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Started by Textaris(txt*bot), June 25, 2005, 06:13:21 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] 400 bis 500 Mark Spionagehonorar kassierte D. für seine Dienste – pro Woche. Dabei wurde er auch gefragt, ob er das 1998 untergetauchte NSU-Trio aus Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt kennen würde. D. verneinte. Und das, obwohl er laut eigenen Aufzeichnungen zweimal eine Spende an die drei weitergeleitet hatte. In der Vernehmung von Verfassungsmitarbeiter Z. zeigte sich, "wie erstaunlich entspannt der Verfassungsschutz in frühen Zeiten mit Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt umsprang", merken wir auf ZEIT ONLINE an. Das zeigte sich auch bei einer anderen Antwort des Zeugen: "So hoch angebunden war das Untertauchen der drei gar nicht." Diese Herangehensweise erwies sich als "fatale Fehleinschätzung".

Im Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags hatte Verfassungsschutzmitarbeiter Z. anders als im Prozess angegeben, er habe D. gar nicht nach dem untergetauchten Trio gefragt. Nun allerdings sagte er nicht nur das Gegenteil, sondern auch, dass in den Quellenberichten gar nichts über Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt stehe – eine weitere Volte, die Nachfragen des Nebenklageanwalts Thomas Bliwier provozierte. Die Wahrheit sei "das, was ich heute gesagt habe", sagte Z. laut einem Bericht von Wiebke Ramm auf Spiegel Online. Dass sowohl V-Mann D. als auch sein Betreuer vom Verfassungsschutz in der Vergangenheit die Unwahrheit gesagt hatten, brachte im NSU-Prozess "nun gleich ein mehrfaches Aha-Erlebnis", kommentiert Frank Jansen vom Tagesspiegel.


Aus: "Doppelte Lüge im Zeugenstand – Das Medienlog vom Mittwoch, 16. September 2015" Tom Sundermann (16.09.2015)
Quelle: http://blog.zeit.de/nsu-prozess-blog/2015/09/16/medienlog-hagel-marcel-d-v-mann/

Quote[...] Dass im NSU-Komplex Zeugen ein problematisches Verhältnis zur Wahrheit haben, ist offensichtlich.  Viele Aussagen im Ermittlungsverfahren, im Prozess und bei den Untersuchungsausschüssen von Landtagen und Bundestag vernebeln Details der monströsen Geschichte um die Terrorzelle. Im Prozess am Oberlandesgericht München gab es am Dienstag nun gleich ein mehrfaches  Aha-Erlebnis.

Ein Polizist, ehemals V-Mann-Führer beim Thüringer Verfassungsschutz, überführte mit seiner Aussagen einen früheren Spitzel und Anführer der rechtsextremen Szene der Lüge. Der einstige Neonazi hatte im Prozess bestritten, V-Mann gewesen zu sein. Das könnte noch strafrechtliche Konsequenzen haben, die Staatsanwaltschaft München hat Ermittlungen in Aussicht gestellt. Aber der Ex-Verfassungsschützer selbst sah sich nun auch gezwungen, vor den Richtern eine Falschaussage im ersten NSU-Untersuchungsausschuss des Thüringer Landtags zuzugeben. ...


Aus: "227. Verhandlungstag im NSU-Prozess: Auch Ex-Verfassungsschützer hat gelogen" Frank Jansen (15.09.2015)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/227-verhandlungstag-im-nsu-prozess-auch-ex-verfassungsschuetzer-hat-gelogen/12326058.html


http://blog.zeit.de/nsu-prozess-blog/2015/05/20/wenn-zeugen-luegen/

http://www.br.de/nachrichten/nsu-prozess-227-100.html

http://blog.zeit.de/nsu-prozess-blog/2015/09/15/verfassungsschutz-hielt-nsu-fuer-harmlos/

http://www.spiegel.de/panorama/justiz/nsu-prozess-v-mann-fuehrer-widerspricht-sich-selbst-a-1053081.html


Textaris(txt*bot)

#176
Quote[...] Sokol aber kam aus jenem rechten Skinhead-Milieu, in dem sich auch Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe vor ihrem Untertauchen bewegten. Als er 1995 mit seiner Band ,,Triebtäter" in Gera spielte, befand sich unter den Zuhörern auch Mundlos. Mehrere spätere Helfer des NSU-Trios kamen aus dem Spektrum der Hammerskins oder den Reihen von ,,Blood & Honour", auch dies ein äußerst gewalt- und musikaffiner Neonazi-Bund. Die Unterstützer sammelten Spenden für die Untergetauchten, organisierten Wohnungen, bemühten sich um gefälschte Pässe oder Waffen.

Sokol bewegte sich im inneren Zirkel dieser extremistischen Milieus. Die Sicherheitsbehörden rechneten ihn dem ,,Blood & Honour"-Netzwerk zu. E-Mails, die der taz vorliegen, bestätigen seine Kontakte zu offen militanten, teils in Haft befindlichen Szenemitgliedern. Als 2011 die Existenz des NSU öffentlich wurde, schlug Sokol einem Bekannten in einer E-Mail vor: ,,Sollen wir ein T-Shirt machen, wo draufsteht: ,Döner-Killer? Find ich gut!'". Die Mail, in der dieser Satz steht, stammt ausgerechnet vom 16. November 2011. Im selben Schreiben geht es um die Übernahme des Patria-Versands durch Sokol. Auch das nur ein geschmackloser Witz, ein dummer Zufall? Oder wusste Sokol, wie über vieles in der Szene, mehr?

Auch die sogenannten Kameraden von Sokol dürfte das interessieren. Es war ,,Triebtäter", Sokols eigene Band, die einmal ihre Verachtung vor Spitzeln besang: ,,Über eins, da solltest du im Klaren sein, du kleines mieses Verräterschwein, Gott vergibt – wir nie!"

Die meisten Fragen aber muss nun der Verfassungsschutz beantworten. Mal wieder.


Aus: "Abschied eines Spitzels" Konrad Litschko und Martin Kaul (04.10.2015)
Quelle: https://www.taz.de/!5235150/

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Quote Hooligans gegen Salafisten (Kurzform: HoGeSa) ist eine bundesweit agierende, vorwiegend aus der Hooligan-Szene stammende Aktionsgruppe, die sich nach eigenen Angaben gegen den Salafismus in Deutschland wendet. Die bis dahin überwiegend im Internet agierende Gruppierung wurde vor allem durch eine Demonstration am 26. Oktober 2014 in Köln bekannt, an der zwischen 3.000 und 5.000 Personen teilnahmen. Dabei kam es zu einer Straßenschlacht mit der Polizei.

...


https://de.wikipedia.org/wiki/Hooligans_gegen_Salafisten (25. September 2015)

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Quote[...] Als Roland Sokol Ende September in Karlsruhe beigesetzt wurde, waren auch zahlreiche Mitglieder der "Hammerskins" anwesend, einer elitär strukturierten rassistischen Skinhead-Organisation. Sokol, der mit 42 Jahren einem Krebsleiden erlag, war einer ihrer "Brüder" gewesen.

Wenige Stunden später kündigten viele Nazis und Hooligans dem Toten posthum die Freundschaft. Da hatten sie gerade erfahren, dass ihr Freund zu Lebzeiten noch eine zweite Seite hatte: Spätestens seit 2009 war Sokol Mitarbeiter des Verfassungsschutzes.

Der Fall dürfte in den kommenden Wochen noch Kreise ziehen, denn er wirft viele Fragen auf, vor allem im Zusammenhang mit dem Fußball. Sokol saß schließlich mit am Tisch, als sich im Herbst 2013 eine Handvoll Hooligans und Neonazis in einer Kneipe im Südwesten trafen, um eine Bewegung zu gründen, die später unter dem Namen "Hooligans gegen Salafisten" (Hogesa) bekannt werden sollte.

... Für welches Amt er genau aktiv war, lässt sich nicht zweifelsfrei feststellen. Eine Anfrage von SPIEGEL ONLINE beantwortete das Baden-Württemberger Landesamt für Verfassungsschutz mit der gängigen Formulierung, man äußere sich "aus Gründen der amtlichen Geheimhaltung nicht zu operativen Einzelheiten. Auch zu Einzelpersonen erteilt das LfV aufgrund von Bestimmungen des Datenschutzes keine Auskunft". Ein hartes Dementi sieht anders aus.

Monate bevor die Hogesa erstmals öffentlich in Erscheinung trat, lasen die Behörden Sokols Schriftverkehr mit dem Mannheimer NPD-Stadtrat und Waldhof-Mannheim-Hooligan Christian Hehl mit, der federführend hinter Hogesa stand. Und wenige Tage vor der eskalierenden Kölner Demo Ende Oktober 2014 leitete Sokol auch ein weiteres seiner Schreiben an die Verfassungsschützer. Darin forderte er den Hamburger Neonazi Thorsten de Vries dazu auf, "Nationale" sollten eine führende Rolle bei Hogesa spielen:

"Leider ist (...) die Masse der Hools strohdoof was Politik betrifft. (...). es ist so eine grosse Chance, dazu braucht es aber intelligente Leute, die das lenken. Am besten Unsere Leute, die national sind....es ist ganz wichtig, dass viele politische leute dort sind. (...) Der Tag kann in die Geschichte eingehen. mich wundert die ganze Zeit schon, dass der Staat kein Verbot ausspricht."

Das ist tatsächlich verwunderlich. Ebenso wie die Tatsache, dass der Verfassungsschutz offenbar tatenlos zusah, wie einer ihrer V-Männer eine gewalttätige Bewegung weiter radikalisierte.

Am 26. Oktober 2014, also etwa ein Jahr nach dem ersten Treffen der Organisatoren, mobilisierte Hogesa 4500 Menschen nach Köln. Die Veranstaltung endete in einem stundenlangen Straßenkampf mit der Polizei, zuvor war de Vries einer der Hauptredner gewesen. Merkwürdig nur, dass ein Kölner Polizeisprecher noch wenige Tage zuvor gegenüber SPIEGEL ONLINE in Abrede gestellt hatte, dass die rechte Szene eine wichtige Rolle bei Hogesa spiele. Es gebe "keine Erkenntnisse", dass Neonazis in größerem Umfang zu der Kundgebung kommen würden, sagte der Polizeisprecher damals. Und auch danach zeigten sich die Behörden erstaunlich ahnungslos: Die Lage in Köln, so NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) damals, sei "durch exzessive, teils eruptive und nicht vorhersehbare Gewaltanwendung gegenüber Polizeibeamten geprägt" gewesen.

In Baden-Württemberg wird die Spitzeltätigkeit des Neonazis Roland Sokol, der auch Kontakte zum "Nationalsozialistischen Untergrund" gehabt haben soll, ein Nachspiel haben. Claus Schmiedel, SPD-Obmann im parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschuss, kündigte bereits an, den Fall Sokol zum Thema zu machen.

Wer die Korrespondenz von Sokol verfolgt, hat nicht den Eindruck, dass dieser mit Konsequenzen seitens des Staates rechnete. Außerdem erscheint nun ziemlich offensichtlich, dass die Behörden bestens über den Nutzen von Hogesa informiert gewesen sein müssen: Große Teil der deutschen Neonaziszene hielten die Gruppe für ein willkommenes Vehikel, um ihre Themen buchstäblich auf die Straße zu bekommen. Die in der Szene kursierende Verschwörungstheorie, wonach staatliche Stellen alles täten, um Pegida, Hogesa und Co. in Misskredit zu bringen, dürfte durch solche Enthüllungen ebenfalls neue Nahrung erhalten. Auch daran kann der Staat eigentlich kein Interesse haben.

Vor diesem Hintergrund ist es genauso erklärungsbedürftig, warum die Behörden auch abseits des politischen Extremismus in den vergangenen Jahren so viel Energie auf das Ausspionieren von Ultragruppen gelegt haben. Der vermeintliche Fanforscher Martin Thein wurde 2014 von den Journalisten Stefan Aust und Dirk Laabs als Mitarbeiter des Bundesamts für Verfassungsschutz enttarnt und ist seither untergetaucht. Gleich in mehreren Fanszenen, in denen Thein zuvor "geforscht" hatte, sollen daraufhin Ultras vom Verfassungsschutz angesprochen worden sein: Angesichts dessen, was man über sie wisse, seien sie gut beraten, den Behörden zuzuarbeiten. Die Fans lehnten ab.

"Der Verfassungsschutz hat in den vergangenen Jahren mehrfach versucht, auch V-Leute in Szenen anzuwerben, in denen Rechtsextremismus weniger eine Rolle spielt", sagt Robert Claus von der "Kompetenzgruppe Fankulturen und Sportbezogene Soziale Arbeit" in Hannover SPIEGEL ONLINE. "Das stellt für mich eine deutliche Kompetenzüberschreitung des Verfassungsschutzes dar. Hier versucht er, sein Aufgabenfeld auszuweiten und polizeiliche Aufgaben zu übernehmen."

Die Stigmatisierung von Ultras zu "Verfassungsfeinden" findet nicht nur Claus einigermaßen absurd. Vor allem dann, wenn man offenbar - wie im Fall Sokol - echte Verfassungsfeinde gewähren lässt und mit staatlichen Geldern alimentiert.


Aus: "Gewalt im Fußball: Hogesa-Gründer war V-Mann" Christoph Ruf (13.10.2015)
Quelle: http://www.spiegel.de/sport/fussball/koeln-verstorbener-hooligan-war-hogesa-gruender-und-v-mann-a-1057505.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eine Anfrage nach dem open records act, einem Informationsfreiheitsgesetz [https://www.documentcloud.org/documents/2940165-Lakewood-Police-Dept-FOIA-Docs.html], brachte erstaunliche Erkenntnisse über die Überwachung der Fracking-Gegner an den Tag: Aus freigegebenen E-Mails geht hervor, dass sowohl die Bundespolizei FBI als auch örtliche Polizei Umweltschutz-Organisationen wie 350.org, Break Free Movement, Rainforest Action Network und die WildEarth Guardians mit Undercover-Agenten inflitrierte, offenbar in Abstimmung mit dem Sicherheitsdienst des Fracking-Unternehmens Ardanako.

... Der Guardian deckte 2013 auf, dass das FBI Gegner der umstrittenen Keystone XL-Pipeline mit Agenten infiltriert hatte. Das für Fracking wichtige Projekt wurde von Präsident Obama 2015 gestoppt.

Das FBI knüpft damit an eine fragwürdige Tradition an. So hatte die Bundespolizei, die auch Aufgaben eines Inlandsgeheimdienstes wahrnimmt, in den 1960ern im Rahmen des Zersetzungsprogramms COINTELPRO die Vietnamkriegsgegner, die Universitäten, linke Parteien und die Bürgerrechtsbewegung unterwandert und durch Störungen sabotiert. Diese verfassungswidrige Praxis wurde 1971 durch den Einbruch des The Citizens Commission to Investigate the FBI in ein Büro des FBI publik, wo die Bürgerrechtler Akten sicherstellten.

...

Quotehgzi, 19.07.2016 19:02

Wer das System stört muß ein Terrorist sein.

Kranke Welt.


...


Aus: "Undercover unter Umweltaktivisten" Markus Kompa (19.07.2016)
Quelle: http://www.heise.de/tp/news/Undercover-unter-Umweltaktivisten-3272276.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...]  HAMBURG taz | Ein netter Brief lag vor drei Jahren im Postkasten ihrer Eimsbütteler Wohnung. Hamburgs SPD-Bürgermeister Olaf Scholz lud alle schon lange in der Stadt lebenden Migranten ein, sich einbürgern zu lassen. Also auch sie, Marily Stroux, 1950 in Athen geboren und seit 1978 in der Bundesrepublik ansässig, seit Mitte der 1980er Jahre freie Fotografin für die taz und andere Medien, Berichterstatterin und Beobachterin auf vielen Demos und bei Polizeiaktionen.

Sie lebte also schon seit 35 Jahren in diesem Land. Sich einbürgern zu lassen, war für sie lange nicht in Frage gekommen. Ihr Vater hatte im Zweiten Weltkrieg einer griechischen Widerstandsgruppe gegen die deutschen Besatzer angehört, wurde verhaftet und von den Deutschen zum Tode verurteilt. ,,Morgens um 4 Uhr hörte er in der Zelle, wie Mitgefangene zur Erschießung abgeholt wurden", sagt Marily Stroux.

Ihr Vater überlebte, aber die Erlebnisse in der Haft quälten ihn sehr. Dass sie 1978 einen deutschen Regisseur heiratete und nach Deutschland ging, hat er noch akzeptiert; aber dass sie deutsche Staatsbürgerin wurde, das wollte sie ihrem Vater zu Lebzeiten nicht antun.

Doch im Jahr 2013 sieht die Welt etwas anders aus. Der Vater ist längst gestorben. Die Zeitungen schreiben vom ,,Grexit". Falls Griechenland nicht mehr zur EU gehört, könnte auch Marily Stroux nicht mehr in Deutschland willkommen sein, wo sie eine Tochter großgezogen und inzwischen einen Enkel hat, überlegt sie. Marily Stroux will die Einbürgerung. Nur zur Sicherheit lässt sie über ihren Anwalt nachfragen, ob es beim Hamburger Verfassungsschutz eine Akte über sie gibt. Immerhin hatte man ihr und dem taz-Kollegen Kai von Appen 2007 die Akkreditierung zum ­G-8-Gipfel verweigern wollen.

Drei Jahre hört sie nichts. Dann kommt ein hässlicher Brief, der ihr Leben verändert. Marily Stroux, ausgerechnet sie, die freundliche, stets lebensfroh wirkende Fotografin, die gut mit Kindern kann und schon vor 20 Jahren, als Hamburg Flüchtlinge auf Wohnschiffen einquartierte und das Wort Willkommenskultur noch nicht buchstabiert war, Fotoprojekte mit Flüchtlingskindern machte – ausgerechnet sie steht im Verdacht, an ,,Bestrebungen oder Tätigkeiten" gegen die ,,freiheitlich demokratische Grundordnung" teilzunehmen. Sie wird beobachtet, seit 28 Jahren.

1986. Ein Sondereinsatzkommando der Hamburger Polizei räumt einen ganzen Block der ehemals besetzten Hafenstraßen-Häuser. Stroux steht mit ihrer Kamera vor der Tür. Es fliegen Sachen aus dem Fenster. Möbel, Kleidung, sogar ­Türen warfen die Beamten im hohen Bogen auf die Straße. Der ­Container mit der persönlichen Habe wird später zur Polizeikaserne gefahren, wo die geräumten Bewohner sich die Sachen abholen sollen. Marily Stroux findet, von solchen Sachen muss die Öffentlichkeit wissen. Hält mit der Kamera drauf, davon zeugen Schwarz-Weiß-Fotos in Zeitungsarchiven.

,,Ich glaube daran, Sachen öffentlich zu machen und zu dokumentieren. Ich mache ­alles öffentlich. Ich schreie alles raus", sagt die Fotografin. ,,Ich arbeite nicht unter der Erde im Geheimen." Und doch wird sie mit Geheimdienstmitteln wie eine Staatsfeindin ausspioniert. Manchmal sieht sie im Rückspiegel, dass ihr ein Auto folgt.

31 Termine, bei denen sie beobachtet wurde, hat die Hamburger Behörde für Inneres in dem Brief aufgelistet. Stroux, schreibt der Verfassungsschutz, gehöre nach ,,hier vorliegenden Erkenntnissen" seit 1988 zum ,,Initiativkreis Hafenstraße und beteiligte sich an dessen Aktivitäten". Das als Grund für die Bespitzelung ist ein bisschen komisch. Denn der Initiativkreis wollte vermitteln, als der Konflikt um die von jugendlichen Punks besetzten Häuser eskalierte und die gewaltsame Räumung drohte. Zu der Gruppe gehörten auch Richter, Promis und Politiker, darunter der Millionenerbe Jan Philipp Reemtsma und der Bürgermeister Klaus von Dohnanyi.

Aber die Akte über Marily Stroux ist angelegt. Gleich der zweite Eintrag hat es in sich. Am 18. August 1992 ,,wurde hier bekannt, dass ihre Mandantin zu einem in der JVA Celle einsitzenden terroristischen Gewalttäter Briefkontakt unterhielt".

In der Tat, Stroux war dort und hat Gefängnisinsassen besucht. Sie hat in ihr eigenes Archiv geschaut. ,,Das war ein journalistischer Termin", sagt sie. Der inzwischen verstorbene Journalist Roger Willemsen hatte drei RAF-Gefangene interviewt. ,,Ich war als Fotografin mit. Die Korrespondenz kam dadurch zustande, dass ich ihnen Bilder schickte." Eine übliche freundliche Geste nach einem Fototermin.

Schon im Sommer davor hatte Stroux im ,,Angehörigen-Info" eine Solidaritätserklärung für die politischen Gefangenen unterzeichnet. ,,Es handelt sich um ein Unterschrift bei was Öffentliches", sagt Stroux. Ihre deutsche Grammatik ist nicht fehlerfrei. ,,Tausende Menschen haben da unterschrieben." Also keine konspirative Aktion.

Bei den meisten Einträgen – etwa eine Demo vor dem peruanischen Generalkonsulat – handelt es sich um ,,taz-Termine", wie Stroux ' eigene Notizen zeigen. Denn im Wechsel mit anderen Freien übernahm sie seinerzeit Schichten in der Fotoredaktion für die taz Hamburg. Ein Broterwerb wie andere auch.

Bei einem dieser Termine – wieder in der Hafenstraße – wird sie von Polizisten die Treppe heruntergeschubst und bricht sich das Steißbein. Bei einem anderen begleitet sie den über Wochen andauernden Hungerstreik von Asylbewerbern auf den Wohnschiffen. Sie nehme dort ,,an von Linksextremisten getragenen Protesten teil", schreibt der Verfassungsschutz.

Fotografie – als Kind vom Vater gelernt – ist Marilys Art, mit Menschen zu kommunizieren. Sie knipst und lächelt und knipst und gibt die Kamera auch aus der Hand. Durch die Linse lernt sie die Familien auf den Schiffen kennen. Schon bald gibt es eine Ausstellung, für die sie später Preise gewinnt. Die Leiterin der Wohnunterkunft erscheint und sagt, interessant, was hinter ihrem Rücken geschehe.

Marily Stroux darf nun offiziell mit den Kindern der Flüchtlingsfamilien Fotoworkshops machen. Ihr Lieblingssatz: ,,Solange die Löwen nicht eigene Historiker haben, werden Jagdgeschichten von den Jägern erzählt." Sechs- oder Siebenjährige aus Bürgerkriegsländern wie Bosnien leben hier drei Jahre und müssen wieder weg. Stroux gibt ihnen Kameras in die Hand, lässt sie ihre Fotos machen. Sie sollen selber entscheiden, welche Erinnerungen sie mit nach Hause nehmen. Ihre eigenen Historiker werden. Mit dicken Fotoalben unterm Arm verlassen sie das Land.

Marily Stroux hält Kontakt. Das Thema Flüchtlinge und Hafen lässt sie nicht mehr los. Es folgt eine Fotoserie über ,,Blinde Passagiere", junge Afrikaner, die versteckt auf einem Schiff im Hamburger Hafen stranden. Es wird ein Buch daraus. Und als 2011 einer Gruppe von zehn somalischen Piraten in Hamburg der Prozess gemacht wird, gehört Stroux zu einer Journalistengruppe, die den Verlauf verfolgt und auch mit den Angeklagten spricht. Ein Pirat berichtet, dass er Schulden hatte und sein fünfjähriger Sohn vom Geldgeber entführt wurde. Deshalb sei er Seeräuber geworden. Stroux malt Bilder dazu, daraus entsteht ein Pixi-Buch. Mit dem Geld kann der Mann später seinen Sohn auslösen.

Marily Stroux gilt als ,,bedeutende Person innerhalb der linksextremistischen Szene", notiert der Verfassungsschutz. Sie findet das zum Lachen – aber auch beängstigend. Sieht sich getroffen als Foto-Reporterin. ,,Das macht was mit mir. Ich fühle mich verfolgt." Erstaunlich wenige Zeitungen berichten darüber, meint Stroux. Sie ist überzeugt, dass man sie wegen ihrer Themen und der Art, darüber zu berichten, beobachtet hat. ,,Den sogenannten objektiven Journalismus gibt es nicht, die eigene Haltung spielt immer eine Rolle", sagt sie. ,,Würde ich für die Pharmabranche schreiben, würde ich nicht vom Staat observiert."

Den Sommer verbringt Marily Stroux in Griechenland. Ihre Vorfahren dort waren Roya­listen und Antikommunisten. ,,Ich durfte als Kind nicht mal ins russische Ballett", erinnert sie sich. Gerade befindet sie sich auf Lesbos, wo es derzeit mehr Flüchtlinge, NGO-Helfer und Frontex-Beamte als Touristen gibt. Sie sieht sich als Teil der linken Szene und engagierte Journalistin, ,,no border, keine Grenzen, das ist mein Thema".

Manche Einträge auf der Verfassungsschutzliste geben Dinge verfälscht wieder oder machen keinen Sinn. Mal wird die Fotografin auf einer Demo gesichtet, wo sie gar nicht war, mal wird nur das Kennzeichen ihres Auto notiert. Und der Treppensturz, zu dem es sogar polizeiinterne Ermittlungen gab, wird unterschlagen; stattdessen heißt es, man habe sie rausgetragen. Auch gibt der Verfassungsschutz nicht alles preis, was über Stroux gespeichert ist, weil sonst seine ,,Nachrichtenzugänge" gefährdet sein können. Dazu muss man wissen: Binnen zwei Jahren wurden in Hamburg drei Szene-Spioninnen enttarnt, vermutlich gibt es noch mehr.

Marily Stroux will jetzt den Spieß umdrehen, die Liste in einer Broschüre veröffentlichen, mit ihren Kommentaren dazu. Außerdem fordert sie die Löschung der Einträge und will dies notfalls vor Gericht einklagen. Viele, die von ihrem Fall gehört haben, stellen jetzt ein Auskunftsersuchen.

Die Einbürgerung will Marily Stroux immer noch. Sie hat Freunden in Griechenland von der Liste erzählt. Es sei ja ,,ein Hammer, dass so etwas in Deutschland passiert", hätten die gemeint. Es sei aber auch ein Hammer, sagt Marily Stroux, dass es Bürgern möglich ist, einen Antrag zu stellen und von der Bespitzelung zu erfahren.

Quotemowgli, 06.09.2016, 12:38

... Übrigens: Darauf, dass Marily Stroux "nicht vom Staat observiert" werden würde, wenn sie "für die Pharmabranche schreiben" tät, würde ich nicht wetten.




Aus: "taz-Fotografin ausgespäht: Marilys Liste" Kaija Kutter (06.09.2016)
Quelle: https://taz.de/taz-Fotografin-ausgespaeht/!5337129/

Textaris(txt*bot)

Eberhard Feik (* 23. November 1943 in Chemnitz; † 18. Oktober 1994 in Oberried, Breisgau) war ein deutscher Schauspieler. Popularität erlangte er in der Rolle des Christian Thanner als Partner-Kollege von Kommissar Horst Schimanski in der in Duisburg spielenden Tatort-Reihe.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eberhard_Feik

Quote[...] Eberhard Feik: Schimanskis Partner war als Stasi-IM registriert - Als "Lear" und "Queen" führte der DDR-Auslandsgeheimdienst den Schauspieler Eberhard Feik und seine Frau. Bespitzelt haben sie aber wohl niemanden. (16. Dezember 2014, 15:24) ...

QuoteAnneli Feik
#20  —  17. Dezember 2014, 4:17 Uhr 3, Redaktionsempfehlung

Eberhard Feik - von Anneli Feik

Hallo Herr Staud,
vielen Dank für das "schöne Weihnachtsgeschenk".
Es ist das eingetreten was ich befürchtet habe, "Bild" etc. jubeln über "Feik - den Stasimann" der er niemals war. Ich habe Ihnen ausführlich erzählt, wie der Kontakt zu Stande gekommen ist - was natürlich die entsprechende Presse in keiner Weise interessiert.
Auf der "Zeit online Seite las ich "Die Witwe des vor 20 Jahren verstorbenen Feik räumte im ZEITmagazin ein, dass es in jenen Jahren mehrere Begegnungen mit Mitarbeitern der HVA gab."
Ich habe niemals gesagt, es hätte Begegnungen mit Mitarbeitern der HVA (was ist das genau?) gegeben, sondern, dass wir immer überzeugt waren mit Kulturschaffenden oder dem Studenten Klaus Kontakt zu haben. Und dass - als uns klar wurde, wer hinter diesen Kontakten steckt - erst 1984 beim Besuch unserer Verwandten in der DDR - wir sofort jeden Kontakt abgebrochen haben.
Ihnen nehme ich übel, dass Sie sich mein Vertrauen erschlichen haben, unter dem Vorwandt, einen Artikel über den Schauspieler und Regisseur schreiben zu wollen. Aus diesem Grund habe ich Ihnen auch die sehr persönlichen Aufzeichnungen meines Mannes nach seinem Herzinfakt geschickt. Aber, das hat Sie wohl alles nicht interessiert, Sie waren auf "Stasi" fixiert. Ihren Artikel konnte ich noch nicht lesen. Ich hoffe, Sie haben dort auch geschrieben, dass wir diese unsägliche Geschichte auch dem Verfassungsschutz mitgeteilt haben - und zwar nicht erst als der Zusammenbruch der DDR abzusehen war.

