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[Notizen zur Zivilisation... ]

Started by Textaris(txt*bot), August 26, 2012, 12:08:40 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] In den USA ist ein weiteres verschärftes Abtreibungsgesetz in Kraft getreten. Der texanische Gouverneur Greg Abbott unterzeichnete eine Bestimmung, die Abtreibungen verbietet, sobald der Herzschlag des Fötus festgestellt worden ist. Das kann bereits ab der sechsten Schwangerschaftswoche der Fall sein – also zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Frauen noch nicht wissen, dass sie schwanger sind. Dies soll selbst nach Vergewaltigungen oder Inzest gelten. Bislang waren in Texas Abtreibungen nach 20 Schwangerschaftswochen verboten, außer die werdende Mutter befand sich in Lebensgefahr oder der Fötus hatte schwere Fehlbildungen.

So genannte Herzschlag-Gesetze gelten bereits in etwa zehn weiteren republikanisch regierten US-Staaten. Das Besondere in Texas ist, dass es nicht von staatlichen Stellen durchgesetzt werden darf. Vielmehr hat jeder und jede das Recht, diejenigen zu verklagen, die eine verbotene Abtreibung vornehmen oder unterstützt haben, wobei jede einzelne Person mit bis zu 10.000 Dollar Strafe belegt werden kann.

Kritiker warnen, damit bekämen Abtreibungsgegner selbst außerhalb von Texas die Möglichkeit, Gerichte mit Klagen zu überhäufen und Beteiligte zu drangsalieren – etwa Ärzte, Patienten, Krankenschwestern, Berater für häusliche Gewalt, einen Freund, der eine Frau in eine Klinik gefahren hat, oder sogar ein Elternteil, das für einen Eingriff bezahlt hat.

Alle bisherigen restriktiven Abtreibungsgesetze dieser Art wurden jedoch von Gerichten abgelehnt, da sie im Widerspruch zur Rechtsprechung des Obersten Gerichts der USA stehen. Mit dem Fall Roe v. Wade wurden 1973 Schwangerschaftsabbrüche in den USA bis zum sechsten Monat legalisiert. Das Abtreibungsrecht gehört seit Jahrzehnten zu den strittigsten innenpolitischen Themen in den USA. Viele Konservative hoffen, dass der Supreme Court sein Urteil von 1973 revidiert.

Erst vor einigen Tagen beschloss der Supreme Court, sich erneut mit dem Abtreibungsrecht zu befassen. Anlass ist ein Gesetz des Bundesstaats Mississippi. Es verbietet – von wenigen Ausnahmen abgesehen – Abtreibungen nach der 15. Schwangerschaftswoche.


Aus: "Texas verschärft Gesetz zu Schwangerschaftsabbrüchen" (20. Mai 2021)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2021-05/usa-texas-schwangerschaftsabbrueche-gesetz-sechs-wochen

QuoteGuero #4

Bestimmen mal wieder alte Männer was Frauen machen dürfen und was nicht?


QuoteThantalon #4.1

Ich wüsste ja ganz genre mal was raus käme, wenn es einmal genau anders herum liefe. Junge Frauen bestimmen was alte Männer machen dürfen.


QuoteProvo-Kant #4.3

Bestimmen mal wieder alte Männer was Frauen machen dürfen und was nicht?

Eine "hippe" Äußerung- die sachlich (wie leider oft) völlig daneben geht.
Wenn Sie sich das "konservative" Klientel in den USA ansehen werden sie feststellen das sich das quer durchzieht- durch Alte und Junge, Männlein und Weiblein.
Das was wirklich zutrifft (es sind sehr überwiegend > "Weisse") lassen Sie dagegen außen vor- genau so wie die Tatsache das es wohl auch 50% der "alten Männer" gibt die das zum kotzen finden.
Pauschalisierungen, auch wenn Sie zwanghaft "woke" erscheinen wollen, sind nicht besonders schlau (freundlich ausgedrückt!)


QuoteHapsch #4.4

Laut Exit Polls haben bei der Wahl zum Governor in Texas 2018 auch 50% Abbott gewählt. Der hätte auch gewonnen, wenn nur Frauen gewählt hätten. und seine Pläne was Abtreibung angeht hat er nie verheimlicht. Das sollte man auch bedenken.


QuoteNemo Nolan #8

Woher kommt dieser Drang, Frauen bis in den Uterus hinein vorzuschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben?


QuoteRoyce from Scharbeuce #8.4

Panik vor der eigenen Bedeutungslosigkeit. Man macht sich wichtig, indem man über das Leben und die Freiheit anderer bestimmt. ...


QuotePetrucciation #8.5

"Woher kommt dieser Drang, Frauen bis in den Uterus hinein vorzuschreiben, was sie zu tun oder zu lassen haben?"

Naja, prinzipiell steht ja erstmal Leben gegen Entscheidung über den eigenen Körper, also Grundrecht vs. Grundrecht. Aber selbst im Vergewaltigungsfalle das so zu fordern und schon so früh in der Kindesentwicklung (wo es noch keine wirklich höhere Hirnaktivität mit Bewusstseinsstufen und Schmerzempfinden geben kann) zeigt schon arg, wie rein ideologisch verbohrt das Ganze ist ohne eben Rücksicht auf andere Grundrechte und Aspekte des Ganzen.


QuoteAlsoechtjetzt #8.7

Eigentlich nicht anders als in streng islamischen Ländern. Religiöser Fanatismus. Nur weil die Leute aussehen wie wir, sind sie nicht wie wir. Sieht man auch in Teilen Polens. Wir haben uns nur daran gewöhnt, dass so etwas immer aus dem arabischen Raum kommt. Aber religiöse Verblendung gibt es überall.


QuoteFranz1971 #11

Der Einfluss der evangelikaler Radikalchristen ist überdeutlich . Überzeugt das Leben im Namen eines imaginären Freundes zu schützen treten das Selbstbestimmungsrecht der Frauen mit Füßen und schwingen sich zu Richtern auf . Meine persönliche Meinung zur Abtreibung ist sehr ambivalent . Aber auch völlig egal , nur die einzelne Frau hat das Recht darüber zu entscheiden ob sie ein Kind möchte oder eben nicht .


Quoteartefaktum #14

Und demnächst wird dann wieder gepriesen, der Staat solle sich aus dem Leben der Bürger raushalten! In das Privateste aber soll sich einmischen. Besonders rational ist dieses urkonservative Denken nicht.

Völlig absurd wird es dann, wenn man dann auch noch gleichzeitig für die Todesstrafe ist - die es in Texas selbstredend noch gibt.


QuoteSebastian G. #21

Ich finde es ja immer wieder faszinierend, wie vehement sich die Abtreibungsgegner für die ungeborenen Föten einsetzen und wie vollkommen egal ihnen dann die geborenen Kinder sind. Ganz speziell die Republikaner tun sich ja immer wieder mit massiven Kürzungen im sozialen Bereich oder bei der Bildung hervor.


QuoteAlanFord #23

Ich gratuliere Texas auf seinen Weg zum Gottesstaat (Jesus wollte es so!)
ungeborene Föten gehören beschützt......und Menschen gehören auf den elektrischen Stuhl (sind ja keine Föten mehr)
Waffen für alle !...


QuoteNemo99 #24

Das Traurige ist nur, dass es den Abtreibungsgegnern in den USA häufig nur um ungeborenen Leben geht. Mehr Unterstützung für z.B. Alleinerziehende wäre ja sozialistisch, Kinderkrippe und sehr gute Ausstattung von Kinderheimen würde Geld kosten, das man nicht ausgeben will  ...


QuoteRon Siderius #25

Die republikanisch geführen Staaten werden die Abtreibungsgesetze verschärfen, auch wenn diese von den Gerichten wieder gekippt werden. Eines Tages wird sich der Supreme Court mit dieser Thematik beschäftigen und womöglich Roe vs. Wade revidieren. Die Revision wird dann die nächsten Dekaden gelten. Donald Trump hat mit der Wahl der Supreme Court Richter die Gelegenheit gehabt das konservative Amerika über seine vierjährige Amtszeit zu stärken.


QuoteSamsonit #26

"Der US-Bundesstaat verbietet Schwangerschaftsabbrüche künftig ab dem ersten Herzschlag des Kindes, auch nach einer Vergewaltigung. Jeder soll Beteiligte verklagen dürfen. "

Die perfideste, mit enormer Energie fabrizierte Machtdemonstration gegenüber Frauen die man sich vorstellen kann.


Quotehelmutleitz #33

Abtreibungsverbot nach Vergewaltigungen kannte ich eigentlich nur aus finster-katholischen Ostblockstaaten.

Seltsamer Weg auf dem die USA da gerade sind...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wonsan - In der nordkoreanischen Provinz Gangwon soll ein Mann hingerichtet worden sein, der USB-Sticks und CDs mit südkoreanischen Filmen, Dramen und Musikvideos verkauft haben soll. Die südkoreanische Nachrichtenseite DailyNK berichtet unter Berufung auf eine Quelle in der Provinz von der Hinrichtung. Der Exekutierte sei gemäß dem Ende letzten Jahres eingeführten ,,anti-reaktionären Gedankengesetz" angeordnet worden, nachdem der Mann zuvor als ,,antisozialistisches Element" zum Tode verurteilt worden sei.

Der Mann, der den Nachnamen Lee getragen haben soll, soll als leitender Ingenieur bei der Wonsan Farming Management Commission gearbeitet haben. Er sei von der Tochter des Leiters seiner Volkseinheit (Inminban) beim heimlichen Verkauf der Speichermedien erwischt worden, worauf ihn jene gemeldet habe. Kurz darauf Sei Lee verhaftet worden.

Am 25. April, ungefähr vierzig Tage nach seiner Verhaftung, sei Lee vor fünfhundert Menschen öffentlich hingerichtet worden, darunter Beamte der Stadt Wonsan und ihre Familien, sowie Lehrende und Studierende. Lees engster Familienkreis sei gezwungen worden, bei der Hinrichtung in der ersten Reihe zu stehen. Ein Erschießungskommando habe Lee schließlich vor rund 500 Menschen exekutiert.

Die DailyNK, die bevorzugt Exil-nordkoreanische Angestellte beschäftigt, gibt an, das offizielle Urteil vorliegen zu haben. Darin heißt es laut Angaben der Nachrichtenseite: ,,Dies war die erste Hinrichtung in der Provinz Gangwon wegen antisozialistischer Handlungen nach dem antireaktionären Gedankengesetz." Weiter heißt es, dass ein ähnliches Vergehen in der Vergangenheit das Arbeits- oder Umerziehungslager zur Folge gehabt hätte.

Es sei jedoch ,,ein schwerer Fehler", für ,,antisozialistische Handlungen" – wie es heißt – ,,leichte Strafen" zu verteilen: ,,Solch ein reaktionäres Verhalten hilft Menschen, die versuchen, unseren Sozialismus zu zerstören. Reaktionäre sollten in unserer Gesellschaft nicht ohne Angst leben dürfen." Nachdem die örtlichen Behörden das Urteil verlesen hätten, seien zwölf Schüsse ertönt. Anschließend sei Lees lebloser Körper ,,in einen Strohsack gerollt und in eine Kiste geladen und dann irgendwohin gebracht" worden.

Die Quelle der DailyNK berichtet weiter: ,,Die Nachbarn der Familie brachen in Tränen aus, als sie sahen, wie vier Sicherheitsleute Lees zusammengebrochene Frau aufhoben und sie wie ein Gepäckstück in einen Transporter warfen." Weiter heißt es: ,,Sie waren gezwungen, ihre Lippen zusammenzupressen und in sich hinein zu weinen. Dies gebot ihnen die Angst davor, sich selbst aufgrund ihres Mitgefühls für einen Reaktionär zu Kriminellen zu machen."

Die Quelle führt aus, dass es in Nordkorea unter Kim Jong-un inzwischen reiche, sich ein Video aus Südkorea anzusehen, um zu lebenslanger Haft oder dem Tode verurteilt zu werden. Außerdem drohten Haftstrafen von bis zu sieben Jahren, wenn ,,antisozialistisches" Verhalten nicht gemeldet werde: ,,Die gesamte Bevölkerung zittert vor Angst." Zuletzt war bekannt geworden, dass Nordkorea Waisenkinder als ,,Freiwillige" auf Großbaustellen und in Minen als De-facto-Arbeitssklaven einsetzt. (Mirko Schmid)


Aus: "Nordkorea: Mann vor den Augen seiner Familie hingerichtet" Mirko Schmid (30.05.2021)
Quelle: https://www.fr.de/politik/nordkorea-mann-hingerichtet-kim-jong-un-antisozialistische-handlung-90781356.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Sein Vorgänger trat gleich in mehrere Fettnäpfchen und ließ die Queen sogar warten. Nun kann US-Präsident Joe Biden zeigen, ob er die Hof-Etikette besser beherrscht als Donald Trump: Nach den Beratungen beim G7-Gipfel im englischen Cornwall ist Biden mit First Lady Jill am Sonntag bei der britischen Königin Elizabeth II. auf Schloss Windsor eingeladen. Eins steht jetzt schon fest: Bei dem Treffen wird sehr genau beäugt werden, ob und welche Fauxpas sich die Bidens leisten. Das höfische Protokoll sieht ein paar klare Regeln vor: [ ] Sobald der wohl mächtigste Regierungschef der Welt auf die Queen trifft, geht es schon los. Als Mann hat sich Biden vor der Queen zu verbeugen. Ein tiefer Diener muss aber nicht sein, ein Senken des Kopfes genügt. Von Jill Biden hingegen wird ein leichter Knicks erwartet. ... Der Queen zur Begrüßung die Hand schütteln oder sie gar herzlich umarmen, wäre ein No-Go. Sie darf nicht berührt werden. Die frühere First Lady Michelle Obama leistete sich hier im April 2009 mal einen Fehltritt, weil sie der deutlich kleineren Königin die Hand auf die Schulter legte. ...


Aus: "Die Bidens bei der Queen : Wo die peinlichen Fehltritte lauern" (12.06.2021)
Quelle: https://www.spiegel.de/panorama/leute/joe-biden-bei-queen-elizabeth-ii-wo-die-fettnaepfchen-stehen-a-94eed3b1-f8a4-4913-b92b-dc537c6e86a8

QuoteListkaefer

Befremdlich. Wir befinden uns im 21.Jahrhundert. ...


QuoteOlivia_q

Die Obsession mit Hofetiquette ist peinlich, nicht etwaige ,,Fehler". ...


QuoteChristian

Wir sollen alle noch "Ehrfurcht" haben vor dem ganzen Zirkus, der da veranstaltet wird: bei der Queen, bei den Kirchenleuten, ... Tolles 21. Jh.!


QuoteTEW

Royaler und klerikaler Mummenschanz. Vor dem braucht man als demokratischer Bürger des 21. Jahrhunderts weder Ehrfurcht noch Respekt zu haben ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Zu dem Buch: Svenja Flaßpöhler: Sensibel. Über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren. Klett-Cotta, Stuttgart 2021.

Was Ruhe und Ordnung ist, vermag nicht einmal die Polizei zu bestimmen. Jedenfalls lassen sich die Vertreter des Ordnungsamtes, wenn sie anlässlich einer Ruhestörung zur Schlichtung hinzugezogen werden, nicht auf verbindliche Aussagen ein. Maßgeblich für die Feststellung einer Störung sei nicht, was objektiv gemessen werde. Zur Bewertung der Situation gehöre vielmehr, was von den Betroffenen als Störung empfunden werde. Zwar sind die Beamten im Moment des Aufruhrs noch immer bemüht, so etwas wie gesunden Menschenverstand walten zu lassen. Bei der Verrichtung ihrer Arbeit aber sind sie gehalten, den Empfindungen der Beteiligten größtmögliche Beachtung zu schenken. Lärm ist nicht, was alle hören, sondern was von anderen als Lärm wahrgenommen wird.

Das Beispiel zeigt, wie sehr Sensibilität in unseren Alltag und nicht selten auch in die in ihm geltenden Rechtsverhältnisse Einzug gehalten hat. Es ist also überfällig, über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren nachzudenken, wenngleich die Berliner Philosophin Svenja Flaßpöhler beim Schreiben ihres Buches mit dem adjektivischen Titel ,,Sensibel" keinen Polizeieinsatz vor Augen gehabt haben dürfte. Eher schon waren die Ordnungsimpulse einer sich rasant verbreitenden Cancel Culture Auslöser für ihre stichprobenartige Inspektion einer Geschichte der Sensibilität.

Schon bei der begrifflichen Annäherung ist die Chefredakteurin des populären Philosophie Magazins auf gemischte Gefühle gestoßen.

Zwar sagt man den Sensiblen nach, mit Empfindung begabt und aufmerksam für die sie umgebenden Verhältnisse zu sein. Genauso schnell aber waren seit jeher negative Charakterisierungen wie Überspanntheit und Weinerlichkeit zur Hand. Nervosität und Gereiztheit zeichnen das moderne Ich – nicht selten verbunden mit Zuschreibungen des Weiblichen – ebenso aus wie dessen Fähigkeit zur Registrierung feiner Unterschiede. Die Fragestellung ist also eine doppelte: Wie wichtig ist Sensibilität im Kampf um Anerkennung benachteiligter Gruppen? Und kippt sie ins Regressive, wenn sie normativ eingefordert wird?

Flaßpöhler holt kulturhistorisch weit aus, um die mitunter gegenläufigen Phänomene einer Hypersensibilisierung verstehen zu helfen. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang einmal mehr Norbert Elias' Studie ,,Der Prozess der Zivilisation", in der er die Transformation von äußerer Gewalt in Affektkontrolle sowie die allmähliche Etablierung von Scham- und Peinlichkeitsgefühlen beschreibt. Sensibilität ist im besten Elias'schen Sinn eine zivilisatorische Errungenschaft.

Svenja Flaßpöhler lässt sich einiges einfallen, um nicht stereotyp in die Fallen der laufenden Debatten zu tappen. Was ihr Buch zu einer kurzweiligen Lektüre macht, ist ihr Bemühen, die philosophischen und soziologischen Klassiker nicht einfach nur über Prunkzitate aufzurufen, sondern sie vor dem Hintergrund einer akuten Polarisierung zwischen einer zunehmenden sozialen Panzerung auf der einen und der Forderung nach einer neuen Achtsamkeit auf der anderen Seite zu befragen. Ganz in diesem Sinne inszeniert sie ein unterhaltsames Streitgespräch zwischen einem sogenannten Team Nietzsche und einem Team Lévinas, in dem sie die Positionen einer individuellen Selbstermächtigung auf die einer gesteigerten Verletzlichkeit prallen lässt.

