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[Frieden Friedfertigkeit Seelenfrieden... ]

Started by Textaris(txt*bot), May 18, 2015, 12:21:48 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote,,Ich will einfach, dass Jarik in Frieden aufwächst", sagt sie leise.  ...
Inna Hartwich 'Stimmen aus Moskau zur Ukrainekrise' (13. 2. 2022)

Quotehgzi, 10.10.2016 21:46: ... "Politiker, die für militärische Gewalt sind, müssen von der Gesellschaft zurückgewiesen werden" Propaganda funktioniert. Die Gesellschaft wird von der sogenannten Presse manipuliert, von Politikern angelogen und betrogen und das Beste ist, die Gesellschaft will es so. Unwissenheit kann man keinem mehr unterstellen, alle Infos sind frei verfügbar um die Politker zu entlarven die Kriegstreiber sind. Trotzdem, ich finds prima daß ein Mann wie Gorbatschow das mal so anspricht!

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Quote[...] Thomas Mann 1952 zum zehnten Todestags von Stefan Zweig über dessen Pazifismus: ,,Es gab Zeiten, wo sein radikaler, sein unbedingter Pazifismus mich gequält hat. Er schien bereit, die Herrschaft des Bösen zuzulassen, wenn nur das ihm über alles Verhaßte, der Krieg, dadurch vermieden wurde. Das Problem ist unlösbar. Aber seitdem wir erfahren haben, wie auch ein guter Krieg nichts als Böses zeitigt, denke ich anders über seine Haltung von damals – oder versuche doch, anders darüber zu denken."

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Aus: Stefan Zweig, # Datum der letzten Bearbeitung: 8. November 2009, 13:39 UTC, # Versions-ID der Seite: 66559776
# Permanentlink: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Stefan_Zweig&oldid=66559776
# Datum des Abrufs: 9. November 2009, 10:41 UTC

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Quote[...] Gewalt verletzt den Anspruch auf eine dialogische Existenz überhaupt, diese höchst verletzliche menschliche Grundqualität, die sich im Anspruch auf Anwesenheit und auf Verständigung ausdrückt. Diese Möglichkeit wird mit jedem Akt der Gewalt verweigert oder verworfen. Die Täter zerschlagen sie bei sich selbst wie beim Gegenüber. Sie benehmen sich so, als seien sie ein Ding - der Stein, das Messer, die Bombe - , das sich nicht verständigen kann und verständigen muß, weil es kein Mensch ist. Die Gewalttat macht die Opfer zum Ding, und Täter mutieren selbst zum Ding, indem sie die Instrumente auf ihren Weg bringen.

[...] Gewalt definiert sich nicht nur über die einzelnen Gewalttaten und -täter, sondern ebenso über ihren Kontext, ihre Unterstützung und Duldung. Die Komplizenschaft im Gewaltensemble bedeutet nicht nur Zugehörigkeit zum Ensemble der Schadensanrichter, sondern zum Ensemble der Dialogzerstörer. Duldung von Gewalt ist gleichbedeutend mit der Stärkung eines monologischen Prinzips, das die Verweigerung der Anerkennung in die Eingeweide der Gesellschaft einsickern läßt. Die Kompliz/innen sind eingebunden in die Stummheit, indem sie ihrem Beitrag zur Löschung der Anderen leisten. Gewalt braucht den abgeschotteten Bewußtseinsraum, und bereits mit dieser Schließung des Bewußtseins wird Gewalt zum Akt des Überflüssigmachens, einer Form der Vernichtung dessen, was Menschen zu Menschen macht. Gewalt ist die Attacke gegen ein zerbrechliches Gut, das mit dem Wort Dialog die Bereitschaft bezeichnet, die Welt mit den Anderen zu teilen.

[...] Die Komplizenschaft im Gewaltensemble zeigt sich in einer Stummheit, die sich wie eine Epidemie addierter Monologe ausbreitet. Deren Niederschläge sind z.B. in fast gleichlautenden Aussagen normaler Männer und Frauen NS-Deutschlands gesammelt, die die Ereignisse auch noch nach mehr als 50 Jahren so erinnern, als gäbe es nur ihre Sicht, die Sicht nicht-verfolgter Deutscher mit ihrer ,,glücklichen Kindheit", von der sie gern erzählen. Das Andere ihrer Erfahrung bleibt abwesend, irrelevant, amputiert, auch in der Retrospektive. Gesprochen wird aus einer Perspektive, bedürfnislos gegenüber der anderen. Die Gewalt ist nicht nur bei denen, die das gefährliche Werkzeug in der Hand haben, sondern auch bei denen, die den Verschluß des Bewußtseins vor dem Eintritt der anderen Erfahrung zum stillschweigenden Konsens machen. Mit der Stummheit der Gewalt wird den Anderen ihre Entbehrlichkeit dokumentiert.

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Bruchstuecke aus: "DIE STUMMHEIT DER GEWALT - UND DIE ZERSTÖRUNG DES DIALOGS" CHRISTINA THÜRMER-ROHR (Erschienen in: UTOPIEkreativ; 2002)
Quelle: http://www.volksuni-berlin.de/CTR.pdf


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Quote[...] Frieden (älterer Nominativ Friede, von althochdeutsch fridu ,,Schonung", ,,Freundschaft") ist allgemein definiert als ein heilsamer Zustand der Stille oder Ruhe, als die Abwesenheit von Störung oder Beunruhigung und besonders von Krieg. Frieden ist das Ergebnis der Tugend der ,,Friedfertigkeit" und damit verbundener Friedensbemühungen. ...


https://de.wikipedia.org/wiki/Frieden (05/2015)

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Quote[...] Als Friedensbewegung bezeichnet man soziale Bewegungen, die Kriege, Kriegsformen und Kriegsrüstung aktiv und organisatorisch verhindern und den Krieg als Mittel der Politik ausschließen wollen. ... Häufig werden Friedensbewegungen innenpolitisch als verlängerter Arm feindlicher Staaten dargestellt. Sie würden von diesen ideologisch beeinflusst, personell gelenkt oder unterwandert und politisch benutzt, um deren Interessen durchzusetzen. Diesen Vorwurf machte man in den 1950er Jahren Gruppen innerhalb der damaligen westlichen Opposition gegen Atomwaffen ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Friedensbewegung (12. Mai 2021)

Textaris(txt*bot)

#1
Quote[...] ,,Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hineingehen müssen", sagte Erich Maria Remarque. Das trifft es. Wer von denen, die heute dafür plädieren, Deutsche müssten ihre Verantwortung in der Welt vor allem tötend und sterbend wahrnehmen, zieht denn schon persönlich in den Krieg? Über die ,,Notwendigkeit von Kriegen" schwadronieren gesetzte Damen und Herren aus sicherem Abstand, das blutige Geschäft müssen schon andere verrichten.

Der Angriff auf den Irak seit 2003 und die Besetzung durch die USA haben eine halbe Million Iraker das Leben gekostet. Wer es, wie ich, gewagt hatte, das Vorgehen der USA zu kritisieren, wurde als Verschwörungstheoretiker und Saddam-Hussein-Versteher verunglimpft. Heute weiß man, dass George W. Bush zahlreiche PR-Agenturen beauftragt hatte, um pazifistischen ,,Weicheiern" den Krieg schmackhaft zu machen. Momentan wird das gleiche ,,Spiel" wieder gespielt. Und statt der Hussein- sind nun die ,,Putin"-Versteher ins Visier der Bellizisten geraten. Als gäbe es nichts Schlimmeres als den Versuch, die andere Seite zu verstehen – was ja nicht mit Zustimmung gleichzusetzen ist!

Glaubt denn wirklich noch ein aufgeklärter Mensch, dass wir um der Demokratie willen streiten und bomben? Hans-Peter Dürr, der verstorbene große Physiker, schrieb: ,,Man braucht kein Pazifist zu sein, um zu erkennen, dass Krieg in seiner heute üblichen hoch-mechanisierten over-kill-Form nicht mehr rational als Problemlöser fungieren kann, da durch ihn, in der Regel, vor allem Unschuldige, jetzt und auch künftig Lebende, getroffen werden und nicht die vermeintlichen oder gar eigentlichen Schurken."

In den Jahrzehnten, in denen ich mich bewusst mit Nachrichten beschäftige, habe ich niemals eine derartige Propagandaschlacht erlebt wie heute. Noch ist allenthalben viel gesunder Menschenverstand, sind Mitgefühl und Zurückhaltung in der Bevölkerung verbreitet. Aber durch den Dauerbeschuss mit Un- und Halbwahrheiten kann man den Menschen diese Eigenschaften auch nach und nach aberziehen. Wie macht man ein friedliebendes Volk kriegslüstern? Man hat dies zu Beginn des Ersten Weltkriegs gesehen: durch Propaganda, durch Erfindungen und Lügen, durch die Erschaffung eines Feindes.

Während das Volk mit Brot und Spielen gefüttert wird – wobei es mit dem Brot für die wachsende Schicht der Armen hapert –, dealt die Große Koalition fleißig weiter mit Waffen: für ,,lupenreine Demokratien" wie Saudi-Arabien und Singapur. Sie werden in der jeweiligen Region weiterverkauft, ohne dass Deutschland eine Form der Kontrolle darüber hätte. Vermutlich will man das auch gar nicht. Zu große Zurückhaltung beim Töten könnte Arbeitsplätze in der heimischen Rüstungsindustrie gefährden.

Eine neue ,,Kultur des Krieges" entsteht gerade, wie es Jakob Augstein benannte. In einer Zeit, in der es mehr bewaffnete Konflikte gibt als je zuvor, wird nun aus allen Ecken wieder auf den Pazifismus eingeprügelt. Anstatt sich Gedanken zu machen, wie der Friede vorbereitet werden kann, denkt man in bestdotierten Think Tanks darüber nach, wie man neue Märkte erschließen kann: mit Waffen und der immer gleichen Anmaßung, sich auf der Seite des Guten zu wähnen.

Uns wird weisgemacht, dass Frieden noch immer das Endziel westlicher Politik sei. Was wäre aber, wenn Instabilität im Nahen Osten geradezu erwünscht wäre, um militärische Dauerpräsenz zu rechtfertigen? Was wäre, wenn es ohne die westliche Politik den ,,Islamischen Staat" (IS) gar nicht gäbe? Was wäre, wenn all dieser Wahnsinn wohlgelitten wäre, um immer wieder aus ,,humanitären Gründen" eingreifen zu können und die Welt in Unruhe zu halten? Es wäre vielleicht ehrlicher, zuzugeben, dass der Kapitalismus immer wieder Kriege braucht, um sich am Leben zu halten.

Was derzeit geschieht, macht mir Angst. Wenn die maßvollen Kräfte es nicht schaffen, eine internationale Friedensbewegung auf die Beine zu stellen, die ein eindeutiges ,,Mit uns nicht!" skandiert, kann es passieren, dass Europa wieder in einem Krieg verbrannt wird. Auch die diesjährigen Ostermärsche haben natürlich meine volle Solidarität. Ich plädiere für eine entschiedene Ausweitung der bisherigen zivilen Hilfe, etwa durch feste Flüchtlingscamps und Lazarette mit medizinischer Versorgung. Flüchtenden, die eine Kriegsregion verlassen wollen, muss ohne Wenn und Aber Asyl gewährt werden. Natürlich werden viele wieder behaupten, dies sei naiv. Aber man muss eben einmal damit beginnen, den Frieden zu schaffen. Deutschland gibt pro Jahr über 30 Milliarden Euro für Militär aus, aber nur 29 Millionen für den Friedensdienst. Das sagt alles.

Es wäre schön, wenn meine Stimme zu einem Chor aufrechter Stimmen anschwölle, der mit aller Vehemenz für die Sache des Friedens eintritt. Ich glaube weiter an die Kraft der Veränderung. Zuallererst müssen wir uns gegen die Nebelkerzen wehren, mit denen wir täglich beschossen werden. Was wäre, wenn der Friede kein Wunder bräuchte, sondern eine Revolution?

...


Aus: "Naiv ist, wer Frieden will?" Konstantin Wecker (Ausgabe 1415 | 13.05.2015)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/naiv-ist-wer-frieden-will

Quotemuchtar55 16.05.2015 | 18:16
Dieser Artikel macht einen nachdenklich, er steht leider nur hier im Freitag und wird von den Hofberichterstattern, öfféntlich Rechtlichen über Spiegel bis zum rechten Focus ignoriert.  ...


QuoteRise against 16.05.2015 | 20:29

Ja. Wer Frieden will, ist naiv. Frieden kann man nicht fordern. Frieden kann man nur leben. Das setzt voraus, dass man selber in einem friedlichen Umfeld aufgewachsen ist. Trifft das nicht zu, ist es, als wollte man von einem Tauben erwarten, dass er einen hört. Oder von einem Blinden, dass er einen sieht.

Meine Erfahrung ist: Zu viele Menschen haben so viel Unfrieden erfahren, das sie überhaupt nicht in der Lage sind, Frieden wahrzunehmen. Die einzige Möglichkeit ist meiner Ansicht nach, als Einzelner (in) Frieden zu leben und damit anderen ein Vorbild zu sein. Nicht mahnend, sondern ermunternd.


QuoteSuzieQ 16.05.2015 | 22:56
@Rise against
Frieden kann man nur leben. Das setzt voraus, dass man selber in einem friedlichen Umfeld aufgewachsen ist.
No. Frieden kann ich leben, wenn ich Frieden möchte.
Das Umfeld spielt keine Rolle bzw. nur die, die ich ihm zugestehe. ...


Quotenamenlos 17.05.2015 | 03:52
Solange es so ist, dass Krieg mehr Geld bringt als Frieden wird auch Wecker nicht begreifen, welche Grabesstille der von ihm vage hingezeichnete Frieden auch bedeuten könnte.


QuoteLee Berthine 17.05.2015 | 09:52
Es ist frustrierend, dass es mit den Friedensbemühungen nicht ernsthaft voran geht und im Gegenteil, unglaublich hohe Summen für die Nach- und Aufrüstung ausgegeben werden.

Feindbilder finden sich auf allen Seiten und am Ende zählt das Geschäft mit den Waffen.
Ja, eine internationale Friedensbewegung! Die "kleinen" Leute in den jeweiligen Ländern sind bestimmt dazu bereit...
Es fehlt nur ein kleiner Schritt der aktiven Entscheidung des Einzelnen. Aber er fehlt.


QuoteKrysztof Daletski 17.05.2015 | 12:15
Eine neue ,,Kultur des Krieges" entsteht gerade.

Neben dem im letzten Jahr musterhaft in unseren Medien zu bewundernden Feindbildaufbau gehört dazu noch ein weiterer Aspekt: die Deutungshoheit, dass "Problemlösung" nur mit Waffen zu schaffen ist (als die, laut einem olivgrünem Bonmot, Jogamatten nicht taugen). Dazu gehört auch die sogenannte "Sicherheitskonferenz" mit ihrer Gleichsetzung "Sicherheit = Militär".

...


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Historiker Daniele Ganser über den Kampf um Rohstoffe und Absatzmärkte und Auswege aus der Gewaltspirale ...

Jens Wernicke: Der so genannte "Krieg gegen den Terror", der vielmehr selbst als Terror, Staatsterrorismus nämlich, zu bezeichnen ist, hat neusten Untersuchungen zufolge bereits 1,3 Millionen Tote gekostet...

Daniele Ganser: Ja, gemäß der neuesten und sicherlich gründlichsten Studie der IPPNW sind durch den Krieg im Irak seit 2003 weit über 1 Million Menschen getötet wurden. 220.000 davon in Afghanistan und 80.000 in Pakistan. Wobei hier tote Soldaten und Zivilisten zusammengezählt werden. Die Zahl der Verletzten ist noch viel höher.
Ein Teil der Menschen, vor allem in Afghanistan und Pakistan, wurden dabei durch US-Drohnen getötet. Dagegen regt sich inzwischen auch in den USA vereinzelt Widerstand. Professor Noam Chomsky etwa verurteilt den Drohnenkrieg von Präsident Obama als die größte Terrorkampagne der Geschichte, das habe es so noch nie gegeben. Und natürlich, wenn man die Rollen vertauscht und sich vorstellt, die Al-Qaida würde in den NATO-Ländern, also in Europa und Nordamerika, mit ferngesteuerten Flugzeugen täglich Raketen abfeuern, würde man das hier auch als grässlichen Terror bezeichnen. Wir stecken also leider tief in der Gewaltspirale...

Jens Wernicke: Aber sind das nicht beides logische Folgen kapitalistischer Akkumulationsprozesse: Ressourcenkriege und sozusagen eine "Ausbeutungsspirale" hin zu immer mehr Raubbau an Natur, Krieg und Gewalt? Ich meine: Ist diese sich zuspitzende Krise, von der Sie sprechen, nicht dem gesellschaftlichen "Immer mehr, immer schneller, immer billiger" immanent?

Daniele Ganser: Doch, natürlich gibt es hier einen Zusammenhang. Daher hängen wir ja alle mit drin. Aber wir sind Meister des Verdrängens. Wer denkt schon beim Füllen des Öltanks mit Heizöl an die Toten im Irak? Oder beim Tanken von Diesel und Benzin? Als Konsumenten empfinden wir diesen Bezug zu den Ressourcenkriegen als irritierend und störend, daher blenden wir das aus. Und auch den Schaden an der Natur wollen wir nicht sehen. Als 2010 im Golf von Mexiko die Bohrplattform Deepwater Horizon von BP explodierte und mit Erdöl verklebte Vögel im Fernsehen gezeigt wurden, waren die Leute kurz schockiert. Was aber folgte daraus? Nur Oberflächliches. Bekannte haben mir gesagt: Nun tanke ich nicht mehr bei BP, sondern bei Shell! Das heißt: Wir haben größte Mühe, aus diesen Ressourcenkriegen rauszukommen.

Jens Wernicke: Besteht hier der Zusammenhang zur "globalen Gewaltspirale", von der Sie häufig sprechen?

Daniele Ganser: Der Begriff Gewaltspirale ist daher so treffend, weil ja die Konflikte miteinander verbunden sind. Als Saddam getötet und seine Armee aufgelöst wurde, ist ein Teil seiner ehemaligen Offiziere zum sogenannten "Islamischen Staat" gewechselt, und jetzt dreht sich die Gewaltspirale weiter, weil sich diese Terrormiliz von Irak nach Syrien ausbreitet.

Nachdem die NATO 2011 das Erdölland Libyen bombardiert und Gaddafi getötet hatte, ist auch dieses Land im Chaos versunken. Das alles zeigt uns: Wir kommen nicht mit Bomben und Gewalt aus der Gewaltspirale heraus. Denn wenn wir mit Gewalt das Böse, was immer es auch ist, ausrotten könnten, hätten wir es längst geschafft.

...  Jens Wernicke: In der genannten und in anderen Publikationen haben Sie ja auch Wege aus diesen Ressourcenkriegen aufgezeigt. Wie sähen diese Ihrer Meinung nach denn aus? Was wäre zu tun?

Daniele Ganser: Zuerst müssen wir den "Balken im eigenen Auge" sehen, und nicht nur den "Splitter im Auge" der anderen. Das heißt, die NATO-Länder in Europa und den USA müssen über ihre eigenen Kriege nachdenken, über die Bundeswehr in Afghanistan, ob das richtig oder falsch war, über die Toten im Irak und in Libyen, über die Rolle des US-Imperiums in der heutigen Welt und über den Ressourcenverbrauch. Mit einfachen Feindbildern wie "die bösen radikalen Muslime" und "die bösen Russen" blendet man systematisch die NATO-Gewalt aus. Wenn man zu diesem schmerzhaften Schritt bereit ist, wird man sehen, dass wir ein Teil der Gewaltspirale sind.

...


Aus: "Die Welt im Erdölrausch" Jens Wernicke (10.06.2015)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/45/45127/1.html

Daniele Ganser (* 29. August 1972 in Lugano) ist ein Schweizer Historiker. Er wurde mit seiner 2005 publizierten Dissertation über ,,NATO-Geheimarmeen" bekannt und veröffentlicht unter anderem Untersuchungen zum globalen Fördermaximum von Erdöl. Er greift Verschwörungstheorien zum 11. September 2001 auf und stellt sie als diskutable wissenschaftliche Erklärungen dar.
https://de.wikipedia.org/wiki/Daniele_Ganser

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Aristoteles, einer der bedeutendsten griechischen Philosophen, dachte, das Universum existiere seit jeher. Warum wir nicht entwickelter seien, erklärte er damit, dass Fluten oder andere Naturkatastrophen die Zivilisation immer wieder zurück an den Anfang werfen würden.

Heute entwickeln wir uns noch schneller. Unser Wissen wächst exponenziell an und damit auch unsere Technologien. Aber als Menschen haben wir immer noch die Instinkte, und im Besonderen die aggressiven Impulse, die wir als Höhlenmenschen hatten. Aggression hat klare Überlebensvorteile, aber wenn moderne Technologien auf uralte Aggression treffen, dann sind die gesamte Menschheit und große Teile des restlichen Lebens auf der Erde in Gefahr.

Aktuell sehen wir in Syrien moderne Technologien in Form von Bomben, chemischen und anderen Waffen, die eingesetzt werden, um sogenannte intelligente politische Ziele voranzutreiben.

Aber es fühlt sich nicht intelligent an mitanzusehen, wie 100 000 Menschen getötet werden oder auf Kinder gezielt wird. Und es scheint ausgesprochen dumm zu verhindern, dass humanitäre Hilfe Kliniken erreicht. Kliniken, in denen Berichten der Kinderrechtsorganisation ,,Save the Children" zufolge Kindern Körperteile amputiert werden, weil die Grundausstattung fehlt – und in denen Neugeborene in Brutkästen sterben, weil es keinen Strom gibt.

Was gerade in Syrien passiert, ist eine Abscheulichkeit – und die Welt schaut kaltblütig aus der Ferne zu. Wo ist unsere emotionale Intelligenz? Wo ist unser Sinn für kollektive Gerechtigkeit? Wenn ich über intelligentes Leben im Universum spreche, dann gehört für mich die Menschheit dazu. Auch wenn ein Großteil des menschlichen Verhaltens im Laufe der Geschichte scheinbar nicht darauf angelegt war, der Überlebensfähigkeit der Gattung Mensch zu dienen. Und obwohl es nicht klar ist, dass Intelligenz einen langfristigen Überlebenswert hat, im Gegensatz zur Aggression, ist unsere spezifische menschliche Form der Intelligenz gekennzeichnet von der Fähigkeit, vernünftig zu denken und zu planen – nicht nur für unsere eigene, sondern für unsere kollektive Zukunft.

