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[Zum Spannungsfeld der Musikindustrie... ]

Started by Textaris(txt*bot), June 13, 2005, 11:34:42 AM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...]  erbarmungslose strukturelle Heiterkeit ...

Aus: "Deutscher wird's nicht" Heike-Melba Fendel (29. November 2017)
Quelle: http://www.zeit.de/kultur/2017-11/helene-fischer-deutscher-schlager-10nach8/komplettansicht

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Taylor Swift ist in den USA in etwa das, was hierzulande bedauerlicherweise Helene Fischer ist – eine Erfolgsmaschine. Seit 2006 bringt sie pünktlich alle zwei Jahre, immer im Herbst, ein neues Album heraus und wird daraufhin mit Preisen beworfen. Ihr Rezept: Poliertes Zeug, peinlich genau sitzende Refrains, im Reinraum gefertigte Ohrwürmer. Eine Klangwelt wie eine Gummizelle: Wehr dich nicht, du entkommst sowieso nicht.

Selbst wer den hochsynthetischen Cyborg-Pop von ,,TayTay" abstoßend finden will, springt auf den Beat irgendwann an, so, wie der Pawlow'sche Hund zu sabbern beginnt. Ihre säuselnde Stimme, aus der spätestens auf ihrem nun neuesten Album Reputation der letzte Rest Menschlichkeit digital herausgefiltert wurde, massakriert das Glückszentrum des Hörers erbarmungslos wie ein Vollrausch. Nach 55 Minuten ist auch der letzte Kritiker dem Bann der Sirene verfallen, hätte sich höchstens widersetzen können, indem er sich die Ohren wie Odysseus mit Wachs verschließt.

... Die Studenten-Bravo Neon jubilierte, Swift schreibe ihre Songs so ,,konkret", dass man bei jedem überlegen müsse, an wen er gerichtet sei. Eine erstaunliche Neuinterpretation des Wortes. Denn wenn Swifts Cyborg-Pop eines nicht ist, dann konkret. ...


Aus: "Atemlos durch das Dach" Konstantin Nowotny (Ausgabe 47/2017)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/konstantin-nowotny/atemlos-durch-das-dach


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Mit der digitalen Musikrevolution haben Playlisten und Best-of-Samples ihren Siegeszug angetreten, befreit vom Korsett der Alben und maßgeschneidert auf den Hörer und dessen Geschmack. Was nach Diversifikation en masse klingt, pflasterte für Köpke von popup-records den Weg ins Lyriksterben. ,,Es geht nur noch um Stimmungen, um musikalische Klangfarben, um ,Moods'. Texte stehen weit zurück hinter der musikalischen Grobwahrnehmung", sagt er. ,,Da ist scheißegal, was für eine Band das ist – und noch scheißegaler, was die eigentlich singen." ... ,,Den Menschen gefällt, was sie gewohnt sind zu hören. Von daher gibt es da einen Verstärkungseffekt", sagt Dahmen von der Popakademie Mannheim. ... Wenn es nach den Forschungsergebnissen von David Henard, Professor für Marketing an der North Carolina State University, geht, dann entdecken die Leute lyrisch seit Jahrzehnten immerzu das Gleiche. In seiner Studie von 2014 analysierten er und seine Kolleg*innen sämtliche amerikanische Chart-Spitzenreiter seit den 1950ern auf die am häufigsten auftretenden Worte. Wenig überraschend: Love, Baby, Man und Girl sind Dauergäste unter den Top Ten.  ... Henards Forschung zeigt: Für kommerziellen Erfolg gibt es wie bei einem Backrezept Standardzutaten. Das gilt besonders für Lyrics. ,,Je nach zeitgeschichtlichem Zusammenhang wird dann variiert. Das ist nichts Besonderes, das kennen wir auch vom TV-Krimi." Ähnliches entdeckte 2015 ein Team der University of Southern California um Joseph Nunes, nur ging es dabei um die Frequenz der Worte: Je häufiger sich Musiker wiederholen, desto wahrscheinlicher ranken sie oben in den Charts. ...



Aus: "Warum wir uns musikalisch am liebsten berieseln lassen" Tobias Landwehr (2017)
Quelle: https://ze.tt/warum-wir-uns-musikalisch-am-liebsten-berieseln-lassen/

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Kommerzielle Hintergrundmusik füllt alle Gemeinschaftsräume aus. ... Man kann sich ihr nicht entziehen - und unterliegt dabei einer ständigen Seelen- und Gehirnwäsche, die nur ein Ziel verwirklicht: ästhetische Einstimmung in Konsumtraurigkeit - was wiederum nach mehr Berieselung verlangt. Wie sich dem Teufelskreis entziehen?

Ständige Radiomusik im Hintergrund füllt Supermärkte, Einkaufszentren, Kaffees, Bars, Fitnesscenter, Schwimmbäder, Geschäfte, Meetingräume, Hotelhallen, Frühstücksräume, Wellnesszentren, Amtsstuben der Verwaltung, öffentliche Schalterräume, Banken, Postaufgabestellen, Busse, Taxis, Arztwarteräume, Arztbehandlungsräume, Apotheken, ja die Vorräume von Erste-Hilfe-Einrichtungen in Spitälern und die Therapieräume Langzeitkranker. Ein ganzes System der Hintergrundberieselung hat sich etabliert - dem sich im Alltag kaum jemand entziehen kann.

Die Konsumgesellschaft hat sich im Prinzip der Hintergrundmusik einen kulturellen Überbau geschaffen, ohne dass dies von irgendjemand Bestimmtem ausgegangen wäre oder kontrolliert würde. Universale Hintergrundmusik ist die Metaphysik der Konsumgesellschaft: Sie scheint sich als technologischer Selbstläufer längst von jeder menschlichen Kontrolle emanzipiert zu haben und sich selbst fortzuschreiben.

Das Prinzip der Hintergrundmusik funktioniert weitgehend über das kommerzielle Radio. Es verlangt nach der Produktion von immer neuer Plastikmusik, der niemand zuhört, die aber jeder wahrnimmt - ja in der technologisch aufgerüsteten Gesellschaft wahrnehmen muss, wenn er überhaupt in die Öffentlichkeit geht. Denn Radio-Hintergrundmusik ist überall. Sie ist in alle Ritzen des nicht-privaten Raums eingedrungen, und sie ist dabei erstaunlich homogen. Ihre Wirkung ist eine ständige Seelen- und Gehirnwäsche im Halb- und Unterbewussten. Ihr Effekt ist in erster Linie seelische Gleichmachung, damit niemand aus dem Mainstream ausschert.

Dieses System transportiert letztlich nur eine Botschaft, die ebenso einfach wie effizient und tiefgehend ist. Hintergrund-Radiomusik wirkt als subtile Verstärkerin: als dauernde, unbewusste Stimulation zu sinnloser Traurigkeit an mir selbst. Das soll mich letztlich zum Konsum führen.

Die ständige Hintergrundberieselung hat nur eine Botschaft: Das Leben ist ebenso zärtlich wie sinnlos, ebenso weich wie weiß und leer, ebenso oberflächlich-emotional wie kitschig-unveränderlich. Alles ist nichts, gib auf, spür das Nichts an und in dir selbst als Ödnis. Dann gib dich hin, konsumiere, um etwas zu tun und die Traurigkeit loszuwerden.

Kaum ein Radiohit transportiert heute etwas anderes - schon gar nicht die Top50, die die meisten Radiosender mit wenigen Abwechslungen den ganzen Tag lang spielen, sodass man nach drei Stunden dasselbe Lied schon mindestens dreimal gehört hat. Die Künstler selbst, die diese Musik für das allgegenwärtige Musikradio schaffen, scheinen wie in einem Trance-System gefangen. Sie meinen, kreativ zu sein - und wiederholen hilflos eine seelische Konditionierung, der sie selbst unterliegen und die sie für alle anderen unaufhörlich erneuern - über Kulturen, Geschlechter und Generationen hinweg.

Das Medium ist hier endgültig zur Message geworden: Nicht was gespielt und gesungen wird, ist wesentlich, sondern dass es gespielt und gesungen wird als letztlich immer Gleiches. Niemand ist anders, alle sind gleich und ebenso traurig, hoffnungslos, gelangweilt und "neutral" wie alle anderen - und das ist eben das Leben. Auf der anderen Seite braucht in solcher Konstellation niemand etwas Eigentliches preiszugeben - weil ja ohnehin alles so ist, wie es ist. Das Wesentliche des Eigenen gibt es nicht. Es gilt zu füllen, nicht etwas auszudrücken.

Es ist das Prinzip der ständigen Wiederholung des Inhaltslosen: des sich im Kreisdrehens. Ist solcherart mit der Allpräsenz des Prinzips der Hintergrundmusik nicht das Ende der Geschichte tatsächlich in einer bestimmten Dimension unserer Gesellschaft Realität geworden?

Wie der Künstler Nick Cave einmal über das Wesen dieser Radio-Hintergrundmusik sagte: Man hat alles schon einmal gehört. Es ist wie ein Essen, das jemand schon einmal gegessen und wieder ausgekotzt hat, das dann jemand anderer aufgeleckt, wieder gegessen und wieder ausgekotzt hat. Und so weiter, und so weiter. Bis alle von der Speise gekostet haben - und darüber Brüder geworden sind: Brüder der Sinnlosigkeit, der Indifferenz, des kommerzialisierten Nichts.

Dieses Nichts schafft sich in der Konsumgesellschaft seine paradoxale kulturelle Identität. Kein anderer Ort in der Gesellschaft trieft so von beschworenen Idealen, Liebe und Trauer wie die Hintergrundplastikmusik - nur um diese durch die bloße Art dieser Beschwörung als Seitenaspekt des Konsums als ihr Gegenteil zu erweisen. Die unaufhörlichen Liebesbeschwörungen in der Hintergrundmusik meines Einkaufsvorgangs erweisen den Vorrang des Konsums vor dem Ideal.