Kritisch könnte man einwenden, dass Flaßpöhler sich damit im Kanon der westlichen Theoriegeschichte bewegt und etwa afrikanische Denker wie Achille Mbembe und Anthony Appiah oder den indischen Literaturhistoriker Homie Bhabha nicht berücksichtigt. Die besondere Stärke des Buches besteht jedoch im Aufspüren theoretischer Widersprüche der ,,Wokeness". So ist die längst in der gesellschaftlichen Mitte angekommene Sensibilisierung für sprachliche Ausdrucksformen kaum zu denken ohne die Arbeiten von Jacques Derrida und Judith Butler, die dessen Theorie des Dekonstruktivismus in Bezug auf eine geschlechtergerechte Sprache radikalisiert hat.

Sprache ist immer auch politisch, doch wer meint, sich dabei auf Derrida und Butler berufen zu können, unterschlägt mutwillig deren Ablehnung einer Fixierung von Festlegungen und Regeln. So zitiert Flaßpöhler Judith Butler in Bezug auf die Tabuisierung von Wörtern und die Einschränkung öffentlicher Diskurse: ,,Immer dämpft der Versuch, Sprechen zu reglementieren, den politischen Impuls, den effektiven Widerstand des Sprechens zu nutzen." So ließe sich hinsichtlich der grassierenden semantischen Kämpfe feststellen, dass die von Derrida und Butler hervorgehobene Bedeutung des Sprachspiels kurzerhand ausgeblendet wird.

Vermittelnd setzt Svenja Flaßpöhler indes unter Berufung auf Helmut Plessners Überlegungen zum Taktgefühl auf die Fähigkeit, Nähe und Distanz in der Beziehung zur Welt gleichermaßen zur Geltung kommen zu lassen. Takt, so heißt es bei Plessner, ,,ist die Bereitschaft, auf die feinsten Vibrationen der Umwelt anzusprechen, die willige Geöffnetheit, andere zu sehen und sich selbst dabei aus dem Blickfeld auszuschalten, andere nach ihrem Maßstab und nicht nach dem eigenen zu messen."

Weil Sensibilität eine zivilisatorische Errungenschaft sei, folgert Flaßpöhler, dürfe sie nicht verabsolutiert und instrumentalisiert werden. Die zuletzt vielfach als neoliberale Abwehrhaltung geschmähte Resilienz, schreibt sie schließlich, ,,ist nicht die Feindin, sondern die Schwester der Sensibilität. Die Zukunft meistern können sie nur gemeinsam."


Aus: "Svenja Flaßpöhler: ,,Sensibel" – Nähe, Distanz und andere Zumutungen" Harry Nutt (09.11.2021)
Quelle: https://www.fr.de/kultur/literatur/svenja-flasspoehler-sensibel-naehe-distanz-und-andere-zumutungen-91105066.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die polnische Regierung will hinter den Flüchtlingsbewegungen in Belarus Aggressionen Russlands erkennen. Derweil passieren Migranten illegal die Grenze.

Update von Mittwoch, 10.11.2021, 09.15 Uhr: Zwei größere Gruppen von Migranten haben Medienberichten zufolge die Grenze von Belarus nach Polen durchbrochen. Mehreren Dutzend Migranten sei es gelungen, Zäune in der Nähe der Dörfer Krynki und Bialowieza zu zerstören und die Grenze zu passieren, berichtete die polnische Nachrichtenagentur PAP am späten Dienstagabend unter Berufung auf den örtlichen Sender Bialystok.

... Einer aktuellen Umfrage zufolge befürworten 55 Prozent der Menschen in Polen gewaltsame Pushbacks. Nur jeder Dritte ist dagegen. Die gemäßigte ,,Rzeczpospolita" wertet das Ergebnis so: ,,Migranten sind in Polen unerwünscht." Zugleich herrscht in dem katholisch geprägten Land ein starker Impuls, notleidenden Menschen zu helfen. Drei von fünf Polen äußern sich entsprechend. Wie das zusammenpasst? ,,Gar nicht", sagen Meinungsforschungsinstitute. Es handele sich um widersprüchliche emotionale Reaktionen. Immerhin in einer Frage sind sich 80 Prozent der Befragten einig: Die Regierung soll sich schnellstmöglich mit der Bitte um Hilfe an die EU wenden. (Ulrich Krökel)


Aus: "Eskalation an der Grenze zu Polen: Migranten reißen Barrieren und Zäune nieder" Ulrich Krökel (10.11.2021)
Quelle: https://www.fr.de/politik/hunde-traenengas-kriegsgeheul-91105630.html

Textaris(txt*bot)

... Obwohl seit der Ermordung des konservativen Abgeordneten Sir David Amess im Oktober die Drohungen für Abgeordnete viel Aufmerksamkeit geschenkt haben, zeigt Burkes Erfahrung, wie allgegenwärtig Morddrohungen geworden sind und wie wenig erforderlich ist, um sie zu entfachen. Sie können zum Beispiel in einer Hausarztpraxis arbeiten und mit einem Durchschneiden der Kehle gedroht werden, weil Sie nicht genügend persönliche Termine anbieten können. Patsy Stevenson, die nach dem Mord an Sarah Everard an einer Mahnwache teilnahm und festgenommen wurde, sagte, sie könne ,,die Anzahl der Morddrohungen nicht zählen", nachdem sie auf den Titelseiten von Zeitungen erschienen war. ... Die Statistiken sorgen für erschreckende Lektüre. Im vergangenen Jahr stiegen die Meldungen über Morddrohungen in England und Wales um 13%, wobei zwischen April 2020 und März 2021 42.307 Drohungen eingegangen waren, gegenüber 37.347 im Jahr zuvor. In den letzten zehn Jahren hat sich die Zahl der Bedrohungen vervierfacht, 2010/11 wurden laut der jährlichen Crime Survey nur 9.480 Bedrohungen registriert. Rückblickend gab es 1981 gerade einmal 620 Meldungen über ,,Drohung oder Verschwörung zum Mord" (die alte Bezeichnung für die Tat) und 1971 nur 102. Vor einem Jahrhundert, im Jahr 1921, waren es 16. ...

Quote[...] When Jon Burke went into local politics in 2014 he never imagined there would come a time when he considered carrying a rolling pin hidden inside his raincoat when he left the house – "just in case someone jumped out of a car at me with a wrench". But his mind turned to raiding his kitchen drawers for protection last September, after Hackney council officials called him to say they had received a handwritten letter that threatened to burn down his house while he was sleeping and hurt not just him, but his wife and children.

His crime? Trying to make Hackney a better, safer place – in his eyes – to walk or ride a bike, via the introduction of low traffic neighbourhoods. As the London borough's cabinet member for transport, Burke found himself at the centre of a row that had become part of the culture wars in which four wheels were pitted against two. The anonymous letter writer made clear they were a car driver: "You fucking cunts ride a bicycle," they observed.

The council called the police but Burke, a Labour councillor, didn't hold his breath: "We lost 265 officers from the streets of Hackney in a decade. Frankly, those left were not going to have time to dust a letter for fingerprints. I never heard from them again."

Although much of the attention has been on the threats posed to MPs since the murder of the Conservative MP Sir David Amess in October, Burke's experience shows how ubiquitous death threats have become and how little is needed to spark them. You can, for instance, work in a GP's surgery and be threatened with having your throat cut for not being able to offer enough face-to-face appointments. Patsy Stevenson, who attended a vigil after the murder of Sarah Everard and was arrested, said she couldn't "count the amount of death threats I've had" after appearing on newspaper front pages.

Even teachers are targeted. The National Association of Head Teachers (NAHT) says some of its members received death threats for teaching LGBT equality, but none would talk to the Guardian. "One head is too scarred by the experience to want to talk about it again, and the other is currently under attack so doesn't want to bring more attention on themselves or their school," an NAHT spokesperson says.

The statistics make for frightening reading. Last year, there was a 13% increase in reports of threats to kill in England and Wales, with 42,307 threats received between April 2020 and March 2021, up from 37,347 the year before. In the past decade there has been a four-fold rise, with only 9,480 threats recorded in 2010/11, according to the annual Crime Survey. Looking further back, in 1981 there were just 620 reports of "threat or conspiracy to murder" (the old name for the offence), and just 102 in 1971. A century ago, in 1921, there were 16.

Today, only a tiny proportion of cases reach court – just 1,228 in 2020, less than half of which (435) resulted in a conviction. In fact, prosecution rates have dropped over the past decade, with 1,579 cases making it to court in 2010. Most of those prosecuted made little or no attempt to hide their identities: spend any time in a magistrates court and you'll see most "threat to kill" cases involve domestic violence.

Then there are the people charged under the Communications Act 2003, for sending "grossly offensive messages by electronic communications". In 2020/21, there were a staggering 275,628 reports of malicious communications, according to the Crime Survey of England and Wales. Of these, just 1,096 reached court in 2020, down from 1,511 in 2010.

Yet Prof Neil Chakraborti, director of the Centre for Hate Studies at Leicester University, thinks even these statistics may underestimate the true scale of the problem. "In reality, the numbers are likely to be much higher because many recipients of death rates just won't report them. There's often a fear of retaliatory violence," he says. Also, victims think: "It'll be futile."

Having interviewed more than 2,000 victims of hate crime, Chakraborti puts the boom in death threats down to three things. First, social media and email have made sending a death threat extremely low effort, and immediate – you no longer have to take the trouble even to go and buy a stamp. Online communication "gives perpetrators this cloak of anonymity to be abusive and hateful, but worse than that, it gives them a sense of invincibility, too," says Chakraborti. His first death threats were a series of letters signed by "Death Incarnate" back in the early 00s, after he published research into rural racism in England.

His second explanation is the modern blame culture and the polarising culture wars playing out across all the media, which he sees as "an extension of this kind of binary, entrenched, distorted world. Blame just seems everywhere, in every context, and we can attach blame to ordinary people now."

Third, he thinks that hateful language has been normalised to such a degree that most people making death threats underestimate their power. There appear to be few consequences for those using intemperate language, whether that's the Daily Mail calling judges "enemies of the people", or a US president describing Mexican immigrants as "rapists".

As a result, he says, perpetrators don't "necessarily understand the gravity of what they're doing".

However, more recipients are speaking out against this onslaught. One of the first was the journalist and feminist campaigner Caroline Criado Perez, who in 2013 successfully campaigned to have Jane Austen on bank notes. This minor change led to hundreds of threats and two people were jailed as a result. In an interview with the Guardian she said: "I feel it's my responsibility to maintain this defiant stance of: 'Fuck you, you are not getting to me and you're not going to win.'"

Attacking strident women is not new. Emmeline Pankhurst received an anonymous postcard, which said of the suffragettes: "If you have no homes, no husbands, no children, no relations, why don't you just drown yourselves?" Yet previously, only those with the highest profiles were targeted.

Death threats certainly weren't part of everyday life for public servants. Siobhan Brennan, a GP from Marple, an affluent area of Stockport, had to call police twice recently. First, when a patient said he would wait outside for her that night and "have it out with me" about his wife's care; and then when a man phoned and threatened to cut a colleague's throat when she told him registering as a patient wasn't an instant process. Patients have also thrown masks at colleagues and threatened to spit on them, she added. "I was called a bitch on the phone for not prescribing inappropriate meds, too," she says. She hears similar horror stories from GPs across the country, with some practices looking at equipping staff with bodycams to record abuse and assaults.

Brennan, who has been a doctor for 25 years, says while most patients appreciate GPs' hard work, aggression has ramped up "massively" this year. She prides herself on her toughness but admits she's scared – "I run ultramarathons and I'm used to putting my body through hell. I don't get afraid when I'm running in the middle of the night in the Lake District, but I have had times at the surgery when I have been terrified."

She blames sections of the media, particularly newspapers that have run front pages lambasting GPs in recent months, for whipping up emotion against doctors. She also singles out the health secretary Sajid Javid's criticism of GPs for directing the public's anger towards doctors. "I shouldn't be made to feel embarrassed to say what I do for a living," says Brennan.

Doctors and teachers may be shocked to be targeted, but it is now rare to find an MP who hasn't been sent death threats. At the end of October, the deputy Labour leader Angela Rayner talked of the "terrifying" abuse she had received as a man was sentenced for telling her to "watch your back and your kids". The same week, her shadow cabinet colleague Naz Shah was breathing a sigh of relief after Sundas Alam, 30, a woman in her Bradford West constituency, pleaded guilty to sending her death threats.

This was, in fact, the third person convicted for threatening to kill Shah, who became an MP in 2015 after a bitter battle with George Galloway. Her first serious threat was unrelated to this and was intercepted by police when she had only been in parliament for a year. At this time, Shah had been campaigning for an investigation into the suspected "honour" killing of a local girl, Samia Shahid, and "a bounty was put on my head", she recalls.

The fight has been hard on her physical and mental health. She says she had a "complete breakdown" in 2019 after receiving a particularly awful email. But she insists she will not let the threats stop her doing her job: "Then they would have won", is how she sees it. But it can be hard on her children, now aged 10, 14 and 17. After the Shahid incident in 2016 she sat her eldest daughter down and said: "If anything happens to me, do not let this baton drop, keep on fighting. I expect you to march through Bradford for the rights of women to live violence-free."

Defendants, meanwhile, often claim they were only joking. In February 2020, a Conservative activist was jailed for nine weeks after sending messages claiming to have paid "crackheads" £100 to beat up the Labour MP Yvette Cooper and warning that "if you make peaceful revolution difficult you make a violent one inevitable". In mitigation, Joshua Spencer's solicitor said his client had sent the messages "in drink" and was never seriously planning an attack. After Amess's murder, a member of Cooper's team, Jade Botterill, said she quit under the strain of the threats, having once reported 100 in a week.

Even people in the public eye to entertain, rather than effect change, do not escape, however. This autumn, Morag Crichton, a 31-year-old trainee vet from Essex, appeared on the E4 reality show Married at First Sight. She had a "blind marriage" with a Welsh firefighter called Luke.

Crichton had told researchers she liked confident, muscular men. The experts thought she'd be better off with shy but thoughtful Luke, who'd had his heart broken in the past. On the show, Crichton appeared to be trying to make Luke into a totally different person, forcing him to buy new clothes costing hundreds of pounds, and saying she could only get intimate with him after drinking. The show wrapped in July and was broadcast from 30 August. The torrent of abuse was instant, says Crichton, who has been offered antidepressants and therapy to cope.

At first, she was called ugly and fake. Then it "became a lot worse where it was comments, like: 'Kill yourself. I hope you get raped. I hope you get Aids, cancer.' One of them was even like: 'I hope I die so I don't have to put up with you any more.'"

The vast majority of abuse came from other women, "mothers, daughters, sisters, grandmas", making no attempt to hide their identities. The worst was anonymous. Recently, she was on a night out and received a message saying "Come outside", which made her worry that someone was watching her.

Crichton believes she was deliberately edited to look bad – a claim denied by a spokesperson for E4, who said: "Episodes can represent several days in the lives of the couples. What we broadcast is a fair reflection of the events that unfolded."

The network said it was supporting Crichton and that "robust protocols are in place" to ensure "appropriate support is available".

Sarah Schulman is the American author behind Conflict Is Not Abuse, which explored whether a culture of victimhood had led people to overstate the harm posed to them by others. She believes "the 1%" – whether major corporations or world leaders – have set the tone for an era of intolerance and aggression, by committing "every possible violation with absolutely no consequence". This high-level lack of accountability filters down to ordinary people who feel emboldened to do or say whatever they want "because they know nothing is going to happen", she argues.

What Schulman sees as the "chaos" of the world has led to people feeling "so violated and unprotected" that they feel disproportionately threatened by people with other viewpoints. "This idea of difference is so threatening at a time when everything is polarised politically. People feel that the fact that somebody else is different means that they are in danger, because we're in a heightened state of political paranoia," she says.

Jon Burke, who is no longer a councillor, points out the internet has also radicalised new communities of "oddballs" who may have previously been isolated, but find networks and "egg each other on". Conspiracy theories spreading online don't help either: after the Everard protest, Stevenson said she was accused of being a "crisis actor" paid to attend the vigil and get arrested to legitimise attacks on the police.

Since the threats, Burke has left Hackney and works as a carbon reduction consultant for local authorities. "If you're in a situation where your wife turns around and says: 'I don't think we should go to that shop that we go to every year with the kids to get the Christmas tree in case someone spots us on the street', that is no way to live," he says.

"People need to ask themselves, if you were an 18-year-old woman doing a politics degree or getting into trade unionism on the shop floor, and you looked at what came with the territory of being a local councillor, would you put your hand up in the air and say: 'I'll do that?'"

He makes the point that it is women of colour, notably his former local MP, Diane Abbott, who often draw the most abuse. "If you are from a minority ethnic background and you had a look at the kind of abuse that Diane's been subjected to – most of which is misogynistic, or racially motivated – are you going to bother going into politics?"

Changing society and the prevailing culture won't be easy, warns Chakraborti, but social media companies must do more to deal with death threats and prove that they take them seriously. The police, too, must do "everything they can to be empathic" when a threat is reported to them.

Schulman, however, believes that ultimately the solution may lie offline in reinforcing social norms in which death threats have no place. "People need to have more in-real-life gatherings, more subcultural communities. We need more congresses and festivals and galas and discussions about what their feelings are towards each other and what their standards of behaviour should be. You can't rely on the people in power for the solutions."


From: "'There was a bounty on my head': the chilling rise of the death threat" Helen Pidd (Wed 10 Nov 2021)
Source: https://www.theguardian.com/uk-news/2021/nov/10/there-was-a-bounty-on-my-head-the-chilling-rise-of-the-death-threat


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#41
Quote[...] Die Freundlichkeit des wahren Gentleman, der natürlich ebenso ein Taxifahrer oder Hoteldirektor sein kann ... ist absichtslos und steht nicht im Dienst einer Geschäftstüchtigkeit, eines Flirts oder einer Verhandlung.

