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[Mautdaten (Erfassung von Autokennzeichen)... ]

Started by Textaris(txt*bot), November 03, 2014, 10:22:43 AM

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Textaris(txt*bot)

Maut ist ein aus dem Gotischen mōta und Althochdeutschen mūta abgeleiteter Begriff für Zoll im Sinne eines Wegzolls.
https://de.wikipedia.org/wiki/Maut

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Quote[...] Die elektronische Erfassung von Autokennzeichen für die PKW-Maut weckt Begehrlichkeiten. Das BKA kann sich vorstellen, die Mautdaten für dieFahndung nach Schwerkriminellen zu nutzen.  ...  Die Daten bei der Kontrolle der Pkw-Maut sollen nach Angaben von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf keinen Fall bei Fahndungen zum Einsatz kommen. "Die Mautdaten werden ausschließlich für die Mautentrichtung aufgenommen und unter keinen Umständen anderen Zwecken zur Verfügung gestellt, auch nicht dem Bundeskriminalamt oder anderen Sicherheitsbehörden", sagte der CSU-Minister der Süddeutschen Zeitung. Eingeführt werden soll die Maut im Jahr 2016. Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke, hatte in der Welt am Sonntag dafür geworben, Mautdaten in "besonderen Ausnahmefällen der Schwerstkriminalität" für die Fahndung zu nutzen.

Dobrindt hatte bereits zuvor zugesichert, dass die Daten nicht an andere Behörden weitergegeben würden. Dazu sagte er nun dem Münchner Merkur: "Das ist definitiv in meinem Gesetzentwurf ausgeschlossen und kommt auch unter keinen Umständen in Frage." Sein Gesetzentwurf beinhalte "die strengste Datenschutzvorschrift, die wir kennen". In den vergangenen Tagen war auch im Regierungspartner SPD die Sorge laut geworden, die elektronische Erkennung von Nummernschildern könnte ein Problem für den Datenschutz werden. Unter dem Stichwort "Surveillance by Design" hatte heise online die Maut-Pläne in einem Kommentar betrachtet. Es würden massenhaft Daten erhoben, die dann etwa eine Rasterfahndung ermöglichten.

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Aus: "Verkehrsminister kontra BKA: Dobrindt schließt Weitergabe von Maut-Daten für Fahndung aus" (03.11.2014)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Verkehrsminister-kontra-BKA-Dobrindt-schliesst-Weitergabe-von-Maut-Daten-fuer-Fahndung-aus-2440984.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der Referentenentwurf aus dem Bundesverkehrsministerium für ein Gesetz zur "Einführung einer Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen" ist nicht die ideale Frühstückslektüre. Das Papier, das mit Begründung 35 Seiten umfasst, enthält wenige klare Definitionen, dafür umso mehr undurchsichtige Querverweise. Nun ist ein Expertenstreit über die Lesart entscheidender Formulierungen und Passagen der insgesamt umkämpften Initiative entbrannt.

Ursache sind vorgesehene Möglichkeiten zum Speichern teils sehr sensibler Verkehrsdaten sowie zum Erstatten des Mautbeitrags, wenn man mit dem eigenen Auto ein ganzes Jahr lang nicht auf Bundesfernstraßen unterwegs war.

Um einen praktisch so gut wie irrelevanten Erstattungsanspruch bearbeiten zu können, würden "alle Bewegungsdaten mit allen Fotos aller Nutzer von Jahres-Vignetten bis zu 13 Monate auf Vorrat gespeichert", arbeitete der IT-Anwalt Matthias Bergt in einer ersten Analyse des von Netzpolitik.org v eröffentlichten Entwurfs heraus. Dies betreffe schier alle deutschen Autofahrer und zum Teil sie begleitende Personen.

Bergt spielte damit vor allem auf die sogenannten Kontrolldaten an, die das Bundesamt für Güterverkehr und von ihm beauftragte private Dritte speichern dürften, um die Einhaltung der Abgabenpflicht zu überwachen. Darunter fasst das Ministerium unter anderem das "Bild eines Kraftfahrzeugs", Name und Anschrift des Fahrzeugführers, Ort sowie Zeit der Benutzung von Autobahnen und Bundesfernstraßen sowie das Kfz-Kennzeichen. Mit diesen personenbezogenen Informationen ließen sich genaue Bewegungsprofile über die anvisierten langen Zeiträume erstellen.

