• Welcome to COMMUNICATIONS LASER #17. Please log in.

[Wohlstandsverwahrlosung (Notizen)... ]

Started by Textaris(txt*bot), February 09, 2021, 01:34:25 PM

Previous topic - Next topic

0 Members and 1 Guest are viewing this topic.

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Universität von Minnesota hilft Eltern mit einer Art Notwehrmaß-nahme: Sie hat die Website ,,birthdayswithoutpressure" (,,Geburtstage ohne Druck") ins Netz gestellt, in der sich Mütter und Väter gegen den Event-Wahn beim Kindergeburtstag verbünden können. Das Echo war überwältigend. ...

...


Aus: "KONSUMWELT UND VERÄNDERTE KINDHEIT" (2013)
Quelle: https://www.kas.de/c/document_library/get_file?uuid=98eb2513-7314-1022-2a47-a632a13e0a01&groupId=268877

-

Quote[...] Aus dem Bezirk MITTE berichtet Julia Weiss: ,,Je höher die soziale Schicht beziehungsweise Bildungsgrad desto größer der Anteil der Befragten mit einem riskanten Alkoholkonsum." Das hat eine Studie unter mehr als 1500 Senior*innen im Bezirk Mitte festgestellt.


Aus: "Wohlhabendere haben vermehrt ,,riskanten Alkoholkonsum"" (10.02.2021)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/studie-zu-einsamkeit-und-trinken-im-alter-wohlhabendere-haben-vermehrt-riskanten-alkoholkonsum/26899134.html

-

Quote[...] Zu: "Zöllner, Ulrike: Die Kinder vom Zürichberg. Was der Wohlstand aus unseren Kindern macht." Stuttgart: Kreuz, 1993 (160 S.)

Der Zürichberg ist Synonym für die trügerische der Wohlhabenden. Charakteristikum ihrer zur Freizeitgemeinschaft reduzierten Familie sind oberflächlich verführerische Verlockungen, deren Langzeitfolgen gravierend ausfallen: Der gesellschaftlich gut situierte, stressgeplagte Vater bringt für das mit Geschenken aller Art überschüttete und dennoch nie glückliche Kind an einem Wochentag durchschnittlich acht Minuten und an "gemeinsamen", meist von sportlicher Einzelertüchtigung geprägten Wochenenden zu dritt stolze 14 Minuten auf.

Die Mutter, wohlgestylt wie der heranwachsende Sprössling, erfüllt hingegen in erster Linie die Funktion einer Managerin, um dem Kind die vermeintlichen Segnungen einer guten Kindheit zukommen zu lassen. Aufgerieben zwischen Schule, Klavier- und Tennisunterricht. Ballettstunde und einer Fülle von sozialer Beziehungslosigkeit geprägten Kontakten ist das Kind von Nähe, naheliegenden Werten und selbstgewählter Orientierung abgeschnitten - der ideale Nährboden emotionaler Abstinenz und Karrieresucht, der im Dunstkreis fiktionaler Scheinwelten verkrüppelte Menschen heranwachsen läßt. Der Autorin, als Psychologin ausgewiesen und auch in ihrer Rolle als Mutter um die Klärung des eigenen Standorts bemüht, geht es nicht um rnoralisierende Schuldzuweisung. Pointiert, zum Teil provozierend und sensibel zugleich analysiert sie das zur "Patchwork-Identität" reduzierte Heranwachsen der "wohlstandsverwahrlosten" Jugendlichen und legt die psychosozialen Folgen bloß.

Triebhemmung, Motivationslosigkeit, der gestörte Umgang mit Stimmungen sind nur ein Teil der gravierenden Defekte. Um die vielfach beherrschte Technik versierter Kommunikation durch eine Haltung sozialer Beziehungsfähigkeit zu ergänzen, fordert Zöllner primär die Erwachsenen dazu auf, die eigenen Werthaltungen kritisch zu reflektieren, Stellung zu beziehen und dem Kind Zeit und Muße zu gewähren, um zu sich selbst zu finden und kreative Freiräume zu nützen, die es erst zu einer ganzheitlichen Persönlichkeit werden lassen. Und selbstbewusst an ihresgleichen gewandt: "Wir müssen einen Lebensstil verweigern, den wir als schädigend für unsere Kinder erkannt haben, und auf eine Familienreform pochen, die andere Schwerpunkte setzt. Wir müssen Schluß machen mit dem Zirkel: Flucht - Schuldgefühle - Verwöhnung. Wir müssen unsere Verantwortung wahrnehmen, uns der Beziehungsaufgabe stellen, damit wir nicht noch mehr emotional frustrierte, materiell entschädigte und psychisch geschädigte Kinder aufziehen."