Als zwischenmenschlicher Diplomat ist er jederzeit auf Ausgewogenheit und Gerechtigkeit bedacht, er tritt niemals dominant auf, ist nicht nachtragend, spricht ungern über sich und bleibt am liebsten unauffällig, ohne dabei schüchtern zu sein. Er beherrscht die Kunst der verstellbaren Augenhöhe, auf der er sich mit jedem treffen kann. ... Eine oft zitierte Definition stammt von dem Autor John Henry Newman, nach der ein Gentleman insgesamt jemand sei "der niemals Schmerz zufügt".

... Heute aber hat der Gentleman vielleicht ein Update nötig. Es wäre fatal, wenn der Eindruck entstünde, er wäre nur noch eine Kostümrolle aus einem Schwarz-Weiß-Film. Nein, gerade in einer Zeit, in der Rüpelei und Beleidigtsein, populistische Unflat und rohe Muskelspiele wieder zu den Stilmitteln gehören, besteht dringender Bedarf an einem zivilisierten Männerbild. Denn der Gentleman ist mit seiner Haltung und seiner wohlwollenden Klarsicht auch immer Inbegriff der Kultiviertheit und Zierde seiner Zeit. Aber was würde ihn in der Gegenwart auszeichnen?

Zwei Punkte irritieren heute am klassischen Gentleman. Er ist zum einen sehr analog, zum anderen sehr heteronormativ und geschlechtsfixiert. Den Mann trägt er nun ja schon im Namen, es wäre aber angebracht, darüber nachzudenken, ob der Gentleman nicht auch eine Frauenrolle sein könnte, oder noch eher: eine UnisexLebensart. Dagegen ist nichts einzuwenden, wäre da nicht der leise Verdacht, dass viele Gentleman-Eigenschaften an Frauen ohnehin als normale Wesenszüge gelten. Das sanfte, sozial-emotionale, intelligente Wesen, dem grundsätzliche an Harmonie und Respekt gegenüber jeder Kreatur gelegen ist und das sich nicht immer in den Mittelpunkt spielen will? Klingt nach Klischee-Frau. Erst am Hetero-Manne scheint diese Ausstattung zu kontrastieren und damit bemerkenswert. Seit das andere Geschlecht nicht mehr beschützt werden muss, fällt zudem ein prominentes Aufgabengebiet weg. Zum Türaufhalten reicht ein Galan, damit ist ein Gentleman unterfordert.

... brauchbare role models wie der kanadische Premier Justin Trudeau oder der britische Schauspieler Benedict Cumberbatch machen es vor: offensives Bekennen zum Feminismus, bei gleichzeitiger Wahrung einer männlicher Note. Modern ist ein Mann, der sich seiner Maskulinität so sicher ist, dass er problemlos hinter einer Frau zurücktreten kann. Der sich, im Gegensatz zu amtierenden Alphamännchen, nicht zu ernst nimmt und dem man die Gleichberechtigung deshalb nicht abtrotzen muss, der sie vielmehr uneitel und schon aus Solidarität unter Menschen praktiziert, ohne weiteres Aufhebens darum zu machen.

Das ist aber kein Plädoyer für einen schwachen, eingeschüchterten Mann, im Gegenteil - gerade der Gentleman war immer ein brillantes Beispiel dafür, wie man auch in freundlicher Zurücknahme Würde behalten und Stärke ausstrahlen kann. Was der Dandy nur mit Putz und Dekadenz, der Snob nur mit seinem Geld und Extravaganz schafft, vermag der Gentleman schließlich ganz aus sich heraus: zu glänzen. Der Philosoph Martin Scherer schreibt in seinem Standardwerk "Der Gentleman" über ihn: "Das Weniger an Selbstdarstellung bedeutet ein mehr an Offenheit und Entspanntheit."

... der verschmitzte Portier im Grand Hotel oder Peter Ustinov im Schaufelraddampfer auf dem Nil, das sind Ansichten aus dem Gentleman-Bilderbuch. Dabei ist er in der digitalen Welt nicht nur genauso denkbar, sondern umso dringender vonnöten. Schließlich gehört angemessene Kommunikation zu seinen Talenten und die Contenance, die ihn auch angesichts ungeheuerlicher Vorgänge einen kühlen Kopf und sämtliche Manieren behalten lässt. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle und intellektuellen Gefasstheit sind gerade im Netz gefragt, wo sich unentwegt Fronten bilden und Ansichten kollidieren. Der Webvordenker und Publizist Sascha Lobo entspricht mit seinem roten Irokesenhaarschnitt vielleicht nicht dem romantischen Phänotyp des Gentlemans. Aber er hat es in der vergangenen Woche geschafft, als solcher eine Netzdiskussion zu moderieren, die sonst in üblicher Kinnhakenmanier geführt worden wäre.

Lobo gelang es auf Facebook, unter seiner Einlassung zur "Nafri"-Debatte alle Lager miteinander ins Gespräch zu bringen, Schreiern und Störern entgegenzukommen und sie einzubinden, gleichzeitig allzu selbstgefällige Seilschaften zu lockern. Seine Waffe der Wahl war eine freundliche und respektvolle Sprache, die jeden einfing. Ein enormer Aufwand, der eines zeigte: Das Netz müsste nicht ein Jahrmarkt der niederen Instinkte sein, gäbe es nur genug Engagement für Kultiviertheit und gelassenen Umgang miteinander.

Ein weiteres Talent macht den Gentleman in der neuen Welt erst recht überlebensfähig: Ironie. Der Philosoph Martin Scherer erkennt sie als eines seiner wichtigsten Merkmale und notiert dazu: "Ironie entsteht aus der Überzeugung, dass es nichts ist mit der einen Wahrheit und gestanzten Lebensnorm für alle. (...) Wenn der Zynismus eine Attitüde der Macht ist, dann ist die Ironie ein Signal der Humanität. Jeder Gentleman zuckt zusammen bei Kaltblütigkeit, aggressiven Parolen oder schneidigen Thesen mit Absolutheitsanspruch."

... Ironie bedeutet auch immer Zulassenkönnen und ist damit eben kein Dogma. Der Gentleman ist deswegen auch nicht jener von Parolen verunstaltete "Gutmensch", dem in seiner ewigen Mildheit angeblich das praktische Maß fehlt. Nein, gerade eine gewisse moralische Großzügigkeit, das Wissen um die ewige Unperfektheit aller Pläne und Systeme und eine kleine Neigung zum Ungehorsam im richtigen Moment - das ist die unwiderstehliche Ironie des Gentleman.

Diese gelassene Distanz zum Weltirrsinn entsteht übrigens wie seit jeher durch Reisen, durch Flanieren, Studieren und waches und geneigtes Beobachten der Umwelt. Vielleicht ist das die wichtigste Eigenschaft des modernen Gentleman: eine echte Weltgewandtheit. Eine, die sich aus der neuen digitalen und alten analogen Welt gleichermaßen speist und ihn in die Lage versetzt, seine Entscheidungen auf Grundlage des eigenen Wissens und einer gereiften Erfahrung zu treffen. Und damit nicht auf eine postfaktische Wirklichkeit vertrauen zu müssen, in der ein Rüpel umstandslos zum Gentleman verklärt wird.



Aus: "Die Rückkehr des Gentleman" Max Scharnigg (11. Januar 2017)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/stil/hoeflichkeit-kuess-die-hand-die-rueckkehr-des-gentleman-1.3318162-0

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Quote[...] NEW YORK taz | In jedem Unternehmen der USA würde ein Beschäftigter, der per Video auf seinem Twitter-Account eine Kollegin umbringt und den Chef bedroht, fristlos entlassen. Nicht so im US-Kongress. Die Republikanische Partei ließ ihren Abgeordneten aus Arizona, Paul Gosar, gewähren, als er einen Trickfilm veröffentlichte, in dem er der linken Demokratin Alexandria Ocasio-Cortez, den Rücken aufschlitzt und den US-Präsidenten Joe Biden mit zwei Schwertern bedroht. Erst nachdem Hunderttausende Gosars Gewaltphantasien gesehen hatten, löschte er sie am Mittwoch von seinem Twitter-Konto.

,,Gibt es hier Comic-Fans?", hatte Gosar scheinheilig gefragt, als er sein japanischen Mangas nachempfundenes 90-Sekunden-Video am Montag sowohl auf seinem privaten als auch seinem politischen Twitter-Konto veröffentlichte. Es mischt Aufnahmen von Flüchtlingen, die durch den Rio Grande waten, während Worte wie ,,Verbrechen", ,,Drogen", ,,Mord" und ,,Banden" sowie Blutflecken, ins Bild eingeblendet werden, mit Fantasiefiguren, die Gesichter von Kongressabgeordneten haben. Gosar selbst ist der Super-Held in diesem Video. Nachdem er Ocasio-Cortez getötet hat, richtet er seine Waffen gegen Joe Biden.

Twitter warnte, dass das Video seine Regel der Gewaltfreiheit verletze. Das Unternehmen ließ es jedoch auf seiner Seite stehen und begründete das mit dem ,,öffentlichen Interesse". Als immer mehr demokratische Abgeordnete eine Ethik-Untersuchung über Gosar und dessen Ausschluss aus dem Kongress verlangten, verlautete aus dem Büro des Republikaners: ,,Dies ist ein Comic. Entspannt Euch alle". Der republikanische Fraktionschef im Repräsentantenhaus, Kevin McCarthy, und andere führende Republikaner sagten nichts zu dem Vorgang.

Ocasio-Cortez, die schon mehrfach von RepublikanerInnen verbal attackiert worden ist – unter anderem nannte sie der Abgeordneter Ted Yoho aus Florida auf einer Treppe des Kongress eine ,,Scheißschlampe" – war unterwegs zur Klimakonferenz in Glasgow, als das Video erschien. Sie reagierte auf Twitter mit den Worten: ,,Ein gruseliger Kollege, mit dem ich zusammenarbeite, und der Geld für Neonazi-Gruppen sammelt, hat ein Fantasievideo geteilt, in dem er mich tötet."

Später fügte die New Yorker Abgeordnete, deren Vorfahren aus Puerto Rico stammen, hinzu: ,,Die weiße Vorherrschaft ist etwas für extrem zerbrechliche Menschen und traurige Männer wie ihn, deren Selbstverständnis auf dem Mythos beruht, dass sie von Geburt an überlegen sind, weil sie tief in ihrem Inneren wissen, dass sie nicht einmal ein Gurkenglas öffnen oder ein ganzes Buch lesen können." Die afroamerikanische Abgeordnete der Demokraten, Cori Bush, fügte hinzu, dass ,,weiße Rassisten" die Grenzen täglich weiter verschieben: ,,Sie wollen sehen, wie weit sie ohne Konsequenzen gehen können."

Zumindest eine parlamentarische Rüge droht Gosar jetzt. Zehn demokratische Mitglieder des Repräsentantenhauses kündigten die Vorlage einer Resolution an, die sein Verhalten Gosars verurteilt. Sein Twitter-Post ,,überschreite die Grenze des Erlaubten", hieß es in einer Erklärung vom Mittwoch, die unter Federführung der Co-Vorsitzenden der Frauenorganisation der Fraktion der Demokraten verfasst wurde. Dies sei ein ,,klarer Fall für eine Rüge". Wie die Erstürmung des Kapitols am 6. Januar gezeigt habe, könnten böse und vulgäre Botschaften echte Gewalt schüren.

Gosar gehört zu einer Gruppe von mindestens sieben Trump-Getreuen im Repräsentantenhaus, die an den Vorbereitungen des Sturms auf den US-Kongress an den Vorbereitungen für den 6. Januar beteiligt gewesen sein sollen. Das haben mehrere Kongress-Stürmer in Interviews mit dem Magazin Rolling Stone erklärt. Die Abgeordneten Matt Gaetz aus Florida und Lauren Boebert aus Colorado, die ebenfalls zu der Gruppe der Trump-Getreuen gehören, haben darüber gewitzelt, die Metalldetektoren am Kongresseingang zu sprengen, um ihre Waffen ins Repräsentantenhaus bringen zu können.

Die Verrohung trifft auch Abgeordnete aus den Republikanischen Reihen. In diesen Tagen bekommt das Fred Upton aus Michigan zu spüren. Er ist einer der 13 Republikaner im Repräsentantenhaus, die in der vergangenen Woche für das Infrastrukturgesetz gestimmt haben. Upton erhält Todesdrohungen, seit seine Parteikollegin, die Abgeordnete Marjorie Taylor Greene aus Georgia, die Telefonnummern der Republikaner, die ,,Bidens kommunistische Machtergreifung" unterstützt haben, in sozialen Medien veröffentlicht hat. Bei einem TV-Interview spielte er eine ab, in der ein Anrufer ihn ,,Verräter" und ein ,,Stück Scheiße" nennt und ihm und seiner Familie den Tod wünscht.


Aus: "Den Rücken aufschlitzen" Dorothea Hahn, US-Korrespondentin (11. 11. 2021)
Quelle: https://taz.de/Mordfantasien-von-US-Republikanern/!5814877/

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Quote[...] Uwe Wittstocks ,,Februar 33" ist ein erschütterndes Doku-Drama über die letzten Tage der Weimarer Demokratie, das allerdings Fragen zur Darstellung von Geschichte aufwirft [Uwe Wittstock: Februar 1933. Der Winter der Literatur. C.H. Beck, München 2021. 288 S.]

... Ein Spuk, das Scheitern absehbar, da ist sich Heinrich Mann sicher, und er wiederholt es gerne: Hitler ein Spuk. Will er sich das einreden? Der Schriftsteller gibt dem NS-Regime im Februar 1933 allenfalls ein halbes Jahr. Nicht anders Wilhelm Abegg, davon überzeugt, dass Hitler wie ein Dompteur in einem Käfig sitze, ausgesetzt hungrigen Löwen, die ihn zerfleischen werden. Ähnlich wie der Liberale Abegg, der als Staatssekretär und Verteidiger der Weimarer Republik die Polizei zu einer eigentlich gewappneten Institution ausgebaut hat, möchte auch derjenige Politiker wetten, der Hitler zur Kanzlerschaft verholfen hat, der Rechtskonservative Franz von Papen: ,,Was wollen Sie denn? In zwei Monaten haben wir Hitler in die Ecke gedrückt, dass es quietscht."

Wieder einmal erschreckend, woran ein Buch über 1933 erinnert, diesmal Uwe Wittstocks ,,Februar 33. Der Winter der Literatur" – wobei der Autor auf die letzten Januartage und bis Mitte März ausgreift. Obwohl der Wahlerfolg der Nazis absehbar war, fühlten sich die Verteidiger der Weimarer Republik am 5. März wie vor den Kopf gestoßen: 43,9 Prozent für die Nazis. Zur Mehrheit verhalfen die Deutschnationalen mit acht Prozent. Trotz des gezielten Terrors gegen die Opposition, wofür Wittstock unzählige Belege aus den Zeitungen jener Tage liefert, holte die SPD 18,3 Prozent heraus, die KPD 12,3 Prozent.

Am 5. März waren Tausende Nazigegner, Nazigegnerinnen in SA-Folterkeller und erste Konzentrationslager verschleppt. Vier Tage vor den Wahlen, am 1. März, dröhnte der kommissarische Nazi-Minister Hermann Göring: ,,Meine Maßnahmen werden nicht angekränkelt sein durch irgendwelche juristischen Bedenken. Hier habe ich keine Gerechtigkeit zu üben, hier habe ich nur zu vernichten und auszurotten, weiter nichts!"

Kein Spuk. So undurchsichtig die Ursachen des Reichstagsbrandes, es war mehr als ein propagandistisches Ausschlachten, als Hitler noch in der Nacht des 27. Februar ankündigte: ,,Die kommunistischen Abgeordneten müssen noch in dieser Nacht aufgehängt werden. Auch gegen Sozialdemokraten und Reichsbanner gibt es jetzt keine Schonung mehr." Wer ein Antinazi war, wusste sich in Lebensgefahr, tauchte unter, verbrachte die Nächte in Todesangst. Der Schriftsteller Walter Mehring machte, als er auf der Straße Schergen noch rechtzeitig erkannte, auf dem Absatz kehrt, um sich ,,in den nächsten Zug Richtung Grenze" zu setzen, mit nicht einmal einem Koffer.

Ein Joseph Roth wird in Paris in bitterer Armut umkommen, eine Else Lasker-Schüler sich in ein Zimmer zur Untermiete in Jerusalem retten. Ein Erich-Maria Remarque hat so weit Glück, dass ihm sein pazifistischer Romanerfolg ,,Im Westen nichts Neues" und dessen Verfilmung ein finanziell sorgenfreies Leben in Hollywood eröffnen werden. Unzählige weitere Schicksale.

Wahrscheinlich wegen der Konzentration auf den Februar und März 1933 bleiben die Exilschicksale eines Walter Benjamin, eines Ernst Bloch oder Ernst Cassirer unerwähnt, überhaupt die Auswanderung der Philosophie aus Deutschland. Marginal erwähnt ein Kurt Tucholsky, der bereits ins Exil gegangen war; ungenannt bleibt ein Siegfried Kracauer, der unmittelbar nach dem Reichstagsbrand flüchtet.

Zu Beginn des Buches Unruhe nicht wegen politischer Schlagzeilen, sondern Lampenfieber vor einem Auftritt auf dem Presseball, möglichst chic. Zwei Tage später, am 30. Januar, krähen die Zeitungsjungen: ,,Adolf Hitler Reichskanzler!" Wer auf einen Spuk gehofft hat, irrt gewaltig, auch Heinrich Mann, der ins Exil hat fliehen müssen. Wie Albig, der zusehen muss, wie die Polizei Preußens als Institution versagt. Wie der Reaktionär Papen, der gemeinsam mit dem Reichspräsidenten, Paul von Hindenburg, die Macht an Hitler überträgt. Die Machtübergabe am 30. Januar zwischen 11 Uhr und kurz vor 12 ist eine Farce.

Der Pazifist, Linke und Chefredakteur der ,,Weltbühne", Carl von Ossietzky, dem vollkommen bewusst ist, dass er zu den ersten Opfern zählen wird, lässt sich einfach nicht umstimmen, er bleibt. Die Reaktionen unter den von den Nazis seit Jahren verhöhnten, verleumdeten ,,Asphaltliteraten" sind unterschiedlich. Bestürzung, hyperschlaue Ignoranz, hochpolitischer Durchblick, raffinierte Reaktionen, kleinkarierte, klägliche. Das anthropologische Spektrum ist stets größer als jedes politische. Selbstgefälliger Antifaschismus wäre es, man läse das Buch, heute, nicht im Bewusstsein der Gnade der späten Geburt. Versnobt wäre es, wenn man das ausschließlich als den Niedergang einer literarischen Epoche verstünde.