Wir müssen zusammenarbeiten, um diesem Krieg ein Ende zu setzen und die syrischen Kinder zu beschützen. Wir haben seit drei Jahren stumm zugeschaut, wie dieser Konflikt wütet und dabei alle Hoffnungen verschlingt. Als Vater und Großvater sehe ich das Leiden dieser Kinder und sage: Schluss damit.

Ich frage mich oft, wie wir wohl aussehen müssen in den Augen von anderen Wesen, die uns aus dem fernen Weltraum zusehen. Wenn wir ins Universum schauen, blicken wir in der Zeit zurück, weil uns das Licht von fernen Objekten erst viel, viel später erreicht. Was zeigt das Licht, das heute von unserer Erde ausgestrahlt wird? Wenn andere auf unsere Vergangenheit schauen, werden wir dann stolz sein auf das, was wir gemacht haben? Wie wir, als Brüder, miteinander umgehen? Wie wir unseren Brüdern erlauben, mit unseren Kindern umzugehen?

Wir wissen jetzt, dass Aristoteles unrecht hatte: Das Universum hat nicht schon immer existiert. Es fing vor ungefähr 14 Milliarden Jahren an. Aber er hatte recht, dass große Katastrophen einen riesigen Rückschritt für unsere Zivilisation darstellen. Der Krieg in Syrien bedeutet vielleicht nicht das Ende der Menschheit. Aber jede Ungerechtigkeit, die begangen wird, bricht ein Stück aus der Fassade dessen, was uns zusammenhält. Der universale Grundsatz der Gerechtigkeit ist vielleicht nicht in der Physik verwurzelt, aber er ist nicht weniger fundamental für unsere Existenz. Denn ohne ihn werden wir als menschliche Wesen bald aufhören zu existieren.

Der Autor ist Astrophysiker. Er war Inhaber des Lucasischen Lehrstuhls für Mathematik in Cambridge und ist Verfasser von ,,Eine kurze Geschichte der Zeit".


Aus: "Stephen Hawking zu Syrien - "Es muss Schluss damit sein!"" (17.02.2014)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/meinung/andere-meinung/stephen-hawking-zu-syrien-es-muss-schluss-damit-sein/9491466.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Für den Friedensaktivisten Nedžad Horozović vom Zentrum für gewaltfreie Aktion (Centre for Nonviolent Action, CNA), einer regionalen Friedensorganisation, die in Sarajevo und Belgrad ansässig ist, ist der Krieg auf dem Balkan und da vor allem in Bosnien und Herzegowina allgegenwärtig. "Es dominiert den Alltag von uns allen, nach wie vor. Die Aufarbeitung des Krieges geht nur sehr langsam voran. Viele versuchen es zu verdrängen, aber das geht nicht. Wir müssen uns erinnern, die Frage ist bloß, wie?", so Nedžad gleich am Anfang der Podiumsdiskussion.

Seine Kollegin Ivana Franović ergänzt: "Wir müssen verstehen, wie es zu den Kriegen kam. Wir müssen wissen, was alles geschehen ist. Wir müssen uns erinnern, damit es nie wieder passiert." Die Allgegenwärtigkeit des Krieges hat dazu geführt, dass die vermeintliche Wahrheit über den Krieg zu einem Teil der DNA der ethnischen Identität geworden ist. "Es gibt drei Wahrheiten, drei Narrative, die sich einzig und allein dadurch unterscheiden, ob man Bosniake, Kroate oder Serbe ist," sagt die Belgraderin Franović. All diese Narrative haben eines gemeinsam, und zwar, dass die eigene Ethnie das größere Opfer des Krieges ist. So hat jede Ethnie immer ein passendes Beispiel parat, falls die "andere Seite" ihr Verbrechen vorwirft.

Was fehlt, ist die "Empörung über die Verbrechen, egal von welcher Seite" sagt Nedžad. Um die Aufarbeitung voranzutreiben, veranstaltet das Zentrum für gewaltfreie Aktion regelmäßig gemeinsame Trainings für ehemalige Kriegskontrahenten, und organisiert für die Veteranen Besuche von Orten des Krieges. Bei einem dieser Treffen hat ein Kriegsveteran zu einem anderen gesagt: "Wir beide sind nicht in Konflikt, es sind unsere Identitäten", so erzählt es der in Doboj geborene Horozović. Für ihn summiert dieser Satz die ganze Problematik in Bosnien und Herzegowina am besten. Die Zusammentreffen von Kriegsveteranen verschiedener Ethnien stimmen die beiden Mitarbeiter des Zentrums für gewaltfreie Aktion positiv. "Die meisten Veteranen gehen mit der Einstellung ,Jetzt werde ich euch die Wahrheit sagen' zu den Veranstaltungen hin und gehen mit der Einstellung ,Ich möchte zuhören und verstehen' wieder raus", sagt Nedžad. Das zeige bloß, "wie wichtig Dialog ist und das Möglichmachen solcher Zusammenkünfte," so Ivana.

In den mittlerweile über zehn Jahren, in denen sie Treffen und Dialoge mit ehemaligen Schlachtfeld-Kontrahenten ermöglichen, haben knapp 200 Veteranen daran teilgenommen. "Uns ist bewusst, dass das vielleicht nur ein Tropfen im Meer ist, aber es funktioniert, wenn auch bis jetzt nur in einem kleinen Rahmen," sagt Ivana. "Viele wollen auf dem Balkan die Aussöhnung nicht vorantreiben – die Politik noch am wenigsten", gibt ein etwas resignativ wirkender Nedžad Horozović zu Protokoll. In den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien sitzen in den meisten Regierungen Nationalisten, die, wenn sie an den Krieg erinnern, dann meist nur der eigenen Opfer gedenken. "Uns ist bewusst, dass wir nicht zum Mainstream gehören, aber gemacht muss es trotzdem werden," so Ivana Franović.

Für den Historiker Robert Streibel von der Plattform Erinnern.at, der genauso wie Pete Hämmerle vom Versöhnungsbund und Jasmina Haračić vom Österreichischen Roten Kreuz an der Diskussion teilnahm, zeigen Denkmäler, wie in der Gesellschaft an die Vergangenheit erinnert wird und welchen "Umgang die Gesellschaft mit der Erinnerung hat". Nach den Balkankriegen sind viele Denkmäler entstanden. Für Ivana sind sie "schrecklich". Nedžad Horozović stimmt ihr zu: "Die Denkmäler sind so hässlich" – er erkennt aber darin etwas Positives, "Diese Hässlichkeit der Denkmäler erinnert uns daran, wo wir derzeit als Gesellschaft stehen, sie zeigt uns, dass etwas nicht stimmt. Durch konstruktives Reden über die Denkmäler werden die zukünftigen besser."

In Zusammenarbeit mit dem Versöhnungsbund und der Diakonie Brot für die Welt haben die Mitarbeiter vom Zentrum für gewaltfreie Aktion die Denkmäler in Bosnien und Herzegowina erforscht und mit Fotos dokumentiert. Einige dieser Bildern wurden im Rahmen der Veranstaltung ausgestellt. "Wir haben knapp 80 Denkmäler für das Projekt dokumentiert", sagt Nedžad und erzählt, dass die Denkmäler teilweise schwer zugänglich und viele durch Graffitis verunstaltet sind: "Auf den Denkmälern wird der Krieg weitergeführt. Es wird noch lange dauern, bis sich die Situation normalisiert."

Quoteljuba

In der Region prallen Islam, orthodoxe Christen, römische Christen aufeinander, seit vielen blutigen Jahrhunderten.
Lesen sie mal den Nobel-Preisträger Ivo Andric, dann verstehen sie, dass man die Vergangenheit nicht mit einem Kava wegspülen kann.



Aus: ""Wir beide sind nicht in Konflikt, es sind unsere Identitäten" Siniša Puktalović (13. April 2016)
Quelle: http://derstandard.at/2000034690418/Wir-beide-sind-nicht-in-Konflikt-es-sind-unsere-Identitaeten


Textaris(txt*bot)

#5
Quote[...] Der mittlerweile 85-jährige Politikpensionär [Michail Gorbatschow] mahnt in seiner Situationseinschätzung, dass der "Kult der militärischen Gewalt" derzeit die Oberhand habe. Er fordert dazu auf, den Dialog, der in den letzten beiden Jahren aufgegeben wurde, wieder aufzunehmen. Es sei höchste Zeit, ihn wieder aufzunehmen und den Blick auf die ganze Agenda zur richten, ohne ihn auf regionale Themen zu begrenzen.

Wer hier eine Anspielung auf Syrien heraushört, liegt wahrscheinlich nicht falsch. Ohne ausdrücklich auf die konkrete augenblickliche Situation zwischen Russland und den USA einzugehen, bringt Gorbatschow zwei grundlegende Phänomene ins Spiel, die direkt damit zu tun haben.

Er stellt zum einen fest, dass das Schlimmste, das in den letzten Jahren geschehen sei, der Kollaps des Vertrauens zwischen den Großmächten sei. Zum anderen macht er anhand der Beispiele Jugoslawien, Irak, Libyen und Syrien deutlich, dass militärische Lösungsversuche scheitern. Sie haben die Konflikte nicht gelöst. Stattdessen hätten sie dazu geführt, dass internationale Vereinbarungen und Gesetze erodiert seien, Vertrauen untergraben wurde und sich Politik weiter militarisiert hätte.

... Es gehe nicht um die Utopie einer atomwaffenfreien Welt, sondern um die Notwendigkeit einer solchen. Es würden neue Atomwaffen entwickelt, die eine neue Qualität haben, zusammen mit anderen waffentechnischen Entwicklungen und dem gegenwärtigen politischen Klima zeichne sich ein Trend ab, der die Akzeptanzschwelle des Einsatzes von Nuklearwaffen senke. Die Möglichkeiten, sich gegen diese Entwicklung zu wenden, würden stetig kleiner. Die Politiker der großen Weltmächte sollten sie jetzt ergreifen.

...


Aus: "Gorbatschow fordert Verbot des Krieges" Thomas Pany (10.10.2016)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/49/49656/1.html

Quotetime traveler, 10.10.2016 21:54

Hoffe seine Stimme wird gehört - hätte noch vor ein paar Jahren nicht vermutet, wie schnell und erfolgreich zahlenmäßig winzige militärisch-wirtschaftliche Interessengruppen die Völker wieder in Richtung Krieg manipulieren - und erstaunlicher Weise scheinen gefühlte 95% zu handeln, als ob die nun kommenden Kriege sie nicht betreffen/vernichten werden ...


Quotehgzi, 10.10.2016 21:46

Warum daraus nix wird: "Politiker, die für militärische Gewalt sind, müssen von der Gesellschaft zurückgewiesen werden"
Propaganda funktioniert. Die Gesellschaft wird von der sogenannten Presse manipuliert, von Politikern angelogen und betrogen und das Beste ist, die Gesellschaft will es so.
Unwissenheit kann man keinem mehr unterstellen, alle Infos sind frei verfügbar um die Politker zu entlarven die Kriegstreiber sind.
Trotzdem, ich finds prima daß ein Mann wie Gorbatschow das mal so anspricht!
Dafür meinen Dank!


...

Textaris(txt*bot)

#6
Quote[...] "Die Gemeinsamkeit der Friedensbewegung und ihrer Kritiker" Peter Nowak (10.10.2016)

... "Die geringe Teilnehmerzahl ist das sichtbare Zeichen einer Krise der Friedensbewegung. Die Bewegung sollte das jetzt kritisch reflektieren und geeignete Schlüsse daraus ziehen", erklärte Otmar Steinbicker, ein langjähriger Weggefährte der Friedensbewegung, nach der Demo am Samstag. Er machte dabei auch deutlich, dass es eben nicht nur um den Friedenswinter und die Friedensmahnwachen geht.

Auf die Frage von aixpaix.de, worin er die Krise der Friedensbewegung sehe, antwortete Steinbicker:

Vor allem in zwei Faktoren: 1. in einer fehlenden ernsthaften Analyse der gegenwärtigen Situation mit ihren realen Kriegen, mit ihren drohenden Kriegsgefahren, aber auch mit Chancen für die Friedensbewegung, erfolgreich zu arbeiten. 2. in einer weit verbreiteten Selbstisolation vieler Organisationen und Initiativen der Friedensbewegung. Da sind nicht wenige im Denken und Wahrnehmen in den frühen 1980er Jahren stehen geblieben.

Dort, wo keine oder kaum neue Köpfe hinzukamen, wurden nicht unbedingt neue Themen und Fragestellungen gesehen und keine neuen Aktiven geworben und einbezogen. Dort, wo das nicht gelingt, wäre Friedensbewegung irgendwann zum Aussterben verurteilt.

Otmar Steinbicker

... Der Vorsitzende der Naturfreunde, Michael Müller, berief sich auf die Entspannungspolitik von Willy Brandt. " Ein neues kollektives Sicherheitssystem ist in Europa nötig", betonte das SPD-Mitglied. Ein älterer Mann mit DKP-Fahne setzte sich auf einem Schild für ein besseres Verhältnis zwischen Russland und Deutschland ein. "Das ist für mich das antifaschistische Vermächtnis nach den Verbrechen im Nationalsozialismus in der Sowjetunion", betonte er. Er hält es für kriegsverschärfend, dass Nato-Truppen und damit auch die Bundeswehr wieder an der russischen Grenze stehen.

Genau so unterschiedlich waren die Statements zum Syrienkonflikt. Da gab es Stimmen, die die gesamte Auseinandersetzung als Folge von Destabilisierungsversuchen durch die Nato-Staaten interpretieren. Dabei wird mal schnell unterschlagen, dass der Beginn der Syrienauseinandersetzung ein Aufstand gegen ein autoritäres Regime war. 

Sahra Wagenknecht hingegen betonte in ihrer Rede: "Wir sind nicht einäugig." Das Bomben müsse in Syrien von allen Seiten beendet werden. Sie wandte sich aber dagegen, dabei nur Russland an den Pranger zu stellen. Dann bezog sie sich auf ein Video des ehemaligen rechtskonservativen Politikers Jürgen Todenhöfer, das angeblich nachweisen soll, wie die Islamisten vom Westen unterstützt werden. Dabei ging Wagenknecht mit keinen Wort auf die Zweifel ein, die über die Echtheit des Videos bestehen.

... Übrigens kam das Massaker, das eine von Saudi-Arabien geführte Koalition im Jemen vor wenigen Tagen anrichtete, gar nicht zur Sprache. Es waren schlicht die falschen Opfer und Täter. So wie andererseits bei der Friedensdemonstration nicht erwähnt wurde, wo Moskau in der letzten Zeit konkrete Aufrüstungsschritte unternommen hat, wie bei der Kündigung des Plutoniumabkommens. Hätte die USA das Abkommen gekündigt, wäre es auf der Demo sicher thematisiert worden.

So sind sich die Friedensbewegung und ihre schärfsten Kritiker zumindest in einer Frage gleich, es wird nur das zur Kenntnis genommen, was ins eigene Weltbild passt.


Aus: "Die Gemeinsamkeit der Friedensbewegung und ihrer Kritiker" Peter Nowak (10.10.2016)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/49/49648/1.html

QuoteD.o.S., 10.10.2016 10:48

Und schon wieder ein HeTzartikel gegen die Friedensbewegung auf TP

Sie vernachlässigen die Komplexität der gegenwärtigen Konflikte. Zur Kenntnis genommen wird nur, was ins eigene Weltbild passt

... Wieder manipulierende Vernebelung der Fakten. Es wird sich auf das Todenhöfer eingeschossen, um so das was eigentlich sowieso bestens bekannt ist, angezweifelt: Die USA haben diesen Bürgerkrieg angezettelt, und die USA und ihre Verbündeten aka "Wertegemeinschaft" rüsten die Terroristen mit Waffen aus. Von den Aussagen von Wesley Clark bis zu den geleakten Emails von Clinton, es gibt ZIG Quellen die die Verantwortung für diesen Krieg klar aufzeigen. Herr Nowak aber ignoriert sie.


QuoteFrank_Drebbin, 10.10.2016 11:04

Same procedure as last time. ... Naja, es ist ja wenig neu, daß Leute, die gegen Aufrüstung und Kriegstreiberei sind, in irgendwelche Ecken gestellt werden. In den 80ern sollten sie alle "nach driben" gehen, waren wahlweise Naivlinge, Verräter oder sonstwas Unangenehmes.
Und so wieder einmal.


Quoteholyprime, Roman Huber, 10.10.2016 11:31

Volksfront von Judäa
Ihr seid für den falschen Frieden! Nein, ihr seid für den falschen Frieden!
Und während das Schweinesystem die nächste Region in Schutt und Asche legt, ist der Pöbel damit beschäftigt diejenigen zu steinigen, die es wagen dies anzuprangern.

Jehova! Jehova! Jehova!




QuoteTraumschau, 10.10.2016 12:19

Es reicht also nicht aus, einfach nur Angst um mein Leben und das meiner Familie

und Freunde zu haben, um für den Frieden und gegen den Krieg zu demonstrieren?
Was und wie muss ich denn denken, um für den Frieden auf die Strasse gehen zu dürfen?
Muss ich mich erst in eine bestimmte Ideologie einordnen, um in ihrem Sinne "richtig" und "korrekt" für den Frieden zu sein?

...


Quotealbibi, 10.10.2016 15:21

Typischer Angriff durch Anti-Leute wie Nowak
"Sie vernachlässigen die Komplexität der gegenwärtigen Konflikte. Zur Kenntnis genommen wird nur, was ins eigene Weltbild passt"
Jaja, trifft natürlich auf jeden einzelnen Kriegsgegner zu, und Nowak und Konsorten sind ja ganz anders .... Dass ich nicht lache.

Dieser ganze Artikel ist eigentlich eine Zumutung. Leute die für etwas sind und dafür sogar ihren Arsch hoch kriegen werden einfach mal über einen Kamm mit irgend welchen Deppen in eine Topf geworfen und kräftig umgerührt.

Unter Strich ist keine einziger Absatz dieses Pamphlets von Nowak stichhaltig. Eine üble Gemengelage von allgemeinen Anwürfen und eigener Positionslosigkeit die zu nichts anderem nützen kann als den Kriegstreibern in die Hände zu spielen. ...


QuoteAnja Böttcher, 10.10.2016 13:01

Die Naivität und Realitätsverweigerung der Steigbügelhalter eines großen Krieges

So so: Die Friedensbewegung leidet also primär daran, dass nicht alle, die dort für Frieden demonstrieren die gleiche Gesellschaftsanalyse und die gleichen politischen Ziele haben. Aber sicher doch: In den 80ern, als bis zu 1,3 Millionen Menschen auf die Straße gingen, Gewerkschaften, große Teile der SPD und eine damals noch pazifistische grüne Partei kräftig mitmobilisierten und die Hälfte der Medien hinter sich hatten, hatten natürlich alle beteiligten Gruppen, ob DKPisten, Maoisten, andere kommunistische Guppen, Sozialdemokraten, Mitglieder der DFG, des VVN, Anarchisten, Grüne und andere Basisgruppen, engagierte Christen und Linksliberale alle eine identische Analyse des Geschehens in der Welt und absolut identische Ziele.

Sancta simplicitas!

Irgendwie ist Peter Nowak die Konversion der Grünen zur Friedenspartei, die maßgebliche Rolle einer rot-grünen Regierung beim ersten NATO-Krieg gegen Serbien, die Umwandlung der NATO zur Interventionsarmee, die sie belgeitende massive propagandistische Medienkampagne für die deutsche Beteiligung an Interventionskriegen gar nicht aufgefallen. Vor allem ist ihm aber die systematische üble Diskreditierung jedes Pazifismus' nicht aufgefallen - denn er beteiligt sich ja windelweich daran.

Dass diese Diffamierung friedenspolitischer Stimmen System hat und gezielt von der Nato in der Presse vermittels gut eingebundener und vernetzter Journalisten betrieben wird, kann er übrigens in eindeutigen Quellen nachlesen. Ich biete hier vier Stellen des Ergebnisreaders der Konferenz des NATO-Exzellenzzenters JAPCC vom November 2015 in Essen an (obgleich situiert in Kalkar an; 6 Monate war der Reader über deren Homepage als pdf abspeicherbar). Ich zitiere einen Artikel, den ich hierzu bei der Neopresse veröffentlicht habe:

"Zu der Veranstaltung wurden vom 23.-25. November 2015 250 Vertreter aus Politik und Medien nach Essen geladen, um Pläne zu entwickeln, wie die Bevölkerung von NATO-Ländern dazu gewonnen werden könne, positiver über die Luftkriegskapazitäten des Bündnisses zu denken. Primäre ,,targets", auf die zu zielen Lust geweckt werden sollte, waren – wie zu erwarten – der ,,islamistische Terror" und Russland. Hier ist nun von Interesse, was die versammelten Medien-, Politik- und Militärvertreter verabredeten und ob dies mit dem Recht der Bevölkerung auf einen demokratischen öffentlichen Rundfunk vereinbar ist.

