Ich hab einfach recht.



Quote
clementinchen

Nachdem beide Töchter ein paar Wochen lang gleichzeitig eine Trotzphase durchgemacht haben, habe ich mich schon darauf gefreut sie im Fasching als Wut-Mob zu verkleiden. WIR SIND DAS VOLK, WIR SIND DAS VOLK! Mit Schildern und allem drum und dran.

Mittlerweile hat Tochter 2 die schlimmste Wutphase hinter sich und leistet jetzt eher passiven Widerstand. Muss ich halt umdisponieren.

Kind 1 geht als Kinsky und Kind 2 als Dampfer.


Quote
so gesehen

Meine 8-jährige hat sich mittlerweile den zynischen Unterton von mir angeeignet. Was es nicht leichter macht für mich... bin ich nun stolz oder bringt es mich weiter auf die Palme? Bisher war der gegenseitige Zynismus von Kind 1 und mir meistens das Ende des Streits, weil dann der Papa mit herzhaftem Lachen reagiert hat.


Quote
kritik landet-im-spam.at

Ich finde es essentiell, dass, wenn man sich vor den Kindern streitet, sich auch vor ihnen wieder verträgt und ausspricht. So wissen sie, dass alles wieder in Ordnung kommen kann, auch wenn man streitet.

Als ich ein Kind war, wurde nie vor uns gestritten, nur "heimlich" am Abend oder im Schlafzimmer und wer glaubt, das bekommen Kinder nicht mit, täuscht sich sehr. Da wäre mir das Vorleben von Streit und Versöhnung um einiges lieber und lehrreicher gewesen.


Quote
EUphoriker

Mit pubertierenden soll man sinnvoll streiten können?

Es geht beim Streiten nicht bloß um die Rationalität (eigentlich gehts darum nie), es geht beim Streiten mit Kindern vorallem auch um Spiel und Entwicklung. Kinder wollen Streiten um es zu lernen

Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch! Nein! Doch!


...


Aus: "Wie wichtig Streiten für ein Kind ist Blog" ANDREA LEIDLMAYR, CHRISTINE STRABLEG (20. Oktober 2017)
Quelle: https://derstandard.at/2000066256113-5441/Wie-wichtig-Streiten-fuer-ein-Kind-ist


Textaris(txt*bot)

#10
Quote[...] Es lag etwas Doppelbödiges in meiner Haltung: eine Lust daran, nicht verstanden zu werden, ein elitäres Sich-Entziehen. ... Dass meine damaligen Sichtweisen in erheblichen Teilen irrational und argumentativ inkonsistent blieben, war mir nicht nur bewusst, ich sah darin auch eine Stärke. Die Überbetonung der Vernunft durch die Aufklärung betrachtete ich als eine Sackgasse. ... Kants Forderung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, um sich aus der "selbstverschuldeten Unmündigkeit" zu befreien, mündet bei  Nietzsche im 28. Kapitel des Zarathustra in der Frage: "Frei wovon? Was schiert das Zarathustra! Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu?" Nietzsche formuliert hier den Pferdefuß der Aufklärung: Soll ich mir tatsächlich selbst Maß und Richtung geben? Alles selbst überprüfen? Und worauf soll ich mein Leben gründen, wenn Tatsachen und Fakten nicht als ewig gültige Wahrheiten, sondern als vorübergehende Behelfe betrachtet werden, die nur innerhalb der Grenzen unseres Erkenntnisapparates (siehe Kant), der jeweiligen geschichtlichen Situation (siehe Hegel) und der Sprache (siehe Wittgenstein) gelten?
Manche Menschen fühlen sich durch die Forderung der Aufklärung und den aus ihr erwachsenden Relativismus eher verunsichert als befreit. Und manche Menschen nutzen diese Verunsicherung und die scheinbare Beliebigkeit der Weltdeutung kreativ, um sich ihre eigene Wahrheit zu schaffen: einen dem Nihilismus abgetrotzten Glauben.

... Tatsächlich wollen viele Rechtsextreme ... gar keine aus ihrer Sicht bessere Welt schaffen. Sie wollen lebenslang von einer verlorenen goldenen Vergangenheit träumen oder noch einmal eine pompöse finale Schlacht kämpfen, um ruhmreich unterzugehen. Verlustgefühl und Weltuntergang sind ihr Geschäft.  Und wie die Zeugen Jehovas argumentieren Rechtsextreme vor dem Hintergrund ewiger, nicht begründbarer Glaubenswahrheiten.

... Rechtsextreme glauben nicht ans Argumentieren, sondern an Stärke, die sich allein in sich selbst begründet. ... Die aufklärerische Vorstellung von Rationalität und diskursiver Begründung ist ja genau das, was die Rechten als "dekadent" zurückweisen. Im Kern sind Rechtsextreme religiös und stellen die eigene Gefühlswelt über jedes Argument.

... Mein Abfall vom rechten Glauben kam schließlich nicht durch einen Debattierclub zustande. Das Ende kam, als ich mich manisch verliebte. Ich fieberte nach einer Frau, die ich kaum kannte, und das Gefährlichste geschah: Sie kam mit mir zusammen. Ich erlitt einen Zusammenbruch. Meine Panzerung flog mir mit einem Knall um die Ohren, dessen Echo ich bis heute höre.

...

Quote
Wuselnator
#25

Respekt an den Autoren. Sich selbst so zu hinterfragen ist unglaublich schwierig.


Quote
Dogwalker
#22

Auch wenn es nur in einem Halbsatz angerissen wird, scheint es mir doch eine (!) Erklärung für rechtsextremes Gedankengut und Verhalten - ein latentes Minderwertigkeitsgefühl, welches durch Phantasien von Stärke und Überlegenheit kompensiert werden muss. Das gilt mit Abstufungen auch für Islamisten und Linksextreme, wobei die Kompensation dort durch den Anspruch auf religiöse bzw. intellektuelle Überlegenheit erfolgt. ...



...



"Rechtspopulismus: Eigentlich waren wir religiös" Anselm Neft (25. November 2017)
Wie soll man mit Rechten umgehen? Argumente blocken sie ab, sagt unser Autor, der früher selbst ein Rechter war. Er empfiehlt das Schwierigste überhaupt: Menschlichkeit.
Quelle: http://www.zeit.de/kultur/2017-11/rechtspopulismus-rechtsextremismus-debatte-reden-anselm-neft

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ähnlich wie schon Didier Eribon mit seiner Rückkehr nach Reims kommt es Wagner mit seinem Buch darauf an, daß linke Politik wieder mehrheitsfähig wird. Geschieht dies nicht, bleibt diese Politik, wie bisher, in ihrer Blase, und so wird sie Wahlniederlage um Wahlniederlage einfahren. Da nützt alles Moralisieren und da nützt der Emckesche Pastorengestus nichts.

Um solche Transformation zu schaffen, ist es geboten, sich mit rechten Bewegungen auseinanderzusetzen – was bedeutet, ihre Positionen und ihre Geschichte zu kennen. So wie die Identitäre Bewegung linke Protestformen kaperte und kopierte.

,,Wenn die Linke sich darauf besinnt, dass sie tatsächlich über die besseren Mittel zur Analyse der gesellschaftlichen Wirklichkeit verfügt und wenn sie sich bemüht, ihre Erkenntnisse und Lösungsvorschläge so zu formulieren, dass sie auch von Nichtakademikern verstanden werden, hätte sie auch in der Auseinandersetzung mit einem Götz Kubitschek oder mit einem Marc Jongen wenig zu fürchten. Eine hart geführte Diskussion, eine argumentative Auseinandersetzung mit Leuten wie ihnen wäre keine ,Kapitulation vor dem Bösen', wie viele Linke zu meinen scheinen, sondern der Ausweis einer demokratischen Streitkultur, von der auch die fortschrittlichen Kräfte – etwa durch Schärfung ihrer Position, dem Kennenlernen ihnen unvertrauter Gesichtspunkte und Perspektiven – profitieren könnten." (Thomas Wagner, Die Angstmacher)

Thomas Wagner: Die Angstmacher, Klappenbroschur, 352 Seiten, Aufbau Verlag 2017, 978-3-351-03686-7


Aus: "Theorie, die praktisch wird. Thomas Wagner ,,Die Angstmacher"" Bersarin (23. November 2017)
Quelle: https://bersarin.wordpress.com/2017/11/23/theorie-die-praktisch-wird-thomas-wagner-die-angsmacher/

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Quote[...] Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) haben bei einem Treffen ihren Streit über den Unkrautvernichter Glyphosat erörtert. Der Dissens sei damit zwar nicht aus der Welt, sagte Hendricks der Passauer Neuen Presse, "aber wir sind uns einig, dass wir kollegial miteinander umgehen wollen". Hendricks hatte Schmidt ins Umweltministerium eingeladen, nachdem er Morddrohungen erhalten hatte. Schmidt sagte: "Die teilweise völlig entgleiste Art der Diskussion ist für mich erschreckend."

Zuvor hatte die Bild-Zeitung über Drohungen und Beleidigungen gegen den Minister berichtet. Deswegen sei seine Facebook-Seite temporär vom Netz genommen worden, teilte das Fürther Wahlkreisbüro mit. Hendricks bezeichnete die persönlichen Angriffe auf Schmidt als unerträglich. Sie verstehe zwar, dass das Thema Glyphosat viele Menschen bewege, "aber die Auseinandersetzung muss zivilisiert bleiben".  ...




Aus: "Glyphosat: "Entgleiste Diskussion ist erschreckend"" (30. November 2017)
Quelle: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-11/glyphosat-barbara-hendricks-christian-schmidt

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Quote[...] Nach der Messerattacke auf den Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, hat der Beschuldigte noch nicht ausgesagt. ,,Er lässt sich anwaltlich vertreten und hat bislang keine Aussage gemacht", sagte ein Sprecher der Polizei in Hagen am Mittwochmorgen. Gegen den 56 Jahre alten Mann war am Dienstag Haftbefehl wegen versuchten Mordes erlassen worden.

Hollstein war am Montagabend in einem Imbiss in der sauerländischen Kleinstadt mit einem Messer attackiert und leicht am Hals verletzt worden. Er erlitt nach Angaben der Polizei eine etwa fünf Zentimeter lange Schnittwunde. Der Angreifer hatte laut Staatsanwaltschaft ein fremdenfeindliches Motiv.

... Der WELT sagte Hollstein, der Angreifer habe ihn vor der Attacke für seine persönliche Situation verantwortlich gemacht und gesagt: ,,Ich verdurste, und du holst 200 Flüchtlinge in die Stadt." Ihm sei wohl das Wasser abgestellt worden. ...

Die Ermittler gehen nach ersten Erkenntnissen von einer spontanen Tat des arbeitslosen Maurers aus. Er sei angetrunken gewesen und habe erst in dem Döner-Grill bemerkt, dass der andere Kunde der Bürgermeister war.


Aus: ",,Er hat sein Leben verpfuscht" – Bürgermeister hat Mitleid mit Täter" (29.11.2017)
Quelle: https://www.welt.de/politik/deutschland/article171071615/Er-hat-sein-Leben-verpfuscht-Buergermeister-hat-Mitleid-mit-Taeter.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...]  Immer mehr Menschen empfinden in letzter Zeit, daß unsere Gesellschaft gespalten ist. Man meint zwei ,,Fronten" wahrzunehmen, die oft mit den althergebrachten Bezeichnungen ,,die Rechten" und ,,die Linken" benannt werden.
In vielen Diskussionen (nicht zuletzt auch hier im Blog) scheinen diese beiden ,,Fronten" einander unversöhnlich gegenüberzustehen: man wirft reflexartig mit stereotypen Argumenten hin- und her, findet allerlei despektierliche Bezeichnungen füreinander oder macht dem jeweiligen Gegner Therapievorschläge - - - bis man sich schließlich frustriert voneinander abwendet und jeweils die eigenen Vorurteile (daß man eben mit ,,denen" nicht wirklich reden kann) bestätigt findet.

Dazu sind vor kurzem zwei sehr unterschiedliche Bücher 1) erschienen, die – jeweils von ihrem Standpunkt aus – versuchen, ein wenig Farbe in dieses traurige Schwarz-Weiß zu bringen. Ich habe alle beide mit großem Vergnügen gelesen:
Während die Linke andauernd von »Vielfalt« redet, will sie von echten, konkreten Unterschieden zwischen Menschen nichts wissen – seien diese kultureller, religiöser, biologischer, ethnischer, nationaler, geschlechtlicher oder politischer Art, auf der individuellen ebenso wie auf der kollektiven Ebene. Ihre Vorstellung von »Buntheit« und »Vielfalt« nennen wir das »Smarties-Dogma«: Ein »Smartie« ist eine Schokolinse mit einem knallbunten Zuckerguß; unterhalb dieser Schicht bestehen jedoch alle Smarties aus der gleichen Schokolade.
(MLL S 62)

... Martin Lichtmesz und Caroline Sommerfeld formulieren das in ihrem Buch »Mit Linken leben« (MLL) auf ihre Weise (und lassen ahnen, daß es ihnen nicht nur um Unterschiede zwischen individuellen Menschen geht, sondern auch um Gleichheiten innerhalb gewisser Menschengruppen) ...
QuoteWährend die Linke andauernd von »Vielfalt« redet, will sie von echten, konkreten Unterschieden zwischen Menschen nichts wissen – seien diese kultureller, religiöser, biologischer, ethnischer, nationaler, geschlechtlicher oder politischer Art, auf der individuellen ebenso wie auf der kollektiven Ebene. Ihre Vorstellung von »Buntheit« und »Vielfalt« nennen wir das »Smarties-Dogma«: Ein »Smartie« ist eine Schokolinse mit einem knallbunten Zuckerguß; unterhalb dieser Schicht bestehen jedoch alle Smarties aus der gleichen Schokolade.
(MLL S 62)

Per Leo, Maximilian Steinbeis und Daniel-Pascal Zorn (die sich selbst allerdings ausdrücklich nicht als »Linke« sehen, sondern als »Nicht-Rechte«) verfolgen in ihrem Buch »mit Rechten reden« (MRR) einen anderen Ansatz:
QuoteWir begreifen, so viel sei verraten, als »rechts« keine eingrenzbare Menge von Überzeugungen oder Personen, sondern eine bestimmte Art des Redens. [...] Fast alle »rechten« Phänomene, mit denen wir es derzeit zu tun haben, lassen sich als Formen der Rede auffassen, genauer gesagt: der reaktiven Rede. Der rechte Diskurs reagiert auf eine demokratische Öffentlichkeit in der Krise.
Die strukturelle Dummheit von Talkshows und Meinungsforschung, eine von der Ausnahme zur faktischen Norm erhobene Große Koalition und das Internet als Medium der Meinungsbildung haben eine Diskussionskultur geschaffen, die sich vor allem durch zwei Merkmale auszeichnet: Nervosität und Erwartbarkeit. Und damit haben sie den Nährboden für Sprechweisen bereitet, die vor allem einen Zweck verfolgen: Störung. 
(MRR S 10f)


Die MLL-Autoren stimmen dieser Schlußfolgerung ganz unverhohlen zu – in ihrem abschließenden »Tugendkatalog« heißt es:
Quote6. Es ist nicht die Hoheit über den Diskurs erstrebenswert, sondern seine Zerstörung!
(MLL S 318)

Es ist nicht meine Absicht, in diesem Aufsatz zu untersuchen, welches der beiden ,,Lager" mit seinen politischen Vorstellungen inhaltlich recht hat – ob »rechts richtig und links giftig« ist, wie es in MLL heißt, oder ob es sich genau umgekehrt verhält (einige Gedanken dazu seien einem künftigen Aufsatz vorbehalten).
Ich werde vielmehr einzelne Zitate aus beiden Büchern einander direkt gegenüberstellen, um einerseits unterschiedlichen Stil und Sichtweisen der jeweiligen Autoren erlebbar zu machen und andererseits eine gewisse Spiegelbildlichkeit aufzuzeigen, die – trotz ihres unerschütterlichen Glaubens an die prinzipielle Verschiedenheit der Menschen – auch den beiden Autoren von MLL aufgefallen ist ...

... [...] ... [...] ...

QuoteRainer HerzogMittwoch, 13. Dezember 2017 um 06:55:00 MEZ

... Anthroposophisch gesprochen: Wenn "wir" schon in diesem unglaublichen Luxus (Demokratie, relativer Reichtum, voller Magen, warme Wohnung, Freiheit, Frieden, Überfülle an Kultur) leben und wie der größere Teil der Menschheit keine "wirklichen" Überlebenskämpfe oder Kriege ertragen müssen, ist es eine (vor allem für einigermaßen gebildete Menschen!) mehr als zumutbare Aufgabe, uns in den "Kampf", den wir mit unseren Ideen und Vortsellungen führen, nicht allzu sehr hineinzusteigern.

Ich erlebe das nebenbei ständig in meiner Arbeit (ASP-Ambulante Sozialpsychiatrie) vor allem bei alleinstehenden Männern, den schmalen Grat zwischen angebrachten Engagement und mental-physischen Nervenzusammenbrüchen; die digitale Entwicklung, die Blogs und FB fördert diese Tendenz massiv.


QuoteIngrid H.Mittwoch, 13. Dezember 2017 um 08:46:00 MEZ

... Danke, Rainer! - Solange wir aber damit beschäftigt sind, uns in diesen Kampf hineinzusteigern, brauchen wir natürlich Feindbilder. Wogegen sollten wir sonst auch kämpfen?

Die Autoren der beiden Bücher wissen das, allerdings jeweils nur zur Hälfte. Wie ich ja zitiert habe: in MRR wird beschrieben, wie die »Rechten« die »Linken« brauchen, MLL konzentriert sich auf die Schilderung, warum die »Linken« die »Rechten« brauchen.
Was dabei auf der Strecke bleibt (man sieht es ja in den Blogdiskussionen hier in letzter Zeit), das sind dann oft gerade die Ideen, um die es eigentlich gehen würde.

QuoteRainer HerzogMittwoch, 13. Dezember 2017 um 09:12:00 MEZ

"Was dabei auf der Strecke bleibt (man sieht es ja in den Blogdiskussionen hier in letzter Zeit), das sind dann oft gerade die Ideen, um die es eigentlich gehen würde".

Ich glaube, eben auch auf dem Hintergrund dieser Blogdebatten hier und ähnlichen Geschichten im Netz, dass das Ringen um die Ideen - was ist rechts, rechtspopulistisch, VT, PC, usw. - sich nicht durch weitere Debatten per se und grundsätzlich klären lässt. Dann schickt man doch nur noch weitere Links, youtube-Filme herum und das Ganze dreht sich mit Vorwürfen, Rechtfertigungen und Verdächtigungen wieder und wieder im Kreis.

Für sehr gelungen und hilfreich halte ich die knappen Maximen am Anfang von MRR:

"Unterscheide Person und Rede", "Mißtraue deinen moralischen Reflexen", "Rechthaben ist keine Tugend", "Meide die Opferpose" usw.


...



Aus: "Wenn Linke mit Rechten reden und Rechte mit Linken leben - Was ist dran am Smarties-Dogma?" Ingrid H. (09.12.2017)
Quelle: https://egoistenblog.blogspot.de/2017/12/wenn-linke-mit-rechten-reden-und-rechte.html

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Quote[...] der frühere US-Präsident Barack Obama [warnte] im ersten Interview nach seinem Ausscheiden aus dem Amt – geführt von Gast-Moderator Prinz Harry – vor einer "Balkanisierung der Gesellschaft" durch Facebook, Twitter und ähnliche Plattformen: Wird nicht gegengesteuert, würden viele in fragmentierten Realitäten leben, unfähig, noch einen echten gesellschaftlichen Diskurs zu führen.