... Zu Recht heißt es bei Wittstock, dass es ,,vermutlich zur Natur eines Zivilisationsbruchs" gehöre, ,,schwer vorstellbar zu sein". Was heißt das für ein Urteil über die Klarsichtigen, die keinen Zivilisationsbruch voraussahen, wie auch?

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Aus: "Uwe Wittstock ,,Februar 33": Wunschdenken in Erwartung der Hinrichtung" (14.12.2021)
Quelle: https://www.fr.de/kultur/literatur/uwe-wittstock-februar-33-wunschdenken-in-erwartung-der-hinrichtung-91178564.html

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Quote[...] Einsatzkräfte sollen ohne Vorwarnung auf Demonstranten schießen, befiehlt Kasachstans Staatschef Tokajew. Verhandlungen mit seinen Gegnern lehnt er als "Dummheit" ab.

... Der erteilte Schussbefehl des Präsidenten trifft bei der Bundesregierung auf deutliche Kritik. "Wer ohne Vorwarnung auf Demonstranten schießen lässt, um zu töten, hat den Kreis zivilisierter Staaten verlassen", twitterte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) .

...


Aus: "Präsident Tokajew erteilt Schießbefehl gegen Demonstranten" (7. Januar 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2022-01/kasachstan-tote-unruhen-kassym-schomart-tokajew

Kazakhstan's Protests: How Fuel Prices Destroyed a Government - TLDR News (06.01.2022)
On January 1st the people of Western Kazakhstan woke up to find that the price of fuel had skyrocketed, increasing the price of... well essentially everything. This proved to be a tipping point, with protests starting about increasing costs as well as just the government more generally. So in this video we explain the protests, why the fuel rise happened and what happens now the government's collapsed.
https://youtu.be/Wi_q6xC8kdo

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Quote[...] Kinder dürfen in Wales nicht mehr von ihren Eltern oder Erziehungsberechtigten geschlagen werden. Seit Montag ist jede Form der körperlichen Züchtigung gesetzlich verboten. Dies gilt auch für Kinder, die in dem britischen Landesteil zu Besuch sind. "Im modernen Wales ist kein Platz mehr für körperliche Bestrafung", sagte Regierungschef Mark Drakeford. Mit dem neuen Gesetz gebe es keine Grauzone mehr.

Bisher war es in Wales zwar bereits ungesetzlich, ein Kind körperlich zu bestrafen. Aber Schläge oder ähnliche Gewalt waren zulässig, wenn sie eine "angemessene Strafe" darstellten. Vorfälle wurden darauf überprüft, wie alt das Kind ist, ob die Züchtigung äußere Folgen hinterließ und ob ein Hilfsmittel wie ein Rohrstock oder Gürtel genutzt wurde. In England und Nordirland ist dies nach wie vor die Rechtslage, in Schottland hingegen wurde jede körperliche Züchtigung 2020 abgeschafft.

Die Kinderschutzorganisation NSPCC begrüßte die walisische Änderung. "Bisher waren Kinder die einzige gesellschaftliche Gruppe, die unter bestimmten Umständen geschlagen werden durfte", sagte NSPCC-Vertreterin Viv Laing. "Wir erlauben keine körperliche Bestrafung von Erwachsenen oder Tieren, daher ist es absurd, dass wir sie so lange bei Kindern genehmigt haben."

Von den 47 Europaratsländern haben 30 jede Form körperlicher Strafen für Kinder – sei es in der Schule oder zu Hause – verboten. Vorreiter war Schweden, das Eltern bereits 1979 untersagte, ihre Kinder zu züchtigen. Diesem Beispiel folgten im Lauf der Jahre Staaten in allen Teilen Europas, zuletzt Litauen (2017) und Frankreich (2018). Österreich erließ 1989 ein vollständiges Verbot von Prügelstrafen für Kinder, Deutschland im Jahr 2000. (APA, red, 21.3.2022)


Aus: "Wales verbietet körperliche Züchtigung von Kindern" (21. März 2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000134270958/wales-verbietet-koerperliche-zuechtigung-von-kindern

Quote
i brauch kan spruch

Wow, wie fortschrittlich, bereits im Jahr 2022 entsagt man ansatzweise der schwarzen Pädagogik - I'm impressed!


Schwarze Pädagogik
... 2016 haben auch Michael Milburn und Sheree Conrad kritisiert, dass Miller in ihren Analysen so vorgehe, als finde Erziehung in einem Vakuum statt, ohne historischen Kontext: ,,Wie wir unsere Kinder behandeln, spiegelt wider, wer wir sind und was wir als Gesellschaft glauben. Unsere sozialen und politischen Einstellungen, unsere Institutionen und unsere Erziehungspraktiken bringen die nächste Generation von Bürgern hervor, die durch ihre gesellschaftlichen Institutionen und durch ihr politisches Verhalten wiederum die Welt erzeugen, in der ihre Kinder leben werden." ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Schwarze_P%C3%A4dagogik

...


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Quote[...] Die renommierte US-Universität Harvard will einen Fonds mit 100 Millionen Dollar (94 Millionen Euro) zur Wiedergutmachung ihrer Rolle bei der Sklaverei einrichten. Der Fonds solle dazu beitragen, entstandene Schäden durch Sklavenhandel und Rassismus zu mildern, teilte die Hochschule mit und räumte in einem Bericht eine Mitschuld an der Aufrechterhaltung der Sklaverei in den USA ein.

"Harvard profitierte von Praktiken, die zutiefst unmoralisch waren, und hielt sie in gewisser Weise aufrecht", schrieb Universitätspräsident Lawrence Bacow in einem Brief an Studierende und Mitarbeiter. "Folglich glaube ich, dass wir eine moralische Verantwortung tragen, alles zu tun, um die anhaltenden zersetzenden Auswirkungen dieser historischen Praktiken auf Einzelpersonen, auf Harvard und auf unsere Gesellschaft zu bekämpfen."

Harvard wurde 1636 in Cambridge im US-Bundesstaat Massachusetts gegründet. Dem Bericht zufolge versklavten Harvard-Mitarbeiter, darunter vier Unipräsidenten, mehr als 70 Schwarze und Indigene, bis die Sklaverei 1783 in dem Bundesstaat verboten wurde.

Dem Bericht zufolge profitierte die Universität auch "von umfangreichen finanziellen Verbindungen zur Sklaverei", einschließlich Spenden von Sklavenhändlern.

Von Mitte des 19. bis weit ins 20. Jahrhundert förderten Harvard-Präsidenten und prominente Professoren zudem die Rassenkunde und Eugenik. Sie "führten missbräuchliche 'Forschungen' durch, einschließlich des Fotografierens von versklavten und unterworfenen Menschen".

Der hundertseitige Bericht enthält mehrere Empfehlungen für die Verwendung der Gelder, etwa die Verbesserung der Bildungsmöglichkeiten für die Nachfahren von Sklaven, Gedenkstätten für versklavte Menschen und Forschung. Außerdem empfahlen die Autoren Partnerschaften mit schwarzen Hochschulen.
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Aus: "Harvard zahlt 100 Millionen Dollar für Wiedergutmachung von Sklaverei" (27. April 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/2022-04/harvard-sklaverei-fonds

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Quote[...] Die Zahl der weltweit dokumentierten Hinrichtungen ist im Jahr 2021 um rund 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen - ein Grund dafür sind auch Lockerungen von Corona-Beschränkungen. Nach den am Dienstag veröffentlichten Jahreszahlen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International wurde die Todesstrafe in 18 Ländern mindestens 579 Mal vollstreckt.

Der Anstieg war demnach in erster Linie auf den Iran zurückzuführen. Dort stieg die Zahl der Hinrichtungen von mindestens 246 im Jahr 2020 auf mindestens 314 im Jahr 2021 - ein Anstieg von 28 Prozent. Die Zahl der erfassten Todesurteile wuchs im Vergleich zum Vorjahr sogar um fast 40 Prozent auf mindestens 2052 in 56 Ländern.

Die Länder mit den höchsten bekannt gewordenen Hinrichtungszahlen sind nach Amnesty-Angaben China, Iran, Ägypten, Saudi-Arabien und Syrien. In der Statistik sind Tausende von Todesurteilen nicht berücksichtigt, von denen Amnesty International annimmt, dass sie in China verhängt und vollstreckt wurden. China blieb demnach das Land, in dem weltweit die meisten Hinrichtungen stattgefunden haben. Sowohl die Geheimhaltung in Nordkorea und Vietnam als auch der beschränkte Zugang zu Informationen in anderen Ländern hätten eine vollständige Beurteilung der globalen Entwicklung weiterhin behindert.

Unter den 579 Personen, von denen bekannt ist, dass sie 2021 hingerichtet wurden, waren 24 Frauen (4 Prozent) - 8 in Ägypten, 14 im Iran und je eine Frau in Saudi-Arabien und den USA.

Der Generalsekretär von Amnesty International Deutschland, Markus Beeko, kritisierte, für den Anstieg der Zahl von Hinrichtungen sei weiterhin die kleine Gruppe unbelehrbarer Staaten verantwortlich, ,,die an diesen grausamen und unmenschlichen Tötungen festhält, unter anderem Iran und Saudi-Arabien, die staatliche Exekutionen im letzten Jahr stark ausgeweitet haben". Auch in den ersten Monaten des Jahres 2022 habe sich dieser Trend fortgesetzt. So habe Saudi-Arabien im März an einem einzigen Tag 81 Menschen hinrichten lassen.

Die Zahl der Hinrichtungen im Iran war die höchste nach 2017. 132 Menschen wurden wegen Drogendelikten hingerichtet - das entspricht 42 Prozent der Exekutionen und einem Anstieg auf das beinahe Fünffache im Vergleich zu den 23 Exekutionen, die es 2020 aus diesem Grund gegeben hatte, schreibt Amnesty. In Iran sei die Todesstrafe zudem unverhältnismäßig häufig gegen Angehörige ethnischer Minderheiten wegen vager Anklagen wie ,,Feindschaft zu Gott" und als Mittel zur politischen Unterdrückung eingesetzt worden, schreibt Amnesty.

Als ein Grund für die signifikant höheren Zahlen von Hinrichtungen in einigen Ländern wird von Amnesty genannt, dass Einschränkungen wegen der Covid 19-Pandemie vollständig oder teilweise aufgehoben wurden und alternative Abläufe eingeführt worden seien. Zu diesen Ländern zählten Bangladesch, Indien und Pakistan. Aus Singapur sei dagegen zum zweiten Mal in Folge ein hinrichtungsfreies Jahr gemeldet worden.

Trotz Rückschlägen zeigten positive Entwicklungen, dass der Trend nach wie vor in Richtung Abschaffung der Strafe gehe, berichtet Amnesty International. Obwohl die Zahl der Hinrichtungen insgesamt anstieg, sei die globale Gesamtzahl auf einem historisch betrachtet niedrigen Niveau geblieben.

Weitere Erkenntnisse aus dem Bericht:

    Aus Indien, Katar und Taiwan - alles Länder, die im Vorjahr noch Menschen hingerichtet hatten, seien keine Exekutionen bekannt. Nach einer mehrjährigen Unterbrechung hätten dagegen drei Länder die Hinrichtungen wieder aufgenommen: In Belarus und Japan gab es die ersten Hinrichtungen seit 2019, in den Vereinigten Arabischen Emiraten die ersten seit 2017.

    In den USA wurden in Mississippi und Oklahoma zum ersten Mal seit 2012 beziehungsweise 2015 wieder Menschen exekutiert. Die US-Regierung hatte im Juli ein vorübergehendes Moratorium für Hinrichtungen auf Bundesebene verhängt. 2021 markierte die niedrigste Hinrichtungszahl in den USA seit 1988.

    Deutliche Anstiege der Zahl der Hinrichtungen seien in Somalia (von mindestens 11 im Jahr 2020 auf mindestens 21 im Jahr 2021), in Südsudan (von mindestens zwei im Jahr 2020 auf mindestens neun im Jahr 2021) und in Jemen (von mindestens fünf im Jahr 2020 auf mindestens 14 im Jahr 2021) verzeichnet worden, schreibt Amnesty.

    Einen Rückgang der Zahl der Hinrichtungen um 22 Prozent (mindestens 83) beobachtete Amnesty International in Ägypten. Noch 2020 hatte sich in dem Land die Zahl der Exekutionen auf mindestens 107 verdreifacht. Zugleich schreibt Amnesty, die Todesstrafe sei in Ägypten 2021 weiterhin extensiv angewendet worden. Dies sei auch auf der Basis von durch Folter erpressten Aussagen sowie durch Massenhinrichtungen geschehen. Ägypten gehörte im vergangenen Jahr zu den zehn Hauptempfängerländern deutscher Rüstungsexporte.

    Im Irak ging die Zahl um 62 Prozent zurück, von mindestens 45 im Jahr 2020 auf mindestens 17 im Jahr 2021. In den USA sank die Zahl um 35 Prozent, sie betrug 17 im Jahr 2020 und 11 im Jahr 2021.

    In Saudi-Arabien hat sich die Zahl der bekannt gewordenen Hinrichtungen nach Angaben der Organisation von 27 auf 65 mehr als verdoppelt. Syrien exekutierte bei einer Massenhinrichtung im Oktober 2021 24 Menschen. Damit rückte der Staat an die fünfte Stelle weltweit, was die Hinrichtungszahl im Land anging.

    Einen alarmierenden Anstieg bei der Anwendung der Todesstrafe unter Kriegsrecht verzeichnet Amnesty in Myanmar. Fast 90 Menschen seien willkürlich zum Tode verurteilt worden, mehrere in Abwesenheit. Dies werde allgemein als Maßnahme gegen politische Gegner und Protestierende angesehen.

Wie Amnesty erläuterte, hatten Ende des Jahres 2021 insgesamt 108 Länder die Todesstrafe im Gesetz für alle Verbrechen abgeschafft. In mehr als zwei Drittel aller Staaten ist die Todesstrafe gesetzlich oder in der Praxis außer Vollzug gesetzt. 55 Staaten hielten weiterhin an Tötungen als Strafen fest. Die Hinrichtungsmethoden 2021 waren laut Bericht Enthauptung, Erhängen, Giftinjektion und Erschießen. (dpa, KNA)


Aus: "Zahl der Hinrichtungen weltweit steigt um rund ein Fünftel" (24.05.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/mehr-exekutionen-vor-allem-im-iran-zahl-der-hinrichtungen-weltweit-steigt-um-rund-ein-fuenftel/28369772.html

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Quote[...] Erzwingung des spurlosen Verschwindens von Menschen, auch Verschwindenmachen, Verschwindenlassen oder Erzwungenes Verschwinden genannt (span. desaparición forzada, engl. forced disappearance), ist eine Form der staatlichen Willkür, bei der staatliche oder quasi-staatliche Organe Menschen in ihre Gewalt bringen und dem Schutz des Gesetzes längere Zeit entziehen, wobei dies gleichzeitig gegenüber der Öffentlichkeit geleugnet wird. Das Verschwindenlassen wird als Mittel der staatlichen Unterdrückung in der Regel gegen politische Gegner, vermeintliche Straftäter bzw. auch nur der herrschenden Gruppierung missfallende Personen angewendet. Es ist im Völkerrecht als Verbrechen gegen die Menschlichkeit sanktioniert und gilt als eine der schwerwiegendsten Menschenrechtsverletzungen.

... In Lateinamerika wurden in den 1970er- und 1980er-Jahren fast alle Länder längere Zeit von rechtsgerichteten, oft von den USA politisch unterstützten Militärdiktaturen regiert. Diese unterdrückten fast durchweg mit Gewalt die meist links stehende Opposition in so genannten Schmutzigen Kriegen. Ein verbreitetes Mittel dazu war das heimliche Verschwindenlassen von missliebigen Personen durch anonym bleibende Mitglieder von Sicherheitskräften.

...


Aus: "Verschwindenlassen" (30. Juli 2022)
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Verschwindenlassen

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Quote[...] Jedes Jahr verschwinden auf der Welt zahlreiche Menschen durch kriminelle Banden und korrupte Polizei. Hinterbliebenen bleiben oft nur Angst, Trauer und Unverständnis.

... Mal werden die Menschen von der Straße weg entführt oder während einer Demonstration, mal werden sie von zu Hause verschleppt oder an ihrem Arbeitsplatz festgenommen. Was danach mit ihnen passiert, kann nur erahnt werden. Vielleicht werden sie misshandelt, gefoltert, vielleicht verhört, zu Tode gequält, umgebracht und irgendwo im Nirgends "entsorgt", in Säure aufgelöst, ins Meer oder Seen versenkt, in abgelegenen Flächen verscharrt, vergraben. Keine Angaben über ihren Verbleib.

... Gewaltsames Verschwindenlassen von Personen – la desaparición forzada – war eine gängige Praxis der lateinamerikanischen Militärdiktaturen. Mit dieser Praxis "entsorgten" die Militärs Gegner oder politisch Andersdenkende, verbreiteten Angst und Terror. Von 1966 bis 1986 sind ungefähr 90.000 Menschen gewaltsam verschwunden. Angehörigen und Überlebenden gelang es, eine breite, internationale Öffentlichkeit über diese Verbrechen zu informieren. 1978 verabschiedete die UN-Generalversammlung eine Resolution, die gewaltsames Verschwindenlassen als spezifisches Verbrechen und als universales Problem benannte. Eine 1980 gegründete Arbeitsgruppe der UN-Menschenrechtskommission untersuchte, wie gewaltsames Verschwindenlassen völkerrechtlich geahndet werden könnte. Dieser Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances (WGEID) wurden in den ersten 30 Jahren seit ihrer Gründung rund 50.000 Fälle gewaltsamen Verschwindenlassens aus über 80 Ländern angezeigt.

... Verschwindenlassen ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und doch ist es auch im Jahr 2022 nach wie vor eine angewandte Praxis in vielen Ländern dieser Welt. Beteiligt daran sind immer wieder staatliche Sicherheitskräfte, entweder als Täter, um ihre korrupten Praktiken zu sichern, oder indem sie die Täter schützen. Eine Strafverfolgung findet kaum statt und wenn überhaupt nur dann, wenn es gelingt, die Fälle öffentlich als das zu benennen, was sie sind: Verbrechen gegen die Menschlichkeit!

