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[Vaterkonflikt (Notizen) ... ]

Started by Textaris(txt*bot), May 14, 2009, 03:09:54 PM

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Textaris(txt*bot)

... "Mit dem bin ich durch." ...

Quote[...] Der Kandidat präsentierte sich in einer perfekten amerikanischen heilen Wohnzimmerwelt mit warmem Licht, einem offenen Kamin und einem Kürbis auf dem Sims. Nur der verdrehte rechte Hemdkragen ließ auf eine gewisse Anspannung schließen. "Ich schicke vielen Leuten Geld", beteuerte Herschel Walker. "Ich helfe Menschen immer. Ich glaube an Großzügigkeit. Gott hat mich gesegnet. Ich möchte das weitergeben."

Mit der milden Gabe, auf die der republikanische Bewerber für einen der beiden Senatssitze des Bundesstaats Georgia beim rechten Sender Fox News angesprochen wurde, soll es freilich eine besondere Bewandtnis haben. Der Webseite "Daily Beast" liegt die Kopie eines von Walker unterzeichneten Schecks über 700 Dollar vor. Den soll er nach Angaben einer Ex-Freundin ausgestellt haben, um damit 2009 ihre ebenfalls dokumentierte Abtreibung zu bezahlen. Auf einer Begleitkarte wünschte er "gute Besserung".

Ein Politiker, der eine Geliebte zur Abtreibung drängt – das wäre im konservativen Südstaat Georgia wohl in jedem Fall ein Thema. Aber Walker ist nicht irgendwer: Der von Donald Trump unterstützte 60-jährige Afroamerikaner hat sich im Wahlkampf als Hardliner in Sachen Abtreibung präsentiert. Nach dem Urteil des Supreme Court befürwortete er im Mai ein generelles Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen ohne Ausnahmen selbst bei Vergewaltigung und Inzest. Kein Wunder, dass seine Kritiker nun lautstark über Doppelmoral klagen. Walker hingegen bestreitet alle Vorwürfe.

Richtig politisch brisant wird die Sache, weil ausgerechnet in Georgia mutmaßlich über die künftigen Mehrheitsverhältnisse im Senat entschieden wird. Zudem hat Walker eine lange Vorgeschichte mit höchst befremdlichen Vorkommnissen und kruden Positionierungen. Der Ex-Football-Star, der den Klimawandel leugnet und gegen die Ehe für alle kämpft, war von Trump vor allem wegen seiner Popularität und Fernsehtaugleichkeit ausgewählt worden und illustriert dramatisch den personellen Niedergang der Republikaner, die in vielen Staaten halbseidene Rechtspopulisten und Verschwörungsideologen für die Kongresswahlen aufgestellt haben.

Nicht nur, dass Walker offenkundig die Größe seines nach der Sportlerkarriere gegründeten Hühnerfleischvertriebs mit angeblich 600 Beschäftigten (tatsächlich waren es acht) überzeichnete und im Wahlkampf drei uneheliche Kinder zu verschweigen versuchte. Früh wurden auch Vorwürfe der häuslichen Gewalt durch seine Ex-Frau bekannt, die sich 2002 scheiden ließ, nachdem Walker ihr angeblich eine Pistole an den Kopf gehalten und gedroht hatte: "Ich blase dir dein beschissenes Hirn heraus." Der Ex-Football-Star hat öffentlich erklärt, bei ihm sei eine Persönlichkeitsstörung diagnostiziert worden, die seither behandelt werde.

Diese Vorgeschichte störte Trumpianer und traditionelle Republikaner wie Mitch McConnell nicht. Ein mit dem Senats-Fraktionschef politisch verbandelter Spendenfonds sammelte gar 37 Millionen Dollar zur Unterstützung des Walker-Wahlkampfs. Dahinter steckt die Hoffnung, dass der Ex-Football-Star einen 2020 an die Demokraten verlorenen Senatssitz zurückgewinnen und den Republikanern damit wieder zur Mehrheit in der politisch bedeutsamen zweiten Parlamentskammer verhelfen könnten. Ein Austausch des Kandidaten ist zum jetzigen Zeitpunkt zudem wahlrechtlich nicht mehr möglich.

Entsprechend schließt die Partei die Reihen, spielt die jüngsten Enthüllungen herunter oder bezeichnet sie als Verleumdungskampagne. "Die Republikaner stehen hinter ihm", versicherte der einflussreiche Senator Rick Scott. Und Donald Trump wütete: "Sie versuchen einen Mann zu zerstören, der eine großartige Zukunft hat."