Auf der anderen Seite schafft sich die Konsumgesellschaft im Prinzip der nicht ausschaltbaren, unvermeidlichen und allpräsenten Hintergrundmusik ihre kulturelle Konstanz und Kontinuität. Unterbewusst wird wahrgenommen: Die universale kommerzielle Hintergrundmusik ist das einzige, worauf man sich verlassen kann, dass sie immer da ist und immer so ist, wie sie ist. Sie ist der einzige Ort, wo die ewige Wiederkehr des Gleichen tatsächlich Realität ist - ausweglos, perspektivlos, seinslos, sinnlos. Und stets ansaugend an etwas innerlich Reales in mir selbst: den Todestrieb.

Hintergrundmusik, wie sie unterbewusst - und ständig zum Unterbewusstsein auffordernd - alle Räume ausfüllt, ist die Suspension, die Aufhebung der Zeit im Ewig-Immergleichen. Unter ihrem Einfluss nimmt das Nichts im Innern des Zeitgenossen die Gestalt einer eigenschaftslosen Kombination von Langeweile, Gleichheit und Dumpfheit an - immer selbstreferentiell und immer ohne Richtung. Und dabei vergeht die Zeit. Die Hintergrundmusik schlägt Zeit im Hintergrund tot, während ich sie im Vordergrund zu leben hätte.

... Je mehr die Plastik-Kommerzmusik im Hintergrund bleibt, desto stärker ihre Wirkung - und auch, je primitiver sie ist und je öfter sie wiederholt wird. Je mehr man sie verdrängt, desto stärker die Wiedererkennung. Je mehr man weghört, desto größer die Widerstandslosigkeit des Absinkens. Und je mehr man sie noch während des Hörens vergisst, desto weiter in das Innere reicht sie.

Perspektivloses dumpfes Fühlen wird von ihr unterbewusst ausgelöst. Da dieses Gefühl immer zum Schmerz neigt, reizt es zur Aktivität an, "um mir etwas Gutes zu tun" - wenn ich mich schon so sinnlos, traurig und öde fühle. Also konsumiere ich, um die Traurigkeit zu vergessen.

... Im Gegensatz zu landläufiger Meinung (und zum Unsinn des "Ein Bild sagt mehr als tausend Worte") gilt: Weit tiefer als die Bilder geht das Hören. Das hat unter anderem Jacques Derrida in seinem Spätwerk gezeigt. Das unbewusste Hören steht heute im Dienst der Konsum-Traurigkeit. Damit hat die Populärmusik einen Zyklus, den sie in den 1950er und 1960er Jahren begann, abgeschlossen. War sie am Anfang eine künstlerische Rebellion gegen die Konsumgesellschaft und das Aufzeigen seelischer Alternativen, ist ihre Reintegration in das System des Konsummaterialismus nun endgültig und ohne Reste vollzogen. Populärmusik ist in der Form universaler Hintergrundmusik vom bewussten zum unbewussten Instrument geworden - und vom Akteur des Bewusstseins zu dem des Unterbewusstseins.

... Kommerzielle Hintergrundmusik kündet nicht nur in ihren Inhalten, sondern vielmehr durch ihre bloße Präsenz von diesem Nichts, droht ständig mit ihm, verwirklicht sich in ihm. Sie trichtert dieses Nichts als permanente Seelen- und Gehirnwäsche allen, die die Hintergrund-Radiomusikräume betreten, gnadenlos, unaufhörlich, mit maschineller Präzision ein.

... Doch warum entzieht sich niemand? Warum ertragen alle die Hintergrundmusikräume, ohne zu murren? Warum geben sich alle in diesen Räumen einfach seelisch auf? Oder haben sich Immunitäten entwickelt?

Niemand entzieht sich, weil man die Botschaft unterschiedlicher Lieder und Akteure der Musik-Industrie (die nicht zufällig so heißt) unterbewusst als ein und dieselbe Botschaft versteht - und zwar ganz zu Recht. Hintergrund-Radiomusik behauptet, dass es letztlich nur eine Botschaft gibt: die ewige Wiederkehr des Gleichen ohne Sinn. Und ein Schelm sei, wer Böses dabei denkt. Niemand lenkt hier im Hintergrund die "Gehirnwäsche": keine Verschwörung oder bestimmte Interessen. Sondern die Konsumgesellschaft hat sich ihren Gehirnwäschemodus gewissermaßen selbst geschaffen, und dieser Modus erschafft umgekehrt die gleiche Konsumgesellschaft andauernd neu. Die ewige Wiederkehr des Gleichen ist zur in tausend Liedern und Rhythmen variierten Selbstaffirmation der Konsumtraurigkeit geworden.

Dabei tut die Plastik-Hintergrundmusik viel mehr mit dem Menschlichen, als sie zugibt - vor allem bei jenen, die sie im Alltag schon gar nicht mehr bemerken. Gerade diejenigen, die - vielleicht berufsbedingt - in solchen Räumen leben müssen und sagen: "Ich höre das gar nicht mehr", hören es in Wirklichkeit am allermeisten.

... Die Hintergrund-Radiomusik ... geht viel tiefer, ... und erzeugt einen inneren Ohrwurm materialistischer Sinnlosigkeit. Dass die meisten Radiostationen wie erwähnt tagein, tagaus nur mehr die Top50 spielen, sodass man in drei Stunden Aufenthalt dasselbe Leid dreimal gehört hat, ist das Prinzip der Seelen- und Gehirnwäsche selbst. ... Hintergrundmusik ist die Kulturplage ständiger unterbewusster Seelen- und Gedankenwäsche.

... Es mag provokant wirken, aber für mich ist allpräsente Hintergrundmusik klar illiberale, ja autoritäre Musik. Sie lähmt schöpferische Kräfte herab und lässt Phantasie und Individualität keinen Raum. Stattdessen gleicht sie an und stimmt auf das scheinbar Unvermeidlich ein. Sie ist Selbstknebelung der freiheitlichen, offenen Gesellschaft an ihren Schatten, ihr Nichts: die Indifferenz.

...


Aus: "Hintergrundmusik" Roland Benedikter (02. Januar 2018)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Hintergrundmusik-3929090.html?seite=all


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Ende Dezember hat sich der schwedische Musikstreaming-Anbieter Spotify bei der US-Börsenaufsicht SEC (Securities and Exchange Commission) registriert. Damit bereitet das Unternehmen einen Börsengang im ersten Quartal des neuen Jahres vor. Das berichtet Axios unter Berufung auf mehrere nicht genannte Quellen, auch die Financial Times und das Wall Street Journal schreiben über die Pläne Spotifys. Eine Bestätigung Spotifys gibt es ebenso wenig wie öffentlich einsehbare Unterlagen. Laut Axios werden die entsprechenden Dokumente noch unter Verschluss gehalten.

Außergewöhnlich an Spotifys Börsengang ist, dass das Unternehmen offenbar nicht plant, selbst eigene neuen Aktien feilzubieten (Initial Public Offering, IPO). Es werden also nur jene Aktien gehandelt werden können, die bestehende Aktionäre an der Börse anbieten. Das Unternehmen verzichtet damit zumindest vorerst auf das bei einem IPO auflaufende Kapital, spart aber Zeit und Aufwand sowie die Kosten, die mit einem IPO verbunden sind.

Zusätzlich spart Spotify Zinsen: Ein Teil der Kreditlast weist einen Zinsfuß auf, der alle sechs Monate um einen Prozentpunkt steigt, bis Spotify-Aktien an der Börse gehandelt werden können. Dann können die Gläubiger ihre Forderungen samt Zinsen in rabattierte Spotify-Aktien umtauschen. 90 Tage später dürfen sie diese Anteile wieder verkaufen, während bestehende Aktionäre, darunter auch Mitarbeiter, 180 Tage warten müssen.

Statt Spotify selbst werden also voraussichtlich Gläubiger eine namhafte Zahl an Aktien auf den Finanzmarkt bringen. Werden die Anteile erst einmal gehandelt, wird auch ihr realer Marktwert ersichtlich. Das erleichtert es dem Unternehmen, andere Firmen zu übernehmen und dabei mit eigenen Aktien zu bezahlen. Erst dann können die bisherigen Eigentümer der übernommenen Firma einschätzen, was Spotify-Aktien wert sind, und wie schnell sie zu Geld gemacht werden können.

Am 29. Dezember hat der Musikverlag Wixen eine Milliardenklage gegen Spotify eingebracht. Wixen erhebt darin den Vorwurf, Spotify habe mehr als 10.000 Lieder gestreamt, ohne Lizenzen von Komponisten und Textern erstanden zu haben. Offen ist, welchen Einfluss die Klage auf Spotifys Börsenpläne haben wird.




Aus: "Spotify strebt an die Börse, aber ohne IPO" Daniel AJ Sokolov (04.01.2018)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/Spotify-strebt-an-die-Boerse-aber-ohne-IPO-3932534.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Einst transportierte Pop Freiheitsversprechen. Die Musik sollte einen wegführen vom Starren und Begrenzten, hin zum Offenen. Bob Dylan, später dann Punk und, partiell, selbst noch Techno: Immer wurde behauptet, dass ein gutes, freies Leben möglich ist - als radikaler Eigensinn, als Negation, als weltverliebter Hedonismus. Misst man Pop nach wie vor an diesen Versprechen, zeugt der Erfolg von konservativen und rechten Pop-Ästhetiken, den der Kulturpublizist Georg Seeßlen in seinem neuen Buch "Is this the End" konstatiert, von einem großen Verlust.