Auch in zahlreichen Beiträgen der Arena Analyse wird auf die Gefahr der gesellschaftlichen Fragmentierung hingewiesen. Die wechselseitige Abgrenzung auf diesen Plattformen passiert nahezu automatisch durch die dahinterliegenden Algorithmen. Je öfter man Facebook oder Google-News nutzt, desto verlässlicher wird man von den Suchmaschinen mit Nachrichten, Werbung oder Kontakten genau jener Art versorgt, die man schon bisher aufgerufen hatte. Unmerklich zurrt der Zentralrechner die Scheuklappen immer enger. So entstehen digitalen Stämme, die wenig mit den anderen Stämmen zu tun haben – und wenn, begegnen sie einander nicht in friedlicher Absicht. Debatten werden nicht mit dem Ziel geführt, Differenzen zu überbrücken, sondern emotional, oberflächlich und in der Absicht, die eigene Meinung bestätigt zu sehen.

...


Aus: "Jeder will eine Insel sein"  Bettina Fernsebner-Kokert und Walter Osztovics (15. Januar 2018)
Quelle: http://www.zeit.de/2018/03/gesellschaftlicher-zusammenhalt-europa-studie-wir-und-die-anderen/komplettansicht


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International macht die hasserfüllte Rhetorik führender Politiker für die zunehmende Diskriminierung von Minderheiten weltweit verantwortlich. ,,Millionen Menschen auf der ganzen Welt hatten 2017 unter den bitteren Folgen einer Politik zu leiden, die zunehmend auf Dämonisierung setzt", heißt es in dem Jahresbericht der bedeutendsten Menschenrechtsorganisation weltweit.

Ihr Vorsitzender Salil Shetty prangerte bei der Veröffentlichung des Berichts konkret die Staatschefs von Ägypten, Venezuela und der Philippinen, aber auch den russischen Präsidenten Wladimir Putin, den chinesischen Staatschef Xi Jinping und US-Präsident Donald Trump an.

,,Das Schreckgespenst von Angst und Hass macht sich in der Weltpolitik breit und es gibt wenige Regierungen, die sich in diesen unruhigen Zeiten für Menschenrechte einsetzen", beklagte Shetty. Im vergangenen Jahr hätten ,,prominente Führungsfiguren eine albtraumhafte Vision einer von Hass und Angst verblendeten Gesellschaft" verbreitet. Der Amnesty-Chef hob aber auch positiv hervor, dass die Proteste gegen Ausgrenzungstendenzen zunehmen würden.

... Der Jahresbericht beleuchtet die Menschenrechtslage in 159 Ländern. Für die Vorstellung wählte die Organisation bewusst Washington aus. Damit wollte Amnesty auch ein Zeichen gegen die Politik Trumps setzen. ,,Trumps Rückschritte in Menschenrechtsfragen sind ein gefährlicher Präzedenzfall für andere Regierungen, die folgen könnten", sagte Shetty. Er nannte den Anfang vergangenen Jahres von Trump verhängten Einreisestopp für Menschen aus muslimisch geprägten Länder.

,,Wir müssen beobachten, dass einzelne Regierungen und politische Gruppierungen versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen", sagte auch der Generalsekretär von Amnesty Deutschland, Markus Beeko.

...



Aus: "Hass-Rhetorik verschärft Diskriminierung von Minderheiten" Michael Fischer (22.2.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/jahresbericht-von-amnesty-international-hass-rhetorik-verschaerft-diskriminierung-von-minderheiten/20987688.html


Textaris(txt*bot)

Quote
AgeofAquarius #8

Früher gab es mehr oder weniger geistreiche Witze über Ostfriesen, heute über Muslime. Der Unterschied: Die Ostfriesen nahmen es mit Humor, weil man sich mit den Oldenburgern nach Jahrhuderten bitterer Feindschaft darauf einigen konnte, blöde Sprüche zu machen, anstatt Köpfe einzuschlagen.
Wenn Veränderungen aber von oben mit übermäßigem Druck und in übermäßiger Geschwindigkeit durchgepeitscht werden, dann bricht das Archaische wieder durch. Das ist nun einmal menschlich. Die Vorsicht gegenüber dem Fremden ist tiefenpsychologisch verwurzelt und hat auch eine wichtige Funktion. Vertrauensbildung braucht Zeit.
Moralpredigten machen das nur noch schlimmer. Das Kind ist bereits im Brunnen. Jetzt muss erst eine Integrationsphase eintreten. Wer das nicht begreift, wird von den Ereignissen überrollt werden.



Quote
Jan Nielsen #8.10

Wie heißt es noch so schön: Man muss einen Witz auch erzählen können.
Ich nenne ihnen mal ein Beispiel aus meinem Leben als Vegetarier. Ich höre mit auch gerne Witze darüber an, aber es machte einen Unterschied, ob jemand mit dem alten Witz ankommt:
,,Weißt du eigentlich, was Vegetarier heißt? Das ist indianisch für ,,Kleiner Krieger, der Angst vorm Jagen hat.""
Oder ob er mich blöd angrinst und meint: ,,Weißt du eigentlich, was Vegetarier heißt? Zu dumm zum Jagen:"
Da merkt man recht schnell, ob es darum ging, einen Witz zu erzählen oder indirekt zu beleidigen.
Und ich denke, die meisten Muslime merken das auch recht schnell, genau wie die Ostfriesen.

P.S: Als Nordfriese finde ich es übrigens eine Sauerei, das wir bei den Witzen ständig übergangen werden ;-)


QuoteQuaregnon #10

Dass die zivilisatorische Decke, die die prinzipiell animalische, gewalttätige und sexuelle Natur des Menschen bedeckt, sehr dünn ist, lässt sich von Youtube-Kommentaren, über Online-Foren bis hin zu allen gewalttätigen Konflikten auf der Erde immer wieder erkennen.

Die Anonymität des Internets und die Entgrenzung des Sagbaren durch gewisse Kreise haben meiner Meinung nach maßgeblich dazu beigetragen, dass die Auslebung solcher niederen Triebe wieder gesellschaftsfähiger und sichtbarer geworden sind.

Mit konkretem Bezug auf Muslime: Es gibt - auch meiner Meinung nach - einige Dinge mit Bezug auf die Flüchtlingskrise, den 'Islam' und die Debatte um Identität, deren kritische Auseinandersetzung im öffentlichen Diskurs gemieden oder erschwert wurde. Das hat sicherlich nicht geholfen.

Nichtsdesotrotz entbindet auch das Bestehen solcher 'Missstände' niemals von der Pflicht zur Menschlichkeit und zur Wahrung der Menschenwürde. Wer sich auf ein im Artikel angeführtes Niveau begibt, welches immer wieder von Vertretern der AFD, der FPÖ und anderer rechtsnationaler Parteien bedient wird, verabschiedet sich aus dem Rahmen sachlicher Diskussion und zeigt, dass sie aus der Deutschen Geschichte, die sie stets so inbrünstig beschwören, nichts gelernt haben.


Quotealex2311 #12

Wenn man die Burka als "Müllsack" bezeichnet ist das Rassismus?


QuoteQuaregnon #12.3

Da jeder seine eigene Rassismus-Definition hat, kann man dieser Frage letztlich nicht befriedigend beantworten.
Aber die Burka als Müllsack zu bezeichnen, und damit zu suggerieren, dass sie Müll bedecke oder beinhalte, ist mindestens abwertend, ich würde sagen rassistsich.

Das ist eben das Problem, das viele Leute haben. Sie können die sachliche und die persönliche Ebene nicht auseinanderhalten. Ich bin auch gegen die Burka und empfinde sie als problematischen Ausdruck einer Geisteshaltung vergangener Zeiten. Trotzdem käme es mir nie in den Sinn, eine Burkaträgerin als wandelnden Müllsack zu titulieren. Komisch, nicht?


QuoteGroschenkind #12.6

Das ist für Sie Hass?
Dann wünsche ich Ihnen, daß Ihnen echter Hass nie begegnet.
Man muß nicht immer gleich Superlative bemühen, das nutzt sich ab, und Sie können es nicht steigern.
Das ist eine unschöne Bezeichnung für ein Kleidungsstück, ja! Wie "Was trägst Du für einen Fetzen am Leib" oder "Pluderhose", oder, oder.

Man kann es auch übertreiben.


QuoteQuaregnon #12.7

Sie übersehen aber geflissentlich, dass "Fetzen" oder "Plunderhose" ausschließlich das gewählte Kleidungsstück beschreibt und keine Referenz zur tragenden Person aufweist.

"Müllsack" hingegen bezieht sich sowohl auf das Kleidungsstück (= einen Sack) als auch auf die tragende Person (= Müll). Man darf sogar annehmen, dass bei der Verwendung dieses Wortes Letzteres im Vordergrund stehen soll.

Ich wüsste nicht, warum man andere Personen als Müll bezeichnen sollte, wenn nicht aus Hass. Vielleicht könne Sie mich ja aufklären?


Quotealex2311 #12.8

Das ist doch bloße Interpretation ihrerseits. Ein Müllsack kann auch leer sein und Sie können ihn sich auch über den Kopf ziehen.


QuoteGroschenkind #12.9

Unsinn. Es geht um ein Kleidungsstück. Das wäre mir neu, das Kleidungstücke Rassismus ausgesetzt sind.
Sich über Lederhosen verächtlich machen, ist das dann auch Rassismus?
Man muß wirklich mal die Kirche im Dorf lassen.


QuoteNutzer X #12.15

Das ist definitiv Rassismus. Müllsäcke sind für Müll gedacht, nicht für muslimische Frauen.


QuoteIsmaili #15

Als in Deutschland aufgewachsener "Ausländer" muslimischen Glaubens, ist mir dies in den vergangenen 2-3 Jahren massiv aufgefallen. Ich verstehe auch nicht, wie einige die Hasskommentare verteidigen können. Ihr könnt ruhig eine alternative Ansicht zur Flüchtlingspolitik haben, jeder Mensch denkt hier ein wenig anders. Aber aus der Flüchtlingspolitik einen Hass gegenüber uns Muslimen zu entwickeln und diesen vorerst verbal und mittlerweile auch immer häufiger non-verbal zu äußern, verunsichert mich und viele meiner muslimischen Freunde immer mehr. Es ist unglaublich was ich online lesen muss und aus diesen Onlinekommentaren lässt sich sehr gut ableiten was in den Köpfen der Menschen vorgeht, sie aber, vorerst, noch nicht trauen öffentlich zu äußern. Dass unsere Frauen Schlampen sind, man uns schlachten sollte und es Zeit für einen Kreuzzug wird, ist regelmäßig zu lesen. Und nein, hier wird nicht differenziert zwischen gut und böse, es gibt nur böse Muslime und solche die auf gut tun, aber versteckt böse sind (kennt man irgendwoher).


QuoteGroschenkind #15.2

Natürlich ist das absolut verurteilenswert.
Aber man liest Selbiges auch umgekehrt, und ich meine jetzt wirkliche ! Hasskommentare, da kräht aber kein Hahn nach.
Dieses einseitige Verurteilen von abartigen Kommentaren ist auch nicht gut.


QuoteLorenz_01 #28

Gegen echte Hasskommentare, Aufrufe zur Gewalt usw. soll und muss konsequent vorgegangen werden. Leider sind Begriffe wie "Hass-Posting" und "Fake News" längst zu politischen Kampfbegriffen geworden. Nicht alles, was als "Hass" und "Fake" bezezichnet wird, ist bei näherer Betrachtung auch solcher.

"Frauen mit Kopftuch würden in nahezu allen Lebensbereichen diskriminiert"

Das mag so sein. Mit Minirock werden Frauen in arabischen Ländern auch diskriminiert, wenn nicht schlimmeres. Ein Rasta-Träger dürfte es vermutlich einer Wirtschaftskanzlei ebenfalls schwer haben. Diskriminierung in einem kulturell völlig anders geprägten Umfeld begegnet man am Besten durch Anpassung.

Und wer die "konzentrierte Unterbringung in Grundversorgungszentren" ernsthaft mit NS-Konzentrationslagern in Verbindung bringt, der will gezielt den politischen Gegner diskriminieren. Es dürfte bekannt sein, dass die "Konzentration" das geringste Problem von Hitlers KZs war und von einer "Grundversorgung" dort wohl kaum die Rede ein kann.

Kein Wunder, dass "Hass" und "Hetze" ebenso wie der übliche "rechts-Vorwurf" bei immer mehr Leuten nur noch ein Achselzucken hervorruft. Wer solche Worte inflationär missbraucht, braucht sich nicht zu wundern, wenn irgendwann auch tatsächlich verurteilenswerte Dinge nicht mehr zur Kenntnis genommen werden.


Quoteganz ruuuhig #37

Hasspostings geben sehr viel Aufschluss über den Verfasser. Es ist ja meist kein Hass sondern eher Frust darüber, sein eigentliches Anliegen nicht mit ausreichenden Argumenten in Worte fassen zu können. Wer nur in Kategorien wie "Kanake" und "Nazi" artikuliert, tut mir herzlich leid.


QuoteFranckl #50

Ich denke die Diversität bei den Hassern und Hasserinnen ist ziemlich breit gefächert.
Man hat viele dumme Leute dabei, Leute die sich selbst hassen, ignorante Menschen, Egoisten, Menschenfeinde, Selbstsüchtige, Soziopathen, Halbgebildete, Stinkstiefel, Spießer und auch sehr viele AFD Wähler, die vieles davon vereinen.

Das ist meine freie Meinung und sollte bitte stehen bleiben.
Denn ich habe nicht pauschalisiert, sondern geschrieben, dass viele AFD Wähler darunter sind, nicht alle, sondern viele viele ;)


Quotemarcoti3 #54

Viele Menschen mögen einen "Hass" gegenüber abstrakten Personen wie "Flüchtlingen" oder "Politikern" haben, weil für sie kein greifbarer Mensch dahinter ist... oder nur aus der Ferne wie im TV zu sehen ist . Sie sehen in ihm dann auch den Konkurrenten oder ganz allgemein die Gefahr des Neuen und Unbekannten.

Wenn sie aber mit diesen Menschen zu tun haben, auch seine Sorgen und Nöte kennen und sehen, dass auch er nur über die Runden kommen will, rückt es auf einmal aus der Anonymität .

Man erkennt zwar, dass man zwar nicht einfach blindwütig aufnehmen kann, aber dass man mit diesen Menschen wenigstens mit Respekt umgehen sollte, auch wenn daraus nie "Liebe" wird.

Das erklärt auch die Tatsache, dass die grösste Abneigung meistens dort ist, wo gar kein Kontakt zwischen diesen Bevölkerungsgruppen stattfindet - sei es die fehlende Integrationswilligkeit ... aber auch der fehlende Wille, sich mit neuen Menschen einzulassen.


QuoteAltlinker #64

"Schwule sind weniger wert als Schweine " - wo kann ich denn den muslimischen Hass medial anzeigen oder wird der auch von diesem "Verein" dokumentiert?


QuotePaul Freiburger #67

Ich war vor zwei Monaten in Wien, in der U-Bahn gab es eine Meldung auf dem Bildschirm am Gleis. Irgendjemand, mutmaßlich ein Politiker, hat da allen Ernstes eine nächtliche Ausgangssperre für Flüchtlinge oder Asylbewerber gefordert. Es macht sich eine Enthemmung breit, die gefährlich ist.


QuoteRenate Beck #77

Vor ca. 10 - 15 Jahren gab es in der WDR-Sendung ,,Mitternachtsspitzen" einen Beitrag zu Afghanistan und Taliban. Hier wurde die Burka als Kartoffelsack bezeichnet. Darüber hat sich damals niemand empört. Dies war ein kabarettistischer Beitrag. Damals sprach man noch nicht von political correctnes.
Wir sollen uns den humorlosen Muslimen anpassen - siehe Mohamed- Karikaturen- , um uns nicht dem falschem Rassismusvorwurf auszusetzen.


QuoteRiders on the storm #81

Ich verstehe diesen Zusammenhang nicht und die Debatte ist aus meiner Sicht falsch geführt!
Es gibt nicht den Islam und vor allem ist der Islam keine Rasse !
Wenn ich den Islam kritisch betrachte dann betrachte ich ja keine Rasse kritisch.
Wenn ich den Islam hasse dann hasse ich keine Rasse und bin auch kein Rassist, dann bin ich islamophob bis islamfeindlich.
Wenn ich den Deutschen Sven Lau für seine salafistischen Überzeugungen angreife und verurteile bin ich dann Rassist ?
Rassist bin ich wenn ich Araber verabscheue oder Afrikaner nicht mag.
Ich komme aber hervorragend mit Afrikanern aus, aber nicht mit islamistischen Afrikanern.
Ich kümmerte mich um eine irakische jesidische Familie, werde es aber garantiert nicht für talibannahe Afghanen tun.
Mir wäre lieb, wenn das Thema mit anderen Worten besetzt wäre.
Seyran Ates ist eine sehr angenehme Person und ich finde ihren Islam sehr angenehm, den Islam von milli görus möchte ich hier nicht.


QuoteFrieden_Peace_Shalom_Salam #81.1

Zitat: "Wenn ich den Islam hasse dann hasse ich keine Rasse und bin auch kein Rassist, dann bin ich islamophob bis islamfeindlich."

Der Islam gehört zu Menschen wie die schwarze Hautfarbe zu schwarze Menschen. Sie können nun behaupten, dass sie nur die schwarze Hautfarbige hassen jedoch nicht den schwarzen Menschen.

So ungefähr ist der versteckte Rassismus hinter rechte Logik mit Äußerungen wie "nichts gegen Muslime aber gegen den Islam". Und mit "den Islam" suchen die sich dann den bösen Menschen (Salafisten/IS&Co) und beschuldigen damit den unschuldigen der nichts am Hut mit böse&co haben.

Außerdem, siehe Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Rassismus
Der ,,moderne" Rassismus


QuoteBack to sweden #81.2

"Der Islam gehört zu Menschen wie die schwarze Hautfarbe zu schwarze Menschen."
Das ist doch kompletter Quatsch. Nicht alles was hinkt ist ein Vergleich.
Der Islam ist eine Ideolgie und Weltanschauung und ein Hirngespinst namens Religion. Was hat das denn mit der Hautfarbe zu tun?


QuoteFarmhouse #93

Hasspostings sind überall auf dem Höchststand:
https://www.haaretz.com/israel-news/adl-slams-chief-rabbi-of-israel-for-calling-black-people-monkeys-1.5932876

https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-netanyahu-danger-posed-by-african-migrants-is-greater-than-terrorism-1.5930984

Das ist auch dem Medium Internet geschuldet:
ein Leserbrief nahm mehr Zeit in Anspruch, und ich behaupte mal:

Der überkorrekte Umgang im Alltag -jedes Wort wird auf die Waagschale gelegt- ein Bauarbeiter darf nicht mal mehr Sch.... rufen oder den Kollegen (der das ja auch tut) mal als Depp zu bezeichnen (und nach Feierabend beim Bier wieder mit ihm zusammenzusitzen), wenn ihm ein Hammer auf den Fuß fällt, nimmt den Menschen das Ventil, Ärger und Frust ad hoc loszuwerden.