Allerdings sind es keineswegs Angriffe der Demokraten, die Walkers Kampagne nun ins Schleudern bringen. Vielmehr meldete sich am Dienstag sein erwachsener Sohn Christian aus der ersten Ehe bei Twitter zu Wort. Der ist kein Linker, sondern ein konservativer Tiktoker, der den rechten Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, unterstützt und gegen Bidens Einwanderungspolitik protestiert. Für seinen Vater aber hat er nur Verachtung übrig: "Mit dem bin ich durch."

Jedes Familienmitglied habe Walker gebeten, von einer Kandidatur wegen seiner Vorgeschichte abzusehen, berichtete sein Sohn: "Er hat sich entschieden, uns den Mittelfinger zu zeigen." Für den Kandidaten hatte er eine unmissverständliche Botschaft: "Du bist kein 'Familienmensch', nachdem du uns verlassen hast, um andere Frauen zu vögeln, und uns genötigt hast, auf der Flucht vor deiner Gewalt sechsmal in sechs Monaten umzuziehen." Der sonst so eloquente Herschel Walker reagierte ungewohnt einsilbig: "Ich liebe meinen Sohn trotz allem", erwiderte er auf Twitter.


Aus: "Abtreibungskritischer US-Senatskandidat soll Freundin Abtreibung bezahlt haben" Karl Doemens (6.10.2022)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000139721801/ex-football-star-wird-im-us-wahlkampf-mit-seinen-suenden


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Bohemien: ... ich denke die Abwesenheit von Vätern in deren Familien ist ein sehr deutsches Thema. ...


https://www.zeit.de/zett/2023-04/mutter-sohn-beziehung-frauenbild-aufruf#cid-65100182

Textaris(txt*bot)

QuotePaula Konersmann (24.04.2023): " ... Sigmund Freud (1856-1939) ist bis heute ein entscheidender Referenzpunkt, wenn es um die menschliche Seele geht. Der Wissenschaftler und Nervenarzt stellte komplexe Phänomene in anschaulichen Bildern dar und entwickelte Methoden, die eine Grundlage vieler Therapien bleiben. Er begründete die moderne Psychoanalyse – wörtlich übersetzt: »Untersuchung der Seele«. ... Freud befasste sich also durchaus mit großen Fragen der Menschheit – auch jener nach Schuld und Reue. Die Religion sah er allerdings höchst kritisch. ... Menschen, die einer Religion anhängen, seien im Grunde Kinder geblieben, die »wie ein Kind an seinem Vater hing, so dann an dem Gott hängen«, erklärte der Psychoanalytiker Herbert Will die Sichtweise Freuds einmal im Deutschlandfunk. ..."

Quelle: https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/das-ich-und-das-es-von-sigmund-freud-meilenstein-der-psychoanalyse/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Tech-Milliardär Elon Musk hat in der bald erscheinenden Biografie beschrieben, wie sein Vater in der Erziehung auf Härte setzte. So wird in einem vom Magazin ,,Stern" am Donnerstag vorab veröffentlichten Auszug eine Episode erwähnt, in der Musk von anderen Jungen schwer verprügelt worden und deswegen ins Krankenhaus gekommen sei.

Er habe danach ,,wie eine geschwollene Kugel aus rohem Fleisch" ausgesehen, erinnert sich Musks Bruder Kimbal in dem Buch. Sein Vater Errol habe sich jedoch auf die Seite des Hauptangreifers gestellt, weil dieser kürzlich seinen Vater verloren habe.

Nach Musks Entlassung aus dem Krankenhaus habe der Vater ihn ausgeschimpft, hieß es weiter. ,,Ich musste eine Stunde lang dastehen, während er mich anschrie, mich einen Schwachkopf nannte und mir erklärte, ich wäre einfach nichts wert", erinnert sich Elon Musk in der Biografie. ,,Er wusste definitiv, wie man Angst und Schrecken verbreitet", wird er zitiert.

Der Tech-Unternehmer habe aus seiner Kindheit eine posttraumatische Belastungsstörung davongetragen, schrieb Biograf Walter Isaacson in dem am 12. September erscheinenden Buch ,,Elon Musk. Die Biografie". Isaacson stand dafür monatelang in engem Kontakt mit Musk. Er hatte zuvor unter anderem eine Biografie des Apple-Gründers Steve Jobs geschrieben.