Es sei nicht weniger als "eine Art Endkampf um die Hegemonie im Pop" entbrannt, schreibt Seeßlen. Gegeneinander treten an: die utopischen Restbestände, der Pop der neuen Rechten und der "Pop eines Mainstream, der mit Gewalt zur Indifferenz drängt und schon jetzt von nichts gewusst haben wird" - Letzterer wird in "Is this the End?" vor allem verkörpert durch Helene Fischer, neben dem Philosophen Antonio Gramsci die am häufigsten erwähnte Person dieses Buchs. Ein Lied wie "Atemlos" enthält laut Seeßlen kein Versprechen auf ein besseres Leben mehr, sondern erzählt davon, dass "man zugleich erotisch-abenteuerlich und bürgerlich-kontrolliert ('angepasst') sein kann".

Die Passagen, in denen Seeßlen den zunehmenden Erfolg einer rechten Pop-Ästhetik theoretisiert, gehören zu den klärendsten des Buches. Rechts heißt hier nicht "rechte Parolen" - sondern zuerst nur die komplett humorbefreite Feier des Bestehenden, die sich im Einklang mit der Herrschaft weiß.

Die zentralen Charakteristika des Pop werden in diesem Sinne besetzt und verwandelt. Das Versprechen auf Freiheit und Ungebundenheit scheint nicht mehr allzu glaubwürdig zu sein. In die Leerstelle rückt beispielsweise das Versprechen auf eine widerspruchsfreie nationale Identität. "Dass sich eine Gruppe wie Frei.Wild schon im Namen gleich zwei Begriffe unter den Nagel reißt, mit denen Rock'n'Roll einst magisch verbunden war, und dass sie diese Verbindung dann noch in einen heimatlich-völkischen Kontext rückt, könnte man als semantische Meisterleistung betrachten", schreibt Seeßlen. "Oder als Höhepunkt allgemeiner Verblödung, wie man es nimmt."

Der Erfolg von Frei.Wild hat ein Lebensgefühl zur Voraussetzung, das von der eigenen gefühlten Gängelung zehrt. Starre Identität als Antwort auf - na ja, auf was auch immer. Man weiß nicht so recht, worunter genau diese Leute leiden und ob überhaupt. Laut Seeßlen wiederum ist das Erstarken der Rechten das Symptom, der Neoliberalismus gleichsam der Endgegner - als die Form des Kapitalismus, die immer mehr Menschen in ständiger Unsicherheit hält und sie bis ins Innerste zu marktförmigen Subjekten formen möchte, statt nur schlicht ihre Arbeitskraft auszubeuten.

Zum Prekariat gehört nach Seeßlen in ökonomischer Hinsicht dann der freischaffende Popkritiker genauso wie die Bäckereiverkäuferin. Kulturell getrennt blieben sie, obwohl sie materiell in einer ähnlichen Lage sind. Unter anderem weil die eine, zum Beispiel, Helene Fischer und der andere zum Beispiel Animal Collective hört.

Eine Fragmentierung, die Beherrschbarkeit schafft: Das Prekariat definiert Seeßlen als "Klasse ohne Klassenbewusstsein, ohne Klassenstolz, ohne Klassenorganisation", eine Ansammlung von Individuen, die sich über kulturelle Vorlieben definiert - "die Erfüllung der feuchten Träume von Neoliberalen und Rechtspopulisten gleichermaßen". Man kann das Prekariat wesentlich leichter ausbeuten als Menschen, die sich miteinander über kulturelle Unterschiede hinweg solidarisieren.

So weit ist das alles nachvollziehbar. Nur wäre es erhellender, wenn diese Thesen argumentativ ausgeführt würden, anstatt vor allem gesetzt. Georg Seeßlen hat mit einer Vehemenz Sätze auf die Seiten gebrettert, die in der gern ironisch abgesicherten Popkritik nur selten zu finden ist. Die Familien heute sind "verunsicherte Scherbenhaufen", "wir amüsieren uns, indem wir die Welt töten", und in den "Bibi und Tina"-Filmen tropft "das Grauen der Indoktrination aus jeder Einstellung". Das erzeugt zuerst den Eindruck von Dringlichkeit, auf lange Strecke dann aber ein indifferentes Grundrauschen.

Einen ähnlichen Effekt kann die an manchen Stellen fehlende Sorgfalt haben, wenn es um Namen und Zitate geht. Beth Ditko heißt Beth Ditto, Yello Biafra nennt sich eigentlich Jello Biafra, und die Beatles wollten es "in the road" tun und nicht "on the streets". Wenn die Kleinigkeiten nicht stimmen, sind die großen Thesen vielleicht auch nicht durchgearbeitet.

Das mag stimmen, einerseits. Andererseits schreibt Seeßlen aber ohnehin in einer Weise, die gar nicht im engeren Sinne überzeugen will, sondern nach wirklicher Auseinandersetzung verlangt. Ein Angebot, Gedanken mitzudenken, die hier sozusagen ohne Geländer entfaltet werden. Verborgen hinter den kompromisslosen Sätzen wirkt eine Lust am dialektischen und das heißt hier eben auch am spielerischen Denken. Man läuft los, mit einem ganzen Ensemble von Widersprüchen im Gepäck, und schaut, wo man mit einer starken These ankommt, im besten Fall, ohne dass es sie aus der Kurve trägt.

"Is this the End?" ist so auch eine Aufforderung zur Repolitisierung des Nachdenkens über Popkultur. Ach, und zur Beantwortung der titelgebenden Frage: "Es gibt auch in der Popkultur und ihrer Geschichte keine Alternativlosigkeit", schreibt Seeßlen. Also nein: Das Ende ist noch nicht in Sicht.

Quotemucki007 heute, 11:17 Uhr

2. Nervig

Genau solche Artikel und Meinungen sind es, die heutzutage den Menschen auf die Nerven gehen. Kann ich denn nicht einfach mal Musik hören, egal welche Richtung, ohne alles gesellschaftskritisch zu hinterfragen? Einfach in der heutigen Zeit Spaß an irgendwas haben, ohne sich Gedanken über political Korrektness machen ?


QuoteDas dazu heute, 11:30 Uhr

3. Wie sieht es im Hirn eines solchen Menschen nur aus?
Solch schräge Theorien, Argumente und Meinungen. Der Hr. Seeßlen sollte mal zu einem Doc gehen, wenn er hinter allem und jedem den Klassenkampf und die Unterdrückung vermutet. Man kann über Helene Fischer streiten, ist auch nicht meine Musik. Aber das sie die Aufgabe habe, den Menschen Zuversicht zu geben, ist extrem steil. Musiker wollen meit mit ihrer Musik die Menschen unterhalten. Und Geld verdienen. Beides schafft die Fischer gut. Mehr da rein zu interpretieren, ist krank.


Quotemarkrenton heute, 12:10 Uhr
4. ... alles andere ist nur Pop
Vor Jahren hat der ZDF in seiner Sendereihe History eine interessante Doku über deutschen Schlager (ca 1900 - 2009) herausgebracht, die sehr anschaulich das Wechselspiel zwischen Gesellschaft und Musik illustrierte. Wenn man diese Dynamik mit berücksichtigt, wird einem schnell klar wie kurzsichtig die hier dargestellten Beobachtungen sind. Schlager- und Popmusik lebt von einer hohen Verbreitung und guten Verkaufszahlen (daher MusikINDUSTRIE) dadurch kann sie auch zu einem identifikationsstiftenden Mittel werden: Die Musik der 60er, 70er, 80er und 90er war hedonistischer und freiheitssuchender, da die Leute einen Kontrast zu den noch vorherrschenden bürgerlichen Konventionen und den Schrecken des Kalten Krieges gesucht haben. Parallel dazu kann man sich auch die erfolgreichen Filme aus diesen Jahren ansehen, die sich analog entwickelten. Seit dem 11. September ist die Stimmung im Westen umgeschlagen und zusammen mit der Finanz- und Wirtschaftskrise, hat sich eine art Neo-Biedermeier entwickelt, wo sich ein Großteil der Bevölkerung nur noch Stabilität und Sicherheit wünscht. Siehe dazu die Renaissance der sogenannten preussischen Werte und Nostalgie nach den 80ern und 90ern. Hinzukommt, dass die Gesellschaft so wie die Eltern - die alten Rebellern der 60er, 70er und 80er Jahre, nur wenig Potential liefern, um sich dagegen aufzulehnen. Zu verständnisvoll. Da helfen nur noch griffe in deren Taboo-Kiste (Frei.Wild, Kollega... etc) Was Herr Seßleen geflissentlich übersieht ist die hoher diversifikation des Musikangebots: Noch nie war es so einfach eigene Musik zu veröffentlichen oder an unbekannte Künstler heranzukommen - Musik wird individueller und spezifischer. Das dies gegen den überholten Klassengedanken (Den Brecht'schen Arbeiter ist ein Fabeltier) von Herrn Seßleen geht, ist schade. Kurzum... Nein, es ist nicht das Ende. Nur eine Phase. Musik spiegelt die Gesellschaft und liefert wie der Tamborine Man nur das, was wir wollen:) Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei, Auf jeden Winter folgt auch wieder ein Mai. Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei, Erst geht der Hitler und dann auch die Partei.


Quoteericstrip heute, 12:29 Uhr

7.

... Subkulturen entstanden vor allem, um einen Halt in einer gleichgesinnten Gruppe zu finden und sich von den Eltern abzugrenzen. Es geht bei Musik um das persönliche Gefühlsmanagement, nicht um die Revolution.


...