Die Kontrolldaten sind dem Vorhaben nach "unverzüglich zu löschen", sobald feststeht, dass die Abgabe entrichtet worden, ein Erstattungsverlangen nicht zulässig oder nicht fristgerecht gestellt oder ein Rückzahlungsantrag bearbeitet worden ist. Weiter heißt es, entsprechende Bilder und Informationen seien "unmittelbar nach dem Kontrollvorgang zu löschen, wenn das Fahrzeug nicht der Abgabenpflicht unterliegt". Von der Datenerfassung nicht betroffen sind alle Fahrer, die nicht mautpflichtig sind. Dazu gehören neben Angehörigen etwa von Polizei, Feuerwehr oder Bundeswehr auch Diplomaten, Besitzer von kurzzeitig gültigen Kennzeichen, Behinderte oder Halter von Elektroautos. Außen vor bleiben auch Ausländer, die Maut-Kurzzeitvignetten kaufen.

Bei Datenschützern lassen die angeführten Stellen die Alarmglocken schrillen: "Dass künftig alle Kontrolldaten der Autofahrer über mehr als ein Jahr lang gespeichert werden sollen, um die Berechtigung einzelner Erstattungsverlangen zu prüfen, erscheint völlig überzogen", erklärte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar gegenüber heise online. Dies gelte nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass laut Verkehrsressort 99 Prozent aller Inlandshalter ihr Fahrzeug tatsächlich auf den Straßen nutzten.

Der vorliegende Entwurf "konterkariert die Anforderungen der Datensparsamkeit dramatisch", betonte Caspar. Schon die Erforderlichkeit eines elektronischen Erfassungssystems sei zunächst fraglich. Gerade eine streckenunabhängige Maut ließe sich durchaus durch eine papierene Vignette umsetzen. Aber selbst wenn man der Meinung sei, dass sich eine wirkungsvolle Stichprobenüberprüfung nur elektronisch durchführen lasse, wären Bewegungsprofile durch sofortige Löschung im Nichttrefferfall zu vermeiden.

Bestürzt zeigt sich auch Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert: "Da wird eine Überwachungsstruktur aufgebaut, die fast die gesamte Bevölkerung erfasst", beklagte er gegenüber dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag. Eine Speicherung der Daten über Monate hinweg sei "ein Verstoß gegen die Verhältnismäßigkeit" und verletze das informationelle Selbstbestimmungsrecht. Solche Pläne seien verfassungswidrig.

Das Bundesverkehrsministerium wollte sich zu dem Sachverhalt auf Anfrage von heise online nicht äußern. Aus Regierungskreisen war zu vernehmen, dass die konkrete Kontrollpraxis keine tiefen Eingriffe in die Grundrechte der Autofahrer vorsehe. So würden bei der erstmaligen Kontrolle innerhalb der Gültigkeit einer Jahresvignette zwar etwa das Kennzeichen und der Tag der Überprüfung festgehalten. Diese Angaben könnten auch maximal 13 Monate aufbewahrt werden. Es gehe aber nur um die einmalige Feststellung der Nutzung des Netzes innerhalb des Gültigkeitszeitraums einer Jahresvignette. Diese Prozedur erfolge ausschließlich über das Kennzeichen und den Tag der Nutzung.

Zuvor hatte Bundesjustizminister Heiko Maas betont: "Die vierzig Millionen deutschen Autofahrer haben ein Anrecht darauf, dass mit Ihren Daten so sparsam wie möglich umgegangen wird." Es dürfe "keinen gläsernen Autofahrer geben". Der SPD-Politiker wandte sich damit aber vor allem gegen das Begehr von Strafverfolgern, auf die Mautdaten zugreifen zu dürfen. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte Datenschutz auf höchsten Niveau versprochen. Kein Bürger müsse fürchten, "dass jetzt irgendwo Profile gespeichert werden könnten".

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff kündigte an, sie werde "mindestens die hohen datenschutzrechtlichen Standards der Lkw-Maut einfordern". Dies beziehe sich vor allem auf die strenge Zweckbindung und die Pflicht zur unverzüglichen Löschung, sofern kein Verstoß gegen die Mautpflicht festgestellt werde. (Stefan Krempl) / (jk)

QuoteJ.Creutzfeld, 5. November 2014 10:40
Die Daten werden genutzt werden sobald der erste Entführungsfall oder ein terroristischer Anschlag (da reichen schon eine Messerattake oder ein Waffenlagerfund) durch die Medien getrieben werden, wird man die Daten benutzen. Und später dann für Steuerermittlungen und wegen Urheberrechtsverletzungen. ...