Als Kernprinzipien einer im Sinne der NATO erfolgenden ,,strategischen Kommunikation" wurden die folgenden genannt:

Schlüsselprinzipien: Betont den Menschenrechtsaspekt einer militärischen Konfrontation./ Die NATO muss allen Friedensbewegungen aggressiv und öffentlich entgegenwirken und die Herrschaft des Gesetzes des bewaffneten Kampfes aufrechterhalten./ Die NATO muss ihren gegenwärtigen Kampf um strategische Kommunikation richtig einschätzen und der Öffentlichkeit gegenüber die Notwendigkeit bewaffneter Konflikte rechtfertigen./ Dass die Öffentlichkeit in einigen NATO-Ländern die Notwendigkeit einer gemeinsamen Verteidigung nicht einsieht, bedeutet, dass wir eine fundamentale Erneuerung des kommunikativen Rahmens brauchen. Die NATO muss viel mehr Mittel und Mühen auf die grundlegende Kommunikation mit der Öffentlichkeit verwenden. [7]

Hier wird deutlich ausgesprochen, dass die Bevölkerungen Europas dazu gebracht werden sollen, NATO-Kriege gutzuheißen und die Zerstörung von Ländern und die Tötung ihrer Bewohner zu billigen. Dazu soll die Propaganda für diese Kriege geballt mit Menschenrechtsrhetorik auffahren, damit Kriegsgegner als Feiglinge und gleichgültig gegenüber Mord und Völkermord verunglimpft werden können. Insgesamt ist die erklärte Absicht zur Diskreditierung von Pazifisten in einer massiv auszubauenden NATO-Propaganda ein gravierender Einschnitt in politische Meinungsbildungsprozesse. Um Gegenstimmen gegen den Krieg auszuschalten, wird ganz und gar auf die Kooperation der Medien gesetzt:

Die Konferenzteilnehmer waren sich in der Überzeugung einig, dass die öffentliche Meinung entscheidend ist. Für die Aufgabe, die öffentliche Meinung [für Krieg] ebenso wie die einiger älterer Politiker zu formen, sind die Medien vielleicht der entscheidende Schlüssel, durch die solche beeinflussenden Maßnahmen durchzuführen sind. Die zweite Sitzung der Konferenz befasste sich folglich auch mit der Beziehung von Militär und Medien im Hinblick auf die Frage, wie die NATO am besten ihre Botschaften in den Medien platzieren kann. Einige gegenwärtige und ehemalige Mediengrößen sowohl der Printmedien wie des Fernsehens nahmen an einer faszinierenden Sitzung teil, die Schlüsseldynamiken hierfür entwarf. [8]

Offensichtlich geht die Einmütigkeit zwischen Politikern und Medienvertretern so weit, dass Medien unisono als willfähriger Propagandaarm der Armee fungieren sollen. Wenn dann selbst die Platzierung von Nachrichten, deren pro-kriegerischer Tenor vorab feststeht, von der NATO diktiert werden kann, die Abgabe von Redaktionskompetenzen an das Militär somit derart weit fortgeschritten ist, wird das Reden über ,,eine freie Presse" zum reinsten Hohn.

Im nächsten Abschnitt geht es speziell um die Deutschen. Zuvor wurden andere NATO-Länder dahingehend untersucht, wie groß ihre Kriegsbereitschaft sei:

Die deutsche Fallstudie weist erhebliche Unterschiede zur amerikanischen und englischen auf. Nach dem zweiten Weltkrieg war das pazifistische Grundgefühl in Deutschland sehr stark und ist es immer noch. Die öffentliche Meinung zu den Wehrkräften ist fast das Gegenteil zu der der Briten und Amerikaner. In allen Fällen, in denen die NATO militärische Gewalt anwendeten, waren die Deutschen anfälliger für Desinformation und antimilitaristische Kampagnen als die meisten anderen NATO-Länder. In Kürze, einige politische und kulturelle Faktoren machen Deutschland zu einem sehr problematischen Fall in der Unterstützung militärischer Gewalt im Dienste der NATO. [9]

Die Studie zu Italien ähnelt der deutschen sehr stark mit der sehr stark linken und pazifistischen Grundstimmung in der allgemeinen Bevölkerung. Und es handelt sich gleichfalls um ein Land, das sogar die Anwendung militärischer Gewalt ablehnt, wenn ein anderes Land angegriffen würde.

Im Gegensatz zur medialen Propaganda, die so tut, als sei die Gegenwehr der deutschen Bevölkerung gegen die anti-russische Konfrontation ein Hinweis auf das Wiedererstarken des braunen Ungeists, ist den Konferenzteilnehmer voll bewusst, dass die Abwehr im Gegenteil pazifistisch und links motiviert ist. Die Gemeinsamkeit zum ebenfalls von faschistischen Erfahrungen traumatisierten Italien ist kaum zufällig.

Dieser Konsens soll offensichtlich in beiden Gesellschaften gebrochen werden – mit untertänigster Hilfe deutscher Leitmedienjournalisten. Lapidar wird aber an einer späteren Stelle gesagt, dass im Zweifelsfall der hartnäckige Widerstand gegen NATO-Kriege zwar eine Unannehmlichkeit sei, aber kein unüberwindliches Hindernis, da die Kriegsbeteiligung eines Landes auch einfach von oben verfügt werden könne.

Interessant ist auch die Verwendung des Begriffs ,,Desinformation" in einem Atemzug mit ,,anti-militaristischen Kampagnen". Da ,,Information" und ,,Kommunikation" in der PR-Sprache nichts Anderes bedeuten als informationelle Einheiten, die bezüglich eines ,,targets", also einer Zielgruppe (militärische Terminologie), dem Ziel des Auftraggebers, hier der NATO, zum Ziel verhelfen sollen, gewinnt hierdurch auch das leitmotivisch den medialen Mainstream durchziehende Gerede von der ,,russischen Desinformation" eine ganz andere Dimension. Offensichtlich ist eine solche eine jede aus Russland über die NATO-Grenze dringende Stimme oder Botschaft, die in den Bevölkerungen von NATO-Staaten den Unwillen vergrößern könnte, gegen Russland in den Krieg zu ziehen. Vielleicht ist es von daher zu erklären, warum außer hetzenden Filmen wie ,,Spiel im Schatten" und Interviews solcher russischen ,Systemgegner', die ganz die Sichtweise der NATO auf ihr Land teilen, aus Russland gar nichts Positives mehr medial durchdringen darf – weder Kultur-, noch Sportereignisse, aber auch keine Berichte über positiv dargestellte Einzelpersonen, es sei denn sie träten dezidiert als Regierungsgegner auf.

Unter diesen Umständen erscheint auch die mit US-Hilfe aufgebaute East SratCom Task Force der EU mehr als nur bedenklich. Bei der ,,Aufklärungsstelle" gegen ,,russische Desinformation" können sich Journalisten registrieren lassen, um in regelmäßigen Abständen per Mail zu erfahren, was als solche zu gelten hat. Letztendlich stattet die darin sich ereignende Vernetzung von militärischer

Informationskriegsmaschinerie und zivilgesellschaftlichen Publikationsorganen die NATO mit einer normativ prägenden Macht über die Gesamtheit europäischer Mediendiskurse aus. Die EU wird damit auch publizistisch zum bloßen Vehikel der NATO. Und zugleich wird, wenn man nun als ,,Desinformation" jede Nachricht aus der Öffentlichkeit verbannt, die irgendetwas an Land und Leuten in einem positiven Licht erscheinen lassen könnte, mittels NATO eine unüberwindbare kulturelle Barriere zwischen EU- Ländern und Russland geschaffen. [10]

Auch hierbei hat das JAPCC besonders Deutschland im Blick:

Es wurden verschiedene dynamische Faktoren gefunden, die sich auf die öffentliche Wahrnehmung in Europa auswirken. Tatsächlich gibt es so etwas wie eine allgemeine ,europäische öffentliche Meinung' nicht. Meinungen und Wahrnehmungen variieren von Nation zu Nation. Solche Wahrnehmungen basieren normalerweise auf historischen Erfahrungen und oft wirken sie mit einem gewissen Beharrungsvermögen auf die öffentliche Meinung, die sich nur schwer verändern und formen lässt. Faktoren, denen die NATO entgegentreten muss, um ihre Sichtweisen gegen eine manchmal skeptische Öffentlichkeit zu behaupten, schließen Desinformation ein (zum Beispiel die stetige Häppchenkost sowjetischer und danach russischer Desinformation für eine deutsche Zuhörerschaft über viele Jahre.) [11]

Was die Konferenzteilnehmer exakt mit der spezifisch den Deutschen zukommenden ,,Häppchenkost sowjetischer und danach russischer Desinformation" meinen, bleibt verschwommen. Auch wenn selbstverständlich die alte Bundesrepublik Deutschland strukturell und kulturell eine anderen westeuropäischen Staaten ebenso ähnelnde Gesellschaft war wie umgekehrt die DDR denen des Warschauer Pakts, so war natürlich Deutschland insgesamt auch in informationeller Hinsicht das Zentrum des Kalten Kriegs. Wie stark jedoch gerade im Bereich der Soft Power zwischen 1945 und 1990 die Sowjetunion den USA unterlegen war, belegen historische Gesamtdarstellungen der CIA-Aktivitäten [12] ebenso eindrucksvoll wie der Verlauf der Geschichte."

http://www.neopresse.com/medien/innere-und-aeussere-machtfaktoren-schattengefechte-der-informationskrieger-22/

Peter Nowak schreibt hier mal wieder einen Artikel, der vermutlich "neutral" sein möchte, aber durch politische Realitätsverweigerung das propagandistische Geschäft der Kriegstreiber fördert. Logisches Denken findet sich hier ebenso wenig wie irgendetwas, was man ernsthaft als Information begreifen könnte. Nowak möchte offensichtlich einem bellizistischen Mainstream nicht so weh tun, dass es ihm ernsthaft eine journalistische Karriere in den ehemaligen Leitmedien verhageln könnte.

Solche Artikel aber braucht niemand. Zu welchem Zweck schreibt jemand sowas?

Auch frage ich mich, wie all diese weichgespülten Gefälligkeitsschreiber zur desaströsesten deutschen Außenpolitik seit 70 Jahren, mit der eigenen erbärmlichen Rolle klarkommen wollen, sollte es wirklich knallen.


https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Die-Gemeinsamkeit-der-Friedensbewegung-und-ihrer-Kritiker/Die-Naivitaet-und-Realitaetsverweigerung-der-Steigbuegelhalter-eines-grossen-Krieges/posting-29328485/show/

...

https://www.heise.de/forum/Telepolis/Kommentare/Die-Gemeinsamkeit-der-Friedensbewegung-und-ihrer-Kritiker/forum-365130/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bei der aktuellen Feindbildproduktion sind Proteste gegen die militarisierte Politik in Deutschland und differenzierte Sichtweisen von Vertretern der Friedensbewegung nicht dienlich. In Moskau, so zeigen es immer mehr Titelfotos, sitzt der Kriegsdämon. Es kann und darf gar nicht anders sein: Die Friedenstauben hierzulande sind auch heute noch alle moskauhörig.

... Ein Vertreter der alten bundesrepublikanischen Sozialdemokratie wie Erhard Eppler hat 75 Jahre nach Beginn des deutschen Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion an das Erbe Willy Brandts und "Gorbatschows Traum vom Europäischen Haus" erinnert. Auf der Berliner Demonstration wurde dieses Anliegen mit denkbarem Nachdruck vorgetragen vom ehemaligen Düsseldorfer Bundestagsabgeordneten Michael Müller (SPD), der Vorsitzender der "Naturfreunde" und gewiss kein rechter "Eurasien"-Phantast ist.

Leider kommen auch die sozialdemokratischen Friedensfreunde im öffentlichen Stimmungsbild so gut wie nicht vor. Beim diesjährigen Ostermarsch Rhein-Ruhr hat z.B. der Düsseldorfer Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) unter viel Beifall aus allen Lagern eine bemerkenswerte Rede gehalten: gegen Waffenlieferungen, für nachhaltige - nichtmilitärische - Strategien und für eine Kooperation von Europa, Russland und USA. Weder die Friedens-Botschaft dieses sozialdemokratischen Atomwaffengegners noch der unerwartet gute Besuch des Ostermarsches kamen dann im Medienecho zur Sprache.

... Ein kleines handgemaltes Transparent, mit einem Lächeln am Straßenrand dargeboten, geht mir nicht aus dem Kopf. Es zeigte die Erde: "It's a planet - not an empire."

...


Aus: "Wie Sahra Wagenknecht dank ZDF zur "Putinistin" wurde" Peter Bürger (11.10.2016)
Quelle: http://www.heise.de/tp/artikel/49/49668/1.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...]  Der Charakter der Bombe
Filed under: Dunkle Gedanken by Nachtwaechter — 5. Oktober 2016

Wenn die ,,unabhängigen" und ,,freien" Journalisten dir im Fernsehen und in den Zeitungen sagen, dass es gute Bomben gibt (über die sie, wann immer es sich vermeiden lässt, nicht viel berichten) und dass es böse Bomben gibt (deren Zerstörungskraft und Unmenschlichkeit sie gar nicht deutlich genug machen können), und wenn die Frage, ob die Bombe gut ist oder ob die Bombe böse ist, beinahe immer damit beantwortet werden kann, wer die Bombe abgeworfen hat, dann kannst du dir völlig sicher sein, dass du schon längst im Krieg bist. Dass du glaubst, in Frieden zu leben. Ist eine Illusion.



Quelle: https://tamagothi.wordpress.com/2016/10/05/der-charakter-der-bombe/

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Quote[...] Berlin - Ein Schmied, der ein Schwert zur Pflugschar macht. Das Bild kannte in der DDR jeder, war in den 80er-Jahren Symbol der Friedensbewegung der evangelischen Kirche. Der Schöpfer des Logos war Herbert Sander, der jetzt mit 79 Jahren starb.

Stillleben, Landschaften, gerne malte er auch jüdische Friedhöfe. Sander wurde vor allem von der brandenburgischen Kunstszene geschätzt. Viele Ausstellungen zeigten die Bilder des Stahnsdorfers.  Wie erst jetzt bekannt wurde, starb der Künstler bereits am 4. Januar im Kreise seiner Familie an den Folgen eines Krebsleidens.

Sander studierte in Berlin Grafik und Malerei, arbeitete bis 1965 als Szenenbildassistent bei der Defa. Als freiberuflicher Grafiker und Maler gestaltete er 40 Jahre lang Plakate und Designs für Ausstellungen in den Schlössern und Gärten von Sanssouci. Doch sein bekanntestes Werk entwarf der Pazifist 1980 im Auftrag der evangelischen Kirche in der DDR: das Logo zu dem Bibelspruch ,,Schwerter zu Pflugscharen". Mit dieser Grafik protestierte die Kirche gegen die Atomraketenpläne in Ost und West und gegen den Wehrkundeunterricht an DDR-Schulen.

Zuerst erschien das Bild auf Lesezeichen, dann auf Stoffaufnähern, die in den Gemeinden verteilt wurden. Etwa 100.000 Exemplare gab es. Vor allem Jugendliche trugen Sanders Grafik an Jacken oder Taschen.
Anfangs tolerierte die DDR-Führung das Symbol. Erstens war die Herstellung laut Gesetz legal, da das Bild auf Stoff und nicht auf Papier gedruckt wurde. Zweitens orientierte sich die Darstellung des ,,Schwerter zu Pflugscharen"-Schmiedes an einem Sowjet-Kunstwerk – an der Plastik des Bildhauers Jewgenij Wutschetisch, die die Sowjetunion 1959 der UNO schenkte. Das Denkmal war auch im Jugendweihe-Buch der DDR abgebildet.

Als der Aufnäher bekannter (und zum Symbol der Opposition) wurde, griff die Staatsmacht durch. Bei Polizeikontrollen mussten Träger den Aufnäher sofort abtrennen oder aufs Revier mitkommen, dort ihre Jacke abgeben. Jugendliche wurden wegen des Symbols von der Schule verwiesen. Auch Sander bekam Besuch von der Stasi, der aber ohne Folgen blieb. 2013 erhielt der Maler für sein Logo den Brandenburger Verdienstorden.


Aus: "Trauer um Herbert Sander Erfinder des Symbols ,,Schwerter zu Pflugscharen" ist tot" Norbert Koch-Klaucke (10.01.2018)
Quelle: https://www.berliner-kurier.de/29464402

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#10
Quote[...] Es macht also und gerade heute Sinn, an Hellmut von Gerlach zu erinnern, wie es der Donat Verlag in Bremen mit der Neuauflage von zwei seiner Schriften in dem hier anzuzeigenden Buch tut. Den Ersten Weltkrieg als ,,Die große Zeit der Lüge" beschreiben achtzehn kurze Kapitel, wie sie die Weltbühne im Nachkriegsjahrzehnt druckte. Sein 1921 geschriebener Essay setzt sich mit einem halben Jahrhundert deutscher Mentalität seit der Bismarckschen Reichsgründung von 1871 auseinander, sucht ihre Ursachen zu ergründen.

Beide Schriften aus der ersten Republik wirken in ihrer unverkrampften Sprache auf den Leser von heute völlig staubfrei. Die knappen Kapitel in ,,Die große Zeit der Lüge" haben die Frische der Hebeischen Kalendergeschichten; wie sie führen sie vom persönlich Erlebten und der Anekdote zur Konklusion, die zur Geschichte geworden ist.

Zwei lesenswerte Beiträge am Anfang und Ende des Buches erhellen dem Leser Leben und Wirken des Hellmut von Gerlach. Adolf Wild beschreibt ihn als Demokraten mit jenem nüchternen Sinn, der seine Inneneinsichten zum Ersten Weltkrieg zur so überzeugenden Lektüre gemacht hat und noch heute sein läßt. Von Walter Fabian, dem vor einigen Jahren gestorbenen Zeitgenossen und Weggefährten Hellmut von Gerlachs, sind so aufschlußreiche wie anrührende Erinnerungen an diesen aufrechten Mann nachzulesen.

...

    Hellmut von Gerlach: Die große Zeit der Lüge - Der Erste Weltkrieg und die deutsche Mentalität (1871-1921); herausgegeben von Helmut Donat und Adolf Wild; Donat Verlag, Bremen 1994; 197 S.


Aus: "Ein später Aufklärer" (17. Juni 1994)
Quelle: https://www.zeit.de/1994/25/ein-spaeter-aufklaerer/komplettansicht

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Quote[...] Hellmut Georg von Gerlach (* 2. Februar 1866 in Mönchmotschelnitz, Provinz Schlesien, Preußen; † 1. August 1935 in Paris) war ein deutscher Publizist, Politiker und Pazifist.

... Im Ersten Weltkrieg nahm Gerlach eine pazifistische Haltung ein. Dabei unterstützte er die Reformerin Helene Stöcker nach Kräften. Überzeugt von der deutschen Kriegsschuld, forderte er in seiner Zeitung Welt am Montag eine Verständigungspolitik. 1918 gehörte er mit Friedrich Naumann zu den Gründern der linksliberalen Deutschen Demokratischen Partei (DDP) und der Deutschen Friedensgesellschaft. 1918/1919 war Gerlach Unterstaatssekretär im preußischen Innenministerium. In diesem Amt setzte er sich für die deutsch-polnische Aussöhnung ein und war infolgedessen heftigen Anfeindungen ausgesetzt.

1919 trat er dem Rat des Internationalen Friedensbüros bei. Als Journalist kämpfte er gegen politische Umsturzversuche rechtsgerichteter Kreise. So trat er für die Erfüllung des Versailler Vertrags ein und prangerte die illegale Aufrüstung an. In der Welt am Montag setzte er sich besonders für eine deutsch-französische Verständigung ein. 1920 entging Gerlach nur knapp einem Mordanschlag nationalistischer Kreise. 1922 trat er aus der DDP aus und wurde 1926 Vorsitzender der Deutschen Liga für Menschenrechte. In dieser Funktion nahm er an mehreren internationalen Friedenskongressen teil. 1930 wurde Gerlach Gründungsmitglied der politisch einflusslosen Radikaldemokratischen Partei.

Für den inhaftierten Carl von Ossietzky übernahm er 1932 die politische Leitung der Zeitschrift Die Weltbühne. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1933 ging Gerlach ins Exil nach Österreich; er stand auf der im August in Kraft getretenen und veröffentlichten Ersten Ausbürgerungsliste des Deutschen Reichs von 1933. ... Er nominierte erfolgreich Carl von Ossietzky für den Nobelpreis. 1948 wurde in Deutschland die Hellmut-von-Gerlach-Gesellschaft gegründet, die sich um die Deutsch-Polnische Verständigung bemühte.


Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Hellmut_von_Gerlach (11. April 2018)

https://de.wikipedia.org/wiki/Pazifismus

https://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Person_der_Friedensbewegung

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Quote[...]  [Martin Gauger ] ist der einzige namentlich bekannte Jurist in Deutschland, der nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten den Treueeid auf Adolf Hitler verweigerte, 1941 wurde er in der Tötungsanstalt Pirna-Sonnenstein ermordet: Zum Gedenken an den Wuppertaler Pazifisten Martin Gauger ist in dieser Woche eine Brücke an der Wuppertaler Gerichtsinsel nach ihm benannt worden. ...


Aus: "Martin-Gauger-Brücke offiziell eingeweiht" (22. September 2017)
Quelle: https://www.wuppertaler-rundschau.de/lokales/martin-gauger-bruecke-offiziell-eingeweiht_aid-37199837

Führereid oder Eid auf den Führer benennt einen Eid, der während der Zeit des Nationalsozialismus von verschiedenen Personengruppen verlangt wurde. Im militärischen Kontext wurde manchmal synonym von Fahneneid gesprochen. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BChrereid

Quote[...] Gotthard Martin Gauger (* 4. August 1905 in Elberfeld; † 15. Juli 1941 in der NS-Tötungsanstalt Sonnenstein, Pirna) war ein deutscher Jurist und Pazifist. ...

1939 widersetzte er sich seiner Musterung zum Wehrdienst:    ,,Ich kann diesen Krieg nicht fördern, ich kann nicht helfen, dass das Meer von Blut und Tränen noch andere Länder überflutet."


Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Martin_Gauger

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Um Margot Käßmann ist es ruhig geworden. Seit vielen Jahren ist sie nicht mehr Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschlands (EKD). Zuletzt amtierte sie als ,,Botschafterin für das Reformationsjubiläum 2017". Auf dem Kirchentag in Dortmund wird die Theologin in gut drei Wochen eine Bibelarbeit halten. Da wird der Saal wieder überfüllt sein. Denn populär ist Käßmann immer noch. Ihre Bücher sind Bestseller, ihre Auftritte charismatisch.

Die größte Aufregung in ihrer Amtszeit als EKD-Ratsvorsitzende verursachte Käßmann durch ihre Neujahrspredigt am Abend des 1. Januar 2010 im Berliner Dom. Es war ein Festgottesdienst mit Abendmahl. Wörtlich sagte die Bischöfin: ,,Nichts ist gut in Sachen Klima, wenn weiter die Gesinnung vorherrscht: Nach uns die Sintflut! Da ist erschrecken angesagt und Mut zum Handeln, gerade nach dem Klimagipfel in Kopenhagen. - Nichts ist gut in Afghanistan. All diese Strategien, sie haben uns lange darüber hinweggetäuscht, dass Soldaten nun einmal Waffen benutzen und eben auch Zivilisten getötet werden. (...) Ich bin nicht naiv. Aber Waffen schaffen offensichtlich auch keinen Frieden in Afghanistan. Wir brauchen mehr Fantasie für den Frieden, für ganz andere Formen, Konflikte zu bewältigen."