Aus: "Eine Art Endkampf" Benjamin Moldenhauer (21.05.2018)
Quelle: http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/is-this-the-end-von-georg-seesslen-eine-art-endkampf-a-1205222.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der US-Kongress arbeitet an einer Gesetzesinitiative, mit der altgediente Musikkünstler und Tonträgerhersteller für ihre "wichtigen Beiträge zur Gesellschaft" belohnt und ihre Werke deutlich länger vergütet werden sollen. Laut dem Entwurf für einen "Compensating Legacy Artists for their Songs, Service, and Important Contributions to Society Act " werden digitale Übertragungen von Musik- und Tonaufnahmen, die zwischen 1923 und 1972 entstanden sind, bis 2067 urheberrechtlich geschützt. Das Copyright würde damit im Extremfall 144 Jahre lang gelten, während die Schutzfrist in den USA im Regelfall derzeit 95 Jahre beträgt, was im internationalen Vergleich bereits lang ist.

Mit dem "Classic Act", den das US-Abgeordnetenhaus jüngst bereits befürwortete, wären fast alle Einspielungen von Musikstücken aus der Zeit vor 1972 bei einer Wiedergabe etwa über das Internet länger als 95 Jahre geschützt und müssten entsprechend vergütet werden. Wer ein entsprechendes Werk etwa in ein kommerzielles Video, eine Audio-Dokumentation oder einen Podcast einbauen wollte, müsste dafür zahlen und den oder die Rechteinhaber ausfindig machen. Ein zentrales Verzeichnis der Urheber oder Produzenten beziehungsweise ihrer Erben gibt es gerade für derart alte Aufnahmen aber nicht, was die Betroffenen in der Praxis vor große Probleme stellen dürfte, da sie in den meisten Fällen die Einwilligung der Rechteinhaber für eine Wiedergabe einholen müssten.

Das Gesetz würde ferner alle einschlägigen Tonaufnahmen von verbrieften Nutzerrechten etwa für Bildungszwecke ausnehmen sowie in vielen US-Staaten zunächst ein neues Recht für digitale öffentliche Aufführungen und Musikeinspielungen schaffen. Zudem würden sich die USA mit der umfangreichen Schutzdauerausweitung vom Rest der Welt abkoppeln. So war in der EU die entsprechende Frist für Musikkünstler und die Plattenindustrie zuletzt 2009 von 50 auf 70 Jahre ausgedehnt worden. Die EU-Kommission konnte sich dabei nicht mit ihrem Vorschlag durchsetzen, die Urheberrechtsgeltung auf 95 Jahre nach US-Vorbild zu verlängern.

Glaubt man europäischen Sachverständigen, ist das Copyright mit derlei Schritten längst "vollkommen aus dem Ruder gelaufen". Auch in den USA wächst nun der Protest gegen das neue, zunächst weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt vorangetriebene Unterfangen. So haben in dieser Woche 42 Rechtsgelehrte einen Brandbrief an die zuständigen Politiker im US-Senat geschrieben, wo der Entwurf als nächstes behandelt werden soll. Sie warnen darin, dass der "Classic Act" mit den eigentlichen Copyright-Zielen unvereinbar und insgesamt unverhältnismäßig sei. Anreize, neue Werke zu schaffen, würden damit nicht geschaffen, sondern allein bestehende Rechteinhaber belohnt. Das mit nichts zu rechtfertigende Vorhaben dürfte ihrer Ansicht nach parallel "schädliche Auswirkungen auf die Öffentlichkeit" entfalten.

Zu den Unterzeichnern des Schreibens gehört der Harvard-Rechtsprofessor Lawrence "Larry" Lessig, der seit Langem gegen die Auswüchse des Copyright-Systems kämpft und als Alternative das "Creative Commons"-Modell mit ausgeweiteten Nutzerprivilegien ins Leben gerufen hat. In einem Meinungsbeitrag für "Wired" erinnert der Experte daran, dass der Kongress just vor knapp 20 Jahren mit dem "Sonny Bono Act" die allgemeine Copyright-Schutzdauer um 20 Jahre erweitert habe. Mit der elften einschlägigen Ausdehnung innerhalb von 40 Jahren habe der US-Gesetzgeber dafür gesorgt, dass berühmte Werke einschließlich der Disney-Schöpfung Micky Maus nicht in die "Public Domain" wanderten und damit frei nutzbar gewesen wären.

Lessig hatte damals Eric Eldred, den Betreiber eines Internetarchivs, bei einer Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz unterstützt. Der Supreme Court wies die Klage 2003 aber zurück. Dabei ließ das oberste US-Gericht jedoch durchblicken, dass es davon ausgehe, dass die 95-jährige Copyright-Frist nun ausreiche. Weit gefehlt, interpretiert Lessig die neue Initiative. Käme dieses bedingungslose, nicht einmal eine Anspruchsanmeldung erfordernde "Geschenk" an alte Schöpfer und Produzenten im Musiksektor auch durch den Senat, sei davon auszugehen, dass sämtliche Rechteinhaber für alle Werkkategorien gleiche Bedingungen einforderten. Mit dem Ansatz aus der Verfassung, dass das Copyright "Fortschritt fördern" solle, habe dies absolut nichts mehr zu tun. (Stefan Krempl) / (bme)

QuoteDanny Schneider, 21.05.2018 00:16


all diese Gesetze kranken an einem entscheidenden Punkt...

kommt der Rechteinhaber zu dem Schluß, das das Verwerten der Rechte nicht rentabel genug ist, dann verschwindet die Kunst im Nirwana...
klar gibts das Bach Konzert X nicht mehr von Orchester Y zu kaufen, gibt es noch 100erte alternativen im Handel.
Aber bei kleinen Gruppen ist das anders. ich habe mal die CD's von Count Raven >15Jahre gejagt, bis zum Glück ein kleines Label die noch mal aufgelegt hat. Zuvor gab es maximal schlechte gebrauchte, zu knackigen Preisen. Und so hab ich noch mehr Kandidaten in der Sammlung.
Das RECHT etwas verwerten zu dürfen müsste die Pflicht beinhalten zu verwerten und zwar zu fairen Preisen.
wird ein Recht nicht genutzt, sollten die Werke sagen wir nach spätestens 5 Jahren an die Allgemeinheit fallen.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (21.05.2018 00:18).


QuoteFusionsramme, 20.05.2018 15:01

... Werke für 3-4 Generationen einer freien Nutzung und Bearbeitung zu entziehen, ist vollständiger Irrsinn und giergetriebene Lobbypolitik. Ebensogut kann man das Gesetz "Money for Nothing"-Bill nennen. ...


QuoteAlita, 19.05.2018 22:05

Ich gratuliere allen 200-jährigen, dass sie bis zum Ende von ihren Jugendwerken leben können.


Quotevitvit, 19.05.2018 18:59

Ist das krank!


...



Aus: "US-Kongress erwägt Copyright-Verlängerung auf bis zu 144 Jahre" (19.05.2018)
Quelle: https://www.heise.de/newsticker/meldung/US-Kongress-erwaegt-Copyright-Verlaengerung-auf-bis-zu-144-Jahre-4052607.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Wie eine aktuelle, vom Streamingdienst Deezer in Auftrag gegebene großflächige Studie belegt, hört der Mensch zudem ungefähr mit 30 Jahren auf, neue Musik zu hören. Das mag mit den Lebensumständen, etwa der Gründung einer Familie, zu tun haben. Allerdings ist es ebenso möglich, dass dies aus einer gewissen Bequemlichkeit heraus geschieht und auf dem dumpfen Gefühl beruht, alles schon erlebt zu haben.
... Die diversen Spielarten von Metal sorgen neben Schlager und Volksmusik für Kontinuität auf dem Markt. ... Seit Mitte der 1980er-Jahre existiert in diesem Zusammenhang also Metal als wertkonservative beziehungsweise fundamentalistische Angelegenheit. Betrachtenswert hier auch der dem Ethos des Handwerkertums entliehene Begriff des "True Metal", der die Jünger auf Kurs halten soll. Geprägt von der definitiv nicht von Einflüssen der Moderne und jüngeren zivilisatorischen Errungenschaften beschädigten US-Band Manowar ("Death to false metal!") setzt man auf die guten alten Zeiten und angesichts aktueller Bedrohungen im Leben auf den sicheren Rückzug in "safe spaces" für Männer, wie sie heute Gott sei Dank nicht mehr als Standardausführung gebaut werden. ... Man wird sich davon etwa auch in Wien bei den britischen Heavy-Metal-Veteranen Judas Priest oder deren Vorprogramm, den deutschen True-Metallern Accept überzeugen können: Wahrer Metal bedeutet nicht nur Handwerk mit goldenem Boden. Er bedeutet auch: Stillstand ist besser als Veränderung.  ...

QuoteMark Syl

und es stimmt überhaupt nicht. gerade metal ist derartig vielschichtig und entwickelt sich permanent weiter. hier wird derartig viel experimentiert, es gibt unzählige genres, die einfach herausragend innovative bands rausbringen... selten so einen schmafu gelesen. mit dieser superlächerlichen arroganz


Quote
Titeuf

Um die 30 entscheidet sich halt, ob man Musikliebhaber ist, oder nur einen Soundtrack zum Leben(sgefühl) brauchte. In ersterem Fall hört man nie auf neugierig zu sein und genießt diesen speziellen Kick, wenn sich im Inneren ein Schalter umlegt und sich einem (wieder) eine ganz neue Musikwelt öffnet. In zweiterem Fall geht's halt vorrangig um Erinnerungen und darum sich wieder wie in der Jugend zu fühlen.


Quotetnt

Solange es Metal gibt, braucht der Mensch nix anderes...
Was soll denn auch die Alternative sein? ...