Die Einführung der Diplomatensprache auf allen gesellschaftlichen Ebenen und in allen Lebensbereichen bewirkt das Gegenteil !

Es ist also ob man ständig eine Colaflasche schüttelt ohne den Druck abzulassen.

Das werden die Journalisten und Sprachpolizisten aber nie verstehen.



QuoteMarybeth #94

Offene Gesellschaft heisst nicht, dass sich dort alle Menschen der Welt nach ihrem Gusto tummeln und dort einklagen können. Die Lebenswirklichkeit kennt keine Pflicht
zur Teilnahme aller an allem. Das müssen Europäer immer wieder zur Kenntnis nehmen,
wenn sie außerhalb Europas Urlaub machen.


QuoteMasafi #100

Was hat eine westlich geprägte Gesellschaft mit Diskriminierung zu tun? In England wo ich arbeite gibt es keine derartige Diskriminierung. Musliminnen mit oder ohne Kopftuch arbeiten hier als Ärzte, Ingenieure, Architekten, Lehrer usw. ohne daß es Probleme gibt. Das Kopftuch hat den Staat nicht unterwandert oder erobert, glauben sie mir. Übrigens, das gleiche gilt hier auch für die Sikhi Community. Bei denen ist der Turban noch mehr von Bedeutung als bei der Muslimin. Einfach nur eine Schande, dass diese Community in Deutschland keinen Fuß fassen kann. Das sind besonders hart arbeitende Menschen was sich durch ihre Religion begründen lässt.

Vielleicht genießen es viele Deutsche einfach ein bisschen den sadistischen Unterdrücker zu spielen und das alles andere nur Verschleierung ist.


Quoteliviv #102

Das ist doch alles Irr, fahren Sie nach Saudi Arabien und sagen Sie Öffentlich, das Christentum gehört zu uns,wo glauben Sie sind Sie in 5 Minuten??


Quotejhk9 #102.1

Mag sein. Und finden Sie das gut? Sollten wir es denn nicht besser machen als Saudi Arabien?


Quoteliviv #102.2

Warum??


Quotejhk9 #102.3

Naja, kommt drauf an, für welche Werte wir stehen wollen. Ich befürworte eine Gesellschaft, in der Werte wie Respekt und Toleranz gelebt werden. Da ist Saudi arabien nicht gerade ein Vorbild.


Quoteliviv #102.4

Für diese Werte stehe ich auch,aber nur wen Sie mir auch entgegengebracht werden,ansonsten nicht(SO WIE DU MIR SO ICH DIR) weil ansonsten bin ich immer der Gute, aber der Blöde.


Quotejhk9 #102.5

,,nur wen Sie mir auch entgegengebracht werden"
In Deutschland müssen sich die Muslime ja auch an unsere Gesetze halten.


Quoteliviv #102.6

Tun Sie es?? Träume.


Quotejhk9 #102.8

Nicht alle, aber die meisten.


QuoteMFFM #104

Es ist schon erschreckend und bedenklich, wie viele Menschen mittlerweile meinen, Ressentiments seien schon eine "Meinung". Ich hätte nie gedacht, dass man sich eines Tages um die Demokratie in D Sorgen machen muss.


Quotepotstill #114

Eine Herausforderung sich hier zu positionieren.

Ich will mich nicht den xenophoben Idioten anschließen, die all diejenigen ablehnen die nicht "deutsch" aussehen, andere Sprachen sprechen und sich offen zu einer anderen Religion bekennen.

Allein die Idee einer Leitkultur finde ich in ihren Grundzügen faschistisch und rückschrittlich.

Allerdings steht die streng patriarchale gottesfürchtige Gemeinschaft der gläubigen Muslime für all die Ideen die ich ideologisch ablehne. Ebenso wie patriarchale gläubige Katholiken stehen sie für die Unterdrückung und Abwertung der Frauen, die Ablehnung der Aufklärung, die Ablehnung sexuell aufgeklärter und mündiger Männer und Frauen. Jede Religion ist per Definition undemokratisch und hat für eine weltoffene demokratische Gesellschaft nur Nachteile.

Ich bin froh, dass wir den meisten Katholiken bei uns schon längst die Zähne gezogen haben (ein paar Ausnahmen gibt's wohl noch in Bayern und Österreich).

Ich hoffe unsere Gesellschaft zieht auch dem Islam die Zähne und wandelt die Migranten in säkulare demokratische Gesellschaftsmitglieder. Ansonsten geht's mit der aufgeklärten Gesellschaft wieder nach unten.


Kommentare zu: "Österreich: Hasspostings gegen Muslime auf Höchststand" (21. März 2018)
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2018-03/oesterreich-rassismus-report-2017-fluechtlinge-islam-internet-hasspostings-zunahme


Textaris(txt*bot)

#17
Quote[...] Zufällig hört man Musik, sie dringt in lauten, schweren Beats aus einem Radio oder gar aus dem Kinderzimmer. Es rappt einer auf Deutsch. Und kaum vernimmt man ein paar Wörter – «Bitch», «Schwanz», «Nutte», «Hurensohn» –, wird man konfus. Darf das wahr sein?, fragt man sich. Kaum zu glauben, dass so viel Misogynie und Brutalität, so viel Zynismus und blanker Hass erlaubt sein sollen in der Gegenwart des Pop. Wäre das nicht ein Fall für die Polizei? Müsste sie nicht zensurieren und verbieten, um wieder Ordnung zu schaffen in dieser prekären Welt?

... Westliche Gesellschaften werden seit Jahrzehnten durchgeschüttelt infolge der Anmassungen wechselnder Jugendkulturen. Die Lage hat sich verschärft, seit Rock, Punk und Hip-Hop die Provokation als poppige Allzweckwaffe der Agitation und Promotion entdeckt haben. Und wer sich tatsächlich provozieren lässt, wer auf die Barrikaden steigt und die Zensur einfordert, erfüllt quasi das ästhetische Programm der Provokateure.

... Mitte der achtziger Jahre etwa empörte sich Susan Baker, die Frau des damaligen amerikanischen Finanzministers James Baker, über sexuelle Anspielungen im Madonna-Song «Like a Virgin»; nichtsahnend hatte sie die Platte ihrer siebenjährigen Tochter geschenkt. Ähnliche Erfahrungen machte Tipper Gore, Al Gores Gattin, deren Tochter Prince zuhörte, wie er in «Darling Nikki» die Masturbation besang. Die aufgebrachten Mütter gründeten zum Schutz des amerikanischen Nachwuchses nun gemeinsam das Parents Music Resource Center. Die Organisation setzte im amerikanischen Senat 1985 die Kennzeichnung «jugendgefährdender» Musik durch. Fortan mussten einschlägige Alben einen «Parental Advisory»-Sticker tragen, der Eltern vor Obszönität warnte.

... Man mag den Initiantinnen zugutehalten, dass der Sticker die Auseinandersetzungen um Anstand, Moral und Werte in die Zonen von Elternhaus und Erziehung brachte, wo sie gewiss hingehören. Auch das Musik-Business konnte sich dank der Sticker-Pflicht nicht mehr seiner Verantwortung entziehen. Allerdings hat die Pop-Kultur den warnenden Aufkleber quasi umgedeutet zum Gütesiegel: Alben ohne «Parental Advisory»-Sticker wurden kaum noch ernst genommen.

... Mehr noch als obszönes Reden prägen den amerikanischen Rap die Erfahrungen in den Ghettos, in denen viele schwarze Rapper aufgewachsen sind. Die Wut über Zurücksetzung und Ausgrenzung entlädt sich immer wieder in Posen der Delinquenz und im Tonfall des Hasses. Der typische Gangsta-Rapper beschwört den Kampf gegen die Staatsmacht, die ihn drangsaliert. Und er zelebriert den Gesetzesbruch als Initiation einer Gegen-Souveränität. Deshalb handeln die Lyrics immer wieder von der Polizei. «Fuck Tha Police» (1988) von NWA sorgte für einen ersten Skandal. Das FBI meldete sich bei der Major-Plattenfirma Warner. Nachdem auch Senatoren Druck gemacht hatten bei der Plattenfirma, musste Doug Morris, der verantwortliche Manager, den Hut nehmen (er machte dann Karriere bei Universal).

Zur Staatsangelegenheit wurde 1992 auch «Cop Killer», ein Stück, in dem sich der Rapper Ice-T als Polizistenmörder inszenierte. Präsident George Bush kritisierte die Plattenfirma, die solchen Schund herausbringe. Ice-T selber machte geltend, es handle sich um ein Rollenspiel. Letztlich gab er aber klein bei und veröffentlichte sein Album «Body Count» neu ohne den inkriminierten Song.

Rappen erschöpft sich nicht im Sprechen über etwas. Es handelt sich um einen Sprechakt, der das Fluchen und Verfluchen kultiviert in einem Wettbewerb um Schlagfertigkeit und rhythmischen Drive. Im Streit stiften sich die Akteure zuweilen zu künstlerischen Höchstleistungen an. Doch entwickelt sich im Sport des Verhöhnens und Beleidigens manchmal eine gefährliche Dynamik, die zu Aggressionen führt. Ein Rapper-«Beef» kann in offene Gewalt ausarten (wie in den neunziger Jahren zwischen West- und East-Coast-Rappern).

Aber schon Hetze und Hassrede sind strafrechtlich relevant – hier darf der Staat keine Milde walten lassen. Beispielhaft dafür sind die jamaicanischen Rapper, die sogenannten Deejay des Dancehall, die in ritualisierten «Batty Boy»-Tunes die Erschiessung oder das Erschlagen von Homosexuellen fordern. Sobald nun aber zu Gewalt gegen Individuen oder Gruppen aufgerufen wird, bewegen sich die Musiker jenseits der Legalität und können sich nicht mehr hinter Kunst- oder Meinungsfreiheit verschanzen. Ihre Texte sind strafbar.

An den Battles des amerikanischen Gangsta-Rap orientieren sich auch die deutschen Gangsta-Rapper. In der von Immigranten dominierten Szene wird dabei ein Milieu-Chauvinismus zelebriert, der bei allen Jungs gut ankommt. Für Halbwüchsige erweist sich der Gangsta-Rap (ähnlich wohl wie Ego-Shooter-Games) als ein Medium und Ventil, das Frustrationen, Wut und Hass gleichzeitig zelebriert und abführt. Wer sich durch den Sündenpfuhl dieser Szene bewegt, trifft deshalb allenthalben auf faulige Stilblüten, Geschmacklosigkeit und die sprachlichen Aggressionen dauergestresster Typen. Es werden «Mütter gefickt» oder «Schwuchteln umgebracht». Auch religiöse oder ethnische Minderheiten sind vor Beleidigungen nicht sicher.

In der Sorge um den demokratischen Frieden könnte man deshalb leicht auf undemokratische Gedanken kommen. Doch Dummheit und Geschmacklosigkeit sind per se so wenig justiziabel wie Misogynie oder Homophobie. Und wer nach Polizei und Zensur ruft, ist vielleicht bloss träge oder zu feige, selber Stellung zu beziehen.

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Aus: "Kommentar: Dummheit und Geschmacklosigkeit sind so wenig justiziabel wie Misogynie oder Homophobie" Ueli Bernays (3.5.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/gangsta-rap-verletzt-tabus-bricht-er-auch-gesetze-ld.1382383

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Quote[...] Die gegenwärtig vor allem in Deutschland geführte Auseinandersetzung um politische Korrektheit in der Sprache verleitet dazu, sich zügig als Kritiker oder Verteidiger, politisch am linken oder rechten Rand, einer wahlweise «Tugendterror-geleiteten» oder Gender-sensiblen Sprache zu bekennen. In diese Falle sollte man als Liberaler nicht treten, zumal, wenn man sich von ideengeschichtlichen und philosophischen Grundsätzen leiten lässt.

Auch wenn es mindestens seit 1932, als Kurt Tucholsky die Vereinnahmung von Friedrich Nietzsche durch die Nazis zurückwies, recht deutlich ist, dass sich Nietzsche für alle möglichen – auch politischen – Positionen heranziehen lässt, so hat uns dieser scharfsinnige Diagnostiker seiner Zeit doch einen Fundus von idiomatisch präzisierten Topoi hinterlassen, der manches besser fasst, als unsere zeitgenössische Sprache es mitunter kann. Warum also nicht bei dieser aktuell bedeutenden Debatte um die politische Korrektheit in der Sprache bei Nietzsche nachlesen?

Der Blick fällt auf ein Diktum, das Nietzsche im Zusammenhang mit seiner Abrechnung mit dem einst so verehrten Komponisten in «Der Fall Wagner» formuliert hat: «er setzt ein Princip an, wo ihm ein Vermögen fehlt [. . .].» Gemeint war der Vorwurf, dass Richard Wagner letztlich handwerkliches kompositorisches Unvermögen zum «Stil überhaupt statuier[t]», also als «Princip verkleidet» habe.

Der Vorwurf, wie falsch oder zutreffend er gegenüber Richard Wagner auch sein mag, enthält einen Gedanken, der für die Diskussion, inwieweit eine politisch korrekte Sprache zulässig und notwendig oder aber schädlich bzw. allenfalls lächerlich sei, instruktiv sein kann.

«Political Correctness» ist keine deutschsprachige Spezialität. Abgesehen davon, dass es schon immer auch einen moralisch inspirierten Anspruch an eine «richtige Sprache» über Politik und Gesellschaft gegeben hat, beginnt die Kritik an überkommenen Modi des Sprechens, vor allem über Frauen und gesellschaftliche Minderheiten, in den USA Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre. Wie später in Deutschland auch hat man sich zunächst über Neuerungen lustig gemacht – in der klassischen Rhetorik als «Aptums-Verletzung» nachgerade als Standardfall von unbeabsichtigter Komik identifiziert. Diese Ebene der Diskussion ist in vielerlei Hinsicht unerheblich. Der Streit um den «Negerkuss», den «Wintermarkt», den «Traditionshasen», ja selbst der Eingriff in literarische Texte, wie etwa bei Otfried Preusslers «Klaubholzweibern», dienen lediglich dazu, den Protagonisten von Verteidigern und Gegnern neuer Idiome dabei zu helfen, das jeweils eigene Lager seiner selbst zu vergewissern. Liberale sollten sich darauf nicht einlassen.

Denn jenseits dieser Debatte um mehr oder weniger geglückte Sprachsubstitute sind sowohl das Phänomen als auch der Begriff der politischen Korrektheit zur politischen Waffe geworden. Die Hoheit über Begriffe hat den Bereich der politischen Auffassungen und ihrer Legitimität erreicht. Es stellt sich die Frage, in welchem Ausmass politische Äusserungen im öffentlichen Raum sanktioniert werden dürfen. Die Reaktionen etwa auf die sogenannte «Gemeinsame Erklärung 2018» zeigen, dass eine persönliche Positionierung im öffentlichen Raum nicht nur Gleichgültigkeit, Widerspruch oder Unterstützung erzeugt, sondern auch schneller, als dies vor zwanzig oder dreissig Jahren in Deutschland der Fall war, mit dem Vorwurf der Illegitimität konfrontiert wird. Man kann auch sagen: Die politische Positionierung im öffentlichen Raum ist zu einer Frage des Prinzips oder Stils im Sinne Nietzsches geworden.

Wenn einerseits in Zeitungen zur Ächtung von «Rechtsextremen» aufgerufen wird (wobei es offenbleibt, jenseits welcher Grenze nach Auffassung der Redaktionen Rechtsextremismus besteht), andererseits Bürgermeister, die öffentlich Position für Flüchtlinge beziehen, Hasstiraden im Netz ertragen und um ihre persönliche Sicherheit auf der Strasse fürchten müssen, dann sollte das nicht nur Liberale beunruhigen. Es geht nicht mehr um den Diskurs, um die Fähigkeit zur argumentativen Auseinandersetzung, sondern es geht ums Prinzip.

Der freie politische Diskurs, der nur an seinen äussersten Rändern begrenzt werden darf, um funktionieren zu können, ist am Ende des Tages die wichtigste Verteidigungslinie der Demokratie. Fragen der Grenzziehung sind dabei so alt, wie die Meinungsfreiheit Bestandteil moderner Verfassungsstaaten ist.

Doch heute hat sich etwas fundamental verändert: Es gilt nicht mehr, was Kurt Tucholsky den Journalisten einmal zugesprochen hat, nämlich dass ihre stärkste Waffe das Totschweigen sei. Debatten, die geführt werden wollen, werden geführt, die digitale Medienwelt hat den organisierten öffentlichen Diskurs des professionellen Journalismus entgrenzt. Konnten sich Herrscher früherer Zeiten darauf verlassen, dass erstens Ideen und Gedanken, die keine Sprache haben, auch keine Chance auf politische Durchsetzung beanspruchen können und dass zweitens der Lackmustest für die Sprachlosigkeit der öffentliche Raum und seine Medien sind, so lässt sich heute zwischen öffentlich und privat nur mit Mühe unterscheiden. Klassische Medien haben ihre Konsolidierungsfunktion für den öffentlichen Diskurs, mancher mag auch sagen: ihre Deutungsmacht, bereits weitgehend verloren. Der Versuch, auf diesem Wege den Korridor des politischen Konsenses unter Kontrolle zu halten, ist im 21. Jahrhundert zum Scheitern verurteilt.

Kritiker wie Verteidiger politischer Korrektheit bedrohen gleichermassen die Demokratie. Die Verteidiger trauen dem öffentlichen Diskurs in Wahrheit nicht und versuchen über eine Steuerung von Sprache den Korridor politischer Haltungen mitzubestimmen. Das ist aus liberaler Sicht töricht, denn auch die gesellschaftlichen Freiheiten, um die es einer wohlverstandenen politischen Korrektheit fraglos geht, lassen sich durch sanktionierte Sprach-Übungen letzten Endes nicht verteidigen. Es bedarf immer des substanziellen gesellschaftlichen Konsenses, der auf Dauer nur mit den besseren Argumenten, einem funktionierenden Rechtsstaat und einer dafür sensiblen politischen Elite sichergestellt werden kann.

Die Kritiker der politischen Korrektheit sind aus liberaler Sicht ebenfalls bedrohlich, weil sie denjenigen einen Schutzschirm der Toleranz leihen, denen es genau darum nicht geht, denen es in Wahrheit um eine konservative Revolution zu tun ist, die am Ende zur Ausgrenzung von Menschen führt. Beide Positionen sind für Liberale ein Greuel.

Für den Liberalismus ist eine sensible Sprache über die Dinge der Welt keine Frage des Prinzips, sondern eine des humanistischen Vermögens, eine Frage des Respekts vor anderen Menschen, kurz: eine Selbstverständlichkeit, die nicht verordnet werden muss. Systematische, abstrakte und letztlich auf reine Ideen bezogene Übungen der Sprache und Idiome über die Welt lehnt man als Liberale ab.

Die Fähigkeit, einen offenen Diskurs zu führen, der eine weit gefasste Toleranz für politische Meinungsäusserung hat und dennoch in der Sache argumentativ entgegentreten kann, ist eben das: ein Vermögen des Individuums und kein Prinzip. In Analogie zu Friedrich Nietzsche kann man sagen: Hinter dem Rekurs auf Prinzipien steht mitunter nicht mehr als ein Unvermögen in der Sache. Eine Schwäche der 68er war es denn auch, dass sie mit zunehmendem gesellschaftspolitischem Erfolg Prinzipien an die Stelle ihres unzweifelhaft bestehenden vitalen Vermögens gesetzt haben.