Anneli Feik


QuoteToralf Staud
#20.1  —  18. Dezember 2014, 15:53 Uhr Redaktionsempfehlung

Mehr Grautöne und Differenzierung in "Stasi-Debatten"

Leider hatte Frau Feik zum Zeitpunkt ihres Kommentars – wie sie selbst schreibt – meinen Text im aktuellen ZEIT-Magazin noch nicht gelesen. (Viele andere Kommentatoren und Journalistenkollegen offenbar auch nicht.) Er ist in meinen Augen nicht "stasifixiert", sondern ein differenzierter Artikel darüber, wie Teile der bundesdeutschen Linken und der Kulturszene in den 1970er Jahren arglos und unkritisch auf die DDR blickten und wie die HV A (die Auslandsabteilung des Ministeriums für Staatssicherheit) im Westen arbeitete. Er zeichnet das Bild eines Milieus und porträtiert den Schauspieler Eberhard Feik und seine Frau, die Dokumentarfilmerin Anneli Feik-Wagner, als Teil davon.

Mein Text schildert selbstverständlich auch die Sicht von Frau Feik, also wie der Kontakt zum Ministerium für Staatssicherheit bzw. dessen Auslandsabteilung HV A zustande kam, wie sie und ihr Mann damals – in ihren eigenen Worten – ,,naiv" waren. Widergegeben wird natürlich auch ihre Aussage, dass sie 1984 die Mitarbeit ablehnte und über diese Begegnung nach ihrer Heimreise auch den Verfassungsschutz informierte und vieles andere.

Genauso aber gehört zum Gesamtbild, dass es diese Registrierung als IM gab - samt einer dreibändigen Arbeitsakte. Die Unterlagen deuten darauf hin, dass Frau Feik im Auftrag der HV A im Westen etwas an die Öffentlichkeit lancieren sollte und ihr Mann als IM-,,Anlaufstelle" mitregistriert war.

Ich habe Frau Feik offen mit den Stasi-Unterlagen konfrontiert. Sie hat in unseren Interviews im Zuge der anderthalbjährigen Recherche detailiert über ihre Wahrnehmung der Kontakte gesprochen - auch selbstkritisch, was in den Text eingeflossen ist. In den Gesprächen kamen teils sehr persönliche und private Dinge zur Sprache, etwa die von Frau Feik erwähnten Aufzeichnungen ihres Mannes. Aus Sensibilität habe ich daraus letztlich nicht zitiert. Dass Eberhard Feik ein sympathischer Mensch mit großem Gerechtigkeitssinn war, steht in dem Text und wird durch seine Kontakte mit der HV A nicht beeinträchtigt.

Über den oft schönfärberischen Blick auf die DDR hat es in der westdeutschen Linken in den letzten 25 Jahren kaum selbstkritische Debatten gegeben. Die aber halte ich für wichtig, und zu ihr soll(te) mein Text beitragen.



Quoteudo.mitzlaff #22  —  17. Dezember 2014, 22:41 Uhr

Wie aus dem MfS-Lehrbuch

Der Beitrag arbeitet offenbar ganz bewusst mit Unterstellungen, die andere Qualitätszeitungen wie die BILD dann unter Brüdern die Schmutzarbeit machen lassen. Die ZEIT hat für mich damit endgültig ihr jahrzehntelang gepflegtes Niveau verlassen. Bei vernünftiger Arbeit hätte das, was Frau Feik oben schreibt, in den Beitrag gehört. Grotesk oder zum Heulen: Der Autor arbeitet exakt nach MfS-Richtlinie 1/76: "Bewährte Formen der Zersetzung sind: - systematische Diskreditierung des öffentlichen Rufes, des Ansehens und des Prestiges auf der Grundlage miteinander verbundener wahrer, überprüfbarer und diskreditierender sowie unwahrer, glaubhafter, nicht widerlegbarer und damit ebenfalls diskreditierender Angaben..."
Ich würde mich schämen, hätte ich so unfair und hinterhältig recherchiert.


...


Aus: "Schimanskis Partner war als Stasi-IM registriert" (16. Dezember 2014)
Quelle: http://www.zeit.de/kultur/2014-12/feik-stasi-im


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Fast drei Jahre lang tagte der NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags, vergangene Woche trat mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die zunächst letzte Zeugin auf. Im Sommer soll der Abschlussbericht fertig sein. In all den Jahren ging es um die Massenüberwachung des US-amerikanischen Dienstes und später auch um die unkontrollierten Spähaktionen des Bundesnachrichtendienstes (BND). Eine Frage streiften die Parlamentarier aber nur am Rande: Bespitzelte der deutsche Dienst auch Journalisten?

Unterlagen, die der SPIEGEL nun einsehen konnte, geben eine klare Antwort: Demnach überwachte der BND ab 1999 mindestens 50 Telefon- und Faxnummern oder E-Mail-Adressen von Journalisten oder Redaktionen auf der ganzen Welt mit eigenen sogenannten Selektoren. ...


Aus: "BND bespitzelte offenbar ausländische Journalisten" Maik Baumgärtner, Martin Knobbe und Jörg Schindler (24.02.2017)
Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/bnd-bespitzelte-offenbar-auslaendische-journalisten-a-1136134.html

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Quote[...] Reporter ohne Grenzen bezeichnete die enthüllte BND-Praxis nun auch als "ungeheuerlichen Angriff auf die Pressefreiheit". Die Interessengruppe fürchtet laut Spiegel Online auch, dass der BND ausländische Journalisten weiter abhören werde. Das geänderte BND-Gesetz werde das nicht ändern. Deshalb werde eine Verfassungsklage dagegen vorbereitet.


Aus: "BND hat angeblich jahrelang Journalisten ausspioniert" Martin Holland (24.02.2017)
https://www.heise.de/newsticker/meldung/BND-hat-angeblich-jahrelang-Journalisten-ausspioniert-3634501.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Fall wurde am Dienstag öffentlich bekannt. In mehreren Medienberichten wurde allerdings vermutet, Stephan L. sei schon seit den 1990er Jahren für den Verfassungsschutz tätig gewesen. Das Landeskriminalamt Berlin hatte in einem Vermerk vom Dezember 2000 berichtet, Stephan L. sei an das Bundesamt für Verfassungsschutz ,,vermittelt" worden.

Es sei anzunehmen, ,,dass dies im anhängigen Strafverfahren dafür sorgte, dass die Entscheidung für den Erlass eines Ordnungsgeldes der einer Verurteilung vorgezogen wurde", heißt es in dem Papier. Stephan L. hatte wegen einer politisch motivierten Straftat 3000 D-Mark zahlen müssen.

Nach Informationen des Tagesspiegels hat das LKA den Skinhead nicht als V-Mann geführt. Die Behörde hatte allerdings von einem eigenen Spitzel den Tipp bekommen, Stephan L. könnte langfristig kooperativ sein. Daraufhin vermittelte das LKA den Rechtsextremisten an das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Ehemalige Mitglieder von Blood & Honour stehen im Verdacht, die Terrorzelle NSU unterstützt und ihr möglicherweise auch Waffen beschafft zu haben. Stephan L. wurde im NSU-Prozess am Oberlandesgericht München als Zeuge befragt, seine Antworten hatten jedoch wenig Substanz.

QuoteKaypakkaya 08:50 Uhr
In der rechten Szene tummeln sich die V-Leute in Massen. Das heißt aber keineswegs, dass kriminelle Aktivitäten deshalb etwa verhindert werden würden, denn meist wird ja nur das berichtet, was nicht wirklich wichtig ist. Weit entscheidender ist die wirtschaftliche Unterstützung der Szene durch die Dienste und die Deckung bei Straftaten.


Quoteford_perfect 16.05.2017, 20:51 Uhr
"Verein zur Aufzucht und Hege von Neonazis"

Im allerbesten Fall wollten die Verfassungsschützer tatsächlich die rechtsradikale Szene überwachen. Aber das Verhalten der Dienste rund um den NSU-Skandal lässt auch Übleres vermuten.

Wie auch immer, faktisch dürfte man die Neonazi-Strukturen massiv gestärkt haben. Der V-Mann hat regelmäßig geschönte Berichte abgeliefert, und ggf. haben ihm seine V-Mann-Führer frei Haus geliefert was die Dienste über ihre Beobachtungsobjekte wissen.


...


Aus: "Bundesamt für Verfassungsschutz: Ex-Deutschland-Chef von "Blood and Honour" war als V-Mann tätig"  Frank Jansen (16.05.2017)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/bundesamt-fuer-verfassungsschutz-ex-deutschland-chef-von-blood-and-honour-war-als-v-mann-taetig/19812554.html

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Quote[...] ZEIT ONLINE: Hatten Sie denn auch persönlich Kontakt zu Astrid O.?

Blechschmidt: Ja, sehr intensiv sogar, zumal wir gemeinsam im Plenum der Roten Flora Politik gemacht haben. Wir waren zwar nicht eng befreundet, aber sehr gut bekannt. Auf einem Festival haben wir eine Woche lang in einer Arbeitscrew zusammen gearbeitet, zusammen gezeltet – das war ein sehr naher Kontakt. Ich habe mit ihr auch mal ein internes Flugblatt zum Umgang mit den Auseinandersetzungen beim Schanzenfest geschrieben. Da gab es schon ein starkes dienstliches Interesse. Ich war definitiv in ihrem Fokus.

ZEIT ONLINE: Was war es für ein Gefühl, als herauskam, dass sie verdeckt ermittelte?

Blechschmidt: Ich habe das schon fast mit innerlichem Schulterzucken zur Kenntnis genommen – da bin ich aber sicher nicht repräsentativ. Gegen Astrid O. gab schon während ihrer aktiven Zeit einen Verdacht, der ist nicht ganz geklärt worden ist. Als sie dann ausstieg, ähnelte ihre Legende jedoch sehr denen von verdeckten Ermittlerinnen, die wir schon vorher auf dem Schirm hatten. Wir haben dann recherchiert und herausgefunden, dass es Astrid Schütt, wie sie sich nannte, nicht gibt, sondern dass wir es mit Astrid O. zu tun hatten, die übrigens nach wie vor bei der Polizei arbeitet – sinnigerweise im Betrugsdezernat.

ZEIT ONLINE: Was hat sich im Flora-Kollektiv verändert, nachdem innerhalb von anderthalb Jahren drei verdeckte Ermittlerinnen aufgeflogen sind?

Blechschmidt: Gar nicht so viel – verdeckte Ermittlerinnen hatten wir schon gleich nach der Besetzung 1990 im Projekt. Insofern wussten wir, dass die Polizei solche Mittel einsetzt. Durch die Enttarnungen der vergangenen Jahre hat sich aber gezeigt, dass wir das Ausmaß unterschätzt haben. Wir gehen heute davon aus, dass die Flora 28 Jahre lang ohne größere Lücken von verdeckten Ermittlern infiltriert gewesen ist. Insofern ist es schon fast ein Running Gag zu sagen: Mal gucken, wer der nächste ist.

ZEIT ONLINE: Auch wenn die verdeckten Ermittlungen in mindestens zwei Fällen rechtswidrig sind, bleiben juristische Fragen offen. Wie sollen die geklärt werden?

Blechschmidt: Die werden gar nicht geklärt. Im Rahmen des Verfahrens zur Feststellung der Rechtswidrigkeit wäre die Polizei zwar eigentlich angehalten, die Akten zu öffnen, ihr Rechtsverständnis, den Anlass für die Ermittlungen und die Einsatzpraktiken konkret darzulegen. Das hat sie dadurch verhindert, dass sie gesagt hat: Wir erkennen an, dass das rechtswidrig war. Ein Satz, damit ist der Prozess fertig. Das ist juristisch möglich und andere Wege der Aufarbeitung gibt es derzeit nicht. Dazu müsste es den politischen Willen im Senat und in der Innenbehörde geben, sicherzustellen, dass das Handeln der Polizei für Betroffene überprüfbar sein muss.

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Aus: "Rote Flora: "Seit 28 Jahren ist die Flora infiltriert"" Interview: Annabel Trautwein (21. Juni 2017)
Quelle: http://www.zeit.de/hamburg/2017-06/rote-flora-verdeckte-ermittler-prozess-interview/komplettansicht

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#183
Quote[...] Monika Düker, Fraktionschefin der Grünen, sagte, es sei nicht auszuschließen, dass der V-Mann ,,ein doppeltes Spiel" gespielt habe. Man müsse aber auch bedenken, dass die Vorwürfe aus der Islamisten-Szene kämen. Die neuen Behauptungen stünden in einem klaren Widerspruch zu dem, was man bisher aus Daten der Sicherheitsbehörden über den V-Mann wisse. ,,Diesen Widerspruch müssen wir aufarbeiten. Dazu werden wir das LKA befragen", sagte das Ausschussmitglied.  ... Die Aufarbeitung des Attentats mit zwölf Toten und mehr als 60 Verletzten brachte eine Reihe von Ermittlungspannen und Fehleinschätzungen der Sicherheitsbehörden ans Licht.


Aus: "Neue Fragen im Fall Anis Amri" Peter Berger (20.10.2017)
Quelle: http://www.fr.de/politik/terror/terror-neue-fragen-im-fall-anis-amri-a-1372598

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Quote[...] Ein V-Mann soll Anis Amri, den Attentäter vom Breitscheidplatz im vergangenen Dezember, zu Anschlägen angestachelt haben. Der als Spitzel des Landeskriminalamtes Nordrhein-Westfalen (LKA NRW) tätige Mann war im Umfeld des islamistischen Predigers Abu Walaa aus Hildesheim aktiv und näher an Amri dran, als bislang bekannt. Das berichten die ,,Berliner Morgenpost" und der RBB. Sie berufen sich auf mit der Szene befasste Anwälte und frühere Anhänger der sogenannten Abu-Walaa-Gruppe.

Der V-Mann ist türkischer Herkunft und wurde als sogenannte ,,Vertrauensperson" VP-01 und als ,,Murat" von der Landespolizei in Düsseldorf geführt. In anderen Fällen hatte er die Behörden offenbar über gefährliche Islamisten informiert. Unbestätigten Angaben zufolge befindet er sich im Zeugenschutz. VP-01 soll im vergangenen Jahr in der Szene von einem Anschlag mit einem Lkw gesprochen haben, und dass es dafür ,,gute Männer" brauche. Bekannt war, dass VP-01 im Umfeld der Abu-Walaa-Gruppe aktiv war – einer festen Clique von Anhängern des ,,Islamischen Staates", die vor allem in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen aktiv war.

Abu Walaa heißt eigentlich Ahmad Abdulaziz Abdullah A. und ist irakischer Flüchtling, der 2001 nach Deutschland kam. Derzeit wird gegen ihn wegen Terrorismusvorwurfs vor dem Oberlandesgericht Celle verhandelt.

,,Morgenpost" und RBB zufolge hat ein Mitglied der Gruppe kurz nach dem Anschlag ausgesagt, statt zum Krieg in den Nahen Osten zu ziehen, habe VP-01 zu Abu-Walaa-Anhängern gesagt: ,,Komm, du hast eh' keinen Pass, mach hier was, mach einen Anschlag." Inwiefern der bis Juni 2017 amtierende NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) von den Vorgängen wusste, war am Donnerstag nicht zu klären. An diesem Freitag tagt in Düsseldorf der Amri-Untersuchungsausschuss erneut, um mögliche Versäumnisse aufzuklären. Am 10. November trifft sich der entsprechende Ausschuss des Berliner Landesparlaments. Ein Sprecher von Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte, von den V-Mann-Vorwürfen habe man am Donnerstag aus der Presse erfahren.

Rechtlich ist geregelt, dass V-Personen nicht zu Straftaten animieren dürfen. In der Praxis dürfte das dennoch regelmäßig geschehen, schon weil die meisten Spitzel aus kriminellen Milieus stammen.

Im Fall Amri gab es zahlreiche Pannen. ,,Es gab in fast allen Bereichen Fehler, Versäumnisse, Unregelmäßigkeiten oder organisatorische und strukturelle Mängel unterschiedlicher Schwere", hatte der vom Senat eingesetzte Sonderermittler, Ex-Bundesanwalt Bruno Jost, kürzlich gesagt. Das ZDF wiederum meldete vor wenigen Tagen, dass ein Nachbar Amris in einer NRW-Asylunterkunft die Behörden vor dem späteren Attentäter gewarnt habe.

Demnach schilderte der Syrer im Herbst 2015 dem Sozialarbeiter seines Heims und im Sommer 2016 einem Mitarbeiter des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, dass Amri ein gefährlicher Islamist mit Kontakten zum ,,Islamischen Staat" sei. Die Polizei habe den Zeugen aber erst nach dem Berliner Anschlag vom 19. Dezember 2016 vernommen.

Amri war ein 24 Jahre alter Asylbewerber aus Tunesien, handelte mit Drogen, stahl, prügelte und besuchte einschlägige Moscheen in Berlin. Mit einem entführten Laster raste er in den Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz. Zwölf Menschen starben, rund 60 wurden verletzt.

Quote1964 20.10.2017, 09:58 Uhr
Wenn das stimmen sollte und es dafür gerichtsfeste Beweise gibt, dann handelt es sich hierbei wohl um staatlich betreuten Terrorismus. ...


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Aus: "Attentat auf Berliner Breitscheidplatz: Anis Amri wurde möglicherweise von V-Mann angestachelt" (19.10.2017)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/berlin/attentat-auf-berliner-breitscheidplatz-anis-amri-wurde-moeglicherweise-von-v-mann-angestachelt/20479546.html

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Quote[...] Ein als VP-01 von der Polizei in NRW geführter Spitzel soll unter dem Namen "Murat" womöglich den Asylbewerber Anis Amri zu seinem Anschlag ermutigt haben. Immer wieder hatte es politischen Streit um den Einsatz von Spitzeln der Polizei gegeben – vor allem unter Dealer- und Hehlerbanden, Islamisten sowie Rechtsradikalen.

Unabhängig vom aktuellen Fall, aber mit Blick auf die Debatte, sagte der Berliner Landeschef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Michael Böhl, dem Tagesspiegel: "Es gibt keine Garantie, V-Leuten vertrauen zu können. Aber die Polizei braucht ihre Einblicke in sonst geschlossene Szenen. Oft wenden sie sich Männer aus entsprechenden Milieus selbst an die Polizei und erhoffen sich Vorteile wie Strafrabatt oder Geld." Die Ermittler wüssten in der Regel, dass V-Leute selten verlässlich seien. "Bei besonders Geltungssüchtigen wird die Zusammenarbeit beendet", sagt BDK-Landeschef Böhl. "Ein großer Teil derjenigen, die angeworben werden sollen, wird noch während der Überprüfung fallengelassen."

Rechtlich ist geregelt, dass V-Personen nicht zu Straftaten animieren dürfen. In der Praxis geschieht dies schon deshalb, weil die meisten Spitzel eben aus kriminellen Milieus stammen. Ein anderes Problem ergibt sich aus der Überforderung der Ämter. Derzeit wird in Berlin von fast 100 Gefährdern ausgegangen, also aktiven Islamisten, denen nach oft monatelanger Beobachtung ein Terrorakt zugetraut wird. Sicherheitsexperten erwarten, dass es mittelfristig eher mehr Gefährder geben wird. Die Zahl der potenziellen Terroristen steigt schon deshalb, weil die Szene fanatischer Islamisten insgesamt größer wird.

Der Chef des Berliner Verfassungsschutzes, Bernd Palenda, hatte vor einigen Wochen erklärt, dass man von 880 Salafisten allein in Berlin ausgehe, von denen 410 gewaltbereit seien. Eine Überwachung dieser Männer halten Fachpolitiker aller Parteien für angemessen - nur mangelt es vor allem in Berlin an Personal dafür. Für eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung sind 25 Beamte im Schichtbetrieb nötig. Würden die bald 100 Berliner Gefährder, denen ein Anschlag zugetraut wird, dauerhaft observiert, bräuchte die Stadt dafür mehr als 2500 Beamte – vorhanden sind nicht mal 200 Observationskräfte.

Der tunesische Flüchtling Anis Amri etwa in Berlin war nicht in den Nächten oberserviert worden - also zu jenen Stunden, in denen er als Dealer, Hehler und Schläger oft unterwegs war. Amri ermordete im Dezember 2016 zwölf Männer und Frauen und verletzte fast 60 Opfer zum Teil schwer.


Aus: "Kripo-Gewerkschafter verteidigt V-Mann-Einsätze" Hannes Heine (20.10.2017)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/fall-anis-amri-kripo-gewerkschafter-verteidigt-v-mann-einsaetze/20483870.html

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Quote[...] Mehr als 28 Jahre nach dem Mauerfall liegen noch immer Millionen Schnipsel zerrissener Stasi-Akten ungenutzt in Säcken. Das werde vorerst so bleiben, die massenhafte Rekonstruktion am Computer komme nicht weiter voran, sagte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, der Deutschen Presse-Agentur. Das Fraunhofer Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik habe eine leistungsfähige Software entwickelt, doch es gebe keine entsprechenden Scanner. Das Projekt sei vorerst gestoppt.

Vor zehn Jahren war das Vorhaben gestartet, mit dem die Papiere virtuell zusammengesetzt werden sollten. Etwa sieben Millionen Euro wurden investiert. Erschlossen wurde der Inhalt von 23 Säcken, was 91.000 Seiten entspricht. Auch das Zusammenfügen von Stasi-Papieren per Hand im bayerischen Zirndorf wurde Ende 2015 beendet. Die von Stasi-Offizieren zerfetzten Papiere in rund 15.500 Säcken sind noch nicht erschlossen. (dpa)


Aus: "Aufarbeitung der SED-Diktatur: Rekonstruktion zerrissener Stasi-Akten scheitert an der Technik" (02.01.2018)
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/politik/aufarbeitung-der-sed-diktatur-rekonstruktion-zerrissener-stasi-akten-scheitert-an-der-technik/20803970.html

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Quote[...] Bei der Stasi-Unterlagenbehörde sind seit ihrem Bestehen mehr als 3,2 Millionen Anträge auf persönliche Einsicht in Akten der DDR-Staatssicherheit gestellt worden. In diesem Jahr seien es bis Ende November etwa 46.300 Anträge gewesen, sagte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn. 2016 waren es insgesamt 48.600 Anträge. Obwohl die Zahlen langfristig zurückgingen, sei das Interesse noch höher, als anfangs erwartet.

Manche Menschen wagten erst jetzt als Rentner den Blick in die Vergangenheit und beantragten Akteneinsicht, sagte Jahn. Es gebe noch die Angst zu entdecken, von Nachbarn oder Freunden bespitzelt worden zu sein, so der frühere DDR-Oppositionelle. Neu seien auch verstärkte Nachfragen der ,,Enkelgeneration", die mehr über das Leben gestorbener Familienangehöriger wissen wolle. Diese Anträge machten mittlerweile 15 Prozent der Erstanträge aus.

,,Die Akten klären Schicksale auf, sie sind Dokumente von Menschenrechtsverletzungen und nach wie vor ein wichtiges Instrument der Aufarbeitung", so der 64-Jährige. Seit 1992 gibt es die Möglichkeit zur persönlichen Einsicht in Unterlagen, die die Stasi über Menschen ohne deren Wissen geführt hat. Als erste konnten DDR-Bürgerrechtler wie Bärbel Bohley in der neu gegründeten Stasi-Unterlagen-Behörde in Papieren lesen, die die Geheimpolizei über ihr Leben angelegt hatte. Allein 1992 wurden laut Behörde in Ostdeutschland fast 522.000 Anträge auf Akteneinsicht gestellt.

Derzeit können laut Jahn zwei Drittel der Anträge in wenigen Wochen beantwortet werden. Bei dem Rest müsse noch sehr viel aufwendiger im riesigen Stasi-Archiv recherchiert werden – auch um Verwechslungen auszuschließen. Das könne Monate dauern. ,,Bei einem Drittel der Anträge sind die Wartezeiten auf eine Antwort noch immer zu lang. Aber das spricht auch für die hohe Qualität der Auskünfte", so Jahn. Rund eine Million Bürger stellte bereits mehrmals Anträge.

Der Berg der noch offenen Anträge werde weiter abgetragen, versicherte Jahn. Gab es 2016 noch rund 54.400 nicht abgeschlossene Fälle, seien es in diesem Jahr etwa 43.300.

Die meisten Anträge auf Akteneinsicht wurden in diesem Jahr in der Hauptstadt gestellt – laut Bundesbehörde rund 13.200 (bis Ende November). Das waren fast genauso viele wie im gesamten Jahr 2016. Seit 1992 kamen hier rund 782.400 Anträge zusammen.

Im Nachbarland Brandenburg gingen in der Außenstelle Frankfurt (Oder) seit Januar rund 2000 Anträge auf persönliche Einsicht in die Akten ein (bis Ende November), etwa 500 weniger als im ganzen Jahr 2016. In Brandenburg waren es seit Bestehen der Bundesbehörde mit ihren Außenstellen rund 305.400 Anträge.

In Sachsen wurden in drei Außenstellen der Behörde in diesem Jahr 12.430 Anträge (bis Ende November) von Bürgern abgegeben. Das waren demnach etwa 940 weniger als im Jahr zuvor. Insgesamt summierte sich im Freistaat die Anzahl der Anträge auf knapp 839.300 seit Bestehen der Behörde.

In Sachsen-Anhalt betrug die Zahl der Anträge in diesem Jahr (bis Ende November) etwa 5900 (2016: knapp 6700). Insgesamt wurde etwa 404.100 Mal die persönliche Akteneinsicht beantragt, seitdem das möglich ist.

In Thüringen nahmen die Mitarbeiter in den Außenstellen der Bundesbehörde rund 7400 Anträge (bis Ende November) entgegen, während es im gesamten Vorjahr rund 7900 waren. Die Gesamtzahl der Anträge belief sich laut Angaben der Behörde seit 1992 auf 525.400.

In Mecklenburg-Vorpommern gingen in diesem Jahr rund 5300 Anträge ein (bis Ende November). Im vergangenen Jahr waren es etwa 530 Anträge mehr. Die Gesamtzahl der Anträge auf persönliche Einsicht in die Akten seit 1992 wurde mit rund 351.230 angegeben.

Nach Angaben der Behörde werden im Dezember erfahrungsgemäß nicht mehr sehr viele Anträge gestellt. Die Zahlen für das gesamte Jahr 2017 dürften sich deshalb nicht wesentlich erhöhen.

Jahn zeigte sich überzeugt, dass es die persönliche Einsicht in die Stasi-Papiere dauerhaft geben wird. Derzeit würden zusammen mit dem Bundesarchiv Vorschläge zur Zukunft des Stasi-Unterlagen-Archivs erarbeitet, so Jahn.

Eine Expertenkommission hatte empfohlen, die Stasi-Akten bis 2021 ins Bundesarchiv zu überführen, eine Stiftung einzurichten und die frühere Stasi-Zentrale in Lichtenberg zum ,,Ort der Aufklärung über Diktatur und Widerstand" weiterzuentwickeln. Doch Opferverbände befürchteten eine Abwicklung der Behörde. Die Vorschläge wurden auf Eis gelegt. Über Veränderungen muss der Bundestag entscheiden. Schnelle Beschlüsse sind aber nicht zu erwarten. (dpa)



Aus: "Stasi-Akten Mehr Antragsteller für Einsicht" Jutta Schütz (28.12.2017)
Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/berlin/stasi-akten-mehr-antragsteller-fuer-einsicht-29399358

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Quote[...] Die frühere Stasi-Zentrale in Berlin wird weiter zum Lernort für Geschichte ausgebaut. Eine neue Dauerausstellung im riesigen Archiv mit original erhaltenen Akten der DDR-Staatssicherheit solle voraussichtlich im Juni eröffnet werden.

Das sagte der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, der Deutschen Presse-Agentur. «Der Campus für Demokratie nimmt Kontur an. Der Ort der Repression und der friedlichen Revolution wird nun immer mehr zum Ort der Aufklärung über Diktatur und Widerstand.»

Im damaligen Ost-Berliner Stadtteil Lichtenberg residierte das DDR-Ministerium für Staatssicherheit ( MfS) in einem abgeschotteten Gebäude-Komplex mit Tausenden Mitarbeitern. Nach dem Mauerfall retteten Bürgerrechtler und aufgebrachte Einwohner durch die Erstürmung der Zentrale einen großen Teil der Papiere vor der Vernichtung. Insgesamt blieben rund 111 Kilometer Stasi-Akten erhalten.

Die Ausstellung mit dem Titel «Einblick ins Geheime» soll auf drei Etagen im teilsanierten Haus 7 gezeigt werden. Bislang gab es nur limitierte Führungen durch das Archiv. Nun wird ein separater Bereich mit extra Eingang für die Ausstellung geschaffen. Großformatige Fotos, die Installation eines Aktenstapels, ein original Karteischrank und eine begehbare Akte gehören dazu. In dem dann offenen Teil des Hauses könnten Besucher die Arbeitsweise des MfS als Teil der SED-Diktatur erkunden, so der frühere DDR-Oppositionelle.

Ziel sei, die Unterschiede zwischen Damals und Heute deutlich zu machen, betonte Jahn. Legte die Stasi einst Akten zur Überwachung von Menschen an, seien sie heute am historischen Ort ein wichtiges Instrument zur Aufarbeitung. Dabei müsse jetzt die Brücke zur nächsten Generation gebaut werden. Auch international gebe es weiter ein großes Interesse an der Arbeit des Archivs.