Quote
Heísenberg

Manowars
Selbstinszenierung als Unikat und Verfechter der "wahren" Metalmusik ist eigentlich ziemlich clever. Sie kokettiert mit der genuinen Vielfalt an Subgenres innerhalb des Metal-Spektrums und treibt das kulturelle Selbstverständnis der Szene als soziogene Entität, die sich in individualistischer Abgrenzung zum Mainstream versteht, in satirischer Überhöhung auf seine Spitze. Eine bewusst kantige und geschickte Provokation, die bei ihren Anhängern eine beinahe schon sektenartige Verehrung entstehen lässt, gleichermaßen aber all jene abstößt, die den artifiziellen Selbstkult der Band als übertriebene Selbstgefälligkeit und Präpotenz missverstehen.


Quote
Stephen Morrissey

Alles über einen kamm geschoren, ein echter schachinger! ...


Quote
Prof.Dr.Tyler Durden

Wieso? - Ältere Herren im Leopardentanga sind doch voll True Metal ;). Fighting the World


Quote
Happy Monday

Ich glaube, Metal mögen hierzulande so viele, weil es irgendwie ein Rückzugsort für weiße Männer ist: da fordert niemand Gender-Quoten, da beschwert sich niemand über fehlende Diversität. Ganz wie früher ;)


Quote
barsimga

pff... Manowarfans und ihr TrueMetal-Geschwurbel ist mir ja das liebste. Manowar ist ja eigentlich Schlager mit verzerrten Gitarren:
Einfache Strukturen
Lieder zum Mitsingen
Quasi nur ein Thema: brüderliche Liebe
eine Prise Sexismus

...und sich selbst als Hüter des wahren Metals aufspielen


Quote
Der große General

Manowar hat deutlich mehr mit Richard Wagner und klassischer Musik gemein, als mit irgendwelchen Schlagern. Siehe "Gods of War".


Quote
Eine Prise Skepsis

Manowar als Vorreiter des Metals zu bezeichnen ist halt auch bisserl suspekt. Die haben ihre Nische gefunden und reiten ihr Gimmick bis in den Abgrund. Wer deren Geschwafel zu 100% ernst nimmt, dem ist nicht zu helfen. Aufs Konzert bin ich trotzdem gern gegangen, weils einfach ein geiles Erlebnis war. Und ich geh wieder hin. ...
   

Quote
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Das mit der leicht konservativen Ausrichtung der Metaller stimmt sicher. Wenn heute einer mit einem Master of Puppets T-Shirt herumläuft ist das schon fast ein Bekenntnis zu klassischer Musik. ...


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Hosenträgerträger

Witztig... Ich packe grad für Wacken.


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fandessportsingrossemstile

Jede Musikrichtung sollte seine Berechtigung haben
Aber Metal ist schon mächtig geil


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Aus: "Wie "True Metal" für Kontinuität auf dem Musikmarkt sorgt" Christian Schachinger (28. Juli 2018)
Quelle: https://derstandard.at/2000084269896/Wie-True-Metal-fuerKontinuitaet-auf-dem-Musikmarkt-sorgt

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Quote[...] Britney Spears ist wieder auf Tour und verbrennt öffentlich Kalorien. ... Gestern Abend in Berlin hatte Spears nichts zu sagen oder zu singen. Sie bewegte ja nicht einmal die Lippen ordentlich zum Playback. Die Botschaft, die darin steckte, war stärker als der ganze Wirbel aus Laser, Tanz und Bühnenbild, in dem sie immer wieder verloren ging. Als Sprachrohr steht Britney Spears nicht mehr zur Verfügung.

QuoteIchBinKeinNazi #8

Britney verdient ein Bildungsroman.


QuoteSi.tacuisses #8.1

Und Sie verdienen einen Akkusativ.


Quotebauerhans #16

Sie ist ein gesamtkunstwerk,aber davon verstehen sie nix.


QuoteOssilant #26

Hatte Britney je etwas zu sagen?
War sie je ein Sprachrohr?

Vor 20 Jahren war sie ein Popsternchen, ziemlich erfolgreich, besser als ihre Konkurrentinnen Christina Aguilera oder Mandy Moore. Harmlose Popstückchen mit großem Hitcharakter, das, was 9 jährige Mädels so hören, die gerne mit ihrer Mutti shoppen gehen und sich ein Pony wünschen.

Britney hatte das Pech schlimme Eltern zu haben, die an ihr zu gut verdient haben, dass sie sie geopfert haben. An die Unterhaltungsindustrie.

Lasst Britney auftreten und die Leute ihr beim tänzeln zugucken. Sie tut keinem weh.


Quotebatou2 #29

"Man fragt sich, wie sie zur quasi-feministischen Ermächtigungsikone werden konnte."

Wer fragt sich das?


QuoteDer Quotenwagnerianer #33

Wieso kann es eigentlich nicht auch ein feministisches Statement sein sich die Freiheit zu nehmen halbnackt mit dem Arsch zu wackeln und die feuchten Träume von Männern zu bedienen?
Das ist auch Macht.


QuoteMrMonk #36

Wenn ich mich dunkel an die Zeit erinnere, dann richtete sich das Marketing hauptsächlich an Mädchen in ihrer Altersgruppe, die dann tagelang mit ihren Freundinnen diverse Tanzeinlagen im Kinderzimmer analysierten und nachahmten, um sie dann beim nächsten Schulfest Freunden und Verwandten stolz vorzuführen. Ihre Konzerte dürften von der gleichen Klientel besucht worden sein, sieht man einmal von den Eltern ab, die chauffieren mussten.

Dazu kam ja dieses ständige Hervorheben in den Medien, dass frau noch Jungfrau sei. Schließlich wollte man sich ja seine vom Mickey Mouse Club herübergeholten Fans und ihre Eltern nicht verschrecken. Christina Aguilera, die ja zur gleichen Zeit populär wurde, setzte da sehr offen auf ein ganz anderes Image und wurde wohl auch deshalb nur Zweite, was den kommerziellen Erfolg angeht.

Als man dieses "kultivierte Bild eines keuschen Vorzeigemädchens kurz vor der sexuellen Erweckung" nun wirklich niemandem mehr verkaufen konnte, war der Ofen aus, und alle Versuche eines Neuanfangs vor vorneherein gescheitert. Was sollte da auch woher kommen? Nirgends wurde das besser sichtbar als bei ihrer Version von "I Love Rock 'N' Roll". Wie armselig und traurig zugleich!

Und zum "Feminismus" in diesem Zusammenhang hat Susan J. Douglas in "The Rise of Enlightened Sexism: How Pop Culture Took Us From Girl Power to Girls Gone Wild" eh schon alles Wichtige gesagt.


QuoteDolodobendan #40

Ich hatte Britney Spears eigentlich so eingeschätzt, dass sie eben das sagt und singt, was ihr Management und ihre Songschreiber sie sagen und singen lassen. Hübsche Melodien, ein bisschen frecher Text, aber sie ist doch nie eine Künstlerin mit eigener Botschaft gewesen...jedenfalls in meiner Wahrnehmung. Kann es sein, dass die Ikonisierung nur in der Presse stattfand?


...



Aus: "Nichts zu sagen, nichts zu singen" Eine Rezension von Daniel Gerhardt, Berlin (7. August 2018)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/musik/2018-08/britney-spears-karriere-konzert-berlin/komplettansicht

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Quote[...] Die Analysten im Datencenter in Kalifornien können ermitteln, welcher Song in welcher Stadt zu einer bestimmten Uhrzeit nachgefragt wird; sie können in Echtzeit feststellen, ob ein Stück das Potenzial hat, ein Hit zu werden. Das Problem, das die Musikindustrie jahrzehntelang nicht lösen konnte, scheint Shazam überwunden zu haben: mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit vorauszusagen, welches Stück ein Hit wird.

... In einem Konferenzzimmer des US-Hauptbüros von Shazam in Midtown Manhattan sitzt der Chef Rich Riley, 41. Offenes Hemd, Jeans, ein Lächeln wie in der Werbung. An den Wänden goldene Schallplatten: ,,Most Shazamed Artist 2011 – Rihanna". Solche Auszeichnungen sind inzwischen fast so begehrt wie richtige Goldene Schallplatten. ,,Fast 600 Millionen Menschen haben unsere App auf ihre Telefone geladen, und mehr als hundert Millionen benutzen sie monatlich. Das ist ein riesiges Kapital", sagt Riley. Zwei Charakteristika machten die Daten so wertvoll: ,,Es sind fast ausschließlich positive Rückmeldungen, denn wer einen Song shazamt, der mag dieses Stück. Und sie sind hyperlocal. Das heißt, ich kann sie geografisch bis auf ein Stadtviertel runterbrechen."

Musiker und Labels, Konzertveranstalter und Werber sind verrückt nach diesen Informationen.

... Im Februar 2014 kündigte die Firma eine strategische Allianz mit Warner Music an, denn in Zukunft will Riley auch selber Musik produzieren. ,,So können wir unser Datenkapital effektiver nutzen." Man hat aus dem Fall der Neuseeländerin Lorde gelernt: Bevor sie 2013 einen Vertrag bei Republic Records unterschrieb, wusste bei Shazam jeder, dass sie Erfolg haben würde. So extrem waren die Suchanfragen nach ihren Songs in Auckland und Wellington und kurz darauf in Melbourne und Sydney in die Höhe geschossen.