Aus: "Pkw-Maut: Warnung vor Bewegungsprofilen durch 13-monatige Vorratsdatenspeicherung" (05.11.2014)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Pkw-Maut-Warnung-vor-Bewegungsprofilen-durch-13-monatige-Vorratsdatenspeicherung-2442285.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] vor allem die anlasslose straßenseitige Überwachung führte dazu, dass sich das Bundesverfassungsgericht mit den Scannern beschäftigen musste. Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden richteten sich gegen die Kfz-Kennzeichen-Vorratsdatenspeicherung in Hessen und Schleswig-Holstein. Schon 2008 verwarf das Gericht die angegriffenen gesetzlichen Regelungen beim Einsatz von Kennzeichenlesegeräten als verfassungswidrig.

Mag sein, dass im Verkehrsministerium beim Hauen und Stechen um die Maut keine Zeit mehr blieb, einige Jahre zurückliegende höchstrichterliche Urteile zu lesen. Aber kann ein Spitzenpolitiker auch übersehen, dass eine monatelange Diskussion darüber stattfindet, wie man nach all den Snowden-Enthüllungen über Wirtschaftsspionage und um sich greifende technisierte Überwachung zukünftig mit verdachtsloser elektronischer Kontrolle und Aufzeichnung von alltäglichem Verhalten umgehen soll?

Angesichts einer Bevölkerung, die zunehmend kritisch auf neue Überwachungspläne reagiert, ist das Vorhaben politisch instinktlos. Schließlich berührt das PKW-Maut-Scannen einen Großteil der Menschen permanent im Alltagsleben. Und die in Dobrindts Gesetzesentwurf vorgesehenen Fristen von bis zu sechs Jahren, bevor die Daten gelöscht werden müssen, sind keine Kleinigkeit.

Weder die veränderte Sicht auf die Überwachungslage noch das Urteil aus Karlsruhe hielt Dobrindt von seinem Maut-Eigentor ab, obgleich auf juristischer Seite qualitativ weitergehende Fragen zu stellen sind, als sie in Karlsruhe bisher aufgeworfen waren. Denn mit einer bundesweiten ,,Infrastrukturabgabe", die nicht als Vignette auf der Windschutzscheibe, sondern als elektronisches Scanning der Nummernschilder erfolgt, wird vor allem das Erfassen von Bewegungsprofilen neu diskutiert werden müssen.

Auch Geschwindigkeitsprofile wären aus solchen Systemen ableitbar. Bei der vorgesehenen längerfristigen Speicherung der Scan-Daten kommen noch – nicht vernachlässigbare – Anstrengungen für eine ordentliche IT-Sicherheit obendrauf, die dafür sorgen dürften, dass die ohnehin mickrigen Mauteinnahmen weiter dezimiert werden. Wie eine Beteiligung privater Unternehmen an der staatlichen Datensammlung und Weiterverarbeitung erfolgen kann, dazu hat sich der Minister noch nicht erklärt.

Da ausländische Kennzeichen für die Mauterfassung eine besondere Rolle spielen, wird sich Dobrindt auch Fragen gefallen lassen müssen, wie er gedenkt, an die Daten von potentiellen Mautzahlern aus aller Herren Länder zu kommen. Doch nicht nur bei der erwartbar hohen Zahl an ausländischen Halterabfragen, auch bei der Durchführung des Eintreibens des geplanten Bußgeldes von 150 Euro fehlen vom Minister Antworten.

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Aus: "Wegelagerer auf Datensuche"  Constanze Kurz (03.11.2014)
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/aus-dem-maschinenraum/kennzeichenscanner-am-wegesrand-datenbeschaffung-ueber-das-mautsystem-13243701.html?printPagedArticle=true


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) möchte seinem Versprechen, bei der umstrittenen Pkw-Maut Datenschutz auf höchstem Niveau zu gewähren und das Anlegen von Bewegungsprofilen zu verhindern, nun doch besser nachkommen. Im jüngsten Referentenentwurf für das Gesetz für eine "Infrastrukturabgabe für die Benutzung von Bundesfernstraßen" fehlt die besonders umkämpfte Klausel, die eine Vorratsdatenspeicherung sensibler Verkehrsdaten für 13 Monate erlaubt hätte.