Musk hatte schon in der Vergangenheit seinem Vater Vorwürfe gemacht. So hatte er ihn in einem 2017 erschienenen Interview der Zeitschrift ,,Rolling Stone" als ,,schrecklichen Menschen" bezeichnet, der nahezu jedes Verbrechen begangen habe, das einem einfallen könne. (dpa)


Aus: "Elon Musk über seinen Vater: ,,Er wusste, wie man Angst und Schrecken verbreitet"" (07.09.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/elon-musk-uber-seinen-vater-er-wusste-wie-man-angst-und-schrecken-verbreitet-10429366.html

QuotePat7
07.09.23 10:08

Das erklärt einiges. ...


QuoteSciaridae
07.09.23 13:57

@Pat7 am 07.09.23 10:08
Eigentlich, vielleicht. Vielleicht wäre aber noch die eine oder andere Therapie nötig, um wirklich wieder klarzukommen. Herr Musk macht immer mal wieder keinen besonders gesunden geistigen Eindruck auf mich.


QuotePat7
07.09.23 20:01

@Sciaridae am 07.09.23 13:57
Persönlich gehe ich davon aus, dass der selber überhaupt keinen Grund für eine Therapie sieht.

Der hält sich für vollkommen.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Die primären Bezugspersonen, meist die Eltern, hinterlassen die tiefsten Macken in unserer Psyche. Hemschemeier und Brehm sind sich einig: Wir haben alle Daddy Issues. Ursache für ein solches Verhalten ist oft ein Vater, dessen Abwesenheit oder emotionale Kälte eine tiefe Verunsicherung ausgelöst hat. Brehm sagt: ,,Ich mag den Begriff ,Daddy Issues' nicht, weil es ja eigentlich eine Verlustangst ist – die aber Frauen als Makel unterstellt wird. Die Rolle der abwesenden Väter wird nicht gesehen." ... Männern werden selten Daddy Issues attestiert, obwohl Jungen genauso unter abwesenden Vätern leiden wie Mädchen. Und Mommy Issues gibt es natürlich auch; sie äußern sich meist jedoch anders. ...


Aus: "Liebessucht, Daddy Issues, Narzissmus: Wie erkenne ich meine eigenen Red Flags beim Dating?"  Mia Gatow (01.10.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/liebessucht-daddy-issues-narzissmus-wie-erkenne-ich-meine-eigenen-red-flags-beim-dating-10540123.html

Textaris(txt*bot)

#40
Quote[...]
   
    * 30 Prozent der Männer geben an, überhaupt nicht mehr mit ihrem Vater zu sprechen. Eine Beziehung gleich welcher Art existiert nicht.

    * Weitere 30 Prozent haben ein gespanntes und schwieriges Verhältnis zu ihrem Vater. Sie verbringen zwar hin und wieder Zeit mit ihm, diese Stunden sind aber schmerzhaft und unangenehm.

    * Bei den nächsten 30 Prozent sieht es etwas besser aus: Sie besuchen ihren Vater regelmäßig, nehmen an Familienfeiern teil und bemühen sich, ein guter Sohn zu sein, allerdings sprechen sie mit ihrem Vater höchstens über den neuen Rasenmäher.

    * Weniger als zehn Prozent der Männer sind mit ihrem Vater wirklich befreundet und betrachten die Beziehung als eng und befriedigend.

    * Nur etwa einer von zehn Männern sagt: ,,Mein Vater ist mir eine große Hilfe. Er ist eine emotionale Stütze in meinem Leben."



Aus: "Schwierige Vater-Sohn-Verhältnisse weit verbreitet" Alexander Rubenbauer, Nürnberg (27. Dezember 2010)
Alexander Rubenbauer ist Psychologe (M. Sc.) und approbierter Psychologischer Psychotherapeut.
Quelle: https://psychologie-journal.de/psychologie/432/schwierige-vater-sohn-verhaeltnisse-weit-verbreitet/

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Quote[...] Wagna – Die steirische Polizei hat Dienstagabend in Wagna im südsteirischen Bezirk Leibnitz zwei männliche Leichen entdeckt. Bei den Toten handelt es sich um Vater (80) und Sohn (38), wie die Landespolizeidirektion Steiermark Mittwochfrüh mitteilte. Das Motiv ist noch unklar. Der Sohn hatte kurz nach 19.15 Uhr per Notruf bei der Polizei gemeldet, dass er eben seinen Vater erstochen habe, und dann aufgelegt. Das Landeskriminalamt hat noch in der Nacht Ermittlungen aufgenommen.