WSp.



Aus: "Wohlstandsverwahrlosung - was Wohlstand aus unseren Kindern macht" (Ausgabe: 1994 | 1)
Quelle: https://www.prozukunft.org/buecher/wohlstandsverwahrlosung-was-der-wohlstand-aus-unseren-kindern-macht

-

Quote[...] Wir Menschen der Spätmoderne nahmen Tschernobyl, die Ölpest im Golf von Mexiko, den Tsunami, Fukushima, Ebola-Ausbrüche und Dürre in Afrika zur Kenntnis – als Folgen sündhaften Verhaltens deuteten wir solche Ereignisse nur ungern. Die Klimaveränderungen und Umweltschäden setzten uns zwar zu, wissenschaftliche Erkenntnisse schlugen wir aber in den Wind. Das Mahnen ging, wie paradox, von der Jugend aus. Wir dagegen machten weiter ...


Aus: "Betrachtung zur Corona-Krise: Todsünden und Unglück" Ingeborg Ruthe (28.3.2020)
Quelle: https://www.berliner-zeitung.de/kultur-vergnuegen/betrachtung-zur-corona-krise-todsuenden-und-unglueck-li.79697

-

Quote[...] Die Individualisierung ist ein Trend, der das Leben im sogenannten Westen seit den späten 60er-Jahren prägt – und das um einiges nachhaltiger als andere Ideologien dieser Zeit wie freie Liebe oder die Sehnsucht nach der proletarischen Weltrevolution. ...


Aus: "Coronavirus: Das Ende des Individuums" Christoph Eisenschink (18. März 2020)
Quelle: https://www.gq-magazin.de/lifestyle/artikel/coronakrise-das-ende-des-individuums

-

Quote[ [Esoterik-Adventkalender, Tür 13: "Eingeimpft" im wohlstandsverwahrlosten Bobo-Ghetto - Die deutsche Doku geht der Frage nach, ob man sein Kind impfen soll und spart gänzlich mit wissenschaftlichen Fakten] ... nubes oscuras, 15. Dezember 2018, 10:10:38 - Die Gewinnspannen bei [der] Esoindustrie sind um das tausendfache höher als bei der Pharmaindustrie. ...]

marmeladenfreund

15. Dezember 2018, 00:29:46

Impfsgegnerschaft passt perfekt zum gerade weltweit reüssierenden Amalgam aus Esotherik, Fake News, Verschwörungstheorien, Kreationismus, Aidsleugnerschaft, Homöopathie, Rechtsextremismus, Alternativscharlatanerie, Religionsfundamentalismus, Neuheidentum, Klimawandelleugnerschaft, Autoritarismus, Voodoo-Economics u.Ä. Dass sich fragwürdige Gurus, Scharlatane, Berufsquerulanten & co an der Angst und Verzweiflung von Menschen bereichern, ist ja an sich nichts Neues. Neu ist jedoch, dass dieser Dummheitsfetish ein Ausmaß angenommen hat, das ihn langsam aber sicher zum Mainstream werden lässt und das seinen Vertretern den Griff nach der Macht erlaubt. So ähnlich war es übrigens auch schon am Vorabend der großen Weltkriege des 20. Jahrhunderts.


Kommentar zu: https://www.derstandard.de/story/2000093029090/esoterik-adventkalender-tuer-13-eingeimpft-im-wohlstandsverwahrlosten-bobo-ghetto

-

Quote[...] "Die entscheidende Variable", sagt der Dresdner Erziehungswissenschaftler Wolfgang Melzer, "ist nicht der Kontostand, sondern der Erziehungsstil der Eltern." ... Emotionale Verwahrlosung kann zur Familientradition werden.  ... Die Eltern reagieren oft zu spät oder falsch. Wenn der erfolgsorientierte Vater nicht wahrhaben will, dass sein Kind Hilfe braucht statt eines neuen Handys, bringt er es eben lieber in ein Internat oder eine Privatschule wie sein Auto in die Werkstatt: Erziehung als Reparaturauftrag. ... Pastor Siggelkow ist längst mit düsteren Visionen vertraut. Einen wohlhabenden Unternehmer aus Berlin fragte er mal, warum der immer so viel Geld für die armen Kinder seiner "Arche" spende. Die Antwort: Der Mann machte sich Sorgen um die Zukunft, darüber, wie sich die sozialen Spannungen bei Wohlhabenden und Bedürftigen entladen könnten, wie diese Gesellschaft noch funktionieren wird. "Er erklärte, er wolle nicht, dass seine Kinder sich später hinter Stacheldrähten verschanzen müssen mit ihrem Wohlstand." Angesichts solcher Zukunftsperspektiven rettet sich Siggelkow manchmal nur noch mit dem Galgenhumor eines Oscar Wilde: "Die Erziehung meiner Kinder ist völlig misslungen, machen sie mir doch alles nach." ...