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Aus: "In Säure aufgelöst, im Meer versenkt, verscharrt, vergraben, verbrannt" Erika Harzer (29. August 2022)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/2022-08/tag-der-verschwundenen-entfuehrungen-gewaltsames-verschwindenlassen-lateinamerika-vereinte-nationen/komplettansicht

QuoteNiklas Sieber #5

Mexiko macht aber auch Hoffnung. Ständiger Druck durch die Öffentlichkeit und die mutigen Angehörigen hilft.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Was könnte schlimmstenfalls passieren? Das ist eine Frage, die sich beispielsweise Ingenieurinnen und Ingenieure ziemlich häufig stellen - diese Planung gehört zu ihrem Beruf. Deshalb sind viele Atomkraftwerke heute auch für Flugzeugabstürze und Erdbeben ausgelegt. Mag das Eintreten solcher Ereignisse auch unwahrscheinlich sein, der Schaden wäre einfach zu groß, um sie guten Gewissens außer Acht zu lassen.

In Bezug auf den Klimawandel seien solche "Worst-Case-Szenarien" dagegen kaum erforscht, beklagten diese Woche zahlreiche Klimaforscher in einem Meinungsbeitrag im Fachjournal PNAS. Ein schweres Versäumnis, schreiben die Autoren um Luke Kemp von der Universität Cambridge. Schließlich gebe es durchaus Hinweise, dass eine Erderwärmung von mehr als drei Grad katastrophale Folgen für die Ökosysteme und den Menschen haben könne - von einem Massensterben in den Ozeanen bis hin zum Zusammenbruch von Staaten und Kriegen um knappe Ressourcen. Mein Kollege Benjamin von Brackel hat hier ausführlich über die Studie berichtet [https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-folgen-kipppunkte-2100-1.5631958?reduced=true].

Was soll man von diesem düsteren Zukunftsentwurf halten? Ihn nur als weitere Mahnung vor den gefährlichen Folgen der Erderwärmung zu sehen, wäre wohl ein Missverständnis. Zentral ist vielmehr die Forderung der Autoren nach systematischer Forschung: "Umsichtiges Risikomanagement erfordert, dass wir Worst-Case-Szenarien gründlich untersuchen." Wo sind menschliche Gesellschaften besonders verwundbar gegenüber Klimarisiken? Ab wann könnte die Erderwärmung zu einem Massensterben führen, bis hin zum Aussterben des Menschen? Was bedeutet ein höherer CO₂-Gehalt langfristig für das Leben auf der Erde? Wie sehr kann das Erreichen von Kipppunkten wie das Abtauen des arktischen Permafrosts den Klimawandel weiter beschleunigen? Diese und weitere Fragen müssten dringend beantwortet werden, möglicherweise sogar in einem Sonderbericht des Weltklimarats zu "katastrophalem Klimawandel".

Kaum von der Hand zu weisen ist, dass die Publikationen immer spärlicher werden, je extremer das betrachtete Klimaszenario ist. Die meisten Studien zu den Folgen der Erderwärmung beschäftigen sich mit einer um 1,5 oder 2 Grad wärmeren Welt oder etwas darüber. Jenseits von 3 oder 4 Grad wird die Luft schon dünn, dabei wären die Auswirkungen etwa auf die Nahrungsmittelversorgung in diesem Temperaturbereich wohl schon katastrophal. Und zu einer fast schon apokalyptischen 6-Grad-Zukunft lägen nur sehr wenige Studien vor, beklagt etwa der britische Wissenschaftsjournalist Mark Lynas im Buch "Our Final Warning", in dem er den Stand des Wissens zu den Folgen unterschiedlicher Temperaturszenarien auswertet. "Der Grund für dieses ziemlich ungewöhnliche Versäumnis könnte darin liegen, dass auch Klimatologinnen und Klimatologen letztlich Menschen sind und als Wissenschaftler lieber nicht über Worst-Case-Szenarien nachdenken", schreibt Lynas. Oder sie wollten nicht als "Alarmisten" und "Untergangspropheten" gelten.

Zwar würde eine Erwärmung um 6 Grad nach derzeitigem Wissensstand erfordern, dass die Emissionen praktisch ungebremst weiter steigen, was eher unwahrscheinlich ist. Allerdings sei die Wahrscheinlichkeit eben doch deutlich höher als etwa ein Flugzeugabsturz, argumentiert Lynas - und in die Verhinderung solcher Unglücke werde beständig investiert, um das Risiko noch weiter zu senken. "Aber im Fall des Planeten sind wir alle zusammen an Bord und haben keine andere Wahl."

Die schlimmste Zukunft zu kennen, könne dagegen zum Handeln ermutigen, so die Autoren des aktuellen PNAS-Papiers. So habe die Erkenntnis, dass ein Atomkrieg zu einem "nuklearen Winter" führen könnte, in den 1980ern zu mehr Anstrengungen für Abrüstung und Frieden geführt.

Ich persönlich finde ja, es braucht beides: einerseits mehr Wissen darüber, was der Welt bei einem ungezügelten Klimawandel droht. Andererseits aber auch positive Gegenentwürfe, Utopien, die aufzeigen, wie sich die Lebensqualität verbessern kann, wenn die Erderwärmung so gering wie möglich gehalten wird.


Aus: "Vom Nutzen der Katastrophe" Christoph von Eichhorn (5. August 2022)
Quelle: https://www.sueddeutsche.de/wissen/klimawandel-worst-case-1.5634602

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Staatsbediensteten und Militärangehörigen in Belarus droht bei Hochverrat künftig die Todesstrafe. Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko unterzeichnete ein entsprechendes Gesetz. Es sieht das Todesurteil für Funktionäre und Soldaten vor, die durch Akte des Verrats "irreparablen Schaden" für die nationale Sicherheit des Landes angerichtet hätten.

Die von Lukaschenko gebilligten Änderungen am Strafrecht umfassen zudem Strafen für die Verbreitung von "Propaganda des Terrorismus, Diffamierung der Streitkräfte sowie paramilitärischer Einheiten und die Verletzung von Regeln zum Schutz von Staatsgeheimnissen". Damit orientiert sich Belarus an ähnlichen Gesetzen wie sein Verbündeter Russland.

Belarus ist das einzige Land in Europa, das die Todesstrafe bisher nicht abgeschafft hat. Hinrichtungen drohen dort bisher bei Verurteilungen wegen Mordes oder Terrorismus. Vollzogen wird die Todesstrafe durch einen Schuss in den Hinterkopf.


Aus: "Belarus führt Todesstrafe bei Hochverrat ein" (10. März 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-03/belarus-lukaschenko-todesstrafe-hochverrat-vorbild-russland


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Boise – Zum Tode Verurteilte könnten im US-Bundesstaat Idaho bald per Erschießungskommando hingerichtet werden. Der Senat von Idaho verabschiedete am Montag ein entsprechendes Gesetz, wie US-Medien berichteten. Zuvor hatte das Repräsentantenhaus von Idaho zugestimmt. Es sieht die Möglichkeit einer Hinrichtung durch ein Erschießungskommando vor, sollten die Chemikalien für die Giftspritze nicht verfügbar sein. Der Gesetzestext liegt nun beim Gouverneur zur Unterzeichnung.

Seit 1976 gab es nach Angaben des Informationszentrums Todesstrafe drei Hinrichtungen per Erschießungskommando in den USA – zuletzt 2010 in Utah. Nur die Bundesstaaten Mississippi, Utah und Oklahoma erlauben derzeit Erschießungskommandos, wenn andere Hinrichtungsmethoden nicht verfügbar sind. Ein entsprechendes Gesetz in South Carolina wurde angefochten und geht dort durch die gerichtlichen Instanzen.

Nach Angaben des Informationszentrums für Todesstrafe haben bisher 23 der 50 Bundesstaaten die Todesstrafe abgeschafft. In den US-Staaten mit Todesstrafe wird hauptsächlich die Giftspritze eingesetzt. Aus Mangel an den dafür nötigen tödlichen Präparaten wurden in den vergangenen Jahren aber immer wieder Hinrichtungen verschoben.

Es gebe nun eine Alternative, um das Todesurteil zu vollstrecken, sagte Generalstaatsanwalt Raúl Labrador der Lokalzeitung "Idaho Statesman". Er war an der Ausarbeitung des Gesetzestexts beteiligt. Die Bürgerrechtsorganisation ACLU nannte das Gesetz "entsetzlich". "Ein Erschießungskommando ist besonders grausam." Die Gewalt solcher Hinrichtungen hinterlasse bei allen Beteiligten bleibende Narben.


Aus: "US-Bundesstaat Idaho will Hinrichtungen durch Erschießen einführen" (APA, 21.3.2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000144711499/us-bundesstaat-idaho-will-hinrichtungen-durch-erschiessen

QuoteAr Mutschgerl

Von Republikanern regiert. Und die sind bekanntlich alle ProLifers. ...


QuoteSirus Vance

Mich wundert ja, dass sie noch nicht auf die Idee gekommen sind, die Guillotine wieder zu verwenden. Wiederverwendbar, schnell und sicher. Außerdem seit Jahrhunderten erprobt.


QuoteWoS2u

Und der nächste Schritt ist dann die Privatisierung der Hinrichtung und die Ermöglichung ihrer kommerziellen Auswertung.


QuoteTherealAdvocatusDiaboli

... Wie wärs mit einer Hinrichtungsauktion? Wer am meisten bietet darf mal nach Herzenslust ballern! Gegen Aufpreis sogar im Ambiente einer nachempfundenen Schulklasse? Oder das Luxuspaket: Kaufen sie sich mehrere zum Tode Verurteilte um ein ganzes Set an menschlichen Zielscheiben für ihr persönliches Jagdrevier! "Wir alle lieben Menschenverachtung, aber nur SIE leben sie wirklich! Rufen Sie gleich an unter...."

Spaß beiseite. ...


Quoteaccess_denied

Filmempfehlung dazu "The Hunt" .... bitte gern geschehen


Quoteslickibk

... oder Running Man


QuoteMaratoneta68

Ich finde, die Verurteilten werden in den USA viel zu stark fremdbestimmt. Es sollte sich doch jeder Todeskandidat unter den quasi zur Kulturgeschichte der USA gehörenden Klassikern Hängen und Erschießen, und der neumodischen Giftspritze selbst etwas aussuchen können. In den Staaten des Bible Belt könnte man als zusätzliche Option auch Kreuzigen anbieten.


QuoteHelga Spreiz

,,Zur Kreuzigung? Durch die Tür hinaus, zur linken Reihe, jeder nur ein Kreuz bitte!"


QuoteVorstadtneurotiker II.

Stickstoff. Absolut schmerzfrei, ohne Abwehrreaktion des Körpers.

Habe dazu mal auf YouTube eine Doku gesehen, wo ein ehemaliger britischer Minister nach der "menschlichsten" Exekutionsmethode gesucht hat und am Ende eine Stickstoffkammer selbst ausprobiert hat (er wurde kurz vor der Bewusstlosigkeit vom Team wieder herausgeholt und hat danach selbst gesagt, er wollte einfach gemütlich einschlafen.


QuoteGerald Ruschka

Öffentliche Enthauptungen waren auch eine Option, aber man konnte sich nicht auf einen Hauptsponsor für die Events einigen. Es waren Fastfoodketten, Ölkonzerne, Zuckerwasserproduzenten und ein Elektroauto-/Raketen-/Sozialemedienhersteller in der finalen Auswahl.


QuoteMotioon

Die Todesstrafe hat keine abschreckendere Wirkung als für 100 Jahre in den Knast zu kommen. Sie hat auch den entscheidenden Nachteil, dass sie bei einem Irrtum nicht revidiert werden kann. In USA gibt es mittlerweile eine dreistellige Anzahl an Exekutionen die im nachhinein als falsch oder zumindest "fragwürdig" zu werten sind. Lustig, dass sie ein Erschießungskomando als "barbarisch" empfinden, die Injektion von tödlichen Chemikalien in Abwesenheit von Gesundheitspersonal aber nicht hinterfragen. Die Todesstrafe ist, eine archaisches Mittel der Rache, das aus gutem Grund in nahezu allen zivilisierten Ländern abgeschafft wurde. ...


Quotevogelwuid

Das ist schönstes Mittelalter. Aber den Amerikanern scheint das in Teilen zu gefallen wenn sie sich in Wildwest Manier überlegen fühlen können und glauben dass damit der Gerechtigkeit genüge getan wird.


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Textaris(txt*bot)

... das Kopftuch als "eine der zivilisatorischen Grundlagen der iranischen Nation" ...

Quote[...] Der Iran droht Frauen, die sich in der Öffentlichkeit ohne Kopftuch zeigen, mit gnadenloser Verfolgung. "Die Abnahme des Schleiers ist gleichbedeutend mit Feindseligkeit gegenüber unseren Werten", sagte der Justizchef der Islamischen Republik, Gholamhossein Mohseni Edschei, iranischen Medien zufolge. Diejenigen, "die solch anomale Handlungen begehen, werden bestraft" und "ohne Gnade verfolgt". 

Der Justizchef ließ offen, mit welchen Strafen die Frauen zu rechnen haben. Der demonstrative Verzicht auf ein das Haar bedeckendes Kopftuch ist zu einem zentralen Symbol des Widerstands gegen die Regierung in Teheran geworden.

... Ausgelöst wurden die seit Monaten anhaltenden Proteste durch den Tod der 22-jährigen Mahsa Amini, die Mitte September vergangenen Jahres in Polizeigewahrsam starb. Die Sittenpolizei hatte sie festgenommen, weil sie ihr Kopftuch falsch getragen haben soll.

... Vergangenen Donnerstag hatte das Innenministerium das Kopftuch als "eine der zivilisatorischen Grundlagen der iranischen Nation" bezeichnet und an Bürger appelliert, unverschleierte Frauen zur Rede zu stellen. Nach der 1979 eingeführten islamischen Scharia sind Frauen verpflichtet, ihr Haar zu bedecken und lange, locker sitzende Kleidung zu tragen, um ihre Figur zu verbergen. Wer dagegen verstößt, muss mit Geldstrafen oder Verhaftung rechnen.


Aus: "Iranische Regierung droht Frauen ohne Kopftuch mit Verfolgung" (1. April 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-04/iran-frauen-kopftuch-verfolgung


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Zahl der Kinderehen geht nach Schätzungen von Unicef langsam zurück, doch Krisen könnten die hart erkämpften Fortschritte zunichtemachen. In einer neuen Analyse schätzt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, dass jedes Jahr zwölf Millionen Mädchen eine Kinderehe eingehen müssen. Derzeit leben demnach 640 Millionen Mädchen und Frauen auf der Welt, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden. 

Der Anteil der jungen Frauen in Kinderehen sei seit den jüngsten Schätzungen vor fünf Jahren von 21 Prozent auf 19 Prozent gesunken. Unicef-Exekutivdirektorin Catherine Russell warnte jedoch: "Multiple Krisen machen die Hoffnungen und Träume von Kindern weltweit zunichte – insbesondere von Mädchen, die Schülerinnen sein sollten und nicht Bräute." Gesundheits- und Wirtschaftskrisen, eskalierende bewaffnete Konflikte und die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels würden Familien dazu zwingen, vermeintliche Sicherheit in Kinderehen zu suchen.

Für Afrika südlich der Sahara sei aufgrund des starken Bevölkerungswachstums und der anhaltenden Krisen sogar eine steigende Zahl von Kinderehen zu erwarten. In Lateinamerika und der Karibik, im Nahen Osten und in Nordafrika sowie Osteuropa und Zentralasien stagniere die Entwicklung weitgehend. 

Für den global insgesamt positiven Trend seien hauptsächlich Fortschritte in Südasien verantwortlich. Die Region sei auf dem besten Weg, Kinderehen in rund 55 Jahren abzuschaffen, heißt es in dem Unicef-Bericht. Nach wie vor lebten in der Region allerdings fast die Hälfte aller Kinderbräute – 45 Prozent. Obwohl Indien in den zurückliegenden Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielt habe, werde dort immer noch ein Drittel der weltweiten Kinderehen geschlossen.

Mädchen, die Kinderehen eingehen müssen, bleiben den Angaben zufolge mit geringerer Wahrscheinlichkeit in der Schule und sind einem erhöhten Risiko einer frühen Schwangerschaft ausgesetzt. Eine frühe Ehe könne Mädchen auch von Familie und Freunden isolieren. 

"Wir haben bewiesen, dass Fortschritte bei der Beendigung von Kinderehen möglich sind", sagte Russell. Die Unterstützung für gefährdete Mädchen und Familien müsse deshalb weitergehen. "Wir müssen uns darauf konzentrieren, Mädchen in der Schule zu halten und sicherzustellen, dass sie wirtschaftliche Chancen haben."


Aus: "Jedes Jahr werden zwölf Millionen Mädchen zwangsverheiratet" (3. Mai 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-05/kinderehen-maedchen-zwangshochzeit-unicef-afrika

Textaris(txt*bot)

Quote[...] BERLIN taz | ,,Berlin-Charlottenburg, am 11. Mai 1933. Der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht II in Berlin zeigte an, daß der ledige Maurer Ernst Reins ... zu Berlin-Plötzensee verstorben sei." Im schönsten Beamtendeutsch registrierte der Standesamtsbeamte damals den Tod des 25-jährigen Reins. Der genaue Hintergrund aber wird in dieser Urkunde nicht verraten: Es war die erste Hinrichtung in Berlin unter dem nationalsozialistischen Regime.

Am 9. Mai um 6 Uhr morgens hatte Scharfrichter Carl Gröpler den Delinquenten im Hof des Gefängnisses von Plötzensee enthauptet. Dafür war Gröpler extra aus Magdeburg mit dem Zug angereist. Mit im Gepäck: sein Handbeil. Vor seiner Ernennung zum Scharfrichter war der Mann ,,Rossschlächter" gewesen. Zuerst hatten die Pferde dran glauben müssen, dann die Menschen, sprich: die zum Tode verurteilten Mörder, die Gröpler seit seiner Ernennung zum Scharfrichter im Jahr 1906 reihenweise köpfte. Pro Kopf verdiente er 850 Mark.

An jenem Morgen hatten sich etliche Leute versammelt, um der Exekution beizuwohnen, während die Armesünderglocke kontinuierlich läutete. Sie kamen nicht freiwillig: Die Strafprozessordnung verlangte unter anderem die Anwesenheit der Mitglieder des Gerichts, die das Urteil gefällt hatten; ebenso mussten der Verteidiger, ein Pfarrer sowie zwölf ,,ehrbare Bürger" aus dem Volk früh aufstehen, um der grausamen Hinrichtung beizuwohnen.