Werner Bruns und Markus Müller sind Honorarprofessoren an der Rheinischen Hochschule Köln bzw. der Zeppelin-Universität Friedrichshafen und waren Mitglieder von FDP-Grundsatzkommissionen.


Aus: "Gastkommentar: Politische Korrektheit ist oft nicht mehr als zum Prinzip erhobenes Unvermögen"
Werner Bruns und Markus Müller (3.5.2018)
Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/politische-korrektheit-ist-oft-nicht-mehr-als-zum-prinzip-erhobenes-unvermoegen-ld.1371721



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Quote[...] Konstantin Flemig - Als Journalist und Filmemacher berichtet Konstantin von den Krisengebieten dieser Erde. Somalia, Irak, Syrien, Kongo:  Wo Menschen alles verlieren, müssen sie zumindest eine Stimme bekommen.

Ein dreiminütiger Clip, in dem ich den türkischen Einmarsch in Syrien als ,,dumme Idee" bezeichne: mehr brauchte es nicht, um von Extremist*innen bedroht zu werden. Ein Erfahrungsbericht

... Ich saß gerade im Bus und amüsierte mich über den neuesten Schwall an Beleidigungen, als ich bei einem Post hängen blieb: ,,Hör auf, Lügen zu verbreiten im Auftrag des deutschen Staates. Du Hund. (...) Eines Tages wirst du dafür gekidnappt."

Im ersten Moment hatte ich keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte. Sollte das ein Witz sein? War es womöglich ganz anders gemeint als es rüberkam? Ich habe schon so Einiges erlebt, ein Jahr zuvor lag ich an der Frontlinie zum IS und habe das Kamerastativ über die Barrikaden gehalten, um ins Kalifat hineinzufilmen. Aber eine so direkte Drohung, unmittelbar an mich gerichtet – das war etwas völlig Neues für mich.

Ich beschloss, mir professionellen Rat einzuholen. Polizei und Reporter ohne Grenzen bestätigten meine erste Einschätzung: Ja, es könnte der Tatbestand der Bedrohung erfüllt sein. Mir wurde empfohlen, offiziell Anzeige zu erstatten.

In den folgenden Tagen kamen noch diese zwei weitere Kommentare: ,,Du bist ab heute ein Staatsfeind! Dein Video wurde meiner Regierung weitergeleitet. Und allgemein würde ich dir raten, keinen richtigen Türken zu begegnen. Viel Erfolg, bald sieht man deine Reste wie von deinen YPG-Kämpfern" und ,,Arschloch, dich muss man auch töten".

Ich googelte mich, um herauszufinden, ob irgendwo im Internet meine Adresse einsehbar ist. Zum Glück nicht. Kurzzeitig überlegte ich, es zu ignorieren, diese Leute als Wichtigtuer*innen mit Minderwertigkeitskomplexen zu sehen, die nicht über die Folgen ihrer Taten nachzudenken. Doch das war keine Option.

Es kann doch nicht sein, dass eine solche Form der Einschüchterung zum ganz normalen Teil unserer politischen Debattenkultur wird. Egal, aus welcher Ecke sie kommt, ob von Rechten, Linken, Islamist*innen – oder, wie vermutlich in diesem Fall, von türkischen Nationalist*innen.

Mit den ausgedruckten Kommentaren im Gepäck, stattete ich der Polizei eines Morgens einen Besuch ab. Dort legte man mir ein Formular vor, auf dem ich den Sachverhalt schildern und die Namen der Täter*innen, sowie die Zeitpunkte der Taten festhalten sollte. Zwei der Profile, von denen die Drohungen ausgingen, waren einsehbar, mit Namen und mehreren Fotos der User.

Einen Monat ist es nun her, dass ich Anzeige erstattet habe. Seitdem ist nichts passiert. Keine Neuigkeiten und zum Glück auch keine weiteren Drohungen. Ich vermute, dass die Polizei die Lage so ähnlich einschätzt, wie ich: dass es sich bei den Kommentaren um Machogehabe handelt und keine reale Gefahr für mich besteht.

Trotzdem erwische ich mich manchmal bei dem Gedanken: Was, wenn doch?

Aber sich davon beeinflussen zu lassen wäre nichts anderes, als diesen Idiot*innen den Sieg einzuräumen. Ich mache auch weiterhin Videos, ich äußere mich auch weiterhin zu kontroversen Themen, und ja – ich werde auch weiterhin Kriegsverbrechen kritisieren. Denn an dem Tag, an dem ich das nicht mehr könnte, wäre für mich persönlich das Grundrecht auf Freiheit der Presse und der Meinung in Deutschland gestorben.  ...


Aus: "Wie ich Morddrohungen erhielt, weil ich die Türkei kritisierte" Konstantin Flemig (13. Mai 2018)
Quelle: https://ze.tt/die-erste-morddrohung-ist-die-schlimmste/

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Quote[...] [Scheidungsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek im Interview]: Untersuchungen zeigen, dass die Ehen besser halten, in denen sich die Partner gepflegt zoffen.

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Aus: ",,Zweite Ehen sind oft die besseren"" Moritz Honert (14.05.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/sonntag/scheidungsanwaeltin-ingeborg-rakete-dombek-im-interview-das-recht-hinkt-dem-leben-immer-hinterher/21265578-3.html

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Quote[...] Schon zu Beginn zeigte sich, dass die Zuhörer mit keiner gewöhnlichen Veranstaltung an einer Universität zu rechnen hatten. Da Abdel-Samad durch seine Islamkritik und die darauf folgenden Morddrohungen unter Personenschutz steht, verzögerte sich der Veranstaltungsbeginn durch Taschen- und Personenkontrollen um eine halbe Stunde.

In dem überfüllten Hörsaal lauschten dann aber ungefähr 340 Personen dem Vortrag mit anschließender Fragerunde. Der Autor betonte, dass es gerade in den Räumen einer Universität erstrebenswert sei, eine kontroverse Debatte zu wagen und wandte sich damit vor allem an jene Gäste des Vortrags, die sich über seine Thesen empören. Nicht alle kamen diesem Wunsch nach: Mehrfach wurde der Versuch unternommen, den Vortrag durch Zwischenrufe zu stören. Nach einigen Minuten verließen mehrere Personen als Ausdruck ihres Protests den Saal.

Davon recht unbeeindruckt skizzierte der Politologe zunächst, dass laut offiziellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit die Integration vor allem bei einer Gruppe scheitere: Jugendliche mit türkischen oder arabischen Wurzeln haben eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit im Bildungssystem und Arbeitsmarkt zu versagen als gleichaltrige Herkunftsdeutsche oder Jugendliche mit beispielsweise ostasiatischen Migrationshintergründen.

Abdel-Samad sprach von Parallel- bzw. Gegengesellschaften in Deutschland, die die eigene Integration in die Mehrheitsgesellschaft ablehnen und aktiv dagegen arbeiten. Verantwortlich für diese Integrationsverweigerung und die fehlende emotional-affektive Bindung sei auch der Islam. So würden religiös motivierter Sexismus und Intoleranz multipliziert und zu verfestigten Strukturen führen. Viele Muslime in Deutschland seien dermaßen indoktriniert, dass sie nur noch fähig seien, aus kollektivistischer Sicht zu argumentieren.

Integration scheitere allerdings auch daran, dass Grenzen von beiden Seiten gewollt seien. Struktureller Rassismus der Herkunftsdeutschen spiele den Akteuren in die Hände, die einen muslimischen Opfermythos schaffen möchten. Die deutsche Mehrheitsgesellschaft sende zwar wichtige Appelle für die Integration, bemächtige sich aber keinerlei Mechanismen, die Integration zu kontrollieren und zu formen. Symbolische Maßnahmen wie Markus Söders Forderung, Kreuze in allen bayerischen Behörden aufzuhängen, seien vielmehr Ausdruck der eigenen Rat- und Orientierungslosigkeit.

Die anschließende Fragerunde wurde sehr hitzig und zum Teil persönlich geführt. Auf die Frage eines bekennenden AfD-Sympathisanten, ob es denn keine Partei wie die AfD bräuchte, um dem politischen Islam in Deutschland entgegenzuwirken, betonte Abdel-Samad, dass die AfD, ähnlich wie die deutschen Islamverbände, nur ihre eigene Parallelgesellschaft bewerbe und somit nicht konstruktiv zur Problemlösung beitrage. Dennoch sei es wichtig die Meinungsfreiheit ernst zu nehmen und auch abweichende Meinungen zuzulassen. "Sonst wird es gefährlich!", mahnte Abdel-Samad.

Einige Muslime im Raum warfen dem Islamkritiker Eindimensionalität und Wirklichkeitsverfälschung vor, konnten jedoch im Gegensatz zum Autor zur Untermauerung ihrer Aussagen keine wissenschaftlichen Fakten liefern. Trotz der emotionalen Debatte schaffte Hamed Abdel-Samad es, die Debatte durch Ruhe und Besonnenheit in zivilisierte Bahnen zu lenken und unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen zu lassen.

Quote

Bernd Kammermeier am 9. Mai 2018

Ich war mit Juliana und Alex Stier auch in der Veranstaltung, die den üblichen Unruhetourismus muslimischer Jugendlicher ertragen musste, d.h.
koordinierte Klingeltöne und koordiniertes Verlassen des Raumes, um möglich effektiv den freien Meinungsaustausch zu unterbinden.

In der Tat geht Hamed inzwischen äußerst routiniert und kaltblütig mit diesen Undemokraten um, zumal sie ein in viele europäischen Ländern bekanntes Phänomen praktizieren. Das einzige was dagegen hilft, ist Besonnenheit und stur sachlich bleiben. Gegen Unvernunft hilft nur noch mehr Vernunft. ...


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Aus: "Hamed Abdel-Samad: "Wir müssen auch abweichende Meinungen zulassen"" Helge Brunswig (9. Mai 2018)
Quelle: https://hpd.de/artikel/hamed-abdel-samad-wir-muessen-auch-abweichende-meinungen-zulassen-15567

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Quote[...] Stumpfe Hetze und gezielte Provokation, wirre Reden und eine weitreichende Immunität gegen jede Art von Argumentation - das ist der rhetorische Werkzeugkasten, mit dem die Rechte ihre Erfolge einfährt. Bittere Erkenntnis: Die Rechte siegt nicht trotz, sondern wegen ihrer inhaltlichen Inkohärenz, nicht trotz, sondern wegen ihres überdrehten, von Skandal zu Skandal eilenden Personals. ... Die bürgerliche Öffentlichkeit steht dem Phänomen bislang hilflos gegenüber. Ähnliches gilt für die Linke. ...

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Aus: "Hetzen und Jammern" (ak 638 vom 15.5.2018)
Quelle: https://www.akweb.de//themen/sonderbeilage_rechte.htm

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Quote[...] 1849 hat Franz Grillparzer den Satz geschrieben: "Von der Humanität durch Nationalität zur Bestialität." Wer Grillparzer liest und wer Leute wie Salvini hört, der weiß, dass die Humanität wieder bedroht ist, massiv, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr: Sie ist bedroht von gemeiner Rede und gemeiner Tat, von der Lust an politischer Grobheit, Flegelei und Unverschämtheit, von der Verhöhnung von Anstand und Diplomatie, sie ist bedroht von einer sehr oft rabiaten Verweigerung des Respekts und der Achtung, die jedem Menschen zustehen, dem einheimischen Arbeitslosen, dem Flüchtling wie dem politischen Gegner. ...

... 1849 hat Franz Grillparzer den Satz geschrieben: "Von der Humanität durch Nationalität zur Bestialität." Wer Grillparzer liest und wer Leute wie Salvini hört, der weiß, dass die Humanität wieder bedroht ist, massiv, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr: Sie ist bedroht von gemeiner Rede und gemeiner Tat, von der Lust an politischer Grobheit, Flegelei und Unverschämtheit, von der Verhöhnung von Anstand und Diplomatie, sie ist bedroht von einer sehr oft rabiaten Verweigerung des Respekts und der Achtung, die jedem Menschen zustehen, dem einheimischen Arbeitslosen, dem Flüchtling wie dem politischen Gegner.

Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hat das in einem Interview mit mir vor ein paar Jahren in der Süddeutschen Zeitung beklagt: "Da wird heute wieder geredet wie damals, vom sozialen Frieden, der durch die Aufnahme der Flüchtlinge bedroht sei; da wird wieder geredet von der innenpolitischen Balance, die durch die Flüchtlinge gefährdet werde; da wird vom Missbrauch des Asylrechts geredet. Genau so war es damals. Nach und an diesem Gerede sind damals so viele Menschen gestorben. Die Konferenz von Évian hätte vielen Menschen das Leben retten können. Daraus gilt es zu lernen. Der Versuch, den europäischen Kontinent abzuschotten, bedeutet: Wir haben nichts gelernt."

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Aus: "Prantls Blick: "Wisst ihr nicht, dass diese verdammten Zahlen menschliche Wesen sind?"" Heribert Prantl (1. Juli 2018)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/prantls-blick-wisst-ihr-nicht-dass-diese-verdammten-zahlen-menschliche-wesen-sind-1.4036077

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Quote[...] Syrer in Deutschland streiten sich über Politik, Werte – und darüber, was man voneinander erwarten kann.

... In der Diaspora sind auch jene Syrer gezwungen, einander auf engstem Raum zu begegnen, die im Heimatland nur sehr wenig einte. Denn auf kultureller, intellektueller und wirtschaftlicher Ebene gibt es große Differenzen zwischen der Stadt- und der Landbevölkerung. Es heißt, dass Syrer erst während der Revolution begannen, ihr Land kennenzulernen. Als sie sich dann notgedrungen in Aufnahmelagern und Gemeinschaftsunterkünften von Angesicht zu Angesicht begegneten, wurde ihnen klar, dass nationale Zugehörigkeit weniger verbindet als geteilte politische oder religiöse Auffassungen. In ihrem Aufnahmeland aber, zum Beispiel hier in Deutschland, werden sie trotzdem als eine einheitliche Gruppe betrachtet.

Politische Diskussionen darüber, wer die Verantwortung für die enorme Zerstörung und Vertreibung in Syrien trägt, eskalieren schnell. Aus diesem Grund neigen viele dazu, Gespräche vorsorglich schon abzubrechen. Oft sagen sie dann: "Gott allein weiß es". In den Gesprächen gibt es das stille Einverständnis, dass Gott die Probleme lösen muss, da man selbst nicht in der Lage ist, sich zu einigen.

... Die Männer haben hier ihre ökonomische und soziale Vormachtstellung in der Ehe verloren. Viele Organisationen helfen den Frauen, ihren Weg zu finden. Für die Männer aber gibt es kaum vergleichbare psychologische Unterstützung, die ihnen dabei helfen könnte, mit ihrer neuen Rolle zurecht zu kommen.

Neben der steigenden Zahl der Scheidungen, die viele mit Sorge beobachten, verschärfen sich auch die Generationenkonflikte. Die Elterngeneration tut sich schwerer mit der Eingewöhnung und dem Deutschlernen. Die Lebenswelten entwickeln sich so Stück für Stück auseinander.

Wenn aber die Familie im Innern Probleme hat, wirkt sich das auch darauf aus, welches Bild sie nach außen abgibt. Im traditionellen, patriarchalen Rollenverständnis hängt der Respekt für den Mann auch davon ab, ob er die Kontrolle über seine Familienmitglieder hat. Daher gibt es unter Syrern in Deutschland auch Fälle, in denen Männer es als Schande vor der eigenen Ehefrau empfinden, die Vormachtstellung in der Familie zu verlieren.

All diese Probleme werden durch die Bedingungen in den Gemeinschaftsunterkünften noch verstärkt. Hier leben Familien mit sehr unterschiedlichen Prägungen auf engstem Raum und ohne Privatsphäre zusammen. Täglich müssen sie dort Fragen rund um Lautstärke, Sauberkeit, Essen oder religiöse Praktiken miteinander aushandeln.

... Von einer "Kommunikationskrise" zwischen neuen und alten Migranten spricht Inana Othman. Sie hat syrische Wurzeln und lebt seit ihrer frühen Kindheit in Deutschland. Othman hat als Migrationsberaterin gearbeitet und promoviert heute am Leibniz-Zentrum Moderner Orient in Berlin. Die Kommunikationskrise sei die Folge gegenseitiger Enttäuschung, sagt sie. Beide Seiten hätten unrealistische Erwartungen gehabt. Zu Anfang eilten viele Migranten ihren neu angekommenen Landsleuten zur Hilfe. Während viele davon sich nach wie vor ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagieren, waren für andere die großen Differenzen zwischen ihnen und den Geflüchteten ein Schock. Sie verglichen sich mit ihnen.

Die Sozialleistungen sowie die Maßnahmen zur vereinfachten Integration, wie zum Beispiel kostenlose Sprachkurse, die Geflüchtete erhielten, hatten sie bei ihrer Ankunft in Deutschland nicht bekommen. Deshalb erwarteten sie von den Neuen, dass die sich besonders zügig integrieren müssten. Aber: "Die Tatsache, dass Geflüchtete notgedrungen und nicht freiwillig hier sind, macht es schwieriger für sie, kulturelle Unterschiede im Alltag bedingungslos anzunehmen. Außerdem wird gänzlich außer Acht gelassen, unter welchen Bedingungen die Menschen leben mussten; während des Krieges, der Flucht und der Phase des Neubeginns, die mit dem Verlust des sozialen Stellenwerts verbunden ist", sagt Inana Othman.

Sie erkennt in der Haltung mancher früherer Zuwanderer gegenüber den Neuankömmlingen die Postionen rechter Deutscher wieder. "Dass Migranten anderen Migranten, die genau dasselbe erleben, wie sie es einst erlebt haben, mit solch einer Überheblichkeit begegnen, ist für mich unverständlich." Aber es gebe auch auf der anderen Seite Missverständnisse. "Manche Geflüchtete erwarten unendlich viel Hilfestellung von denen, die schon länger hier sind, besonders, wenn es um Übersetzungen geht. Das geht mit dem Verlust der eigenen Selbstständigkeit einher. Der Umgang miteinander ist auf beiden Seiten emotional und nicht rational begründet."

Die Konflikte werden auch in den sozialen Medien ausgetragen, oft in noch schärferer Form. "Ich habe manchmal das Gefühl, dass Facebook zu einem Schlachtfeld geworden ist, auf dem Syrer jene Wut auslassen, die in der Realität keinen Raum hat", sagt Maiada, eine Syrerin Anfang zwanzig, die gerade Deutsch lernt und hier studieren will. Sie und ihr Mitschüler Suleiman konnten den Hass, den sie auf Facebook-Seiten erlebten, nicht mehr aushalten. Deshalb haben sie ihre Accounts gelöscht. "Ich kann nachvollziehen, dass Leute über Politik streiten und dass manche sich im Netz besonders viel trauen, weil sie anonym sind. Was mich aber verblüfft, ist, dass sich die Konflikte auf alle Fragen ausweiten. Es wird gestritten über den Hijab, das Fasten im Ramadan, Freiheiten in Deutschland, Sexualunterricht an Schulen, die Rückkehr nach Syrien, Rassismus, Antisemitismus, es wird sogar über Kunst gestritten. Es gibt so viel Wut," sagt Suleiman.