Aus: "(K)eine Frage des Geldes" Markus Deggerich (18.11.2008)
Quelle: https://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-62137668.html

-

Quote[...] Verwahrloste Kinder, exzessiver Medienkonsum, traumatisierte oder psychisch erkrankte Eltern; beim Schulpsychologischen Dienst häufen sich die Fälle. Dabei ist er nicht selten mit schwerwiegenden Situationen konfrontiert. ... Verwahrlosungssituationen werden häufiger beobachtet. «Da sind Kinder von schwer traumatisierten Flüchtlingsfamilien, die zu Beginn nicht in der Lage sind, adäquat zu ihren Kindern zu schauen», führt er aus. «Da sind überforderte Eltern, die ihre Kinder mit einem iPad beschäftigen und weitgehend sich selbst überlassen, was einen exzessiven Medienkonsum zur Folge haben kann. Da sind emotional verwahrloste Kinder von Eltern mit psychischen Störungen.»

Primarschule Rittergasse, nur wenige Meter vom Basler Münster entfernt: Hier arbeitet Sabine Dreyfus, sie ist seit mehr als dreissig Jahren als Schulpsychologin tätig. Auch sie kennt das Phänomen der Verwahrlosung, ­allerdings von einer anderen Seite. «Wir sprechen von einer Wohlstandsverwahrlosung», sagt Dreyfus. Damit meine sie Kinder, die bildlich gesprochen in einem Supermarkt aufwachsen. Ihnen stehe alles zur Verfügung, sie würden rund um die Uhr betreut, in der Freizeit machten sie Musik und Sport. «Ihre Tage sind bereits durchgetaktet wie die eines Erwachsenen.» Die Kehrseite davon: «Diese Kinder sind es sich gewohnt, dass ihnen alles vorgekaut wird und sie sich nichts selbstständig erarbeiten müssen.» Als Folge davon zeigten sich Verhaltensauffälligkeiten wie Unterrichtsverweigerung oder ­extreme Langeweile.

... Hinzu kämen Herausforderungen wie die Digitalisierung und Kinder, denen zu wenig Sozialkompetenzen mit auf den Weg gegeben wurden. «Bei der Mehrheit der Familien kommen die Probleme erst im Kindergarten zum Vorschein», sagt Héritier. «Dann ist es aber schon zu spät, um die Defizite auszugleichen.»

...


Aus: "Wenn Kinder nicht mehr können" Samanta Siegfried (25.09.2020)
Quelle: https://www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/wenn-kinder-nicht-mehr-konnen-ld.1261418

-

Quote[...] Wohlstandsverwahrlosung: Verschwörungsgedanken und Schuldzuweisungen blühten in der Pandemie - vieles war geschmacklos, etwa wenn sich Protestler gegen Corona-Maßnahmen als Widerstandskämpfer (Sophie Scholl) gerierten oder andere jeden Corona-Protest «hochhitlerten». Anfangs waren wegen übertriebener Vorratseinkäufe Nudel- und Klopapier-Gags angesagt, sie wurden aber rasch unlustig. ...


Aus: "Von A bis Z: Welche Trends das Leben 2020 bestimmt haben" (03.12.2020)
Quelle: https://www.tz.de/leben/von-bis-welche-trends-das-leben-2020-bestimmt-haben-zr-90119798.html

-

Quote[...] ,,Wohlstandsverwahrlost sind Kinder wie das sechsjährige Mädchen, [...] dass im Kunstunterricht über die Farbspritzer auf ihrem Gucci-Blüschen klagt. Auch so was kommt vor. Wohlstandsverwahrlost sind 18 jährige mit Autos, von denen die Marketingleiter ihrer Väter nur träumen. Sie laden ihre 17 jährigen Freundinnen nicht in die Dorfdisco, sondern übers Wochenende ins Hotel nach Nizza ein, weil die Drinks dort bei besserem Wetter eingenommen werden." ...