Der Bundesbeauftragte will das einstige Machtzentrum der Stasi zum Lernort für Demokratie entwickeln. Im Haus 1, dem einstigen Amtssitz von Stasi-Chef Erich Mielke gibt es seit 2015 eine Dauerausstellung zum Wirken der Staatssicherheit, auf dem Innenhof eröffnete im Vorjahr eine Open-Air-Ausstellung zur friedlichen Revolution. Aus dem einstigen Casino für Stasi-Offiziere (Haus 22) soll ein Informationszentrum mit Bücherladen zur SED-Diktatur, Seminarräumen und einem Lesecafé werden.

Zur Zukunft der Behörde mit derzeit 1600 Mitarbeitern sagte Jahn, bis zum 30. Jahrestag des Mauerfalls im November 2019 sollten die Weichen gestellt sein. Derzeit erarbeiteten seine Behörde und das Bundesarchiv Vorschläge. «Wir gestalten den Transformationsprozess Schritt für Schritt. Doch dann muss der Bundestag entscheiden», betonte Jahn. Derzeit würden Machbarkeitsstudien zur Zusammenlegung von Archivbeständen in den ostdeutschen Bundesländern vorbereitet.

Vor mehr als einem Jahr hatte eine Expertenkommission empfohlen, die Stasi-Akten bis 2021 ins Bundesarchiv zu überführen, eine Stiftung einzurichten und die frühere Stasi-Zentrale als Lernort weiterzuentwickeln. Doch Opferverbände befürchteten eine Abwicklung der Behörde. Die Vorschläge wurden auf Eis gelegt. Nun soll über den Umbau der Behörde in dieser Legislaturperiode entschieden werden. Alle konkreten Fragen sind aber offen.

dpa


Aus: "Neue Ausstellung in früherer Stasi-Zentrale" (17.12.2017)
Quelle: https://www.stern.de/politik/deutschland/-einblick-ins-geheime--neue-ausstellung-in-frueherer-stasi-zentrale-7792560.html

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Quote[...] Am 29. Mai 1993 um 1.42 Uhr geht ein Anruf bei der Feuerwehr im rheinischen Solingen ein. In der Unteren Wernerstraße brennt ein Haus. Fünf Minuten später sind die Rettungskräfte da. Sie sehen Gürsün Inçe mit ihrer Tochter im Arm auf einer Fensterbank im Giebel des Hauses hocken. Noch ehe die Feuerwehrmänner ein Rettungskissen aufpumpen können, springt die 27-Jährige aus dem Fenster.

Ihre damals drei Jahre alte Tochter Güldane überlebt den Sturz mit schweren Verletzungen. Die Mutter nicht. Fünf Frauen und Mädchen sterben beim Brandanschlag von Solingen. Die Täter waren vier Neonazis, damals zwischen 16 und 23 Jahre alt. Ihr Motiv: Rassismus. Das "Türkenhaus" sollte brennen.

Drei von ihnen – Felix K., Markus G. und Christian B. – waren in der Tatnacht gemeinsam bei einem Polterabend. Dort gab es Streit, es ging um rassistische Beleidigungen gegenüber einer schwarzen Partybesucherin. Auf den Streit folgten Schläge, die drei mussten die Party verlassen. Unterwegs trafen sie Christian R. Alle vier kannten sich, drei von ihnen trainierten in derselben Kampfsportschule. Und sie waren Mitglieder einer großen Clique von neonazistischen Skinheads.

Auch Christian R. hatte in dieser Nacht schlechte Laune. Die "Türkenkinder" aus dem Nachbarhaus nervten ihn, wie er später bei der Polizei aussagte. Am frühen Abend hatte er schon angekündigt, das "Türkenhaus" anzünden zu wollen. Gegenüber zwei Freunden prahlte er, in zwei Wochen wäre es soweit. Skinheads aus Düsseldorf und Hilden würden ihm dabei helfen. Doch dann nahmen es die vier Solinger am 29. Mai selbst in die Hand.

Nach 127 Prozesstagen, Geständnissen und deren Rücknahme endete der Gerichtsprozess gegen die Täter im Oktober 1995. Markus G. bekam eine 15-jährige Haftstrafe. Die anderen Täter, die nach dem Jugendstrafrecht verurteilt wurden, erhielten zehn Jahre.

Im Prozess um den Anschlag gestand G. erst, nahm die Aussage dann jedoch zurück. In mehreren Interviews zum 20. Jahrestag des Brandanschlags erklärte er, dass er sich vom rechten Gedankengut distanzieren würde und er die Tat nicht begangen habe. Christian R. – der einzige Täter, der sein Geständnis aufrechterhielt – lebt heute am Rand des Ruhrgebiets. Er war nach seiner Haftentlassung der Neonaziszene treu geblieben und wurde vor einigen Jahren, nachdem er bei einem rechten Aufmarsch den Hitlergruß gezeigt hatte, erneut zu einer Haftstrafe verurteilt.

Der Höhepunkt während des Solingen-Prozesses: die Selbstenttarnung eines V-Mannes des Verfassungsschutzes. Denn auch wenn die drei Täter neben Christian R. einen recht unterschiedlichen Hintergrund hatten – Felix K. etwa ist Arztsohn, seine Eltern gelten als linksliberal; der Vater von Christian B. war Handwerker; Markus G. hatte 1990 seine Mutter verloren, sein Vater war Alkoholiker – so einte die drei doch eines: Sie waren in der Kampfsportschule Hak Pao (Schwarzer Panther) aktiv. Rückblickend erscheint wahrscheinlich, dass die späteren Mörder hier radikalisiert wurden – bis zum Entschluss, aus Hass Jagd auf türkischstämmige Menschen zu machen.

Und hier kommt der Geheimdienst ins Spiel. Leiter der Schule, die sich vorwiegend aus Rechtsextremen zusammensetzte, war Bernd Schmitt. Der Kampfsportler pflegte in der Neonaziszene enge Kontakte – die machten ihn für den Verfassungsschutz interessant. Seit dem Frühjahr 1992 berichtete er an den Geheimdienst. Für Schmitt ein lohnendes Geschäft, weil er chronisch in Geldnot steckte.

Gespannt waren die Verfassungsschützer vor allem auf Informationen zu einer Organisation namens Nationalistische Front. Deren Vorsitzender, Meinolf Schönborn, hatte zu jener Zeit ein Konzept für Eingreiftruppen aus Neonazis unter Schmitts Führung entwickelt, die Schutzaufgaben bei Veranstaltungen und Demonstrationen übernehmen sollten. Schmitt sollte berichten, wie die rechtsextremen Rollkommandos aufgebaut wurden.

Schmitts Tätigkeit für den Verfassungsschutz kam im Prozess um den Brandanschlag heraus. Über seine V-Mann-Arbeit war so viel spekuliert worden, dass der Richter ihn fragte, ob er eine Aussagegenehmigung vom Verfassungsschutz brauche. Schmitt bejahte.

Die Enthüllung brachte den damaligen Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Herbert Schnoor (SPD), unter Druck. Schnoor sagte, Schmitt sei immer "nachrichtenehrlich" gewesen, bedauerte im Landtag aber den Verlust eines wichtigen Informanten. Und er betonte: Weder der Verfassungsschutz noch Schmitt hätten zur Radikalisierung von rechten Jugendlichen beigetragen. Man könne "das Böse hinter den Tätern nicht dingfest" machen.

Erwin Dähler von der Antifaschistischen Initiative Wuppertal sieht das anders. Ihn ärgert, dass es keine Konsequenzen für die Menschen gab, die nicht verhinderten, dass die Brandstifter "indoktriniert" wurden – in der Kampfsportgruppe Hak Pao. Er nennt den Innenminister, den damaligen Verfassungsschutzchef und den örtlichen Polizeipräsidenten.

Dähler ist seit Jahrzehnten in der antifaschistischen Bewegung aktiv. Selbstkritisch räumt er ein, man habe damals nicht "erkannt und ernst genommen", welche Gefahr von der Kampfsportschule ausging. Vor allem aber habe der Staat nicht aus "den Fehlern von Solingen" gelernt. Dies zeigten die zahlreichen V-Leute im Umfeld der Terrorgruppe NSU und im Fall Anis Amri, des Attentäters vom Berliner Weihnachtsmarkt. Auch dort hätten V-Leute "zu Anschlägen animiert", sagt Dähler.

Die Grünen im NRW-Landtag forderten, nachdem der Skandal um Schmitt und seine undurchsichtige Rolle bekannt wurde, die Abschaffung des V-Mann-Systems. Dazu kam es nicht. So konnten auch in den letzten Jahren immer wieder V-Leute aus Nordrhein-Westfalen für Aufsehen sorgen – beispielsweise Sebastian Seemann, ein in der Neonaziszene gut eingebundener V-Mann, der im Raum Dortmund am Aufbau von Strukturen der Terrorgruppe Combat 18 mitarbeitete. Außerdem besteht der Verdacht, dass ein V-Mann des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen Islamisten zu Anschlägen aufgerufen hat.




Aus: "Jugendliche Mörder und ein V-Mann" Sebastian Weiermann (29. Mai 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2018-05/anschlag-solingen-neonazis-informanten-fremdenfeindlichkeit/komplettansicht

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Quote[...] Ist die Polizei außer Rand und Band oder sind verdeckte Ermittlungen ein notwendiges Übel?

Diese Frage stellten sich viele Menschen nachdem allein in Hamburgs linker Szene drei Verdeckte Ermittlerinnen in eineinhalb Jahren mit großem Knall aufgeflogen sind. Zeit, sich einige Grundsatzfragen zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit ganz konkret zu stellen. Und das Spannungsfeld staatlicher Interessen und individueller Bürgerrechte genauer zu beleuchten. Edward Snowdens Enthüllungen über die NSA haben uns dafür sensibilisiert.

Wenn dann aber, wie im Fall der Iris P., Verdeckte Ermittlerinnen alle Register ziehen und sogar Liebesbeziehungen zu Ausgeforschten eingehen, nimmt das Drama vor hochpolitischem Hintergrund seinen Lauf. Abstrakt scheinende politische und ethische Grundsatzfragen zum Verhältnis von Freiheit und Sicherheit werden ganz konkret und nah am Menschen gestellt.

    * Darf der Staat in die Privat- und Intimsphäre von Menschen eindringen?
    * Wie frei ist man, wenn es keinen Raum für Vertrauliches gibt?
    * Wann ist Demokratie durch Überwachung gefährdet?

Die Undercover-Einsätze der Iris P. in Hamburg und des Simon B. in Heidelberg sind voller unglaublicher Wendungen und vereinigen grundsätzliche ethische und politische Themen und Fragen in sich. Und darüber hinaus hat er so viele spannende psychologische und soziale Facetten, fordert zum Perspektivwechsel heraus – hier Staat, da linke Aktivisten aus Hamburg und Heidelberg. Hier die Freiheit der Persönlichkeit, das Recht, andere Lebensformen zu wählen und da die postulierten Sicherheitsinteressen des Staates.

Wir wollten diese Geschichten erzählen und haben dafür eine Spendenkampagne gestartet. Ergebnis: 11.290 Euro. Dank der Spenderinnen und Spender konnte der Film am 10. Juni 2017 bundesweit in vielen Kinos starten. Seitdem hat sich IM INNEREN KREIS von einem spendenfinanzierten Mini-Budget-Film zu einem der erfolgreichsten unabhängigen politischen Dokumentarfilme der letzte Jahre aus Deutschland entwickelt.

Dazu trug natürlich auch das außergewöhnlich große Medienecho auf den Film bei: Berichte im Spiegel, der Süddeutschen Zeitung sowie großaufgemachte -und fast durchweg positive- Besprechungen in zahlreichen regionalen und überregionalen Zeitungen und Magazinen (z.B. Vice, Stern, Taz, Intro, Neues Deutschland, jungle world, Junge Welt) oder Radiosendern (z.B. Radio Eins, SWR). Auch nach nunmehr 11 Monaten mit mehreren hundert Vorführungen im Kino (Stand: Mai 2018) und tausenden Besucher*innen in ca. 60 Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, zieht der Film immer weiter seine Kreise: In Kürze wird IM INNEREN KREIS auch in weiteren Ländern zu sehen sein.

Wichtiger als die Zuschauerzahlen und gute Kritiken ist uns aber, dass der Film im Diskurs zum Thema Überwachung einen wichtigen Kontrapunkt gegen die Ausweitung der Überwachung setzt, indem er die individuellen und gesellschaftlichen Folgen von Überwachung hautnah zeigt. Und es ist die Anerkennung für uns Filmemacher*innen, dass der Film so auch im Rahmen von Sondervorführungen für Fußballvereine, Parteien, politischen Gruppen, Universitäten und Schulklassen diskutiert wird. Vielen Dank an alle Spender*innen und Besucher*innen, die das ermöglicht haben!

Mitwirkende: Überwachte Menschen aus der Roten Flora in Hamburg und aus Heidelberg, der Generalbundesanwalt a.D. Kay Nehm, der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum und viele andere.

...

Webseite: http://www.iminnerenkreis-doku.de/



Aus: "Der Hintergrund" (Stand: 2018)
Quelle: http://www.iminnerenkreis-doku.de/informationen

http://www.iminnerenkreis-doku.de/blog

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Quote[...] Der im November enttarnte V-Mann des niedersächsischen Verfassungsschutzes ist gemeinsam mit Göttinger Autonomen zum G-20-Gipfel nach Hamburg gereist und hat dort mit Straßenblockaden Regierungskonvois behindert. Wie der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe unter Verweis auf Zeugenaussagen und interne Dokumente berichtet, war der V-Mann an diversen Aktionen der "Basisdemokratischen Linken" beteiligt, die er für den Verfassungsschutz ausspionierte.

Mit einer Gruppe von sieben oder acht Autonomen fuhr er im Juli 2017 zum G20-Gipfel nach Hamburg. Die Aktivisten trugen Rucksäcke mit Kleidung zum Wechseln. Mal traten sie vermummt in Schwarz auf, mal in bunter Zivilkleidung zu Aktionen wie "Colour the Red Zone". Der V-Mann blockierte Konvois und ließ sich wegtragen. Zweimal wurde er vorübergehend in Gewahrsam genommen, seine Personalien nahm die Polizei aber nicht auf. Anschließend berichtete er dem Verfassungsschutz von den Einsätzen.

Wie der SPIEGEL weiter berichtet, sollte der Student in Göttingen eigentlich eine militantere Gruppe unterwandern. Doch dort fand er keinen Zugang. Darum ging er zum öffentlichen "Einstiegsabend" der "Basisdemokratischen Linken", die sich als "post-autonom" und linksradikal bezeichnet, aber noch nicht durch Gewalttaten oder Terror in Erscheinung getreten ist. Im November wurde der V-Mann durch schwerwiegende Fehler des Verfassungsschutzes enttarnt. Präsidentin Maren Brandenburger musste daraufhin ihren Posten räumen.


Aus: "G20-Gipfel in Hamburg: V-Mann des Verfassungsschutzes blockierte Regierungskonvois" (04.01.2019)
Quelle: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/g20-in-hamburg-v-mann-des-verfassungsschutzes-blockierte-regierungskonvois-a-1246390.html

QuoteNiteftef heute, 14:09 Uhr
1. Armutszeugnis

Ich schaffe es nicht, eine möglicherweise gewaltbereite Gruppe zu unterwandern, deshalb spioniere ich eben irgendwelche anderen aus, Spionage ist ja auch an sich nichts verwerfliches und sollte nur in begründeten Einzelfällen verwendet werden und dann mache ich in offiziellem Auftrag das, was ich verhindern soll...


QuoteDr. Kilad heute, 14:42 Uhr
6. Tatbeteiligung von VS und Polizei ist nichts besonderes - Nur sollten die Medien daraus lernen. Ein sich strafbar verhaltener Demonstrant, muss kein Demonstrant sein. ...


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Quote[...] Die deutsche Wirtschaft bleibt weiter ein starker Akteur im umstrittenen Markt für Überwachungstechnik. So hat die Bundesregierung in den vergangenen fünf Jahren den Export von Spähsystemen im Wert von mehr als 26 Millionen Euro genehmigt. Zu den Zielländern gehörten Staaten wie Ägypten, Katar, Saudi-Arabien oder die Vereinigten Arabischen Emirate, in denen es oft zu Menschenrechtsverstößen kommt. Laut Kritikern wird die Abhörtechnik auch eingesetzt, um Aktivisten oder Journalisten auszuspionieren.

Konkret hat die Bundesregierung 13 mal den Export von Technologie zur Telekommunikationsüberwachung und in 15 Fällen die Ausfuhr von Ausrüstung für Überwachungszentren und zur Vorratsdatenspeicherung gebilligt. Dies geht aus einer Antwort der Exekutive auf eine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervor, über die der NDR vorab berichtet.

Ägypten hat demnach 2015 und 2019 Abhörsysteme für Sprachtelefonie, die in der Regel auch Fähigkeiten zur Vorratsspeicherung von Verbindungsdaten umfassen, im Wert von fast zwei Millionen Euro erworben. Brunei hat 2016 und 2019 Überwachungstechnologie im Gesamtwert von fast 1,3 Millionen Euro von deutschen Firmen importiert. Das Sultanat war im April international in die Kritik geraten, weil das Land zeitweise die Todesstrafe für gleichgeschlechtlichen Sex eingeführt hatte.

Hiesige Unternehmen erhielten zudem 2015, 2016 und 2018 jeweils eine Lizenz zur Ausfuhr von Spähtechnik nach Katar mit einem Auftragsvolumen von mehr als einer Million Euro. Dabei soll es sich um Folgeaufträge aus früheren Exporten gehandelt haben. Auf Saudi-Arabien entfällt eine Exportgenehmigung mit einer vergleichsweise überschaubaren Summe von 1142 Euro. Mit teils deutlich größeren Werten stehen auf der Liste etwa auch der Libanon, Tunesien, Algerien, Indien oder Indonesien.

Die Zahlen überraschen, da die Bundesregierung eigentlich schon 2015 Lücken in der Exportkontrolle von Spähsoftware schließen wollte. Laut einem damaligen Beschluss zur Reform der Außenwirtschaftsverordnung bedürfen Überwachungssysteme für Sprachtelefonie und zur Vorratsdatenspeicherung zumindest einer Genehmigung und dürfen nicht mehr unkontrolliert ausgeführt werden. Schon 2017 hatte sich aber erstmals gezeigt, dass die Bundesregierung einschlägige Exporte in großem Stil auch in autoritäre Staaten erlaubte.

Rätselhaft bleibt auch mit dem Bescheid, wie türkische Oppositionelle vor wenigen Jahren offenbar mit Trojanern deutschen Ursprungs ausgespäht werden konnten. Zum Einsatz gekommen sein soll dabei ein Produkt der Münchner Firma FinFisher alias Gamma Group, die auch das Bundeskriminalamt (BKA) mit einem Staatstrojaner beliefert. Die Bundesregierung schreibt nun nur, dass für die einschlägige Produktgruppe keine Genehmigungen erteilt worden seien. Für Christian Mihr, Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen in Deutschland, passt das alles nicht zusammen. Die Exportkontrollen müssen ihm zufolge dringend überarbeitet werden, "sowohl auf europäischer als auch auf globaler Ebene".

Auf EU-Ebene soll eine Reform der Verordnung über den Export von Gütern, die sowohl militärisch als auch zivil genutzt werden können (Dual Use) genutzt werden können, eigentlich die Ausfuhr von Überwachungstechnik weiter erschweren. Das vom EU-Parlament unterstützte Vorhaben droht im EU-Ministerrat aber am Widerstand auch von Deutschland zu scheitern. Die FDP bezeichnete es fatal, dass die Bundesregierung trotz dokumentierter Fälle von Missbrauch digitaler Software menschenrechtliche Durchgriffsmöglichkeiten torpediere und in ihrer eigenen Exportpraxis massive Mängel zeige. (bme)


Aus: "Überwachungstechnik: Deutsche Firmen beliefern kräftig weiter autoritäre Staaten" Stefan Krempl (22.06.2019)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Ueberwachungstechnik-Deutsche-Firmen-beliefern-kraeftig-weiter-autoritaere-Staaten-4453416.html

QuoteAl-Aziz, 22.06.2019 21:43

MORAL vs GELD - Gewinner: GELD

wie immer siegt geld vor menschen...lieber millionen tote...als 1 euro zu verlieren...ekelhaft, ...


QuoteLivinlight, 22.06.2019 16:03

business as usual

Hat hier irgendwer wirklich die Illusion, dass es um Moral, Verantwortung oder so geht?...


QuoteXMPP shill, 23.06.2019 22:49

Deutsches Traditionshandwerk

Überwachung ist ein urdeutsches Traditionshandwerk, klar dass man sich dieses Stück Kulturgut nicht nehmen lassen will.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wahrscheinlich könnten die amerikanischen Geheimdienste problemlos herausfinden, dass Sie gerade diesen Text lesen. Und auch, wann Sie zuletzt eine E-Mail verschickt oder mit Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin telefoniert haben. Oder dass Sie sich gerade vor Ihrem Bildschirm am Kinn kratzen.

Noch vor wenigen Jahren hätten diese Sätze wie Paranoia geklungen – oder zumindest selbstbezogen. Es schien abseits von Science-Fiction- und Hollywoodfantasien nicht vorstellbar, dass die amerikanischen Geheimdienste jegliche Kommunikation aller Menschen weltweit speichern könnten. Dass sie jeden von uns ins Visier nehmen würden und diese Daten dann auch noch durchsuchen würden. Im Hintergrund, ohne das Wissen der Öffentlichkeit geschehen.

Seit dem 6. Juni 2013 ist klar, dass dies der Realität ziemlich nahe kommt. Damals erschien ein Bericht im britischen Guardian mit dem nüchternen Titel "NSA collecting phone records of millions of Verizon customers daily": Die amerikanische National Security Agency (NSA) speichere täglich die Anruflisten aller Kundinnen und Kunden des Telekommunikationsdienstleisters Verizon. Der Bericht war der Anfang einer ganzen Kaskade von Artikeln, die einen unfassbaren Skandal aufdeckten: Die amerikanischen Geheimdienste überwachten Menschen weltweit – ohne dass die davon wussten. Unter Aufsicht einer demokratischen Regierung spionierten sie den Globus aus.

Die Quelle für diese Berichte waren Dokumente, die direkt aus der NSA kamen; von einer Person, die selbst einmal an diesem System mitgearbeitet, es durch ihre fachlichen Kenntnisse mitermöglicht hatte: Edward Snowden. Heute ist sein Name mit der NSA-Affäre, seine persönliche Geschichte mit den Veröffentlichungen verwoben. Es ist die Geschichte eines Mannes, der ursprünglich nur seinem Land dienen wollte – und schließlich einige seiner größten Geheimnisse enthüllte.

Der Weg von Edward Snowden wurde schon etliche Male in verschiedenen Varianten nachgezeichnet; in Zeitungsartikeln seine beruflichen Stationen, in der Dokumentation Citizenfour seine Enthüllungen in einem Hongkonger Hotelzimmer und in dem Hollywoodfilm Snowden mit Joseph Gordon-Levitt in der Hauptrolle sein restliches Leben. Einige Details gab Snowden auch selbst preis. Seine Autobiografie Permanent Record, die nun erschienen ist, könnte daher eine langweilige Nacherzählung dessen sein, was man sowieso schon irgendwie wissen konnte; ein mit Anekdoten gespickter Lebenslauf.

Aber Snowden schafft es, dem mehr hinzuzufügen. Er erzählt die Geschichte des Internets mit dem er groß wurde, von ersten anarchischen Strukturen in den Achtzigern bis zum Web heute, das längst von großen Unternehmen kontrolliert wird. Snowden zeichnet die jüngere Geschichte Amerikas, wie der 11. September die USA auf ihren Weg zum Sicherheitsstaat lenkte. Und seine individuellen Entscheidungen macht er verständlich, indem er die Überwachungssysteme und das Rechtssystem erklärt. Snowdens Autobiografie liest sich wie ein Plädoyer für die Privatsphäre. Und auch wie eine Bitte um Verständnis für seine Entscheidungen.

Man muss sich das bewusst machen: Die NSA entwickelte zahlreiche Tools, um den Internetverkehr zu überwachen. Ein digitales Werkzeug, das dabei besonders stark in die Privatsphäre von Nutzerinnen und Nutzern eindrang, hieß Turbulence. Damit konnte die Behörde jede URL weltweit prüfen. Tippte jemand etwa google.com in den Browser ein, durchlief diese Anfrage auch Server in Telekommunikationsfirmen und Botschaften. Ein weiteres Werkzeug namens Turmoil sammelte diese Daten – abgesehen von der URL etwa das Land, aus dem die Anfrage gestellt wurde. Schien irgendetwas verdächtig, wurde die Anfrage weiter an das Werkzeug Turbine geleitet, das sie auf die Server der NSA verwies. Automatisiert wurden dann Exploits, also Schadprogramme, mit der URL an den Nutzer geschickt. Während der also dachte, er würde schlicht Google abrufen, konnte die NSA von nun an alle seine Daten überwachen. So beschreibt es Snowden. Massenüberwachung per Mausklick.

Nur warum schien das außer Snowden niemand bei der NSA fragwürdig zu finden? Wie konnte es sein, dass niemand früher an die Öffentlichkeit ging? Zwar skizziert der Whistleblower in seinem Buch durchaus einzelne Verstöße, die Mitarbeiter begingen oder von denen sie wussten. Erzählte er seinen Kollegen von seinen Bedenken, erntete er oft nur ein Schulterzucken: "Was will man machen?"

Vielleicht war ihnen das Ausmaß der Überwachung gar nicht bewusst. Kein einzelner Agent habe jemals einfach zufällig während seiner Tätigkeit von allen Aktionen etwas mitbekommen können, schreibt Snowden. Auch weil die auf vielfältige technische Art und Weise begangen wurden. "Um auch nur die Spur einer strafbaren Handlung zu entdecken, musste man danach suchen. Und um danach suchen zu können, musste man wissen, dass es sie gab."

Es ist wahrscheinlich relativ leicht zu beantworten, warum Edward Snowden zum Whistleblower wurde: Ihn plagten sein Wissen und sein Gewissen. Schwieriger ist zu beantworten, wie seine Zweifel entstanden. Permanent Record zeigt: Es gab nicht die eine Situation, die besondere Grenzüberschreitung, die pikante Information, die Snowden zu seinem Schritt inspirierten.

Es begann banal: Er sollte auf einer Konferenz einen Vortrag über Chinas Fähigkeiten halten, amerikanische Agenten elektronisch zu verfolgen. Bei der Vorbereitung stieß er auf ein System totalitärer Kontrolle. Er las über Mechanismen und Geräte, mit denen Chinas Regierung täglich Anrufe und Internetverbindungen ihrer Bürgerinnen und Bürger sammelte, speicherte und auswertete. "Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass die USA so viele Informationen über das Treiben der Chinesen besaßen, ohne genau die gleichen Dinge zumindest ansatzweise auch selbst getan zu haben", schreibt Snowden. Es war nicht mehr als ein Verdacht. Einer, der ihn nicht mehr loslassen sollte.

Wie jemand, der Betrug in einer langjährigen Beziehung wittert, dämmerte es auch Snowden: Die ersten Zweifel kann man noch verdrängen, es gibt schließlich immer eine Erklärung. Aber irgendwann plagt einen das Unwissen, man will mehr herausfinden, fängt an zu recherchieren – auch wenn man vielleicht noch nicht weiß, wonach man sucht. Zumindest unterbewusst hat man da schon entschieden, dass man den tatsächlichen oder vermeintlichen Vertrauensbruch nicht länger hinnehmen will. 

Snowdens eigentliche Recherchephase begann auf Hawaii, an einem Ort, der The Tunnel genannt wird. Sein Büro lag unterhalb eines Ananasfeldes und hinein gelangte man über einen Tunnel. Seine aktive Suche nach Übergriffen der NSA habe nicht damit begonnen, dass er Dokumente kopiert, sondern dass er sie gelesen habe, schreibt Snowden. Er baute ein eigenes System, mit dem er Informationen aus allen möglichen Netzwerken zusammentrug. Seinen Chefs verkaufte er es als Forum für jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter: Sie würden alle die Dokumente sehen, die für sie relevant waren.

Die Ironie: Fast alle Dokumente, die Snowden später Journalistinnen und Journalisten übergeben würde, stammten aus diesem System, heißt es in dem Buch. Der damalige Geheimdienstmitarbeiter schmuggelte sie in SD-Karten auf Zauberwürfeln, im Mund oder einfach in der Hosentasche aus dem Gebäude. Unbemerkt.

Doch so sehr die von ihm gesammelten Erkenntnisse auch einschlugen: Blickt man zurück, scheint sich wenig verändert zu haben. Gesetze wie die europäische Datenschutzgrundverordnung vermitteln zumindest europäischen Bürgerinnen mehr digitale Rechte. Die NSA sammelt offenbar nicht mehr die Anruflisten aller Amerikanerinnen und Amerikaner. Und der Webverkehr ist mittlerweile oft verschlüsselt (selbst Messenger wie WhatsApp).

Und doch bleibt da das Gefühl, dass vielleicht irgendwo jemand permanent mithört, mitaufzeichnet, mitliest. Denn wenn irgendwas nach den Snowden-Enthüllungen klar ist, dann das: Der geheimdienstliche Durst nach Informationen wird niemals gestillt sein. Das zeigt sich auch in Deutschland, wo das Bundesinnenministerium gerne Hintertüren in verschlüsselte Kommunikation einbauen will. Obwohl das Ziel von Verschlüsselung das Gegenteil meint.