Konflikte, die im Alltag totgeschwiegen werden, kommen in den sozialen Medien zum Vorschein. Der Krieg im Heimatland wird im Internet weiter ausgetragen. Soziale und kulturelle Gräben, die bereits in Syrien vorhanden waren, vertiefen sich hier weiter.

Andererseits können soziale Medien Geflüchteten beim Ankommen in Deutschland auch helfen. So gibt es Gruppen zur Vernetzung von Künstlern und Schriftstellern, andere helfen jungen Leuten dabei, Studienplätze, Stipendien, Ausbildungsplätze, Sprachschulen und Arbeitsmöglichkeiten zu finden, in wieder anderen Gruppen können sich die Nutzer über ihr Leben in Deutschland austauschen. In diesen Gruppen überwiegt das Verbindende, nicht das Trennende. Zu den dominanten Themen gehören etwa das Warten auf den Aufenthaltstitel, die Suche nach Stabilität, die Herausforderung, eine neue Sprache zu lernen, die Angst vor Abschiebung oder Verlagerung in eine andere Unterkunft. An oberster Stelle aber steht, bei allen Unterschieden untereinander, das eine Thema: wie die deutsche Gesellschaft sie aufnimmt oder ablehnt.

Übersetzung: Serra Al-Deen, Mahara-Kollektiv

QuoteIsenskjold #11

Sehr guter Artikel, bei den unendlichen Debatten über Flüchtlinge fehlt oft die Perspektive der Flüchtlinge.


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Aus: "Wie hältst du es mit Assad?" Souad Abbas (21. Juli 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-07/syrer-deutschland-fluechtlinge-konflikt-assad-befuerworter-gegner/komplettansicht

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Quote[...] Mit einem Tweet hat Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland eine diplomatische Krise zwischen ihrem Land und Saudi-Arabien ausgelöst; auf Twitter wird die Auseinandersetzung auch weiter ausgefochten. Seit Jahrzehnten geübte diplomatische Praxis wird ersetzt durch ein Verhalten, wie wir es aus 4chan und anderen Schmuddelecken des Internets kennen: Das Beispiel Donald Trump jedenfalls macht Schule.

Freeland hatte getwittert, dass Kanada ernsthaft besorgt sei wegen neuer Festnahmen friedlicher Menschenrechtsaktivistinnen, darunter auch der Schwester des weiterhin eingesperrten Bloggers Raif Badawi, Samar Badawi.

Dann legte die Führung in Riad los: Kanadas Botschafter wurde des Landes verwiesen, der eigene aus Ottawa zurückgerufen, ein Handelsabkommen plus Investitionen eingefroren und Flüge der Airline Saudia nach Toronto gestoppt. Der Tweet sei eine "eine eklatante und unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten des Landes, die gegen alle internationalen Normen und Protokolle verstoße" begründete das Außenministerium die Maßnahmen.

Begleitet wurde das alles von regelrechtem Getrolle auf Twitter: So twitterte das saudische Außenministerium, jeder weitere Versuch Kanadas, sich in interne Angelegenheiten einzumischen, erlaube es Riad, sich in Kanadas interne Angelegenheiten einzumischen. Darauf wollten jede Menge mutmaßlich saudische Twitter-Accounts nicht warten und drückten mit auffallend identischer Wortwahl ihre Unterstützung der Unabhängigkeitsbestrebungen in Québec sowie ihre Sorge vor einem "kulturellen Völkermord" an den indigenen Völkern in Kanada aus.

Ein Account, den Beobachter mit staatlichen Medien in Saudi-Arabien in Verbindung bringen, trieb es am Montag dann noch weiter: @Infographic_ksa twitterte die Bildmontage eines Flugzeug, das auf Torontos Skyline und dort vor allem den CN Tower zufliegt. Dazu hieß es, "wer sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen, wird etwas finden, was ihm nicht gefällt". Das Bild erinnerte viele an die Anschläge vom 11. September 2001 und wurde von dem Account wieder gelöscht. In einer Entschuldigung hieß es, das Bild habe die Rückkehr des kanadischen Botschafters zeigen wollen. Die saudische Regierung hat eine Untersuchung angeordnet, der Account ist deaktiviert.

Dass das Ende der Fahnenstange damit erreicht ist, scheint zumindest zweifelhaft. Die Welt muss sich wohl daran gewöhnen, dass weltpolitische Konflikte nicht am Verhandlungstisch oder bei den Vereinten Nationen verhandelt werden, sondern auf Twitter eskalieren. Wer das Internet kennt, weiß schonmal, schlimmer geht immer. (mho)



Aus: "Eskalation auf Twitter: Saudi-Arabien vs. Kanada" Martin Holland (07.08.2018)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Saudi-Arabien-vs-Kanada-Twitter-statt-UNO-4130589.html

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Quote[...] Ein paar Eingeständnisse, dass irgendwas falschgelaufen ist und weiter falschläuft, ein bisschen Mea culpa und sehr viel Ratlosigkeit: Wegen dieser Sorte Interviewaussagen sind Mark Zuckerberg und seine Social-Media-Plattform Facebook vor einer Weile erst so richtig öffentlich unter Druck geraten. Eigentlich würde man also annehmen, dass man als Chef von Facebooks großem Konkurrenten in dem Punkt Zuckerberg lieber nicht nacheifern wollen würde. Jack Dorsey, Mitgründer von Twitter und CEO des Kurzmitteilungsdienstes, tut aber genau das.

Am Wochenende hat CNN ein Interview mit Dorsey ausgestrahlt, dem wenige Tage zuvor bereits eines mit NBC vorangegangen war, in dem der recht wolkig darüber gesprochen hatte, menschenfeindliche Aussagen von der eigenen Plattform verbannen zu wollen. Bloß wie, das wusste er nicht zu sagen. Problem erkannt heißt eben nicht zwangsläufig auch: Problem gebannt. Doch wenigstens sagt der Chef mal was. Man nennt das Krisenkommunikation, nur dass sie im Fall von Jack Dorsey ebenso wie zuvor bei Mark Zuckerberg nicht zu funktionieren scheint.

Facebook hat nicht nur mit selbst verursachten Skandalen um Datennutzung zu kämpfen, sondern seit der Wahl Donald Trumps im Jahr 2016 auch mit der Diskussion um die eigene Rolle bei der Verbreitung von gezielten Falschinformationen. Twitter wiederum wird als Lieblingsplattform des amtierenden US-Präsidenten seit dessen Wahl täglich in den Nachrichten zitiert als Ort, an dem der sich geradezu in Permanenz äußert – auf eine Weise, die man zuvor eher nicht als dem Amt und dessen Würde angemessen betrachtet hätte. Twitter wurde auch durch Trump zum Synonym für eskalierende öffentliche Debatten, für ungezügelte Hate Speech, für das Beleidigen und Beleidigtwerden. 

Doch erst die Reaktionen auf Twitters Unwillen, den amerikanischen Verschwörungstheoretiker Alex Jones und Inhalte dessen Website InfoWars endgültig von der eigenen Plattform zu entfernen, haben Dorsey jetzt offenbar zum Start einer Interviewoffensive bewogen. Die Tech-Konkurrenz hat ihn regelrecht dazu gezwungen, denn die hat im Gegensatz zu Twitter Alex Jones in den vergangenen Wochen in bemerkenswertem Einklang verbannt: Auf YouTube, Facebook, Vimeo und Pinterest ebenso wie in Apples und Spotifys Podcastangebot findet man keine Spur mehr von InfoWars und dem bei Rechten bis Rechtsextremen populären Radiomoderator. Der hat unter anderem behauptet, das Massaker an der Sandy Hook Elementary School in Newton im Jahr 2012 habe nie stattgefunden. Ein Einzeltäter ermordete in dieser Schule 27 Menschen, darunter 20 Kinder. Zuletzt rief Jones seine Fans unverblümt auf, zu den Waffen zu greifen im Falle eines von ihm herbeifantasierten Bürgerkrieges gegen die US-Medien.

Selbst in einem Land, in dem die Freiheit der öffentlichen Rede nahezu uneingeschränkt ist, gelten Jones' Aussagen als potenziell derart gefährlich, dass sich kaum Protest vernehmen ließ gegen die Weigerung der Tech-Konzerne, dessen Botschaften weiterhin auf den eigenen Plattformen zu dulden.

Auf Twitter aber wurde Jones zuletzt lediglich vorübergehend gesperrt, für sieben Tage. Aufrufen kann man alle mit ihm verbundenen Accounts nach wie vor. Und abgesehen von offenbar einzelnen Löschungen, die Twitter erst nach Nutzerbeschwerden vorgenommen hat, lassen sich die Aktivitäten dieser Accounts weiterhin lückenlos zurückverfolgen.

Als CNN-Moderator Brian Stelter den Twitter-Chef Jack Dorsey nun auf Jones ansprach und darauf, ob eine vorübergehende Sperre ernsthaft zu einer Veränderung dessen Verhalten auf Twitter führen werde, antwortete Dorsey: "Wir haben Hinweise darauf, dass solche Maßnahmen tatsächlich Verhaltensweisen ändern können. Ich bin nicht so naiv zu glauben, dass das bei jedem Nutzer der Fall ist. Aber einen Versuch ist es wert." Was wiederum naiv klingt.

Man könne doch nicht ständig die eigenen Regularien verändern, um sie Einzelfällen anzupassen, sagte Dorsey. Firmen wie Twitter fürchteten sich davor, persönliche Einstellungen der eigenen Mitarbeiter gegenüber einzelnen Nutzern zum Maßstab für etwaige Entscheidungen über deren Twitter-Accounts zu machen. "Das würde sich zufällig und unfair anfühlen", sagte Dorsey, und würde niemandes Vertrauen erhöhen in die eigene Plattform.

Dass sich Twitters Community-Regeln für viele Nutzerinnen und Nutzer ebenso zufällig und unfair anfühlen mögen wie deren Handhabung durch die Firma, sagte Dorsey nicht. Das bleibt ein ständiger Quell für Debatten auf Twitter selbst. Doch weil es sich um ein privates Unternehmen handelt, kann es gleichsam sein eigenes Hausrecht anwenden, um zu entscheiden, was es an Inhalten akzeptabel findet und was nicht. Eingeschränkt wird die Firma nur durch das jeweils nationale Recht, das zum Beispiel in Deutschland das Verbreiten verfassungsfeindlicher Symbole wie Hakenkreuzen verbietet, während das etwa in den USA erlaubt ist. Und weil Dorsey im Gegensatz zu Mark Zuckerberg bislang nicht mal andeutungsweise einzugestehen bereit scheint, die eigene Plattform könne ein Medium darstellen und damit etwa den jeweiligen Pressegesetzgebungen unterstehen, sieht er sich offenkundig in keinerlei verlegerischer Verantwortung.

Stattdessen argumentierte Dorsey gegenüber CNN ähnlich, wie Zuckerberg das zu Beginn der großen Facebook-Glaubwürdigkeitskrise getan hat: Twitter sei als Firma viel zu klein, um sämtliche über die Plattform verbreiteten Inhalte auf Richtigkeit überprüfen zu können. Dorsey verwies gar implizit auf Facebook selbst, als er sagte, manche der Mitbewerber hätten deutlich mehr Angestellte als Twitter. Facebook besitzt mit rund 30.000 Mitarbeitern tatsächlich eine rund zehnmal größere Belegschaft als Twitter, doch das hängt neben der Bauweise der Plattform und dem Aufwand deren Betriebs auch mit dem sehr unterschiedlichen wirtschaftlichen Erfolg der beiden Unternehmen zusammen – Facebook hatte im vergangenen Jahr einen Umsatz von etwas mehr als 40 Milliarden US-Dollar, Twitter einen von nur knapp 2,5 Milliarden.

Doch der Kurznachrichtendienst bietet gerade seinen Mitgliedern mit großem Gefolge wie eben Donald Trump (knapp 54 Millionen Follower) eine im Vergleich zu Facebook viel direktere und ungefilterte Möglichkeit, jeden Gedanken, der in 280 Zeichen hineinpasst, Menschen auf das Mobiltelefon zu pushen. Das gab auch Dorsey gegenüber CNN zu, als er sagte, gemessen an der eigenen geringen Mitarbeiterzahl besäße die Plattform eine potenziell große Wirkung. Nur um das wieder zu relativieren: "Ich glaube nicht, dass wir so mächtig sind, wie viele Twitter-Nutzer glauben." Donald Trump zumindest glaubt an die Macht von Social Media, erst am Samstag klagte er, natürlich auf Twitter, die Plattformen unterdrückten konservative Meinungen, gemeint war offenbar vor allem Facebook. 107.000 von Trumps Twitter-Followern drückten bei dieser Botschaft auf Like.

Doch aus der Unwucht zwischen (nicht wirklich messbarer) Wirkmacht und fehlenden Kontrollmöglichkeiten bei Twitter will der CEO des Unternehmens zumindest derzeit keine Konsequenzen ziehen. Als Stelter ihn fragte, ob er bereit sei, alles zu ändern an Twitter, antwortete Dorsey viel-, nämlich nichtssagend: "Wir sind bereit, alles infrage zu stellen." Bis wann? "Ich wehre mich gegen zeitliche Festlegungen." Wie könnten Änderungen aussehen? "Was wir tun könnten, ist, mehr Kontext zu liefern. Etwa indem wir alle erdenklichen Perspektiven auf eine Aussage zeigen – dass manche Leute sie für eine Falschinformation halten und andere es anders sehen. Ich sage jetzt aber nicht, dass wir das tun werden." Schlussendlich: "Wir wissen noch nicht, was wir tun werden. Es wäre jedoch gefährlich für eine Firma wie unsere, Schiedsrichter über die Wahrheit zu spielen."

Überhaupt, sagte Dorsey gleich zu Beginn des Interviews mit CNN, komme es ja darauf an, wem man auf Twitter folge. Ja, es gebe dort "ungesunde politische Debatten, vor denen man weglaufen möchte". Aber wenn man zum Beispiel Accounts der US-Basketballliga NBA oder von Kpop-Fans folge, bekomme man von all der ungesunden Politik gar nichts mit.

Mit anderen Worten: Es gibt eigentlich gar kein Problem auf Twitter, wenn man nur gut genug wegschaut. Dann sieht man auch keine rassistischen, frauen- und überhaupt menschenverachtende, sexuelle oder ethnische Minderheiten beleidigende Aussagen. Man sieht nur das Gute, oder wie Dorsey es nennt, Gesunde.

Bei Mark Zuckerberg hat es rund ein Jahr gedauert von der Leugnung, Facebook habe auch nur die geringste Rolle gespielt im Wahlkampf 2016 und letztlich in politischen Debatten – bis zu der Ankündigung, einige Tausend zusätzliche Mitarbeiter einzustellen und erhebliche finanzielle Mittel in den Einsatz von künstlicher Intelligenz zu stecken, welche die Plattform nach unerwünschten Inhalten durchforsten soll. Gemäß dieser Zuck-Zeitrechnung ist Jack Dorsey ausweislich seiner Interviewaussagen etwa auf der Hälfte der Strecke angelangt, die scheinbar zwangsläufig am Ende zu einer simplen Erkenntnis führt: Menschen sind nicht so nett zueinander, wie man es gern hätte, gerade als Plattformbetreiber.

Nettigkeit kostet einen als solchen kein Geld, Boshaftigkeit oder gar das Verbreiten von Unwahrheiten aber schon, denn das muss man aufwendig eindämmen – damit es wieder nett wird auf der Plattform. Und als Dank kriegt man dann den Vorwurf gratis dazugeliefert, man betreibe Zensur.

Man möchte wirklich kein Social-Media-CEO sein. Da hat man nur Ärger.


Aus: "Twitter: Zwitschern im Walde" Dirk Peitz (20. August 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/2018-08/twitter-plattform-jack-dorsey-hatespeech-verschwoerungstheorie/komplettansicht

Quotedackel im sturm #7

Donald's postingblüten sind jedenfalls jetzt schon weltliteratur !!


QuoteTommy Berlin #14

Es hat überhaupt keinen Sinn, "Phänomenen" wie Alex Jones mit Zensur zu begegnen. Und gegen Beleidigungen, Verunglimpfungen, Falschdarstellungen und Drohungen gibt es schon jetzt in den meisten Ländern der Welt anwendbare Rechtsmittel.

Mit Zensurmassnahmen verlegt man strittige Inhalte lediglich in geschlossene Gruppen und die dunklen Ecken des Netzes. Weg sind sie damit nicht, nur schwieriger zu finden.

Sofern Inhalte nicht illegal oder strafrechtlich relevant sind, sollten sie nicht zensiert werden dürfen. Wir tun uns alle keinen Gefallen, wenn wir das zulassen. Wer das nicht erkennt, hat die Sache mit der persönlichen Freiheit nicht verstanden.


Quotegraumelierter Troll #17

Es geht in die richtige Richtung: Das Geschäftsmodell Aufmerksamkeitsbindung durch Lärmmaximierung verliert an Legitimation. Der gesellschaftliche Wert des freien Diskurses erscheint erkannt.


Quote
Miniwahr #23

"Doch der Kurznachrichtendienst bietet gerade seinen Mitgliedern mit großem Gefolge wie eben Donald Trump (knapp 54 Millionen Follower) eine im Vergleich zu Facebook viel direktere und ungefilterte Möglichkeit, jeden Gedanken, der in 280 Zeichen hineinpasst, Menschen auf das Mobiltelefon zu pushen. Das gab auch Dorsey gegenüber CNN zu, als er sagte, gemessen an der eigenen geringen Mitarbeiterzahl besäße die Plattform eine potenziell große Wirkung."

Merkt eigentlich noch irgendjemand irgendetwas? Wieviele Nudging-Artikel müssen eigentlich noch erscheinen, bis wir endlich alle um Zensur winseln.

Twitter gibt dem US-Präsidenten die Möglichkeit seine "Follower" direkt zu erreichen und direkt auf das Mobiltelefon zu pushen. Wo wir uns doch so daran gewöhnt haben, dass diese Meinung zunächst einmal für den Rezipienten aufbereitet werden sollte.

Dazu noch Trolle und Verschwörungstheoretiker. Etwas was es in der Eckkneipe der 70er nie gegeben hätte. [...] All die "liberalen" Speerspitzen sind voller Inbrunst nach Zensur zu brüllen. Und selbstverständlich geht es nur um Nazis, Jugendverderber und VT-Spinner sowie andere "feindliche Mächte". Wer könnte da etwas dagegen haben? Der Rest ergibt sich dann...

Gekürzt. Bitte verzichten Sie auf unangemessene Vergleiche. Danke, die Redaktion/rf


...

Textaris(txt*bot)

#26
Quote[...] In Wiesbaden steht eine riesige Erdogan-Statue. Die Kunstaktion der Wiesbaden-Biennale bringt Migranten in Rage. ... Trotz der Aufregungen entschied der Magistrat, sie aus Gründen der Kunstfreiheit stehen zu lassen, solange davon keine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausgehe. Polizisten bewachen das Kunstwerk.

,,Die Statue steht da, damit die Leute über die Figur diskutieren", erklärt Uwe Eric Laufenberg, Intendant des hessischen Staatstheaters und verantwortlich für die Biennale, einem Jugendlichen, der an Deutschland kein gutes Haar lässt. ,,Ihr mit eurer Meinungsfreiheit", schleudert dieser dem Intendanten entgegen. Warum da nicht Merkel stehe oder Trump? Über eine Stunde stellt sich Laufenberg den Fragen und Beschimpfungen der aufgebrachten Leute. ,,Kunst zeigt, was ist, das müssen wir aushalten", wiederholt er sich.
Manche Menschen freuen sich, dass ,,ihrem Präsidenten" so viel Ehre zuteil wird; einige Frauen lassen sich vor der Statue fotografieren. Andere erbost zutiefst, dass Erdogan für Kunst herhalten solle, um ihn damit zu kritisieren. ...