,,Nichts ist gut in Sachen Klima" und ,,Nichts ist gut in Afghanistan". Diese beiden Sätze blieben hängen, der zu Afghanistan löste die schärfsten Reaktionen aus. Das sei ein ,,hochmütiges, in jeder Hinsicht falsches Pauschalurteil", sagte der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und ehemalige Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Klaus Naumann. Der damalige Wehrbeauftragte Reinhold Robbe (SPD) kritisierte die ,,populistische Fundamentalkritik" und empfahl Käßmann spöttisch, sich mit ,,den Taliban in ein Zelt zu setzen und über ihre Phantasien zu diskutieren, gemeinsam Rituale mit Gebeten und Kerzen zu entwickeln".

Hans-Ulrich Klose (SPD), der Stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, meinte, Käßmann spreche den Bundeswehrsoldaten tendenziell das Christsein ab, außerdem setze sie sich ,,mit ihrer Äußerung in Gegensatz zur Mehrheit des Bundestages". Dort hätten CDU, CSU, FDP, die Mehrheit der SPD sowie etliche Grüne für den Einsatz gestimmt.

Das stimmte. Schließlich galt der Einsatz in Afghanistan nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 als der gute, der notwendige Krieg. Es gab ein UN-Mandat, und die Nato hatte zum ersten Mal in ihrer Geschichte den Bündnisfall nach Artikel 5 ihrer Charta ausgerufen. Da wollte keiner abseits stehen. Die damals herrschenden fundamentalislamischen Taliban hatten Al Kaida Unterschlupf geboten, außerdem hoffte der Westen, mit Hilfe seines Militärs die Demokratie an den Hindukusch exportieren zu können.

Knapp zehn Jahre nach Käßmanns Neujahrspredigt und knapp 18 Jahre nach Beginn der Intervention zieht das britische Magazin ,,Economist", das selbst einst den Afghanistankrieg unterstützt hatte, Bilanz. Im vergangenen Jahr starben die meisten Zivilisten, die US-Luftwaffe warf die meisten Bomben ab, die Regierung in Kabul kontrolliert kaum die Hälfte des Landes, das nach Einschätzung des US-Justizministeriums ,,überwiegend gesetzlos, schwach und dysfunktional" ist. Die Taliban sind wieder erstarkt, von einem Wiederaufbau des Landes kann nicht die Rede sein, die Kosten für den Krieg belaufen sich auf mehr als eine Billion Dollar.

,,Nichts ist gut in Sachen Klima, wenn weiter die Gesinnung vorherrscht: Nach uns die Sintflut! Da ist erschrecken angesagt und Mut zum Handeln." Das sagte Käßmann neun Jahre vor Greta Thunberg und ,,Fridays for Future". ,,Nichts ist gut in Afghanistan." Das sagte sie, als der Wille zur Verdrängung der Wahrheit noch so groß war, dass er sich in Häme und Schmähungen niederschlug. Inzwischen sieht jeder: Der Westen hat diesen Krieg verloren, das Projekt eines Demokratieexportes an den Hindukusch ist gescheitert.

Zwei Dinge lehrt die Erinnerung an Käßmanns Neujahrspredigt aus dem Jahr 2010. Erstens: Jede These – und mag sie noch sie absurd klingen – sollte zunächst geprüft und erst dann gegebenenfalls verworfen werden. Etwas, was nach herrschender Meinung nicht wahr sein darf, kann nämlich durchaus wahr sein. Zweitens: Es ist nie zu spät, jemanden um Entschuldigung zu bitten, der durch ein Negativurteil, das sich später als falsch entpuppte, verletzt worden war.


Aus: "Gerechtigkeit für Margot Käßmann!" Malte Lehming (28.05.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/klimapolitik-und-afghanistankrieg-gerechtigkeit-fuer-margot-kaessmann/24390640.html

QuoteBRCI 15:25 Uhr

Eine couragierte ,standhafte und sehr menschliche Frau.Die
Zeit hat sie mehr als gerechtfertigt. Allerdings  ist heute in der Politik kein Ansatz zum Umschwenken bemerkbar.Es wird munter
entsendet, nach Afghanistan und sonstwo  und auch die  Grünen
Klimaschützer   haben erstaunlich  wenig von ihrer  Friedensaktivität  herübergerettet. in die   Tagespolitik. Aber gut jemanden zu finden, der  Haltung bewahren  kann. 


QuoteSokratis 14:52 Uhr
In der Sache hatte sie in beiden Punkten Recht. Wahrscheinlich waren die Reaktionen auch deshalb so heftig, weil es sich um unbequeme Wahrheiten handelte.

Aber Frau Käßmann hat sich natürlich hochgradig angreifbar gemacht, indem sie scheinheilig agiert bzw. gesprochen hat. Das haben ihre Kritiker dankbar aufgegriffen.

Mit einem schönen VW Phaeton (Langversion) als Dienstwagen hat man als Klimaschutzaktivistin ein gewisses Glaubwürdigkeitsproblem. Und als Vertreterin einer Kirche, die in der Vergangenheit diverse Kriege gerechtfertigt hat, ist man vielleicht auch ganz gut beraten, den erhobenen Zeigefinger wegzupacken.


QuoteWolf-G 14:33 Uhr

Viel Häme hat sie ertragen, zu Unrecht. Der Spruch trifft wie so oft zu: "Der Prophet gilt nichts im eigenen Land".
So steht sie in einer langen Tradition der Kassandras dieser Welt.....


...

Textaris(txt*bot)

#12
Quote[...] Auch liefern die Briefe ein schönes Beispiel für verständnisvollen Austausch über nationale Grenzen hinweg, selbst im Krieg, mit seinen Gräueln und der Pressehetze, so der Rezensent, Rolland und Zweig zeigten "Mitleid für die Wunden des anderen" und bemühten sich, ihre Affekte im Zaum zu halten. ...

Von Welt zu Welt
Briefe einer Freundschaft 1914-1918
Cover: Von Welt zu Welt
Aufbau Verlag, Berlin 2014
ISBN 9783351034139
Gebunden, 480 Seiten

Aus dem Französischen von Eva Schewe, Gerhard Schewe und Christel Gersch. Mit einem Begleitwort von Peter Handke. Während ihre Landsleute im ersten modernen "Großen Krieg" gegeneinander kämpfen, werden Stefan Zweig und Romain Rolland zu intimen Brieffreunden: Von Rollands europäischer Haltung tief beeindruckt, schrieb Zweig dem französischen Schriftstellerkollegen 1910 einen Brief, der zum Anfangspunkt eines lebenslangen Zwiegesprächs werden sollte. Diese erstaunlichen Schriftstücke gewähren einen intimen Einblick in erlebte europäische (Geistes-)Geschichte und sind zugleich Belege einer großherzigen Freundschaft. ...



Aus: "Romain Rolland, Stefan Zweig - Von Welt zu Welt: Briefe einer Freundschaft 1914-1918" (2014)
Quelle: https://www.perlentaucher.de/buch/romain-rolland-stefan-zweig/von-welt-zu-welt.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Romain_Rolland

https://de.wikipedia.org/wiki/Stefan_Zweig

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Als ich die Bilder von der Aktion der Aktionsgruppe ,,Lebenslaute" vor der Firma Rheinmetall in Unterlüß vor Kurzem im Fernsehen sah, war ich gerührt. Menschen spielten klassische Musik, lächelten, tanzten, einige trugen Westen, auf denen stand: Frieden schaffen, ohne Waffen! Das gibt's noch, dachte ich. Und fragte mich, warum ich gerührt war.

Damals war es einfach nicht so kompliziert wie jetzt, dachte ich, man war gegen Atomkraft, man war gegen Waffen. Und jetzt ist man gegen Menschen, die Unsinn erzählen, aber zum Beispiel auch gegen Waffenexporte sind. Alles ist so konfus und zerbröselt, und wer kümmert sich eigentlich noch um die Waffen oder auch die Atomkraft? Waffen sind ja immer noch Waffen und erfüllen immer noch denselben Zweck. Ist das jetzt kein größeres Problem mehr, oder ist es jetzt als Protestthema einfach nicht mehr modern?

Und dann stoße ich recherchierend auf verschiedene Gruppierungen von Menschen, die sich immer noch gegen die Produktion von Waffen engagieren und natürlich auch gegen Atomkraft. Die mal hier demonstrieren und dort mal vor dem Werkstor stehen wie diese Musiker, die eine widerspenstige und altmodische und sehr schöne Art von politischer Aktion zelebrieren, seit 1986 übrigens schon.

Rheinmetall, das kann man sehr schnell herausfinden, baut zum Beispiel Panzer. Ich komme aus der DDR, und da hatten wir so was im Schulhort zum Spielen. Wir hatten auch Soldaten, die bei uns alle nur für den Frieden da waren, versteht sich. Im Hort hatten wir nur NVA-Soldaten, die mussten dann gegen die Indianer und die Cowboys kämpfen, die die Kinder vereinzelt in ihren Hosentaschen einschleusten, aus den Westpaketen.

Unsere Armee jedenfalls war etwas Notwendiges, weil die kleine DDR sich gegen die großen Westmächte verteidigen musste. So lernten wir es, so lernten es auch die bundesrepublikanischen Kinder, nur andersherum. Es gab ein paar verträumte Linke und Hippies, die sich das alles ganz ohne Waffen und Armee vorstellten in ihrem bekifften Pazifismus. Als dann aber der Kalte Krieg immer bedrohlicher wurde, die Angst immer größer, da zweifelten dann doch immer mehr Menschen am Konzept: Frieden durch Aufrüstung. Eine breitere Friedensbewegung formierte sich.

Und jetzt sind wir irgendwo, in einer Zeit, in der es alles so zerfasert ist, dass einem der Kopf schwirrt bei dem Versuch, eine gute Position zu finden, die wirklich gerecht ist. Sich die Informationen zu beschaffen, die einem zu einen moralisch festen Standpunkt verhelfen. Wie soll die Welt idealerweise aussehen, in der wir leben wollen? Können wir ohne Waffen leben, und was würde passieren, wenn wir, zum Beispiel, unsere Armee abschafften? Würden wir rasch irgendwo angegliedert werden, holländisch werden, zum Beispiel, oder würden uns andere Länder auf dem friedlichen Weg folgen? Wäre dies der Anfang einer großen friedlichen Welt?

Tja, das sind so meine albernen, kleinen Gedanken. Und weil das alles vielleicht sehr kompliziert und auch ziemlich blöd ist, bemüht sich die demokratische Regierung, einige Dinge wenigstens ein klein wenig zu regulieren. Zum Beispiel sollen Waffen, wenn sie denn gebaut werden sollen, nicht in Konfliktgebiete, ,,Krisenherde" oder an ,,unrechtmäßig Krieg führende Länder" geliefert werden, wo sie aber naturgemäß am gierigsten erwartet werden. Eine Firma, die Waffen herstellt, soll also per Gesetz dazu verpflichtet sein, ein bisschen anständig die Waffen zu verkaufen.

Im Falle der Firma Rheinmetall kann man dann darauf stoßen, dass es damit Schwierigkeiten gibt, und das liegt vielleicht auch daran, dass da grundsätzliche Interessen oder Prinzipien über Kreuz liegen. Und das führt mich wieder zu meiner Rührung. Diese großartigen Musiker*innen: Sie haben recht. Wir sollten alle immer noch und wieder vor diesen Toren stehen und uns empören, auch wenn die Welt komplex ist, manches bleibt falsch. Aber warum sind wir also, zumindest in dieser Hinsicht, heute so schlaff?


Aus: "Friedensbewegung damals und heute: Das Standpunkt-Problem" Kolumne von Katrin Seddig (26. 8. 2020)
Quelle: https://taz.de/Friedensbewegung-damals-und-heute/!5704260/

QuoteLeserkommentare - mowgli 26.08.2020, 17:00

    ,,Wir" sind nicht ,,schlaff". (,,Wir" gehen schließlich jede Woche joggen, ins Fitness-Studio, zum Yoga, bouldern, schwimmen oder was auch immer und trinken mindestens drei Liter Leitungswasser jeden Tag.) ,,Wir" sind schlicht überfordert.

    ,,Wir" haben gelernt, uns hinter den ,,richtigen" Leuten zu versammeln und ihnen den Rücken freizuhalten. So, wie eine gute Ehefrau dem erfolgreichen Mann den Rücken freigehalten hat, als wir noch jung und dumm gewesen sind und unsere Eltern, Großeltern und andere Autoritäten das Maß der Dinge waren. Damals war das alles sehr viel einfacher, denn wer Bestimmer war, der hatte immer recht. Und zwar von vorn bis hinten.

    Heute wird viel weniger geglaubt und viel mehr nach Konsequenzen gefragt. Wenn ein Bestimmer sagt: ,,Jetzt bitte links herum", dann macht man nicht gleich auf dem Absatz kehrt. Man schaut erst mal, was links so alles kommt. Man hat ja schließlich schon so einiges gehört davon, was linksgehen für Folgen haben kann. Will man die überhaupt verantworten? Und was, wenn man sich rechtsrum dreht? Wär' das nicht ähnlich, nur in grün, schwarz oder braun?

    Wer will denn schon Gewissensbisse kriegen, wenn so ein Waffenbauer rechts abbiegt und seine Panzer anderswo herstellen lässt? Wer zahlt dann für die Leute, die nichts mehr verdienen? Und wer wird dann noch Mindeststandards kontrollieren? Ist Deutschland nicht DER Musterschüler, wenn es um das Einhalten von Regeln geht?

    Tja, alles nicht mehr ganz so leicht, wenn man den Mut hat, sich des eigenen Verstandes zu bedienen - und nicht genug Übung damit. Da bleibt man ja womöglich lieber gleich im Bett. Zumindest, wenn man nicht zum Yoga muss, zum Fitnesstraining oder an die Kletterwand. Schlaff ausschaun will man schließlich trotzdem nicht, auch wenn man sich uns Rückgrat rum so fühlt, nachdem nicht mehr so recht Verlass ist auf die Vormünder, die einem notfalls einen Stock ins Kreuz gezimmert haben. ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Heute vor 100 Jahren wurde in Hamburg-Eppendorf der Dichter Wolfgang Borchert geboren. Zu seinen bekanntesten Werken gehören die Erzählungen "Die Hundeblume" und "Nachts schlafen die Ratten doch", vor allem aber sein Kriegsheimkehrer-Drama "Draußen vor der Tür" und sein Manifest "Sag nein!". Borchert selbst wurde nur 26 Jahre alt, aber natürlich hinterließ er in Hamburg nicht nur als Dichter, sondern auch als Mensch Spuren. Der Schriftsteller Peter Schütt verbrachte sein Leben auf Borcherts Spuren, er lernte seine Mutter kennen und gehörte politisch den Kreisen an, in denen sich wohl auch Borchert engagiert hätte, wäre er nicht allzu früh gestorben.

... Wolfgang Borchert war der erste Dichter, der mich in seinen Bann zog. Der zweite war Heinrich Böll. In meiner Schulklasse am Athenaeum in Stade stritten wir ab 1956 heftig über die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik. Wir waren in der Mehrheit "Ohnemichel", Anhänger der "Ohne mich"-Bewegung gegen die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht.

... Die Friedensbewegung der Achtzigerjahre hat zwar nicht den Stationierungsbeschluss des Bundestages verhindert, aber sie hat geholfen, die Welt zu verändern. Sie hat in der DDR Schwerter zu Pflugscharen verwandelt – in der Ostberliner Gethsemanekirche hing an der Kanzel ein langes weißes Transparent mit Picassos Friedenstaube und Borcherts "Sag Nein" –, sie hat in Polen das Kriegsrecht gestoppt und in Moskau Glasnost und Perestroika den Weg bereitet.

Ich bin Wolfgang Borchert, seiner Hundeblume, seiner Mitleidenschaft und seinem pazifistischen Pathos lebenslang treu geblieben. Zuletzt bin ich vor einem Jahr einem Aufruf von Esther Bejarano zu symbolischen Aktionen gefolgt und habe am 8. Mai auf Borcherts Grab auf dem Ohlsdorfer Friedhof einen Strauß Hundeblumen niedergelegt, um die Forderung zu bekräftigen, dass der Tag der Befreiung endlich ein nationaler Feiertag wird – wie in den meisten Ländern Europas.

Der Weltkrieg, gegen den sich Wolfgang Borchert bis zum letzten Atemzug gestemmt hat, ist nicht vorbei. Er findet nur gerade woanders statt. Ich bin 1973 nach Vietnam gefahren und habe über meine Erfahrungen mein erstes Antikriegsbuch geschrieben. 1987, während des Ersten Golfkrieges war ich im Iran und habe berichtet, wie es ist, "wenn fern hinter der Türkei die Völker aufeinander schlagen". Zuletzt habe ich vor drei Jahren im kriegsverheerten Irak an der schiitischen Arbain-Friedenskarawane von Nadjaf nach Kerbela teilgenommen. In meinem Pilgertagebuch habe ich zu schildern versucht, wie sich ein Land und seine Menschen nach zwanzig Jahren Krieg anfühlen. Am Wegrand habe ich endlose Trümmerfelder gesehen, die denen gleichen, wie sie Wolfgang Borchert 1945 in Hamburg sehen musste. Der Krieg, von dessen Schrecken Wolfgang Borcherts Leben und Werk Zeugnis abgelegt hat, wird fortgesetzt. Und sage keiner, wir hätten damit nichts zu tun. Unser Land, das sich während des Vietnamkrieges noch mit einem Lazarettschiff begnügt hat, ist heute der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. Der größte Teil der Waffenlieferungen geht über den Hamburger Hafen hinaus in die ganze Welt – die Elbe hinab, an deren Grund Borcherts Beckmann noch immer herumirrt.


Aus: "Wolfgang Borchert: Und sage keiner, wir hätten damit nichts zu tun" Ein Gastbeitrag von Peter Schütt, Hamburg (19. Mai 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/hamburg/2021-05/wolfgang-borchert-hundertster-geburtstag-schriftsteller-antikriegsdichter-truemmerliteratur/komplettansicht

Quotestrixaluco #2.1

Ich glaube, Wolfgang Borchert zu lesen ist etwas, dass einem die Erfahrung der Kriegsgenerationen in einer Weise nahe bringt, die sonst gar nicht möglich ist. Was die Menschen damals erlebt haben, das konnten sie danach oft gar nicht mehr aussprechen, weil es so unsagbar schrecklich war. Aber Borchert hat einen Weg gefunden, zu sagen, wie es war, so dass man es verstehen kann.


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Textaris(txt*bot)

#15
Quote[...] ,,Krieg?", fragt Swetlana, Mitte vierzig, die energischste der drei Schneeräum-Frauen. ,,Ach, hören Sie mir auf. Krieg interessiert die Politiker, die Journalisten und natürlich die Waffenhersteller. Uns einfache Leute interessiert er nicht. ... Der Begriff ,,Krieg" ist alltäglich geworden im TV. Und der Krieg wird nach und nach zum notwendigen Übel erklärt. Einer Normalität, gegen die sich vor einigen Tagen Dutzende russische Aktivist*innen, Journalist*innen, Kulturschaffende, Menschenrechtler*innen, Jurist*innen, Lo­kal­poli­tiker*in­nen, Pro­fes­so­r*in­nen in einem offenen Brief an die russische Führung ausgesprochen haben. ,,Russische Bürger werden zu Geiseln des kriminellen Abenteurertums, zu dem Russlands außenpolitische Linie sich derzeit verwandelt", heißt es darin. ,,Wir hassen Krieg, und Sie halten ihn für zulässig. Sie belügen und benutzen Menschen für Ihr politisches Spiel. Haben Sie vergessen, dass unser Land in den vergangenen Kriegen Millionen von Menschen verloren hat?" Es ist eine bittere und flehende Anklage der eigenen Führungsriege.

... ,,Mir machen diese ganzen Nachrichten vom möglichen, ja baldigen Krieg einfach nur noch Angst", sagt Alina Grigorjewa in der verschneiten Moskauer Fußgängerzone am Alten Arbat. Die 28-Jährige schiebt langsam einen Kinderwagen durch den Schneematsch, ihr Morgenspaziergang mit ihrem Sohn. ,,Ich will einfach, dass Jarik in Frieden aufwächst", sagt sie leise.  ...

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Aus: "Stimmen aus Moskau zur Ukrainekrise: ,,Krieg? Ach, hören Sie mir auf"" Inna Hartwich (13. 2. 2022)
Quelle: https://taz.de/Stimmen-aus-Moskau-zur-Ukrainekrise/!5831301/

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Quote[...] Bei Anti-Kriegs-Demonstrationen in zahlreichen russischen Städten gegen den Einmarsch ins Nachbarland Ukraine sind nach Angaben von Bürgerrechtlern mehr als 1700 Menschen festgenommen worden.

Das Bürgerrechtsportal Owd-Info registrierte bis zum Donnerstagabend Proteste in etwa 44 russischen Städten - trotz eines verhängten Demonstrationsverbots und angedrohten harten Strafen. In der russischen Hauptstadt Moskau riefen etwa 1000 Menschen auf dem zentralen Puschkin-Platz ,,Nein zum Krieg!"

Viele Russen fühlen sich den Ukrainern eng verbunden, oft bestehen familiäre Beziehungen. Viele Protestierende hatten angesichts des von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Einmarschs in die Ukraine Tränen in den Augen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj richtete in einer Videobotschaft in der Nacht zu Freitag auch ein paar Worte an die Demonstranten: ,,Ich will allen russischen Bürgern, die protestieren, sagen: Wir hören Sie, Sie haben uns gehört, Sie haben begonnen, uns zu glauben. Kämpfen Sie für uns. Bekämpfen Sie den Krieg."

... Augenzeugen der Kundgebung in Moskau zeigten der Deutschen Presse-Agentur Videos vom gewaltsamen Vorgehen uniformierter Sicherheitskräfte gegen die Demonstranten. Einige wurden grundlos geschlagen.