Bilder und Daten, die im Rahmen einer Kontrolle zum Zahlen der Abgabenpflicht erhoben und gespeichert werden, sind dem Papier nach "unverzüglich" zu löschen, sobald feststeht, dass der Fahrzeughalter den Mautbeitrag gezahlt hat. Es erfolge also nur noch der – in der Regel automatische – Abgleich des erfassten Kennzeichens mit den Daten aus dem Abgabenregister, erläutert der IT-Anwalt Matthias Bergt. Ein Löschen der Daten dürfe nur dann herausgezögert werden, wenn eine manuelle Auswertung etwa gemachter Fotos nötig sei.

Bergt hatte in einer Analyse des ersten Vorstoßes aus dem Verkehrsressort herausgearbeitet, dass "alle Bewegungsdaten mit allen Fotos aller Nutzer von Jahres-Vignetten bis zu 13 Monate auf Vorrat gespeichert" werden könnten. Ursache sei der Anspruch, sich den Mautbeitrag erstatten zu lassen, wenn man mit dem eigenen Auto ein ganzes Jahr lang nicht auf Bundesfernstraßen unterwegs gewesen sei. Die entsprechende Passage zum Datenvorhalten während eines laufenden Erstattungsverfahrens taucht auch im überarbeiteten Entwurf nicht mehr auf. Bilder von Pkws sollen zudem so aufgenommen werden, dass Insassen nicht zu erkennen sind.

Das Ministerium geht generell davon aus, dass mehr als 99 Prozent aller Pkw-Besitzer auch Bundesfernstraßen benutzen. Andererseits bedeutet dies aber, dass mehrere Hunderttausend Deutsche die Maut zurückfordern könnten. Dem Spiegel zufolge will Dobrindt das Erstattungsverfahren daher jetzt wohl bürokratischer gestalten. Denkbar sei, dass Pkw-Besitzer per Fahrtenbuch oder Kilometerstand nachweisen müssten, dass sie keine Bundesfernstraßen benutzt haben.

Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hatten sich jüngst nicht nur gegen die 13-monatige Datenaufbewahrung, sondern gegen das geplante automatisierte Erfassen und Speichern von Autokennzeichen generell ausgesprochen. Es gebe "mildere und gleichermaßen effektive Mittel zur Kontrolle der Entrichtung der Maut", betonten die Experten. Auch die Einbeziehung privater Firmen sowie die Einrichtung eines zentralen Registers geht ihnen zu weit.

Bergt zufolge gibt es nach wie vor Probleme beim Datenschutz und der -sicherheit. So wäre es etwa sinnvoll, nur mit Hash-Werten der Nummernschilder zu arbeiten, statt automatisch alle Klardaten abzufragen. Es fehle auch Vorgabe für die privaten Betreiber, die nicht automatisch erkannten Kennzeichen unverzüglich manuell auszuwerten. Ferner bleibe das Grundproblem bestehen, dass die bereits mit der Lkw-Maut errichtete "Überwachungsinfrastruktur" ausgeweitet werden solle. Dies wecke Begehrlichkeiten vor allem bei Strafverfolgern.

Schwere Bedenken gegen das Vorhaben kommen auch erneut aus Brüssel: Die neue EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc hält die bereits mehrfach geänderten Pläne nach wie vor für unvereinbar mit dem EU-Recht. Der Text laufe "auf einen Bruch des fundamentalen Vertragsprinzips der Nicht-Diskriminierung hinaus", zitiert die Bild-Zeitung aus einem Schreiben der Slowenin. So begünstige das Anrechnen der Pkw-Maut auf die Kfz-Steuer deutsche Autofahrer, weil nur sie dadurch entlastet würden. Parallel seien die Kurzzeit-Vignetten für Ausländer unverhältnismäßig teuer. Damit ist fraglich, ob der Entwurf wie geplant am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden kann. (Stefan Krempl) / (mho)


Aus: "Pkw-Maut soll ohne Vorratsdatenspeicherung auskommen" (15.12.2014)
Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Pkw-Maut-soll-ohne-Vorratsdatenspeicherung-auskommen-2497209.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Gestern wurden die Urteile des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2018 bekannt, mit dem die in den Polizeigesetzen Bayerns, Baden-Württembergs und Hessens aufgenommenen Befugnisse zur polizeilichen automatisierten Kennzeichenkontrolle im öffentlichen Straßenverkehr für verfassungswidrig erklärt werden.