Machtlos sind Bürgerinnen und Bürger aber nicht. Verschlüsselung sei der einzig wirkliche Schutz gegen Überwachung, schreibt Snowden in seinem Buch. Jede Nation habe ihren Rechtskodex, doch der Computercode sei für alle gleich. Es sei einfacher, ein Smartphone zu verschlüsseln, als ein Gesetz zu verändern. Nun hat natürlich nicht jeder die IT-Kenntnisse von Snowden, das ist klar. Allerdings gibt es relativ einfache Wege, zumindest schon mal die eigenen E-Mails vor Mitleserinnen und Mitlesern zu schützen.

Das ist vielleicht die wichtigste Botschaft von Edward Snowden: Jeder kann sich wehren. Den Veröffentlichungstermins seines Buches wählte der Whistleblower aus seinem Asyl in Moskau nicht zufällig. In einem Video auf Twitter weist er darauf hin, dass der 17. September auch der Constitution Day in den USA ist: Vor genau 232 Jahren wurde an diesem Tag die amerikanische Verfassung unterzeichnet.

Im vierten Zusatz der US-Verfassung heißt es: "Das Recht des Volkes auf Sicherheit der Person und der Wohnung, der Urkunden und des Eigentums, vor willkürlicher Durchsuchung, Verhaftung und Beschlagnahmung darf nicht verletzt werden, und Haussuchungs- und Haftbefehle dürfen nur bei Vorliegen eines eidlich oder eidesstattlich erhärteten Rechtsgrundes ausgestellt werden und müssen die zu durchsuchende Örtlichkeit und die in Gewahrsam zu nehmenden Personen oder Gegenstände genau bezeichnen." Kurz: Ohne Verdacht darf es keine Durchsuchung geben.

Versteht man das Internet als digitalen Raum, müsste dieser Zusatz auch dort gelten.

Edward Snowden:  Permanent Record – Meine Geschichte
S. Fischer Verlag, 2019; 432 Seiten



Aus: ""Permanent Record": Weil die wissen, was Sie tun" Eine Rezension von Lisa Hegemann (17. September 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2019-09/permanent-record-edward-snowden-whistleblower-cia-nsa-autobiografie-rezension/komplettansicht

QuoteMinilieb #2.1

Letztendlich bestätigt er, dass unser Werte- und Demokratiekonstrukt solange trägt, wie niemand richtig hinsieht. Diese Erkenntnis ist bedrückend. Ja, wir leben in einer Demokratie, haben ein Grundgesetz, benehmen uns zivilisiert.

Letztendlich ist das behördliche Misstrauen und der Datenmissbrauch aber kaum geringer als das totalitärer Staaten. Chinas Massenüberwachung und -kontrolle erscheint uns schauderlich. Aber wie lange würde es dauern auch bei uns ein ähnliches System scharf zu schalten und ähnlich zu nutzen. Wir arbeiten daran. Wir digitalisieren alles und jedes, bauen Kameras überall auf um uns sicherer zu fühlen, freuen uns über digitale Bezahlmöglichkeiten, stellen uns Wanzen ins Zimmer und erkennen nicht, dass wir uns selbst wegsperren.

Die freie Bewegungsfreiheit ohne das Wissen anderer wird in nicht allzulanger Zeit nicht mehr gegeben sein. Unsere Freiheit werden unsere Kinder nicht mehr haben. Im besten Fall werden sie sie nicht vermissen...


QuoteRobert Nozick #2.5

Edward Snowden ist den USA wohl eher ein Straftäter, der Landesverrat begangen hat und damit im Zweifel Menschen in Gefahr gebracht hat.
Und ich schließe mich dieser Einschätzung ausdrücklich an.


QuoteMinilieb #2.6

"Edward Snowden ist den USA wohl eher ein Straftäter, der Landesverrat begangen hat und damit im Zweifel Menschen in Gefahr gebracht hat."

Exakt das trifft auf jeden zu, der im Dritten Reich Widerstand geleistet hat. Gesetzesbrecher, die im Zweifel Menschen in Gefahr gebracht haben. Ob den Führer, die SS, die Gestapo, die Wehrmacht oder aufgrund Spionageaktivitäten den Endsieg gefährdeten. Sie alle haben "Landesverrat" begangen und Menschen gefährdet...


QuoteRobert Nozick #2.7

Nun, wenn sie die USA und das "Dritte Reich" gleichsetzen haben Sie selbstverständlich Recht. Allerdings disqualifiziert sich damit ihre Aussage von selbst.


QuoteMinilieb #2.8

Ich setzte nicht die USA mit den Nazis gleich sondern prüfe die Tragfähigkeit Ihrer Argumentation und stelle fest, dass es so einfach wohl nicht ist...


QuoteHugo von Bahnhof #2.13

"Edward Snowden ist ein moderner Held..."

Da bin ich völlig eiverstanden. Nur habe ich in ZON viele verschiedene Aufrufe zu vielen verschiedenen Aktionen gelesen. Nur der Aufruf dazu, dass Snowden Asyl in Deutschland bekommt, habe ich wahrscheinlich übersehen. ...


QuotedeDude #10

Snowden hat auf die Frage was er am meisten fürchtet bzgl. seiner Enthüllungen mal gesagt "Das die Leute es zur Kenntnis nehmen, aber keinerlei Konsequenzen daraus gezogen werden" ...


QuoteNr.27 mit extra Käse #15

Kann mich noch gut erinnern, wir hatten in der Firma eine zeitlang einen selbstständigen konstrukteur der sich geweigert hat sein Rechner ans Netz zu hängen. Der hat ständig gesagt" ihr glaubt gar nicht was da alles überwacht wird" der hatte Angst um seine Daten.
Damals hat man den nicht für voll genommen, Aluhut und so weiter.
Zwei Jahre später hat dann Snowden ausgepackt.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sicherheitsforscher haben eine nicht ausreichend geschützte Datenbank gefunden, in der jede Menge Details über das russische Abhörsystem SORM zusammengetragen waren. Das Cybersecurity-Unternehmen UpGuard hat die Verantwortlichen darauf aufmerksam gemacht, aber darüber hinaus einige der gefundenen Informationen öffentlich gemacht. Demnach werden in Städten überall in Russland auf Betreiben des Geheimdiensts FSB etwa waschmaschinengroße Boxen bei Telefon- und Internetprovidern installiert, mit denen der übermittelte Traffic komplett abgegriffen wird.

Im Zuge der Aufarbeitung des von Edward Snowden öffentlich gemachten NSA-Skandals hatte Anfang 2014 der russische Journalist und Geheimdienstexperte Andrej Soldatow im Europaparlament erklärt, dass das enthüllte Spionageprogramm PRISM jenem aus Russland entspricht. Das sei bereits in der Sowjetunion eingeführt und dann vom KGB-Nachfolger modernisiert worden. Die Funktionsweise von SORM ist also nicht nur im Grundsatz bekannt, die Enthüllungen von Upguard beleuchten das Programm aber weiter. Insgesamt berichten die Sicherheitsforscher von 1,7 Terabyte an Daten – darunter 578.000 Fotos –, die ein Mitarbeiter von Nokia nicht ausreichend geschützt habe.

Wie das US-Magazin TechCrunch nach Einblick in die Daten berichtet, enthüllen die Dokumente die Kooperation Nokias beim Ausbau des Massenüberwachungssystems. Der finnische Netzwerkausrüster schlug demnach in den Jahren 2016 und 2017 Änderungen an Russlands Netzen vor, damit sie den Anforderungen der Überwachungsgesetze genügen. Außerdem zeigen die Dokumente demnach, dass die Boxen zur sogenannten "Lawful Interception" direkten Zugriff auf den Traffic haben, der durch die Datennetze fließt – "inklusive der Telefonate, Nachrichten und Daten". Adressen und Grundrisse würden den genauen Standort aller Überwachungsboxen verraten, jeweils deutlich in rot markiert.

Nokia habe aber versichert, dass das Unternehmen lediglich die Zugänge einrichte, die eigene Technik würde keine durchgeleiteten Daten speichern, analysieren oder verarbeiten. Das erledige dann aber andere Technik, erklärt Techcrunch weiter. Die stamme von dem russischen Hersteller Malvin Systems und ermögliche die Sammlung und Speicherung jeder Menge Daten zu Russlands Bürgern und allen, deren Geräte im Mobilfunknetz angemeldet sind.

Staatliche angeordnete Überwachung – die "Lawful Interception" – gibt es auch in westlichen Staaten, gestehen Upguard und Techcrunch ein. Einige Experten weisen gegenüber dem US-Magazin aber darauf hin, dass Russland hier deutlich weiter gehe und dem Land schon länger Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Alexander Isavnin von der russischen Internet Protection Society hebt außerdem hervor, dass die Anbieter die russischen Überwachungsaufforderungen nicht überprüfen, sondern einfach umsetzen müssen: "Nur der FSB weiß, was gesammelt wird" und es gebe keine Kontrolle durch Dritte. (mho)


Aus: "Russlands PRISM: Datenleck zeigt Nokias Beteiligung an Überwachungsprogramm"     Martin Holland (19.09.2019)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Russlands-PRISM-Datenleck-zeigt-Nokias-Beteiligung-an-Ueberwachungsprogramm-4533909.html

Quoteuschatko, 19.09.2019 15:09

Hat noch jemand Illusionen was die Kommunikation angeht? Die wird überall überwacht. Der einzige noch nicht breitflächig überwachte Bereich ist die direkte Kommunikation ohne Einsatz technischer Hilfsmittel (auch 4-Augen Gespräch genannt).


QuoteHurgotron, Hanno Foest, 19.09.2019 16:41

Also wie in Deutschland

https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/de-cix-betreiber-von-internet-knoten-verliert-klage-gegen-bnd-a-1210243.html

BND schnorchelt ab, leitet an die NSA weiter, was genau weiß man nicht - vermutlich alles. Demokratische Kontrolle: Keine. Wo genau ist der Unterschied zur "lawful interception" in Russland?

Hanno


Quoteradium, 19.09.2019 17:06

Re: Also wie in Deutschland

    Wo genau ist der Unterschied zur "lawful interception" in Russland?

Im Prinzip nur zwei: die abgehörten Daten verlassen Russland nicht und es gibt ein Gesetz, welches den Rahmen dafür bildet, ist also keine geheime Überwachung


QuoteDeine Mami, 19.09.2019 17:37

Re: Also wie in Deutschland

Hurgotron schrieb am 19.09.2019 16:41:

    https://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/de-cix-betreiber-von-internet-knoten-verliert-klage-gegen-bnd-a-1210243.html

    BND schnorchelt ab, leitet an die NSA weiter, was genau weiß man nicht - vermutlich alles. Demokratische Kontrolle: Keine. Wo genau ist der Unterschied zur "lawful interception" in Russland?

Demokratische Kontrolle gibt es nirgends: Das hat auch damit zu tun, dass viele Menschen in so einer Demokratie diverse Themen intellektuell gar nicht korrekt erfassen. Sieht man in Deutschland bei sehr vielen Themen.

Was vielleicht richtiger wäre zu schreiben: Staatliche Kontrolle. Diese gibt es sehr wohl und der Staat unterstützt BND und Co. mit Gesetzen und nachträglichen Anpassungen selbiger, damit die Totalüberwachung weiterlaufen kann.


Quoteeuleberlin, 19.09.2019 17:48

Re: Also wie in Deutschland

Russland böse, USA gut. ;-)


QuoteNichtViel, 19.09.2019 22:26

Tit for tat

Huawei, Nokia, ... große Netzwerkausrüster ...


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bei der Aussprache im Thüringer Landtag über den Ausschussbericht am 1. Oktober meldete sich auch Ministerpräsident Ramelow zu Wort. Es sei nicht die Absicht der Landesregierung gewesen, die Aufklärung zu verhindern, erklärte er abwiegelnd, sondern man müsse einfach prüfen, welche Akten etwas mit dem Thema zu tun hätten und welche nicht. Außerdem seien die V-Leute der Polizei hochgradig gefährdet, wenn ihre Namen bekannt würden. Er dankte dem Untersuchungsausschuss pflichtschuldig, ging aber auf dessen konkrete Kritik nicht weiter ein. ...


Aus: "NSU-Ausschuss: "...unser nicht erfüllbarer Untersuchungsauftrag"" Thomas Moser (04. Oktober 2019)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/NSU-Ausschuss-unser-nicht-erfuellbarer-Untersuchungsauftrag-4545200.html

QuoteExxtreme2, 04.10.2019 11:12

Der Staat stellt sich doch selbst nicht an den Pranger wenn er der Übeltäter oder zumindest Beihilfe war. Von staatlichen Untersuchungsausschüssen kann man deshalb keine oder nur "betreute" Aufklärung erwarten.

MfG


Quotestumpf ist trumpf, 04.10.2019 08:39

Im Namen des Staatswohls, Parlamenten Informationen vorzuenthalten

Das Staatswohl fing unter dem letzten Kaiser an, ging über das III Reich und setzt sich nach 1945 im demokr. Unwesen fort und immer flankiert durch Propaganda auf allen Medien.


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Salzburger Landespolizeidirektor Franz Ruf wird ab nächster Woche im BVT nach dem Rechten sehen – und zwar im Auftrag von Innenminister Wolfgang Peschorn. Ruf könnte auf "brisante Dinge stoßen", hieß es hinter den Kulissen. Eine Rolle könnte dabei beispielsweise die ominöse "Observationseinheit" spielen, die unter der Amtszeit von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) eingerichtet wurde. Bei deren Aufbau sollen maßgeblich Kickls damaliger Generalsekretär Peter Goldgruber und BVT-Vize Dominik Fasching die Fäden gezogen haben.

Wie die Tageszeitung Österreich berichtet, sollen zehn FPÖ-nahe Polizisten in dieser Einheit tätig gewesen sein. Über etwaige Ziele ist nichts bekannt. Dem STANDARD sagte das Innenministerium vergangene Woche dazu, dass es sich bei den Ausfahrten der Observationseinheit "um keine eigenständigen, sondern ausschließlich um genehmigte Einsätze in Unterstützung für Fachreferate" gehandelt habe, die allesamt "durch den Rechtsschutzbeauftragten oder die Staatsanwaltschaft genehmigt und auch durch diese überprüft" worden waren.

Allerdings ist unklar, wie weit die Ministeriumsspitze selbst über Geschehnisse informiert ist. So lässt Peschorn auch das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung (BAK) prüfen, weil Ermittler dort die Beschlagnahme von Journalisten- und Abgeordneten-Handys "anregten" – was die Justiz abgelehnt hat. Gleichzeitig will das Innenministerium ermitteln lassen, wie BVT-Interna an oe24.at gelangt sind – und welche Konsequenzen oe24.at drohen.

Peschorn plant jedenfalls Reformen. Künftig sollen Parteien – gemeint ist damit wohl vor allem die ÖVP – nicht mehr so einfach auf Postenbesetzungen im Verfassungsschutz Einfluss nehmen können. Das sagte Innenminister Wolfgang Peschorn im Ö1-Mittagsjournal, dem er ein ausführliches Interview zu den aktuellen Problemen im BVT gab. Um die soll sich nun der Salzburger Landespolizeidirektor Franz Ruf kümmern, der jedoch selbst als recht ÖVP-affin gilt. Ruf könnte im Amt auf "brisante Dinge" stoßen, hieß es hinter den Kulissen aus dem Innenministerium. (red, 17.11.2019)


Aus: "Verfassungsschutz: Weiter Rätselraten über ominöse Observationseinheit im BVT" (17. November 2019)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000111167470/weiter-raetselraten-ueber-ominoese-observationseinheit-im-bvt

Quote
Slušaj majku

Was sind " FPÖ-nahe Polizisten"? In einem Rechtsstaat sollte die Exekutive objektiv und neutral sein! Oder ist es wirklich jedem Politiker möglich, seine "eigene Truppe" zu bestellen, um parallel zu ermitteln? Inkl. Staatsanwaltschaft?? ...


Quote
sinnreich

wie nennt man das nochmal wenn man geheim, Polizisten die einem direkt unterstellt sind in den Staatsapparat einschleust?


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Einem Bericht der "New York Times" ("NYT", https://www.nytimes.com/2019/12/22/us/politics/totok-app-uae.html) zufolge sind Millionen Smartphone-Nutzer monatelang von einer Chat-App ausgespäht worden. Die Software namens ToTok sei praktisch "ein Spionagewerkzeug", schreibt die Zeitung unter Berufung auf US-Regierungsbeamte, die mit einer geheimen Untersuchung der App vertraut sein sollen.

Das Smartphone-Programm sei demnach von der Regierung der Vereinten Arabischen Emirate genutzt worden, "um jede Unterhaltung, Bewegung, Verbindung, Verabredung, Ton- und Bilddateien" der Nutzer zu verfolgen. Wie viele Menschen insgesamt betroffen sind, ist nicht klar, doch die Zahl dürfte in die Millionen gehen. Allein im November wurde die App mehr als eine halbe Million Mal installiert.

Der Grund für die enorme Popularität der ansonsten kaum bekannten App: In den Vereinigten Arabischen Emiraten beispielsweise ist die Nutzung von Apples FaceTime nicht möglich und Microsoft weist darauf hin, dass dort auch Skype nicht nutzbar ist. Wer dort lebt oder mit jemandem dort chatten oder via Internet telefonieren will, muss sich also nach Alternativen umsehen. Als eben solche hat sich ToTok erfolgreich positioniert.

Das Angebot klingt auch verlockend: Der ToTok-Messenger sei "kostenlos, schnell und sicher", überdies "neu, einfach, schnell und spaßig", heißt es in der Beschreibung der App. So richtig spaßig hört sich freilich nicht an, was die "NYT" über die Breej Holding, von der die App stammt, berichtet.

Die nämlich sei "höchstwahrscheinlich" ein Tarnunternehmen für Dark Matter, heißt es, für eine IT-Firma aus Abu Dhabi, bei der "Geheimdienstler aus den Emiraten, ehemalige NSA-Mitarbeiter und frühere Mitarbeiter des israelischen Militärgeheimdienstes arbeiten." Wegen möglicher Verstrickungen in kriminelle Aktivitäten im Internet ermittle das FBI gegen diese Firma.

Zudem gebe es Verbindungen von ToTok zu Pax AI, einer in Abu Dhabi ansässigen Firma, die auf die Analyse großer Datenmengen spezialisiert sei. Laut "NYT" liegt das Hauptquartier in demselben Gebäude, in dem auch der Geheimdienst Signals Intelligence Agency (SIA) seine Büros hat und in dem bis vor Kurzem Dark Matter residierte.

Einer forensischen Analyse im Auftrag der "NYT" zufolge scheint es sich bei ToTok um einen Klon der chinesischen Videochat-App YeeCall zu handeln, der für englisch- und arabischsprachige Nutzer modifiziert wurde. Bei der Installation und im Betrieb lasse sich die App vom Anwender weitreichende Rechte für den Zugriff etwa auf Ortsdaten, Fotos oder das Mikrofon einräumen.

Der Ex-NSA-Hacker Patrick Wardle, der die App für die "NYT" analysierte, kommentiert die Vorgehensweise so: "Man muss die Leute nicht hacken, um sie ausspähen zu können, wenn man sie dazu bringt, dass sie sich wissentlich diese App auf ihr Handy laden."

Nachdem die "NYT" Apple und Google mit den Vorwürfen konfrontierte, entfernten die Firmen die App kurz darauf aus ihren App-Stores. Google erklärte dazu, die App habe gegen nicht näher genannte Richtlinien verstoßen. Von Apple hieß es, man sei noch dabei, die App zu untersuchen.

Während ToTok nun also in beiden großen App-Stores nicht mehr zu bekommen ist, steht sie nach eigenen Angaben in den Stores von Huawei, Samsung, Xiaomi und Oppo immer noch zur Verfügung. Der Hersteller hat sich mit einem offenen Brief an seine Kunden gewandt. Darin heißt es, die App sei aufgrund eines technischen Problems nicht mehr in den beiden großen App-Stores verfügbar. Man arbeite nun mit Apple und Google an einer Lösung.

mak


Aus: "ToTok: Chat-App spähte wohl Millionen Nutzer aus" (23.12.2019)
Quelle: https://www.spiegel.de/netzwelt/gadgets/totok-chat-app-spaehte-angeblich-millionen-nutzer-aus-a-1302586.html

QuoteMitschwätzer heute, 14:16 Uhr

und wo genau ist jetzt der Unterschied zu Whatsapp, Facebook, Google, TikTok und wie sie alle heißen? ...


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es ist nicht leicht, zu sagen, wer der Urheber eines digitalen Angriffes ist. Angreifer können ihre Daten verschlüsseln, sie können auf Rechnern falsche Spuren legen, ihre Angriffswege verschleiern, ja sie können sogar so tun, als seien sie jemand völlig anderes. Attributionsproblem heißt das in der Forensik digitaler Daten – die Schwierigkeit, einen Angriff oder eine Software den Urhebern korrekt zuzuschreiben.

Der Chaos Computer Club (CCC) hat trotzdem versucht, eine solche Attribution vorzunehmen. Es geht um eine Überwachungssoftware, die eine Zeit lang unter dem Namen FinSpy vertrieben wurde und um die es derzeit in Deutschland einen Rechtsstreit gibt.

FinSpy gibt es für Android und iOS. Es dient dazu, aus der Ferne die Kontrolle über das infizierte Gerät zu übernehmen. Ist es einmal auf einem Mobiltelefon aufgespielt, kann der Angreifer dank FinSpy jeden Schritt, jedes Telefonat, jeden Text des Opfers verfolgen und beobachten: Anrufe, Geodaten, Textnachrichten, Kalendereinträge – alles kann unbemerkt vom Besitzer des Gerätes ausgelesen werden. Auch verschlüsselte Kommunikation über Telegram, Signal oder Threema ist nicht vor FinSpy sicher, da die Software die Texte mitschneidet, bevor sie in diesen Messenger-Apps verschlüsselt werden.

FinSpy wurde entwickelt, um Behörden bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Polizei und Geheimdienste beklagen immer wieder, dass Kriminelle und Terroristen in der Lage sind, ihre Kommunikation mithilfe von Verschlüsselung zu verbergen. "Going dark" nennen Behörden diesen Versuch, sich ihrer Überwachung zu entziehen: im Dunkeln verschwinden. Dank FinSpy funktioniert das nicht, weswegen die Behörden vieler Länder an dieser Software interessiert sind. Unter anderem hat das deutsche Bundeskriminalamt eine Version von FinSpy gekauft.

Doch auch in der Türkei tauchte sie auf. Dort wurde 2017 über eine Website versucht, die Mobilgeräte von Oppositionellen mit einer Schadsoftware zu infizieren, bei der es sich nach Analysen des Chaos Computer Clubs und anderer IT-Sicherheitsforscher um FinSpy handelte. Da FinSpy von einer Münchner Unternehmensgruppe namens FinFisher entwickelt wurde, läuft eine Klage gegen das Unternehmen: Die Gesellschaft für Freiheitsrechte hat zusammen mit Reporter ohne Grenzen und weiteren Nichtregierungsorganisationen Strafanzeige gegen FinFisher erstattet. Sie werfen der Firma vor, die Software an die Türkei verkauft und damit gegen deutsche Richtlinien zum Export solcher Software verstoßen zu haben. Daher ermittelt seit September eine Staatsanwaltschaft wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz.

Doch stammt die in der Türkei aufgetauchte Software überhaupt von FinFisher? Bislang gab es dafür zwar Indizien, aber noch keine Beweise. Die hat nun der CCC gesammelt. In einer umfangreichen Analyse, die während des CCC-Kongresses in Leipzig veröffentlicht wurde, haben die Schadsoftwareforscher Linus Neumann und Thorsten Schröder insgesamt 28 verschiedene Varianten von FinSpy analysiert. Die Programme waren in den vergangenen Jahren in verschiedenen Ländern aufgetaucht. Ausgangspunkt ist eine FinSpy-Variante, die eindeutig FinFisher zuzuordnen ist, da sie aus einem Angriff auf das Unternehmen stammt. 2014 hatten Hacker die Firma attackiert und dabei 40 Gigabyte Daten kopiert, darunter auch eine FinSpy-Version.

In ihrer Analyse belegen Neumann und Schröder anhand diverser technischer Besonderheiten der Programmfamilie, dass alle 28 untersuchten Versionen von FinSpy mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vom selben Entwicklerteam stammen müssen.

So zeigen sie, dass Daten zur Konfiguration der Überwachungssoftware auf den Zielgeräten auf immer dieselbe sehr charakteristische und ausgefallene Weise in den Metadaten von leeren Dateien versteckt wurden, um den Urheber zu verschleiern. Oder dass die Entwickler sprachliche Besonderheiten an den Tag legen, die sich immer wieder finden. So steht im Code mehrfach der Ausdruck "s1ms" – gemeint ist sims, abgeleitet von simsen, einem ausschließlich in Deutschland üblichen Ausdruck für das Verschicken von SMS. Dabei wurde das i durch eine 1 ersetzt, was unter Gamern und Programmierern als "Leet-Speak" bekannt ist.

Für Linus Neumann, der auch einer der Sprecher des Chaos Computer Clubs ist, ist aufgrund der durchgeführten Analysen eindeutig, dass alle bekannten Beispiele von FinSpy ursprünglich von der deutschen Firma FinFisher stammen – auch das in der Türkei aufgetauchte Exemplar. "Hier wurde deutsche Überwachungssoftware in einem Land mit einem repressiven Regime gegen demokratische Kräfte eingesetzt. Deutsche Behörden müssen diesen Fall mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln untersuchen und aufklären", sagt er. Umso mehr, da deutsche Behörden selbst FinSpy gekauft haben. Das BKA sei in diesem Fall auch Zeuge, es selbst hat die Software. "Wir rufen das BKA auf, unsere Analyse an ihrer Programmversion zu prüfen", sagt Neumann.

Aufzuklären gäbe es einiges. Vor allem ist derzeit noch unklar, wie FinSpy in die Türkei gelangte. FinFisher bestreitet, die Software dorthin exportiert zu haben. Auch lässt sich nicht sagen, wer sie dort eingesetzt hat. So gut die Attribution bei dem Programm und seinen Ablegern selbst funktionierte, so unklar ist sie, wenn es um die Frage geht, wer es auf der türkischen Website den Oppositionellen angedient hatte.

Der CCC und die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) sehen auch die deutschen Kontrolleure solcher Software-Exporte in der Verantwortung und damit die Bundesregierung. "Die Menschenrechte zu schützen ist oberste Pflicht der Behörden und der Justiz in Deutschland. Wenn deutsche Firmen mit Exporten von Schnüffelsoftware daran mitwirken, dass Diktaturen Oppositionelle ausspionieren und inhaftieren können, dann müssen die Verantwortlichen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden", sagt Ulf Buermeyer, Vorsitzender der GFF.

Es sei unklar, ob hier Exportkontrollen umgangen wurden oder ob jemand die Software illegalerweise weiterverkauft habe, sagt Linus Neumann vom CCC. Klar sei aber der politische Missstand: Dass repressive Regime an solche Werkzeuge gelangen können, müsse abgestellt werden. "Die deutsche Exportkontrolle ist eindeutig unwirksam."


Aus: "Chaos Computer Club: Exportkontrolle von Digitalwaffen funktioniert nicht" Kai Biermann (28. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/internet/2019-12/spionagesoftware-trojaner-finspy-finfisher-chaos-computer-club-digitalwaffen/komplettansicht

Textaris(txt*bot)

Quote[...] In den Stasi-Akten stecken unangenehme Wahrheiten über Menschen und manch geheimdienstliche Unwahrheit. In ihrer Sicherung – bald für immer im Bundesarchiv – steckt etwas dauerhaft Wichtiges: der Wille, wissen zu wollen und zu dürfen, was andere über einen wissen. Freiheit definiert sich auch heute so: Meine Daten gehören mir.


Aus: "Vergangenheit lässt sich nicht zerreißen" Robert Ide (13.01.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/das-erbe-der-stasi-eine-permanente-reifepruefung-vergangenheit-laesst-sich-nicht-zerreissen/25425146.html

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Quote[...] ...  ,,Ich wollte Seefahrer werden, war dafür aber politisch zu unzuverlässig", erzählt etwa Uwe Schwabe. Später saß er im Gefängnis und empfand die Eroberung der Akten als Befreiung. Denn darin finden sich auch viele Geschichten des Widerstehens.

,,Ich habe mir eine Tonbandaufnahme angehört, wie ein Freund von mir verhört worden war. Da hat der Vernehmer gefragt: ,Kennen Sie Rainer Müller?' Daraufhin hat der Mann zehn Minuten geschwiegen, ich dachte schon das Tonband ist kaputt." Irgendwann habe der Verhörte, dem bei fehlender Kooperation mehrere Jahre Haft drohten, dann doch geantwortet. ,,Er hat gesagt: ,Wissen Sie, wenn man mit jemandem in einer Wohnung zusammenwohnt, dann läuft man sich schon mal über den Weg.'"

Kleiner Mut konnte in der DDR große, harte, dauerhafte Folgen haben. ...


Aus: "Wo Menschen heute noch in Tränen ausbrechen" (15.01.2020)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/steinmeier-besucht-ehemalige-stasi-zentrale-wo-menschen-heute-noch-in-traenen-ausbrechen/25434290.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der BND und die CIA haben über Jahrzehnte Hintertüren in die Verschlüsselungsgeräte des Weltmarktführers eingebaut und konnten dadurch die Kommunikation von mehr als 130 Regierungen und Geheimdiensten mitlesen. Das berichten das ZDF, die Washington Post und das Schweizer Fernsehen unter Berufung auf bislang geheime Unterlagen, in denen diese "wahrscheinlich wichtigste Geheimdienstoperation der Geschichte" zusammenfassend beschrieben werde. Demnach haben die Geheimdienste so gemeinsam Staaten in aller Welt ausspioniert und unter anderem von blutigen Verbrechen erfahren.