Russische Behörden hatten zuvor eindringlich vor Protestaktionen gewarnt und mit Festnahmen gedroht. Russische Sicherheitskräfte sind bekannt dafür, oft mit Härte vor allem gegen oppositionelle Demonstranten vorzugehen. Die Behörden hatten Kundgebungen immer wieder auch mit Verweis auf die Corona-Pandemie verboten. (dpa)


Aus: "Tausende protestieren in Russland gegen Angriffskrieg in der Ukraine" (25.02.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/trotz-verbots-tausende-protestieren-in-russland-gegen-angriffskrieg-in-der-ukraine/28104354.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Kulturwissenschaftler und Historikerinnen wie Klaus Theweleit und Ute Frevert haben in ihrer Forschung herausgearbeitet, wie grundlegend enthemmte Gewalt menschliche Beziehungen und die kollektiven Gefühle einer Gesellschaft beeinflusst, und das über Generationen hinweg. Krieg gibt Soldaten die Erlaubnis, zu morden. Die öffentliche Erteilung einer Morderlaubnis ist brandgefährlich, sie schafft eine Stimmung der enthemmten Gewalt, eine Lynchstimmung, die zur nationalistischen Hochstimmung wird: Sie gibt den Mordenden ein überwältigendes Gefühl des Lebens, der nationalen Erhabenheit über den Tod.

Gleichzeitig sitzen die Traumata, die im Krieg angesichts dieser Enthemmung von Gewalt erlebt werden, tief. Russische und ukrainische Soldaten sind dieser Gewalt jetzt ausgesetzt, üben sie aus. Ihre Familien sorgen sich um sie, und auf gewisse Weise ist jetzt schon klar, dass ihre Söhne, Töchter, Brüder, Schwestern und Partner*innen nicht so zurückkehren werden, wie sie gegangen sind. Sie werden Ängste erlebt und Brutalität ausgeübt haben, die für Daheimgebliebene nie nachvollziehbar sein werden. Sie werden Dinge erlebt haben, die Einfluss auf die Beziehung zu ihren Kindern haben wird. Dieser Krieg wird das Aufwachsen von Kindern in der Ukraine, in Russland und in Osteuropa brutalisieren, wie es vielleicht schon so viele kriegerische Konflikte nach dem Zweiten Weltkrieg zuvor taten, in Jugoslawien, im Kosovo, in Georgien, in der Türkei.

Aber auch in Deutschland ist die Brutalisierung der Gesellschaft bereits zu spüren.  ... Tenor: Es herrscht Krieg, wir haben keine Zeit mehr für diesen Schwachsinn! Am Tag des Angriffs knüpft der Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt direkt an diese Argumentation an. Deutschland sei in den Nachkriegsjahren unter dem Schutz der Nato ,,schwach" geworden: ,,Die kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Debatten der vergangenen Jahre waren Ausdruck einer geradezu liebenswerten Naivität und Entrücktheit, die sich jetzt rächen könnten", und: ,,Jetzt ist klar, dass man sich wehren muss und wehrhafter sein muss. Die Freiheit wird nicht am Tampon-Behälter in der Männertoilette verteidigt, eher am Hindukusch und ganz konkret bei unseren Freunden in der Ukraine, in Kiew, in der Ostukraine und im ganzen Land."

Das Feiern eines ,,luschigen, passiv-aggressiven Wohlstandszersetzungsaktivismus" sowie das ,,verlogene und verlorene Menschenbild, wie es auf evangelischen Kirchentagen und in der zeitgenössischen Kultur so verbreitet wird", sei für jemanden wie Putin ,,einfach ein Frühstück": ,,Wir müssen wehrhaft sein."

Krieg ist eine Gefahr für Zärtlichkeit, Weichheit, Sensibilität. Krieg ist eine Gefahr für die Offenheit einer Gesellschaft.

Klaus Theweleit hat in seinem Werk über soldatische Männlichkeit gezeigt, wie patriarchale Gewalt mit Kriegsgewalt zusammenhängt. Er hat gezeigt, wie männliche Körper – heutzutage sind es inzwischen auch weibliche Körper, was das für Folgen hat, wissen wir noch gar nicht – über Generationen von Kriegsgewalt geprägt sind: Alles muss diszipliniert werden. Die Angst vor allem Weichen, Fließenden, Unbestimmten – damit konnotiert: vor allem Weiblichen – ist eine Folge davon. Gewalt gegen Frauen ist eine Folge von Krieg. Nicht nur während des Kriegs, sondern lang darüber hinaus. Theweleit spricht darüber, wie Faschismus und Kriegsgewalt die Angst vor unkontrollierbaren ,,roten Flüssen" schürt. Poschardt schreibt gegen Tampon-Behälter am Tag des Kriegsausbruchs.

Ich möchte nochmal daran erinnern, dass dies keine Analyse der Schuld an diesem Krieg ist. Wladimir Putin hat einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen, der durch nichts zu rechtfertigen ist. Dies ist eine Warnung vor den Folgen eines solchen Krieges auf das gesellschaftliche Miteinander. Denn unabhängig von der Schuldfrage besteht die Frage der Verantwortung für den Frieden weiter, und diese Verantwortung tragen alle Beteiligten.

...




Aus: "Bleibt weich, bleibt zärtlich!" Elsa Koester (24.02.2022)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/elsa-koester/ukraine-konflikt-koennen-wir-in-kriegszeiten-zart-bleiben

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Spieglein an der Wand | Community

Das Handeln von Staaten wird von außenpolitischen Interessenlagen bestimmt, nicht von Moral oder dergleichen. Das wird im Rahmen einer idealistischen Sichtweise meist erst gar nicht verstanden oder einfach ignoriert, ist aber die Realität, an der kein noch so tief empfundener oder - wahlweise - scharf formulierter moralischer Appell auch nur das geringste ändert. Das Wollen von Bevölkerungen ist diesbezüglich gegenstandslos. Auch das wird im idealistischen Kontext üblicherweise nicht verstanden.


Quote
wwalkie | Community

... Es macht einen (fast) sprach- , also hilflos, wenn man quasi von einen Tag auf den anderen "erlebt", mit welcher Wucht die Menschen zum Einheitsdenken verurteilt werden, wie sich die Wortwahl verändert, und wie plötzlich deutlich wird, dass bestimmte Wunden doch noch nicht vernarbt sind. Warum spricht man in den Medien (also auch im täglichen Gespräch) vom "Überfall auf die Ukraine" statt von "Invasion", "Einmarsch" etc. Kaum jemand redete 1999 vom "Überfall auf Serbien" oder 2003 vom "Überfall auf den Irak" oder 2011 vom "Überfall auf Libyen" oder oder oder...

Das Schlimmste (für uns hier) ist, dass die dumme, weil tötende Militärlogik auch in den Köpfen der Pazifisten Oberhand gewinnt - und dass wir uns tatsächlich mit ihnen, den Kriegstreibern, den buchsstäblich schrecklichen Vereinfachern zu identifizieren beginnen, weil ja "alle" so denken und man sich sonst lächerlich macht, wie Frau Koester sehr gut darstellt.

Das Ende des Beitrags ist mir zu sehr "Happy end". Frau Koester schreibt:

"Unserer Gesellschaft kommt jetzt eine große Verantwortung zu: Einen Weg zurück zum Frieden zu finden, mit Putin als Gegner. Ich wünsche mir, dass sie einen Weg findet, in dieser Brutalität des Krieges Zurückhaltung zu bewahren, und, ja: Zärtlichkeit. Im Miteinander, in der Sprache, in der Suche nach Auswegen."

Da fehlen die Subjekte. Und dass sie fehlen, hat benennbare Ursachen. Die Verantwortung tragen weniger "wir" als die Herrschenden. Biden und Rüstungskonzerne (um nur die zu nennen), NATO und Rüstungskonzerne, EU und Rüstungskonzerne, Putin und Rüstungskonzerne, ja, auch die ukrainische Regierung sind verantwortlich. Was Frau Koester als "unsere Gesellschaft" bezeichnet,meint wohl die Menschen, und die werden mehr oder weniger instrumentalisiert (ein hundert Jahre altes Business der Herrschenden), die Ukrainer mehr, "wir" weniger.

"Einen Weg zurück zum Frieden zu finden", kann nur heißen, einen Frieden zu finden, der Krieg so gut wie unmöglich macht. Und das geht nicht immer mit "Zärtlichkeit". Und da ist nicht nur Putin der Gegner. Wahrlich nicht.



QuoteGrigorij | Community

War gestern im Kino Toni in Berlin-Pankow. Lothar Warneke "Einer trage des anderen Last". DEFA-Film von 1988 spielt um 1950. Zwei Tbc-kranke, sehr junge Männer geraten in einer Klinik in ein gemeinsames Zimmer. Der Volkspolizist hängt sich seinen Stalin übers Bett. Der Vikar seinen Jesus. Beide mit ihrem Glauben.

Dann gehts los. Beide Männer unter den damaligen Verhältnissen eigentlich unrettbar krank. Heilung die pure Glückssache. Irgendwann fällt mal der Satz:Wir leben hier in diesem einen Zimmer und müssen also miteinander auskommen. Das begreifen beide. Immerhin. Und sie reden miteinander.

Immer wieder erstaunlich, welche Filme so in der DDR möglich waren.

Aber weder Putin noch Biden noch die ganze Polit- und Militär- und Medienmischpoke, die jetzt auf diese ganz bestimmte Weise hyperventiliert, wird sich einen solchen Film jemals anschauen. Und ihn als ihr ureigenes Thema verstehen. U.a. sowas wie die Sache mit dem Splitter und dem Balken....

Aber letztlich:Welche Rüstungsfirma kann mit Frieden schon Profit machen?


...

Textaris(txt*bot)

Quote[....] Für politisch aktive Menschen, die schon gegen den Irak-Krieg und seither immer wieder auf die Straße gegangen sind, um gegen Krieg und Militarismus zu protestieren, ist es eine ungewohnte Situation: Die Informationen westlicher Geheimdienste, denen sie aufgrund von Erfahrungswerten mindestens skeptisch gegenüberstanden, haben dieses Mal in wichtigen Punkten gestimmt – jedenfalls wenige Tage nach dem zuerst genannten Datum hat das russische Militär tatsächlich auf breiter Front die Ukraine angegriffen.

Nun sind deutsche Waffenlieferungen an die Ukraine beschlossen. Erst sollten nur 5000 Helme geliefert werden, was in "Sozialen Netzwerken" für tragikomisch befunden wurde, jetzt kommen laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Stinger-Raketen hinzu.

Die Online-Aktionskonferenz der Friedensbewegung war schon für Samstag, den 26. Februar geplant, als sich die Eskalation rund um die Ukraine zuspitzte. Ziel sollte sein, öffentliche Aktionen zu planen, um einen heißen Krieg zu verhindern. Doch nun hat mit dem russischen Einmarsch in der Ukraine der Krieg begonnen und die Friedensbewegung steht unter einem besonderen Druck. ...


Aus: "Krieg von ungewohnter Seite: Friedensbewegung sucht Weg aus der Schockstarre" Peter Nowak (27. Februar 2022)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Krieg-von-ungewohnter-Seite-Friedensbewegung-sucht-Weg-aus-der-Schockstarre-6527110.html


Textaris(txt*bot)

#18
Quote[...] Bei der größten Demonstration seit Beginn der Coronakrise in Deutschland haben am Sonntag rund 100.000 Menschen Frieden in der Ukraine gefordert. Die Polizei sprach von einer Teilnehmerzahl im oberen fünfstelligen bis unteren sechsstelligen Bereich rund um die Siegessäule zwischen Brandenburger Tor und dem S-Bahnhof Tiergarten. In diesem Bereich habe es eine "hundertprozentige Auslastung" unter Pandemiebedingungen gegeben - die Polizei achtete auf das Tragen von Masken und die Wahrung eines Mindestabstandes. Um kurz nach 15 Uhr beobachteten die Einsatzkräfte allerdings auch schon wieder eine Abfluss von Teilnehmern aus diesem Bereich. Ursprünglich waren 20.000 erwartet worden. Die Organisatoren sprachen bei der Demo sogar von 500.000 Teilnehmern.

...


Aus: "Mehr als 100.000 Menschen bei Friedensdemos in Berlin" Ingo Salmen  (27. Feb. 2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/proteste-gegen-den-ukraine-krieg-mehr-als-100-000-menschen-bei-friedensdemonstrationen-in-berlin/28100568.html

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"Proteste in Russland" (27. Februar 2022)
Offener Brief von russischen Wissenschaftern und Wissenschaftsjournalisten gegen den Krieg
https://www.journal21.ch/artikel/offener-brief-von-russischen-wissenschaftern-und-wissenschaftsjournalisten-gegen-den-krieg

"Open letter of Russian scientists and science journalists against the war with Ukraine"
26.02.2022 /  Один комментарий
Originally published by Troitsky Variant – Nauka
https://trv-science.ru/en/2022/02/we-are-against-war-en/

""Es bricht uns das Herz": Junge Russen über den Einmarsch in die Ukraine" (25.2.2022)
Am Donnerstag protestierten Menschen auf der ganzen Welt gegen Russlands Invasion der Ukraine. Auch viele Russinnen und Russen sind schockiert vom Vorgehen ihres Präsidenten. ... Am Donnerstagabend kam es in vielen russischen Städten zu Antikriegsdemonstrationen. Die Polizei ging brutal dagegen vor und nahm fast 2.000 Menschen fest. Die Behörden warnten, dass "negative Bemerkungen" zur Invasion als "Verrat" geahndet werden können. Mehrere prominente Russinnen und Russen haben sich bereits gegen den Angriff auf die Ukraine ausgesprochen, darunter auch der Fußballspieler Fjodor Smolow und Maxim Galkin, einer der bekanntesten Fernsehmoderatoren des Landes. Wir haben mit jungen Russinnen und Russen über die Invasion gesprochen. Aus Angst um ihre Sicherheit wollten sie anonym bleiben. ...
https://www.vice.com/de/article/k7wxzv/junge-russen-uber-den-einmarsch-in-die-ukraine

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Im Buch ,,Revolution für das Leben" zitiert die Philosophin Eva von Redecker ihre Kollegin Montserrat Galcerán Huguet, die glaubt, dass das 21. Jahrhundert erst mit der Pandemie begonnen habe und dass in ihm die Verteidigung des Rechts auf das Leben aller Priorität haben werde. Daran möchte ich glauben. (Hadija Haruna-Oelker)


Aus: "Kolumne - Ukraine-Krieg – Der Frieden war nie sicher" (01.03.2022)
Quelle: https://www.fr.de/meinung/kolumnen/frieden-war-nie-sicher-91376312.html

QuoteChristian Will

ja naiv und blind ist eine welt, die glaubt, wir leben in einer demokratie - ohne machtpolitik und ambivalenz!!!
Schuld, das viele leute das glauben, ist vor allem die führung des landes und das bildungssystem! aber auch viele medien, die immer noch, wie schon vor 70 jahren, oberflächlich und inkonsequent sind, wie alle.

Es gibt einen grund, warum manche sich so vehement engagieren, für ein verbot für waffen, verbot asozialer kapitalistischer ökonomie, asozialer und ineffizienter machtpolitik, finanzungleichheit, bildungsarmut, geldarmut .... all das und alles andere hängt zusammen!!!!

all das sind faktoren, die gewalt und asoziale herrschaft und ausbeutung ... also eine ineffiziente demokratie und soziale konflikte aller art, wie wirtschaftskriege und korruption, wahrscheinlich machen! das ist eine fundamentale erkenntnis der geschichte, der soziologie und entwicklungspsychologie.
und wenn die philosophen nicht so damit beschäftigt wären, ihren geist grade zu rücken, wüssten sie auch, das es immer schon ein kampf ums leben war. ein kampf ums gute, das wahre und das schöne. die zivilisation muss permanent verteidigt und hochgehalten werden. nicht unbedingt durch waffen des mordes, sondern durch die waffen des lebens!!!!
Wahrheit, Bildung und Liebe!!!!

...


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Russland feuert aus allen Rohren – auch auf seine eigene Bevölkerung. Wie entfesselt lässt die Staatsführung auf alle eindreschen, die es wagen, ihre Stimme gegen den wahnwitzigen Angriff auf die Ukraine zu erheben. Sei es nun die 77-jährige Aktivistin Jelena Osipowa, zwei Mütter mit ihren Kindern oder Menschen, die des Nachts ihren Widerstand mit Graffitis und Aufklebern zu Protokoll geben – es macht keinen Unterschied mehr. Die Anzahl von Festnahmen hat die Tausender-Marke längst überschritten und der Terror wird weitergehen.

Auch an anderen Fronten munitioniert sich der Kreml. Kritische Medien wie Doschd oder Echo Moskwy, die es gewagt haben, den Krieg auch als solchen zu benennen, werden kurzerhand abgeschaltet. Künftig drohen 15 Jahre Haft für die Verbreitung von ,,Fake-News" über die Invasion russischer Truppen in das Nachbarland.

Die Teilnahme an Antikriegsdemonstrationen erfüllt fortan den Straftatbestand des Extremismus und zieht knallharte Konsequenzen nach sich. In einer landesweiten Online-Aktion diese Woche werden russischen Schü­le­r*in­nen mit dem Agitprop des Kreml bombardiert – Tenor: Warum die ,,Befreiungsmission" der glorreichen russischen Armee unabdingbar und wo der wahre Aggressor zu suchen ist.

Doch ob alle diese Maßnahmen die gewünschte Wirkung entfalten, darf bezweifelt werden. So wenig, wie Präsident Wladimir Putin die Ukrai­ne­r*in­nen kennt, die seine Truppen zur Begrüßung nicht mit Brot und Salz empfangen haben, so schlecht kennt er offensichtlich auch seine eigenen Landsleute.

Will heißen: Offensichtlich hat das Lügengebäude, die ,,Spezialoperation" diene der Demilitarisierung und ,,Entnazifizierung" der Ukraine, erste Risse bekommen. Weitere dürften hinzukommen, jetzt, wo tote Soldaten in ihre Heimat zurückkehren, die angeblich an einem Manöver teilnehmen sollten. Nichtregierungsorganisationen, wie die nimmermüden Soldatenmütter, haben bereits im Zuge der beiden Tschetschenienkriege und der Kämpfe in der Ostukraine ab 2014 bewiesen, wozu sie in der Lage sind.

Trotz aller Verzweiflung und Fassungslosigkeit ob des Grauens, das sich dieser Tage in der Ukraine abspielt und schon viele Menschenleben gekostet hat: Es verbietet sich, alle Rus­s*in­nen in Bausch und Bogen zu verdammen und sie der Apathie und Teilnahmslosigkeit zu zeihen. Denn es gibt sie – diejenigen, die sich diesem Krieg entgegenstellen und dafür Leib und Leben riskieren. Und es könnten mehr werden. Sie tun es für die Ukraine, aber auch für sich selbst und ein anderes Leben in Russland.


Aus: "Antikriegsproteste in Russland: Putins Lügengebäude wackelt" Kommentar von Barbara Oertel (3.3.2022)
Quelle: https://taz.de/Antikriegsproteste-in-Russland/!5835629/

"Demonstrationen in Russland: Achtjährige Staatsfeinde" (3.3.2022)
Die russische Polizei nimmt alle fest, die gegen den Krieg protestieren – selbst Seniorinnen und Grundschüler mit Friedensplakaten. ...
https://taz.de/Demonstrationen-in-Russland/!5839249/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Pazifismus Unser Autor erinnert sich an die Proteste gegen die Jugoslawienkriege. Die neue Friedensbewegung hat ein anderes Gesicht

Im Jahr 1991 waren wir als Schüler auf der Straße. Ein kleiner Teil davon betrachtete sich als antimilitaristisch, antiimperialistisch, internationalistisch, trug Palästinensertücher. Wir blieben vom Unterricht fern, organisierten Demos, Mahnwachen, Blockaden vor Rüstungsfirmen, diskutierten eine andere Weltwirtschaftsordnung. Welcher Art sind die heutigen Konfrontationen und Auseinandersetzungen der aktuellen Schülergeneration? Werden sie angesichts des russischen Krieges für mehr Rüstung und Aufstockung des Wehretats plädieren? Ich bin nun Lehrer geworden, und einige agile Schüler der Oberstufe haben in den letzten Stunden für eine Bewaffnung der Ukrainer plädiert.

Damals, 1991, las ich in der linken Monatszeitschrift konkret, der langjährigen Lieblingslektüre meines Vaters, dass wir Antikriegsaktivistinnen und -aktivisten antiamerikanisch und antisemitisch motiviert seien. Bei mir zu Hause lagen Jazzplatten auf dem Plattenteller meines Vaters und ich hörte US-Hardcore-Punk. Wie Generationen von Linken davor verfolgten wir die Mobilisierung der Antikriegsbewegung in den USA, die Parolen, die uns einleuchteten, kamen von dort: ,,Food, not bombs!" oder ,,No blood for oil!" Nehmen heutige Schülerinnen und Schüler die russische Antikriegsbewegung wahr? Dringen die marginalen emanzipatorischen, manchmal anarchistischen Stimmen von dort hier durch?

Die Antisemitismusvorwürfe, die nicht nur konkret, sondern auch namhafte Intellektuelle wie Wolf Biermann erhoben, trafen einen Teil von uns schwer, sie zielten auf unsere Integrität. Doch sie stachelten uns an, uns intellektuell und emotional mit den Vorwürfen auseinanderzusetzen. Waren wir tatsächlich kalt zu den von Saddam Hussein bedrohten Israelis? Welches unbewusste Ressentiment hatte sich unserem Engagement beigemischt?

Heute wird Putin gerne als Hitler bezeichnet. Wie Hitler!, entfährt es einigen von meinen jetzigen Schülern in Diskussionen. Welche Irritation und Kritik erfahren diese empörten Schülerinnen und Schüler? Reflektieren jene, denen sich dieser unsägliche Vergleich aufdrängt, ihre Ressentiments? Unter Umständen müssten sie sich viel mehr prüfen, als wir es damals taten, die wir, antifaschistisch und wiedervereinigungskritisch eingestellt, vom Ekel vor der deutschen Geschichte erfüllt waren.