Aus: "Der goldene Erdogan" Madeleine Reckmann (29.08.2018)
Quelle: http://www.fr.de/rhein-main/erdogan-in-wiesbaden-der-goldene-erdogan-a-1572161

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Quote[...] "Nach Einschätzung der Ordnungskräfte wäre eine ruhige und friedliche Atmosphäre nur durch den dauerhaften Einsatz starker Polizeikräfte zu erreichen gewesen." Nach Angaben der Polizei sind am Abend rund einhundert Beamte vor Ort gewesen. Die Lage habe sich zwar hochgeschaukelt, etwas strafrechtlich Relevantes sei allerdings nicht passiert, sagte ein Polizeisprecher.

Im Laufe des Tages sei dann zudem bekannt geworden, dass kurdische Kreise dazu aufgefordert hätten, überregional zu Protestaktionen nach Wiesbaden anzureisen, sagte Stadtsprecher Munser. Das hätte nach Einschätzung der Stadt "einen massiven dauerhaften Polizeieinsatz" nötig gemacht.

In dieser Situation hätten Oberbürgermeister Sven Gerich (SPD) und Ordnungsdezernent Oliver Franz (CDU) kurz vor 21 Uhr den Abbau beschlossen ...


Aus: "Goldene Erdogan-Statue abgebaut: Das war der Grund" (29.08.2018)
Quelle: https://www.tag24.de/nachrichten/wiesbaden-hessen-grund-abbau-der-goldenen-erdogan-statue-kurden-aufmaersche-polizei-auseinandersetzung-754337

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Quote[...] An Recep Tayyip Erdogan ist so gar nichts Witziges. Aber die Kunstaktion in Wiesbaden, bei der der türkische Präsident jetzt die Hauptrolle spielte, steckt voller Witze. Es sind keine guten.

Der erste schlechte Witz ist die goldene Statue selbst, die ein unbekannter Künstler im Rahmen der Wiesbadener Biennale aufgestellt hatte. Wenn er provozieren wollte, hätte er sich sicher etwas Intelligenteres ausdenken können. Die halbwegs naturgetreue Wiedergabe des Autokraten, die das ,,Denkmal" darstellte, erschien doch allzu platt, um in die Kunstgeschichte einzugehen.

Der zweite schlechte Witz besteht darin, dass die Provokation trotzdem gelang. Auf dem Wiesbadener Platz der Deutschen Einheit versammelten sich nicht nur, aber offenbar zahlreich, diejenigen Menschen, denen in ihrer verbohrten Denke jede ironische Distanz abhandengekommen ist, falls je vorhanden. Statt sich auch nur einen einzigen Gedanken zu machen, ob sich hinter dem Abbild nicht doch eine Botschaft verbirgt, warfen sie sich ihre Meinung zu dem Menschenrechtsverächter gegenseitig an die Köpfe – brüllend und offenbar bis nah an die Grenze zur Gewalt. Meinungen, die, nicht zu erweichen durch Argumente, so fest in Stein gemeißelt sind wie ein Standbild.

Der dritte schlechte Witz ist der Umgang der Stadt mit dem Thema: Den ganzen Dienstag lang – auch, als schon Polizeipräsenz notwendig geworden war –, beteuerten die Verantwortlichen, die Kunstfreiheit habe Vorrang, solange die öffentliche Sicherheit nicht in Gefahr sei. Aber dann, abends um viertel vor elf, fiel ihnen ein, dass ihnen die Sache doch zu riskant erschien. Wie prekär die Lage zu diesem Zeitpunkt war, ist von außen schwer einzuschätzen, es gab unterschiedliche Angaben dazu.

So oder so: Das war der Moment, in dem das gar nicht witzige Endergebnis des Vorgangs amtlich wurde. Mit der Statue verschwand ein Stück Kunstfreiheit aus dem öffentlichen Raum. Es verschwand deshalb, weil das Geschrei der Empörten (und der Erdogan-Fans) offenbar stärker war als die Macht des Staates, Schlimmeres zu verhindern. Insofern hat die Statue, unabhängig von ihrer Qualität, ein Stück Aufklärung über die unerfreuliche Lage im Land geleistet.

An eines muss offenbar erinnert werden: Kunstfreiheit erweist sich gerade darin, dass sie auch ,,schlechte" Kunst, selbst schlechte Witze, schützt. Kunst, die keinen stört, kann jeder schützen. Dass Kunst auch polarisieren können muss: Dieses Grundprinzip von Demokratie hat in Wiesbaden eine Niederlage erlitten.


Aus: "Mit Erdogan verschwindet die Kunstfreiheit" Stephan Hebel (29.08.2018)
Quelle: http://www.fr.de/politik/meinung/kommentare/streit-um-erdogan-statue-mit-erdogan-verschwindet-die-kunstfreiheit-a-1572425

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Auf Initiative von ,,Zeit Online" hatten sich elf deutsche Medienhäuser, darunter auch der Tagesspiegel, zusammengeschlossen, um Menschen am gestrigen Sonntag unter dem Motto ,,Deutschland spricht" an einen Tisch zu bringen. Eine Aktion, die es hierzulande so nie gegeben hat – ein Experiment. Um Punkt 15 Uhr trafen sich exakt 8470 Menschen in ganz Deutschland in Kneipen, auf Parkbänken oder am heimischen Küchentisch. Paare, die von einem Algorithmus zusammengewürfelt worden waren. Regional möglichst nah beieinander, in der politischen Positionierung möglichst weit voneinander. Der einfache und doch so schwere Auftrag: Miteinander sprechen. Taxifahrer, Professoren, Feuerwehrmänner und Krankenpfleger beantworteten dazu im Vorfeld Fragen wie ,,Sollte Fleisch stärker besteuert werden, um den Konsum zu reduzieren?", ,,Ist Donald Trump gut für die USA?" oder ,,Können Muslime und Nichtmuslime in Deutschland gut zusammenleben?"

Unter den 500 Gästen, die am Sonntag im Radialsystem zusammenkommen, sind auch 50 der 4235 vermittelten Gesprächspaare, Leser und Leserinnen der Medienpartner sowie Vertreter aus Wirtschaft und Politik. Zu Beginn betont Schirmherr Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Rede, dass die Wirklichkeit dieser Tage statt ,,Deutschland spricht" leider zu oft ,,Deutschland brüllt" bedeute. Darum sei er dankbar, dass sich Menschen dazu bereit erklärten, ,,für ein paar Stunden die Klischees und Komfortzonen, denen wir alle auf unterschiedliche Art und Weise anhängen, hinter uns zu lassen." Die Aktion ,,Deutschland spricht" sei ein erster Schritt, die Mauern, die zwischen Lebenswelten entstanden sind, zu überwinden. Die aus der Freiheit erwachsende Vielfalt, gälte es auszuhalten, statt sich in Echokammern zu verschanzen: ,,Die Demokratie kennt keinen Endzustand." Die gegenseitige Rücksichtnahme der Gesprächspartner sei ,,weniger Ausdruck von Feigheit, sondern schlicht der Ausdruck gewachsener Zivilität."

Auch der deutsche Blogger Sascha Lobo bekennt sich zur Idee von ,,Deutschland spricht", stellt aber als Vorbedingung, eine klare, rote Linie gegenüber menschenverachtenden Ideologien wie dem Neonazismus zu ziehen. Deren Vertreter dürften nicht mehr Teil der Debatte einer demokratischen Gesellschaft sein.

Eva Schulz, Reporterin und Moderatorin von Deutschland 3000, fordert die Zuhörer dazu auf, offen dafür zu sein, die Meinung zu ändern. ,,Warum gilt es noch immer als Schwäche, sich überzeugen zu lassen? Warum ist es verpönt, sich einzugestehen, dass man im Unrecht ist?" Aktionen wie ,,Deutschland spricht" könnten dabei den Streitmuskel trainieren, der in einer Debattenkultur dringend benötigt werde.

Harald Martenstein, Kolumnist des Tagesspiegels, betont im Anschluss, dass ,,Hass kein exklusiver Bestandteil einer bestimmten politischen Richtung" sei. Verachtung könne man nicht mit Gegenverachtung austreiben. Dieser Vorstellung hält er die Idee des Christentums entgegen, dem Hass mit Liebe zu begegnen: ,,Man muss den Hassern zeigen, dass sie trotz allem kein Dreck sind". Wer hingegen Mitmenschen nicht mehr als Mitmenschen erkenne, sei immer gefährlich.

Mely Kiyak, Autorin und Kolumnistin von ,,Zeit Online", spricht den Teilnehmern von ,,Deutschland spricht" ihre Hochachtung aus: ,,Ich bewundere alle, die kommunikative Räume noch betreten", denn wer heutzutage unversehrt bleiben wolle, halte in diesen Tagen den Mund und ziehe sich zurück. Mit Bezug auf die Ostpolitik von Willy Brandt, der einen ,,Wandel durch Annäherung" anstrebte, gibt sie den Diskutanten einen Rat mit auf dem Weg: ,,Der Gegner wird immer weniger Gegner sein, um so mehr man sich ihm nähert."

Dann verteilen sich die Zweierpärchen im Haus. Streitthemen für ausführliche Diskussion sind in diesen Tagen keineswegs rar gesät. Hier spricht man über die Ehe für Alle. Dort über die Migration. Und etwas weiter über autofreie Innenstädte. Eine sorgenvoll dreinschauende, ältere Teilnehmerin erkundigt sich bei den Organisatoren, wieviel Zeit sie denn dafür hätten: ,,Keine Sorge. Sie werden heute Abend nicht vor die Tür gesetzt, selbst wenn sie bis morgen früh diskutieren."


Aus: "Training für den Streitmuskel" Hannes Soltau Jana Demnitz (23.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/aktion-deutschland-spricht-training-fuer-den-streitmuskel/23103752.html

QuoteAcatenango17 23.09.2018, 19:34 Uhr
Eigentlich eine gute Idee, aber medial leider viel zu aufgeblasen und staatstragend präsentiert, mit dem BuPrä und allerlei Protagonisten aus dem Medienbereich. Ich hätte es besser gefunden, wenn ausschließlich ganz normale Bürger untereinander  diskutieren, und die Medienvertreter sachlich und neutral darüber berichten. Leute wie Lobo, Martenstein, Kiyak etc. sind schon auf Grund Ihrer Tätigkeit privilegiert, ständig Ihre Meinungen öffentlich kundtun zu dürfen. Dass die sich hier wieder in den Vordergrund drängen ,bzw. in den Mittelpunkt der Berichterstattung gestellt werden,  finde ich etwas befremdlich.


Quotefreiheit12 11:07 Uhr
Die Initiative "Deutschland spricht" war schon eine Enttäuschung. Man versprach die "besorgten Bürger" in ihren angeblichen Echokammern aufzuklären und zu überzeugen. Aber wie die Berichte, gerade auch in anderen Zeitungen zeigen, kamen keine neuen überzeugenden Argumente auf den Tisch.
Es gab also keine Informationsdefizite, sondern es wurden lediglich verschiedene Ansichten und politische Einstellungen sowie Argumentations- und Streitmuster gezeigt, ohne das die "besorgten Bürger" umgestimmt werden konnten, oder die andere Seite sich deren Argumente wirklich annahm.


QuoteDas_Grauen 08:51 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Acatenango17 23.09.2018, 19:34 Uhr
Richtig. Anstelle die gesprächsbereiten Bürger in den Vordergrund zu stellen, drängeln sich dort die üblichen Verdächtigen, um ihrer Eitelkeit zu fröhnen. ...


QuoteGarzauer 23.09.2018, 19:32 Uhr
Betreutes Sprechen - der nächste Schritt in die deutsche Senilgesellschaft ist gemacht!


QuoteRobert_Rostock 23.09.2018, 19:22 Uhr
Tut mir leid, aber angesichts der aktuellen Situation, der Atmosphäre in diesem unseren Lande, finde ich die Aktion ,,Deutschland spricht" und vor allem ihre allseiige Lobpreisung vollkommen absurd. Selbstredend sind die im obigen Artikel zitierten Aussagen richtig. Selbstverständlich wäre es eigentlich richtig, miteinander zu reden.
Nur: Es ist längst viel zu spät. Man muss sich nur mal die anderen, momentan meistdiskutierten Artikel hier ansehen.
Keine Chance mehr.
,,Deutschland spricht" erinnert mich an die Kapelle auf der Titanic. Die hat sicher auch schöne Musik gespielt.


QuoteBrotkrume 23.09.2018, 20:22 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Robert_Rostock 23.09.2018, 19:22 Uhr
Stimmt. Dafür ist viel sinnvoller immer DAGEGEN zu sein. Dadurch ändert sich voll viel. DAGEGEN. SCHEISSE. ZU SPÄT.

Was genau schlagen Sie vor? Anarchie? Atombombe? Heil dem Führer?


QuoteRobert_Rostock 23.09.2018, 20:36 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Brotkrume 23.09.2018, 20:22 Uhr
Ich habe doch nicht geschrieben, dass ich dagegen bin. Sondern, dass es zu spät ist.
Und wenn ich einen Lösungsvorschlag hätte, dann würde ich nicht hier so pessimistische Beiträge schreiben.

Nebenbei ist Ihre letzte Unterstellung einer der Gründe, warum es meiner Meinung nach zu spät ist. Warum diese Veranstaltung keinen Sinn mehr macht. Weil generell dem anderen immer das Schlimmste unterstellt wird.

Weil Sie mir ohne jeden Grund unterstellen, ich wünschte mir den Führer, darum halte ich es für zu spät, mit einem Dialog zu beginnen.


QuoteDas_Grauen 08:57 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Robert_Rostock 23.09.2018, 19:22 Uhr
Ich begrüße eigentlich den Versuch, das Auseinanderdividieren der Gesellschaft zu verhindern, muß aber Ihren Bedenken zustimmen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer und eine (Alibi)Veranstaltung keinen Gesellschaftswandel. Die engagierten Teilnehmer der Aktion haben keine Chance gegen die Polarisierung, die die Medien täglich betreiben. Solange sich daran nichts ändert, muß man Spiegel, Zeit & Co Scheinheiligkeit vorwerfen.


QuoteAnna2 23.09.2018, 18:31 Uhr
Der Architekt des größten Sozialabbaus der Bundesrepublik ruft als Schirmherr zu kultivierter und offener Diskussion über gesellschaftlichen Zusammenhalt und Ausgrenzung auf, in denen dieser Sozialabbau praktisch nicht thematisiert wird. ...


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Quote[...] Deutschland hat seine Mitte verloren. In diesem Punkt sind sie sich schon vorab einig. Claudia Müller, 35 Jahre, alleinerziehende Mutter, arbeitet im sozialen Bereich, vorwiegend mit ,,migrantischen Problemkindern" und will ihren richtigen Namen deshalb nicht in der Zeitung lesen. Und Ursula Knispel, 71 Jahre alt, früher Ausstatterin bei Film und Theater, seit einigen Jahren Rentnerin. ,,Diskussionen gibt es nicht mehr", sagt Müller. ,,Toleranz fehlt auf allen Seiten", sagt Knispel. Und wenn sie so über die neue Zweiteilung Deutschlands reden, dann meinen sie vor allem die Spaltung zwischen Links und Rechts. Zwischen den ,,Gutmenschen, die alle gleichbehandeln und glauben, dass jeder integrierbar ist", sagt Müller. Und zwischen denen die ,,alle die anders aussehen und anders denken als Störfaktor und Feind einstufen", sagt Knispel.

Alles nur noch schwarz-weiß. Wo sind die Zwischentöne?

Claudia Müller will die Grenzen stärker kontrollieren, findet, dass die Metoo-Debatte nichts gebracht hat, es Deutschland schlechter geht als vor zehn Jahren und Muslime und Nicht-Muslime hier nicht gut zusammenleben können. Studien liest sie lieber als Zeitungen. Den Medien glaubt sie nicht mehr. Ursula Knispel liest die Zeitung täglich und hat zu jedem dieser Punkte eine andere Meinung. Trotzdem sitzen sich die beiden an diesem Sonntag in einem Café in der Uhlandstraße gegenüber und diskutieren im Rahmen von ,,Deutschland spricht". Hat immerhin keiner die Wahrheit für sich gepachtet, finden sie. Und irgendwie müsse man doch im Gespräch bleiben. Aber, sagt Frau Müller noch vorab, ,,beim Thema Islam würde ich mich streiten".

Mit Muslimen sagt sie, mache sie in ihrem Alltag schlechte Erfahrungen. Die Kinder seien oft aggressiv, die Familien, sehr konservativ, lebten in Parallelgesellschaften. ,,Der Islam ist für viele eine Staatsreligion und das merkt man", sagt sie und fragt: ,,Wie soll man die integrieren?" Die AfD würde sie nicht wählen. Auf einer Demo mitlaufen, auf der Rechte den Hitlergruß zeigen: niemals. Aber, und das will sie deutlich sagen, Probleme, die da sind, müssten doch angesprochen werden. Müssten vor allem angesprochen werden dürfen, ohne dass man gleich in die ,,Nazi-Ecke" gestellt werde. ,,Der wütende Mob entsteht doch nur, weil die Menschen sich in ihrem Wunsch, nicht alle aufzunehmen, und in ihrer Angst vor Veränderungen, nicht ernst genommen fühlen."

Claudia Müller redet sehr viel an diesem Sonntag – und wird sich später dafür entschuldigen. Ursula Knispel wird abwinken. ,,Ich bin ja auch hier, um das zu hören."

Ursula Knispel ist überzeugt, dass Christen und Muslime und Juden gut miteinander auskommen können, dass es eigentlich nur ein gewisses Maß an Toleranz brauche und dass die ,,Deutsche Kultur" schon immer diverse Einflüsse gehabt habe. Trotzdem, sagt sie, beschäftigt sie das, was Claudia Müller ihr schildert. ,,Ich werde dazu nochmal was lesen und darüber nachdenken", sagt sie. ,,Versuchen das nachzuvollziehen." Weil dieses ,,Versuchen einander zu verstehen" ihr im Moment in Deutschland viel zu kurz kommt. In der Gesellschaft. Und in der Politik. ,,Für Menschen, die sich benachteiligt fühlen, ist das Öl ins Feuer".

,,Die Politiker nehmen an der Realität kaum noch teil und verausgaben sich nur noch in ihren eigenen Ambitionen und Kämpfen. Klar, dass sich das Volk dann nicht mehr beachtet fühlt", sagt Knispel, die eigentlich immer die SPD gewählt hat und jetzt nicht so richtig weiß, wo sie ihr Kreuz setzen würde. ,,Es traut sich keiner mehr Stellung zu beziehen. SPD, CDU und CSU sind mittlerweile alle gleich", sagt Claudia Müller. ,,Alles Wischiwaschi." Vor kurzem ist sie dennoch in die CDU eingetreten. Weil sie sich ,,irgendwie engagieren möchte". Rechts, mittig. Mit der Betonung auf mittig.