Der ,,Shazam-Effekt", wie der Einsatz von Big Data in der Musikindustrie genannt wird, verändert diese rasant und radikal. Noch 2011 spielten Daten in der Branche eine untergeordnete Rolle, heute fällt keine Entscheidung mehr ohne sie. Besonders das Berufsbild des Talentsuchers beziehungsweise Artist & Repertoire (A&R) Managers hat sich gewandelt. Früher verbrachten die Leute, die dafür zuständig sind, neue Künstler zu entdecken, die meiste Zeit in Clubs. Im Jahr 2015 sitzen sie vor Monitoren.

... Sam Pucci trägt den Titel Intelligence Architect, ist seit den Anfängen dabei und sagt: ,,Die Daten zu sammeln ist nicht schwer. Aber es gibt zwei Probleme: den Wust zu ordnen, zugänglich zu machen und herauszufiltern, welche Daten wirklich Aufschlüsse liefern. Ein Erfahrungswert ist zum Beispiel, dass Likes auf Facebook sehr viel weniger aussagekräftig sind als Anfragen bei Wikipedia oder Shazam." Die Arbeit hier unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der bei der NSA, nur scheint NBS deutlich intelligentere Systeme zu entwickeln, um die entscheidenden Daten von den wertlosen zu trennen.

Noch vor ein paar Jahren benutzten Musiklabels zur Datenanalyse eine Methode aus dem vorigen Jahrhundert. Praktikanten filzten Websites und notierten die Zahlen für die jeweiligen Künstler. ,,Inzwischen arbeiten fast alle großen Player von Sony bis Instagram mit uns zusammen oder entwickeln ihre eigenen Big-Data-Abteilungen", sagt Pucci. ,,Es ist ein gigantischer Informationsaustausch. Wir stellen unsere Daten gegen eine Gebühr zur Verfügung, und unsere Kunden wiederum haben ein Interesse daran, dass wir ihre Daten bekommen, damit wir ihnen ein komplettes Bild liefern können."

... Mit dem Musikmagazin »Billboard« veröffentlicht Next Big Sound eine Social-50-Liste mit Musikern, die in sozialen Netzen am gefragtesten sind (seit Monaten fast immer auf Platz eins: Taylor Swift); in den Next-Big-Sound-Charts tauchen die Künstler auf, die laut den Algorithmen der Firma die größten Chancen auf kommerziellen Erfolg haben. Anfang Mai lag der Bluegrass-Sänger Chris Stapleton vorn.

... Bevor die digitale Revolution die Branche in eine Existenzkrise stürzte, war die Musikindustrie für zweierlei bekannt: rauschende Partys und ahnungslose Manager. Wie soll man wissen, bei welchem Künstler sich teures Marketing lohnt, wenn alle Entscheidungen auf dem Bauchgefühl einiger reicher Männer in Los Angeles und New York beruhen? Also manipulierten die Labels oft ihr wichtigstes Marketing-Instrument, die Billboard Hot 100.

Bis 1991 basierten die Charts auf offenbar frisierten Händlerbefragungen. Nachdem ab 1991 die tatsächlichen Verkäufe in die Charts einflossen, tauchten plötzlich Richtungen auf, die zuvor kaum vertreten waren, zum Beispiel Hip-Hop oder Country.

... Die Musikindustrie kannte also offenbar ihre Kundschaft nicht und kaschierte die Ahnungslosigkeit durch Manipulationen. Als das Internet die wirtschaftliche Basis der Branche zerstörte, rächte sich die Ignoranz. ,,Ich erinnere mich an eine Sitzung Mitte der Neunzigerjahre in Detroit", sagt Marc Geiger. ,,Wir sollten den Chefs der größten Labels das Internet erklären. Meine Kollegen und ich sagten immer: ,So werdet ihr in einem Jahr eure Musik verkaufen.' Wir waren vielleicht ein wenig zu optimistisch, aber im Grunde hatten wir recht. Die Plattenbosse guckten auf ihre Macintosh-Bildschirme und winkten ab."

... Shazam veröffentlicht offiziell keine Geschäftszahlen. Der Umsatz soll 2013 laut Medienberichten bei etwa 50 Millionen Dollar gelegen haben und im Schnitt jährlich um 40 Prozent wachsen. Im Januar sammelte das Unternehmen von einer Investorengruppe 30 Millionen Dollar ein für fast drei Prozent der Anteile – Shazam wäre demnach mehr als eine Milliarde Dollar wert. ,,Unser Plan ist, nicht von einem Giganten geschluckt zu werden, sondern selber einer zu werden", sagt Riley, der von Yahoo kam, um diesen Plan umzusetzen. Er will das Shazam-Prinzip auf Filme, Bilder, Texte und Produkte ausweiten. ,,Stellen Sie sich vor, was wir mit all diesen Daten anfangen könnten."

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Aus: "Talentsuche per App" Lars Jensen (2015)
Quelle: https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2015/talent/talentsuche-per-app?utm_source=zeit&utm_medium=parkett

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Quote[...] Mit dem Versprechen, Benutzern den perfekten Soundtrack für jeden Moment ihres Alltags zu bieten, haben sich Spotify-Gründer Daniel Ek und sein Team vor einigen Jahren darangemacht, den Weltmarkt zu erobern. Es scheint zu funktionieren. Auch wenn Musikliebhaber, die den Streamingdienst als schier unerschöpfliche Suchmaschine schätzen, das thematische Playlisting als furchtbar mainstreamig empfinden.

... Während Nerds und Nischenhörer weiterhin für den bloßen Zugriff auf Daten bezahlen, möchte der Durchschnittskonsument heute scheinbar schlicht den passenden Mix: musikalisches Convenience-Food, digitale Fetenhits und Kuschelrock-Compilations.

"Indem sie beständig verringert, was wir noch zu tun bereit sind, wird die Benutzerfreundlichkeit zur Beschränkung," schrieb Tim Wu neulich in der New York Times. Besonders im Hightechbereich sei der Kampf um die einfachste Bedienbarkeit längst zum Kampf um Marktanteile geworden. Angetrieben durch die Macht der Gewohnheit und die Logik des Wachstums, führe unsere Vorliebe für alles Bequeme zu einer Art ökonomischen Gewaltspirale: "Je einfacher es ist, Amazon zu benutzen, desto mehr Zeit verbringen wir auf der Plattform – und desto einfacher erscheint uns wiederum die Bedienung." Bequemlichkeit ist kein Bonus mehr, sondern längst Must-have. Jedes erfolgreiche Tech-Unternehmen feilt scheinbar unentwegt an effizienteren, benutzerfreundlicheren Features.

Spotifys wichtigste Investition in Sachen Benutzerfreundlichkeit war der Erwerb von Echo Nest im Jahr 2014. Die US-amerikanische Music Intelligence Platform hatte sich als Forschungsprojekt am MIT Media Lab gegründet und auf die digitale Verstichwortung von Musik spezialisiert. In Söderströms Worten brachte man mit der Übernahme die besten Entwickler im Bereich der Musikkategorisierung mit Spotifys Daten zusammen, um gemeinsam am "bedeutendsten und größten Playlistingsystem der Geschichte" zu bauen. Ein Jahr zuvor hatte Spotify bereits die Onlineplattform Tuningo gekauft, die Playlists für bestimmte Stimmungen und Tätigkeiten des Alltags generierte. Mit Tuningo übernahm man rund 20 Musikredakteure, seither wächst das Team der "Kuratoren" beständig. Um dem Angebot eine menschliche Note zu geben, setzt Spotify neben Experten auf Crowdsourcing – und erfindet immer seltsamere Features.

2016 hat es eine Zusammenarbeit mit der Dating-App Tinder gegeben, um potenzielle Partner nach Musikgeschmack zu matchen. Ende vergangenen Jahres kam die Cosmic-Playlist, eine Art musikalisches Horoskop, das eine Astrologin einmal im Monat für jedes Sternzeichen zusammenstellt. Gemeinsam mit AncestryDNA, einem US-Unternehmen, das gegen Speichelprobe und Bezahlung das Genom von Privatpersonen entschlüsselt, hatte man kurz zuvor bereits Playlists passend zum Erbgut seiner Kunden erstellt. Ob der US-Bürger mit neu entdeckten deutschen Wurzeln das Gefühl hat, sich dank Nena in der Tracklist selbst näherzukommen? Imagemäßig war das Projekt eine ziemliche Pleite. Aber neue Schlagzeilen und Nutzerdaten brachte es Spotify allemal.

Egal, was eine Playlist behauptet zu sein oder zu bieten, geht es am Ende natürlich um die Verfeinerung von Userprofilen. Während an der Benutzeroberfläche nur sichtbar ist, wie viele Abonnenten die Playlist hat, wird das Nutzerverhalten intern genau diagnostiziert: Was wird wie oft und zu welcher Uhrzeit gespielt? Wo wird weitergezappt? Was gelikt und in die eigene Bibliothek übernommen? Anders als ihr analoger Vorläufer, der Sampler, erlaubt die Playlist Streamingdiensten und Plattenfirmen, ihr Angebot akribisch zu testen. Netflix hat es vorgemacht und verordnet uns Filme mittlerweile fast medikamentös, auf Basis computergenerierter Microgenres wie "Feel-good Romantic Spanish-Language TV-Shows": Was häufig gesucht und geklickt wurde, wird irgendwann als Kategorie angeboten oder gleich on demand produziert. 

Spotifys Mechanismus basiert auf einer symbiotischen Verbindung von Mensch und Maschine: Jeder Nutzer, der selbst Playlists macht, gruppiert bestimmte Lieder und vergibt durch Headlines wie Happiness, Hymnen, Hatecore oder Symphonien fürs Frühstück Etiketten, von denen das ganze System profitiert. Weil wir alle unseren Teil dazu beitragen, die Performance der Plattform zu verbessern, sind wir, in Spotifys Sprache, "part of the band". Zumindest sind wir es, die der Plattform den Datenvorteil bescheren, auf dessen Basis sie auch anspruchsvollen Hörern erstaunlich gute Vorschläge macht.