Weil der Polizei die Adresse bekannt war, eilten nach dem Notruf umgehend mehrere Polizeistreifen sowie das Einsatzkommando Cobra zum Haus. Auch die Verhandlungsgruppe Süd wurde alarmiert. Neuerliche Kontaktversuche mit dem Anrufer blieben vergeblich. Am Einsatzort fanden die Spezialpolizisten einen toten Mann in der Wiese auf dem Grundstück des Einfamilienhauses. Dabei dürfte es sich um den 38-jährigen Südsteirer handeln, der den Notruf gemacht hatte. Er wies eine Schussverletzung auf. Auch eine auf ihn registrierte Pistole lag neben ihm im Gras. Der Mann hatte die Feuerwaffe legal besessen, nebst einigen anderen Schusswaffen.

In der Küche des Hauses fanden die Beamten dann eine weitere männliche Leiche. Dabei handelt es sich offenbar um den 80-jähriger Vater, der Stichverletzungen aufwies. Die mutmaßliche Tatwaffe, ein Küchenmesser, wurde am Tatort sichergestellt.

Bei einer Durchsuchung des Hauses entdeckten die Spezialkräfte die Lebensgefährtin (48) des Sohnes. Sie hatte sich zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt im Obergeschoß des Hauses befunden und war vom Eintreffen der Polizisten überrascht. Sie dürfte nichts mitbekommen haben und blieb unverletzt. Die Frau wurde weggebracht, sie wird vom Kriseninterventionsteam betreut. Sie und der Sohn hatten das Obergeschoß bewohnt, der verwitwete Pensionist das Erdgeschoß, wie ein Polizist der APA sagte.

Mordermittler sowie Tatortbeamte des Landeskriminalamts (LKA) Steiermark haben noch in den Abendstunden die Ermittlungen aufgenommen. Die Staatsanwaltschaft Graz hat bereits Sachverständige für Schusswaffen und Gerichtsmedizin mit den Untersuchungen beauftragt. Eine Obduktion soll nun die genauen Todesursachen klären. Unterdessen laufen die Ermittlungen und weitere Vernehmungen im Umfeld des Hauses, um die genauen Hintergründe der Tat zu klären.


Aus: "Mordverdacht: Zwei Leichen in der Steiermark entdeckt" (APA, red, 11.10.2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000190627/mordverdacht-zwei-leichen-in-der-steiermark-entdeckt

QuoteRexRanarum

Mein aufrichtiges Mitgefühl der Familie... Wie viel Leidensdruck muss es da im Vorfeld gegeben haben, dass man so eine Wahnsinnstat begeht.


QuoteCastorp6

Ein wenig gehäuft ist das schon alles.


...


Textaris(txt*bot)

#41
Quote[...] Es gibt Bücher, die wahnsinnig cringe sind, weil der Autor eine Jugendsprache bemüht, der er längst entwachsen ist. Oder einen "Migra-Slang" mimt, den er nie beherrscht hat. Aber Necati Öziri kann Baseballschläger "Basi" nennen, Playstations "Playsi", Polizisten "Bullen", und es klingt genau richtig, als könne man es treffender und schöner gar nicht sagen. Mit Vatermal hat Öziri einen Debütroman veröffentlicht, der beweist, dass die sprachlichen Facetten des Theaterautors nicht nur auf der Bühne funktionieren.

Auf dem Bahnhofsplatz stehen die Mädchen mit bunt lackierten Mittelfingernägeln rum, Glatzköpfe tanzen mit ihren Pitbulls zu Techno, und Arda sitzt mit seinen Freunden auf einer Bank. Er wartet, "bis das scheiß Leben endlich anfängt". Während er wartet, raucht er Joints und lernt Rapsongs von Kool Savaş auswendig ("Vielleicht ist heut' der beste Tag deines Lebens"). An diesen Bahnhofsplatz erinnert sich der erwachsene Arda später, als er mit Organversagen auf der Intensivstation liegt und alles aufschreibt: das Aufwachsen im Ruhrgebiet, die Migration seiner Mutter, das Schweigen seiner Schwester. Vatermal ist ein langer Brief an einen Vater, den der Protagonist Arda nie kennengelernt hat.