Wie das ZDF nun erklärt, lief die Operation in den USA unter dem Decknamen "Minerva" und beim BND als "Rubikon". Über eine Treuhandgesellschaft kauften die beiden Geheimdienste 1970 demnach zu gleichen Teilen für insgesamt 8,5 Millionen US-Dollar das Schweizer Unternehmen Crypto AG – den Weltmarktführer für Chiffriermaschinen zur Verschlüsselung von Kommunikation. Im Angebot hatte der unter anderem die als "unknackbar" geltende CX52-Maschine. Bislang wurde über eine derartige Verbindung der Schweizer Firma zu Geheimdiensten immer wieder gemutmaßt – nun liegen Belege dafür vor.

Nach der heimlichen Übernahme waren demnach nur zwei Mitarbeiter der Crypto AG eingeweiht, gesteuert wurde der folgende Einbau von Hintertüren durch den Münchener Siemens-Konzern. Dank der manipulierten Algorithmen seien CIA und BND dann in der Lage gewesen, die eigentlich nicht lesbaren Nachrichten zu entschlüsseln.

Wie es in dem Bericht heißt, hatte die Crypto AG in ihren besten Jahren mehr als 130 Regierungen als Kunden. Zwar hätten sich CIA und BND immer wieder darüber gestritten, wer die manipulierten Geräte bekommen sollte, durchgesetzt haben sich aber offenbar die US-Amerikaner. Die hätten mit Verbündeten so umgehen wollen, "wie sie mit Drittweltstaaten umgehen", heißt es demnach in einem deutschen Dokument. Ausspioniert wurden dem Bericht zufolge neben Staaten in Afrika, Asien und Südamerika auch EU- sowie NATO-Staaten wie Irland, Spanien, Portugal, Italien und die Türkei. Nicht einmal der Vatikan sei sicher gewesen.

Auch die berühmten Worte, "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht", die die Bundeskanzlerin im Zuge des NSA-Skandals äußerte, klingen nun etwas anders. Der Ex-CIA-Chef Peter Goss hatte ihr 2014 Scheinheiligkeit vorgeworfen – und scheint nun mit seiner diesbezüglichen Kritik an Angela Merkel bestätigt.

Durch diese massive Geheimdienstoperation hatten die Regierungen in Washington und Bonn demnach unter anderem Kenntnis vom blutigen Vorgehen der argentinischen Militärjunta, die Tausende Regimekritiker aus Militärflugzeugen über den Atlantik lebendig ins Meer werfen ließ. Obwohl die Bundesregierung unter Helmut Schmidt davon wusste, nahm Deutschland 1978 an der dort ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft teil. Auch von den Verbrechen in Chile nach dem dortigen Putsch gegen Präsident Salvador Allende hätten die Regierungen auf diesem Weg erfahren.

Nach dem Bombenattentat auf die Diskothek La Belle in Berlin am 5. April 1986 konnte die US-Regierung demnach deswegen so schnell Libyen als verantwortlich ausmachen: Der "libysche Diktator Muammar al Gaddafi war ein Großkunde der Schweizer Crypto AG", heißt es beim ZDF. Damit werde nun auch die Fragen aufgeworfen, ob die Geheimdienste Vorwissen über die Anschlagspläne hatten. Wichtig sei die Operation auch bei der Geiselaffäre in der Teheraner US-Botschaft gewesen, die die Welt nach der Revolution im Iran für mehr als ein Jahr lang im Atem hielt.

Der Iran hat demnach auch das Ende der BND-Beteiligung an der überaus ergiebigen Operation eingeleitet, schreibt das ZDF weiter. Im März 1992 sei mit Hans Bühler ein Firmenvertreter der Crypto AG in der Islamischen Republik unter Spionageverdacht festgenommen worden. Monatelang habe er unter schlimmen Bedingungen im Gefängnis gesessen, obwohl er gar nicht eingeweiht gewesen sei. Nach seiner überraschenden Freilassung habe er über eine Geheimdienstintrige gemutmaßt. Der BND habe dann seine Anteile verkauft und 17 Millionen US-Dollar eingenommen. Die CIA folgte demnach erst 2017/2018 und nahm insgesamt zwischen 50 und 70 Millionen US-Dollar ein.

Aus den nun veröffentlichten Berichten geht jedenfalls hervor, dass Regierungen in aller Welt über Jahrzehnte Milliarden US-Dollar bezahlten, um dafür trotzdem ausspioniert zu werden. Die beiden Geheimdienste schwiegen über Verbrechen, die sie auf diesem Weg erfuhren. Trotzdem meint der ehemalige Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, gegenüber dem ZDF, dass die Operation "sicher dazu beigetragen hat, dass die Welt ein Stück sicherer geblieben ist". Der Geheimdienstexperte Richard Aldrich von Universität Warwick meint demnach, dass es sicher eine der "kühnsten und skandalträchtigsten Operationen" ist, die es je gab. (mho)


Aus: "#Cryptoleaks: CIA und BND steckten jahrzehntelang hinter Verschlüsselungsfirma" Martin Holland (11.02.2020)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Cryptoleaks-CIA-und-BND-steckten-jahrzehntelang-hinter-Verschluesselungsfirma-4658033.html

QuoteAugust Macke, 11.02.2020 15:57

Ich entschuldige mich hiermit offiziell bei allen betroffenen Staaten

Ich entschuldige mich hiermit offiziell bei allen betroffenen Staaten dafür, was meine Regierung als gewählter Vertreter meines Volkes verbrochen hat. Dieses Handlung waren durch mich weder autorisiert, noch mit mir abgesprochen. Auch wurde ich offiziell nie darüber informiert. Als Mitglied des deutschen Souveräns schäme ich mich sehr dafür.

August Macke


QuoteDr. Markus Fischer, 11.02.2020 17:35

Ich hatte mal bei einem Konkurrenten von Siemens gearbeitet

Da war es ein offenes Geheimnis, dass die Anlagen verwanzt waren. Die Kollegen haben sich auch die Anlagen anderer Unternehmen sehr genau angeschaut. Es gab Hintertüren ohne Ende, egal von wem. Dass die Nummer jetzt veröffentlicht wird, zeigt eigentlich nur, dass die Geheimdienste daraus keinen Nutzen mehr ziehen kann ...


QuoteAmonAmarth, 11.02.2020 21:19

Typisch Verschwörungstheorien

Das sind doch die typischen Verschwörungstheorien für die man normalerweise ausgelacht wird. Und alle paar Jahre stellt sich das ganze dann als wahr heraus. Seltsam.



Quotep h o s m o, 11.02.2020 20:14

Vor über 30 Jahren wurde ich dafür ausgelacht und angesehen, als wäre ich irre ...


QuoteLama Babyatollah Comedownie, 11.02.2020 21:45

Re: Vor über 30 Jahren wurde ich dafür ausgelacht und angesehen, als wäre ich irre

p h o s m o schrieb am 11.02.2020 20:14:

    Dabei ist das spätestens seit Echelon bekannt.

So ist es. Nun ja, ich habe Dich nie ausgelacht, lieber phosmo; wurde aber selbst auch stets als Veschwörungsdepp beschimpft. ...


...

Textaris(txt*bot)

"Das Wasser auf den Mühlen der Verschwörungstheoretiker sind die Verschwörungspraktiker. ..." (goebelmasse, 11. August 2012)

Quote[...] In den Papieren zur "Operation 'Rubikon'" heißt es: "Bestimmte Leute dort wussten durchaus etwas über die Rolle, die die Deutschen und die Amerikaner in der Crypto AG spielten und waren bereit diese Beziehung zu schützen. Ein Schweizer Geheimdienst-Mitarbeiter informierte die CIA, dass sie in der Lage wären, das Ergebnis der Untersuchung so zu steuern, dass es keine Manipulation der Geräte zeigt'." Die Schweizer Behörden bestreiten die Mitwisserschaft.

Dem ZDF gegenüber verteidigt der damalige Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt, Bernd Schmidbauer, die "Operation 'Rubikon'" als großen Erfolg der Zusammenarbeit zwischen deutschen und amerikanischen Sicherheitsbehörden: "Gestört hat diese Operation erst, als es Menschen gegeben hat, die den Mund nicht halten konnten."


Aus: " "Operation 'Rubikon'" - #Cryptoleaks: Wie BND und CIA alle täuschten" Elmar Theveßen, Peter F. Müller und Ulrich Stoll (11.02.2020)
Quelle: https://www.zdf.de/nachrichten/politik/cryptoleaks-bnd-cia-operation-rubikon-100.html

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Die Operation Rubikon (früher Operation Thesaurus) war eine Maßnahme des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) zur Fernmeldeaufklärung von Regierungskommunikation anderer Länder. Sie wurde gemeinsam mit der US-amerikanischen Central Intelligence Agency (CIA) durchgeführt, bei der das Programm als Operation Minerva noch bis mindestens 2018 fortgeführt wurde. Zwischen 1970 und mindestens 1993 wurde die chiffrierte Kommunikation von mehr als 100 Ländern durch den BND mitgelesen. ... Durch die jahrzehntelangen Operationen Rubikon und Minerva hatten verschiedene Bundesdeutsche und amerikanische Regierungen umfangreiche Detailkenntnisse über Menschenrechtsverletzungen weltweit. Die Argentinischen Streitkräfte nutzten während der Argentinische Militärdiktatur die Technologie der Crypto AG. Die Junta ließ tausende Regimekritiker aus Militärflugzeugen über den Atlantik lebendig ins Meer werfen; rund 30.000 Menschen fielen der Diktatur insgesamt zum Opfer. Obwohl die Bundesregierung unter Helmut Schmidt durch die Abhörtechnik der Crypto AG davon wusste, nahm die BRD 1978 an der in Argentinien ausgetragenen Fußball-Weltmeisterschaft teil.
Den Schweizer Behörden wurde 2020 Untätigkeit vorgeworfen....
https://de.wikipedia.org/wiki/Operation_Rubikon_(Geheimdienstoperation) (13. Februar 2020)

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Quote[...] Missing Link: Geheimdienst und Verfassungsgericht vereint gegen den Rechtsstaat

Dienstag verkündet das Bundesverfassungsgericht sein lange erwartetes Urteil zur BND-Massenüberwachung. Ein Verfassungsrechtler dämpft die Hoffnung der Kläger.

Der Tag der Entscheidung naht: Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) spricht am Dienstag sein Urteil zur anlasslosen Überwachung des weltweiten Internetverkehrs durch den Bundesnachrichtendienst (BND). Spätestens seit der mündlichen Verhandlung im Januar sind die Beschwerdeführer zuversichtlich, dass die Karlsruher Richter der breiten Spionage klare Grenzen setzen werden.

Ulf Buermeyer, Vorsitzender der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die zusammen mit fünf Medienorganisationen wie Reporter ohne Grenzen im Namen von mehreren, größtenteils im Ausland arbeitenden Journalisten Einspruch gegen das 2016 reformierte BND-Gesetz erhoben hat, unterstreicht: "Wir erwarten ein Grundsatzurteil, das das Telekommunikationsgeheimnis erheblich stärken kann, und mit ihm den internationalen Menschenrechtsschutz sowie die Pressefreiheit im digitalen Zeitalter."

Mit dem Verfahren wollen die Beteiligten Grundsatzfragen klären lassen, die in Deutschland seit über 20 Jahren für Diskussionen sorgen: Ist eine anlasslose, nahezu flächendeckende Datenanalyse durch hiesige Geheimdienste mit dem Grundgesetz vereinbar? Sind deutsche Behörden im Ausland an die Grundrechte gebunden? Die Bundesregierung verneint dies, wie sie in der mündlichen Verhandlung auf kritische Nachfragen aus den Reihen des Ersten Senats bekräftigte.

Buermeyer geht davon aus, dass das Gericht dem Gesetzgeber angesichts des durch den Auslandsgeheimdienst "ausgehöhlten Redaktionsgeheimnisses" und den damit verknüpften Gefahren für die Pressefreiheit aufgeben könnte, Vertrauensbeziehungen zwischen Journalisten und ihren Quellen besser zu schützen und die gezielte Überwachung von Medienschaffenden, die dem BND bekannt sind, an gesteigerte Voraussetzungen zu knüpfen. Denkbar seien auch andere Auflagen, um beispielsweise den Transfer von Daten an ausländische Stellen einzuschränken sowie die Kontrolle über die Auslandsüberwachung auszuweiten und zu stärken.

Doch auf Bürgerrechtler könnte eine herbe Enttäuschung zukommen, wenn das BVerfG an seiner seit Jahrzehnten verfolgten Linie zu Belangen der Geheimdienste festhält. Der Verfassungsrechtler Eggert Schwan beschreibt diesen Kurs in seinem aktuellen Buch "Geheimdienst oder Rechtsstaat", das einer schmerzhaften, auch persönlich geprägten Abrechnung mit den "Hütern der Verfassung" auf 200 Seiten gleichkommt: Der Rechtsanwalt vertrat die Journalistin Gabriele "Gaby" Weber in den 1990ern in einem Verfahren gegen das "Verbrechensbekämpfungsgesetz", in dem es ebenfalls bereits mit um die BND-Auslandsüberwachung ging, konnte die Ansprüche der Beschwerdeführer dabei aber nicht in allen Punkten durchsetzen.

Für den Kenner der Materie steht fest: Das höchste Gericht hat sich schon mit dem "skandalösen Abhörurteil" von 1970 "an die Spitze der Apologeten der Geheimdienstideologie gestellt" und auch später immer wieder "einen Großteil seiner Reputation verspielt ", die es sich etwa 1983 mit dem wegweisenden Volkzählungsurteil und dem darin verankerten "informationellen Selbstbestimmungsrecht" erworben hat. Schwan formuliert drastisch: Wenn das BVerfG den Geheimdiensten sogar so "entsetzliche Rechtsbrüche", wie sie der NSA-Whistleblower Edward Snowden offenbart habe, durchgehen lasse, "dann ist es nicht mehr weit davon entfernt, auch vor dem Geheimdienstmord die Augen zu verschließen". Es sei "allerhöchste Zeit und sozusagen der letzte Moment, die Notbremse zu ziehen".

In der Lesart der Karlsruher Richter seien die Geheimdienste inklusive des BND, der zweifellos "der gefährlichste für die verfassungsgemäße Ordnung" sei, "zulässig und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden", fasst der 82-Jährige deren jahrzehntelange einschlägige Rechtsprechung zusammen. Dies gelte inklusive aller Aspekte, die den Charakter der einschlägigen Sicherheitsbehörden ausmachten: "Vorfelderfassung, Geheimhaltung, nachrichtendienstliche Mittel und Lizenz zum Rechtsbruch." Nur zur "Lizenz zum Töten", habe sich das Gericht bisher ausdrücklich nicht geäußert, obwohl diese "zweifellos auch zum Wesen der Geheimdienste gehört".

Laut dem bereits mehrfach ergangenen "Basta" der Verfassungshüter hätten sich "auch die Freiheitsgrundrechte" mit allen damit verknüpften Regeln dem Überwachungswahn zu beugen, obwohl der in sie eingreifende Staat diese eigentlich zu beachten habe, schreibt Schwan. "Das Bundesverfassungsgericht bricht mit seiner Rechtsprechung zu den Geheimdiensten das Verfassungsrecht", urteilt der Beobachter. Es erstelle diesen "Persilscheine für die Missachtung nahezu sämtlicher Regeln des Grundgesetzes".

Schwan geht bei seiner Analyse zurück bis zum Dritten Reich und den Anfängen der Bundesrepublik. Die Mütter und Väter des Grundgesetzes wollten "den neuen Staat gegenüber den möglicherweise erneut auffrischenden Stürmen des Totalitarismus wetterfest machen", hält er fest. Sie hätten daher die Entscheidungsmacht über den Einsatz der Instrumente der "streitbaren Demokratie" in die Hände des Bundesverfassungsgerichtes gelegt.

Auch die Haltung der Politik gegenüber Spionage und vor allem gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) war anfangs von deutlicher Zurückhaltung geprägt. Vor seiner Zeit als Bundeskanzler erklärte Konrad Adenauer zumindest noch: "Wir sind uns ja wohl alle darüber einig, dass der Verfassungsschutz überhaupt nichts zu tun hat mit der Gestapo oder einer ähnlichen Institution."

Ein Geheimdienst hätte das BfV so gar nicht werden dürfen, schlussfolgert der Buchautor. Beim BND seien die Ansprüche an die Rechtsstaatlichkeit dagegen von Anfang an deutlich geringer gewesen. So habe Adenauer diesen in den Räumen belassen, "in denen der General Gehlen mit seiner Truppe schon als 'Sicherheitsdienst der SS' residiert hatte, nämlich in Pullach". Dort habe der BND den alten Geist viel besser verbergen und pflegen können. Bezeichnenderweise habe der CDU-Kanzler auch zu keiner Zeit den Versuch unternommen, dem Auslandsgeheimdienst "die notwendige verfassungsrechtliche Grundlage" durch eine Grundgesetzreform zu verschaffen.

1960 hatte das Bundesverfassungsgericht noch entschieden: "Kein Akt der Exekutive, der in Rechte des Bürgers eingreift, kann richterlicher Nachprüfung entzogen werden." Am 15. Dezember 1970 dann die Kehrtwende just in Bezug auf die Geheimdienste, denen das Parlament mit der Notstandsverfassung 1968 erstmals weitgehende Befugnisse zum Eingriff ins Post- und Fernmeldegeheimnis gegeben hatte: Die Schlapphüte durften von da an etwa Telefongespräche mithören, Funksprüche abfangen und Briefe öffnen. Die Karlsruher Richter ließen mit dem Abhörurteil nicht nur diese Klauseln durchgehen, sondern schränkten auch die Artikel im Grundgesetz für die gerichtliche Kontrolle der "Dienste" ein.

Schwan zitiert aus dem Urteil: Gegen die Verfassungsordnung und die Sicherheit und den Bestand des Staates gerichtete Bestrebungen, Pläne und Maßnahmen gehen demnach meist von Gruppen aus, die ihre Arbeit tarnen und im Geheimen leisten, die wohlorganisiert sind und in besonderer Weise auf ungestört funktionierende Nachrichtenverbindungen angewiesen sind. Diesem "Apparat" gegenüber könne ein Verfassungsschutz nur wirksam arbeiten, wenn seine Überwachungsmaßnahmen grundsätzlich geheim und deshalb auch einer Erörterung innerhalb eines gerichtlichen Verfahrens entzogen bleiben.

Für den emeritierten Professor für Vollzugsdienst an der Berliner Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege ist diese Ansage ein Unding: Darf man die Streitbarkeit der Demokratie so weit treiben, dass der Verfassungsfeind mit seinen bösen Absichten und hinterlistigen Methoden mit allen nur erdenklichen Mitteln, auch mit denen, die er selbst benutzt, auch im Vorfeld gesucht, verfolgt, zur Strecke gebracht und vernichtet werden darf, fragt er. Dürfe der Staat selbst sich zum Kriminellen, Terroristen und Staatsfeind mausern?

Schwan sieht in der Entscheidung die Überzeugung mitschwingen, "dass die Geheimdienste das Recht haben, im Effekt die gesamte Gesellschaft zum Objekt ihrer Überwachung zu erniedrigen und dass es dabei auf die Rechtmäßigkeit der gewählten Überwachungsinstrumente nicht ankommt". Wenn der Staat meine, sich eines Spitzelapparats bedienen zu dürfen, der die grundrechtlich gesicherten Freiheiten einschränke und geradezu flächenmäßig alle Bürger erfasse, werde "die größte Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung deutlich".

Seit dem Abhörurteil sei das Bundesverfassungsgericht "aus den Schützengräben der Vorfeldideologie" nicht mehr herausgekommen, konstatiert der Schüler von Ex-Bundespräsident Roman Herzog. Dies spiegele sich etwa auch im Urteil vom 14. Juli 1999 zum Verbrechensbekämpfungsgesetz wider. Dieses selbst erklärten die Richter zwar in Teilen für verfassungswidrig. Die Befugnis des Bundesnachrichtendienstes aus dem sogenannten G10-Gesetz, womit dieser zur "Früherkennung bestimmter aus dem Ausland drohender schwerer Gefahren" und zu Zwecken der Unterrichtung der Bundesregierung den Telekommunikationsverkehr überwachen, aufzeichnen und auswerten darf, hielten sie aber grundsätzlich für vereinbar mit Artikel 10 Grundgesetz und dem darin verbrieften Fernmeldegeheimnis.

Der Streit drehte sich damals wie heute vor allem um die "strategische Fernmeldeaufklärung" des BND im Ausland, die etwa auch als strategische Kontrolle bekannt ist und wegen der Amnesty International ebenfalls das BVerfG angerufen hat. Der Geheimdienst darf über dieses Instrument die internationale Telekommunikation mit bis zu hunderttausenden Selektoren wie Telefonnummern, E-Mail-Adressen oder Pseudonymen von Nutzern durchforsten und die Inhalte analysieren, die in diesem Datenstaubsauger hängenbleiben.

Die "Rohmasse" ist dabei riesig: Allein am Frankfurter Internetknoten De-Cix kann der BND täglich laut Medienberichten mehr als eine Billion Verbindungen ausleiten. Davon blieben nach dem Aussortieren erster IP-Adressen rund 24 Milliarden Rohdaten übrig. Im Inland dürfen die darauf angesetzten Suchbegriffe und Kennungen keine Identifizierungsmerkmale enthalten, mit denen sich bestimmte Telekommunikationsanschlüsse gezielt erfassen lassen. Für das Ausland gilt dies nicht. Aber auch dort sind für den BND etwa Telefonnummern deutscher Staatsangehöriger oder einer deutschen Gesellschaft tabu, solange es sich nicht um einen "Beifang" handelt.

Ausländer im Ausland seien derweil für den Bundesnachrichtendienst "vogelfrei", weiß Schwan. "Anschlüsse im Ausland dürfen sogar gezielt abgehört beziehungsweise erfasst werden." Damit ist für den Rechtsgelehrten "der Verfassungsbruch offenkundig". Verletzt sei schon der allgemeine Gleichheitssatz aus Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz, "weil es keinen sachlich rechtfertigenden Grund für diese auf den Unterschied zwischen Deutschen und Nichtdeutschen abstellende Ungleichbehandlung gibt".

Die Verfassungsbestimmungen richteten sich an Jedermann, an "alle Menschen", argumentiert Schwan. "Das Grundgesetz knüpft an die Ausübung deutscher Staatsgewalt an" und gelte überall dort, wo diese ausgeübt werde, "und wenn dies im Weltraum ist". Wäre dies anders, wäre die Staatsgewalt totalitär, nämlich rechtlich nicht gebunden: "Dies zu verhindern ist der Sinn der Verfassung." Klar sei auch, dass die Spione im Auftrag des Staates handelten, selbst wenn ihre Aktivitäten ihre Wirkung auch oder nur im Ausland entfalteten.

Den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz rügten die von ihm vertretenen Beschwerdeführer in der damaligen Klage nicht, räumt der Anwalt ein und entschuldigt sich mit einem "Mea culpa". Hier könnte das BVerfG also diesmal anders entscheiden und der neuen Beschwerde in einem seiner "Ja, aber"-Urteile zumindest teilweise stattgeben.

Eine Wende um 180 Grad hat der frühere Präsident der Institution, Hans-Jürgen Papier, an diesem Punkt bereits vollzogen. Das CSU-Mitglied hat nach seinem Ausscheiden aus der Richterbank mehrfach seine neue Ansicht zu Protokoll gegeben, dass auch die Kommunikation im Ausland zwischen Ausländern grundrechtsgeschützt ist. Die BND-Zugriffe auf Datenaustauschpunkte wie den De-Cix bezeichnete Papier sogar als "insgesamt rechtswidrig". Das ganze "strategische" Konstrukt passe nicht mehr auf die Internetkommunikation.

Schwan zufolge verletzt die BND-Auslandsüberwachung auch das Prinzip der staatlichen Souveränität, weil der deutsche Gesetzgeber sich anmaße, der Exekutive hoheitliche Maßnahmen im Bereich anderer Staaten zu genehmigen, denen diese nicht zugestimmt hätten. Das BVerfG habe sich 1999 aber generell geweigert, die umkämpfte Vorschrift aus dem G10-Gesetz verfassungsrechtlich zu überprüfen: Es habe die Beschwerde des einzigen Ausländers unter den Prozessbeteiligten, der von diesem Artikel betroffen gewesen sei, als unzulässig abgewiesen.

"Ohne Angabe weiterer Einzelheiten geht daraus nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit hervor, dass er durch Maßnahmen, die sich auf die angegriffenen Bestimmungen stützen, in seinen Grundrechten berührt wird", befanden die Karlsruher Richter vor gut 20 Jahren. Geradezu albern sei dies gewesen, meint Schwan und legt dieses Motto so aus: "Bevor ich dir sage, was ich von dir weiß, musst du mir erst einmal sagen, was du vermutest, dass ich es von dir weiß."

Dabei liegt laut dem Rechtswissenschaftler die Vollzugsmaßnahme schon im Anspringen des automatischen Aufnahmegerätes im Augenblick des Auftauchens eines der Suchbegriffe in der überwachten Kommunikation. Über die Dichte des Netzes beziehungsweise Rasters, das mit diesen Suchbegriffen über die Kommunikation gelegt werde, wisse der uruguayische Beschwerdeführer zwar nichts, weil diese "vor ihm und der Öffentlichkeit und dem Gericht geheim gehalten wird". Es sei aber wahrscheinlich, dass der BND seine Telefonate mitschneide: "Es liegt nicht in den Genen eines Geheimdienstes, das zu unterlassen, was er meint, tun zu dürfen".

Neben dem Unwillen der Richter, dem vermutlich Betroffenen zumindest eine "Rechtsschutzmöglichkeit gegen das Ermächtigungsgesetz" zu gewähren, machten Schwan eine Reihe anderer Aspekte schon im Vorfeld der Entscheidung stutzig. So habe die damalige BVerfG-Spitze eingeräumt, ein Vorab-Gespräch hinter verschlossenen Türen mit der Gegenseite geführt zu haben. Wäre er bei dieser Mitteilung nicht völlig überrascht gewesen, hätte er einen Befangenheitsantrag gestellt.

Generell seien bislang viele Entscheidungen aus Karlsruhe darauf hinausgelaufen, "die Datenverarbeitung durch die Geheimdienste von sämtlichen (!) Regeln des grundrechtlichen Datenschutzes freizustellen" und rechtlich vollkommen zu entfesseln, moniert der Verfasser. Damit habe das Gericht gegen die Grundsätze verstoßen, die es selbst anderweitig entwickelt habe. Nahezu nichts sei geschehen, um der "geradezu uferlosen Ausweitung der geheimdienstlichen Überwachungsbefugnis die gebotenen rechtsstaatlichen Zügel anzulegen".

Mit den Überwachern der Überwacher ist es Schwan zufolge auch nicht weit her. Der angeblich gleichwertige Rechtsschutz durch die G10-Kommission habe zu "keiner Zeit das geleistet, was man sich von ihm einst versprochen hat". Dies gelte auch für die vielen anderen Kontrollinstitutionen, "die wie Pilze aus dem Boden schossen und zwar viele Pöstchen für versorgungsbedürftige Bedienstete oder Parteifreunde geschaffen", aber nichts verbessert hätten.

Alle vermeintlichen Kontrollinstanzen sieht der Rechtswissenschaftler endgültig "verhöhnt" durch den Coup der NSA, dem BND Suchbegriffe in die Listen zu schmuggeln, die zu Spionage für die Amerikaner bei deutschen Industriebetrieben geführt hätten. Selbst dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags und der G10-Kommission habe das Gericht daraufhin die Einsicht in die Selektoren mit dem Argument verweigert, dass dem "das Interesse der Bundesregierung an funktionsgerechter und organadäquater Aufgabenwahrnehmung" gegenüberstehe.

Das Geheimhaltungs- überwiege das parlamentarische Informationsinteresse, da die Listen "aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen" gar nicht der Verfügungsgewalt der Exekutive unterfielen, lautete ein weiter Grund für die Absage. Die vom BND und der NSA gemeinsam betriebenen Überwachungsaktivitäten seien aber "in einem erheblichen Umfange rechtswidrig" gewesen, da schon die erforderlichen gesetzlichen Eingriffsbefugnisse gefehlt hätten, hält Schwan dagegen. Die sogar für das Ausspähen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) benutzten Selektoren seien sozusagen "instrumenta sceleris": Werkzeuge des Verbrechens. Damit entfalle für diese "jedwede Möglichkeit der Rechtfertigung für die Geheimhaltung auch gegenüber dem Parlament und seinen Ausschüssen".

Als besonders empörend empfindet es der Jurist, dass das BVerfG in seiner Entscheidung erneut mit keinem Wort auf die Frage der Rechtmäßigkeit eingehe. Damit habe es wieder Bereitschaft signalisiert, "sich zum Helfershelfer der Geheimdienstideologie zu machen". Zugleich sei mit der mit viel "juristischer Phantasie und Erfindungsgabe" erfolgten Brüskierung des Parlaments kaum ein zynischerer Umgang mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung vorstellbar. Letztlich seien die Richter sogar bereit gewesen, die ihnen von der Verfassung zugewiesenen Aufgaben zu opfern: es gebe hier nur Möglichkeiten einer "eingeschränkten verfassungsrechtlichen Kontrolle".