Der Freiburger Rechtsanwalt Dr. Udo Kauß, der die Beschwerdeführer aus Bayern und Baden-Württemberg mit Unterstützung der Humanistischen Union vertritt, erklärt hierzu: "Mit den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts werden der pauschalen und anlasslosen Kontrolle des öffentlichen Raumes durch die Polizei enge Bandagen angezogen."

Das Bundesverfassungsgericht hat unter ausdrücklicher Aufgabe früherer Auffassungen allein schon im Tatbestand der elektronischen Video-Kontrolle einen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesehen. "Vor allem hat das Bundesverfassungsgericht der anlasslosen Kontrolle eine Absage erteilt und die Zulässigkeit solcher Massenkontrollen vom Vorliegen einer konkreten Gefahrensituation abhängig gemacht. Auch dürfen nicht mehr pauschal polizeiliche Dateien für den Abgleich mit den eine Kontrollstelle passierenden Fahrzeugen eingesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht hat damit den Phantasien einer rundherum und ohne konkreten Anlass permanent überwachten Gesellschaft einen Riegel vorgeschoben. Ein großer Sieg für Bürgerrechte!"

Die gestern bekannt gegebene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe betrifft Verfassungsbeschwerden gegen Gesetze zum Kfz-Massenabgleich in Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Beschwerdeführer sind Autofahrer aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg.

Bayern scannt an 15 Standorten Kfz-Kennzeichen, um sie mit Polizeidatenbanken abzugleichen. Pro Monat werden so 8,5 Millionen Kennzeichen erfasst. 98 Prozent der Treffermeldungen waren falsch, weil der Scanner zum Beispiel ein "I" nicht von einer "1" und ein "O" nicht von einer Null unterscheidet. In Baden-Württemberg wurden 2017 138.000 Kfz-Kennzeichen erfasst; dabei waren 92 Prozent der Treffermeldungen falsch. In Hessen wurden 2017 250.000 Kfz-Kennzeichen eingelesen; dort waren 93 Prozent der Treffermeldungen falsch.

2008 erklärte das Bundesverfassungsgericht das hessische und ein schleswig-holsteinisches Gesetz zum Kfz-Massenabgleich für verfassungswidrig und daher nichtig. Der schleswig-holsteinische Innenminister Lothar Hay gab daraufhin bekannt, er verzichte auf eine Neuregelung, denn das Kfz-Scanning binde Personal, das an anderen Stellen sinnvoller für operative Polizeiarbeit zum Schutze der Bürger eingesetzt werden könne.

Das umstrittene Verfahren des Kfz-Kennzeichenabgleichs steht seit Jahren in der Kritik: In vielen Ländern sind über 90 Prozent der Treffermeldungen falsch. Der Massenabgleich, mit dessen Hilfe auch verdeckte Bewegungsprofile für Polizei und Geheimdienste erstellt werden, entfalte insgesamt eine schädliche und abschreckende Wirkung auf unsere Gesellschaft, besonders etwa im Vorfeld von Demonstrationen. Dem stehe ein unverhältnismäßig geringer Nutzen gegenüber.

Der aktuelle Vorstoß der Bundesregierung, Kennzeichenscanner auch für die Verhängung von Ordnungswidrigkeiten (Bußgelder gegen Dieselfahrer in Fahrverbotszonen) einzusetzen, hat nach diesen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts keine Zukunft mehr, ebenso auch nicht die anlasslose automatisierte Gesichtserkennung im öffentlichen Raum.

In Großbritannien, Dänemark und den Niederlanden werden mithilfe von Kennzeichenscannern schon heute sämtliche Fahrzeugbewegungen bis zu zwei Jahre lang auf Vorrat gespeichert. Polizei und Geheimdienste haben europaweit über drei Millionen Kfz-Kennzeichen und in Deutschland fast eine Million Kfz-Kennzeichen ausgeschrieben, darunter Ausschreibungen zur Sicherstellung, zur Kontrolle, zur Befragung oder zur verdeckten (unbemerkten) Registrierung.


Aus: "Ein Sieg für die Bürgerrechte" Humanistischen Union (6. Feb 2019)
Quelle: https://hpd.de/artikel/sieg-fuer-buergerrechte-16471