Ardas Mutter zieht von der Türkei nach Deutschland, und weil ihr Mann Metin das ersparte Geld verspielt, muss sie bei McDonald's Pommes frittieren, statt sich um die Kinder zu kümmern. Sie verlässt ihren Mann nicht, selbst als er sie später an den Haaren über den Wohnzimmerboden schleift. Die Hoffnung auf ein anderes Leben lässt sie mit den Flugtickets nach Istanbul in einem alten Fotoalbum verschwinden. Sie bleibt, aber Metin geht: eines Nachts, einfach so. Er war vor einer Gefängnisstrafe aus der Türkei geflohen, Jahre später flieht er zurück vor seinem Leben als Fließbandarbeiter in Deutschland, trotz seiner zwei Kinder und trotz des offenen Haftbefehls, der dort auf ihn wartet. "Wie sagt man ›Papa‹, ohne dass ein Fragezeichen zu hören ist?", will sein Sohn wissen.

Ähnlich wie Fatma Aydemirs Dschinns oder Deniz Utlus kürzlich erschienener Roman Vaters Meer kreist Vatermal um eine Leerstelle. Bei Aydemir ist der Vater verstorben, bei Utlu verstummt, bei Öziri verschwunden – immer beginnt es bei einem Vater, und doch ist er nur der Umweg, über den die Geschichten der Mütter, der Kinder erzählt werden. Ardas Mutter trinkt flaschenweise Wodka, kommt kaum noch aus dem Bett. Ardas Schwester Aylin zieht zu Pflegeeltern, die sie "Zwieback-Familie" nennt und in deren Vorratsschränken es mehr als eine Dose Ravioli gibt. Arda selbst will "was mit Literatur machen", auf dem Bahnhofsplatz wird er dafür ausgelacht. Beiläufig erzählt Öziri von Rassismus, in der Schule wird der Protagonist "Asylanten-Arda" genannt und sein Freund "Sucuk", wie die türkische Wurst.

Arda bleibt immer übrig. Sein Vater verschwindet, seine Schwester, seine drei Jugendfreunde. Einer wird abgeschoben, einer wird zu früh Vater, einer geht zurück in die Türkei: "Wenn die Welt auch ständig davon schwafelte, dass wir keine Perspektive hatten, wussten wir: Das Gegenteil stimmte. Wir hatten zu viel Perspektive, hatten Dinge gesehen, die andere Kinder ihr Leben lang nicht sehen, während sie die Kürbissuppe ihrer Eltern löffeln." Später studiert Arda tatsächlich Literatur, und statt mit einem Joint auf der Bank sitzt er jetzt in einer vierstündigen Goethe-Inszenierung neben einem Kommilitonen. Der "zwirbelt seinen Bart zwischen Daumen und Zeigefinger und nickt vor sich hin", während Arda sich fragt, warum die Brust der Schauspielerin raushängt und sie das Publikum so anschreit.

Öziris Debüt steht auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises und ist für den aspekte-Literaturpreis des ZDF nominiert. Seine Sprache ist so überzeugend, weil sie mit dem Protagonisten mitwächst, sich je nach Szene wandelt: Auf dem Bahnhofsplatz redet Arda lässig, erst wenn die Polizisten kommen, holt er seine Abitur-Stimme hervor. Die Geschichte seiner Mutter erzählt er mit großer Ernsthaftigkeit nach, und schreibt er vom Leben seiner Schwester, klingt er wie sie: verzweifelt und trotzig. Dazwischen türkische Redewendungen, sparsam auch Metaphern: Liest man Öziri, kann ein Lachen im Garten "verbuddelt" werden, und Erzählungen finden ihren Weg "wie Wasser". In den deutschen Behörden, in denen Arda regelmäßig Wartenummern ziehen muss, spricht er als Kind nur Türkisch. Es ist eine stille Regel seiner Familie: "Wahrscheinlich muss man sich im Ausländeramt auch benehmen wie Ausländer. Und in Arztpraxen und beim Arbeitsamt ist es genauso."

Auf dem Bahnhofsplatz sagt man "Bro" zueinander, seine Großmutter nennt er "Anneanne", und Herrn Kozminski vom Ausländeramt spricht Arda mit "Sir" an. Er weiß genau, wo man welche Sprache von ihm erwartet, und manchmal bricht er damit. Kurz vor seinem Abitur, als er für die Einbürgerung seine Deutschkenntnisse beweisen soll, schreibt er: "Ich breche nachts den Stern von euerm Benz und trage ihn an meiner Halbmondkette. Ich will kein Arzt oder Anwalt werden, ich werde Superstar oder arbeitslos." Dann, nach 18 Jahren ohne Pass, bekommt er endlich die Urkunde "mit dem fucking Adler".