Ernst Reins, 1907 in Charlottenburg in eine kinderreiche Familie hineingeboren, hatte bis zuletzt den Vorwurf der beabsichtigten Tötung des Geldbriefträgers Gustav Schwan von sich gewiesen. Die Faktenlage aber war eindeutig: Der Täter hatte Schwan mit einer fingierten Postanweisung in eine kurz zuvor angemietete Wohnung gelockt, ihn mit einer Eisenstange geschlagen und nach kurzem Kampf erwürgt.

Reins war daraufhin mit seinen beiden Schwestern nach Italien geflohen. Kurze Zeit später wurde er festgenommen und ausgeliefert. Seltsam heiter soll diese Reisegesellschaft gewesen sein, vor allem aber extrem unvorsichtig. Telefonate nach Hause anmelden, mit dem richtigen Namen im Hotel einchecken ... Keine gute Idee, wenn man der Strafverfolgung entgehen will.

Dabei war Reins, wie man es an seinem selbst verfassten Lebenslauf aus der Strafakte merkt, ein intelligenter Mensch. Vor Gericht wirkte der äußerlich entfernt an den jungen Hans Fallada erinnernde Mann jedoch seltsam gedrückt, berichteten Prozessbeobachter, etwa als er seinen Lebenslauf erzählen sollte. Mit 16 Geschwistern war er aufgewachsen, doch nur er und seine Schwestern Johanna und Sophie hatten überlebt. Und in ihm war immer die latente Angst, so zu werden wie sein Vater, der in der ,,Irrenanstalt" als menschliches Wrack starb.

Tatsächlich gab es in der Familie noch weitere psychisch Kranke, darunter auch einen Onkel von Reins, der sein eigenes Kind tötete, um ihm das schwere Erbe einer Geisteskrankheit zu ersparen. Reins Traum, Architekt zu werden, erfüllte sich nicht: 1921 bestand der Vater, der einen sozialen Abstieg von der eigenen Firma zum Polier erlebt hatte, darauf, dass er Maurer wurde.

Augenprobleme plagten den Heranwachsenden, laut Ärzten war eine ,,ererbte Syphillis" schuld. Oft überkam ihn blanke Furcht, aber auch Melancholie: ,,Warum bin ich geboren, wozu der ganze Blödsinn?", fragte sich Reins, wie in seiner Strafakte, die im Landesarchiv Berlin aufbewahrt wird, nachzulesen ist.

1929 erfasst die Wirtschaftskrise das Land. Immer öfter wird Reins von starken Entfremdungsgefühlen geplagt, wenn er in den Spiegel blickt – Anzeichen für eine psychische Erkrankung mit dissoziativen Symptomen. Kurz keimt Hoffnung auf, als seine Schwester Sophie, die als Vorführdame in einem Warenhaus arbeitet, ihn mit der Welt des schönen Scheins bekannt macht.

Denn Reins' Maxime ist auch die Vermeidung des ,,verdammten Proletarierlebens". Manchmal begleitet er seine Schwester in Lackschuhen und weißem Hemd ins Adlon. Ein Maurer im Smoking, der schnell hinter den verlogenen schönen Schein blickt, in dem er sich nie wirklich sonnen würde. Dessen Luxus er zwar genießt, deren Protagonisten er aber verachtet.

Auslöser für das ganz große Drama werden dann seine eigene Arbeitslosigkeit und die Trennung von seiner Freundin – auf Wunsch ihrer Eltern. Nur kurze Zeit später tötet der zuvor völlig unbescholtene Reins den Geldbriefträger Gustav Schwan: einen 54-jährigen Ostpreußen, der Frau und Tochter hinterließ. Ernst Reins erbeutete 6.500 Mark.

Am 10. Dezember 1931 wird der Sensationsprozess vor dem Berliner Landgericht II verhandelt. Da ist Reins nur noch ein Häufchen Elend: ,,Es wäre ja Wahnsinn gewesen, ihn töten zu wollen, da ich ihn nur zu betäuben beabsichtigte", ruft er aufgeregt. Lebensangst, eine erbliche Vorbelastung – all das lässt das Gericht letzten Endes nicht gelten. Reins sei, psychiatrisch betrachtet, voll schuldfähig.

Eine ,,klare Überlegung" habe er ausgeblendet, sodass der Affekt sein Tun beherrschte, wirft man ihm vor. Am 13. Dezember 1931 um 18.30 Uhr wird Ernst Reins ,,wegen Mordes in Tateinheit mit schwerem Raub zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt".

Reins nimmt das Urteil ruhig entgegen, bespricht sich mit seinem Verteidiger, der daraufhin Revision einlegt. Hoffnung keimt auf, der seit der Novemberrevolution 1918/19 sehr umstrittenen Todesstrafe zu entgehen. Sie wurde in der Zeit der Weimarer Republik zwar insgesamt 1.141 Mal verhängt, aber nur nur 184-mal vollstreckt.

In der sozialdemokratischen und liberalen Presse war es immer wieder zu Protesten gegen das – so zum Beispiel Die Weltbühne – ,,zivilisierte Pack" gekommen, das sich anmaßte, über Leben und Tod zu urteilen. Mit 17 zu 11 Stimmen war 1927 im Reichstagsausschuss für die Strafrechtsreform der SPD-Antrag auf Abschaffung der Todesstrafe abgelehnt worden. In der Praxis kam es meist zu einer Umwandlung in eine lebenslange Freiheitsstrafe nach einem Gnadengesuch.

Am 15. Januar 1932 zieht Reins' Verteidiger die Revision zurück und beantragt dessen Begnadigung. Er hat die Hoffnung auf eine Veränderung der politischen Verhältnisse zugunsten Reins in einer Zeit der politischen Desintegration, die sich auch durch Notstandsverordnungen und wechselnde Präsidialkabinette äußert.

Mehrfach wurde die Vollstreckung des Urteils verschoben. Nach dem ,,Preußenschlag" vom 20. Juli 1932, als die SPD-geführte Regierung abgesetzt und eine kommissarische Staatsregierung unter Franz von Papen als Reichskommissar in Preußen eingerichtet wird, wird die Entscheidung über eine Begnadigung Reins' erneut vertagt – bis zur finalen Klärung der Regierungsverhältnisse.

Doch als Adolf Hitler nach den Reichstagswahlen am 30. Januar 1933 von Reichspräsident von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt wird, bedeutet das das endgültige Aus für alle Hoffnungen von Ernst Reins. Am 11. April 1933 wird Hermann Göring Ministerpräsident von Preußen, dann geht alles sehr schnell: Göring lehnt die Begnadigung ab. Am 9. Mai 1933 kurz nach 6 Uhr morgens verkündet Carl Gröpler auf dem Hof von Plötzensee: ,,Herr Staatsanwalt, das Urteil ist vollstreckt!" Ernst Reins ist tot.

Nur wenige Minuten später schwingt Gröpler erneut das Handbeil und enthauptet den Taxifahrermörder Johannes Kabelitz. Die brutale Hinrichtungsmaschinerie unter dem Hakenkreuz hat begonnen.

Die rechte Presse jubilierte freudig: ,,Die Todesstrafe wird wieder vollstreckt und damit das Gesindel in Schach gehalten!"


Aus: "Hinrichtung wegen Mordes in Berlin: Der Erste von so vielen" Bettina Müller (8. 5. 2023)
Quelle: https://taz.de/Hinrichtung-wegen-Mordes-in-Berlin/!5923691/

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Quote[...] ,,Die Todesstrafe ist abgeschafft", so lautet Artikel 102 des Grundgesetzes. Und woran Thomas Fischer, ehemaliger Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, hier erinnert: dass die Forderung, diesen Artikel ins Grundgesetz aufzunehmen, erstaunlicherweise aus der rechtskonservativen Ecke kam. Genauer: von Hans-Christoph Seebohm, dem späteren Bundesverkehrsminister. Er und seine Freunde von der Deutschen Partei wollten das Verbot. Der Grund: Sie wollten damit weitere Hinrichtungen von NS-Tätern vor Militärgerichten der Alliierten stoppen.
Der frühere Innenminister von der FDP Gerhart Baum beschreibt, dass der Artikel 102 daher auf widersprüchliche Weise eine Folge aus dem Nationalsozialismus ist:
,,Das war natürlich eine vergiftete Initiative, die sollte also Kriegsverbrecher schützen und hat also nichts mit humanitären Impulsen zu tun. Die Abschaffung ist natürlich eine Reaktion auf die Nazi-Barbarei. Die Nazis haben die Todesstrafe exzessiv eingeführt und exzessiv praktiziert auch gegen politische Gegner. Und man wollte auf keinen Fall auch nur einen Hauch dieser Politik in das Grundgesetz haben."

In der NS-Terrorzeit wurden 16.000 Todesurteile gefällt und über 12.000 vollstreckt. Nach Schätzungen von 1989 wurden zusätzlich vor NS-Kriegsgerichten 33.000 Todesurteile verhängt. Neben Mord hatte das Willkürregime bis zum Ende des Krieges insgesamt 77 weitere Delikte bestimmt, für die es zum Schutze der ,,Volksgemeinschaft" die von ihm so genannte ,,Reinigungstodesstrafe" aussprechen ließ.
Trotz dieser historischen Last blieb der konstitutionelle Umgang mit der Todesstrafe im Parlamentarischen Rat 1948/49 eine umstrittene Prinzipienfrage. Der Journalist und Rechtsexperte Christian Bommarius schildert, wie SPD und CDU zunächst die Debatte eher reserviert führten. Denn es gab unter den Gegnern der Todesstrafe auch Abgeordnete, die der Meinung waren, das Verbot gehöre nicht in das Grundgesetz, sondern sei später im Rahmen einer Strafrechtsreform zu lösen.
,,Was ihnen in jedem Fall nicht behagte, war die Verbindung, die Herr Seebohm herstellte, Schutz des menschlichen Lebens, `Schutz keimenden Lebens` – also sprich: Schutz vor Abtreibung – mit der Todesstrafe."

Für Carlo Schmid, SPD-Wortführer im Parlamentarischen Rat, also unter den Vätern und Müttern des Grundgesetzes, ging es bei der Abschaffung um ein Bekenntnis der Deutschen zu einer Werteordnung. Das Menschenleben sollte in dieser Werteordnung nicht zum bloßen Mittel für gesellschaftliche Zwecke reduziert oder unter bestimmten Umständen ausgelöscht werden dürfen. Schmid in seinen 1979 erschienenen Erinnerungen:
,,Nach all dem, was in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland und anderswo durch deutsche Blutgerichte geschehen war, sollten wir Deutschen Zeugnis dafür ablegen, dass in allen Menschen, auch im Mörder, das Leben heilig zu halten ist, und dass diesem Postulat gegenüber kriminalpolitische Nützlichkeitserwägungen keine Argumente darstellen."
Ein weiterer wortmächtiger Fürsprecher für das Verbot der Todesstrafe war der aus Ludwigshafen stammende Justizrat Friedrich-Wilhelm Wagner, SPD, später Vize-Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Christian Bommarius:
,,Unabhängig aber von dem historischen Hintergrund, sagte er, dass der Staat, der das Leben nicht gebe, es auch nicht nehmen könne. Er habe kein Verfügungsrecht über das menschliche Leben."

Gegen die Einschätzung, eine staatliche Tötung sei nicht minder ,,barbarisch", brutal und unmenschlich als ein Mord, traten im Parlamentarischen Rat die Anhänger der Todesstrafe auf den Plan, allen voran Adolf Süsterhenn, der Justizminister von Rheinland-Pfalz. Barbarisch sei es, willkürlich zu töten wie im Nationalsozialismus, aber nicht die rechtlich einwandfreie Reaktion auf eine Mordtat. Der Christdemokrat und tief gläubige Katholik Süsterhenn trat noch nach Jahren für die Wiedereinführung der Todesstrafe ein:
,,Ich glaube, dass man grundsätzlich sagen muss, dass dem potenziellen Mörder, der in jeder Volksgemeinschaft lebt, klar gemacht werden muss, dass wenn er vorsätzlich das Leben eines Mitmenschen vernichtet, das Risiko auf sich nimmt, dass auch sein Leben durch die Strafjustiz durch die Verurteilung zum Tode vernichtet wird."
Am 8. Mai 1949 stimmten von 65 Abgeordneten des Parlamentarischen Rates 35 für die Abschaffung der Todesstrafe im Grundgesetz und 30 dagegen. Dafür votierten geschlossen die SPD sowie jeweils zwei Abgeordnete der KPD, des Zentrums und der FDP. Dagegen waren 27 Abgeordnete der Union und drei der FDP.

Seither zählt die Abschaffung der Todesstrafe zu den moralischen Grundlagen des deutschen Staates nach 1945. Die Mitgliedschaft der Bundesrepublik im Europarat hätte ohnehin eine Abschaffung verlangt, nachdem die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 den Schutz des Lebens auf ihre Fahnen geschrieben hatte. Der Jurist und Journalist Christian Bommarius:
,,Man muss sich bei diesen ganzen Fragen immer klar machen, was die Mehrheit der Deutschen, der Bundesbürger dachte. Und die Mehrheit der Bundesbürger war für die Todesstrafe. Insofern war auch der Parlamentarische Rat, der Grundgesetzgeber, nicht repräsentativ."
Dies ist auch einer der Gründe, warum in der neuen Bundesrepublik mehrere Wiedereinführungsdebatten aufflammten – im Bundestag und in der Gesellschaft. Stets geschah dies unter dem Eindruck von Aufsehen erregenden Serienstraftaten, die die Emotionen hochschießen ließen, so zum Beispiel Raub- oder Taxifahrermorde, die bestialischen Verbrechen des Frauenmörders Heinrich Pommerenke Ende der 1950er Jahre, des pädophil-sadistischen ,,Kirmesmörders" Jürgen Bartsch aus den 1960er Jahren oder die politisch motivierten Mordtaten der RAF in den 1970er Jahren.

Bereits 1950 versuchten die Bayernpartei und die Deutsche Partei Artikel 102 des Grundgesetzes zu kippen – ohne Erfolg. Zwei Jahre später wies der freidemokratische Bundesjustizminister Thomas Dehler in einer richtungweisenden Rede vor dem Deutschen Bundestag einen weiteren Versuch zurück, der dieses Mal von seinen Koalitionspartnern, CDU/CSU und der Deutschen Partei kam.
,,Im Allgemeinen wird man nicht leugnen können, dass die Todesstrafe für den Entschluss des Mörders im Wesentlichen nicht ursächlich ist; dass im Gegenteil von vielen Psychologen unterstellt wird, dass gerade durch die Todesstrafe die Bestie im Menschen geweckt wird."
Hinter des Volkes wütender Stimme witterte Dehler immer noch wirksame Residuen, die offenbar im Blute lägen, Reste früherer Entwicklungsstufen. Solche Stimmungen entzögen sich einer rationalen Kontrolle. Als ein Beispiel dafür nannte er das schlichte Präventivargument der Befürworter der Todesstrafe, wonach ein Hingerichteter anschließend nichts Böses mehr anrichten könne.
,,Na mit dieser Erwägung kann man beinahe für alle schweren Verbrechen die Todesstrafe fordern. Wir würden am Ende dazu kommen, zu gewissen Erwägungen in der NS-Zeit, die ja in der Ausdehnung der Todesstrafe immer weiter ging, und am Ende verlangte, dass jede Handlung, die die Sicherheit des Volkes gefährdet, mit dem Tode gesühnt werden muss".

Unbeeindruckt davon legten CSU-Abgeordnete 1958 nach. Das unbefriedigte Sühnebedürfnis des Volkes dürfe nicht vom Bundestag ignoriert werden. Immerhin gab es in der alten Bonner Republik drei Bundesjustizminister, die für die Wiedereinführung der Todesstrafe eintraten. Allen voran Richard Jaeger, CSU, Minister von 1965 bis ´66, Spitzname: ,,Kopf-ab-Jaeger", der sich immer auf die Mehrheit des Volkes berief. So auch 1958, als in Umfragen 75 bis 80 Prozent für die Wiedereinführung waren.
,,Ich finde es sehr verständlich, dass die Diskussion über die Todesstrafe in der Öffentlichkeit nicht zu Ende kommt. Gerade die Raubüberfälle bei Bankräubern, die sich in letzter Zeit so scheußlich ereignet haben, haben eigentlich bei breitesten Schichten des Volkes, gerade des Durchschnittsstaatsbürgers den Ruf nach der Wiedereinführung der Todesstrafe lebhafter werden lassen."
Bis Ende der 1960er Jahre war die in Umfragen gemessene Mehrheit für die Todesstrafe gekippt – doch dann schlug im Deutschen Herbst 1977 nach der Entführung von Arbeitergeberpräsident Hanns-Martin Schleyer und der Kaperung des Passagierflugzeugs ,,Landshut" die Forderung nach Wiedereinführung erneut hohe Wellen. Denn prominente Repräsentanten von Politik und Justiz schienen bereit, den terroristischen Geiselnehmern der RAF mit einer Grundgesetzänderung zu drohen.

Nachdem Bundeskanzler Helmut Schmidt in dieser kritischen Phase dazu aufgefordert hatte, auch so genannte ,,exotische Vorschläge" zu unterbreiten, wurden im Krisenstab neun Modelle diskutiert, die das Magazin ,,Der Spiegel" zehn Jahre danach – 1987 – veröffentlichte. In dem von Generalbundesanwalt Kurt Rebmann favorisierten Modell Nr. 6 heißt es:
,,Der Bundestag ändert unverzüglich Artikel 102 des Grundgesetzes. Stattdessen können nach Grundgesetzänderung solche Personen erschossen werden, die von Terroristen in menschenerpresserischer Geiselnahme befreit werden sollen. Durch höchstrichterlichen Beschluss wird das Todesurteil gefällt. Keine Rechtsmittel möglich."
,,Das wäre niemals zur Realisierung gekommen. Auf welcher Rechtsgrundlage eigentlich? Das wäre ja ein Absturz gewesen der Grundgesetzordnung. Ich habe das nie für eine ernsthafte Option gehalten."
So Zeitzeuge Gerhart Baum, damals Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium, der darauf hinweist, dass es letztendlich keine rational haltbare Begründung für die Todesstrafe gibt. Sie verhindere keine Taten, schon aus der einfachen Einsicht heraus, dass ein Täter in der Regel davon ausgehe, nicht erwischt zu werden.