Irgendwo im Umkreis dieser Mitte haben sich Claudia Müller und Ursula Knispel an diesem Sonntag getroffen. Aus unterschiedlichen Richtungen kommend. Wahrscheinlich in unterschiedliche zurück. Aber getroffen.


Aus: "Deutschland spricht - ein Treffen zweier Teilnehmer "Man muss Probleme ansprechen dürfen"" Ann-Kathrin Hipp (23.09.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/deutschland-spricht-ein-treffen-zweier-teilnehmer-man-muss-probleme-ansprechen-duerfen/23103778.html

QuoteZelia 09:49 Uhr
Es gibt reale Interessenskonflikte. Das wird komischerweise meist ignoriert. Es geht nicht nur um unterschiedliche Ansichten und um Argumente, die noch nicht allen bekannt sind. Sondern darum, wer von politischen Entscheidungen profitiert und wer das Nachsehen hat. Die meisten Menschen sind einfach für das, was ihnen am meisten nützt (bzw. für das von dem sie meinen, dass es ihnen am meisten nützt).

Es gibt Gruppen, die von der Migration profitieren und andere, die überwiegend Nachteile dadurch haben. Genau dasselbe gilt für Auto vs. Fahrrad, Rente rauf vs. Rente runter, Mindestlohn, Mietpreise, Gender-Fragen etc.

Es bringt m.E. nichts so zu tun, als könnten sich das durch Reden in Wohlgefallen auflösen. Politik muss einen Ausgleich finden, dafür sorgen, dass es weder krasse Gewinner und krasse Verlierer gibt. Für Fairness sorgen.

Die Menschen könnten ggf. lernen Entscheidungen zu unterstützen, die für sie Nachteile haben, aber dafür fairer sind. Insbesondere beim Minderheitenschutz wäre das wichtig (aber vermutlich utopisch).


Quotenochnefrage 23.09.2018, 21:31 Uhr
Das ist eben das Problem: Es fehlt die politische Mitte.

Und es fehlt die Bereitschaft, unterschiedliche Positionen kultiviert miteinander zu erörtern.


Quotefluechter 09:34 Uhr
Antwort auf den Beitrag von nochnefrage 23.09.2018, 21:31 Uhr
Die Bereitschaft, unterschiedliche Positionen kultiviert miteinander zu erörtern, haben doch Frau Knispel und Frau Müller bewiesen, nichts anderes haben sie doch gemacht.

Sie haben aber eben nur zu zweit kultiviert miteinander erörtert und Frau Müller wollte gerne über Dritte sprechen, die nicht beiwohnten - und das ist das Unkultivierte an diesem Treffen.


QuoteTanjaLaGuerillera 23.09.2018, 20:53 Uhr
Ich habe mich extra angemeldet, weil ich finde, dass es eben nicht so einfach ist, wie fluechter schreibt... Bin 54 und mein Leben lang eher Knispel als Müller gewesen, aber... Seit 13 Jahren arbeite ich an Schulen im sozialen Brennpunkt (erst Grund-, dann Gesamtschule, anderes Bundesland) und empfinde daher den Kommentar: "Claudia Müller entspricht dem Typus Arbeitskollegin, wie ich ihn im Bildungsbereich nicht verstanden habe - ich dachte dann immer, ja, wenn Du dich so schwer tust mit anderen Kulturen und Religionen, warum hast Du dir dann nicht sofort was anderes gesucht für einen Job?" als extrem anmaßend. Ich bin tolerant, weltoffen, sprachgewandt und selbst 5 Jahre "Ausländerin" gewesen unterrichte mit Herzblut Deutsch als Fremd/Zweitsprache und Ethik und habe in den letzten Jahren in meinem Job als Lehrerin an einer "Brennpunktschule" Erfahrungen machen müssen, die meinen Werten diametral entgegengesetzt sind. Dabei meine ich Werte wie zum Beispiel: Mann und Frau sind gleichberechtigt, Grundgesetz steht über jeglicher Religion, Religionsfreiheit gilt für alle Religionen und auch für das Recht, frei von Religion zu sein... Wenn ich diese Probleme thematisiere, dann "tue ich mich nicht schwer mit anderen Kulturen und Religionen"! Nein, ich will nicht, dass Nazis die Oberhand gewinnen! Aber wenn man Menschen abspricht, dass ihre Erfahrungen real sind und nicht über Ursachen reden möchte, sondern meint, mit ein bisschen "Toleranz und Verständnis" wird alles wieder gut- dann trägt man großen Teil Schuld am Erstarken der Nazis. Auch wenn sie das nicht hören wollen.


Quotefluechter 23.09.2018, 21:16 Uhr
Antwort auf den Beitrag von TanjaLaGuerillera 23.09.2018, 20:53 Uhr
Ich habe Menschen erlebt, die beruflich ins Ausland gingen, ich habe Menschen erlebt, die beruflich von einem Teil Deutschlands in den anderen gingen.

Manche waren hinterher innerlich reicher, fröhlicher, ihr Denken war bedächtiger, humorvoller, sie nahmen sich selbst nicht mehr so wichtig - es tat ihnen gut, das Bad in fremden Ländern und fremden Gegenden des eigenen Landes.

Andere waren hinterher grün im Gesicht, sie kamen über ihre Enttäuschung, dass man ihren Wertvorstellungen, ihren festen Grundprinzipien, nicht folgen mochte, einfach nicht hinweg - mancher begab sich danach nie wieder hin, wo er glaubte, "kleiner", "weniger wichtig", "weniger mehrheitsfähig" zu sein.

Wer von Mulitkulti grün im Gesicht wird, kann vielleicht auch nichts dafür - aber bitte, die anderen Menschen können dafür auch nicht.

Ich werde mich in keine Mitte stellen, die meint, kulturelle Eigenschaften über andere Eigenschaften zu stellen - auch das Grundgesetz, und das ist mein "Zuhause", ist weltweit nicht jedes Menschen Zuhause. Ich liebe Pünktlichkeit und drehe halb durch, wenn es mir selbst nicht gelingt, pünktlich zu sein - nicht jeder Mensch empfindet Pünktlichkeit als so wichtig.

Anmaßend? Sie haben Ihr Maß und ich habe mein Maß und um die Mitte wird gestritten, dafür ist Politik ja da. ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Kiel - Der Vorsitzende des Kieler Kleingartenvereins von 1897 Axel Zabe verschafft seinem Ärger öffentlich Luft. Nachdem Werner Müller, Vorsitzender des Kieler Kreisverbandes, bei der letzten Sitzung des Bauausschusses dafür plädiert hatte, dass sich der Kieler Kleingartenverein verkleinern müsse, um die Vorstandsarbeit sinnvoll zu bewältigen, kontert Zabe nun und wirft Müller ,,Fehlverhalten" vor: Bei Sitzungen der Jahreshauptversammlung lasse der Verbandschef geheime Wahlen nicht zu und versende die Sitzungsprotokolle erst bis zu einem Jahr später. Müller weist die Kritik des Führungsversagens mit den Worten zurück: ,,Das ist vollkommen falsch."

Dem Kreisverband und seinem Vorsitzenden wirft Zabe darüber hinaus vor, seit Jahrzehnten von jedem Kleingärtner, der ein Gewächshaus in seiner Parzelle aufstellen wollte, eine unzulässige Gebühr von 13 Euro für eine nicht erforderliche Baugenehmigung kassiert zu haben. Müller räumt ein, dass diese Baugenehmigung von seinem Vorgänger eingeführt wurde und in der Tat seitens des Verbandes nicht erforderlich sei. Aber es ließe sich darüber reden, diese wieder abzuschaffen, sagte er. Nicht nachvollziehbar findet Müller hingegen den Vorwurf Zabes, sein Verband würde Anträge der Vereine verschleppen und zum Teil mit einigen Monaten Verzögerung bearbeiten: ,,Auch das ist falsch", so Müller.

Meinungsverschiedenheiten zwischen Zabe, der seit anderthalb Jahre im Amt ist, und Müller, der seit 30 Jahren im Vorstand des Kreisverbandes ist, gibt es seit geraumer Zeit – unter anderem über die Frage einer Mitgliedschaft im Landesverband der Kleingärtner. Während der Kieler Verein dem Landesverband angeschlossen ist, war der Kreisverband unter anderem wegen Unstimmigkeiten zwischen den Vorsitzenden des Kreis- und des Landesverbandes vor knapp 20 Jahren ausgetreten. Auch über die Frage, ob es in den Anlagen Probleme zwischen den Kleingärtnern aus unterschiedlichen Kulturen gebe, haben die Kontrahenten unterschiedliche Ansichten.

Zabe sieht sich nun veranlasst, Müller öffentlich vorzuwerfen, noch ,,in alten Strukturen zu leben". Der Angegriffene wehrt sich zwar, will aber gesprächsbereit bleiben: ,,Ich möchte keinen Ärger mit dem Verein und mit Gartenfreund Zabe."


Aus: "Neue Runde im Kieler Kleingärtnerstreit" Karen Schwenke (24.09.201)
Quelle: http://www.kn-online.de/Kiel/Verband-gegen-Verein-Neue-Runde-im-Kieler-Kleingaertnerstreit


Textaris(txt*bot)

#29
Quote... Am Sonntag treffen sich im Rahmen unserer Aktion "Deutschland spricht" viele Tausend Diskussionspaare zum Streitgespräch. Wir zeigen, was sie trennt – und verbindet. Ein von uns entwickelter Algorithmus hat nach Abschluss der Anmeldephase möglichst viele perfekte Streitpaare ermittelt und die politischen Antipoden einander vorgestellt: Menschen, die nahe beieinander wohnen, aber möglichst viele der insgesamt sieben von uns gestellten Fragen unterschiedlich beantwortet haben. Für mehr als 20.000 konnten wir auf diesem Weg eine Gesprächspartnerin oder einen Gesprächspartner finden. (Rund 8.000 Anmeldungen waren fehlerhaft oder ungültig.) So entstand ein riesiger Datensatz, den wir anonymisiert ausgewertet haben. Wer sind diese 20.000 Diskutanten? Über welche Fragen sind sie besonders uneins? Beeinflussen Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Wohnort, wie jemand geantwortet hat?

Zunächst einmal: Der Teilnehmerkreis von "Deutschland spricht" ist männlicher, westdeutscher und urbaner als der deutsche Bevölkerungsdurchschnitt. Rund 60 Prozent stammen aus Großstädten, lediglich 14 Prozent aus ländlichen Regionen. Warum, wissen wir nicht – die elf beteiligten Partnermedien von T-Online bis Tagesschau decken mit ihren Usern einen großen Teil der Onlinenutzer in Deutschland ab. Eine von vielen möglichen Erklärungen könnte sein, dass sich die Menschen in kleineren Gemeinden tendenziell schon besser kennen, mitunter auch die politischen Einstellungen ihrer Nachbarn. Das Angebot, jemanden zum politischen Zwiegespräch zu treffen, mag dann weniger attraktiv erscheinen als in einer Großstadt.

... Frauen stehen höheren Fleischsteuern weitaus offener gegenüber und lehnen striktere Grenzkontrollen eher ab. Sie bewerten außerdem Donald Trump negativer als Männer. Ältere Teilnehmer ab 65 Jahren befürworten striktere Grenzkontrollen eher als jüngere – immerhin 50 Prozent der älteren beantworteten die entsprechende Frage mit Ja. Auch sehen sie die Erfolge der Debatte zu #MeToo und sexuelle Belästigung deutlich kritischer als andere Teilnehmer.

Es gibt darüber hinaus noch versteckte Gräben, die erst auf den zweiten Blick sichtbar werden. Es zeigt sich: Sie laufen nicht so sehr entlang alter Muster, etwa zwischen Ost- und Westdeutschland. Stattdessen scheint die Kombination mehrerer demografischer Merkmale – jung oder alt, Ost oder West, Mann oder Frau, Großstädter oder Landbewohner – eine Rolle dabei zu spielen, wie weit Teilnehmer in ihren Antworten auseinanderliegen. So haben nicht Ostdeutsche eine andere Meinung als der Rest der Republik, sondern lediglich die älteren Ostdeutschen – zumindest unter den Teilnehmern von "Deutschland spricht".

Zwei Gruppen unter den Teilnehmern sind in ihren Einstellungen besonders weit voneinander entfernt: Ältere Männer und jüngere Frauen. Anders gesagt: Wer als älterer Mann mit jemandem sprechen will, der wirklich anders denkt, hat bei einem Gespräch mit einer jungen Frau gute Chancen – und umgekehrt.


Aus: ""Deutschland spricht": Das gibt so richtig Streit!" Elena Erdmann, Philip Faigle, Steffen Hänsch, Jonas Parnow und Julius Tröger (18. September 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-09/deutschland-spricht-gespraech-meinungen-analyse

QuoteSocial Justice #1.9

" Mein Andersdenkender wäre ein alter Nazi "

Das macht die Debatte interessant. Man muss die Person ja nicht ganz oben auf sein Telefonbuch setzen, aber für einen Nachmittag kann man ja mal debattieren.


QuoteMorrisson #1.18

Gestern ein Verteidigungsvideo einer jungen rechtsradikalen Frau gesehen, die sich beschwert hatte, dass eine Zeitung über sie berichtet hat. Geistiger Tiefpunkt: sie trug auf dem Foto zum Artikel ein Tshirt mit der Abkürzung HKNKRZ und behauptete, das wäre von dem türkischen Blogger Hakan Kuruz.

Mit solchen Leuten will ich auch nichts zu tun haben.


QuoteTräumende Wolke #3

"Das gibt so richtig Streit!"

Ich bin gegen Streit. Streit führt zu mehr Streit. Warum umarmen wir uns nicht einfach alle mal?


QuoteHamburgerin2.0 #6

Ich finde das eigentlich recht ermutigend, obwohl nicht repräsentativ. Der Gap verläuft anscheinend nicht zwischen Ost und West, sondern zwischen den Generationen. Das ist ja die einzige Variable im Gap "junge Frauen - ältere Männer", denn sein Geschlecht kann man ja nicht ändern. Könnte also mehr "junges Gemüse" einen Teil unserer Differenzen auflösen?


QuoteSeebrügge #6.5

Wenn die Fluechtlinge mehrheitlich junge Frauen waeren, waere die Einstellung der Maenner ihnen gegenueber positiver und die der Frauen negativer.


QuoteWolkenhobel #6.7

Sie meinen
"Als Schüler und Student, ohne eigenes Einkommen und Verantwortung, tendiert man eher zu linken Ideen. Man ist noch ein bisschen naiv, aber offen für nahezu alles, möchte der ganzen Welt helfen, möchte, dass alle den gleichen Wohlstand genießen können und ist bereit, dafür zu teilen. (was man meist nicht besitzt)"

Ich bin mir nicht sicher, was Sie genau unter "linken Ideen" verstehen. Tatsächlich könnte ich Gegenthesen der Form aufstellen:

"Als Schüler oder Student ohne eigene Erfahrungen auf dem Arbeitsmarkt tendiert man eher zu markliberalen Lösungen" (was bei mir persönlich stimmt - ich war früher sehr viel radikaler für einen freien Arbeitsmarkt als heute. Heute glaube ich zwar noch, dass eine freierer Arbeitsmarkt* gut wäre aber nicht mehr, dass man ihn einfach so einführen kann ohne an vielen anderen Stellen etwas ändern zu müssen).

Also dass junge Leute tendenziell eher für "einfache Lösungen" zu begeistern sind (und eher noch nicht so sehen, dass die Wirklichkeit extrem komplex ist und schicke Modelle auch ihre Grenzen haben), könnte eine Konstante sein. In welche Richtung das ausschlägt, scheint mir keinesfalls eindeutig.

Ich hatte als Schüler (ok, damals war ich viel zu Jung um hier mitmachen zu dürfen) übrigens durchaus mal Sympathie für die Idee, durch Massenüberwachung Kriminalität auszurotten ;-)


Quote
unimatrix #6.8

Man wird als Erwachsener tendenziell rechter? Ehm nein. Man wird auch nicht linker. Ich kann mir eine gute Menge an Menschen vorstellen, die die Nase in den Wind hängen. Aber scheren Sie bitte nicht alle über einen Kamm.
Mein Umfeld und ich sind weder linker noch rechter geworden. Irgendwie stehen wir politisch noch genau da, wo wir schon als Heranwachsende standen.


QuoteTransmissionSky
#11  —  vor 6 Tagen 18

Bevor wir jetzt noch weiter ältere Männer diffamieren und diskriminieren. Die Gesellschaft ist eh schon gespalten genug, völlig fragmentiert. Das schwächt alle, und wir sind die perfekte Masse um jeder Form von Ausbeutung und Machtmissbrauch ausgeliefert zu sein.

Ein paar Zahlen:

Der typische AfD-Wähler ist mittleren Alters.

10 Prozent der 18-24jährigen wählen die AfD.

14 Prozent der 25- bis 34jährigen

16 Prozent der 35- bis 44jährigen

14 Prozent der 45- bis 59jährigen

10 Prozent ab 60 plus. Das sind genau so viele wie die 18- bis 24jährigen.

Zahlen der Auswertung der letzten Bundestagswahl unter:
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/mehr-wirtschaft/die-gruende-fuer-das-aufbluehen-der-afd-und-des-radikalismus-15790134-p3.html


Quote
raflix #11.1

Inwiefern werden ältere Männer diffamiert und diskriminiert? Im Artikel steht lediglich, dass sie andere Meinungen haben als jüngere Frauen.


Quote
MaryPoppinsky #18

Der geringe Unterschied beim Ost-West-Vergleich der Unter-25-Jährigen gibt ein wenig Hoffnung, wenn man sich die Mehrheitsverhältnisse in der nicht repräsentativen Umfrage anschaut.


Quote123Valentino #37

Das Gespräch heute, hat mir gezeigt , das die Einordnung in links , rechts oder grün , nicht funktioniert .
Deshalb halte ich diese ,, Schubladen" für wenig hilfreich.
Sie beschreiben den Wertekanon nicht wirklich.
Mein Vorschlag wäre mehr eine Zuordnung : Arm/Reich; Mächtig / Ohnmächtig; Ängstvoll/Angstfrei;Gebildet/Ungebildet .
Den letzten Punkt auch Dumm/Schlau .
Ich glaube dass das ,,Weltbild"eines jeden Menschen kaum über einen Fragenkatalog zu erfragen ist ,
Mein Gespräch war eher ein Geplänkel über Belangloses.
Es hat mir auch gezeigt, dass die Fragen nicht wirklich eindeutig waren.
Der Katalog der Fragen wurde sicherlich lange diskutiert und eines ist sicher , ein militanter Veganer war dabei.


...


"Aktion "Deutschland spricht": "Wir holen uns einen Haufen Sorgen ins Land""
https://www.zeit.de/gesellschaft/2018-09/deutschland-spricht-diskussion-dresden-taxifahrt-meinungsverschiedenheit/

QuoteCarlLeonhardGeuler #5

Was mich an diesen Berichten immer besonders erfreut, ist, dass die Menschen vis a vis wieder zu einem vernünftigen Umgang finden. Der Ton im Netz und auch hier im ZONforum ist häufig von einer Aggressivität begleitet, die wirklich erschreckend ist (und das von nahezu allen Seiten) in Realität besinnen sich 99% der Menschen dann aber anscheinend doch wieder. Wir sollten uns mehr darüber im klaren werden, dass wir möglicherweise unterschiedliche Meinungen bzgl. mancher Themen haben aber das macht die einen nicht gleich zu Nazis und die anderen nicht gleich zu Steinewerfern. Mehr Ruhe und Sachlichkeit und auch ein wenig Höflichkeit und Offenheit(in der Diskussion) sollte unsere Maxime im Forum sein. In diesem Sinne: Danke für den Artikel


Quote
letzter Mensch #5.10

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Leser eines Posts sehr häufig kein Textverständnis mitbringen und genau deshalb sehr schnell aggressiv werden.
Ein 'einige' wird dann zu 'alle', ein 'auch' zu 'nur', ein 'häufig' zu 'immer'.
Ganz besonders schlimm sind Menschen die nur zu entweder/oder Logik fähig sind, bzw. überhaupt nicht wissen, dass es ein einschließendes und ausschließendes oder gibt.
Andere denken sich schlicht einen Ton, der überhaupt nicht da ist.