Wie sein Protagonist ist Necati Öziri im Ruhrgebiet bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und hat später Literatur studiert – die Vermutung, dass Vatermal autofiktional ist, liegt deswegen nahe. Dass der Autor von jener Vermutung genervt sein könnte, auch. In der Vita des 34-Jährigen steht mit einem Augenzwinkern: "In seinen Texten ist natürlich alles wahr." Unter dem Titel Get Deutsch or Die Tryin' feierte Ardas Geschichte in ähnlicher Form schon 2017 im Berliner Maxim Gorki Theater Premiere – eine Anspielung auf das Album Get Rich or Die Tryin' des US-amerikanischen Rappers 50 Cent. Darin rappt er: "I grew up without my pops, should that make me bitter?" ("Ich wuchs ohne Papa auf, sollte mich das verbittern?")

Genau wie Öziris flapsige, jugendliche Sprache funktionieren die Rap-Referenzen so gut, weil er sie nicht für Street-Credibility benutzt, sondern Rap ernst nimmt und einbindet. 50 Cent hat seinen Vater nie kennengelernt, und auch die Rapper der frühen 2000er-Jahre, die Öziri im Roman als Identifikationsfiguren der Jugendlichen auswählt, wuchsen ähnlich auf wie sie: Eko Fresh, den Arda gerne nachahmt, hatte eine alleinerziehende Mutter, und der Vater von Kool Savaş, dessen Lieder auf dem Bahnhofsplatz liefen, saß in der Türkei im Gefängnis. Für Arda und seine Freunde ist Rap eine Art Vaterersatz: "Damit ihr uns vorlebt, wie man mit der Gewalt, die in einem schlummert, umgeht, wie man Wut in Taktik verwandelt, wie man sich nicht schämt für seine behaarten Finger, wie man später seinem Kind ein Vater wird."

Weil da aber keine Väter sind und das "scheiß Leben" immer noch nicht angefangen hat, drehen die Jungs eben Kool Savaş auf: "Egal was kommt, nach vorne gehen / Könnte bald der beste Tag deines Lebens sein". Erst wenn man mit Schläuchen im Hals auf der Intensivstation liegt, weiß man: Genau das – auf der Bank rumsitzen, wegrennen, Joints rauchen, einfach Freunde sein – war womöglich schon das Leben.



Necati Öziri: Vatermal. Roman; Claassen, Berlin 2023; 304 S. ...


Aus: "Das Scheißleben ohne Vater" Eine Rezension von Jolinde Hüchtker (6. Oktober 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/2023/42/vatermal-necati-oeziri-debuetroman

Textaris(txt*bot)