Alle Statistiken und Untersuchungen haben gezeigt: Die Todesstrafe schreckt nicht ab. Deren Befürworter sind aber in der Regel von empirischen Belegen kaum zu überzeugen. Weshalb hinter dem unzerstörbaren Abschreckungsargument häufig auch eine Art Rationalisierung des Rache- und Vergeltungsmotivs zu stecken scheint, wie der ehemalige oberste Richter Thomas Fischer vermutet.
,,Niemand kann sich ja ernsthaft hinstellen und sagen: `Ich will Rache vollziehen´. Das findet in der ersten Aufwallung statt. Keiner von denen würde ja jetzt wahrscheinlich ernsthaft selbst, persönlich gerne Henker sein und das dann alles vollziehen, was er den Kinderschändern und den Frauenmördern und den Rentnerüberfallenden Räubern gerne antun möchte – oder Terroristen."
Dass die deutsche Argumentation selbst in Europa keineswegs zwingend sein muss, beweist das Beispiel Frankreich. Hier verhielt es sich mit der Todesstrafe komplizierter, galt doch die Guillotine zunächst als revolutionäres Gleichheitssymbol und später als Exportschlager einer angeblich humaneren Hinrichtungsmethode: rasch, schmerzlos, effizient.

Als Kind sah der Schriftsteller Claude Lanzmann im Kino einer Hinrichtung zu. Das habe ihn gezeichnet fürs Leben und in tiefste Ängste gestürzt.
,,Die Frage der Guillotine hat mein Leben gänzlich dominiert oder allgemeiner gesagt: die Frage der Todesstrafe. Die Guillotine ist die französische Todesstrafe. Es gibt andere Arten, den Tod zu vollstrecken. Die zentrale Frage, die ich mir gestellt habe, die ich mir stelle: Wie man jemandem den Tod als Strafe auferlegen kann."
Zum letzten Mal wurde die Guillotine am 10. September 1977 genutzt gegen einen tunesischen Prostituiertenmörder. Dann wurde sie unter Francois Mitterrands Justizminister Robert Badinter abgeschafft.
,,Ceci est contraire à l´esprit républicain."
Dass etwas ,,dem republikanischen Geist widerspreche", traf für den Rechtsreformer Robert Badinter nicht nur auf die Todesstrafe zu, sondern letztlich auf alle Unverhältnismäßigkeiten einer Law-and-Order oder Null-Toleranz-Politik.

Außerhalb Europas ist die Lage selbst in entwickelten Rechtsstaaten ohnehin uneindeutig. In den USA wird noch immer kein Kandidat zum Präsidenten gewählt, wenn er sich explizit gegen die Todesstrafe ausspricht. Thomas Fischer:
,,Wenn man sich beispielsweise die Praxis in den USA anschaut – da ist ein letzter Rest von Rache und Vergeltung symbolisch übrig geblieben, indem die Hinterbliebenen einer ermordeten Person an der Vollstreckung hinter einer Glasscheibe teilnehmen dürfen."
Heute ist die Todesstrafe international geächtet. Das Völkerrecht verbiete sie zwar noch nicht an sich, stelle aber hohe strafprozessuale Hürden auf, erläutert Alexander Bojcevic, Todesstrafe-Experte der deutschen Sektion von Amnesty International:
,,Zurzeit haben 106 Staaten weltweit die Todesstrafe vollständig abgeschafft. Weitere acht Staaten haben sie im nicht-militärischen Bereich abgeschafft. 28 Staaten haben sie zwar vorgesehen im Gesetz, führen aber seit mindestens zehn Jahren keine Hinrichtungen mehr durch. Und weitere 56 Staaten vollstrecken."
Doch trotz der positiven Entwicklung bleibt die betrübliche Bilanz, dass die vier bevölkerungsstärksten Staaten China, die USA, Indien und Indonesien noch immer die Todesstrafe verhängen. Was umgekehrt heißt, dass nur ein Drittel der Menschheit in Staaten lebt, die die Todesstrafe nicht praktizieren.
,,Also der Firnis der Zivilisation ist so dünn. Wir glauben immer, das läge alles weit zurück und berechnen das nach Jahreszahlen und sagen, die Todesstrafe ist `49 abgeschafft worden, und von da an haben wir uns immer mehr von diesem Punkt entfernt. Wir sind immer liberaler geworden, humaner in unserer Auffassung von dem, was den Menschen ausmacht. Pustekuchen! So ist es nicht. Wir haben immer wieder Auf- und Abwärtsbewegungen. Also auch die Humanität, wenn man so will, hat ihre Konjunkturen."

Fest steht allerdings auch, dass selbst Sexualverbrechen wie die von Marc Dutroux in Belgien, der Massenmord von Anders Breivik in Norwegen oder die Serie islamistischer Massaker in Frankreich das Tabu der Todesstrafe in diesen Ländern nicht haben brechen können. Gerhart Baum:
,,Kann mir eine Situation vorstellen, wo der Volkszorn aufgestachelt wird und dann die Forderung nach der Todesstrafe ein gefundenes Fressen für die Rechtspopulisten, die mit diesem Thema dann Wähler zu gewinnen suchen."
So zum Beispiel der AfD-Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz, der Ende vergangenen Jahres als erster Mandatsträger seiner Partei gefordert hat, über die Streichung von Artikel 102 des Grundgesetzes nachzudenken. Bemerkenswert, dass sich der frühere Freiburger Staatsanwalt dabei nicht auf eine Mordtat bezieht. Ihm genügt schon der Volkszorn vor Ort über die illegale Rückkehr eines abgewiesenen Geflüchteten aus Kamerun.
,,Das widerspricht der europäischen Menschenrechtskonvention, es widerspricht der klaren Meinungsbildung im europäischen Parlament. Übrigens in der ganzen Diskussion, die wir jetzt führen über Auslieferung, Abschiebung spielt auch eine große Rolle, ob der Staat, in den wir abschieben, die Todesstrafe hat und exekutiert."

Andere sehen die Gefahr, dass das demokratische System an Massenloyalität einbüßen könnte, wenn empörten Stimmungen fortwährend die verfassungsmäßigen Grenzen aufgezeigt werden. Thomas Fischer:
,,Es kann passieren, dass eine solche Diskussion so außer Kontrolle gerät. Dass man sich dem kaum noch entgegen stemmen kann, auf dem Hintergrund oder auf der Folie eines Vorwurfs, dieser Staat schützt die Bürger oder schützt das Recht oder schützt den Frieden nicht mehr hinreichend, weil er nicht genügend harte und genügend vernichtende Strafen verhängt."
Der Rechtsstaat dürfe sich jedoch niemals in die Rolle eines stellvertretenden Rächers begeben. Denn das Recht hat sich in Deutschland unverrückbar aus Artikel 1 des Grundgesetzes entwickelt: ,,Die Menschenwürde ist unantastbar." Dazu die frühere Bundesverfassungsrichterin Gertrude Lübbe-Wolff:
,,Die Interpretation, was das eigentlich bedeutet, durch das Bundesverfassungsgericht: Dass niemand zum Objekt, zum bloßen Objekt gemacht werden darf, knüpft ja an eine Kantische Formulierung an, dass der Mensch als Zweck und nie als bloßes Mittel verwendet werden darf. Und das beinhaltet die grundlegende Aussage: Jeder Mensch zählt im Prinzip gleich."
So hat sich die Aufnahme eines Verbots der Todesstrafe in das Grundgesetz bislang als ein schier uneinnehmbares moralisches Bollwerk gegen emotionale Aufwallungen im Volk und gegen populistische Versuchungen von Politikern erwiesen. Thomas Fischer:
,,Das ist in der Tat ein Segen. Und man kann sich nur freuen, dass man in einem Staat lebt, in dem das möglich war und hoffentlich auch möglich bleibt."


Aus: "Als die Todesstrafe abgeschafft wurde" Norbert Seitz (03.04.2019)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/70-jahre-grundgesetz-als-die-todesstrafe-abgeschafft-wurde-100.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die Zahl der Menschen, die zu Opfern moderner Sklaverei werden, ist Schätzungen zufolge in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Das geht aus dem jüngsten Global Slavery Index der Menschenrechtsorganisation Walk Free hervor, der am Mittwoch in London veröffentlicht wurde. Demnach sind weltweit 50 Millionen Menschen in moderner Sklaverei gefangen – das sind zehn Millionen mehr als noch vor fünf Jahren.

https://www.zeit.de/arbeit/2022-09/un-studie-zwangsarbeit-moderne-sklaverei-ilo

https://www.walkfree.org/global-slavery-index/

Besonders in der Gefahr, ausgebeutet zu werden, sind dem Bericht zufolge Menschen, die wegen Klimawandel, Konflikten und intensiver Wetterereignisse ihre Heimat verlassen müssen. Auch eine weltweite Einschränkung der Frauenrechte, sowie wirtschaftliche und soziale Auswirkungen der Corona-Pandemie verschärfen demnach die Situation.

Am verbreitetsten ist die moderne Sklaverei dem Bericht zufolge in Nordkorea, Eritrea, Mauretanien, Saudi-Arabien, in der Türkei, in Tadschikistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Russland, Afghanistan und Kuwait.

Doch auch in den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern der G20 gibt es viele Menschen, die ausgebeutet werden. Allein in Indien wird dem Bericht zufolge von einer Zahl von 11 Millionen ausgegangen; 5 Millionen sind es demnach in China, 1,8 Millionen in Russland, 1,3 Millionen in der Türkei und 1,1 Millionen in den Vereinigten Staaten.

Kritisch sehen die Menschenrechtler aber auch den Import von Gütern, die häufig in Verhältnissen hergestellt werden, die auf Zwang oder Abhängigkeit basieren. Sogenannte Risikoprodukte werden demnach jedes Jahr im Wert von 468 Milliarden US-Dollar (umgerechnet etwa 434 Milliarden Euro) in die G20-Staaten importiert. Dazu gehören unter anderem Elektronik, Bekleidung und Palmöl. Die G20 müssten sich daher über ihre Lieferketten indirekt die Hälfte aller Opfer moderner Sklaverei zurechnen lassen, glauben die Menschenrechtler.

"Die moderne Sklaverei durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft. Sie ist in unsere Kleidung eingewoben, beleuchtet unsere Elektronik und würzt unser Essen", sagte die Gründungsdirektorin von Walk Free, Grace Forrest, einer Mitteilung zufolge.

Neben Gesetzen, um moderne Sklaverei in Lieferketten zu unterbinden, fordern die Menschenrechtler von Regierungen, auch die Bekämpfung moderner Sklaverei stärker in den Bereichen humanitärer Hilfe und beim Aufbau einer grünen Wirtschaft einzubeziehen. Bei der Zusammenarbeit mit repressiven Regimen müsse darauf geachtet werden, dass Handel, Geschäfte und Investitionen nicht zu staatlich verordneter Zwangsarbeit beitragen oder davon profitieren. Zudem müssten Kinder, insbesondere Mädchen, besser durch das Ermöglichen von Schulbildung und das Verhindern von Zwangsehen geschützt werden.

Die Organisation Walk Free mit Sitz in Australien greift ihrer Webseite zufolge für ihren Bericht auf die Expertise von Statistikern, Kriminologen, Rechtsanwälten und Entwicklungshilfeexperten zurück.


Aus: "Menschenrechtsbericht: Weltweit 50 Millionen Menschen in moderner Sklaverei gefangen" (24. Mai 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/wirtschaft/2023-05/moderne-sklaverei-menschenrechte

QuoteKünstlerische Intelligenz

Die Menschenrechtslage ist desaströs. Wir räumen gerade mit Verve sämtliche Errungenschaften der letzten Jahrzehnte ab.
Wenn wir nicht gerade durch Ignoranz unseren Lebensraum zerstören oder einander jagen und abschlachten.

Was haben wir uns prächtig unterhalten mit dystopischer Literatur und Filmen.

Allein, anschauen hat nicht gereicht.

Viele Nutzniesser von Ausgrenzung und Diskriminierung stemmen sich zunehmend gegen deren Ächtung. Und viele Menschen lassen das geschehen oder dulden es. Weil sie vielleicht auch ein bisschen genervt sind wie anstrengend das ist Demokratie, universelle Menschenrechte und Chancengleichheit zu erkämpfen, zu erhalten und zu schützen.

Wir sind eine (macht)korrupte Spezies. Deswegen braucht es Regeln und Steuerung der gesellschaftlichen Ordnung und des Zusammenlebens. Leider ist der Wille das anzuerkennen und zu unterstützen auf dem Rückzug.

Sei es bezüglich Sklaverei, Antiwokeness oder grassierender Korruption. Wir können es einfach nicht (mehr), manche wollen einfach nicht.


QuoterundBein

Es wäre interessant gewesen,nähere Informationen zu erhalten,in welche Länder die so hergestellte Ware gelangt.
G 20 ist da etwas unscharf. Auch die Namen von Herstellern hätte ich gerne erfahren.


QuoteOliver Climatic

Einfach gesagt: der Reichtum der Reichen beruht auf der Armut der Armen. Jedes Mittel ist recht, denn im Einkauf liegt der Gewinn, Regel des "ehrbaren Kaufmannes".


QuoteLagerverwalter 2

So ist es. Wobei ,,die Reichen" immer so schön abstrakt klingt. Wir sind es.


QuoteKünstlerische Intelligenz

Christian Lindner wurde bei der Lektüre Ihres Kommentars eben ins Sauerstoffzelt gebracht.


QuoteT.Draganovic, Antwort auf @Lagerverwalter 2

Jap

Die vielen glücklichen Konsumenten (Konsumterroristen).


QuotePilspfanne, Antwort auf @Lagerverwalter 2

Das kommt auf Ihr Portemonnaie an. Sie wollen aber wohl darauf hinaus, dass wir global gesehen gut darstehen. Aber gemeinhin sollte man verschiedene Vergleichsgruppen bemühen und innerhalb unserer Gesellschaft gibt es eben auch ein starkes Gefälle ...


...

Textaris(txt*bot)

#55
Quote[...] Die brutalen Gewalttaten der Hamas-Kämpfer gegen israelische Frauen, Kinder und Männer bei dem Überfall vom 7. Oktober haben eine neue Dimension. Es sind nicht einfach nur terroristische Attacken auf arglose Opfer – es ist bewusst und willentlich entgrenzte, sadistische Gewalt, zynisch festgehalten auf Videos, die in die Öffentlichkeit gebracht wurden.

Es sind Exzesstaten gegen Wehrlose (auch gegen Wehrhafte verübt wären sie unzulässig und schockierend), deren Täter sich damit außerhalb der Zivilisation gestellt haben. Nicht nur wollten sie ihre Opfer physisch beseitigen, nicht nur wollten sie damit ein – wie auch immer zu bewertendes – politisches Zeichen setzen; sondern sie wollten vor allem Schmerz zufügen, erniedrigen, ihre Opfer entmenschlichen bis zur totalen physischen oder psychischen Zerstörung. Die Opfer sollten, um mit Hannah Arendt zu reden, ,,tausend Tode sterben".
Damit haben die Täter einen Zivilisationsbruch bewirkt. Freilich ist diese ,,autotelische Gewalt", wie sie Jan-Philipp Reemtsma nennt, also Gewalt, die ihren Zweck (griech. télos) in sich selbst trägt, historisch nichts Neues. Die brutale Attacke fand ausgerechnet an einem 7. Oktober statt.

Am 7. Oktober 1571 besiegte Admiral Juan de Austria bei Lepanto (Naupaktos im Golf von Patras) eine osmanische Flotte und ,,rettete das Abendland". Es war die Zeit der osmanischen Expansion, die bewusst mit Angst und Schrecken als Vorboten operierte. Zwei Monate vor Lepanto hatte der venezianische Kommandant von Zypern, Marcantonio Bragadin, vor den Türken kapituliert.
Sein Gegenspieler Kara Mustafa Lala hatte ihm freies Geleit zugesichert – und ließ ihn dann gefangen setzen und grausam foltern. Bragadin wurden Ohren und Nase abgeschnitten, dann wurde er öffentlich bei lebendigem Leibe gehäutet und gevierteilt. Den toten Leib stopfte man aus, den abgeschlagenen Kopf schickte Lala als Trophäe an den Sultan.

Dieser Sadismus (wie er damals noch nicht hieß) war in der Frühen Neuzeit freilich keine türkische Spezialität. Es gab ihn genauso im christlichen Abendland, wo abscheulich grausame Exekutionen wie die des György Dózsa 1514 oder die des Balthasar Gérard 1584 den Tod der Delinquenten bewusst in die Länge zogen und diese dabei durch teuflische Schikanen verhöhnten. Nun hat die Hamas die Welt wieder ins 16. Jahrhundert zurückgeworfen, wenn nicht noch weiter.

Diese Gewalt hat eine Qualität, die der Begriff Terror nicht erfasst. Juristisch gesprochen ist Terror ein normatives, kein deskriptives Tatbestandsmerkmal; es drückt die qualitative und quantitative Besonderheit eines Gewalthandelns (Attentat, Massenmord) aus, nicht den Grad seiner Gewalttätigkeit.

Der Begriff ,,terreur", der während der Französischen Revolution geprägt wurde, meinte zwar in der Tat zügellose, destruktive Gewalt, die sich in Exzesstaten wie dem Lynchmord an der Prinzessin Lamballe 1792 ausdrückte. Die Berichte von der Terreur, die unter Maximilien de Robespierre als Quasi-Diktator zwischen Juli 1793 und Juli 1794 ihren Höhepunkt erreichte, ließen die deutsche Geisteswelt von ihrer anfänglichen Bewunderung für die Revolution Abstand nehmen.
Ein oppressiver, aber sich an Regeln haltender Obrigkeitsstaat, der Gewalt nur wohldosiert und nicht anlasslos einsetzte, war ihnen lieber als eine Geheimdiktatur, die jedermann, der ihr nicht genehm war, nicht nur mit Prozess und Todesstrafe, sondern auch mit überschießender Gewalt bedrohte.