Quotemaverick76 #8

Ich halte die Aktion für extrem sinnlos - zu diesem Zeitpunkt. Das Kind ist schon in den runne gefallen. 2014 hätte man diskutieren können. Jetzt gilt es zu handeln.  ... Eine mögliche Disussion ist Zeitverschwendung, denn sie hat keinerlei Einfluss auf die Politik. Ausserdem lasse ich Ihnen gerne Ihre Meinung und behalte meine. Ich für meinen Teil benutze meine Stimme bei der Wahl für den einzige kleine Einfluss, den ich habe.


QuoteAlfons Wedelmann #17

Nach der Schilderung haben die Beiden das Gespräch mit Anstand bewältigt. Trotz unterschiedlicher Meinung will man in Kontakt bleiben. Das finde ich gut. Ein ermutigendes Beispiel ...


Quoteratzeputz le Grand #19

Hier treffen exemplarisch zwei Menschen aus zwei unterschiedlichen Wohnvierteln aufeinander - und genau darum geht es, um die Wohngegend!

Frau Thiel bekommt in ihrem gutbürgerlichen Wohnviertel praktisch nichts von den Problemen mit, die andere in einkommenschwachen Gegenden haben. Es verändert eine ganze Atmosphäre wie jeder weiß und kann einen prägen.

ich [habe manchmal] das Gefühl, dass es auch manch einem Medienmacher sehr gut tun würde sich viel öfter einer solchen Situation mit einem ganz anders denkenden Menschen (nicht aus dem klassischen Altbauviertel) direkt zu stellen.


QuoteHamburgerin2.0 #21

... Was man lernen kann: Den Migrationsskeptiker wird man mit noch so glühenden Schilderungen eines positiven multikulturellen Lebensgefühls nicht überzeugen. Die Migrationsbefürworterin mit der 799.en Geschichte über irgendeinen Messermord in irgendeinernicht unmittelbar naheliegenden Gegend ebenso wenig.

Ich glaube, dass es weniger um Zahlen und Fakten geht. Interessant ist ja, dass beide in die islamische Welt gereist sind und daraus ganz unterschiedliche Schlüsse gezogen haben, dass beide in derselben Stadt wohnen und daraus ganz unterschiedliche Schlüsse ziehen, dass die eine fremde Sprachen in der Stadt als Bereicherung empfindet und der andere eher als Belastung. Ich denke, dass hat viel mehr mit Emotion zu tun als mit Fakten, denn die Fakten sind ja durchaus vergleichbar, wenn auch nicht gleich (durchaus unterschiedliche ökonomische Ausgangslagen, unterscheidliches Geschlecht, unterschiedliches Lebensalter). Wie so Vieles hat das mit einer Art Haltung zum Leben zu tun, d.h. Glas halb voll oder leer. Es ist eine Frage der persönlichen Lebenskultur.

Wenn sich alle Bürger so respektvoll begegnen würden, wie diese beiden hier, müsste man sich um Deutschland keine Sorgen machen.


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Als Schirmherr der Aktion "Deutschland spricht" hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in einer Grundsatzrede sein Wort an die Bürger im Land gerichtet - am Sonntag vor 600 handverlesenen Gästen in Berlin.

... Der Bundespräsident hat eine Rede gehalten, die zwar wunderbar den Erwartungshorizont jener Medienelite bedient, die die Aktion initiiert und unterstützt hat, die aber zugleich meilenweit von einer Erfassung der Wirklichkeit, wie sie außerhalb des politischen und medialen Berlins existiert, entfernt ist.

... Was ist davon zu halten, wenn diejenigen, die selbst maßgeblich zur Spaltung der Gesellschaft beigetragen haben, den Fokus sehr geschickt von ihrem Verhalten weglenken, um jene ins Zentrum zu rücken, die für die Ursachen der schweren Verwerfungen im Land nicht verantwortlich sind? Wer das Projekt "Deutschland spricht" genauer betrachtet, wird schnell feststellen, dass hier mit viel Tamtam subtil die Bürger in die Verantwortung genommen werden, und zwar ganz so, als ob das Verhalten der Bürger nicht Symptom, sondern Ursache ist.

In der Sinnwelt des Projekts spielt es keine Rolle, dass eine über viele Jahre forcierte neoliberale Politik - wohlgemerkt unter Beifall vieler Medien - zu schwersten Schäden in Gesellschaft und konsequenterweise auch an der Demokratie geführt hat. Die Tatsache, dass viele Bürger in unserem Land - nein, nicht sich abgehängt "fühlen" - abgehängt sind und von Politik und Medien ignoriert, gedemütigt und immer wieder mit Nachdruck von abgehobenen Eliten missverstanden werden, spielt im Wirklichkeitskosmos von "Deutschland spricht" keine Rolle - was sicherlich verständlich ist. Denn dann müssten diejenigen, die sich zu Moderatoren gesellschaftlicher Spannungsverhältnisse erheben, ihr eigenes Handeln selbstkritisch reflektieren (weitere Ausführungen zu dem Projekt sind hier zu finden).

... Wie ist es um die Debattenkultur der Medien bestellt? ... Echte Debatten (keine Simulationen) setzen [ ] voraus, dass Personen mit unterschiedlichen Positionen zu Wort kommen. Wie unter einem Brennglas zeigen die großen Polit-Talkshows, also die wichtigen Diskursplätze der Medien, wie beschnitten Debatten heute in unserer Gesellschaft sind. Sowohl Themensetzung, als auch die Gästelisten verraten, dass echte Debatten mit Akteuren, die fundamental entgegengesetzter Meinung sind, Seltenheitswert haben.

Steinmeier weiß das. Er selbst sagte 2014, er habe das Gefühl, dass der Meinungskorridor in den Medien schon einmal breiter war. "Es gibt eine erstaunliche Homogenität in deutschen Redaktionen, wenn sie Informationen gewichten und einordnen", so Steinmeier damals.


Aus: "Steinmeier: "Es sind zu viele, die sich wohlfühlen im Schlechtreden unseres Landes"" Marcus Klöckner (26. September 2018)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Steinmeier-Es-sind-zu-viele-die-sich-wohlfuehlen-im-Schlechtreden-unseres-Landes-4174727.html

QuoteNikolai Iwanowitsch Jeschow, 27.09.2018 08:15

Honnecker: "Es sind zu viele, die sich wohlfühlen im Schlechtreden bla..."

Aber ja, Steinmeier. Als auf Lebenszeit materiell und persönlich auf hohem Niveau abgesicherter Politbonze kann, nein, muss man das wohl so sehen.

...


Quote

    cybergorf, 26.09.2018 17:56

Genau: lasst uns einfach Alles schönreden!

...


Textaris(txt*bot)

Quote[...] LONDON. Es war keine gute Woche für Theresa May und für Großbritanniens ambitionierte Brexit-Pläne. Voller Hoffnung war die Regierungschefin mit einer kleinen Delegation nach Salzburg zum EU-Gipfel geflogen, um Europas Regierungschefs ihren Ausstiegsplan schmackhaft zu machen.

Die Hoffnung in London: Die bislang zusammenhaltende Front der verbleibenden 27 EU-Mitgliedsstaaten werde bröckeln, weil der konkrete Austrittstag am 29. März 2019 bedrohlich naher rückt.

So eine Art Torschusspanik seitens der EU. London redet sich seit Monaten ein, die EU werde unter dem immer wieder angedrohten "No-Deal-Brexit" genauso wirtschaftlich leiden wie das Königreich. Doch diese Rechnung ist nicht aufgegangen.

Eine sichtlich wütende und geschockte Theresa May verließ am Freitag nach einer kurzen Pressekonferenz die Mozart-Stadt, um wenig später in der Londoner Downing Street demonstrativ vor zwei übergroßen Union Jack-Fahnen mit finsterer Miene vor der "jetzt bedrohlich wachsenden Gefahr eines No-Deal-Brexit" zu warnen.

"Täuschen Sie sich nicht, wir sind bereit, die Verhandlungen abzubrechen", drohte May. Und: es sei jetzt an der Zeit, dass Brüssel Kompromiss-Vorschläge auf den Tisch lege. Für das Vereinigte Königreich jedenfalls gelte: "Unser Vorschlag ("Chequers Plan") ist der einzig gangbare Weg, noch zu einem Abkommen zu gelangen."

Was dann hier in Großbritannien am Wochenende folgte, war ebenso vorhersehbar wie bedauerlich. Die überwiegend EU-feindliche Presse schimpft wie selten zuvor gegen Brüssel.

Wobei es immer wieder zu peinlichen verbalen Entgleisungen kommt – wie dem Vergleich der EU-Delegation mit "Monstern" ("Daily Mail") oder der Drohung, "die EU wird dafür teuer bezahlen – das ist Krieg" ("Sun").

Britanniens neuer Außenminister Jeremy Hunt, der zuvor jahrelang eher unglücklich das Gesundheitsministerium verantwortet hat, sagte der BBC, Brüssel solle Londons Höflichkeit bei den Verhandlungen nicht mit Schwäche verwechseln.

Man sei auf einen No-Deal vorbereitet und man werde nicht zögern, vom Verhandlungstisch aufzustehen, sollte Brüssel nicht "schnell neue, eigene Vorschläge unterbreiten". Ein mir befreundeter Klinikarzt berichtete mir später abends im Pub, er habe nur noch mit dem Kopf geschüttelt, als er auf seinem Handy von Hunts Drohung las. "Das ist alles unglaublich traurig und eigentlich unfassbar!"

Einer der Gründe dafür, dass ich als recht typischer Norddeutscher vor mehr als 30 Jahren von Bremen nach London umgesiedelt bin, war und ist eine seit meiner Schulzeit anhaltende Faszination für die englische Sprache.

Englisch ist voller Nuancen, Zweideutigkeiten und kann unglaublich elegant sein; nichts ist schwarz oder weiß in der englischen Diplomatensprache – alles ist stets Grau. Mal Hellgrau, mal Felsengrau, mal Grau-Beige.

Verfolgt man freilich die von der Regierung May seit Monaten benutzte Diplomatensprache, so erinnert mich das eher an den berühmten Elefanten im Porzellanladen oder die berüchtigte "Axt im Walde".

...  Immerhin aber gibt es selbst in diesen Zeiten auf der Insel noch immer die eine oder andere gute Nachricht. Ich freue mich, heute berichten zu können: Meine britische Staatsbürgerschaft ist bewilligt! Mitte Oktober werde ich erleichtert und mit eindeutig gemischten Gefühlen in mein örtliches Bürgeramt in Westminster gehen, um 1) einen Eid auf die Monarchie und die Queen zu schwören und 2) meinen ersten britischen Pass in Empfang zu nehmen.

...


Aus: "Sprachverfall in Brexit-Zeiten" Arndt Striegler (Ärzte Zeitung online, 26.09.2018)
Quelle: https://www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaft/gp_specials/brexit/article/972421/arndt-striegler-bloggt-sprachverfall-brexit-zeiten.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Später sei Schmidt von Personen mit "Quarzsand-Handschuhen" verfolgt worden. Schmidt bestätigt die Verfolgung, er sei dann aber durch Mitglieder der eigentlich kritischen Gruppe geschützt worden. "Die Szene war in dieser Situation gespalten", sagte er. Juristische Schritte will er nicht einleiten, es habe sich um eine "Schulhof-Mentalität" gehandelt. Eigentlich hatte Schmidt mit den Anwohnern über Strategien gegen Mietsteigerung und Gentrifizierungen sprechen wollen. Ein Thema, das im Samariterkiez, wo unter anderem die CG-Gruppe mehrere Neubauprojekte trotz Bürgerproteste durchgesetzt hat, immer wieder für Ärger sorgt. In einigen Häusern wohnen seit Jahren Mitglieder der linksautonomen Szene. Trotz der Brisanz des Themas waren Schmidt zufolge am Montag nur rund 35 Personen erschienen, weil die Veranstaltung nur mit Plakaten beworben worden sei, die aber abgerissen wurden. ...


Aus: "Baustadtrat wird bei Veranstaltung in Rigaer Straße bedroht" Felix Hackenbruch (09.10.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/friedrichshain-kreuzberg-baustadtrat-wird-bei-veranstaltung-in-rigaer-strasse-bedroht/23164850.html

QuotePat7 09.10.2018, 18:20 Uhr
Quarzhandschuhe und derartige Drohungen haben nichts mit "Schulhofmentalität" zu tun.  ... Meinungsfreiheit existiert bei denen nur für die eigene Meinung und wo Brüllen nicht reicht, wird es dann heftiger. Es ist an der Zeit die nicht mehr mit Samthandschuhen anzufassen. Den Typen wie die bringen jeden zivilen gewaltlosen Widerstand gegen Spekulationen mit Wohnraum in Verruf.


QuoteSpandau-Loewe 09.10.2018, 18:49 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Pat7 09.10.2018, 18:20 Uhr

Wir sind hier in Friedrichshain-Kreuzberg und dazu in einer Umgebung, die dem Baustadtrat doch gefällt. Also ist das "Schulhofmentalität". Und fertig.


QuoteHenrik1970 09.10.2018, 18:17 Uhr
Das hätte nicht mal ich mir vorstellen können, dass Baustadtrat Schmidt von Linken angegriffen wird.
Schmidt macht doch fast alles, was diese Menschen wollen und verhindert jeglichen Neubau, soweit er das kann.


QuoteMcSchreck 09.10.2018, 21:51 Uhr
Antwort auf den Beitrag von Epaminaidos 09.10.2018, 20:54 Uhr
wenn man sehr sehr weit links steht, ist jeder rechts. Und wer ein Amt hat, ist schon mal immer der Feind, egal wie er es ausübt. Er hat sich ja mit den Verhältnissen arragiert.

Da sind sich die Extremisten sehr nah.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Leider können wir Ihnen nicht zu  allen Artikeln einen Kommentarbereich zur Verfügung stellen. Mehr dazu erfahren Sie in der Stellungnahme der Chefredaktion.

...


Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/parteien/id_84607012/vor-bayern-wahl-wolfgang-schaeuble-schliesst-rueckzug-angela-merkels-nicht-aus.html

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Quote[...] Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Ihre Meinung ist uns sehr wichtig. Wir wollen, dass Sie über Themen, die Sie bewegen, bei t-online.de diskutieren oder sich mit unseren Redakteuren austauschen können. Es ist uns wichtig, mit Ihnen in Kontakt zu bleiben und Ihre Einstellung zu verschiedenen Themen zu erfahren.

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Seit einiger Zeit können Sie bei uns nicht mehr über jedes Thema debattieren. So gerne wir das auch würden: Angesichts der Masse an Beiträgen, die uns erreichen, können wir unmöglich alle Artikel zur Diskussion öffnen. Die Moderation eines Forums ist sehr arbeitsintensiv, wenn man schnell und sorgfältig sein will. So müssen wir zum Beispiel alle Beiträge entfernen, die gegen die oben erwähnten Richtlinien verstoßen.

Deshalb konzentrieren wir uns auf die Themen, bei denen wir eine Diskussion für sinnvoll halten. So bleiben beispielsweise Unfälle oder reine Todesmeldungen geschlossen. Auch Dopplungen wollen wir vermeiden: Dass nämlich an mehreren Stellen zum gleichen Thema diskutiert wird. Wenn wir verschiedene Artikel zu einem Themenkomplex auf der Seite haben, ist meist nur einer von diesen für Kommentare geöffnet.

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Nutzern, die Kommentare wie diese schreiben, ist nicht an einer Diskussion gelegen:

"Wenn Nazis eins richtig machen, dann ist es Typen wie ihnen was auf das Maul zu hauen, hoffentlich bald!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!" (An einen Redakteur)

"Für Schweine wie den ist eine Kugel zwischen die Augen gerade gut genug"

,,Verpiss Dich aus meinem Land Du Stück Scheisse!"

Leidtragende sind vor allem Sie: Die große Mehrheit unserer Nutzer, die sich sachlich, konstruktiv, informativ und oft humorvoll mit anderen Lesern austauschen möchte.

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Zu den anderen Zeiten freuen wir uns auf viele spannende Diskussionen mit Ihnen!

Die Chefredaktion von t-online.de


Aus: "In eigener Sache: Warum wir viele Leserkommentare nicht veröffentlichen können" (Stand: 14. Oktober 2018, 11:24:04 MESZ)
Quelle: https://www.t-online.de/nachrichten/id_73113032/leserkommentare-statement-der-chefredaktion.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Patrick Wildermann: Herr Stegemann, über Ihr politisches Engagement in der linken Bewegung ,,Aufstehen" ist viel berichtet worden. Es wirkt, als seien Sie überrascht, in welchen Trubel Sie da geraten sind. Bereuen Sie es schon?

    Bernd Stegemann: Bereuen auf gar keinen Fall. Überrascht bin ich allerdings, und zwar über den Wind, der im sogenannten politischen Diskurs weht. Man hat das Gefühl, viele warten nur darauf, Äußerungen falsch zu verstehen, um sie gegen einen verwenden zu können. Das ist im Theater so nicht der Fall. Da dürfen Sätze durchaus doppeldeutig, ironisch, uneigentlich gemeint sein – sowohl auf der Bühne als auch hinter den Kulissen. Ästhetik hat ja ihrem Wesen gemäß eine fast fundamentalistische Uneindeutigkeit. Dieser Gestus wird in der politischen Kommunikation überhaupt nicht akzeptiert, sondern als Einladung genommen, dir in die Fresse zu hauen.

    Theaterleute sind gern politisch, grenzen sich aber von der Tagespolitik ab. Gilt dieser Unterschied für Sie nicht?

    Es sind zwei verschiedene Sphären, das Politische und die Politik. Ich kann im Prinzip jeden Raum zu einem politischen machen, indem ich Widersprüche öffentlich zur Verhandlung stelle. Das ist natürlich noch nicht Politik. Die ist tatsächlich gekoppelt an Macht. Wer hat das Amt, wer die Mehrheit, wer darf das Gesetz erlassen? Je mehr ich mich mit Politik befasse, desto mehr verstehe ich die Scheu derer, die lieber im Raum des Politischen bleiben möchten. Er ist viel freier und viel schöner – in einem ästhetischen Sinne.

    Und obendrein verantwortungsloser.

    Verantwortungslos im Sinne von machtlos, ja. Die Machtlosigkeit ist womöglich die Bedingung für Kunst. Wenn die Kunst anfängt, nach Macht zu schielen, wird sie tendenziös. ...



Aus: ""Aufstehen"-Sammlungsbewegung ,,Die Angst war vorher da"" Patrick Wildermann (16.10.2018)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/aufstehen-sammlungsbewegung-die-angst-war-vorher-da/23194296.html