Zu: ",,Die armen Kinder der Reichen". Die heutige Wohlstandsverwahrlosung und ihre Folgen" von Katharina Giers (Autor)" (16. September 2008)

-

Quote[...] Eltern, sagt Belikova, wüssten oft gar nicht, was Kinder in welchem Alter gerne spielen. Sie kaufen ein nach dem Prinzip: lauter, bunter, teurer. Autos, die blinken und lärmen, dass man davon Kopfschmerzen bekommt. Gigantische Fernseher, Computerspiele, für die die Kinder viel zu jung sind. "Neulich habe ich einen zweijährigen Jungen betreut, der von seiner Mama ein Mini-Tablet bekommen hatte", sagt Belikova. "Ich habe ihr dann gezeigt, dass Zweijährige viel lieber mit Kochtöpfen voller Wasser spielen."  Im Sommer füllt Belikova für die Kinder Badewannen, holt Eimer, Trichter, Gläser, sodass sie tüchtig im Matsch spielen können. Im Herbst sammeln sie Kastanien. Manche Kinder, sagt sie, gehen mit ihren Eltern kaum nach draußen. ...

... Auch in den privilegierten Schichten gehe gerade etwas verloren, nämlich die Bereitschaft, sich den eigenen Kindern wirklich zuzuwenden. Während es bei armen Familien der Staat ist, der die Kosten für die frühe Förderung trägt, bezahlen die Reichen ihre Frühförderer und Kümmerer selbst: Au-pairs, Kindermädchen, Therapeuten oder elektronische Medien.

...


Aus: "Wenn Eltern es nicht schaffen" Eva Corino (12. Dezember 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/zeit-magazin/leben/2019-12/fruehfoerderung-kinder-erziehung-bildung-lebenshilfe-soziale-gerechtigkeit/komplettansicht

QuoteFragestellerin #2  —  12. Dezember 2019, 7:01 Uhr

Immer öfter beobachte ich junge Eltern, die am Spielplatz intensiv mit ihrem Smartphone beschäftigt sind und nicht mit ihren Kindern.


QuotePerlon #2.14  —  12. Dezember 2019, 20:48 Uhr

Immer schön andere verurteilen, von deren Lebenswirklichkeit man keine Ahnung hat. Vielleicht hilft es, sich einmal klarzumachen, was Elternzeit für Mütter / Väter bedeutet. Man ist 24/7 für ein kleines Wesen da, das viel Zuwendung einfordert. Man schläft nicht mehr länger als 2-3 Stunden am Stück und hat selten Gelegenheit sich ein vernünftiges Essen zuzubereiten, geschweige denn, es in Ruhe aufzuessen. Ein soziales Leben und eigene Bedürfnisse sind nur sehr begrenzt möglich. Der Gang mit dem Kinderwagen ist oft der einzige Moment, in denen das Kind zufrieden in die Gegend schaut und man selbst mal Nachrichten beantworten, sinnentleerte Gespräche mit Freundinnen führen oder auch einen Spielkreis oder Fördertreffs recherchieren kann. Smartphone und Internet sind Teil unseres heutigen Lebens, als Eltern soll man das plötzlich komplett unterbinden!?


Quotetenshinhonk #2.16  —  12. Dezember 2019, 21:49 Uhr

Seit ich Vater geworden bin habe ich aufgehört vorschnell über andere Eltern zu urteilen.


-

Quote[...] Wir leben in ernsten Zeiten und sind dennoch eine infantile Gesellschaft": Mit diesem ebenso zutreffenden wie bedrückenden Satz beginnt der deutsche Publizist Alexander Kissler sein soeben erschienenes Buch "Die infantile Gesellschaft - Wege aus der selbstverschuldeten Unreife". Man muss kein besonders scharfsinniger Beobachter sein um zu erkennen, dass Kissler mit seiner Diagnose recht hat.

Das reicht vom Alltagsleben, in dem Menschen nahe dem Pensionsalter dieselbe Kleidung tragen wie die Generation ihrer Enkel, wo erwachsene Männer Tretroller fahren, die früher Kindern im Vorschulalter vorbehalten waren und dauernd Trinkflaschen bei sich führen, um nicht zu verdursten bis hinein ins akademische Leben, wo 20-jährige Studenten mittels "Triggerwarning" vor Traumata bewahrt werden sollen, die Shakespeare-Stücke verursachen können und "safe spaces" der bevorzugte Aufenthaltsort der Generation Schneeflocke geworden sind.