Quote" ... Hat das Vaterbild als Urbild der menschlichen Seele einen Einfluß auf das Sein und Handeln des Menschen und damit auch auf das Leben und Handeln der menschlichen Gesellschaft? ... Das Unbewußte des neurotisch nicht gestörten Menschen weiß, daß der Vater nicht alle Ideale vertreten kann, die die Mitte mit dem Vaterbild verbindet. Deshalb überträgt die Mitte mit Hilfe des Vaterbildes Ansprüche auf vaterverwandte Gestalten im sozialen Bereich, auf Vorbilder der Vergangenheit und Gegenwart, auf soziale Einrichtungen, schließlich auf kirchliche und politische Führer, die eine Stellvertretung des Vaters im Himmel symbolisch darstellen sollen. ... Der Anspruch, der mit dem Vaterbild übertragen wurde, schlägt in die Ablehnung jeglichen Vatererlebens um, die Bitte versteckt sich hinter die Revolte, und das Insuffizienzgefühl treibt den Menschen in die Masse rebellierender Söhne und Töchter hinein. So wie die Grundgestalt des Vaters Symbol bestimmter Werte sein sollte, so werden die Prinzipien, Forderungen und Handlungen der Masse Symbole der Enttäuschung und Verneinung. Diese Ansprüche und Deklarationen rebellierender Gruppen innerhalb der Gesellschaft wären von der Soziallehre auch dahingehend zu untersuchen, wieweit sie einen Katalog unerfüllter Hoffnungen, die ursprünglich mit dem Vaterbild des Unbewußten verbunden waren, enthalten. ... Erst die Neurosenforschung konnte aufzeigen, daß hinter krankhaften Faszinationen und Aversionen gegenüber der Sachwelt Mißverhältnisse zwischen Personen und Urbildern stehen. ...  Was den Charakter des Unabdingbaren, Unveränderlichen hat, ist vom Menschen dazu erklärt worden. Schuldangst und »Über-Ich-Forderungen« resultieren aus Beziehungen, die der einzelne mit anderen eingegangen ist und die eine Wertübermittlung verursachen. Mit der Wertübermittlung ist aber erfahrungsgemäß immer ein Führungsanspruch verbunden, der ebenso nachweislich gerne absolut gesetzt wird und damit den einzelnen behindert. Eine radikale Kultur und Wertkritik wird in einer weltanschaulich oder ideologisch festgefügten Gesellschaft immer nur gegenüber der Vergangenheit zugelassen, weil sie dann für die Ordnung der Gesellschaft ungefährlich ist. ... Der Kampf zwischen väterlich-autoritärer und brüderlich-revolutionärer Anthropologie setzt sich in der Gesellschaftslehre weiter fort. ... Die Wiederbelebung der Väterlichkeit und die Ablehnung des Väterlichen sind zwei gegensätzliche Wirkweisen des unbewußten Vaterbildes. Eine Synthese psychologischer oder soziologischer Art scheint es nicht zu geben, da jedes Bild des Unbewußten von seinem Wesen her ambivalent ist. Um aber die Gegensätzlichkeit zwischen Vatersuche und Vaterablehnung, »Vaterherrschaft« und »Sohnesautonomie« verstehen zu können, sei darauf hingewiesen, daß das »esse ab alio« [von einem anderen sein] und »esse cum alio« [mit einem anderen zusammen sein] im Verhältnis Vater-Sohn eine mit der Natur des Menschen notwendig verbundene vertikale Spannung enthält. ..."

Aus: MATTHIAS BECKER: "Das Vaterbild des Unbewußten in seiner Bedeutung für die Sozialwissenschaft"
Institut für Christliche Sozialwissenschaften (ICS), Westfälische Wilhelms-Universität Münster DOI: 10.17879/JCSW-1965-912
Quelle: https://core.ac.uk/download/pdf/267984239.pdf


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Tags zuvor war Axel Springer junior, 38, von Sylt nach Hamburg zurückgekommen, und abends saß er zu Hause in der Brabandstraße noch mit Freundin Renate zusammen. Nachts gegen zwei ging der Verleger-Sohn mit seinem Hund, einem Labrador, ins Dunkel hinaus.

Eine Spaziergängerin fand ihn am anderen Morgen, Donnerstag letzter Woche, auf einer Parkbank am idyllischen Alsterwanderweg, den Kopf im Nacken, weit zurückgelehnt, tot.

Springer junior -- Ältester des Großverlegers, Journalist, Photograph und Mit-Chefredakteur der »Welt am Sonntag« -- hatte sich mit seinem Revolver in die Stirn geschossen. Die Waffe lag neben ihm auf der Bank. Kein Zweifel für die Polizei, daß es ein Freitod war -- womöglich Folge von Depressionen, die sich laut einer Mitteilung des Verlags nach »einer vor einem halben Jahr aufgetretenen Infektionskrankheit« einstellten.

Der Tod des Verlegersohns hat die Erbfolge im größten westdeutschen Zeitungskonzern (Jahresumsatz: 1,7 Milliarden Mark) ins Ungewisse gerückt, kaum daß sie geklärt schien. Denn mehr und mehr sahen die Leitenden des Hauses in Springers ältestem Sohn, der nach Zeiten der Trennung und Entfremdung vom Vater vor neun Jahren wieder in das Unternehmen zurückgekehrt war, den Verlagsherrn der zweiten Generation.

Springer junior hatte seine erfolgreiche, einst nach der Abkehr vom Vater unter dem Pseudonym Sven Simon gegründete Münchner Photoagentur einem Geschäftsführer überlassen. Neben seiner Arbeit bei der »Welt am Sonntag« büffelte er mit Hilfe eines Hauslehrers die wirtschaftlichen Grundlagen des Verlagsgeschäfts, das jahrelang von ihm geschmähte »Erbsenzählen«. Der Junior: »Ich lerne auf Verleger.«

Dieser Wandel aber hatte ihn offenbar nicht von Beschwernissen befreit, an denen er seit je trug, »das Tragische an ihm«, wie es sein früherer Agentur-Teilhaber Peter Bizer empfand, der heute beim »Stern« arbeitet. Denn der in Gesellschaft meist aufgedrehte jungenhafte Mann war leicht verletzlich, neigte zur Melancholie und hatte stets Schwierigkeiten, seinen Platz im Zwölftausend-Mann-Konzern des Über-Vaters zu finden.