In einem Aufruf von Campact zur Großdemonstration gegen den Ukraine-Krieg vom 27. Februar stand, dass Putin ,,mehr als 70 Jahre Friedenspolitik in Europa" zunichte mache. Richtig, Putin führt aktuell Europa, vielleicht die Welt an den Rand der großen Katastrophe. Von 70 Jahren Friedenspolitik in Europa zu sprechen, setzt allerdings auf Vergessen. 1999, acht Jahre nach dem immerhin UNO-gedeckten Golfkrieg 1991, der mitten im Zerfallsprozess der Sowjetunion nach dem Willen des damaligen US-Präsidenten Bush senior eine ,,neue Weltordnung" stiften sollte, erfolgte inmitten dieser ,,Friedenspolitik" ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg auf Serbien. Akteur war die NATO, die neue rot-grüne Regierung zeigte sich westlich-bündnistreu.

Die blutigen Zerfallskriege und Gemetzel auf dem Territorium des ehemaligen Jugoslawien bildeten den Hintergrund dieses Krieges. Damals protestierte keine Schülergeneration mehr, sondern nur eine Handvoll antimilitaristischer und linker Gruppen. Auch Antifaschisten und ,,Antideutsche" mobilisierten gegen diesen ersten deutschen Kriegseinsatz nach 1945 auf Seiten der NATO, der gegen ein Land geführt wurde, das knapp 60 Jahre davor ebenfalls Opfer deutscher Bomben und Militärs wurde. Wir besetzten das Freiburger Büro der Grünen. Ältere Semester unter uns waren dort mit ehemaligen Hausbesetzerfreunden aus den späten 1970er- und frühen 1980er-Jahren konfrontiert, die mittlerweile bei den Grünen gelandet waren. Wir organisierten kleine Störaktionen, pfiffen Joschka Fischer aus. Als Jürgen Trittin nach Freiburg kam, riefen wir ihm zu: ,,Kriegstreiber!", er antwortete: ,,Was sagt ihr zu Srebrenica?"

Als antinationalistischer Teil dieser kleinen linken Szene waren wir weit entfernt, in Serbien die Opfernation zu sehen, wir leugneten nicht die ethnischen Säuberungen durch die serbische Armee und die Sicherheitskräfte. Wir plädierten für eine humane und unbürokratische Aufnahme von Flüchtlingen. Die ganzen 1990er-Jahre standen im Zeichen der Diskussion von Migration. Wir waren ohnehin für ,,freies Fluten", erst recht vor dem Hintergrund eines Bürgerkriegs.

In dieser Hinsicht erkenne ich unsere damals politisch schwach und hilflos erscheinende Position in den Bekundungen wieder, die bedrängte ukrainische Zivilbevölkerung, die auf der Flucht ist, rasch aufzunehmen. Unsere randständige Position 1999 ist in dieser Hinsicht nun Mainstream. Allerdings lehnten wir jeden positiven Bezug auf Nationalismus, Nationalfahnen und -farben vehement ab, während einige Traditions-Antiimperialisten und Antideutsche mit dem serbischen Rot-Blau-Weiß kein Problem hatten. Ähnlich wie heute war das ,,Selbstbestimmungsrecht der Völker" Begleitmusik eines rasch eskalierenden Konflikts. ,,No war but class war", lautete eine Parole zu Zeiten der jugoslawischen Zerfallskriege. Sie kam aus England und sprach eine tiefere Wahrheit über das Jugoslawiendebakel an, als es erscheinen mag.

Regionalen Eliten der Kommunistischen Partei war es schließlich im zahlungsunfähigen und krisenhaften Jugoslawien gelungen, die Protestenergien aus den Streiks und Demonstrationen in nationalistische Aufmärsche umzulenken. Indem sie Kroatien und Slowenien anerkannten, hatte die Bundesregierung zusammen mit Österreich und dem Vatikan zusätzlich Öl ins Feuer gegossen. Sollte Rosa Luxemburgs Ablehnung des ,,Selbstbestimmungsrechts der Völker" als nationalistische ,,Posse", die schnell zu ,,blutigstem Ernst" werde, nicht aktuell sein? So unser Empfinden 1999. Schließlich verschmähten wir jedes nationale ,,Wir".

Nun schmückt das Blau-Gelb der Ukraine die Aufrufe gegen den Krieg, und auch viele meiner Schüler ergehen sich in einem identifikatorischen Befreiungsnationalismus mit den Ukrainern. Und das Bekenntnis zum nationalen Wir dröhnt allerorten: ,,Wir" ist Deutschland oder ,,der Westen". ,,Wir", ganz unbesehen von Geldbeutel und Klassenlage, müssten Folgen von steigenden Gaspreisen in Kauf nehmen, verkündet die Politik.

Trittin sehe ich vor ein paar Tagen bei Markus Lanz wieder, er ist noch älter und staatsmännischer geworden, als er uns schon damals, 1999, erschien. Am Anfang kündigt der Moderator an, er wolle mit ihm über den Kosovo-Krieg, und was heute anders sei, sprechen. Interessant, denn schließlich war dieser auch im Sinne des Rechtspositivismus völkerrechtswidrig. Im Verlauf der Sendung taucht diese Frage allerdings gar nicht wieder auf. Lanz ist zu sehr damit beschäftigt, eine Anti-Putin-Front zu bilden. Für Selbstwidersprüche des Westens gibt es keinen Platz. Als Trittin immerhin daran erinnert, dass Russen wie Ukrainer Opfer ,,unserer Väter und Großväter" im Zweiten Weltkrieg waren, muss Lanz das schnell und hektisch mit dem Hinweis auf die von Stalin produzierte Hungersnot 1931 überblenden.

1991, 1999 und schließlich 2003 waren wir als antimilitaristische Linke, die Noam Chomsky und anderes lasen, äußerst sensibel für mediale Propaganda: Brutkästen-Lügen, Auschwitz-Vergleiche, CIA-Behauptungen von Massenvernichtungswaffen. Wir lernten immer wieder, dass der Westen zuweilen weit entfernt ist von seiner Selbstpräsentation als die demokratisch ,,Guten". Dieses Wissen, und es gilt ja noch, ist nun gleich dreifach ins schlechte Licht gerückt: Zum einen hat eine linke Fixierung auf die Kritik des Westens jene anarchistischen und liberalen Positionen und Stimmen von Polen bis in die Ukraine nicht wahrnehmen wollen, die die Gefahr betonten, die von einem imperialen Autoritarismus Russlands ausgeht.

Zum anderen ist die Skandalisierung westlicher Geheimdienstpraktiken verschwörungsmythologisch in der irrationalen Szene der Montagsmahnwachen der Nullerjahre zur antiwestlichen Ideologie geronnen, und zum Dritten wird von Putin höchstpersönlich der legitimatorische Hinweis auf das ,,westliche Lügen-Imperium" gegeben, um wiederum seine Kriegspolitik zu rechtfertigen. Dabei ist Putin selbst auf die Politik der dreisten Lüge und Täuschung eingeschwenkt. Er spricht von ,,Genozid" in der Ostukraine – als Kriegslegitimation seines Angriffskriegs. Außerdem bemüht er ein verdreht antifaschistisches Narrativ, wonach die Ukraine ,,entnazifiziert" werden müsse. Darin folgt er sowjetischer Diskurslogik, denn auch das militärische Eingreifen in Ungarn 1956 und vor allem in der ČSSR 1968 war von Behauptungen begleitet, man habe es mit ,,faschistischen Banden" zu tun, gegen die man vorgehe.

Nur: hatten nicht tatsächlich Faschisten und Neonazis an vorderster Front auf dem Maidan 2013/14 gekämpft? Damals sprach Gregor Gysi dieses Problem immerhin noch im Bundestag an und machte auf faschistische, antisemitische und aggressiv-antirussische Protagonisten der neu gebildeten ukrainischen Regierung aufmerksam.

Und heute? Der kritische Geist junger Leute wird nach wie vor dem nachspüren, was in den Medien unterrepräsentiert und ausgeblendet ist. In meinem Geschichtsleistungskurs präsentiert eine Schülerin einen Comic von Cord Hill, er heißt Antifa. Hundert Jahre Widerstand. Darin werden auch die Ereignisse 2013/14 geschildert, die als ,,NATO-Putsch in der Ukraine" bezeichnet werden mit hoher Beteiligung faschistischer Gruppen. Ein anderer Schüler kontert: In diesen ostukrainischen ,,Volksrepubliken" gebe es ebenfalls Faschisten, nur eben russische. Die Frage taucht auf, was in diesen ,,Volksrepubliken" im Donbass eigentlich los sei. Die Leute dort werden abhängig sein von diesem oder jenem regionalen Oligarchen oder mafiösen Strukturen, gebe ich zu bedenken. Einige werden sich in einer Sowjetnostalgie einmauern – in der Hoffnung auf sozialpopulistische Versorgung jenseits der von ihnen als negativ empfundenen Folgen der westlich-marktwirtschaftlichen Dynamik.

Für die Mehrheit der jungen Leute hier und heute beinhaltet das keine Attraktivität. Ihr Herz schlägt mit den IT-Spezialisten aus Kiew, weniger mit dem sozial wie kulturell ferneren Donbass-Kohlekumpel. Als potenziellen Bewerbern für europäische Erasmus-Stipendien liegt heutigen Schülern recht nahe, die NATO und die EU als Bollwerk gegen einen reaktionären, despotischen, widerwärtigen russischen Imperialismus zu begreifen, der nach Jahren der erzwungenen Zurückhaltung und gefühlten Demütigung auf Angriff geschaltet hat.

Der Protest gegen den Krieg Russlands gegen die Ukraine nimmt deshalb jene Gestalt an, die er annehmen muss. Es ist nicht das Gesicht der alten Friedensbewegung, diese Mischung aus Citoyen-Geist und alternativem Milieu, die klar links verortet war. Freilich auch nicht das paranoid-abgehängte Aussehen der Montagsmahnwachen. Es ist eher das bunte und affirmative, durch und durch bürgerliche einer politisch fluiden Multitude. Gelb schlägt rot. Liegen die Proteste überhaupt in der Tradition der Friedensbewegung, wenn die neuen Rüstungsvorhaben der Bundesregierung kein Thema sind? Der trotzkistische Flugblattverteiler mit der Parole ,,Der Hauptfeind steht im eigenen Land!" war Teil, wenn auch randständiger, der alten Friedensbewegung, heute wird er als kurios wahrgenommen, seine Anti-NATO-Parolen ebenfalls.

Gerhard Hanloser lehrt Deutsch, Geschichte, Politik an einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in Berlin-Neukölln. Er ist Autor des Buches Die andere Querfront (Unrast 2019)



Aus: "Wohin treibt die deutsche Friedensbewegung?" (Gerhard Hanloser, 14.03.2022 | Ausgabe 10/2022)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/von-serbien-bis-zur-ukraine-wohin-treibt-die-deutsche-friedensbewegung

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Hrimfaxi | Community

Von schwer zu überbietender Selbsgerechtigkeit. Keine Silbe über das jahrelange Putin-Appeasement (von ganz links bis rechts), das die Ukraine erst in diese beschissene Lage gebracht hat. Aber wozu Selbstkritik üben? Wo es doch so viel einfacher ist, sich an den gewohnten Strohmännern abzuarbeiten. Vielleicht (vielleicht) sind die jungen Leute heute tatsächlich etwas mehr open-minded als verbohrte Altlinke.



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Bartleby | Community

Ich gestehe: ich habe nur quergelesen.

Aber den großdeutschen LAUTsprecher Biermann als Intellektuellen zu bezeichnen, erzeugt Staunen und Kopfschütteln in mir. Nee - oder?

Dass der Autor eine neue Friedensbewegung erkennen kann, wundert da schon fast nicht mehr.

Was für ein Horrorfilm: 2003 bin ich noch auf einer Kundgebung mit Horst Eberhard Richter als Redner gewesen, zusammen mit meiner Nachkommenschaft ... und heute das?

Wie Frieden aussehen soll, der auf einer Spaltung besteht, ist mir rätselhaft. Wenn der fremde (hier: russische) Imperialismus für das Böse steht und der eigene verschwiegen, verleugnet, verdrängt wird, laufen die Dinge gründlich schief.

Mr. Bush jun., Mr. Blair und seine Gesinnungsfreunde haben ganze Arbeit geleistet. Deutschland 2022: mir ist so schlecht von Dir.
Ich lerne: 2022 gibt es g u t e und b ö s e Waffen, je nachdem, in wessen Händen sie sich befinden.
Und ich verwette meinen Arsch dafür: nach Aufnahme der willfährigen Ukraine-Flüchtlinge ist keine Spontanheilung zu erwarten.

Cassandra - over and out ...


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vd574 | Community
vor etwa 3 Stunden

Warum schreibt keiner+*innen das dieser kriegerische Streit mit Waffengewalt alte Bewusstseinszustände in uns umwälzen wird und wir diese Veränderungen eigentlich nicht annehmen wollen. Das wir auch neu über aktive Bekundungen im öffentlichen Raum, sei es von der Politik, der Wissenschaft, den Medien und von uns Bürgern nachdenken müssen und dies auch neu bewusst sprachlich ordnen dürfen.

Parolen die man früher herum schrie, funktionieren in dieser sichtbar werdenden Gemengelage nicht mehr, da ja die Symbiose der Wirtschaft mit anderen Nationen über das bestehen von Lieferketten und Vorproduktionen unsere Arbeitsleistungen beim erarbeiten von unseren Wohlstand als Kultur keine kriegerischen Streit mit Waffengewalt mehr zulassen kann, da sich ja wie gerade praktiziert, ja alles an diesem wechselwirkenden ökonomischen System in eine herbeigeführte Selbstzerstörung endet und es Weltweit nur Verlierer geben kann.

All das verlangt doch von uns allen ein neues sprachliches miteinander, um dies in unserem Bewusstsein verstehen zu lernen, dass vieles was wir so einfordern nicht mehr umsetzbar sei und so eigentlich schon eine Transformation, ohne das wir diese so wollten, statt gefunden hat.

Nur leben wir in unseren Alltagsanforderungen geistig hinter dem Mond und können dies neue an bewusst werden nicht sehen, wie auch verstehen lernen, da wir mit kriegerischen Streit bei Arbeitsbedingungen und im sozialen, weitere neue Erkenntniseinsichten in uns verstümmelt werden.

So gesehen zählt zur Zeit als Zeitgeist, wie ich meine sprachlichen Beeinflussungen richtig ausführen kann, um eine dysfunktionale Kommunikation zu erschaffen, die meinen bewusst fehlgeleiteten Interessen und Zielen dann dienlich ist, um im falschen das richtige zu sehen.


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C. lupus | Community

Ja, "Selbstgerechtigkeit", danke für den Hinweis, das bezeichnet viele aktuelle "Friedens"-Demos ganz gut.Noch zu Kriegsbeginn hatte ich mir möglichst viele öffentliche Friedensbekundungen gewünscht, auch dazu in Kommentaren aufgerufen. Jetzt verdreht es mir den Magen, wenn ich sehe, was da läuft. Das sind oft keine Friedensdemos, das ist oft genau das Gegenteil.

Kürzlich hatte ich eine email von Martin Kaiser und Roland Hipp / Greenpeace bekommen. Darin steht: "...Für ein Leben in Frieden und Freiheit ist es wichtig, dass wir unsere Importabhängigkeit von Gas, Öl und Kohle kurzfristig vor allem von Putin beenden. Täglich zahlen die EU-Staaten über 500 Mio. Euro für den Import fossiler Brennstoffen an die russische Führung. Deutschland ist dabei einer der größten Zahler! Ein breites gesellschaftliches Bündnis fordert daher gemeinsam mit Greenpeace: Kein Geld für Putins Krieg! ..." ... lieber zahlen wir für amerikanisches Frackinggas und US-Tarnkappenjets.

Die Maschinerie der Spaltung, innergesellschaftlich und weltweit, läuft auf vollen Touren.

Bedeutet nicht Frieden zu erkennen, dass wir alle Teil der Menschheit sind, dass wir nur gemeinsam auf dieser Erde überleben können. Dass wir mal einen Schritt zurücktreten und versuchen, die vermeindtliche Gegenseite zu verstehen? Auch, dass wir das Buch nicht erst auf den letzten Seiten zu lesen beginnen?

Dass alle Kriegswaffen und jede militärische Aktivität Irrsinn sind, zu unserem Untergang beitragen und wieder neue Feindseligkeiten und Kriege nach sich ziehen? Egal auf welcher Seite.


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Hasenfuß | Community

Tja, irgendwann erreicht auch einige Pazifisten die brutale Realität. Der Rest träumt weiter davon, dass der Löwe nicht mehr die Gazelle frist, sondern sich nur noch von Gras ernährt.


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Bartleby | Community

Hasenfüße scheinen schnell überfordert zu sein.
Wenn es um einen komplexen Begriff wie Pazifismus geht: allemal.


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Fleeting Eternity | Community
@ Hasenfuß

Was für eine Überheblichkeit. Pazifisten wissen sehr wohl, dass man auch für Gewaltfreiheit "bezahlen" muss. Teilweise auch mit dem Leben. Aber das unendliche Leid, das Kriege verursacht haben und weiter verursachen, haben diejenigen zu verantworten, die Waffen als Mittel der Auseinandersetzung rechtfertigen. Auf allen Seiten! Und dann geht es am Ende nur noch um Schuld und die Frage, wer angefangen hat. Das hat nichts mit "brutaler Realität", sondern mit infantilen Denkmustern zu tun.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Am 5. April 2022 sagte der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk in einem Interview mit der FAZ: ,,Alle Russen sind gerade unsere Feinde", wohlgemerkt alle, und fügte hinzu: ,,Uns kann es jetzt nicht darum gehen, zwischen bösen Russen und guten Russen zu unterscheiden." Dabei geht er davon aus, dass der Krieg geführt werde, ,,um die Ukrainer zu vernichten." Um seine Rhetorik komplett zu machen, erklärt er, ,,nie russische Freunde" gehabt zu haben, ,,weil das, was wir heute erleben, schon seit vielen Jahrzehnten geplant war." Es handelt sich um denselben Melnyk, der über soziale Medien Nazi-Kollaborateur und Faschist Stepan Bandera als ,,Helden" verehrt.

... Die Dummheit des Nationalismus besteht darin, grundlegende Unterscheidungen zwischen der Bevölkerung und der politischen Führung, zwischen Nationalität und Staat, zwischen den sozialen Klassen und der Staatsräson der Bürgerlichen, zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern zu verwischen, um die Welt in ,,alle Russen", ,,alle Ukrainer", ,,alle Deutschen" usw. zu teilen. Wer solche Unterscheidungen nicht vornimmt, plappert den ukrainischen, russischen, deutschen usw. dummen Nationalismus nach. Letztendlich werden dann Vernichtungs-Rhetoriken wie die des Botschafters Melnyk bedient. Mit Frieden, Brot, Ächtung von Gräueltaten und Anti-Kriegshaltung hat das nichts zu tun.

... Wenn die Dummheit des Nationalismus sich in diesem rasanten Tempo weiter verbreitet, werden sich die widerlichen und geschichtsrevisionistischen Schändungen nicht nur am Treptower Park und weiteren Orten wiederholen, weitere Feindbilder werden erdichtet und der Rassismus im Inland verschärft sich. Dann werden noch mehr junge Menschen aus den unteren Klassen an der Front für die Klasseninteressen der Herrschenden verheizt. Nichts ist daran heldenhaft.

Nicht alle Russen sind Feinde. Vielmehr hat jede Bevölkerung ihre Feinde, die gerade den Blutzoll zugunsten ihrer ökonomischen und geostrategischen Interessen ins Vielfache erhöhen, daheim. Wer sich darunter etwas vorstellen will, möge sich von der Kraft und der klassensolidarischen Weitsicht griechischer Eisenbahner, italienischer Flughafenarbeiter oder belarussischer Eisenbahner inspirieren. Aus Liebe zu ihrem Land sind sie internationalistisch.


Aus: "Zur Dummheit des Nationalismus - Schändung am Treptower Park in Berlin" Mesut Bayraktar (22.04.2022)
Quelle: https://blogs.taz.de/stilbruch/2022/04/22/zur-dummheit-des-nationalismus/

Textaris(txt*bot)

QuoteDer Konfliktforscher Friedrich Glasl setzt Hoffnung in direkte Kontakte mit den kriegführenden Parteien. Er warnt davor, Gerhard Schröder und andere zu verunglimpfen, die über eine Vertrauensbeziehung zu Mächtigen wie Wladimir Putin verfügen.

... Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, sondern sollten erkennen, dass Hochrüsten und Drohszenarien mit nuklearen Waffen keine brauchbare Grundlage einer Sicherheits- und Friedensarchitektur sind. Ja, ich glaube noch immer an Moral und Vernunft.


Aus: "Wie kann Deeskalation gelingen?" (Erstellt: 02.05.2022Aktualisiert: 04.05.2022, 11:47 Uhr)
Quelle: https://www.fr.de/politik/wie-kann-deeskalation-gelingen-91516936.html

QuoteL'Chaim

,,Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen, sondern sollten erkennen, dass Hochrüsten und Drohszenarien mit nuklearen Waffen keine brauchbare Grundlage einer Sicherheits- und Friedensarchitektur sind. Ja, ich glaube noch immer an Moral und Vernunft."

Wo findet man heute noch Leute die das ernst und nicht ironisch meinen?

Bisher wurden von Russland nur Staaten überfallen, die nicht nuklear aufgerüstet waren. Georgien. Tschetschenien, Transnistrien, Dagestan,,Ukraine, Tadschikistan, Asserbaidjan... habe ich was vergessen?

Ohne Nukleares Wettrüsten das die Sowjetunion in den wirtschaftlichen Ruin getrieben hat würden heute noch die Völker Osteuropas immer noch unter Stalinismus leiden und würden mit Selbstschussanlagen daran gehindert ihr Arbeiter- und Bauernparadies zu verlassen.