"Der Siegeszug niedlicher Lifestyle-Accessoires aus den Kinderzimmern hinein in die Erwachsenenwelt macht diese gewiss nicht vernünftiger, aufgeklärter, klüger." (Kissler) Es ist dies keine ganz neue Entwicklung, aber eine, die in den vergangenen Jahren doch deutlich an Fahrt aufgenommen hat. 2012 sah der "FAZ"-Journalist Edo Reents in Deutschland "eine gesellschaftliche Tendenz hin zu einem Verhalten, das man früher als kindisch bezeichnet hätte, das heute aber, weil es so verbreitet ist, kaum noch als solches auffällt: Mitteilungsdrang gegenüber Fremden, Indiskretion; ein gewisser Zeigestolz; der Hang, seinen Spiel- und Zerstreuungsbedürfnissen zu fast jeder Zeit und ohne Rücksicht auf die Umgebung nachzugehen. Diesen Eigenschaften, die auf die fortlaufende Preisgabe des Privaten, Persönlichen hinauslaufen, ist etwas ausgesprochen Übergriffiges gemeinsam; man kann ihren Äußerungen nicht entkommen." Und zwei Jahre später diagnostiziert der österreichische Philosoph Konrad Paul Liessmann: "Die Infantilisierung und selbstgewählte Teilentmündigung junger Erwachsener scheint in vollem Gange. Das (. . .) entspricht dem Charakter unserer Konsumgesellschaft und der zunehmenden Pädagogisierung des Alltags", Liessmann sieht "Fresspakete und Nuckelflaschen in den Klassenzimmern, Seminarräumen und Hörsälen" und leitet daraus die Diagnose ab, wir seien "als Kultur in eine orale Phase geschlittert, wir bleiben, individualpsychologisch, in dieser stecken."

Kissler nimmt diesen Faden auf und spinnt ihn gekonnt und mit viel Esprit in die Gegenwart weiter: "So stehen wir staunend, irritiert und erheitert vor einer Gesellschaft, in der nicht Kinder vorzeitig hinaufgehoben werden ins Erwachsenenalter, was ihnen einst gewiss nicht gut bekam. Wir sehen Volljährige, Erwachsene, Ausgereifte, die sich lustvoll hinabbeugen zum Kind, das sie einmal waren. Sie herzen sich selbst. Sie spielen Unschuld. Sie verlachen den Ernst der Lage." Auch wenn Kissler es so nicht ausspricht: Wir haben es hier mit einer Art von Wohlstandsverwahrlosung zu tun, ausgelöst vom kollektiven Bedürfnis nach Instant-Befriedigung und Schmerzvermeidung, gefördert von Unternehmen und Politikern, die daraus ihren Nutzen ziehen. "Die besenreine Gesellschaft, die gesäuberte Gesellschaft der Eiferer: Sie ist das nächtliche Gegenstück zur infantilisierten Gesellschaft und ohne diese nicht zu denken. Zwischen der Ermunterung des ewigen Kindes zum Konsum und seiner Bevormundung bestehen nicht nur lautliche Parallelen," diagnostiziert de Autor. "Eine Gesellschaft kann nur dann in zahllose Schutz- und Schonräume zerfallen, wenn sie im Menschen ein hochempfindliches, leicht erregbares und allzeit beleidigtes Kind sieht. Die Unterhaltungsindustrie macht ihm ein lebenslanges Zerstreuungsangebot, während die Politik ihn ins Gehege des richtigen Verhaltens schubst."

Das gilt noch viel mehr unter den Bedingungen einer Pandemie, die das noch verstärkt. Kissler hält deshalb für dringlich geboten, dass gerade Erwachsene wieder zu Erwachsenen werden, anstatt sich in der Kindlichkeit zu verlieren: "Der reife Mensch erliegt nicht den Sirenenklängen der Industrie und den Versprechungen des Konsums, wenn diese ihn in Unmündigkeit binden wollen. Er hält weder die Welt für eine Ausformung des Ichs noch das Ich für einen bloßen Wurmfortsatz der Welt. Er vertauscht nicht den Ernst mit dem Spiel und rettet so beide." Was gerade jetzt ja irgendwie durchaus notwendig wäre.