Geheimschutzabkommen der Geheimdienste untereinander, wie sie die Regierung und die Spitze der Judikative hier ins Feld geführt haben, seien nichtig, betont Schwan. Dies lerne ein Jurastudent prinzipiell schon in den ersten Semestern. Ergebnis sei gewesen: "Die Kanzlerin ist der Meinung: 'Abhören unter Freunden, das geht schon gar nicht'. Der 'Hüter der Verfassung' jedoch ist ganz anderer Meinung und antwortet ihr sinngemäß: 'Doch, doch, das geht sehr wohl, es muss nur geheim bleiben'." Daraus müsse man folgern: "Der Rechtsstaat hat seine Seele, seinen Charakter und sein Gewissen verloren."

Bei ihrer "Vergewaltigung des Verfassungsrechts" haben die Karlsruher Richter laut dem Kämpen "Mittäter" in Form weiterer glühender Anhänger der "Werttheorie" und der damit einhergehenden "Güterabwägungsschaukelei". Diese "Lehre" sei trotz ihres Missbrauchs im Nationalsozialismus auch in der deutschen Staatsrechtslehre nach dem 2. Weltkrieg quasi zu einem Allgemeingut avanciert.

Mit dieser Idee lasse sich "alles rechtfertigen", beklagt Schwan, wobei das Bundesverfassungsgericht sich zum "Champion in der Handhabung dieser merkwürdigen Interpretationsmethode" aufgeschwungen habe. Es spreche immer wieder davon, dass verschiedene zu schützende Rechtsgüter "im gleichen Rang" stünden: "Warum sich daraus die Zulässigkeit der Geheimdienste ergeben soll, die Vorfahrt vor allen anderen angeblich gleichrangigen Werten genießen, bleibt ungeklärt." Genau dies sei aber auch die Methode der Werttheorie.

In Artikel 1 Grundgesetz steht geschrieben, dass es "Verpflichtung aller staatlichen Gewalt ist", die unantastbare Würde des Menschen zu schützen. Da sei nicht etwa "die Staatssicherheit oder die Sicherheit der Bevölkerung vor Gefahren für Leib, Leben und Freiheit" erwähnt, ist dem Juristen nicht entgangen. Schon gar nicht gestatte die Verfassung, dass dem Sud der angeblich gleichrangigen Grundrechte "als giftige Würze auch noch die Einrichtung der Geheimdienste hinzugegeben wird. Die so angerichtete Speise verliert ihre Ungenießbarkeit auch nicht durch das Beiwerk der Begriffe 'Verfassungswert', 'hochrangig' und 'Schutzpflicht'."

Für umso erstaunlicher hält es Schwan, dass das BVerfG als Quelle der Schutzpflicht, die am Ende seiner Argumentationskette die Geheimdienste rechtfertigen solle, auch noch "die Garantie der Menschenwürde" benenne. Es bewege sich damit auf den geistigen Bahnen "des Hohepriesters der nationalsozialistischen Staatslehre", nämlich auf denen von Herbert Krüger, der noch in einer Nachkriegsauflage seiner Staatslehre die Leistung von Gehorsam gegenüber dem Staat als "höchste irdische Selbsterfüllung der Menschenwürde" bezeichnet habe. Die "Wertordnung", auf der die "Hüter der Verfassung" hier aufbauten, gehe auf den "staatsrechtlichen Chefideologen des Nationalsozialismus" zurück: den "Theodor Maunz des Jahres 1943".


Aus: "Missing Link: Geheimdienst und Verfassungsgericht vereint gegen den Rechtsstaat" Stefan Krempl (17.05.2020)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Missing-Link-Geheimdienst-und-Verfassungsgericht-vereint-gegen-den-Rechtsstaat-4722708.html?seite=all

Quoteuid, 17.05.2020 09:32

Klagen ist trotzdem wichtig.

Erschöpfung des Rechtswegs ist nämlich Voraussetzung für Art. 20 Abs. 4.


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#199
Quote[...] Der Bericht ist Teil eines internationalen Rechercheprojekts des Vereins Forbidden Stories, der die Arbeit von Reportern weiterführt, die bedroht werden oder die bei ihren Recherchen ermordet wurden. Mehr als 20 Journalisten von Medien wie der Washington Post oder Haaretz arbeiten daran. In Deutschland sind an dem Projekt neben der ZEIT auch der NDR, der WDR und die Süddeutsche Zeitung beteiligt.

Omar Radi fürchtete schon lange, dass er von der marokkanischen Regierung überwacht wird. Radi ist Journalist, er berichtet über Korruption im Umfeld des marokkanischen Königshauses, er schreibt über die Verbindung von politischer Macht und wirtschaftlichen Interessen im Land, über krumme Geschäfte von Bodenspekulanten, Polizeigewalt und Vetternwirtschaft. In ihren Reden verspricht die marokkanische Regierung mehr Demokratie. Doch geht es um die Meinungs- und Pressefreiheit, sprechen die Taten des Königshauses eine andere Sprache. Im März wurde Radi aufgrund eines Tweets wegen Missachtung des Gerichts zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe verurteilt – er hatte einen Richter kritisiert, der lange Haftstrafen gegen regierungskritische YouTuber bestätigt hatte. Es war nicht der einzige Versuch, zu kontrollieren, was er sagt und schreibt.

Nach Recherchen von Amnesty International wurde Radi zeitweilig rund um die Uhr überwacht, jede seiner Äußerungen, jede seiner Bewegungen ausspioniert. Ein heute von Amnesty veröffentlichter Bericht zeigt, dass Radis Mobiltelefon mindestens zwischen Januar 2019 und Januar 2020 mehrfach mit einer Spionagesoftware namens Pegasus angegriffen wurde, die die israelische Firma NSO weltweit an Polizeien und Geheimdienste verkauft. Er habe schon länger den Verdacht, "ausgespäht zu werden", sagt Omar Radi in einem Videointerview mit Forbidden Stories – das internationale Rechercheprojekt, an dem die ZEIT und ZEIT ONLINE beteiligt sind, hatte die Zusammenarbeit mit Amnesty koordiniert.

Wer genau den Journalisten ausspioniert hat, ist unklar, doch frühere Überwachung von Bürgerrechtlern im Land und das Muster des Angriffes ließen es wahrscheinlich erscheinen, dass es der marokkanische Geheimdienst war, so Amnesty: "Der anhaltende Missbrauch der NSO-Instrumente deutet darauf hin, dass marokkanische Behörden die Grundrechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungsfreiheit und friedliche Versammlung nicht respektieren und schützen", heißt es in dem Bericht.

Das Spionageprogramm Pegasus kann – wenn es einmal auf das Handy eingeschleust ist – nahezu alle Informationen auf einem Mobilgerät heimlich auslesen, ob es Nachrichten sind, Kontaktlisten, Telefonate oder Bewegungsdaten. Die Überwacher wissen dadurch jederzeit, auf welchen Seiten Verdächtige surfen, mit wem sie kommunizieren, wo sie sich aufhalten.

Für Behörden sind die Handys in der Hosentasche längst zum wichtigsten Ziel von Überwachung geworden. Über sie laufen Geschäfte, Anrufe, Botschaften und Bilder, aus ihren Daten lassen sich Bewegungsprofile und Übersichten über menschliche Stärken und Schwächen erstellen. Wer Zugang zum Mobiltelefon hat, kann das Leben eines Menschen bis in den intimsten Winkel ausleuchten und sogar Vorhersagen über dessen Verhalten machen.

Das israelische Unternehmen NSO rechtfertigt sich damit, dass man nur dabei helfe, Terroristen zu finden und Schwerkriminelle zu ermitteln, dass man aber keinen Einfluss darauf habe, wen die staatlichen Käufer von Pegasus überwachen. NSO versichert außerdem, dass man sich an alle internationalen Exportbeschränkungen für solche Spionagesoftware halte, dass man Menschenrechte achte und sich an ethische Prinzipien gebunden fühle. Doch zeigen Fälle wie der von Omar Radi immer wieder, wie schwierig und gefährlich der Umgang mit solcher Überwachungstechnik ist.

Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Fällen, die belegen, dass solche Spionagewerkzeuge längst nicht nur zur Jagd nach Terroristen genutzt werden. Allein die digitalen Waffen von NSO tauchten auf Geräten von zahlreichen Bürgerrechtlern und Journalisten auf, beispielsweise in Mexiko. Dortige Behörden hatten sie gekauft, um Drogenhersteller und Drogenhändler zu finden, doch zeigen Analysen des Citizen Lab der Universität Toronto, das sich ebenfalls mit der Suche nach Pegasus beschäftigt, dass sie auch gegen Journalisten angewendet wurden.

Genau das scheint in Marokko zu geschehen. Seit Jahren werden dort regierungskritische Journalisten mit Hausdurchsuchungen und Prozessen verfolgt, um sie einzuschüchtern. "Die marokkanischen Behörden kaufen jede erdenkliche Überwachungs- und Spionagelösung, sie wollen alles wissen", sagt Radi. "Marokko ist ein Polizeistaat, Überwachung ist also völlig normal."

Vor elf Jahren hatte die marokkanische Regierung eine Spionagesoftware namens RCS von der italienischen Firma Hacking Team gekauft. Sie habe damit viele Menschen im Land ausgespäht, so Radi. Damals habe er bereits vermutet, unter den Opfern zu sein und seine Geräte überprüfen lassen. "Sie fanden den Virus auf meinem Rechner, ich habe ihn dann nicht mehr benutzt, er war komplett verwanzt."

Amnesty International hatte bereits im Oktober 2019 einen ersten Bericht veröffentlicht, der zeigte, dass die marokkanische Regierung Journalisten und Bürgerrechtler im Land auch mit Pegasus angreift.

Der Fall von Radi geht jedoch weit darüber hinaus: NSO scheint einen Weg in fremde Mobiltelefone gefunden zu haben, gegen den es für die Betroffenen keine Gegenwehr mehr gibt. Bisherige Angriffe mit Pegasus brauchten zumindest einmal die unbewusste Mitarbeit der Opfer und boten die Chance, dass die Betroffenen den Angriff bemerkten. Dabei wurde eine SMS verschickt, die einen Link enthielt oder via WhatsApp ein Anruf auf dem Telefon des Opfers gestartet.

Der neue Infektionsweg jedoch ist für die Betroffenen nicht mehr sichtbar, der Angriff erfolgt direkt über das Mobilfunknetzwerk. Entweder durch die Mithilfe des Netzwerkbetreibers oder durch sogenannte IMSI-Catcher, die dem Telefon vortäuschen, ein Mobilfunkmast zu sein, sodass es sich bei ihnen einbucht und dann infiziert wird. Einen ersten Bericht, dass NSO solche IMSI-Catcher anbietet, hatte Business Insider im Januar 2020 veröffentlicht. Der Fall Omar Radi zeigt, dass die Technik auch gekauft und eingesetzt wird.

Radi sagt, dass er niemals auf unbekannte Links klickt, da er seit Langem davon ausgeht, angegriffen zu werden. "Die Attacke ist heimtückischer, sie hinterlässt viel weniger Spuren als bisherige", sagt Claudio Guarneri in einem Gespräch mit der ZEIT und ZEIT ONLINE. Der Sicherheitsforscher leitet das technische Labor von Amnesty International und untersucht seit Jahren solche Spionagesoftware. "Hier passiert alles unsichtbar für den Nutzer." Die Regierung selbst äußerte sich dazu nicht, entsprechende Anfragen blieben unbeantwortet.

Der Fall belegt damit, wie wenig wirksam Absichtserklärungen von Herstellern wie NSO sind. Aufgrund der internationalen Kritik an ihren Produkten hat die israelische Firma gerade erst einen Menschenrechtskodex verabschiedet. In dem steht beispielsweise, dass die staatlichen Nutzer ausdrücklich dazu verpflichtet seien, Produkte wie Pegasus "ausschließlich zur Prävention und Untersuchung schwerer Verbrechen (einschließlich Terrorismus) einzusetzen und sicherzustellen, dass die Produkte nicht zur Verletzung von Menschenrechten verwendet werden".

Damit konfrontiert antwortet NSO, aufgrund von Geheimhaltungsvereinbarungen könne man weder dementieren noch bestätigen, ob Marokko Pegasus gekauft habe. Über die Anschuldigungen sei man jedoch "zutiefst bestürzt". "Wir prüfen die darin enthaltenen Informationen und werden, falls erforderlich, eine Untersuchung einleiten", so ein Sprecher des Unternehmens. Man nehme die Verantwortung für die Achtung der Menschenrechte ernst und sei sehr daran interessiert, "negative Auswirkungen auf die Menschenrechte zu vermeiden".

Omar Radi wird das nicht vor der marokkanischen Regierung schützen, er versucht sich zu wehren, so gut es geht, auch wenn er den Kampf für schwierig hält. Von der Justiz in Marokko sei keine Hilfe zu erwarten, Klagen gegen die Überwacher würden gar nicht erst zugelassen, sagt er. "Ihre Technik ist allem überlegen, was Hacker, Datenschützer oder Journalisten aufbieten können. Daher ist der beste Weg, es ihnen wenigstens so schwer wie möglich zu machen und ständig die Handys zu wechseln – oder erst gar keines zu benutzen."


Aus: "Marokko setzt Überwachungssoftware Pegasus gegen Journalisten ein" Kai Biermann (22. Juni 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2020-06/spionage-ueberwachung-nso-marokko-journalist-pegasus/komplettansicht

QuoteMuschelschubser146 #14

Man höre und staune.


Quotedummzeuch #11

Des einen Freiheitskämpfer sind des anderen Terroristen. Ist ja nichts neues, kennt man aus vielen anderen Staaten auch. ...


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Quote[...] Der umstrittene Überwachungssoftware-Anbieter NSO behält in Israel seine Exportlizenz. Ein Tel Aviver Gericht hat den Antrag von Amnesty International zurückgewiesen, NSO diese Lizenz zu entziehen. Dem Unternehmen war vorgeworfen worden, mit der Software Pegasus totalitären Regierungen bei der Ausspähung von Journalistinnen und Dissidenten geholfen zu haben. Nach Amnesty-Angaben hatten marokkanische Behörden den wegen eines behördenkritischen Twitter-Beitrags verurteilten Journalisten Omar Radi mithilfe des Pegasus-Programms ausspioniert.

Die Richterin des Tel Aviver Bezirksgerichts urteilte jedoch, die Kläger hätten "keine stichfesten Beweise vorgelegt". Es sei den Klägern nicht gelungen, den Vorwurf zu untermauern, "dass Menschenrechtler überwacht wurden, indem man versuchte, in ihre Handys einzudringen". Auch eine mutmaßliche Rolle von NSO bei solchen Versuchen habe man nicht beweisen können.

Die Richterin erklärte zudem, dass die Mitangeklagten, unter ihnen Israels Außen- und Verteidigungsministerium sowie die Vorsitzende der israelischen Ausfuhrkontrolle im Sicherheitsbereich, ihre Rolle auf angemessene Weise erfüllt hätten. Die Exportlizenz für NSO sei erst "nach außerordentlich gründlicher Prüfung" erteilt worden. Ein Teil des Urteils blieb allerdings geheim.

Im Juni hatte Amnesty schwere Vorwürfe gegen die marokkanischen Behörden erhoben. Diese hätten Radi mit der NSO-Software "wegen seines Journalismus und Aktivismus systematisch" verfolgt. Im März war Radi von einem marokkanischen Gericht zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. NSO wollte auf Nachfrage keine Angaben zu seinen Geschäften in Marokko machen. Das Unternehmen zeigte sich angesichts der Vorwürfe jedoch "besorgt" und kündigte eine interne Untersuchung an.

Auch Facebook hatte NSO im Oktober vergangenen Jahres in den USA verklagt. Damit wehrte sich das Online-Netzwerk erstmals vor Gericht gegen mutmaßliche Ausspähattacken auf seinen populären Dienst WhatsApp. Der Vorwurf in der Klage lautete, NSO habe versucht, sich über eine später geschlossene Sicherheitslücke bei WhatsApp Zugriff auf Hunderte Smartphones zu verschaffen. Unter den Zielpersonen seien Journalisten, Anwältinnen, Dissidenten, Menschenrechtsaktivistinnen, Diplomaten und Regierungsbeamte gewesen.

NSO war auch vorgeworfen worden, seine Überwachungssoftware habe bei der Ermordung des saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi eine Rolle gespielt. Das israelische Unternehmen hatte in der Vergangenheit betont, sein Produkt werde "lediglich für die Untersuchung und Verhinderung von Verbrechen und Terrorismus genutzt".


Aus: "Überwachungssoftware: NSO darf Exportlizenz in Israel behalten" (13. Juli 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/2020-07/ueberwachungssoftware-nso-pegasus-exportlizenz-israel-amnesty-international-ausspaehung-journalisten

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"Spying on Americans: Infamous 1970s White House Plan for Protest Surveillance Released"
Nixon-era "Huston Plan" was too far-reaching even for J. Edgar Hoover. Government sought more infiltration of Black political movements than FBI was already doing. 50 years later, censors still hiding "sources and methods" for tracking Soviet-Chinese roles (and lack thereof) in antiwar movement ...
https://nsarchive.gwu.edu/briefing-book/intelligence/2020-06-25/spying-americans-new-release-infamous-huston-plan

Quote[...] Als nach Watergate das Treiben der US-Geheimdienste durchleuchtet wurde, stießen Ermittler auf ein als Huston-Plan bezeichnetes Dokument, von dem bislang nur Teile für die Öffentlichkeit freigegeben waren.

Dieser Plan sah einen intensiven Informationsaustausch unter den US-Nachrichtendiensten vor allem über die Friedens- und die Schwarzenbewegung vor, eine Ausweitung der elektronischen und sonstigen Bespitzelung sowie von sogenannten "Black Bag Jobs". Darunter verstand man Einbrüche zum Schnüffeln und Verstecken von Wanzen, verdeckte Ermittlungen und die Beobachtung politischer Organisationen im Inland. Ein FBI-Memo von 1973 bezeichnete den Plan als Streben nach einem "Hitler-artigen" Regime [https://nsarchive.gwu.edu/documents/spying-americans-new-release-infamous-huston-plan/24a.pdf].

Der im Juni 1970 entworfene Huston-Plan spielte eine Rolle im Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Nixon und wurde nun endlich von den Historikern der George Washington University freigeklagt. Das Vorhaben steht im Kontext zu den anderen schmutzigen Tricks Nixons wie Schmierkampagnen, Verletzung des Steuergeheimnisses politischer Gegner und Abhören der Demokratischen Partei.

Namensgeber des Dokuments war der rechte Politaktivist Tom Charles Huston. Mit nur 28 Jahren hatte es der stramme Antikommunist zum Redenschreiber des Präsidenten gebracht und fungierte als dessen Verbindungsmann zum neugegründeten Interagency Committee on Intelligence, in dem die US-Geheimdienstchefs ihre Maßnahmen gegen innenpolitische Gegner koordinieren sollten.

Huston träumte offenbar von einer Art geheimen Staatspolizei. FBI-Vize Mark Felt bezeichnete Huston sogar mit dem deutschen Wort "Gauleiter".

Huston verdankte die Amthor-hafte Blitzkarriere ins Weiße Haus seinem Engagement als rechter Aktivist, der eine Brücke zwischen den eher alten Republikanern zur jungen Generation schlug.

Mit gerade einmal 24 Jahren hatte Huston als Jurastudent die größte konservative Studentenvereinigung Young Americans for Freedom (YAF) angeführt. Die YAF galt manchen als Schlägertruppe in Anzügen und warb in den politisch aufgeladenen 1960er Jahren vor allem für den ultrarechten Barry Goldwater. Huston eiferte dem paranoiden Kommunisten-Hexenjäger Joseph McCarthy nach und gründete die konservative Zeitschrift National Review.

In der intern äußerst zerstrittenen YAF lernte Huston, dass man vor allem mit schmutzigen Tricks wie manipulierten Wahlen und ähnlicher Intriganz weiterkam. Huston witterte überall Kommunisten, rief zum Boykott von US-Firmen wie IBM auf, die mit dem Ost-Block Geschäfte machten, und bekämpfte die National Students Association - die ironischerweise heimlich von der CIA finanziert wurde. Seinen Rückhalt in der YAF verlor Huston jedoch, als er sich gegen Rassismus aussprach und Afroamerikaner als vollwertige Bürger akzeptieren wollte. Doch auch die YAF konnte 1967 die Aufhebung der Rassengesetze nicht abwenden. Finanziert von Geschäftsmännern veranstaltete Huston diverse konservative Demonstrationen und blutete vor allem für den Vietnamkrieg, und zwar durch Organisation von Blutspenden für US-Soldaten.

Nach seinem Studium ging 1967 Huston für zwei Jahre zum Army-Geheimdienst und arbeitete in dieser Zeit heimlich für Nixons Wahlkampf. Während man bei YAF als Präsidentschaftskandidat den ultrakonservativen Ronald Reagan favorisierte, brachte Huston die konservative Krabbelgruppe auf Nixon-Kurs. Im Wahlkampf von 1968 kam es zu einigen der gewaltsamsten Demonstrationen in der US-Geschichte. "Tricky Dick" verdankte seinen mit einem Prozent knappen Wahlsieg nicht zuletzt seinen Straßenkämpfern und belohnte Huston dafür mit einem Job als Redenschreiber. Nixon selber hatte einst auf ähnliche Weise Karriere gemacht, indem er die republikanischen Dulles-Brüder hofierte.

Bereits seit Jahren war die US-Geheimdienst-Community unzufrieden mit den Erkenntnissen über inländische Oppositionsbewegungen, besonders fürchtete man Bürgerunruhen, urbane Aufstände und die Friedensbewegung. Nixon persönlich witterte geheimdienstliche Steuerung solcher Organisationen aus dem Ausland zum Zwecke der Zersetzung (wie es umgekehrt die CIA unverblümt praktizierte). In Verdacht hatte er Sowjetunion, China und Kuba.

Auch der Leiter der Gegenspionage beim FBI, William C. Sullivan, teilte Nixons Wahnvorstellung von einem nennenswerten ausländischen Einfluss auf US-interne Spannungen. Sullivan wandte Spionage- und Zersetzungsmethoden, die eigentlich gegen fremde Geheimdienste gedacht waren, gegen Oppositionelle an. Es handelte sich bei Sullivan um jenen berüchtigten FBI-Mann, der Martin Luther King in einem Brief zum Selbstmord aufgefordert hatte. Das Ausbleiben von Beweisen für die präsidentielle Verschwörungstheorie über ausländische Drahtzieher führte der ultrarechte Sullivan auf zu geringe Überwachungsmaßnahmen zurück. Der Sicherheitsexperte kritisierte, dass FBI-Chef Hoover seine aggressive Inlandsüberwachung inzwischen zurückgefahren hatte.

Die Effizienz der Inlandsüberwachung litt jedoch an der damals ausgeprägten Rivalität der US-Geheimdienste. Die Befindlichkeiten hatten eine gewisse Tradition. Als republikanische Lobbyisten 1947 die Gründung der CIA durchsetzen, gelang dies mit dem Schreckensszenario, dass andernfalls der mächtige Hoover zur Auslandsspionage zuständig sei und das FBI zur geheimen Staatspolizei mutiere. Der Militärgeheimdienst DIA wiederum hasste die zivile CIA, da sich das Militär etwa für paramilitärische Operationen nun einmal für kompetenter hielt. Der Abhörgeheimdienst NSA wusste sein Reich stets abzuschirmen. Nixon bezeichnete den siebzigjährigen Hoover als senil, was dem Schattenmann zu Ohren gekommen war. Aktuell herrschte zwischen FBI und CIA wegen Verstimmungen sogar gänzlich Funkstille, sehr zum Verdruss des paranoiden Leiters der CIA-Gegenspionage James Jesus Angleton, der nach FBI-Informationen gierte.

Die Reibungsverluste rächten sich bei den Ermittlungen gegen den Weather Underground, eine militante Untergrundorganisation von Bürgerrechtlern, die Bombenanschläge gegen Regierungsgebäude verübte (Sarah Palin trifft den Wettermann [https://www.heise.de/tp/features/Sarah-Palin-trifft-den-Wettermann-3420455.html]). Die Spannungen stiegen, als Nixon über Kambodscha den Vietnamkrieg ausweitete und damit Proteste provozierte. An der Kent State University und der Jackson State University erschossen und verletzten im Mai 1970 Sicherheitskräfte mehrere Studenten, was das politische Klima weiter aufheizte.

Um die eigene Bevölkerung effizient zu bespitzeln, wollte Nixon seine Geheimdienste befrieden und holte deren Häuptlinge an einen Tisch. Im neuen Interagency Committee on Intelligence saßen J. Edgar Hoover (FBI), Richard Helms (CIA), Admiral Noel Gayler (NSA) und General Donald V. Bennett (DIA). Die Treffen fanden im CIA-Gebäude in Langley statt, den Vorsitz führte FBI-Chef Hoover. CIA-Direktor Helms bestand auf einer geschlossenen Liste der "Bigotten", um die absolute Geheimhaltung der klar verfassungswidrigen Inlandsspionage zu gewährleisten.

Für Nixon nahm dessen ultrarechter Einflüsterer Huston an den Sitzungen teil. Nach der Gründungssitzung vom 5. Juni 1970 arbeiteten Huston und der drei Jahrzehnte ältere Sullivan, die sich bereits gut kannten, konkrete Pläne zur illegalen Überwachung der politischen Linken und insbesondere der Schwarzen-Bewegung aus. In ihrem ersten Dokument beklagten Sullivan und Huston eine massive Herrschaft des Pöbels und Rassenunruhen. Es sei eine Tatsache, dass tausende Staatsfeinde das Regierungssystem zerstören wollten und Unterstützung bei den Feinden im Ausland suchten. Sullivan bat sich aus, dass die Geheimdienste mit einer Stimme zu sprechen hätten [https://nsarchive.gwu.edu/documents/spying-americans-new-release-infamous-huston-plan/04a.pdf].

Die Pläne zur Ausweitung illegaler Inlandsüberwachung stießen bei CIA, NSA und DIA auf großes Interesse. Diese Dienste hatten ohnehin geheime Programme zur Post- und Telefonüberwachung laufen, von denen bisweilen nicht einmal die Präsidenten informiert waren. Besonders die NSA freute sich über eine Ausweitung ihres Repertoires nach Innen mit Black Bag Operations. Seit 1945 zeichnete die NSA alle grenzüberschreitenden Telegramme auf (Operation SHAMROCK) und überwachte auch bestimmte US-Amerikaner (Operation MINARET). Die CIA öffnete seit 1952 heimlich die Post aus China und der Sowjetunion (Operation HT/LINGUAL). Obwohl die CIA nur im Ausland operieren durfte, überwachte der Geheimdienst 300.000 US-Amerikaner, die sich etwa in der Friedensbewegung oder gegen Atomkraft engagierten (Operation CHAOS). Die DIA hielt sich etwas zurück, weil gegen sie gerade Untersuchungen wegen illegale Inlndsüberwachung liefen.

Ausgerechnet FBI-Chef Hoover, der wie kein zweiter die Inlandsüberwachung betrieben hatte, reagierte auf die Vorschläge von Huston und Sullivan ungehalten. Seit den 1920er Jahren kontrollierte Hoover die Bundespolizei FBI, die auch für die Spionageabwehr zuständig war, und hatte sie zu einem Inlandsgeheimdienst geformt. Der Intrigant hatte acht Präsidentschaften nicht zuletzt deshalb überlebt, weil er geheime Dossiers mit Kompromat über Politiker und andere Personen des öffentlichen Lebens führte und über Machenschaften in Washington bestens informiert war.

Zwischen 1956 und 1971 operierte das FBI heimlich unter der Code-Bezeichnung COINTELPRO systematisch gegen politische Organisationen wie vor allem die Friedens- und Schwarzen-Bewegung, die es mit V-Leuten durchsetzte. Dabei führte das ausnahmslos mit weißen Ermittlern besetzte FBI Schmutzkampagnen durch, lancierte hierzu Fälschungen und schüchterte Gegner auch mit Gewalt ein. In den letzten Jahren allerdings hatte Hoover Black Bag Jobs untersagt.

Bei einem abschließenden Treffen am 25. Juni 1970 in Hoovers Büro erwarteten die anderen Geheimdienstchefs lediglich ein kurzes Abzeichnen des Plans. Stattdessen jedoch resümierte der FBI-Direktor überraschend, er habe über Jahre hinweg das heimliche Öffnen von Post und andere illegale Bespitzelung gestattet, er sei jedoch gegen eine Ausweitung, schon weil dies die Entdeckungsgefahr erhöhe.

Hoover las in einer Art Zeremonie jeden einzelnen Passus vor, vermerkte in Fußnoten ausdrücklich seine Bedenken und forderte von den anderen Teilnehmern jeweils ausdrückliche Zustimmung zu den Maßnahmen. Der Stratege erklärte trotz seiner Vorbehalte, er sei nicht in der Position, ihm übergeordneten Amtsträgern zu widersprechen. Hoover hatte sich damit abgesichert, dass er für nichts den Kopf hinhalten würde, was nicht der Präsident ausdrücklich angeordnet hatte. Mithin oblag es Nixon, das nun mit Hoovers Fußnoten gespickte Dokument etwa der Black Bag Jobs zu unterzeichnen.