Tatsächlich gibt es kaum Spotify-Nutzer, die das recommendation-Feature des Streamingdienstes nicht großartig finden. Selbst wem die ungefragte Stilberatung zunächst so übergriffig vorkam, wie die einer Kaufhausangestellten in der Unterwäscheabteilung, war irgendwann bereit, ihren Wert murrend anzuerkennen. Besonders Nischenhörer haben den Anspruch, das eigene Repertoire immerfort zu erweitern. Manch einer mag sich der Zusammenstellung manueller Playlists heute mit derselben Hingabe widmen, mit der er früher mal Mixtapes gemacht hat. Aber natürlich wissen wir alle, dass die Zukunft des Musikhörens anders aussieht. Nämlich smart, vollautomatisch und präzise personalisiert. An die Stelle des alten Versprechens, körperliche Arbeit zu minimieren, ist die Aussicht auf Vermeidung jener mentalen Anstrengungen getreten, denen es bedarf, um Entscheidungen zu treffen.

Spotifys Entwickler haben sich das Prinzip der self-driving playlist bei Google Plus abgeguckt, sagt Produktchef Söderström. Während Apples iPhoto lange auf ein manuelles Sortiersystem setzte, machte man sich bei Google vergleichsweise früh die Fortschritte der Datenanalyse zunutze, um ein selbst sortierendes Bildarchiv zu programmieren. Der Ansatz ließ sich auf die Musik übertragen. Mittlerweile stellt Spotify seinen Nutzer neben Playlists und persönlichen Vorschlägen längst Widgets zur Verfügung, die händisches Sortieren scheinbar hinfällig machen. Das, was wir hören wollen, soll in den entsprechenden Fenstern künftig automatisch erscheinen und dabei ständig neue Entdeckungen liefern.

Der persönliche Wochenmix Discover Weekly war Spotifys erste self-driving playlist, es folgten die Zeitkapsel, der Release Radar und eine Reihe individualisierter Mixtapes. Doch während wir am laufenden Band Lieder angeboten bekommen, bleibt uns immer weniger Zeit, sie zu hören.

Spotify hat sich längst darauf eingestellt, dass immer mehr Menschen eher beiläufig Musik hören, beim Trainieren, Arbeiten oder Einschlafen. Gleichzeitig trägt man mit musikalischen moodboards dazu bei, dass immer mehr Menschen sie als reines Beiwerk empfinden. Nachdem Streaming die Musik als Produkt grundlegend verändert hat, verändert Playlisting die Art und Weise, in der wir sie konsumieren. Im schlimmsten Fall verlernen wir, Dissonanzen zu schätzen.

Damit uns die digitale Welt mal überrascht, bedürfe es "Algorithmen für Disruption", schrieb Claudius Seidl kürzlich in der FAZ. Spotify arbeitet daran. Die Playlist B-Seite, die in der englischen Version Tastebreakers heißt, möchte unseren musikalischen Horizont mit Titeln und Genres erweitern, die wir sonst nicht hören – von denen der Algorithmus aber annimmt, sie könnten uns trotzdem gefallen. Meine tastebreakers sind Kraftwerk und Hildegard Knef, aber auch Musiker, von denen ich tatsächlich nie gehört habe. Vielleicht ein Anfang, obwohl – oder gerade weil – mir die meisten nicht auf Anhieb gefallen. Doch die Logik der Algorithmen bleibt gleich: survival of the hippest. Was nicht gleich gern gehört wird, wird aussortiert.

Auch in analogen Zeiten haben sich viele Alben wegen Hitsingles verkauft. Aber den Rest nahm man eben zwangsweise mit, ließ sich von hidden tracks erschrecken, hörte sich durch Dramaturgien – und dabei in so manchen Song hinein. Nicht alle Lieblingslieder haben auf Anhieb gefallen oder bieten sich an, um uns als Stimmungstapete durch den Tag zu begleiten. Längst nicht alle sind eingängig; viele wollen es bekanntlich nicht sein, andere brauchen Zeit. Letztere muss sich weiterhin nehmen, wer nicht in maschinenkuratierten Lebenssoundtracks eingelullt werden will.

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Aus: "Playlist: Verloren in Musik" Anna Sinofzik (20. März 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/entdecken/2019-03/playlist-spotify-musik-streaming-track-hit/komplettansicht

Quoteno-panic #1

Die "Brigitte" hatte mal Kochrezepte nach Sternzeichen geordnet/zugeordnet. Ich muss heute noch würgen, wenn ich daran denke, was mir als bestimmtem Sternzeichen schmecken sollte. ...


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Quote[...] Blackpink wollen mit ihrer Musik das gesamte Universum erreichen oder doch zunächst einmal den gesamten Planeten. Diesen Anspruch untermauerten sie etwa noch damit, dass sie nach den ersten vier Liedern eine lange Videoprojektion in den Auftritt integrierten, in der man ihre Fans aus sämtlichen Teilen der Erde dabei beobachten konnte, wie sie die zuvor live gehörte Musik in eigenen Internetfilmen interpretierten. So sah man Blinks – wie die Blackpink-Fans sich selbst nennen – aus Neuseeland, Ungarn und den Philippinen, aus Tschechien, Deutschland, den USA und von sonstwo, wie sie zu den Melodien ihrer Idole sangen, tanzten, Gitarre spielten, Rhythmuscomputer bedienten und nicht zuletzt auch in militärisch wirkenden Formationen marschierten.

Letzteres passte besonders gut, denn der bereits erwähnte, bislang bedeutendste Hit der Gruppe Kill Your Love unterstreicht den darin vorgebrachten Imperativ, sich von einer gescheiterten Liebesbeziehung zu verabschieden, mit einem zackigen Exerzierbeat, der ebenso gut für einen Spielmannszug taugen könnte wie für den Morgenappell in einer Kaserne. Der Liebesabtötungsbefehl wird von dramatisch geblasenen Trompetenfanfaren begleitet wie auch von einer unermüdlichen repetierten "Rat-ta-tat-rat-ta-tat"-Sequenz, die aus dem Weihnachtslied Little Drummer Boy abgeleitet geworden sein könnte. Bei der Live-Darbietung gesellten sich zu Blackpink vier Funkenmariechen hinzu, deren Helme mit Puschelapplikationen versehen waren. Der Umstand, dass Liebe auch schmerzen kann, wurde in einer weiteren Videoprojektion – wie schon in dem zum Song zugehörigen Erfolgs-Videoclip – mit dem Bild einer herzförmigen Bärenfalle verdeutlicht; wer in die Falle tappt, dem wird wenigstens der Fuß amputiert.

Die militärische Note war auch deswegen interessant, weil zur Geschäftsgrundlage der südkoreanischen Popindustrie und der von ihr – immer erfolgreicher – in alle Welt ausgesandten K-Pop-Formationen der militärische Drill gehört, dem die teilnehmenden Mädchen und Jungen sich zu unterziehen haben. Notorisch wurde Ende 2017 der Fall des zum Ensemble SHINee gehörenden Sängers Kim Jong-hyun, den der immense Druck in der Branche offenbar in den Suizid trieb. Wahrscheinlich keine andere Musikindustrie presst ihre Teenageridole so erbarmungslos in vorgestanzte Formen hinein, mit exzessivem künstlerischen und sportlichen Training, mit Schönheitsoperationen und Kontaktverboten zum anderen Geschlecht, einer totalen Isolation von der Außenwelt.

Das Leistungs- und Selbstoptimierungsprinzip, das auch hierzulande etwa seit anderthalb Jahrzehnten mit Castingshows wie Deutschland sucht den Superstar in den Mainstream-Pop Einzug gehalten hat, findet sich im K-Pop in seiner extremsten Form: Wer dessen Auswahlprozeduren übersteht, kann sich eines wahrhaft gestählten Körpers und Egos rühmen. Wenn jemals das alte Wort von Adorno und Horkheimer aus der Dialektik der Aufklärung stimmte, dass "Fun ein Stahlbad" ist: Dann stimmt es hier.

Die Abertausenden von jubelnden Teenagern in der Berliner Max-Schmeling-Halle und in aller Welt haben dieses Leistungsprinzip als Grundlage der Popmusik und der Kulturindustrie im Allgemeinen voll akzeptiert. Sie wissen, dass es im schlechteren Fall lebensgefährlich werden kann, aber jubeln nun ebenso aus vollem Herzen denjenigen zu, die es überstanden haben.

Der längste Videoeinspieler des Abends war im Übrigen einem südkoreanischen Automobilhersteller gewidmet, der die erste Welttournee von Blackpink sponsert und im Vorraum der Konzerthalle seine neuesten Produkte präsentierte. In dem Film sah man die vier Mädchen, wie sie in Overalls in einer Kfz-Werkstatt die Autos dieser Firma wuschen, wachsten und polierten. Dann hob wieder der militärische Beat aus der Kill Your Love-Single an, und in der Fantasie der Sängerinnen verwandelte sich das zur Autopflege dienende Spritzrohr in ein Gewehr, das sie auf den untreuen Geliebten richteten. So verband sich die Inszenierung weiblicher Souveränität in romantischen Fragen mit deren völliger Aufgabe in gesellschaftskritischer Hinsicht – mit der Unterwerfung unter die Regeln des Konzernkapitalismus. Man könnte auch sagen: Die Verschränkung von libertären und autoritären Motiven, die unsere postglobalisierte Gegenwart prägt, findet bei Blackpink ihren stimmigsten Ausdruck.