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Textaris(txt*bot)

Quote[Samuel Moyn beklagt, wie unambitioniert unser Denken über den Krieg geworden ist. Selbst Menschenrechtsorganisationen gäben sich schon damit zufrieden, wenn Kriege "weniger grausam" geführt würden. ... Der Rechtshistoriker Samuel Moyn sagt, dass der Krieg abgeschafft werden könnte wie einst die Sklaverei. Sein Vorbild? Der russische Schriftsteller Leo Tolstoi. ... Es ist keine einfache Zeit für Pazifisten. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine scheint eine Welt ohne Krieg noch schwerer vorstellbar als vorher. Der Rechtshistoriker Samuel Moyn, Professor an der Universität Yale, glaubt dennoch nicht, dass der Krieg unvermeidbar zum Menschen gehört. In seinem Buch "Humane: How the United States Abandoned Peace and Reinvented War" beschreibt er eine mehr als hundert Jahre andauernde Debatte. Auf der einen Seite standen Idealisten, die den Krieg abschaffen wollten. Auf der andere Seite Reformer, die lediglich danach strebten, die Grausamkeit von Konflikten zu reduzieren – weil ihnen der Weltfrieden als Ziel zu weit weg schien. Moyn beschreibt, wie die Reformer die Überhand gewannen. Er hält das für eine Tragödie. ]

Johannes Böhme: Herr Moyn, was haben Sie gedacht, als Sie vom Angriff Russlands auf die Ukraine gehört haben?

Samuel Moyn: Ich war, wie die meisten geschockt, angeekelt, wütend. Der Angriff erinnert uns daran, dass das erste – und schlimmste – Verbrechen immer der Bruch des Friedens ist.

Johannes Böhme: Angriffskriege sind in den letzten Jahrzehnten sehr selten geworden. Das letzte Mal, dass die internationale Gemeinschaft vor Gericht gegen Kriegsverbrecher vorgegangen ist, weil sie ein anderes Land überfallen hatten, war während der Tribunale in Nürnberg und Tokio direkt nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Tatbestand der Aggression liegt seither im Dornröschenschlaf. 70 Jahre lang hat es keine einzige Anklage, keine einzige Verurteilung mehr deswegen gegeben.

Samuel Moyn: Es gab nach dem Zweiten Weltkrieg diesen kurzen, hoffnungsvollen Moment. Die USA und die Sowjetunion waren sich einig, dass ein Angriffskrieg wie jener, den Deutschland geführt hatte, nie wieder stattfinden durfte. Der amerikanische Chefankläger in Nürnberg, Robert Jackson, nannte damals in seinem Eröffnungsplädoyer den Bruch des Friedens "das schwerste Verbrechen". Und er sagte auch, dass man dem besiegten Gegner nur dann den Giftbecher reichen sollte, wenn man auch selbst bereit wäre, ihn zu trinken. Was er damit meinte: Wir müssen die gleichen Standards auch auf uns selbst anwenden.

Johannes Böhme: Das ist in den Jahren danach aber nicht geschehen.

Samuel Moyn: Nein, sowohl die USA als auch die Sowjetunion verloren schnell das Interesse. Angriffskriege zu ächten, war bald nicht mehr so wichtig. Die zwei Großmächte des Kalten Krieges wollten ihre eigenen Kriege ungestört führen.

Johannes Böhme: Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg war eine verpasste Chance?

Samuel Moyn: Ja, die Menschheit hat es damals nicht geschafft, sich auf Regeln zu einigen, welche die mächtigsten Staaten wirksam daran hindern, Krieg zu führen. Das war spätestens dann klar, als in den Vereinten Nationen die Großmächte ein Vetorecht im Sicherheitsrat erstritten. Die UN-Charta verbietet zwar seit 1945 Angriffskriege. Die Sowjetunion, die USA, Frankreich, Großbritannien und China schufen sich de facto jedoch eine große Ausnahme, die es ihnen erlaubte, ohne Furcht vor Bestrafung Kriege zu beginnen, wenn es ihnen passte. Wir reden seither ständig von der internationalen Ordnung, die damals geschaffen wurde. Aber welchen Wert haben Regeln, die nicht für alle gelten?

Johannes Böhme: In Ihrem aktuellen Buch argumentieren Sie, die USA hätten sich in den letzten Jahrzehnten von der Suche nach Frieden verabschiedet und versuchten stattdessen, Krieg etwas humaner zu machen. Was meinen Sie mit "humanem Krieg"?

Samuel Moyn: Der Begriff ist ein Oxymoron, er verbindet zwei Dinge, die nicht zusammenpassen. In den letzten Jahren ist eine neue Art Krieg entstanden, die zumindest versucht hat, das Kämpfen weniger grausam, weniger tödlich zu machen: Durch die größere Präzision der Waffen, durch die Trennung von Kämpfern und Zivilisten, durch die Schonung Unbeteiligter, durch den Einsatz von Juristen, welche das Militär kontrollieren. Das hat dem Krieg nicht komplett den Schrecken genommen, aber es hat die Zerstörungswut des Krieges eingegrenzt.

Johannes Böhme: Ist das nicht ein Fortschritt?

Samuel Moyn: Ja, aber dieser Fortschritt hat eine dunkle Seite. Krieg wurde dadurch moralisch akzeptabel. Die Humanisierung des Krieges hat ihn für den Westen wieder attraktiver werden lassen. Der amerikanische Krieg gegen den Terror ist ein gutes Beispiel dafür. Über Jahre haben amerikanische Präsidenten mit Drohnen Krieg in Somalia, Pakistan, Afghanistan und dem Jemen geführt, ohne dass es einen nennenswerten Aufschrei gab.

Johannes Böhme: Der Krieg wurde zu unkompliziert?

Samuel Moyn: Genau. Einer der ersten, der erkannt hat, wie problematisch diese Entwicklung sein kann, war der russische Schriftsteller Leo Tolstoi, der selbst 1854-55 im Krimkrieg gekämpft hat. Später wurde er zum berühmtesten Pazifisten der Welt. Tolstoi warnte davor, dass die Humanisierung des Krieges nur zu seiner Verewigung führen werde.

Johannes Böhme: In seinem Hauptwerk Krieg und Frieden lässt Tolstoi die Hauptfigur, den Fürsten Andrej sagen: "Eines würde ich tun, wenn es in meiner Macht stünde: Ich würde keine Gefangenen machen. Das allein würde den gesamten Krieg völlig verändern." Ist das nicht ein zutiefst verstörender Vorschlag: Kriege zu verhindern, indem man sie durch die massenhafte Erschießung von Kriegsgefangenen noch grausamer macht? 

Samuel Moyn: Die komplette Brutalisierung des Krieges ist natürlich überhaupt keine Lösung. Wir haben durch die Weltkriege gelernt, dass die Eskalation der Gewalt keinesfalls dazu führt, dass die Menschheit pazifistisch wird. Aber der Grundgedanke ist interessant: Tolstoi glaubte, dass die Humanisierung des Krieges dazu führen kann, dass Kriege öfter und leichtfertiger begonnen werden. Tolstoi verglich den Krieg damals mit der Sklaverei. Er sagte, genauso wie es keine menschliche Sklaverei gibt, gibt es auch keinen menschlichen Krieg.

Johannes Böhme: Kann man Krieg und Sklaverei wirklich vergleichen?

Samuel Moyn: Ich denke: ja. Direkt nach der französischen Revolution versuchten Aktivisten, beides gleichzeitig abzuschaffen: den Krieg und die Sklaverei. Beides waren grausame, scheinbar vermeidbare Praktiken. Mit der Sklaverei waren sie erfolgreich, mit dem Krieg nicht. Es ist in Vergessenheit geraten, wie absurd die Abschaffung der Sklaverei vielen damals erschien. Es gab Menschen, welche die Sklaverei deshalb vor allem humaner machen wollten, etwas weniger grausam. Heute sehen wir, wie diese Anstrengungen eher dazu beigetragen haben, die Institution der Sklaverei zu festigen, zu bewahren, zu legitimieren.

Johannes Böhme: Und Sie meinen, den gleichen Fehler haben wir mit dem Krieg auch gemacht?

Samuel Moyn: Ja, in den letzten Jahrzehnten hat die Friedensbewegung an Kraft verloren. Man sieht das zum Beispiel deutlich, wenn man die Reaktionen auf den Irakkrieg 2002 mit den Protesten gegen den Vietnamkrieg Ende der 1960er Jahre vergleicht. In beiden Fällen kamen große Menschenrechtsverletzungen ans Licht, verübt durch amerikanische Soldaten. Nach dem Massaker in My Lai im Jahr 1968, wo mehr als 500 Zivilisten ermordet wurden, explodierte die Anti-Kriegsbewegung. Sie wurde so kraftvoll, dass selbst Richard Nixon nichts anderes übrigblieb, als den Krieg zu beenden.

Johannes Böhme: Und im Irak-Krieg war das anders?

Samuel Moyn: Als 36 Jahre später das amerikanische Wachpersonal Gefangene in Abu Ghraib folterte, war die Öffentlichkeit wieder geschockt. Aber dieses Mal blieben die riesigen Demonstrationen aus, die den Krieg beenden wollten. Der Konflikt im Irak ging danach noch Jahre weiter. Und selbst Menschenrechtsorganisationen gaben sich damit zufrieden, dass er danach lediglich weniger grausam geführt wurde, ohne Folter, ohne Waterboarding, dafür mit Präzisionsluftangriffen durch Drohnen.


Johannes Böhme: Sie geben auch Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International eine Mitschuld an dieser Entwicklung. Was können die dafür?

Samuel Moyn: Sowohl Human Rights Watch als auch Amnesty International haben früh eine strategische Entscheidung getroffen, nicht prinzipiell gegen Krieg zu sein. Sie hatten verstanden, dass man als Pazifist immer am Rand steht – dass man kaum Einfluss haben wird auf mächtige Akteure in der Politik. Sie haben deshalb zur Kriegsfrage eine neutrale Haltung eingenommen: Die Richtigkeit eines Krieges wird von ihnen nicht hinterfragt.


Johannes Böhme: Aber sie dokumentieren oft sehr drastisch die Grausamkeit des Krieges.

Samuel Moyn: Das kann in der Tat großen Druck aufbauen. Menschenrechtsorganisationen haben die Welt ohne Zweifel besser gemacht. Aber der Fokus darauf, ob ein Krieg in Einklang mit der Genfer Konvention geführt wird, ist eben auch ein bisschen so, als würde man sich mit dem Sklavenhalter darum streiten, ob er sein Eigentum gut genug behandelt. Man lässt so das fundamentale Problem unberührt: Wie wir eine Ordnung schaffen, die Kriege verhindert, bevor sie ausbrechen.


Johannes Böhme: Im US-amerikanischen Militär werden Luftschläge inzwischen von Anwälten auf ihre Gesetzmäßigkeit geprüft, Juristen werden mit in Kriegsgebiete geschickt. Ist das nicht auch ein Erfolg von Menschenrechtsorganisation wie Human Rights Watch, dass sich das Militär derart streng selbst kontrolliert? 

Samuel Moyn: Gleichzeitig wurde unter Barack Obama und Donald Trump der Drohnenkrieg auf immer mehr Länder ausgeweitet. Die Grenze zwischen Krieg und Frieden ist zunehmend verwischt. Und ich glaube, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt: Weil man den Wählern versprechen konnte, dass diese Kriege sauber geführt würden, provozierten sie kaum Widerstand. 


Johannes Böhme: Als Barack Obama 2009, nach wenigen Monaten im Amt, den Friedensnobelpreis erhielt, sagte er in seiner Dankesrede: "Das Böse existiert dort draußen in der Welt. Eine gewaltfreie Bewegung hätte Hitlers Armeen nicht gestoppt. Verhandlungen hätten Al-Kaidas Führung nicht überzeugt, die Waffen niederzulegen." Hatte er nicht recht?

Samuel Moyn: Natürlich gibt es Situationen, in denen es legitim ist, zur Waffe zu greifen. Die Selbstverteidigung der Ukraine derzeit ist so ein Fall. Ich bin kein radikaler Pazifist wie Tolstoi, der als alter Mann glaubte, dass wir das Böse ohne Widerstand über uns ergehen lassen sollten. Aber man muss gar nicht radikal sein, um anzuerkennen, dass die allermeisten Kriege der letzten Jahrzehnte unnötig waren. Es gab keinen guten Grund, sie zu kämpfen. Sie haben die Welt schlechter gemacht, nicht besser. Es gibt eine kleine Anzahl von Ausnahmen: Der Militäreinsatz, um die irakischen Jesiden in den Bergen des Nordiraks vor einem Massaker durch den Islamischen Staat zu retten, zählt zum Beispiel für mich dazu.

Johannes Böhme: Können wir als Menschheit unser Verhältnis zum Krieg überhaupt fundamental verändern?

Samuel Moyn: Wir haben es schon einmal getan. Die längste Zeit in der Geschichte galt Krieg in der Tat als absolut akzeptables Mittel. Es gab keinerlei Verbote. Es ist gar nicht so lange her, als der deutsche Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke, Dinge sagen konnte wie: "Der ewige Friede ist ein Traum, und zwar nicht einmal ein schöner Traum." Ohne den Krieg werde "die Welt in Fäulnis geraten und sich im Materialismus verlieren".

Johannes Böhme: Warum hat sich dieses Denken gewandelt?

Samuel Moyn: Nach der französischen Revolution begann eine kleine Gruppe von Visionären damit, sich gegen den Krieg zu stellen. Und sie waren damit so erfolgreich, dass sie über mehrere Jahrzehnte hinweg unser Verhältnis zum Krieg komplett verändert haben. Angriffskriege verloren nach und nach jede Legitimität. Kein Staatsmann kann heute Dinge wie Moltke sagen, selbst Putin nicht. Wir sind schon weit gekommen. Nur eben nicht weit genug.

Johannes Böhme: Sie meinen, es wäre möglich, Frieden auf Erden zu erreichen?

Samuel Moyn: Diejenigen, die im Jahr 1800 die Sklaverei abschaffen wollten, schienen auch in einer hoffnungslosen Lage zu stecken. Letztlich braucht es nur eine erneute Erweiterung unseres moralischen Horizontes. Es ist falsch, das als idealistischen Tagtraum abzutun. Wir müssen auch gar nicht sofort den ewigen Frieden herbeiführen. Es würde für den Anfang vollkommen ausreichen, ein paar sinnlose Kriege weniger zu führen. 

Johannes Böhme: Im internationalen Strafrecht hat das Verbrechen der Aggression gegen einen anderen Staat einen Sonderstatus: Es ist das einzige Verbrechen, das man nur begehen kann, wenn man ein hohes Amt innehat. Für alle anderen Verbrechen gegen das Völkerrecht können auch einfache Mitläufer verurteilt werden. Ein Lagerwächter in einem Konzentrationslager kann etwa wegen Genozids ins Gefängnis wandern. Ein einfacher russischer Soldat, der in die Ukraine einmarschiert, wird sich aber nie wegen des Angriffskrieges, an dem er teilnimmt, verantworten müssen. Ist das nicht unlogisch?

Samuel Moyn: Wenn wir den Tatbestand der Aggression im Völkerrecht ernst nehmen würden, dann müssten wir auch die Henker unten in der Befehlskette zur Rechenschaft ziehen. Wir sollten allerdings auch sicherstellen, dass all jene Deserteure, die sich irgendwann weigern, an einem Angriffskrieg weiter teilzunehmen, mit offenen Armen aufgenommen werden, ohne Strafverfolgung befürchten zu müssen. Das war auch Tolstois Vorschlag. Er glaubte nicht, dass die Staaten auf Krieg verzichten würden. Stattdessen hoffte er darauf, dass einfache Soldaten sich in Zukunft weigern würden zu kämpfen.

Johannes Böhme: Sollten wir so etwas wie die Nürnberger Prozesse wiederholen? Sollte Putin wegen des Angriffskriegs vor den Internationalen Strafgerichtshof gebracht werden?

Samuel Moyn: Die Lage ist kompliziert. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag kann die Aggression gegen ein anderes Land als Tatbestand erst seit vier Jahren untersuchen. Damals wurde ein Zusatzartikel zum Gründungsvertrag des internationalen Strafgerichtshof beschlossen. Das Gericht kann die Initiatoren eines Angriffskriegs nur in den Ländern verfolgen, die den Zusatzartikel unterschrieben haben. Russland hat das nicht getan. Um Putin in Den Haag wegen des Angriffskrieges zu belangen, bräuchte es also absurderweise die Zustimmung Russlands. Hier zeigt sich auch, wie nachlässig der Tatbestand der Aggression seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges von der internationalen Gemeinschaft behandelt worden ist.

Johannes Böhme: Es gäbe also keine Chance, Putin in Den Haag zu belangen?

Samuel Moyn: Doch, es gäbe noch einen anderen Weg. Das Gericht kann kleiner anzufangen: Es kann individuelle Menschenrechtsverletzungen vor Ort untersuchen. Das geschieht bereits. Die Ermittler aus Den Haag sind vor einigen Wochen in die Ukraine aufgebrochen, auf Einladung der Ukraine. Für Gräueltaten auf ukrainischem Boden ist das Gericht nämlich durchaus zuständig. Sollte Putin jemals nach Den Haag ausgeliefert werden, müsste der Chefankläger dann beweisen, dass er etwa Erschießungen und Folter vor Ort direkt angeordnet hat.

Johannes Böhme: Was wäre denn der erste Schritt, um zu einer Welt ohne Kriege zu gelangen?

Samuel Moyn: Zuallererst müssen wir den UN-Sicherheitsrat reformieren. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung wäre zum Beispiel, wenn auch die UN-Generalversammlung Fälle von Angriffskriegen an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag verweisen könnte. Im Moment kann das nur der UN-Sicherheitsrat, wo Russland ein Veto hat.

Johannes Böhme: Wieso wäre es besser, wenn die UN-Generalversammlung hier entscheiden würde?

Samuel Moyn: In der Generalversammlung zählen die Stimmen jedes Landes gleich viel. Die Großmächte haben auch kein Vetorecht. Damit wäre es zum Beispiel möglich, den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine in Den Haag aufzuarbeiten. Ganz generell müssen wir Institutionen schaffen, die in der Lage sind, auch die mächtigsten Staaten der Welt daran zu hindern, zu den Waffen zu greifen. Wir müssen uns endlich aus dem Würgegriff des Krieges befreien, in dem die mächtigsten Länder uns festhalten.


Aus: "Ist Frieden auf Erden möglich, Samuel Moyn?" (19. Juli 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-07/samuel-moyn-frieden-krieg-geschichte-interview/komplettansicht

QuoteJohn Conner #5

Die Skaverei wurde nie abgeschafft, sie ist in modernen Formen weiterhin präsent ...


QuoteHorror-Clown #15

In Zeiten in den Vollpfosten wie Trump, Erdogan, Bolsonaro, Orban und Putin mehrheitlich gewählt werden, scheint mir die Hoffnung auf Frieden durch Menschlichkeit und Vernunft sehr weit weg.


QuoteFrenchhornplayer85 #35

Solang der Mensch immer noch ein quasi ,,clan bzw stammesdenken" heute nationen oder ähnliches vollführt, wird es Krieg geben, da es immer jemanden geben wird der meint sein stamm bzw volk/nation müsse sich über andere erheben. Der Klimawandel wird das noch verschlimmern.


Quote21mal2 #39

Menschen neigen dazu, sich andere Menschen untertan machen, das führt zum Krieg.
Menschen neigen dazu, sich die Erde untertan machen, das führt zur Erderwärmung.
Menschen rotteten auf jede Landfläche, die sie eroberten, bis die Ressourcen verbraucht sind, dann wieder neue Ressourcen erobern, bis keine mehr da ist.

Es gab die Zeit der Aufklärung; da hat eine Generation von Menschen tatsachlich nachgedacht, besser zu werden: Abschaffung der Sklaverei und Krieg, Entwicklung in Wissenschaft, Kultur, Philosophie, Einklang mit der Natur, Demokratie, usw.

von dieser Zeit entfernen wir uns immer mehr ...


Quotemmko #47

... Ich finde wir sind Gesellschaftlich mittlerweile an einem Punkt, einem gemeinsamen Wissensstand, dass wir mehr von uns erwarten dürfen als dass wir immer so weitermachen wie bisher.

Moyns Beitrag zeigt wichtige Aspekte die politisch überarbeitetet gehören. In der derzeitigen Lage wird klar, dass wir uns geändert haben, was über Jahrzehnte gepasst hat ist jetzt einfach zu klein geworden, wir sind gewachsen!

Und da es an Zuversicht oft so mangelt: ich bin da ganz zuversichtlich. Fehler fallen derzeit besonders auf, das ist gut und wird einiges verändern.
Die Aussage, das Vorhaben, die Idee die Kriege wie einst die Sklaverei abschaffen zu wollen, gehört definitiv nicht in irgendein Archiv, sondern verbreitet und in aller Munde.

Das ist das was wir in den nächsten Jahrzehnten bei den Herausforderungen des Klimawandels dringender brauchen denn je: Zusammenarbeit auf der ganzen Welt.
Derzeit geschieht genau das Gegenteil, wir sollten daraus lernen was wir unbedingt vermeiden sollten und in die andere Richtung gehen.


QuoteRoman Wagner #48

Die 1.Frage zu stellen ist, wer Krieg will!?
95% wenn nicht 99% der Menschen wollen in Frieden leben, fern von Kriegen.
Wenn nur 1-5 Prozent der Menschen Krieg will, dann müssen wir uns die Frage stellen, wie wir diese "Anführer" auf Zeit schnell loswerden, bevor sie zuviel strukturelle Macht bekommen, wo dann viele mitmachen müssen, die das gar nicht wollen. Otto v. Habsburg hat Putin schon vor 30 Jahren richtig bewertet. ...


QuoteLumenluchs #55

Solange wie wir erlauben, dass Soziopathen an die Spitze von Unternehmen und Politik kommen, wird es Krieg geben. Solange wir erlauben, dass Soziopathen mittels Geld Macht erhalten und diese Macht gegenüber Menschen ausüben können, wird es Krieg geben. ...


Quotecrazyhabib #60

Ich lese bei solchen Beiträgen immer von "der Menschheit"...nun, ich zähle mich zu dieser Menschheit und ich persönlich wünsche mir ein friedvolles Zusammenleben. Ich denke, dass Kriege nicht von der Menschheit an sich ausgehen, sondern von Individuen mit Macht und ihren Anhängern/Interessengruppen/Parteien, die reichhaltige Ressourcen nicht teilen mögen. Also immer wenige Menschen, die das Schicksal von vielen beeinflussen. Leider zu oft im negativen, egoistischen Sinne. Die Allmachtsphantasie in mir, die vor der Ohnmachtsphantasie kommt, gibt mir stets das Verlangen, diese Menschen links und rechts zu Ohrfeigen, um nicht zu sagen: zu Frieden und Solidarität zu erziehen. Eine Fantasie, über die Sie, geneigter Leser gerne diskutieren dürfen.