Tricky Dick Nixon erkannte, dass er sich mit Unterzeichnung des klar erkennbar verfassungswidrigen Huston-Plans angreifbar machte. Man überlegte noch, ein Treffen zwischen dem Präsidenten und dem FBI-Chef zu arrangieren, um Hoover umzustimmen. Stattdessen gab man intern jedoch einfach die Order aus, der Präsident habe den Plan akzeptiert. Als Hoover erfuhr, dass man seinen Schachzug umgangen hatte, sandte er sofort den Huston-Plan an den bislang hiervon nicht informierten Generalstaatsanwalt John N. Mitchell. Der Jurist suchte umgehend das Oval Office auf und führte Nixon vor Augen, dass Hoover den Präsidenten in der Hand hatte. Hoover müsste den Huston-Plan nur an die Presse leaken, um Nixons Administration zu beenden.

Mitchell untersagte den anderen Geheimdienstchefs, den Plan umzusetzen. CIA-Direktor Helms sandte daraufhin noch am selben Tag seine Ausfertigung des Dokuments zurück, seine Kollegen taten es ihm gleich. Das Weiße Haus zog den Plan "zur Überarbeitung" zurück und beerdigte ihn auf diese Weise. Nach fünf Tagen Lebensdauer war der Huston-Plan Geheimdienst-Geschichte und füllte einmal mehr Hoovers Dossiers mit Kompromat.

Hitzkopf Huston wurde im Weißen Haus fortan mit Unwichtigem befasst, sodass er bereits im Herbst 1970 den prominenten Arbeitsplatz räumte und sich in seiner Heimat Indiana als Anwalt niederließ. Sullivan überwarf sich mit Hoover und wechselte zum neuen gegen Drogenhandel aufgstellten Geheimdienst ONNI. Dem Schattenmann wurden keine ausländischen Verschwörer oder Drogendealer zum Verhängnis, sondern ein befreundeter Jäger, der ihn 1975 mit einem Hirsch verwechselte.

Der Mathematiker und Friedensaktivist Prof. Dr. William Davidon hatte inzwischen erkannt, dass die US-Geheimdienste (auch ohne den Huston-Plan) systematisch gegen die Bürgerrechtsbewegung vorgingen. Um seine "Verschwörungstheorie" zu beweisen, organisierte er 1971 während des "Kampf des Jahrhunderts" einen Einbruch in ein FBI-Gebäude, um dort vermutete Akten zu erbeuten. Das Ausmaß der verfassungswidrigen Aktivitäten überstieg alle Vorstellungen. Davidon leakte das Material an die Presse, der Skandal führte schließlich zur Einrichtung von Geheimdienst-Untersuchungsausschüssen (Vier Jahrzehnte vor Snowden: "The Citizens Commission to Investigate the FBI" [https://www.heise.de/tp/features/Vier-Jahrzehnte-vor-Snowden-The-Citizens-Commission-to-Investigate-the-FBI-3363273.html] ).

Auf offizieller Basis des abgesagten Huston-Plans erfolgten keine Operationen - inoffiziell allerdings durchaus. CIA und NSA ließen ihre bisherigen illegalen Programme zur Post- und Telegrammkontrolle weiterlaufen und baten 1971 Mitchell vergeblich, seine Haltung zu überdenken. Die NSA weitete ihre Liste an zu überwachenden US-Amerikanern aus, auch das FBI spähte nun jede schwarze Studentengruppe ohne Anlass aus und rekrutierte hierzu nun sogar Minderjährige als Spitzel.

Nixon erwähnte bei manchen seiner Aktionen sogar ausdrücklich den Huston-Plan, der zu implementieren sei. Da Nixon das Vertrauen in seine offiziellen Geheimdienste verloren hatte, die CIA gar als die "Clowns aus Langley" verspottete, suchte er sich nun andere Prätorianer. Insbesondere wollte Nixon herausfinden, wer Informationen aus dem Weißen Haus nach außen durchstach. Daher heuerte der Präsident informell ehemalige CIA-Leute an, die als "Klempner" die Lecks finden und abdichten sollten. An deren Loyalität hatte er keine Zweifel, hatte man doch mit dem ganzen Bay-of-Pigs-Thing gemeinsame Leichen im Keller.

Berühmte Black Bag Jobs der Klempner waren der Einbruch beim Psychiater von Whistleblower Daniel Ellsberg, der die Täuschungen über den Vietnamkrieg aufgedeckt hatte [https://www.heise.de/tp/features/Der-Schluessel-liegt-darin-als-erster-zu-luegen-3379976.html], und 1972 der Einbruch ins Watergate Hotel, um dort die Wahlkampfzentrale zu verwanzen. Hoover war kurz vor dem Watergate-Einbruch unter mysteriösen Umständen verstorben. Wie man heute weiß, lancierte FBI-Vize Mark Felt alias "Deepthroat" Informationen an die Presse, die Nixon in Bedrängnis brachten. Der Versuch des strauchelnden Präsidenten, seinem Rechtsberater John Dean die Verantwortung zuzuschustern, bewegte diesen zum Frontwechsel. Bevor der schließlich gefeuerte Dean sein Büro im Weißen Haus räumte, ließ er noch einen Stapel an Dokumenten mitgehen - darunter eine Kopie des Huston-Plans. Von dessen Existenz erfuhr die Öffentlichkeit erstmals im Mai 1973 aus der Presse [https://www.nytimes.com/1973/05/24/archives/conservative-architect-of-security-tom-charles-huston-man-in-the.html].

Der Watergate-Skandal kostete Nixon das Amt und ruinierte das Ansehen der Geheimdienste. Deren Chefs machten keinerlei Anstalten, Ermittlungen gegen Nixon zu blockieren. Ironischerweise hatte sich ausgerechnet der Präsident selbst überwachen lassen, da er wie seine Vorgänger die Gespräche in den eigenen Räumen im Weißen Haus durch versteckte Mikrophone mitschneiden ließ. Erstmals erfuhr die Öffentlichkeit von den geheimen Methoden der CIA und dem Ausmaß verdeckter Staatsstreiche.

Nunmehr untersuchte eine Kommission auch die Attentate auf die Kennedys und Martin Luther King, bremste aber immer dann, wenn es wirklich interessant wurde. Im Church-Ausschuss wurde jene berüchtigte CIA-Pistole herumgereicht, mit der Gift in gefrorenem Eis verschossen werden konnte, um Spuren eines verdeckten Mords zu vermeiden. Rechtsaußen Barry Goldwater erlaubte sich den Spaß, mit der Pistole auf anwesende Demokraten zu zielen.

Huston musste ebenfalls vor dem Church-Ausschuss aussagen. Er blieb der Politik treu und begeisterte etwa Mike Pence für die Partei. Der konservative Haudegen ist heute ein treuer Fan des republikanischen Präsidenten Trump, den er ironischerweise vor dem tiefen Staat warnt.

Neu an den nunmehr freigegebenen Dokumenten sind konkrete, allerdings kaum überraschende Ziele der illegalen Überwachung wie studentische Protestgruppen, Aktivisten der Kriegsgegner, militante "Neue Linke" (bezeichnet als "New Left Terrorist Groups"), ein sogenanntes "Black Extremist Movement", namentlich die Black Panthers, die Communist Party of the United States, die Socialist Workers Party und Nationalisten aus Puerto Rico. Beunruhigend ist, dass man in Washington noch immer Anlass sieht, 5 % des Dokuments zu schwärzen. Offenbar gibt es auch nach einem halben Jahrhundert noch Delikates zu verbergen.

Anders als Nixon benötigt der aktuelle Präsident jedoch keine geheimdienstlichen Informationen über innenpolitische Gegner, vielmehr bezieht Trump solche über Twitter oder saugt sie sich aus den Fingern. (Markus Kompa)


Aus: "Die Black Bag Jobs des Richard Nixon" Markus Kompa (29. Juni 2020)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Die-Black-Bag-Jobs-des-Richard-Nixon-4797514.html?seite=all

QuoteRoflian Ötzer, 29.06.2020 08:56

Angesichts solcher Vorkommnisse fällt es schwer, die Existenz eines tiefen Staates (in $irgendeinland) von vorneherein als Spinnerei von sogenannten Verschwörungstheoretikern abzubügeln. Zumindest für die USA ist mit diesen Akten nämlich bewiesen, das ein Deep-State existiert(e).

MfG
Der Roflian


QuoteArtur_B, 29.06.2020 09:38

Damals also wurde die Grundlage für das gelegt, was wir heute sehen: ein Geheimdienstkonglomerat, das offensichtlich den gesamten Staatsapparat im Griff hat. Erinnert sich noch jemand an den NSA-Skandal? Snowden hatte umfassende Beweise für eine massive Ausspähung der US-Bürger sowie dem Rest der Welt. Völlig vergessen, das hatte überhaupt keine Konsequenzen. ...


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Quote[...] Eine interne Aufarbeitung des Verfassungsschutzes im Zusammenhang mit dem NSU hat öffentlich Aufsehen erregt, weil sie für 120 Jahre geheim gehalten werden sollte. Inzwischen wurde die Frist auf 30 Jahre verringert. Die ursprüngliche lange Dauer weckte bei manchen den Verdacht, der hessische Geheimdienst habe Schlimmes zu verbergen. Für das Landesamt für Verfassungsschutz waren die 120 Jahre aber offenbar gar nicht ungewöhnlich. Beuth spricht von ,,früher üblichen Einstufungsfristen von bis zu 120 Jahren". Sie sei aus einem ,,umfassenden Schutzgedanken" gefolgt, da nicht nur V-Leute des Verfassungsschutzes, sondern auch deren Kinder und Enkelkinder hätten geschützt werden sollen.

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Aus: "Geheimhaltungsfristvon 120 auf 30 Jahre gesenkt" Pitt v. Bebenburgvon (02.08.2020)
Quelle: https://www.fr.de/rhein-main/geheimhaltungsfristvon-120-auf-30-jahre-gesenkt-90016687.html

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Quote[...] Der frühere Wirecard-Manager Jan Marsalek war möglicherweise V-Mann des österreichischen Nachrichtendienstes. Dem Generalbundesanwalt "liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der österreichische Staatsangehörige Jan Marsalek von einem Mitarbeiter des österreichischen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) als Vertrauensperson geführt wurde", zitiert die Süddeutsche Zeitung aus der Antwort des Bundesjustizministeriums auf eine schriftliche Frage des Linken-Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi.  ...

... Das Bundeskanzleramt wollte sich dem Bericht der Süddeutschen zufolge auf Anfrage der Zeitung nicht äußern. Auch das österreichische Innenministerium, dem das BVT untersteht, wollte demnach nicht Stellung nehmen.

... Einen V-Mann ohne das Wissen der deutschen Behörden in einem Dax-Unternehmen zu platzieren, wäre ein Affront und könnte die deutsch-österreichischen Beziehungen belasten, schreibt die SZ weiter.

... Marsalek ist seit Juni untergetaucht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm schwere Untreue und gewerbsmäßigen Bandenbetrug vor. Marsalek soll spätestens seit 2015 zusammen mit dem damaligen Wirecard-Firmenchef Markus Braun die Bilanzen des Konzerns durch Scheinbuchungen künstlich aufgebläht haben, um das Unternehmen für Investoren und Kunden attraktiver zu machen.

Laut Bundeskriminalamt konstruierten die beiden nicht real existierende Vermögenswerte in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Bei einer Abschlussprüfung für das Jahr 2019 flog die Bilanzfälschung demnach auf.

... Der Untersuchungsausschuss im Bundestag soll den Bilanzskandal um Wirecard politisch aufarbeiten und auch aufdecken, ob die Aufsichtsbehörden im Fall des deutschen Fintech-Unternehmens ihre Pflichten vernachlässigten. Die Abgeordneten wollen dazu eine Reihe prominenter Politiker als Zeugen befragen, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).


Aus: "Wirecard-Manager könnte laut Bericht V-Mann gewesen sein" (29. Oktober 2020)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2020-10/wirecard-geheimdienst-oesterreich-v-mann-jan-marsalek

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Amazon.com treibt hohen Aufwand, um eigene Mitarbeiter, Gewerkschaftler und andere soziale Bewegungen zu überwachen. Auch Vertragspartner, Diebe, Drogendealer und Umweltschützer sind im Visier, selbst wenn sie gar nichts mit Amazon zu tun haben. Laut Amazon geschieht das alles legal und mit Wissen der örtlichen Behörden: "Jeder Versuch, diese Aktivitäten aufzubauschen, oder zu unterstellen, dass wir etwas Ungewöhnliches oder Falsches tun, ist unverantwortlich und falsch."

Das hat eine Konzernsprecherin zu Motherboard [https://www.vice.com/en/article/5dp3yn/amazon-leaked-reports-expose-spying-warehouse-workers-labor-union-environmental-groups-social-movements] gesagt. Die US-Webseite hatte mehr als zwei Dutzende interne Berichte Amazon zugespielt erhalten, deren Echtheit Amazon nicht bestreitet. Laut Motherboard verzeichnet Amazon nicht nur öffentliche Aktionen, vom Verteilen von Flugblättern bis zum Streik, genau mit Zeitpunkt, Ort, und Zahl der Teilnehmer, sondern auch nicht-öffentliche Treffen von Arbeitnehmern mit Gewerkschaftern.

Wichtige Informationsquelle sind zudem Äußerungen in Sozialen Netzwerken, sei es von Mitarbeitern oder Außenstehenden. Dabei bedient sich Amazon der Dienstleistungen Dritter, die sich Zutritt zu geschlossene Foren verschaffen. Die Betroffenen werden darüber freilich nicht informiert, vielmehr war Amazon daran gelegen, diese Schnüffelei geheimzuhalten, wie Motherboard im September berichtet hat. [https://www.vice.com/en/article/3azegw/amazon-is-spying-on-its-workers-in-closed-facebook-groups-internal-reports-show]

Immerhin werden auch Beschwerden von Mitarbeitern erfasst, sowie natürlich Diebstähle. Zusätzlich wird die Kriminalität in der Region untersucht. Motherboard nennt als Beispiel den Drogenhandel. Amazon möchte wissen, ob der den eigenen Betrieb stören könnte und ob Amazon-Mitarbeiter selbst Drogen nehmen könnten.

Unter dem Punkt "Betriebsumgebung" werden unter anderem politische Ereignisse analysiert, wie zum Beispiel die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich oder eine Demonstration in Wien, die gegen die Politik der Regierung des Iran gerichtet war. Gleichzeitig hat Amazon besonderes Interesse an Umweltschützern. So wird der Erfolg Amazon-kritischer Greenpeace-Videos an Likes und Weiterverbreitungsstatistiken gemessen.

Amazon nimmt auch die von Greta Thunberg geführte Bewegung Friday For Future als Bedrohung wahr. Sie gewinnt "an Einfluss insbesondere auf junge Menschen und Studenten" und "zieht immer mehr Menschen schnell an", wie es in einem der Dokumente heißt.

Detektive werden ebenfalls eingesetzt, nach Angaben Amazons zum Schutz von Werttransporten. Aus den Dokumenten geht hervor, dass Detektive in ein polnisches Lager eines Amazon-Dienstleisters eingeschleust wurden. Sie sollten Vorwürfen unpassender Einstellungsverfahren nachgehen, konnte diese aber nicht erhärten.


Aus: "Amazon überwacht Gewerkschaftler, Greenpeace und Greta-Fans" Daniel AJ Sokolov (25.11.2020)
Quelle: https://www.heise.de/news/Amazon-ueberwacht-Gewerkschaftler-Greenpeace-und-Greta-Fans-4970229.html

Textaris(txt*bot)

"Smartphone-Tracking - Wie Daten von kommerziellen Apps an den Staat gelangen"
Der norwegische Journalist Martin Gundersen zeichnet in einer großen Recherche nach, wie seine Daten von genutzten Apps über Umwege in die Hände eines Datenbrokers kamen, der mit US-Polizeibehörden zusammenarbeitet. Datenschützer halten diese Form der Überwachung für neu und beispiellos.
04.12.2020 um 20:40 Uhr - Markus Reuter - in Überwachung
https://netzpolitik.org/2020/smartphone-tracking-wie-daten-von-kommerziellen-apps-an-den-staat-gelangen/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Deutsche Strafverfolgungsbehörden überwachen Mobiltelefon-Nutzer erneut verstärkt mit verdeckten Mitteln. Allein die Bundespolizei hat im vorigen Jahr in 50 Ermittlungsverfahren 101.117 "stille SMS" verschickt, um Personen zu orten. Das sind mehr als doppelte so viele "Stealth Pings" als 2019, als der einstige Bundesgrenzschutz 48.000 entsprechende geheime Kurznachrichten aussandte. Dies ist einer heise online vorliegenden Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zu entnehmen.

Die Bundespolizei setzt das umstrittene Instrument damit in etwa wieder genauso oft ein wie 2018. Die zwischenzeitliche Delle erklärt sich vermutlich durch ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser forderte im Februar 2018, dass Strafverfolger eine stille SMS nur mit richterlichem Beschluss versenden dürfen. Der linke Bundestagsabgeordnete Andrej Hunko konstatiert: "Die BGH-Entscheidung konnte die ausufernde Überwachung bei der Bundespolizei offenbar nur kurze Zeit eindämmen."

Auch beim Bundeskriminalamt (BKA) erfreut sich das Werkzeug wieder größerer Beliebtheit. Es hat voriges Jahr in 82 Verfahren 44.444 entsprechende heimliche Kurzmitteilungen verschickt, 2019 waren es 41.300. Wie viele Betroffene der Maßnahmen der Polizeibehörden des Bundes nachträglich darüber informiert wurden, ist der Regierung nicht bekannt: Dieser Schritt obliege den jeweils zuständigen Staatsanwaltschaften.

Beim Zoll behandelt das federführende Bundesinnenministerium (BMI) die Zahlen zur stillen SMS seit 2012 als Verschlusssache. Beim Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) verfährt das Ressort seit Anfang 2019 genauso. Zuvor hatte der Inlandsgeheimdienst Werte von bis zu 180.000 entsprechenden Abfragen pro Jahr erreicht. Das BMI weigert sich nun auch, Informationen über entsprechende BfV-Aktivitäten in "abstrahierter Form" zu veröffentlichen. Zu späteren Benachrichtigungen erfolge hier zudem "keine maßnahmenbezogene Erhebung". Angaben zum Bundesnachrichtendienst gelten ebenfalls als geheim.

"Stille SMS" gehen an die anvisierten Mobiltelefone, werden dort aber nicht angezeigt. Sie bleiben für die Empfänger unsichtbar. Ihr Gerät meldet sich aber bei der eingebuchten Funkzelle zurück, erzeugt so auswertbare Verbindungsdaten und verrät Ermittlern einen ungefähren Standort der Betroffenen.

Nicht mehr öffentlich verraten will die Regierung nun erstmals auch, wie viele Funkzellenabfragen die Zollfahnder durchführten. 2019 nutzten diese das Verfahren, bei dem Verbindungsdaten aller in eine bestimmte Funkzelle zu einem bestimmten Zeitpunkt eingeloggter Handy-Nutzer gespeichert und gerastert werden, in 44 Fällen. Hunko kritisiert diese erweiterte Heimlichtuerei "aufs Schärfste". Weil damit das parlamentarische Fragerecht ausgehöhlt werde, habe er beim BMI Beschwerde eingereicht. Handys seien generell zum Telefonieren da, "nicht um sie zunehmend als Ortungswanzen zu missbrauchen".

Die Bundespolizei fragte 2020 in 77 Fällen Providerdaten mithilfe von Funkzellenauswertungen ab. Im Vorjahr hatte sie davon 96-mal Gebrauch gemacht, um nachträglich alle Mobiltelefone in der Umgebung von Tatorten festzustellen. Das BKA gebrauchte das Instrument im vorigen Jahr in einem Fall, 2019 waren es drei Fälle gewesen. Der Generalbundesanwalt führte in vier Fällen insgesamt fünf Funkzellenauswertungen durch, wobei er sich der Amtshilfe von Landeskriminalämtern in Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen bediente. Maßnahmen benennen, "die wesentlich zur Aufklärung der jeweiligen Straftat beigetragen haben", kann das BMI nicht.

IMSI-Catcher brachte die Bundespolizei in 28, das BKA in vier Fällen in Stellung, um den Standort eines aktiv geschalteten Mobiltelefons und die Geräte- oder Kartennummer zu ermitteln. In Verfahren des Generalbundesanwalts wurden im ersten Halbjahr 2020 in 14 sowie im zweiten in 13 Fällen derlei Anlagen eingesetzt. IMSI-Catcher senden mit einem stärkeren Signal als Basisstationen der offiziellen Netzbetreiber, sodass sich Handys dort einwählen und überwacht werden können.

Das Werkzeug liefert dem BMI zufolge wesentliche Ausgangspunkte für weitere Ermittlungsmaßnahmen, durch die Sachverhalte inhaltlich aufgeklärt werden können. Die Bundesregierung habe 2020 auch eine Ausfuhrgenehmigung für einen IMSI-Catcher erteilt und zwar nach Ungarn. Über das belieferte Unternehmen könne man keine Angaben machen, um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu wahren. Keine öffentliche Auskunft gibt die Exekutive darüber, wie viele solcher Abhöranlagen Bundesbehörden im Regierungsviertel aufgespürt haben.

Jenseits der Handy-Überwachung befassen sich mit der "Internetaufklärung" beim BfV "alle Fachabteilungen". Nähere Auskünfte zur Aufgabenverteilung und zu Personalstärken könnten zum Schutz der Arbeitsweise des Geheimdienstes nicht gegeben werden. Innerhalb des BKAs seien die Abteilungen Polizeilicher Staatsschutz und Islamistisch motivierter Terrorismus/Extremismus damit beschäftigt, Online-Inhalte koordiniert auszuwerten. Das Bundesverteidigungsministerium unternehme in den Abteilungen Strategie und Einsatz offene Recherchen (Open Source Intelligence) zu "Nachrichten, gemeldeten Vorgängen und Ereignissen".

(tiw)


Aus: "Überwachung: Bundespolizei verschickte 2020 über 100.000 stille SMS" Stefan Krempl (06.02.2021)
Quelle: https://www.heise.de/news/Ueberwachung-Bundespolizei-verschickte-2020-ueber-100-000-stille-SMS-5047855.html

QuotePeter Zippo, 06.02.2021 12:28

Erfolgsquote unbekannt...

Natürlich geben die verschiedenen Behörden keine Erfolgsquote bekannt. Wenn die Telefonbespitzelung wesentlich zur Täterermittlung beitragen würde, bekämen wir auch Zahlen dazu geliefert.
Ist ja nicht so, als müsse sich dieser Staat vor seinen Bürgern für Überwachung rechtfertigen. Alles Terroristen und Kinderschänder, da darf man sowas. ...



Quotesou, 06.02.2021 18:20


Der Polizeistaat rüstet auf.
Funkzellenabfragen beim Zoll bleiben erstmals geheim
Korrektur: Der Polizei- und Geheimstaat rüstet auf.

Kranke Entwicklung.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Von Volkmar Kabisch, Antonius Kempmann, Georg Mascolo und Reiko Pinkert, NDR/WDR

Dass der US-Geheimdienst NSA jahrelang deutsche Spitzenpolitiker wie Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier ins Visier genommen hat, ist seit Jahren bekannt. Nun aber kommen neue Details der Ausspähaktion ans Licht: Ausgerechnet Deutschlands Nachbarland und enger Partner Dänemark half der NSA offenbar bei der groß angelegten Bespitzelung der Politiker.

Neu ist ebenso, dass auch der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück ins Fadenkreuz der Geheimdienste rückte. Das haben Geheimdienstquellen einem Team des Dänischen Rundfunks (DR) erklärt, das zusammen mit europäischen Medien, darunter NDR, WDR und die "Süddeutsche Zeitung" (SZ) die Sache recherchiert hat.

Der dänische Auslands -und Militärgeheimdienst Forsvarets Efterretningstjeneste (FE) ermöglichte demnach der NSA die Nutzung der geheimen Abhörstation Sandagergårdan in der Nähe von Kopenhagen. Hier befindet sich ein wichtiger Internetknotenpunkt verschiedener Unterseekabel, den die Nachrichtendienste anzapften.

Die dänische Regierung wusste von der Überwachung europäischer Nachbarländer wohl spätestens seit 2015. Damals entstand der so genannte Dunhammer-Report. In dem geheim gehaltenen Papier hatten dänische Geheimdienst- und IT-Spezialisten in Reaktion auf die Snowden-Enthüllungen zusammengetragen, inwieweit der dänische Nachrichtendienst mit der NSA kooperierte.

Dabei erfuhr die dänische Regierung offenbar auch, dass Dänemark dabei half, führende Politikerinnen und Politiker aus Schweden, Norwegen, den Niederlanden, Frankreich und auch Deutschland abzuhören. Hierzulande waren das neben Kanzlerin Angela Merkel und dem heutigen Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier, so zeigen es die Recherchen, auch der damalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück.

Im Interview mit NDR, WDR und SZ sagte Steinbrück, er habe erst durch diese Recherche vom Abhören seiner Person erfahren. "Politisch halte ich das für einen Skandal", so Steinbrück. Zwar glaube er, dass auch westliche Staaten funktionsfähige und tüchtige Nachrichtendienste benötigten. Doch zeige diese Art des Abhörens unter Partnern, "dass sie doch ein ziemliches Eigenleben führen."

Auch die Bundesregierung hatte von der Bespitzelung führender Regierungsmitglieder aus Dänemark keine Ahnung. Ein Regierungssprecher sagte auf Anfrage: "Der Gegenstand Ihrer Recherche ist der Bundeskanzlerin durch Ihre Anfrage bekannt geworden." Darüber hinaus wolle man sich nicht äußern. Auch Steinmeier erklärte, "keine Kenntnisse" zu einer möglichen Überwachung durch den dänischen Geheimdienst zu haben.

Laut Geheimdienstquellen des dänischen Senders DR nutzten die NSA und der dänische FE für die Überwachung die Spionage-Software "XKeyscore". Dieses Programm wurde in der Vergangenheit von der NSA und befreundeten Geheimdiensten benutzt, darunter der Bundesnachrichtendienst (BND), um bestimmte Suchbegriffe wie Mailadressen oder Telefonnummern aus großen Datenströmen zu filtern und zu analysieren.

Laut dem bis heute geheim gehaltenen Dunhammer-Report, der die Zusammenarbeit zwischen NSA und FE in den Jahren 2012 und 2014 untersuchte, zielte die Überwachung auch auf Dänemark selbst. So waren Ziele im dänischen Außen- und Finanzministerium sowie in einer dänischen Rüstungsfirma ausspioniert worden.

Der dänische Auslandsgeheimdienst half demnach den Amerikanern, die eigene Regierung zu überwachen. Das ist nach dänischem Recht verboten und führte nach Bekanntwerden im Jahr 2020 zu einer Welle der Entrüstung. Im Zuge der Aufklärung des Skandals musste bereits die gesamte Führung des FE zurücktreten, darunter auch der ehemalige Geheimdienstchef Thomas Ahrenkiel, der Botschafter in Deutschland hätte werden sollen. Noch nicht bekannt wurde damals, dass auch Merkel, Steinmeier und Steinbrück offenbar Ziele der Spionage aus Dänemark wurden.


Auch der BND überwachte Politiker - Seit 2007 benutzte auch der BND die Spionagesoftware "XKeyscore". Diese hatte der Geheimdienst von der NSA erhalten. Er verwendeten das Programm vor allem zur Überwachung und Auswertung von Satellitenkommunikation. Dabei bespitzelte der BND ebenfalls nicht nur Terroristen, sondern auch US-amerikanische und europäische Politiker, Ministerien und Regierungsstellen, Interpol, die OSZE, Unternehmen sowie verschiedene Nichtregierungsorganisationen.

Die Dänen hätten damals vor der Wahl gestanden, entweder mit den Amerikanern zu arbeiten oder mit den europäischen Partnern, erklärt Thomas Wegener Friis, ein dänischer Experte für die Arbeit von Geheimdiensten. "Da haben sie sich eindeutig für die Amerikaner entschlossen und gegen ihre europäischen Partner."

Überrascht von den neuerlichen Enthüllungen ist auch Patrick Sensburg nicht. Der CDU-Politiker leitete im Bundestag den NSA-Untersuchungsausschuss. Man müsse das System von Nachrichtendiensten verstehen, sagt Sensburg. "Es geht hier nicht um Freundschaften. Es geht hier nicht um moralisch-ethische Ansprüche. Es geht darum, Interessen durchzusetzen."

Die NSA, der dänische Geheimdienst FE und das dänische Verteidigungsministerium wollten die Recherchen auf Anfrage nicht kommentieren. Die dänische Verteidigungsministerin teilte allgemein mit, "ein systematisches Abhören enger Verbündeter ist inakzeptabel."

Die Recherchen erfolgten in Zusammenarbeit zwischen dem dänischen Fernsehsender DR, dem schwedischen SVT, dem norwegischen NRK, der französischen Le Monde sowie NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.