Aus: "Unsere Gesellschaft wird immer kindischer" (27.10.2020)
Quelle: https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/mehr-kultur/2080472-Unsere-Gesellschaft-wird-immer-kindischer.html

-

Quote[...] Kinder, die unter Wohlstandsverwahrlosung leiden. Materiell bieten ihnen die Eltern alles, aber ihre emotionalen Bedürfnisse bleiben unerfüllt. Diese psychische Verwahrlosung ist oft erst auf den zweiten Blick zu erkennen. ... Vermindertes Mitgefühl ist typisch, aber auch erhöhte Aggressivität, eine geringe Frustrationstoleranz und eine Unfähigkeit, sich zu binden. ... Die Kinder und Jugendlichen sind häufig antriebslos, entwickeln daneben aber eine extreme Anspruchshaltung. Dankbarkeit oder gar Demut sind ihnen fremd, ein Gefühl für Geld und was es für manche Menschen bedeutet, dieses zu verdienen, auch. Verantwortung übernehmen sie nur ungern und Freundschaften werden nach dem "Was-nützt-mir-derjenige"-Aspekt beurteilt. ... "Wohlstandsverwahrlosung ist immer auch eine Hypothek, die weit in die Zukunft ausstrahlen kann", warnt Nitsch. Denn eines sollte man bedenken: Die emotional verwahrlosten Kinder von heute sind die emotional verwahrlosten und verwahrlosenden Eltern von morgen. ...


Aus: "Emotional unterversorgt: Experten warnen vor Wohlstandsverwahrlosung" (25.11.2016)
Quelle: https://www.t-online.de/leben/familie/schulkind-und-jugendliche/id_64687636/wohlstandsverwahrlosung-ist-das-armutszeugnis-fuer-reiche-eltern.html

-

Quote[...] Offensichtlich gibt es in Zehlendorf in den bürgerlichen Kiezen zunehmend das Problem der ,,Wohlstandsverwahrlosung. Hoffmann formuliert es so: ,,Die Eltern in den bürgerlichen Gegenden haben wenig Zeit, aber sehr hohe Erwartungen an die eigenen Kinder. Wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, werden hektisch Konsequenzen gezogen und Panik bricht aus."

Hoffmann sagt zudem: ,,Generell steht berufstätigen Eltern wenig Zeit für Familie zur Verfügung. Das gilt für Leitungspositionen genauso wie für die Beschäftigten eines Supermarkts mit Öffnungszeiten bis 21 Uhr. An den sozialstrukturellen Polen beobachten wir Zuspitzungen, das gilt für Armut und auch Wohlstandsverwahrlosung ist ein wachsendes Problem."

Interessant an der Tiefenanalyse des Jugendamts ist die Tatsache, dass viele dieser Probleme, für die dann das Jugendamt um Hilfe gebeten wird, keine materiellen Probleme sind. Gerade in den bürgerlichen Kiezen ist die Wachstumsrate an innerfamiliären Konflikten enorm.

... Bei den Ursachen für den Bedarf an Hilfen liegen familiäre Konflikte und Überforderung der Eltern bei allen Gruppen an der Spitze, gefolgt von Gesundheit, Trennung, individuelle Notlagen und soziale Problemlagen. Allerdings ist auffällig, dass die familiären Konflikte und die Überforderung offensichtlich überproportional zu den anderen Gründen wachsen.

... Hoffmann und Glück beobachten, dass immer mehr Eltern aus den bürgerlichen Milieus aufgrund dieser diffusen Ängste die Erwartungen und Ansprüche an ihre Kinder nochmals steigern. Es werden dann Coaches für Kinder engagiert, damit diese die an sie gestellten Erwartungen aushalten und ihnen entsprechen.

Beide Experten kennen auch genügend Fälle, in denen sich hilflose Eltern immer öfter in Kitas und Schulen beschweren. Die enorme ,,Ich"-Bezogenheit der Eltern habe hier extrem zugenommen, Direktoren von Grundschulen oder Oberschulen haben ganze Schubladen voll mit Beschwerdebriefen oder bekommen E-Mails, in denen mit dem Anwalt gedroht wird. Das sei, sagt eine Grundschuldirektorin dem Zehlendorf Blog, nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel.

Reinhard Hoffmann sagt: "Wir erleben in den bürgerlichen Gegenden oft einen sehr fordernden, individualistischen Blick, bei dem nur das eigene Interesse oder die eigenen Kinder gesehen werden, und die Fehler immer bei den anderen liegen."

Natürlich wissen Glück und Hoffmann, dass ein Bezirk wie Steglitz-Zehlendorf genau so betroffen ist von den vielschichtigen gesellschaftlichen Veränderungen wie alle anderen auch. Vielleicht sind hier nur die Reaktionen panischer. Hoffmann versucht es deshalb mit einem Appell: ,,Viele wollen immer früher optimale Ausgangslagen für ihre Kinder in der Gesellschaft herstellen. Ich plädiere für mehr Gelassenheit, auch wenn sich das leicht sagen lässt. Wir müssen den Kindern mehr vertrauen, die Eltern sollten sich zügeln."