QuoteKrombacher #63

Kein Staatsmann kann heute Dinge wie Moltke sagen, selbst Putin nicht.

Gute Beobachtung. Bestes Beispiel heute in Teheran, Putin sagte (nachdem der iranische Präsident den Angriff auf die Ukraine gelobt und als notwendigen Schritt, um die Nato zu stoppen, hingestellt hatte): "No one is in favour of war, and the loss of ordinary people's lives is a great tragedy, but the behaviour of the west made us have no choice but to react."
https://www.theguardian.com/world/2022/jul/19/putin-endorsed-by-iran-for-invasion-of-ukraine-but-clashes-with-turkey-at-summit


Quotetoothferry #72

Der Herr träumt eindeutig. Wenn es schon mancher Nachbar nicht schafft friedlich zu leben, nur weil der Baumm des Nachbarn seine Äste zuweit in seinen Garten ausbreitet und dies ein Grund zu ewiger Auseinandersetzung ist, wie soll da Krieg abgeschafft werden.
Diesen Nachbarszwist, oder innerhalb der Familie ist doch die Keimzelle für Krieg.
Solange der Mensch neidisch und missgünstig anderen gegenüber ist, solange wird es Aggressionen geben die bis in Krieg ausarten.
Und die Sklaverei wurde niemals überwunden, es gibt sie noch heute.
Ich möchte sogar soweit gehen und behaupten das unsere heutige Gesellschaftsform eine der Lohnsklaven ist. Die wenigsten sind wirklich unabhängig beschäftigt, die meisten bieten ihre Lebenszeit gegen Bezahlung an. Früher nannte man sie Sklaven, dann Mägde und Knechte, heute sind es Arbeiter, das Prinzip ist das gleiche!


QuoteKrawalla #74

Der Weltfrieden scheitert an der Hab- und Machtgier der Menschen.


QuoteHellraiser13 #77

Regeln für den Frieden? Ich glaube Herr Moyn hat nicht verstanden, dass diese Schall und Rauch sind, wenn es um Eigeninteressen geht und/oder ein Despot an der Macht ist. ...


...

Textaris(txt*bot)

#25
Quote[...] Das Buch - Arnd Poll­mann: ,,Menschenrechte und Menschenwürde". Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, 451 Seiten, 26 Euro

Der Philosoph Immanuel Kant veröffentlichte im Jahr 1795 – sechs Jahre nach der Französischen, knapp zwanzig Jahre nach der Amerikanischen Revolution – eine Schrift unter dem Titel ,,Zum ewigen Frieden. Ein philosophischer Entwurf", in der er die Utopie einer Weltgemeinschaft von Demokratien beziehungsweise Republiken erwog: einer Weltgemeinschaft, in der genau deshalb kein Krieg mehr herrschen würde, weil alle Staaten republikanisch regiert werden.

Im Dezember 1948, drei Jahre nach dem Ende des Zweiten, dreißig Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs verkündeten die Vereinten Nationen die ,,Allgemeine Erklärung der Menschenrechte", deren erster Artikel so lautete: ,,Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren."

In seiner ebenso umfang- wie kenntnisreichen Schrift geht der Berliner Philosoph Arnd Pollmann dieser Thematik in drei großen Kapiteln nach. Sie beginnt mit der Frage der einschlägigen Begriffsbestimmungen, entfaltet sodann präzise die Funktionsbestimmungen von Menschenrechten und von Menschenwürde, um endlich auf deren ,,Inhaltsbestimmungen", also auf den Fortschritt von historischer Gewalt zu einem menschenwürdigen Leben aller einzugehen.

Eine solche Begründung ist unerlässlich: Waren doch die ,,Menschenrechte" seit den von Karl Marx in seiner Schrift zur ,,Judenfrage" geäußerten Argumenten scharfer Kritik ausgesetzt – einer Kritik, die bis zu Carl Schmitts Ausspruch ,,Wer Menschheit sagt, will betrügen" sowie Hannah Arendts Einwänden in ihrem 1943 publizierten Aufsatz ,,Wir Flüchtlinge" reichen. Hier und in späteren Arbeiten versuchte ­Arendt nachzuweisen, dass Menschenrechte ohne Zugehörigkeit zu einem Staat, also Staatsbürgerrechten, wertlos sind.

Man kann Pollmanns Studie als einen kritischen Kommentar zu diesen Einwänden lesen. Steht doch bei ihm – immer im Dialog mit Kant – die Frage nach der Positivierung der Menschenrechte im Zentrum. Vor allem: Verdienen die sogenannten Menschenrechte ihren Namen tatsächlich, solange es auch nur einen Staat auf dem Globus gibt, in denen sie nicht positiv-rechtlich gelten?

Diese Frage führt auf die philosophische Begründung der Menschenrechte im Begriff der ,,Menschenwürde" und damit zur Frage, ob und warum diese Rechte wirklich jedem einzelnen Exemplar der biologischen Gattung Homo sapiens zukommen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Fähigkeiten und eigenem moralischen Verhalten beziehungsweise Missverhalten.

Vor diesem Hintergrund stellt Pollmann – ganz im Sinne des Positivierungsproblems – eine historische These auf: ,,Nicht die ,Ideen' der Menschenwürde und der Menschenrechte sind neu, sondern deren systematische Verknüpfung im Rahmen eines revolutionierten Rechtsempfindens."

Und zwar aufgrund der an Grausamkeit nicht zu überbietenden Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Freilich beharrt Pollmann darauf, dass nicht die Idee der Menschenwürde die Menschenrechte begründet, sondern im Gegenteil, dass ein zeitgemäßer Begriff der ,,Menschenwürde" auf den inzwischen positivierten Menschenrechten aufbauen muss.

Indes hat der so positivierte Begriff der ,,Menschenwürde" dann auch Auswirkungen sogar auf unser alltägliches Verhalten: Wer auch nur die Würde eines einzelnen Menschen verletzt, stellt damit nicht nur die Würde aller Menschen, sondern sogar die eigene Würde infrage. Am Ende seiner Ausführungen unternimmt Pollmann den Versuch, die mit der Menschenwürde verbundenen Rechte im Einzelnen zu entfalten.

Demnach hat ein menschenwürdiges Leben diese Dimensionen: des Rechts auf materielle Sicherheit, auf wirtschaftliche Subsistenz, auf Schutz der Privatsphäre, des Rechts gegenüber staatlichen Behörden, auf politische Partizipation und auf gesellschaftliche Teilhabe. Rechte, die allenfalls ein Minimum dessen darstellen, was ein gerechtes gesellschaftliches Gemeinwesen ausmacht.

Pollmann beschließt sein ebenso informatives wie nachdenkliches Werk mit einer Überlegung zum Mehrheitswillen in Demokratien – einem Mehrheitswillen, der eventuell die Rechte von Minderheiten einschränkt. ,,Deshalb", so Pollmann ,,käme es besonders in historischen Krisensituationen darauf an, den Staat in menschenrechtliche Schranken zu verweisen, damit ein menschenwürdiges Leben für alle – und nicht nur für manche – möglich bleibt.


Aus: "Fragil, aber alternativlos" Micha Brumlik (12. 3. 2023)
Quelle: https://taz.de/Buch-ueber-Menschenrechte-und--wuerde/!5919888/


Textaris(txt*bot)

Quote" ... (I)ch betrachte mich selbst als eine gebrochene Autorin, eine ehemalige Autorin, eine Autorin, die ihr Vertrauen in die Literatur und – schlimmer noch – in die Sprache verloren hat. ... (D)as Hauptinstrument aller Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die Sprache, die schönste Gedichte hervorbringt, kann auch dazu dienen, Befehle kundzutun, zum Abschuss von Raketen, die Zivilisten töten, oder zum Vorrücken von Panzern. Die Sprache ist daher nie unschuldig ... (I)ch stehe heute hilflos da, der Sprache und der Zukunft beraubt und ein bisschen kaputt. Und das Einzige, was ich weiß: Ich möchte kein Futter für irgendwelche Götter mehr sein – oder für Dämonen oder gewöhnliche Soziopathen ohne einen Schimmer Empathie. Weder füttern möchte ich sie, noch mich vor ihnen fürchten. Ich möchte, dass sie verlieren, sämtliche Sorten von Umbringern, Auslöschern und Gaunern, und dass der Tag endlich komme, wo ... Ach, Ingeborg, du weißt, was ich meine. ... [Literatur] ist schön, aber hilflos wie ein Wald der blühenden Bäume. Was sie vielleicht kann: Den Opfern in dunklen Tälern eine Stimme geben, beim Schreien und beim Schweigen zuhören, sie stärker machen, damit die Umbringer, Auslöscher, Verbrecher und Gauner, all jene, die überzeugt sind, mehr Recht zu haben und besser zu sein als die anderen, endlich nicht mehr die Oberhand behalten. Damit, wie Ingeborg sagt, ein Tag komme, an dem die Hände der Menschen »begabt sein werden für die Liebe und [...] für die Güte« ..."

Tanja Maljartschuk, »Hier ist immer Gewalt. Hier ist immer Kampf.«
Aus der Klagenfurter Rede zur Literatur 2023
Quelle: https://files.orf.at/vietnam2/files/ktn/202325/982067_fh_maljartschuk_tanja_klagenfurter_rede_final_982067.pdf

https://de.wikipedia.org/wiki/Tanja_Maljartschuk

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Christoph Noebel studierte an der London School of Economics und arbeitete als Ökonom und Finanzanalyst in London. Zugleich betätigte er sich als Aktivist in der britischen Friedens- und Umweltbewegung.  ...

Mit dem aktuellen Krieg in der Ukraine ergeben sich zwangsläufig Fragen zur heutigen Beschaffenheit und Relevanz des Pazifismus im Gegensatz zu Formen des Militarismus. Zunächst ist zu betonen, dass beide Positionen unterschiedliche Variationen aufweisen. Die radikale Form des Pazifismus lehnt jegliche Gewaltausübung und Kriegsführung ab. Dagegen plädierte etwa Bertrand Russell mit Blick auf das Naziregime Hitlers für die moderate Form eines relativen Pazifismus, der unter extremen Umständen eine militärische Verteidigung bei Angriffskriegen und Massenmorden zulässt.

Grundsätzlich herrschen Unterschiede zwischen einer pazifistischen ,,Friedenslogik" und einer militaristischen ,,Kriegslogik". Mit einem positiv-friedlichen Menschenbild beziehen sich pazifistisch orientierte Menschen auf die Notwendigkeit diplomatischer Realpolitik, um mit internationaler Kooperation kriegerische Konflikte zu vermeiden.

Der Militarist und die Militaristin verfügen dagegen eher über ein pessimistisch-aggressives Menschenbild und plädieren für eine entsprechende Verteidigungspolitik der Abschreckung nach dem Motto: ,,Mit Waffen Frieden schaffen." Ob USA, Russland, China, die Ukraine oder die Nato, sie verschreiben sich ausnahmslos der militaristischen Logik, die bis heute immer wieder zu Kriegen geführt hat.

Der Kern des Problems liegt in den unterschiedlichen Interpretationen dessen, was Verteidigung ausmacht. Wie die Friedensnobelpreisträger Arthur Henderson (1934) und Philip Noel-Baker (1959) im Völkerbund argumentierten, können Kriege nur mit einer zugesicherten Verteidigungsstrategie auf internationaler Ebene vermieden werden, die keine Angriffswaffen in Form von Panzern, Flugzeugen und Schiffen zulässt. Unter diesen Umständen wäre ein internationaler Kriegsausbruch nicht mehr möglich, so dass freigewordene Finanzmittel für soziale und ökologische Maßnahmen zur Verfügung stünden.

Wie die Geschichte ausging, ist bekannt: Die militaristische Denklogik setzte sich durch und daher wurden weder der Zweite Weltkrieg noch viele Kriege danach verhindert. Dieser Sachverhalt wirft die kritische Frage auf, warum die Vereinten Nationen als Nachfolgeorganisation des Völkerbunds nach 1945 die diplomatischen Anstrengungen für eine international verhandelte Verteidigungspolitik nicht wieder aufgriffen und verwirklichten.

Welche Bedeutung hat der pazifistische Gedanke für den Krieg in der Ukraine? Zunächst wurde der Angriffskrieg von russischer Seite nicht nur aus opportunistischen Machtmotiven begonnen, sondern Wladimir Putin rechtfertigt ihn mit einer gefühlten Bedrohung seitens der Nato. Ähnliche Argumente kennen wir von Angriffskriegen, die von den USA begonnen wurden. Sei es in Vietnam, Afghanistan oder Irak, die Begründung der US-Regierung lautete stets, es handle sich um eine reale Bedrohung der nationalen Sicherheit.

Diese Argumentationsführung wirft jedoch die kritische Frage auf, inwiefern militärisches Gerät nicht nur der Landesverteidigung dient, sondern umgekehrt auch als Bedrohung oder Eskalation existierender Konflikte. Im Falle des Kriegsausbruchs belegen die politischen Debatten über die Lieferung von Panzern und Kriegsflugzeugen in die angegriffene Ukraine, wie schwierig es ist, den Entscheidungskonflikt zwischen Unterstützung und Eskalation auszutarieren. Solange die Praxis einer auf Angriffswaffen angewiesenen Verteidigungspolitik nicht um eine diplomatische Friedenspolitik erweitert oder ersetzt wird, lassen sich kriegerische Angriffe aus innen- und geopolitischen Gründen nicht vermeiden.

Eine aktive Friedenspolitik verweist stets auf die Notwendigkeit, Kriegsereignisse detailliert auf Ihre Ursachen und Folgen hin zu untersuchen. Es sind der Pazifist und die Pazifistin, die neben ethischen Erwägungen stets Kriegsausbrüche in historische und kulturelle Kontexte einbetten. Sie fragen: Inwiefern entstehen Kriege durch Säbelrasseln und moralische Überlegenheitsphantasien beider Parteien? Auch im Ukrainekonflikt ist dies zu beobachten, denn neben innen- und geopolitischen Aspekten seitens Russlands ignorierten die westlichen Staaten eine mögliche Eskalation durch die Osterweiterung der Nato und eine deutliche Stärkung des ukrainischen Militärs. Diese expansive Politik des Westens mag aus Gründen der Souveränität der östlichen Länder und Ukraine berechtigt gewesen sein und bietet keineswegs eine Rechtfertigung für den Angriff Russlands. Als Form des ,,westlichen Vordringens" lässt sie sich jedoch gleichzeitig als eine von mehreren Erklärungen für Putins Verhalten heranziehen. Eine militärisch neutrale Ukraine wäre vielleicht für alle Parteien vorteilhafter gewesen und böte eine vernünftige Option für die Zukunft.

Der Ukrainekonflikt verdeutlicht das ewige Dilemma des Krieges: Für welche Ziele müssen Tod, Zerstörung und Vertreibung in Kauf genommen werden? Wo wäre ziviler Widerstand eine Alternative? Während Pazifistinnen und Pazifisten diese Option ernsthaft in Erwägung ziehen, sehen militaristisch geprägte Personen die Fortführung des Krieges bis zu einer meist undefinierten Form des Sieges als alternativlos. Letztlich können nur die Menschen in dem angegriffenen Land und ihre politische Führung diese schwierige Frage beantworten.


Aus: "Welche Rolle spielt der Pazifismus heute?" Christoph Noebel (25.08.2023)
Quelle: https://www.fr.de/politik/welche-rolle-spielt-der-pazifismus-heute-92481715.html

QuoteDataday

,,Diese expansive Politik des Westens mag aus Gründen der Souveränität der östlichen Länder und Ukraine berechtigt gewesen sein und bietet keineswegs eine Rechtfertigung für den Angriff Russlands. Als Form des ,,westlichen Vordringens" lässt sie sich jedoch gleichzeitig als eine von mehreren Erklärungen für Putins Verhalten heranziehen. Eine militärisch neutrale Ukraine wäre vielleicht für alle Parteien vorteilhafter gewesen und böte eine vernünftige Option für die Zukunft."

Wer so argumentiert, redet Putin nach dem Mund. Mittlerweile sollte doch wohl auch dem letzten wachen Beobachter eines deutlich geworden sein: Kriegsgrund ist einzig und allein der brutale Imperialismus des skrupellosen Kriegsherren im Kreml.


QuoteThomas Ortlauf (PNG)

Eine sehr gute, in sich abgewogene und ganz und gar nicht "naiv-pazifistische" Analyse, finde ich, die auch Menschen, die eher dem militärischen Denken zugeneigt sind, zu Denken geben sollte.


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Textaris(txt*bot)

Angriff der Hamas auf Israel 2023
https://de.wikipedia.org/wiki/Angriff_der_Hamas_auf_Israel_2023

https://de.wikipedia.org/wiki/Gaza-Israel-Konflikt

Als Nahostkonflikt bezeichnet man den Konflikt um die Region Palästina, der dort zu Beginn des 20. Jahrhunderts zwischen Juden und Arabern entstand. Er führte zu acht Kriegen zwischen dem am 14. Mai 1948 gegründeten Staat Israel und einigen seiner Nachbarstaaten (israelisch-arabischer Konflikt) sowie zu zahlreichen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Israelis und Palästinensern (Israelisch-Palästinensischer Konflikt). Der internationale Konflikt in der Region dauert bis heute an.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nahostkonflikt

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QuoteAmi Dar @AmiDar

A quick word for and about the haters (or pessimists) on both sides. As I've said here a couple of times, I am an Israeli Jew who believes that revenge is not a strategy, and that the only way forward is to work for freedom and dignity for all people. But in saying this, there are two groups of people who I can't ignore. First, those who believe that the massacres on Saturday were somehow "justified" by Israel's actions, and second, those who say that "you can never make peace with those people."

So a word for and about both. First, nothing, absolutely nothing, can justify the deliberate murder of children, old people, and civilians in general. You can't blame a child, anywhere in the world, for where she was born, and targeting children is *always* wrong. Always. No exceptions.

As for those who say, "how can you make peace with people who want to kill you?" a couple of things. First, you make peace with your enemies. That's why it's called making peace. Second, I have zero patience for the Islamophobes who put this on all Muslims, Arabs, or Palestinians, most of whom would never harm a child. And lastly, if Hamas is not interested, then let's talk to *anyone* who is. And no, we have not done that over the years.

Again, neither the Jews nor the Palestinians are going anywhere. We have to live together. So let's find a way. Anything else will lead to total catastrophe.



6:10 nachm. · 13. Okt. 2023


https://twitter.com/AmiDar/status/1712863385761583480

QuoteEtta Verma
@ettaverma

The most sensible and kindest comment I've heard on this nightmare, and one that gives me hope. Thank you.


https://twitter.com/ettaverma/status/1713031637426950452

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Von der Decke der Dar Assalam Moschee in Neukölln hängt ein riesiger, wunderschöner Kronleuchter. Unter diesem Kronleuchter steigt Mohamed Taha Sabri am Freitag gegen 13.30 Uhr auf die handgemachte Holzkanzel. Seine Schritte sind schwer, fast schleppend, der Haupt-Imam der Moschee ist gesundheitlich angeschlagen.

... Mohamed Taha Sabri hat eine wichtige Botschaft, deshalb hat er sich nicht geschont. Er will den rund 1000 Muslimen, die ihm zuhören, mitteilen: Reduziert Eure Emotionen, bleibt bei der Vernunft, auch wenn im Gaza-Streifen Bomben und Raketen explodieren, Menschen sterben, Angehörige in Lebensgefahr sind. Reduziert Eure Emotionen, auch wenn Ihr Wut, Trauer, Entsetzen und Zorn fühlt.

Es ist seine Antwort auf den Aufruf der Hamas. .Die Terror-Organisation hat für diesen Freitag zu Aktionen gegen jüdische Einrichtungen aufgerufen.

Und seine Botschaft setzt der Tunesier Sabri mit dem richtigen Ton in der aufgeheizten Stimmung, es ist eine Predigt, die weitere Gefühle anspricht: Mitmenschlichkeit, Toleranz. ,,In solchen Situationen ist eine vernünftige Denkweise gefragt", sagt der Imam. ,,Man darf sich nicht von Emotionen leiten lassen. Ich kenne jemanden, dessen Angehörige unter den Opfern sind, der ist sehr traurig, aber er ist zugleich trotzdem vernünftig."

[...] Dann geht Sabri auf den Holocaust ein, auf den schrecklichsten Teil deutscher Geschichte. ,,Diese Gesellschaft ist geprägt durch die furchtbaren Verbrechen an den Juden", sagt er. ,,Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass die Gesellschaft, in der wir leben, zu Recht sehr sensibel auf die Angelegenheiten reagiert, die Juden betreffen. Deshalb sagen die Deutschen auch: Nie wieder." Deutsche fühlten immer Schuld wegen den ,,unsäglichen Verbrechen an den Juden".

Wie tief diese Predigt in die Herzen der Zuhörer angekommen ist, das ist schwer zu sagen. Aber Sabri bietet auf jeden Fall weitere Unterstützung an. ,,Ich stehe als Ratgeber bereit", sagt er. ,,Ich kenne Euren Schmerz und Eure Trauer."

...


Aus: "Freitagsgebet in der Dar Assalam-Moschee: Imam fordert Gläubige zu Vernunft und reduzierten Emotionen auf" Frank Bachner (13.10.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/freitagsgebet-in-der-dar-assalam-moschee-imam-fordert-glaubige-zu-vernunft-und-reduzierten-emotionen-auf-10621660.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wen ich kenne, dem höre ich vielleicht zu. Wem ich zuhöre, für den entwickle ich vielleicht Verständnis. Für wen ich Verständnis habe, den beginne ich vielleicht zu mögen. Wen ich mag, den verletze ich nicht so leicht.

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Aus: "Verständnis des Anderen: Humanes Interesse" Thomas Kaspar (14.11.2023)
Quelle: https://www.fr.de/meinung/kommentare/werner-holzer-preis-humanes-interesse-journalismus-92671874.html