Nach dem Revolutionszeitalter und dem Sturz Napoleons aber kam es dann zur Prägung des heutigen wertenden Terrorismus-Begriffs, vermutlich, so der Historiker Wolfram Siemann, durch Fürst Metternich. Der österreichische Staatskanzler und Chefdenker der Restauration wollte damit Bestrebungen, die auf politische Modernisierung (Konstitutionalismus, Parlamentarismus) gerichtet waren, kriminalisieren und delegitimieren: Wer für politischen Fortschritt agitierte, war schlimmer als ein gewöhnlicher Verbrecher, nämlich ein Verbrecher gegen die natürliche bzw. gottgegebene Ordnung.

Diese gesinnungsmäßige Aufladung des Terror-Begriffs im Vormärz wurde, das zeigt Carola Dietze, nach 1848, zur Zeit des nordatlantischen Nation Building, einer ,,Blütezeit" des politischen Attentats, noch vorangetrieben und ist bis heute leitend. Das führt dazu, dass ein RAF-Mitglied, das ein leerstehendes Kaufhaus in die Luft sprengt, und ein Guerillakämpfer, der einen Polizisten erschießt, um einen politischen Gefangenen zu befreien; dass die Entführer und Mörder Hanns-Martin Schleyers, aber unter Umständen auch die harmlosen Straßenblockierer der ,,Letzten Generation" allesamt als Terroristen gelten. Mit den Hamas-Tätern vom 7. Oktober aber haben alle genannten Beispiele nichts gemein. Deren Taten sind nicht bloß Terror-, es sind Horrortaten.

Dass sie an Juden verübt wurden, hat eine besondere Bewandtnis, denn es beschwört in jedem Juden Erinnerungen an die Shoah herauf, die in ihrem historischen Detail auch heute nicht allgemein bekannt sind, im Gedächtnis vieler jüdischer Familien dagegen präsent sein dürften.
Wenn Augenzeugen wie Professor Moshe Schaffer, Arzt am Barzilai Medical Center in Ashkelon, von den gemarterten, mit Fäkalien beschmierten Körpern der Opfer berichtet, die in sein Klinikum gebracht werden, so erinnert das an die Exzesstaten, wie sie etwa die Historikerin Sara Berger minutiös für den Holocaust beschrieben hat.

Der Ermordung der Juden, sei es an Erschießungsgruben oder in Gaskammern, gingen oft entfesselte sadistische Quälereien voran, deren Grausamkeit sich kaum wiedergeben lässt und die auch im historischen Unterricht gern unterschlagen werden. Das, was Babys und schwangeren Frauen durch die Hamas angetan worden sein soll, wurde so und ähnlich Schwangeren und Säuglingen in Treblinka beim Warten vor der Gaskammer angetan.
Dass die Terroristen öffentlich damit renommieren, ist dabei wohl weniger Teil einer politischen Programmatik, als dass es allen anderen Juden einen Horror einjagen, ihren eigenen Anhängern hingegen signalisieren soll, dass ihre Opfer keine Menschen seien.
Die Taten vom 7. Oktober sind ein Zivilisationsbruch. Sie reißen eine Lücke in die Kontinuität des Prozesses der Verfeinerung und Zähmung, von dem wir glaubten, dass er uns – vor allem die Männer – der Ausübung entgrenzter, autotelischer Gewalt sukzessive entwöhnt habe. Als unverhohlene Kampfansage nicht allein gegen Israel oder die Israelis, sondern gegen jeden Humanismus und jede Humanität, ganz gleich wie sie politisch argumentiere: So wird man diesen 7. Oktober verstehen müssen.


Aus: "Willentlich entgrenzte, sadistische Gewalt : Warum der Begriff ,,Terror" den Angriff der Hamas nicht ausreichend erfasst" Konstantin Sakkas (25.10.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wissen/der-angriff-der-hamas-am-7-oktober-willentlich-entgrenzte-sadistische-gewalt-10681975.html

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Quote[...] Sofern die Bombardements eine Zeit lang ausbleiben, füllen sich im Süden des Gazastreifens die Straßen. Die Menschen nutzen den Moment für Erledigungen. Vor Wassertanks bilden sich lange Schlangen, vor Bäckereien ebenfalls. Doch nicht immer lohnt sich das Warten. Denn Brot und viele andere Lebensmittel sind knapp. Auf den Märkten verkaufen Gemüsehändler oftmals - zu hohen Preisen - nur noch schrumpelige Tomaten, Gurken und Auberginen. Vor dem Krieg sei viel Gemüse aus Israel gekommen, erzählen die Anwohner. Doch die Zeiten sind vorbei.

Viele Menschen in dem weitgehend abgeschotteten Küstengebiet sind auf Hilfen angewiesen. So auch Siham Abu Ghalijun. Die Palästinenserin ist mit ihren fünf Kindern in einer als "humanitären Zone" ausgewiesenen Gegend namens Al-Mawasi im Süden des Gazastreifens untergekommen. Die Familie wohnt hier in einem Zeltlager. Anfangs seien Wasser und Essen knapp gewesen, erzählt die 41-Jährige. Inzwischen habe sich die Lebensmittelversorgung aber verbessert. Seit dem brutalen Terrorangriff im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas auf Israel am 7. Oktober, dem Hunderte Menschen zum Opfer fielen, bombardiert Israels Armee reihenweise Ziele in der Küstenenklave. Auch dort werden inzwischen Tausende Todesopfer beklagt, wobei die Angaben unabhängig nicht zu überprüfen sind.

Zunächst ließ Israel zwei Wochen lang auch keine Hilfsgüter in das dicht besiedelte Palästinensergebiet. Erst am Samstag durften erste Lieferungen mit Trinkwasser, Lebensmitteln und Medikamenten über die Grenze. Seitdem kamen Dutzende Lastwagen an. Den Vereinten Nationen zufolge sind für die Versorgung der gut 2,2 Millionen Menschen im Gazastreifen aber eher 100 LKW-Ladungen täglich nötig.

Neben der schwierigen Versorgungslage treiben die Menschen auch andere Sorgen um, allen voran blanke Todesangst. "Wir haben Angst, hier Bombenangriffen ausgesetzt zu sein", sagt Abu Ghalijun in der "humanitären Zone" in Al-Mawasi. Einschläge in der Nähe sorgten im Lager immer wieder für Panik. Die fünffache Mutter nimmt dann jedes Mal ihre Kinder in den Arm, wie sie erzählt.

Vor allem in der Nacht seien die Geräusche der Explosionen beängstigend. Das Leid könnte sich bei einer erwarteten Bodenoffensive Israels noch einmal verschärfen. Blutige Straßenkämpfe, menschliche Schutzschilde, versteckte Sprengsätze - Kriegsführung zwischen dicht gedrängten Häuserblöcken kann die Opferzahlen erfahrungsgemäß schnell in die Höhe treiben. Rund eine Million Menschen haben auf Anweisung der israelischen Armee inzwischen ihre Häuser geräumt und notgedrungen einen Großteil ihres Hab und Guts im Norden des Gazastreifens zurückgelassen. Im Süden, wo nach israelischen Militärangaben trotz der Evakuierungsaufforderung ebenfalls vereinzelt Ziele der Hamas angegriffen werden, harren viele Binnenvertriebene dicht gedrängt in Notunterkünften aus.

Viele Menschen auf engem Raum steigern das Risiko: Die Streitkräfte bemühen sich nach eigenen Angaben zwar stets, bei ihren Luftangriffen Zivilisten zu verschonen - doch nach Schilderungen aus dem Gazastreifen gelingt das längst nicht immer. Israels Militär zufolge schlagen zudem auch immer mal wieder fehlgeleitete Raketen militanter Palästinenser dort ein - statt wie geplant in Israel. Im Gazastreifen mehren sich die Berichte über Menschen, die in den Süden geflüchtet und dann dort bei Bombeneinschlägen oder unter den Trümmern ihrer in Schutt und Asche gelegten Notunterkünfte gestorben seien.

Sumanja Schahin will deshalb selbst nicht fliehen. Die 48-Jährige wohnt zusammen mit etlichen Verwandten in einem Haus im Norden der Küstenenklave. Die etwa 40-köpfige Gruppe lebe derzeit vor allem von Vorräten, in ihrem Zuhause gebe es weder Wasser noch Strom. In ihrer Umgebung gebe es ständig Bombardements, die Lage sei sehr gefährlich. Vor allem nachts habe sie Angst. Aber gehen will Sumanja Schahin trotzdem nicht. "Unser Leben ist hier - und unser Tod auch."

Quelle: ntv.de, Emad Drimly und Cindy Riechau, dpa


Aus: "Todesangst ist ständiger Begleiter im Gazastreifen" (26.10.2023)
Quelle: https://www.n-tv.de/politik/Todesangst-ist-staendiger-Begleiter-im-Gazastreifen-article24490324.html

Textaris(txt*bot)

"Massenmörder Breivik fordert Milde und eine neue Playstation" (10.03.2016)
Der Massenmörder Anders Breivik hat den Staat Norwegen wegen unmenschlicher Haftbedingungen verklagt. Er fordert nun mildere Umstände. ... Die einen halten es für ekelerregend, die anderen für rechtsstaatlich notwendig. Am kommenden Dienstag beginnt ein voraussichtlich viertägiger Prozess, weil der Utöya-Massenmörder Anders Behring Breivik (37) den Staat Norwegen wegen unmenschlichen Haftbedingungen verklagt hat. ... Breivik sitzt in Isolationshaft und fordert den Umgang mit anderen Insassen. Zudem verlangt er einen unkontrollierten Briefkontakt mit der Außenwelt, bessere Weiterbildungsmöglichkeiten und eine neue Playstation, weil seine zu alt sei.
Vor allem die Isolationshaft sei für jemanden, der voraussichtlich lebenslänglich im Gefängnis sitzt, eine Verletzung der europäischen Menschenrechtskonvention, macht Breivik geltend. ...
https://www.derwesten.de/panorama/massenmoerder-breivik-fordert-milde-und-eine-neue-playstation-id11640487.html


"Norwegischer Massenmörder Breivik fordert Ende der Isolationshaft" (8. Jänner 2024)
Laut seinem Anwalt verletzt die lange Isolation seine Menschenrechte. Der Rechtsextremist hatte 2011 bei zwei Anschlägen 77 Menschen getötet. ... Breivik wurde zu der in Norwegen zulässigen Höchststrafe von 21 Jahren verurteilt. Die Strafe kann verlängert werden, solange er als Bedrohung für die Gesellschaft angesehen wird. Er hatte 2011 bei zwei Anschlägen 77 Menschen getötet, die meisten von ihnen Jugendliche, die an einem Sommerlager der Sozialdemokraten auf der Insel Utøya teilgenommen hatten. ...
https://www.derstandard.at/story/3000000202128/norwegischer-massenmoerder-breivik-fordert-ende-der-isolationshaft

Bei den Anschlägen in Norwegen am 22. Juli 2011 handelte es sich um zwei zusammenhängende terroristische Anschläge des norwegischen Rechtsextremisten Anders Behring Breivik gegen norwegische Regierungsangestellte in Oslo und gegen Jugendliche in einem Feriencamp auf der norwegischen Insel Utøya, denen 77 Menschen zum Opfer fielen.
https://de.wikipedia.org/wiki/Anschl%C3%A4ge_in_Norwegen_2011

https://de.wikipedia.org/wiki/Anders_Behring_Breivik

QuoteElijoma77

Ich weiß, man muss Recht und Gesetz von der Person trennen. Nur fällt das bei Breijvik extrem schwer.

Persönlich finde ich, dass er nicht einmal die Möglichkeit für solch eine Bühne bekommen sollte! Geschweige denn solche Luxus-Haftbedingungen.

[Der 44-Jährige sitzt derzeit in einem Teil des Hochsicherheitsgefängnisses Ringerike, rund 70 Kilometer nordwestlich von Oslo. Der ihm zugewiesene Bereich umfasst einen Trainingsraum, eine Küche, einen Fernsehraum und ein Badezimmer, wie Bilder von einem Besuch von NTB im vergangenen Monat zeigen. Er darf drei Wellensittiche als Haustiere halten, die in dem Bereich frei herumfliegen, berichtete die Nachrichtenagentur.]


QuoteTmfkasShrek

Und was ist mit dem Recht auf Leben ... , dass er 77 unschuldigen Menschen verweigert hat?


QuoteGerald Ruschka

Die Menschenrechte gelten uneingeschränkt. Selbst wenn man sich selbst nicht an sie hält, so verliert man sie nicht. Das ist der Schlüssel der Zivilisation.


QuoteGute_Miene

In isolationshaft gehts ihm vielleicht besser als unter Leuten...


Quoteschauaufmich

... Putin tötet seit einem Jahr beinahe täglich mehr unschuldige Zivilisten als damals Brevik und es gibt Länder die Überhäufen ihn dafür noch immer mit Gasmilliarden.
Ganz ehrlich es wird immer schwieriger zu unterscheiden wer jetzt gut und böse ist - wir sind halt alles nur Menschen.
Sogar die katholische Kirche hat sicher hunderttausende Unschuldige seit ihrer Existenz auf dem Gewissen und wird trotzdem noch von Millionen Menschen akzeptiert.


QuotederExistenzialist

Gut und böse.

Vielleicht sollten Sie das Feld der Ethik anderen überlassen, wenn Sie aus jüngsten Geschehnissen derartig fragwürdige Schlussfolgen ziehen.


Quotekh123

In einem Rechtsstaat hat jeder ein Recht auf einen Anwalt. ... es wurde ohnehin schon die anschliessende Sicherheitsverwahrung angekündigt. Das ist dann nicht Strafe, sondern erforderliche Massnahme zum Schutz anderer (genauso wie die derzeitige Isolation eine solche ist).  Ich finde Norwegen findet in dieser Situation einen nachvollziehbar balancierten Zugang, um auch solchen Vorwürfen etwas entgegenhalten zu können.


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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Brasília – Brasiliens Behörden haben im Jahr 2023 insgesamt 3.190 Menschen aus sklavreiähnlichen Verhältnissen befreit. Das ist die höchste Zahl seit 14 Jahren, wie Medien laut Kathpress am Donnerstagabend berichteten. Die meisten Fälle (302) wurden demnach in der Kaffeeindustrie aufgedeckt, gefolgt von der Zuckerrohrindustrie mit 258. Die Entschädigungszahlungen an Betroffene durch überführte Arbeitgeber erreichten im Vorjahr 2,4 Millionen Euro.

Die Zahlungen sind ein Rekordwert. Einen Allzeit-Höchstwert stellen die 3.422 Beschwerden dar, die im vergangenen Jahr bei den Behörden eingegangen sind, um 61 Prozent mehr als 2022. Im Jahr 2011 hat die Regierung eine Telefonhotline eingerichtet, um Beschwerden und anonyme Hinweise entgegenzunehmen.

Die Sklaverei ist in Brasilien offiziell seit 1888 abgeschafft. Allerdings ist die Praxis, Personen für ihre Arbeit nicht zu entlohnen oder sie gar zur Arbeit zu zwingen, immer noch weit verbreitet. Nachdem die katholische Kirche mit ihrer 1975 gegründeten Landpastoral viele Jahre die Regierung unter Druck gesetzt hatte, erkannte diese 1995 gegenüber den Vereinten Nationen an, dass es immer noch Fälle von Sklaverei gebe.

Zudem erließ die Regierung 1995 Gesetze gegen solche Ausbeutung von Arbeitskräften und richtete mobile Einsatztruppen ein, die in ländlichen Gebieten wie auch in urbanen Zentren Kontrollen durchführen. Bisher haben diese Trupps mehr als 60.000 Personen befreit. (APA, 12.1.2024)


Aus: "3.190 Menschen in Brasilien aus sklavereiartigen Umständen befreit" (12. Jänner 2024)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000202847/3190-menschen-in-brasilien-aus-sklavenartigen-umst228nden-befreit

QuoteTitus Feuerfuchs

Sklaverei ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Angesichts solcher Zustände finde ich es gut, wenn der Druck auf die weiterverarbeitende Industrie hoch gehalten wird (Stichwort: Lieferkettensorgfaltspflicht). Ein sensibles Thema, ich weiß.


QuoteAgitationFree

Natürlich die große Frage, was können wir tun?

Ganz einfach: Listen Sie alle Güter auf, die Sie regelmäßig kaufen: Brot, Kleidung, Schuhe ... es reicht schon fürs erste, wenn Sie nach Position zehn erst mal Pause machen. Gehen Sie ins Internet. Recherchieren Sie. Klar: Viele haben das noch nie gemacht. Wenn man über die Schlagwortsuche nach Produkt X, Hersteller Y, Nachhaltigkeit, Skandal, Fairness recherchiert, finden Sie schnell sehr viel über die Güter auf Ihrer Liste heraus. Recherchieren. Und dann gibt es ja auch noch die positive Seite: Immer mal wieder werden Produkte und Hersteller lobend erwähnt, die einen Fairness- oder Öko-Preis bekommen. Kaufen Sie die. Wenn wir Endkunden nur mächtig genug Rabatz machen und immer stärker faire Produkte kaufen.
Wir selbst sind Globalisierung !


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Textaris(txt*bot)

#58
Quote[...] Ich fuhr nach Saarbrücken und führte ... ein Gespräch mit Philippe Lançon.

Er ist ein Überlebender des Attentats auf die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo vom 7. Januar 2015. Sein Buch über diese Erfahrung und seine Genesung, das unter dem Titel Der Fetzen (Öffnet in neuem Fenster) erschien, ist eine zentrale Lektüre zum Verständnis unserer Gegenwart.

... Sozialstaat, Wissenschaft und Solidarität sind die besten Waffen der Zivilisation gegen den Terror – das ist die Message seines Buches.

...


Aus: "Der Sieger" Nils Minkmar (03.03.2024)
Quelle: https://steadyhq.com/de/nminkmar/posts/bf3ecc5f-4a2f-4e0d-a371-1b1146352821

Philippe Lançon (* 1963 in Vanves) ist ein französischer Journalist und Schriftsteller. Er arbeitet hauptsächlich für die Tageszeitung Libération und das Satiremagazin Charlie Hebdo, ebenso für den öffentlich-rechtlichen Radiosender France Inter. Bei dem terroristischen Anschlag auf Charlie Hebdo während einer Redaktionssitzung am 7. Januar 2015 wurde Lançon verwundet. ... In seinem Buch Le lambeau (dt. Der Fetzen) schreibt Lançon über das Attentat und die langwierige operative Behandlung seiner massiven Gesichtsverletzungen im Mund- und Unterkieferbereich. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Philippe_Lan%C3%A7on