Aus: "Spionage-Affäre Wenn Partner Partner abhören" (Stand: 30.05.2021)
Quelle: https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/nsa-bespitzelung-politiker-101.html


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Quote[...] So ein Schlag gegen illegalen Drogenhandel dürfte noch nie gelungen sein: In ungefähr 18 Ländern wurden am Montag bei Durchsuchungen enorme Mengen Drogen, Geld und andere Vermögenswerte beschlagnahmt, Verdächtige verhaftet und Anklagen ausgesprochen. Gelungen ist das laut australischen Berichten dank einer eigens aufgesetzten App namens AN0M. Die Verdächtigen glaubten demnach, einen besonders sicheren Kommunikationsdienst zu nutzen, und zahlten dafür Gebühren.

Die tagesschau berichtete https://www.tagesschau.de/inland/organierte-kriminalitaet-durchsuchungen-101.html Montagabend, dass sich das FBI Zugang zu Daten eines Anbieters verschlüsselter Kommunikation verschafft habe. Laut australischen Medienberichten war es anders: Offenbar hat das FBI den "verschlüsselten" Kommunikationsdienst AN0M 2018 aufgesetzt und gemeinsam mit der Australischen Bundespolizei AFP abgehört. Das Ziel war, Straftäter anzulocken, abzuhören und einzulochen.

Beim FBI läuft das Projekt unter dem Namen Operation Trojan Shield, in Australien unter Operation Ironside, in Neuseeland als Operation Spyglass. Europol, die internationale Koordination übernommen hat, hält Dienstag um zehn Uhr eine Pressekonferenz. Auch in den USA haben Behörden Pressekonferenzen anberaumt. Der juristische Vertreter des FBI in Australien, Anthony Russo, betonte die Bedeutung internationaler Zusammenarbeit gegen organisiertes Verbrechen.

Ausgedacht haben sich das laut australischen Medienberichten ein IT-Experte der australischen Bundespolizei AFP beim Genuss einer legalen Droge mit FBI-Agenten. Nach Außen erschien AN0M als geheimnistuerischer Kommunikationsdienst mit Sitz in Panama und starker Verschlüsselung. Normale User konnten die App nicht so einfach herunterladen, weil schon für den Zugriff auf die Webseite ein Einladungscode erforderlich ist.

Behörden installierten laut den Berichten die AN0M-App auf Handys, die sie über Mittelsmänner in der Unterwelt zu verbreiten wussten. 11.000 Verdächtige sollen in diese Falle getappt sein. Fast drei Jahre lang haben Ermittler die Unterhaltungen abgehört und dabei 27 Millionen Nachrichten mitgeschnitten. Dabei soll es neben Drogenhandel, Geldwäsche und Waffendeals auch um Mordaufträge gegangen sein. Am Montag kam es zum großen Zugriff auf mindestens drei Kontinenten.

Am Dienstag waren Polizisten in Deutschland, Österreich, Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland, den USA und etwa zehn weiteren Ländern schwer im Einsatz. Deutsche Spezialkräfte dürften noch nie einen so arbeitsamen Tag gehabt haben. Alleine in Hessen sollen rund 60 Objekte durchsucht worden sein, darunter Labore, Hanfplantagen und Drogenbunker. Die großangelegte Abhöraktion soll zudem Handel mit Kriegswaffen und verbotenem Waffenzubehör, Geldwäsche und andere Straftaten aufgedeckt haben.

Australische Behörden geben an, 21 Morde verhindert zu haben. Am Montag wurden dort mit 4.500 Beamten nicht weniger als 500 Hausdurchsuchungen vollstreckt, mehr als 200 Verdächtigte angeklagt, mehrere Tonnen Drogen, über 100 Schusswaffen und umgerechnet mehr als 28 Millionen Euro in Bar und Gegenständen beschlagnahmt. Umgehend forderte Premierminister Scott Morrison mehr Geld und mehr Macht für die Polizei, darunter Abhören in fremden Ländern.

Die Polizei Neuseelands hat gemeinsam mit Zollamt, Küstenwache und Militär ebenfalls Drogen, Waffen und Geld beschlagnahmt. Unter den dingfest gemachten Verbrechern seien mehrere Auftragsmörder. In Australien sollen 1650 Handys mit der doch-nicht-sicheren App AN0M in Umlauf gewesen sein, in Neuseeland 57.

AN0M-Profile in sozialen Netzwerken sind am Montag gelöscht worden. Auch von der Webseite sollen Inhalte sowie der Support-Chat entfernt worden sein. Aus den Keyword-Tags der Homepage geht hervor, dass AN0M sowohl Textnachrichten als auch Sprachkommunikation angeboten und dabei Ende-zu-Ende-Verschlüsselung mit Verfahren wie AES, Argon2 und OMEMO vorgegaukelt hat. Die Identität der User werde nicht erfasst, versprach AN0M.

Lediglich das Datum der Kontoerstellung und das Datum der jüngsten Verbindung würde gespeichert, steht auf der AN0M-Seite. Und auch diese Informationen würden nur auf Befehl panamaischer Behörden verraten, nach Zahlung einer Gebühr von mindestens 2.000 US-Dollar und Wartezeit von mindestens zwei Wochen. Zudem würde jeder betroffene Nutzer sofort über solche Behördenanfragen informiert, damit er sich vor Gericht dagegen wehren könne.


Aus: "Mit Fake-App AN0M gegen Drogenhandel: Razzien in 16 Ländern" Daniel AJ Sokolov (08.06.2021)
Quelle: https://www.heise.de/news/Internationaler-Schlag-gegen-Drogenhandel-dank-Fake-App-AN0M-6064715.html

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QuoteSabine Leutheusser-Schnarrenberger @sls_fdp

Der präventive #Staatstrojaner für die Bundespolizei erlaubt ein Durchsuchen des Computers von vermeintlich Verdächtigen, ohne dass der Verdacht auf eine Straftat  konkret vorliegt. Um es abzurunden, bekommen alle Geheimdienste in D auch noch dieses Instrument an die Hand.

10:34 vorm. · 9. Juni 2021


https://twitter.com/sls_fdp/status/1402544590066962433

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Quote[...] Am kommenden Donnerstag, den 10. Juni 2021 wird die Regierungskoalition voraussichtlich das ,,Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts" im Bundestag verabschieden. Die Digitale Gesellschaft hat dazu eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie insbesondere den Einsatz von Staatstrojanern in der erweiterten Quellen-TKÜ durch sämtliche Geheimdienste sowie die Erweiterung der Überwachungsbefugnisse durch das Bundesamt für Verfassungsschutz kritisiert.

Das geplante Gesetz erweitert die Überwachungsbefugnisse der deutschen Geheimdienste erheblich. Trotz nahezu einhelliger Kritik der Sachverständigen und erheblichen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit scheint die Koalition fest entschlossen das Gesetz zu verabschieden. Im sehr kurzfristig anberaumten Gesetzgebungsverfahren hat sich bereits eine breite Koalition, die von Facebook und Google bis zum Chaos Computer Club reicht in einem offenen Brief an den Bundestag gewandt um das Gesetz doch noch zu verhindern.

Im Fokus der Kritik steht die Befugnis zum Einsatz von Staatstrojanern zum Zweck der Quellen-Telekommunikationsüberwachung, mit der insbesondere auch gespeicherte verschlüsselte Kommunikation direkt auf dem Endgeräten der Nutzerinnen und Nutzer ausgeleitet und überwacht werden soll. Dabei soll nicht nur laufende Kommunikation überwacht werden, sondern teilweise auch rückwirkend auf gespeicherte Nachrichten zurückgegriffen werden. Dies stellt nicht nur einen erheblichen Eingriff in die Grundrechte der Betroffenen dar, sondern höhlt die Sicherheit der Kommunikation insgesamt aus, da die Behörden die Geräte hacken und Sicherheitslücken ausnutzen statt diese zu schließen.

Für das leichtere Aufspielen von Staatstrojanern sollen zukünftig auch Anbieter von Telekommunikationsdiensten verpflichtet werden, Daten (etwa Updates) über die Verfassungsschutzämter zu leiten, so dass diese Zugriff auf die Geräte der Nutzerinnen und Nutzer erlangen. Eine so weitreichende Kooperationsverpflichtung, mit der die Anbieter zu Erfüllungsgehilfen beim Infiltrieren von staatlicher Schadsoftware gemacht werden, schädigt nicht nur das Vertrauensverhältnis zwischen Anbietern und Nutzerinnen und Nutzern.

Tom Jennissen von der Digitalen Gesellschaft: ,,Wenn die Geheimdienste künftig ausgerechnet Sicherheitsupdates dazu nutzen wollen Schadsoftware zu installieren, untergräbt dies alle Bemühungen sichere und bewusste Kommunikation im Internet zu etablieren."

Darüber hinaus sollen die Befugnisse zur Überwachung von Einzelpersonen massiv ausgeweitet werden und den Geheimdiensten ein weites Ermessen eingeräumt werden, tätig zu werden. Dies wird insbesondere mit Aktivitäten im Internet begründet. Tom Jennissen: ,,Mit einem derartigen Ermessen wird den Verfassungsschutzämtern eine noch weitergehende Deutungshoheit über die politische Meinungsäußerung im Netz zugesprochen. Statt präziser Regeln für Geheimdienste zu formulieren, wird ihnen weitgehend freie Hand gegeben."

Zweifel am neuen Gesetz bestehen aus Sicht der Digitalen Gesellschaft auch an der Zuständigkeit des Bundes. Zudem höhlt das Gesetz das historisch bedingte Trennungsgebot zwischen Geheimdiensten und Polizei noch weiter aus.

Die Digitale Gesellschaft lehnt das Gesetz daher entschieden ab. Sie fordert den Gesetzgeber auf, statt kurz vor der Wahl übereilt den Geheimdiensten immer neue Befugnisse zu geben, in der kommenden Legislatur das gesamte System der inneren Sicherheit auf einen kritischen Prüfstand zu stellen. Angesichts der Personalie des bis vor kurzem amtierenden Bundesverfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen und der Ereignisse um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand erklärt Tom Jennissen: ,,Statt dem leider etablierten Grundsatz zu Folgen, dass die Geheimdienste noch aus jedem Skandal mit erweiterten Befugnissen hervorgehen, sollte die Politik endlich die Freiheitsrechte und die Sicherheit der Bevölkerung über die Interessen der Sicherheitsbehörden stellen."

...


Aus: "Pressemitteilung: Digitale Gesellschaft veröffentlicht Stellungnahme zum Verfassungsschutzrecht" Tom Jennissen (08.06.2021)
Quelle: https://digitalegesellschaft.de/2021/06/pressemitteilung-digitale-gesellschaft-veroeffentlicht-stellungnahme-zum-verfassungsschutzrecht/

Berlin, Juni 2021- Stellungnahme zum Gesetz zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts
https://digitalegesellschaft.de/wp-content/uploads/2021/06/SN-VerfSchR-DigiGes.pdf

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"Bundespolizeigesetz: Große Koalition einigt sich auf Staatstrojaner-Einsatz schon vor Straftaten"
Die Bundespolizei soll Staatstrojaner gegen Personen einsetzen, die noch gar keine Straftat begangen haben. Darauf haben sich SPD und Union im Bundestag geeinigt, übermorgen wollen sie das Gesetz beschließen. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken hatte eigentlich angekündigt, das ,,auf keinen Fall" mitzutragen.
08.06.2021 um 18:43 Uhr - Andre Meister
https://netzpolitik.org/2021/bundespolizeigesetz-grosse-koalition-einigt-sich-auf-staatstrojaner-einsatz-schon-vor-straftaten/

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Quotenetzpolitik @netzpolitik

Die Große Koalition beschließt heute Mittag den Staatstrojaner-Einsatz für alle 19 Geheimdienste und die Bundespolizei (sogar ohne begründeten Tatverdacht).

Das Zustimmen der SPD war entgegen aller Beteuerungen leider zu erwarten.
9:50 vorm. · 10. Juni 2021


Quelle: https://twitter.com/netzpolitik/status/1402896019432562691

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Quote[...] Unser Brief an die SPD-Bundestagsfraktion: Stoppt den Staatstrojaner!

Liebe Genossinnen und Genossen,

mit Entsetzen haben wir zur Kenntnis genommen, dass gestern Abend und heute Vormittag sehr plötzlich und ohne Not eine Einigung mit der Union bezüglich der Reform des Bundespolizeigesetzes und des Verfassungsschutzrechts zustande gekommen ist. Dies beinhaltet ausweislich der bisherigen Berichterstattung die massive Ausweitung staatlicher Überwachungsmöglichkeiten auch im Vorfeld von Strafverfolgung. So soll wohl die Möglichkeit geschaffen werden, dass nunmehr auch unterhalb der Schwelle eines konkreten Tatverdachts die ,,Quellen TKÜplus" und der Staatstrojaner durch Bundespolizei und Geheimdienste eingesetzt werden kann.

Diese Einigung lehnen wir ab. Wir fordern euch auf, sie morgen bei der Abstimmung zu stoppen. Zum einen ist dies Reform politisch falsch: so ist das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bezüglich der "Quellen TKÜplus" im Rahmen der Strafprozessordnung noch nicht einmal abgeschlossen und die SPD Bundestagsfraktion läuft Gefahr, verfassungswidriges Recht mitzutragen. Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein so weitreichender Eingriff in die Freiheit der Menschen in Deutschland notwendig sein soll.

Wir möchten euch erinnern, dass insbesondere die Arbeit der Verfassungsschutzämter in den letzten Jahren vor allem durch Skandale geprägt war. Diesen Behörden mehr Möglichkeiten einzuräumen ist nicht klug. Darüber hinaus erschließt sich uns nicht, warum man sich in dieser politischen Phase kurz vor Ende der Legislatur noch auf einen Kompromiss mit der Unionsfraktion einlassen soll, der unserer Partei massiven Schaden und den Verlust von Glaubwürdigkeit bei Bürgerrechtler*innen, Journalist*innen und Netzaktivist*innen zufügt. Während die CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Einführung von Kinderrechten im Grundgesetz, ebenso wie die Streichung des Begriffs "Rasse" aus Art. 3 GG oder die Einführung eines sinnvollen Demokratiefördergesetzes sowie die Reform des Transsexuellengesetzes blockiert und uns qua Koalitionsfrieden dafür mit in Haftung nimmt.

Angesichts dieser – noch nicht mal vollständigen – Liste ist nicht zu erkennen, warum wir diese fatale Einigung mittragen sollten. Eher im Gegenteil: wir möchten einmal daran erinnern, wie sehr die SPD gerade bei jungen und linken Wähler*innen Vertrauen verloren hat, indem die Chance, die Reform der Urheberrechtsrichtlinie zu stoppen, nicht genutzt wurde. Für uns steht fest, dass sich die Union vollkommen destruktiv in der momentanen Zusammenarbeit
verhält. Das sollten wir klarmachen und daher selbst Grenzen aufzeigen, die bei dieser Reform definitiv überschritten sind.

Besonders in den Landesverbänden und Bezirken ist es unsere Aufgabe im kommenden Wahlkampf, jungen Menschen, die sich eine linke Gesellschaft und eine bessere Zukunft wünschen, die Politik der SPD zu erklären und für diese zu werben. Mit der Zustimmung zu dieser Reform würde die Bundestagsfraktion jedoch jene Grenze überschreiten, nach der dies schlechthin nicht mehr möglich wäre. Wir schreiben euch, um eine solche für die gesamte Partei fatale Situation zu verhindern.

Wir sind in den letzten Monaten zusammen mit der Parteispitze, der Bundestagsfraktion und unserem Spitzenkandidaten solidarisch in den Wahlkampf ausgezogen. An dieser Stelle liegt es nun bei euch, diesen gemeinsamen Weg nicht zu verlassen. Wir fordern euch auf, dieser Reform nicht zuzustimmen.

Mit sozialdemokratischen Grüßen

Jessica Rosenthal, Juso-Bundesvorsitzende
Julie Rothe, Juso-Bundesgeschäftsführerin
Antonia Hemberger, stellv. Bundesvorsitzende
Matthias Glomb, stellv. Bundesvorsitzender
Almut Großmann, stellv. Bundesvorsitzende
Manon Luther, stellv. Bundesvorsitzende
Seppi Parzinger, stellv. Bundesvorsitzender
Anna Rasehorn, stellv. Bundesvorsitzende
Hanna Reichhardt, stellv. Bundesvorsitzende
Stephan Schumann, stellv. Bundesvorsitzende
Ferike Thom, stellv. Bundesvorsitzende
Philipp Türmer, stellv. Bundesvorsitzender
Michelle Rauschkolb, Yes Vice-President
Lasse Rebbin, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand
Michelle Reißmann, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand
Patricia Seelig, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand
Mia Thiel, IUSY Vice-President
Benjamin Weiss, koop. Mitglied im Juso-Bundesvorstand, Juso-HSGen

Jusos Baden-Württemberg
Jusos Bayern
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Jusos Braunschweig
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Jusos Hamburg
Jusos Hannover
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Jusos Hessen-Süd
Jusos Mecklenburg-Vorpommern
Jusos Nord-Niedersachsen
NRW Jusos
Jusos Rheinland-Pfalz
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Jusos Sachsen-Anhalt
Jusos Schleswig-Holstein
Jusos Thüringen
Jusos Weser-Ems


Quelle: https://www.jusos.de/inhalte/unser-brief-an-die-spd-bundestagsfraktion-stoppt-den-staatstrojaner/ (2021)

https://twitter.com/jusos/status/1403055276828377096

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QuoteLorenz Meyer
@shengfui

Liebe #SPD, die Ihr gegen einhelligen Expertenrat und gegen vorherige Versprechen den Einsatz von #Staatstrojaner​n erlauben wollt: Was treibt Euch an? Ist es eine morbide Todessehnsucht? Ist es der Wunsch, möglichst viel zu zerstören, bevor man sich bei den Wahlen verabschiedet?

1:37 nachm. · 9. Juni 2021


Quelle: https://twitter.com/shengfui/status/1402590662395052037

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QuoteNicht Chevy Chase @DrWaumiau

Die SPD macht den Weg frei für #Staatstrojaner in der Hand von Inlandsgeheimdiensten, obwohl sie mehrfach versprochen hat, dies nicht mitzutragen. Woher dieser Vertrauens- und Glaubwürdigkeitsverlust bei den Sozialdemokraten immer herkommt? Keine Ahnung!

8:12 vorm. · 9. Juni 2021


https://twitter.com/DrWaumiau/status/1402508853497974787

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QuoteSaskia Esken @EskenSaskia

Ich halte die Entscheidung für den Einsatz von #Staatstrojaner'n auch weiterhin für falsch, insbesondere in den Händen von Geheimdiensten. Diese Form der Überwachung ist ein fundamentaler Eingriff in unsere Freiheitsrechte und dazu ein Sicherheitsrisiko für unsere Wirtschaft.


https://twitter.com/EskenSaskia/status/1402577211882979335

QuoteReinald Kirchner @reinaldkirchner
·
9. Juni Antwort an @EskenSaskia

Und WARUM stimmt ihr dann nicht ensprechend ab? WARUM beschließt ihr ein Gesetz, wenn ihr es angeblich nicht wollt?
Das sind doch nur Krokodilstränen fürs Publikum, die Nummer habt ihr schon zu oft abgeliefert! ...


Quotebauchig-nagetier @BauchigN
·
9. Juni

Die "Wir mussten unter Bauchschmerzen wegen Koalistionsvertrag oder so ähnlich zustimmen" Partei.


QuoteChrrr @SchlChr
Antwort an @EskenSaskia

Wähle ich zur Bundestagswahl eigentlich diese "alte" SPD, die ich mit Olaf Scholz, Hartz IV, GroKo und Staatstrojaner verbinde, oder die "neue" SPD die ich mit sowas ähnlichen wie Grundeinkommen, Steuergerechtigkeit, Klimapolitik und Esken-Borjans-Kühnert verbinde?


QuoteThomas Stadler @RAStadler

Die namentliche Abstimmungen ist ganz aufschlussreich. Auch der ⁦@larsklingbeil
⁩ hat beispielsweise für den #Staatstrojaner gestimmt. Die #SPD ist einfach eine rechtsstaatlich unzuverlässige Partei.

Deutscher Bundestag - Namentliche Abstimmungen
https://www.bundestag.de/parlament/plenum/abstimmung/abstimmung?id=742

7:10 nachm. · 10. Juni 2021


https://twitter.com/RAStadler/status/1403036771269722121

...

"Bundestag erlaubt auch Bundespolizei den Staatstrojaner"
Die Bundespolizei darf künftig in Smartphones von Personen eindringen, die noch gar keiner Straftat verdächtigt werden.
Artikel veröffentlicht am 10. Juni 2021, 15:28 Uhr, Friedhelm Greis
Die Bundespolizei erhält neue Befugnisse zur Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) von Verdächtigen. Der Bundestag beschloss dazu am Donnerstag mit den Stimmen von Union und SPD eine Reform des Bundespolizeigesetzes. Alle Oppositionsparteien stimmten geschlossen dagegen. Das Gesetz erlaubt künftig den Einsatz von Staatstrojanern zur sogenannten Quellen-TKÜ nicht nur gegen eine Person, die einer konkreten Straftat verdächtigt wird. Der Einsatz ist auch dann möglich, "wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie innerhalb eines übersehbaren Zeitraums auf eine zumindest ihrer Art nach konkretisierte Weise eine Straftat begehen wird". ...
Darüber hinaus wird der Bundespolizei laut Gesetzesentwurf (PDF: https://dserver.bundestag.de/btd/19/265/1926541.pdf) erlaubt, nicht nur Daten zu Verurteilten, Beschuldigten und Verdächtigen zu verarbeiten, sondern auch zu "Anlasspersonen", bei denen "tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die betroffenen Personen in naher Zukunft Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen werden". Darüber hinaus darf die Bundespolizei Daten von Personen speichern, die als Zeugen oder als Opfer einer künftigen Straftat in Betracht kommen. Eine Einwilligung der Personen zur Datenspeicherung und Verarbeitung ist nicht vorgesehen. ...
https://www.golem.de/news/praeventive-quellen-tkue-bundestag-erlaubt-auch-bundespolizei-den-staatstrojaner-2106-157204.html

Quote
Verstehe ich das richtig?
Autor: Slythra 11.06.21 - 09:48

,,Darüber hinaus darf die Bundespolizei Daten von Personen speichern, die als Zeugen oder als Opfer einer künftigen Straftat in Betracht kommen. Eine Einwilligung der Personen zur Datenspeicherung und Verarbeitung ist nicht vorgesehen."

Das ist doch ein Freifahrtschein, dass die Daten von ALLEN grundsätzlich gespeichert werden dürfen, weil jeder ein potenzielles Opfer einer Straftat sein kann, oder verstehe ich das falsch?


QuoteKann man nur seine Stasi-Akte oder auch die von QTKÜ sehen?
Autor: mimimi123 10.06.21 - 18:45

Kann man nur seine Stasi-Akte oder auch die von der Quellen-TKÜ einsehen? Oh man echt, bin mal auf den ersten Skandal gespannt. "Huch Abgeordnete wurden überwacht","Huch der neue BRD-Trojaner verschlüsselt jetzt deine Handy-Bilder","Huch, jedes x-tes Handy wird ausgespannt"

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QuoteSicherheit
Autor: sda0 10.06.21 - 15:43

Dient alles einzig und allein unserer Sicherheit. Wird garantiert nicht von z.B. Rechtsextremen, innerhalb dieser Kreise, die darauf Zugriff bekommen, ausgenutzt. ...


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Quote[...] Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz hat illegal Daten des stellvertretenden Ministerpräsidenten und SPD-Chefs Martin Dulig sowie weiterer Landtagsabgeordneter gesammelt. Laut einem Bericht der für die Geheimdienstaufsicht zuständigen Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Landtags vom Dienstag, der der Deutschen Presse-Agentur vorlag, speicherte der Geheimdienst kritische Äußerungen Duligs zum Umgang der sächsischen CDU mit dem Thema Rechtsextremismus. Der Bericht (PDF) ist inzwischen auch vom sächsischen Landtag veröffentlicht worden. ...

https://www.landtag.sachsen.de/dokumente/210607_PKK_Nachbericht_Abgeordnetendaten.pdf


Aus: "Verfassungsschutz Sachsen sammelt Daten von Abgeordneten" (8. Juni 2021)
Quelle: https://www.golem.de/news/geheimdienst-verfassungsschutz-sachsen-sammelt-daten-von-abgeordneten-2106-157138.html

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Quote[...]  PKK-Nachbericht "Ungeheuerlicher Vorgang" - Verfassungsschutz sammelte Daten zu nahezu allen Abgeordneten

von Uta Deckow, MDR SACHSEN

Stand: 08. Juni 2021, 16:59 Uhr

Der Verfassungsschutz Sachsen hat über den Wirtschaftsminister und SPD-Vorsitzenden Martin Dulig illegal Daten gesammelt. Das geht aus einem Bericht der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtages (PKK) hervor, der heute vorgelegt wurde. Gesammelt wurden beispielsweise Aussagen, in denen er sich kritisch zum Umgang der sächsischen CDU mit Rechtsextremismus geäußert hatte. Damit nicht genug: Nun teilt das Landesamt mit, von der illegalen Datensammlung seien nahezu alle Abgeordneten des Landtages betroffen. ...


Aus: "PKK-Nachbericht "Ungeheuerlicher Vorgang" - Verfassungsschutz sammelte Daten zu nahezu allen Abgeordneten" Uta Deckow (08. Juni 2021)
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen/dresden/verfassungsschutz-sachsen-beobachtet-spd-minister-linke-abgeordnete-100.html

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"Abhör-Affäre in Sachsen : ,,Gravierende Grenzüberschreitung"" Stefan Locke, Dresden (08.06.2021)
Sachsens Verfassungsschutz hat illegal Daten von Abgeordneten gespeichert – darunter auch von Vize-Ministerpräsident Martin Dulig. Der SPD-Politiker reagiert empört. ... ,,Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang. Mir fehlen dafür die Worte", sagte der SPD-Politiker dem ,,Tagesspiegel". Er habe ein Auskunftsersuchen gestellt und daraufhin sechs Seiten mit Informationen, etwa über Teilnahmen an Demonstrationen und Facebook-Einträge, erhalten. Die Informationen, die über ihn gesammelt wurden, seien überwiegend belanglos – und ,,eher peinlich für die Agenten", zitierte die Zeitung den SPD-Landeschef....
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/sachsen-verfassungsschutz-speichert-illegal-daten-von-abgeordneten-17378934.html

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Quote[...] Nach knapp 30 Jahren ist die Stasi-Unterlagenbehörde Geschichte. Die Einrichtung mit dem riesigen Archiv geretteter Dokumente galt als Errungenschaft der friedlichen Revolution und wurde nun geschlossen. Für Millionen Stasi-Akten sowie Tausende Fotos und Tonträger der DDR-Staatssicherheit ist jetzt das Bundesarchiv zuständig. Die Überführung der Akten wurde am Abend mit einem Festakt in Berlin gewürdigt. Nach rund zehn Jahren im Amt wurde dort der letzte Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, offiziell verabschiedet.

Im Zeughaushof des Deutschen Historischen Museums wertete es Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) als politisches Signal, dass die Akten am Tag des DDR-Volksaufstandes vor 68 Jahren offiziell überführt wurden. Mit einer Schweigeminute wurde der Opfer des Volksaufstandes gedacht.

Gekommen waren auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der erste Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, der Altbundespräsident Joachim Gauck, sowie der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann.

Die Akten als "Zeugnisse des Unrechts und der Unbeugsamkeit" bleiben laut Grütters unverzichtbar für die Aufarbeitung, die in die Mitte der Gesellschaft gehöre. Die Hinterlassenschaft der SED-Diktatur vor der Vernichtung gerettet zu haben, sei bleibendes Verdienst und Vermächtnis der DDR-Bürgerrechtler. Die Überführung der Akten sei kein Schlusspunkt. Künftig könnten die Akten an allen Standorten des Bundesarchivs eingesehen werden, Kompetenzen sollen gebündelt werden.

Bei der Stasi-Unterlagenbehörde wurden allein knapp 3,5 Millionen Anträge von Menschen gestellt, die persönlich einen Blick in Papiere werfen wollten, die die Stasi heimlich über sie anlegte. Bei der Bundesbehörde gingen seit ihrem Bestehen insgesamt 7,3 Millionen Ersuchen und Anträge ein, auch von Behörden und Wissenschaftlerinnen.

Der Bundestag hatte beschlossen, dass das Gesetz für die Stasi-Unterlagen weiter gilt. Die Akten bleiben demnach offen, Auskünfte werden weiter erteilt. Die rund 1.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörde hat das Bundesarchiv übernommen. Das Archiv bleibt aber am historischen Ort der einstigen Stasi-Zentrale in Berlin sowie an den 13 ostdeutschen Standorten. Das Amt von Jahn wurde mit der neuen Struktur abgeschafft. Neu hingegen ist die Stelle eines SED-Opferbeauftragten, der direkt beim Bundestag angesiedelt ist. Dafür gewählt wurde die einstige DDR-Oppositionelle Evelyn Zupke.

Zur Stasi-Hinterlassenschaft gehören allein mehr als 111 Kilometer Schriftgut. Zudem lagern bis heute in mehr als 15.000 Säcken zerrissene und noch nicht erschlossene Papiere. Die in großem Stil geplante, virtuelle Rekonstruktion kam bislang nicht zustande. 2019 rekonstruierten laut Jahn Mitarbeiter per Hand den Inhalt von sieben Säcken. Wie das Rekonstruktions-Projekt weitergeht, ist unklar.


Aus: "Für die Stasi-Akten ist nun das Bundesarchiv zuständig" (17. Juni 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2021-06/ddr-staatssicherheit-unterlagen-behoerde-schliessung-bundesarchiv