In einer Wohnsiedlung aus Einfamilienhäusern, zwischen gepflegten Vorgärten mit akkurat geschnittenen Hecken, abgezäunten Rasenflächen und parkenden Autos, die sich wie weich gebettete Juwelen in Schaufenstern lümmeln, und dem alljährlichen Ritusschmuck christlicher Konsumfreude, steht er da; ein Gnom in Kinderkleidung. Er mag vielleicht fünfzig Jahre alt sein, doch seine Körpergröße geht nicht über ein Meter dreißig hinaus. Er stützt sich mit beiden Armen auf dem Griff seines Handkarrens ab, der ihm fast bis ans Kinn reicht. Er steht mitten auf der unbefahrenen Straße und scheint mit seinen dunklen Knopfaugen einen entfernten Punkt in der Ferne zu fixieren. Obwohl es kalt ist, trägt er nur einen dünnen Pullover und eine Stoffhose, die ihm paradoxerweise zu kurz ist. Das geschorene Haar lässt seinen runden, faltig durchzogenen Kopf kugelförmig zur Geltung kommen. Es geht eine fremdartige Traurigkeit von ihm aus. Erst als er sich wieder in Bewegung setzt, begreife ich, dass er Zeitung austrägt und sich nur kurz ausgeruht hatte. Er schiebt jenen Handkarren, den Omas einhändig hinter sich her ziehen, mit beiden fest umklammernden Händen vor sich her. Sein Gesicht verformt sich dabei zu einer Grimasse der Kraftanstrengung, und er muss seinen kleinwüchsigen Körper schräg dagegen stemmen, um überhaupt vorwärts zu kommen. Während er sich die Straße hinauf kämpft, geht unentwegt ein verächtliches Gestammel von ihm aus. Die Art, wie er dann die mit Werbung voll gestopften Zeitungen zusammen rollt, das überdimensional große Gartentor öffnet und sich zum viel zu hoch angebrachten Briefkasten streckt, lässt die Welt in einer neuen Größenordnung erscheinen. Einige Häuser weiter verschwindet er auf einem Grundstück mit wild wucherndem Garten, drängt sich durch herum stehendes Gerümpel auf einen Hinterhof und verschwindet in einem schäbigen Gartenhaus. Bevor er die Tür zumacht, schaut er heimlich zu allen Seiten, wie um sich zu vergewissern, dass er unbeobachtet ist. Ein kurzer Film aus dämonischen Zwiegesprächen und zwischenweltlichem Dasein rauscht durch mein Kopfkino, und dann taucht er wieder hervor, mit Bergen von Zeitungen, und er setzt sich wieder keuchend und fluchend in Bewegung, schiebt den Karren wie Sisyphus vor sich her, um sich mit einem kleinen Zuverdienst über die Runden zu bringen…