Aus: "Immer mehr Eltern in bürgerlichen Kiezen überfordert" Armin Lehmann (26.11.2013)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/steglitz-zehlendorf/wohlstandsverwahrlosung-in-zehlendorf-nimmt-zu-immer-mehr-eltern-in-buergerlichen-kiezen-ueberfordert/9129408.html

Quotetgspartus 26.11.2013, 15:11 Uhr

Das Bildungsbürgertum, die Besserverdiener, die SUV-Fahrer, Öko-Experten, die ihre Kinder auf Waldorf etc. schicken brauchen plötzlich Hilfe vom Staat? ...



Quotephb 26.11.2013, 18:24 Uhr

Überfordernde Eltern

Diese wohlhabenden Eltern, die Hilfe benötigen, sind vor allem überfordernde Eltern. Die Kinder werden erst alleingelassen, müssen aber haufenweise Erwartungen erfüllen, die sich nicht erfüllen können oder wollen. Das Ergebnis ist Widerstand gegen die Eltern und vor allem das Gefühl, ständig überfordert zu sein und für die Eltern eine Enttäuschung zu sein. Das führt wiederum dazu, dass die Kinder die angeborene Fähigkeit, glücklich zu sein, verlernen. Das Leben stellt sich für die Kinder als Reihe von zu hoch gesteckten Zielen dar. Entweder resignieren sie, oder sie werden selbst zu Eltern, die im Hamsterrad imaginäre oder tatsächliche Karriereleitern erklimmen und ihre Kinder genauso mit der Angst infizieren, den sozialen Status nicht aufrechterhalten zu können.


Quote_Pandora 26.11.2013, 14:05 Uhr

... und daran sieht man, dass "sozial schwach" nichts mit Geld zu tun hat.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] die Wissenschaft [hat] in letzter Zeit einen schweren Stand. In Zeiten von Fake News, Verschwörungsmärchen und Corona misstrauen ihr immer mehr Leute. Sie glauben lieber, dass Bill Gates das Virus gezüchtet und ausgesetzt hat, dass der Bundesrat eine Coronadiktatur aufbaut, dass mit der Impfung die Bevölkerung dezimiert werden soll, dass sich Reptilienwesen zusammen mit Aliens in der hohlen Erde treffen, um die Weltherrschaft vorzubereiten und Vieles mehr. Ein solcher Aberglaube gleicht einer Ersatzreligion, die Ausdruck einer geistigen Wohlstandsverwahrlosung ist.


Aus: "Verschwörungsglauben als Ersatzreligion" Hugo Stamm (17. Dez 2020)
Quelle: https://hpd.de/artikel/verschwoerungsglauben-ersatzreligion-18810

Quote

struppi am 22. Dezember 2020 - 10:05

Naja, Erzählungen das Dinge ganz anders sind, als sie in der Realität aussehen sind sicher nichts ungewöhnliches und Teil der menschlichen Kultur.
Und wenn jemand an eine Erdscheibe oder Reptilienherrscher glaubt, ist das ein privates Problem dessen grosse mediale Aufmerksamkeit für mich nicht nachvollziehbar ist. ...


Quote

Manfred Schleyer am 18. Dezember 2020 - 21:23

Diese gruselig-schönen Geschichtchen, die zudem das satte Gefühl des überheblichen Besserwissens geben - auf die verzichten, nur weil die Realität ganz anders ist?
Warum mühsam in der banalen Wirklichkeit nach Zusammenhängen forschen, wenn diese heißen Stories so viel einfacher und erklärender sind? Fest an etwas glauben ist so viel schöner und bequemer als Tatsachen zu untersuchen.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Zahl junger Drogen-Konsumenten in Murnau bewegt sich seit längerem auf konstant hohem Niveau. Die Hintergründe liegen manchmal in einem Phänomen begründet, das Fachleute ,,Wohlstandsverwahrlosung" nennen. Betroffene stammen aus gut situiertem Elternhaus. ...

In der Sozialarbeit mit Familien zeige der Ort ,,eine besondere Charakteristik bezüglich der Sozialstruktur", so Märte. Oft habe man es hier mit ,,gehobener Mittelschicht" zu tun: gebildete Eltern mit gut bezahlten, aber zeitintensiven Jobs. Manchmal sei die Folge, dass diese Mütter und Väter zu wenig Zeit mit ihren Kindern verbringen oder Stress generell zu unguten Entwicklungen führt. ,,In der Pubertät reagieren Jugendliche dann nicht selten mit Protestverhalten", das sich symptomatisch im riskanten Umgang mit Genuss- und/oder Suchtmitteln äußere. An Barem für den Drogenkauf mangelt es jungen Leuten aus gutem Hause in der Regel nicht. Murnaus Streetworkerin Ilona Demmel bestätigt: Viele Jugendliche vor Ort verfügten über eine relativ große Menge Geld, ,,Eltern im Gegenzug über wenig Zeit".

