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[Unabhängiger Film?... ]

Started by Textaris(txt*bot), October 27, 2009, 12:31:10 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Abhängigkeit: Filmemacher haben zu wenig Geld, zu wenig Zeit und zu viel Leute um sich, die mitreden wollen. Independence sieht anders aus.

Major Studios stehen für das Höchstmaß der Abhängigkeit. Von den 20ern bis 1948 beherrschen die Bosse von Paramount, MGM, Twentieth Century Fox und Warner den Markt. Sie haben von der Produktion über den Verleih bis zu den Kinos alles in der Hand. Sogar die Filmkünstler gehören ihnen: Stars, Regisseure, Kameraleute, Ausstatter – alles Vertragsangestellte, die drehen müssen, was man ihnen sagt. Wer es schafft, außerhalb dieses Apparats Filme rauszubringen, ist unabhängig.

Budget – für die Indie-Glaubwürdigkeit gilt die Gleichung: Je kleiner das Budget, desto größer die Unabhängigkeit. Die Low-Budget-Produktionen wurden immer wieder durch die technische Entwicklung begünstigt. Dem Super-8-Format folgte der Laienfilmer. Die Erfindung der Videokassette eröffnete den Vertrieb am Kino vorbei. Heute macht die Allgegenwart von Handykameras jeden Nerd zum YouTube-Produzenten.

United Artist (UA) ist zur Blütezeit der Major Studios eins der kleineren unter den großen. Gegründet haben es Charlie Chaplin, Douglas Fairbanks, D. W. Griffith und Mary Pickford – Filmstars, die ihr eigener Boss sein wollten. Sie waren Teil des Systems, aber immerhin in ihren Entscheidungen unabhängig! Aus dem Umfeld der Firma formierte sich Anfang der 40er-Jahre die Society of Independent Motion Picture Producers; sie klagt gegen die Marktmacht der Majors, die daraufhin 1948 ihre Kinoketten verkaufen müssen. Ende der Goldenen Ära Hollywoods. Heute ist UA unter dem Dach von MGM und MGM unter dem Dach von Sony. UA-Chef ist Tom Cruise, ein Künster, dessen Unabhängigkeitsbegriff von dem der Gründervater stark abweicht.

Exotische Herkunft – ist ein Garant für das Label Independent. In den USA verleiht der bloße Originalton selbst europäischen Großproduktionen die Aura abseitiger Indie-Ereignisse. Hierzulande muss ein Film dafür mindestens aus Osteuropa kommen und schnauzbärtige Verbrecher porträtieren.

Indie-Bluff – seltene Spielart des Autorenfilms. Das Prestige der Bezeichnung Independent ist hoch; daher gibt es im Business auch Gernekleins. Ein Beispiel ist der US-Film ,,Filth and Wisdom". Er stammt von einem No-Name-Studio, ist eigentlich nur auf Festivals oder DVD zu sehen und erzählt von einem ukrainischen Gypsy-Punk-Stricher. Einziger Haken: Regie führte Madonna, die als Ein-Frau-Konzern offenbar vom authentischen Leben in kreativer Armut träumt.

Mainstream – ist auf der ästhetischen Ebene der Gegenbegriff zu Independence. Es gibt verschiedene Ansätze, den Mainstream zu unterlaufen – beiden gemein ist die Nische: Die Nouvelle Vague in Europa (Truffaut, Chabrol, Godard) und das New Hollywood (Altman, Coppola) geben dem Film ästhetische und geistige Impulse. Neben dieser intellektuellen Sparte gibt es aber auch eine vom Instinkt geprägte: Filme der britischen Hammerstudios oder von Regisseuren wie Roger Corman und George Romero pflegen Schauwerte wie Gewalt, Sex und Horror – und beweisen so auf ganz andere Weise als die Arthouse-Helden ihre Unabhängigkeit vom Massengeschmack.

Fazit: Der unabhängige Film ist ein Abgrenzungsphänomen. Leider herrscht ein grausiges Durcheinander der Feindbilder. Wem haben wir es zu verdanken, dass gerade die Jahrzehnte des Studiosystems ,,Goldene Ära" heißen? Den Unabhängigen! Es war schließlich die Verehrung der Nouvelle Vague für Cowboys, Gangster und für alles von Hitchcock, die den Unterhaltungsfilm erst in den Kanon gebracht hat. Zwischen Groß und Klein herrscht im Filmgeschäft ganz offenbar eine sehnsuchtsvolle Anziehungskraft (siehe Indie-Bluff).

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Aus: "Feuilleton - Gibt es nicht! Kann alles heißen!" Von Daniel Benedict, Osnabrück (23.10.2009)
Quelle: http://www.neue-oz.de/information/noz_print/feuilleton/23824931.html