Mit Selbstironie schien er überwinden zu wollen, was ihm zu schaffen machte -- auch seine Neigung zum Kränkeln oder die Scheidung von seiner Frau Rosemarie, in der er auch später noch immer »die Richtige« sah. »Ich bring' mich nicht um«, sagte er zu Freunden, »dazu bin ich viel zu feige.«

 Seinen Revolver trug er bei sich, seit er, obwohl polizeilich als gefährdete Person eingestuft, Leibwächter abgelehnt hatte. Und gefährdet waren die Springers gewiß. Ihre Zeitungen von »Bild« bis zur »Welt am Sonntag« galten den Demonstranten der Apo ("Haut dem Springer auf die Finger") wie den Desperados von der RAF als politische Bastionen der »herrschenden Rechtskräfte in der BRD«; Chaoten legten bei Springer in Berlin Feuer, die Baader-Meinhofs bei Springer in Hamburg Bomben.

Der unmittelbare Einfluß des Verlegers auf seine Redaktionen machte die Frage nach der Führungs- und Erbnachfolge im Haus Springer erst interessant. Der Verleger selbst ist Alleingesellschafter der »Axel Springer Gesellschaft für Publizistik KG«, einer Holding, die wiederum allein die »Axel Springer Verlag AG« besitzt. Holding-Geschäftsführer sind, neben Springer, der Alleinvorstand der Verlags-AG, Peter Tamm, die leitenden Springer-Mitarbeiter Peter Boenisch, Chefredakteur der »Welt«, und Ernst J. Cramer sowie Heinrich V. Prinz Reuss. Ihnen würde bei Springers Tod die Unternehmensführung, der Familie das Vermögen zufallen -- darunter Tochter Barbara, 44, aus erster und Sohn Raimund Alexander, 17, aus vierter Ehe des Verlegers.



Ob aber der Vater mit dem älteren, aus zweiter Ehe stammenden Sohn Größeres vorhatte, ob er ihn für den Fall seines Todes den Holding-Herren über- oder unterordnen würde, blieb über die Jahre hinweg unklar, anders als in den anderen westdeutschen Verlagskonzernen:

* Altverleger Franz Burda ("Bunte«, »Das Haus«, »Freizeit-Revue") teilte seinen Söhnen Franz junior den Druckbereich, Frieder das Finanzwesen und Hubert das Verlagsgeschäft seiner Unternehmen in Offenburg und München zu;

* Alfred Bauer, 81, Seniorchef des Hamburger Presse-Konzerns ("Quick«, »Neue Revue«, »Playboy"), führte seinen Sohn Heinz Heinrich, 40, behutsam an die Unternehmensführung heran; nächstens soll sie der Junior, schon einer von zwei Generalbevollmächtigten, allein übernehmen;

* Reinhard Mohn, 58, Vorstandsvorsitzender des Gütersloher Buch-, Musik- und Zeitschriftenkonzerns Bertelsmann, Dreiviertelinhaber bei »Stern« und »Brigitte«, übertrug seinem Sohn Johannes, 30, schon vor Jahren einen 80-Prozent-Anteil an der größten westdeutschen Medienfabrik (Jahresumsatz: 3,5 Milliarden Mark).

 Axel Springer junior hingegen fehlte es schon an der wirtschaftlichen Vorbildung, auf die er keinen Wert gelegt hatte, in früheren Jahren sogar am Willen zur Nachfolge. Er ging lieber zum Photographieren auf den Fußballplatz und sorgte für den guten Ruf seiner Agentur. Damals suchte Springer senior immer wieder mal unter Verlegern, Bankiers und Industriellen nach Käufern für Unternehmensanteile.

Nun, nach dem Tode des »hochbegabten Bengels« (Springer senior), stellt sich ihm von neuem die Frage nach einem Interessenten oder einem Nachfolger. Es müsse ja nicht, meinte der Verleger vor Jahren, »unbedingt ein Springer sein«.


Aus: "Ins Ungewisse" (06.01.1980)
Quelle: https://www.spiegel.de/politik/ins-ungewisse-a-2a568473-0002-0001-0000-000014315396

https://de.wikipedia.org/wiki/Sven_Simon_(Fotograf)