Oft zeigten Mütter und Väter in dem Milieu Kindern auch nicht genug Grenzen auf, weiß Märte. Die Folge sei ,,eine gewisse Orientierungslosigkeit" bei Jugendlichen. ,,Mit einem kleinen Augenzwinkern beschreiben wir diese Phänomene manchmal mit dem plakativen Begriff der Wohlstandsverwahrlosung."

...


Aus: "Jugend und Drogen: Das Murnauer Phänomen" Silke Reinbold-Jandretzki (16.10.2018)
Quelle: https://www.merkur.de/lokales/garmisch-partenkirchen/murnau-ort29105/jugend-und-drogen-murnauer-phaenomen-10333681.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Das Wort «Affluenza» setzt sich aus den englischen Begriffen affluent (reich) und influenza (Grippe) zusammen und steht für eine krankhafte Wohlstandsverwahrlosung. Doch kann das überhaupt eine Krankheit sein?

Der Begriff «Affluenza» tauchte zum ersten Mal in den 1990er Jahren auf und wurde von der deutsch-schweizerischen Psychologin Ulrike Zöllner geprägt. Grössere Beachtung erfuhr das Kunstwort dann um die Jahrtausendwende, als das Buch «The Golden Ghetto: The Psychology of Affluence» der US-amerikanischen Autorin Jessie O'Neill erschien.

Darin beschreibt die Schriftstellerin die Gefahr, dass Kinder reicher Familien verzogen werden könnten. Dadurch wird ihnen in der Erziehung kein Verständnis zwischen richtig und falsch vermittelt. Im Zentrum ihrer Überlegungen steht denn auch ein schwieriges Eltern-Kind-Verhältnis. Sie geht davon aus, dass wohlhabende Eltern kaum Zeit hätten sich um ihre Kinder zu kümmern und ihnen so klare Richtlinien im Leben fehlen würden.

In den USA ging vor einigen Jahren ein Fall durch die Medien, in dem ein Jugendlicher im Rausch vier Menschen totgefahren hatte. Er wurde auch der vierfachen fahrlässigen Tötung Schuldig gesprochen. Doch das Urteil lässt staunen. Anstelle der geforderten 20 Jahre Haft bekam der 16 Jährige vergleichsweise milde 10 Jahre auf Bewährung.

Was war passiert? Die Verteidigung hatte während der Verhandlung versichert, der Angeklagte leide unter einer Wohlstandsverwahrlosung, der «Affluenza». Er habe aufgrund der Erziehung seiner reichen Eltern nie gelernt was richtig und falsch ist. Es wäre also nicht Schuld, viel mehr sei der Fehler bei den Eltern zu suchen, welche den Sohn masslos verwöhnt hätten.

Zwei Jahre später verstiess der verwöhnte junge Mann dann gegen seine Bewährungsauflagen und musste doch noch ins Gefängnis. Nicht aber ohne vorher noch nach Mexiko geflüchtet zu sein – in Begleitung seiner Mutter. Mit 20 Jahren konnte er das Gefängnis wieder verlassen.

Dieser Fall ist wohl schwer an Absurdität zu überbieten. Unter Experten gilt die Diagnose «Affluenza» als denn auch Pseudobefund. So kommentierte der Psychologie-Professor Christopher Ferguson damals: «Das ist vielleicht das erste Mal, dass es als mildernder Umstand gilt, es zu einfach im Leben gehabt zu haben».

Das Phänomen wird dementsprechend weder in der «American Psychiatric Association» noch der «International Classification of Diseases» als Krankheit gelistet.

Fachpersonen zufolge ist es also nicht möglich, krankhaft verwöhnt zu werden. Thomas Plante, Psychologie-Professor an der Santa Clara University in Kalifornien dazu: «Affluenza ist eine nette Idee, die der öffentlichen Fanatasie entspringt aber es gibt keine diagnostischen Kriterien, um festzustellen ob Menschen eine Affluenza haben.»



Aus: "Ist Wohlstandsverwahrlosung eine Krankheit? - Affluenza – zu verwöhnt um schuldig zu sein?" (31.12.2018)
Quelle: https://www.blick.ch/life/gesundheit/medizin/ist-wohlstandsverwahrlosung-eine-krankheit-affluenza-zu-verwoehnt-um-schuldig-zu-sein-id15090453.html