Entsprechend unentwirrbar war auch die Verschränkung von Individualisierung und entfremdetem Marionettentum, von Hitze und Kälte, euphorischer Romantik und gefühlsloser Glätte, die diesen Konzertabend wesentlich prägte. Die Erscheinungsformen der Tänzerinnen und Sängerinnen wechselten ebenso unentwegt wie die musikalischen Stile, die sie zitierten. In jedem einzelnen Stück sprangen sie im Halbminutentakt hin und her zwischen ruhigen und aufputschenden Stimmungen, zwischen Beats und Tonalitäten unterschiedlicher Poptraditionen. Bis in das Mikrogefüge der Kompositionen hinein hatte man das Gefühl, einer randomisierten Spotify-Playlist zuzuhören.

Blackpink ließen ihrem Publikum keinen Moment der Ruhe, sie wirkten wie ein flirrendes Vexierbild, das sich nicht scharf stellen lässt. Sie waren im selben Moment niedlich und hart, fröhlich umarmend und zynisch abweisend. Der Eindruck der Kälte war am Ende vielleicht jener, der von diesem Konzertabend am deutlichsten in Erinnerung blieb – gerade weil die Band in den begleitenden Videofilmen so ausgiebig die Liebe ihrer weltweiten Anhängerschaft zu sich selbst dokumentierte.

Aber diesseits des virtuellen Raums, als reale Körper auf einer Bühne, wiesen Blackpink die Liebesbekundungen zurück: Im Unterschied zu allen westlichen Girlgroups der letzten Dekaden verboten sie es ihren Hörerinnen beispielsweise ausdrücklich, mit Stofftieren oder sonstwelchen Objekten der Zuneigungssymbolik zu werfen. Sie hätten Angst davor, sagten sie, dass sie dabei "im Gesicht getroffen" werden könnten. Als einmal doch ein kleiner pinkfarbener Bär auf die Bühne geschleudert wurde, lag er minutenlang allein in der sonst leeren Mitte, bis eines der Mädchen ihn beim Singen aufhob und mit einer gleichgültigen Geste in einen schäbigen Pappkarton warf. Das war – nicht nur für alle Freunde pinkfarbener Bären – ein wirklich herzzerreißendes Bild. Man konnte daraus mehr über die Gegenwart der globalen Popkultur lernen als aus der gesamten Musikproduktion des restlichen Jahrs.



Aus: "Im Stahlbad der Silikonherzen" Jens Balzer (25. Mai 2019)
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/musik/2019-05/blackpink-konzert-kpop-girlband-berlin/komplettansicht

QuoteDr. Econ #17

Gerade Video geguckt. Extremer Fremdschämfaktor. Die Kiddies der Konsumistengeneration werdens lieben.


Quotetenshinhonk #10

Korea hat K Pop und exportiert den in Die Welt. Deutschland hat Journalisten, die Kritiken schreiben, in denen sie auf Adorno zurückgreifen.


Quotejonny_k #10.1

Problem Brudi?



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Quote[...] In keiner anderen Kunstsparte herrschen die Regeln des Kapitalismus so rigoros wie im Pop: Ein Star ist, wer ganz oben in den Charts steht. Und je länger er sich dort behaupten kann, je öfter er es mit einem Song, einem Album schafft, alle anderen hinter sich zu lassen, desto heller strahlt sein Ruhm. Irgendwann wird der Star dann zum sogenannten Superstar. Allerdings droht immer der Absturz. Sterne können verglühen. Was übrig bleibt, ist ein Schwarzes Loch.

Wichtigster Gradmesser für den Erfolg sind Hitparaden. Wie in einer Börsennotierung zeigt sich in ihnen allwöchentlich der Kurswert von Sängern, Sängerinnen und Bands. Das amerikanische ,,Billboard"–Magazin veröffentlicht seit 1936 seine Charts, die inzwischen in Kategorien wie Rhythm & Blues, Jazz oder Rock aufgefächert sind. Der Ruf der Billboard-Charts ist legendär, sie wurden in aller Welt kopiert und wirkten stilprägend. So geht der Begriff Crossover, der eine Verschmelzung von Genres bezeichnet, auf afroamerikanische Musiker zurück, die es in den vierziger Jahren schafften, ihre Stücke nicht bloß in den schwarzen R&B-, sondern auch in den weißen Country- und Pop-Charts zu platzieren.

Hot 100, so heißt die wichtigste Hitparade des Branchenblattes. Sie ist bis heute das kommerzielle Maß aller Dinge. Versuche, die Liste zu manipulieren, hat es immer wieder gegeben. Über einen aktuellen Fall berichtet die ,,New York Times". Es geht um ,,Bundles", ein Marketinginstrument, das immer mehr um sich greift. Weil der Verkauf von physischen Tonträgern drastisch zurückgegangen ist und auch der Download von einzelnen Titeln oder kompletten Alben inzwischen kaum noch eine Rolle spielt, beherrschen Streamingdienste wie Spotify, Youtube und Tidal den Markt. In die Charts kommt, was geklickt wird.

Doch der Streambait lässt sich steuern, besonders wirkungsvoll bereits, bevor die Musik zu kaufen ist. Über das neue Album von Taylor Swift gibt es bislang nur Gerüchte. Es soll in diesem Jahr erscheinen und könnte, so mutmaßen Fans nach den Instagram-Äußerungen des Superstars, eine Upbeat-Platte werden. Vorbestellen kann man es auf ihrer Website schon, zusammen mit einem Hoodie (für 65 Dollar), einem T-Shirt (40 Dollar) oder einem Smartphonehalter (20 Dollar). Dass das siebte Swift–Album wieder aus dem Stand auf Platz 1 der Billboard-Charts springen wird, genauso wie 2017 der Vorgänger ,,Reputation", dürfte damit gebongt sein. Ähnliche Bundles (,,Bündel") mit Konzertkarten oder Merchandiseartikeln haben im letzten Jahr 39 Titel an die Billboard-Spitze gebracht. Manchmal wird ist es sogar eine Pizza, die der Afficionado zusammen mit der Musik ordern kann. Guten Appetit.

In Zeiten, in denen sie CDs in schuhkartongroßen Boxen, zusammen mit DVDs und buchdicken Linernotes verkaufte, wurden Plattenfirmen als Verpackungsunternehmen verspottet. Die Musikindustrie, oft totgesagt, ist nicht totzukriegen. Sie bleibt kreativ.


Aus: "Die Marketingtricks der Superstars" Christian Schröder (11.06.2019)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/bundle-geschaefte-die-marketingtricks-der-superstars/24441918.html

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#118
Quote[....] Das Werk des Philosophen Theodor W. Adorno war und ist trotz seiner Komplexität eine Fundgrube für die Popmusik. Aufgrund seiner oft aphoristischen Schreibweise bot sich die Rezeption Adornos geradezu an. ,,Daraus haben sich viele Zitate und Kalendersprüche ziehen lassen", sagt Jens Balzer.

Der Popkritiker hat prominente Beispiele zum Studiogespräch mitgebracht. So auch von Rainald Grebe, der auf dem Album ,,1968" sang: ,,Es gibt kein richtiges Leben im Falschen". Einer der bekanntesten Sätze Adornos – den dieser aber völlig anders gemeint habe.

Der sogenannte Diskurspop – Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre – sei die Hochzeit der Adorno-Rezeption: Schon der Begriff ,,Hamburger Schule" habe darauf hingedeutet, dass die Musiker und Songschreiber die geistige und kulturelle Verwandtschaft zur deutschen Sozialphilosophie, zur Frankfurter Schule, gesucht hätten, sagt Balzer. Sie hätten offensiv mit ihrer Belesenheit glänzen wollen.

Diese Art des kulturpessimistischen, intellektuellen Pop von weißen Männern spiele heute nicht mehr die gleiche Rolle wie damals – es gebe aber noch immer starke Spielarten des diskurs- und theoriegesättigten Pop. ,,Der gute Pop unserer Gegenwart ist – egal was Adorno von der Popmusik hielt – in einem guten und gehaltvollen Sinn adornitisch", findet Popkritiker Balzer.


Aus: "Adornos Einfluss auf die Popmusik: Guter Pop ist adornitisch" Jens Balzer im Gespräch mit Mascha Drost (06.08.2019)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/adornos-einfluss-auf-die-popmusik-guter-pop-ist-adornitisch.2177.de.html?dram:article_id=455611

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eine Ausstellung in Zürich zeigt Arbeiten von Fotografen, die sich mit Punk beschäftigen und ihn dokumentierten – von den Siebzigern in Westberlin über die Achtziger im Osten bis nach China und Indonesien der vergangenen Jahre. ... »Für immer Punk, möcht ich sein ...«, sangen die Goldenen Zitronen in den späten achtziger Jahren, bevor sie sich endgültig subtileren Formen der Subversion widmeten. Doch wer kann sich das schon dauerhaft leisten, in einer Welt, in der der Markt auch noch den letzten Punk zur Aufgabe zu drängen droht. Rückblickend muss man sagen, dass Punk weder so homogen war, wie viele meinen, und erst recht kein rein westliches Phänomen darstellte – und auch nicht tot ist. Eine Ausstellung in der Photobastei Zürich zeugt davon. Zum bekannten Blick auf die Szenen in Zürich, Berlin, London oder dem Ruhrgebiet gesellen sich die Fotografien, auf denen die Bewegungen in China, Indonesien, der UdSSR und dem postsozialistischen Russland abgebildet sind.

... Letztlich ist Punk in der Gesellschaft angekommen, vor der er fliehen wollte, weil er deren Transformationsprozesse mitmachte. Gerade Punk im Westen hatte mit dem Erbe der Protestbewegung zu kämpfen: Die Revolution war ausgeblieben, stattdessen gab es eine Liberalisierung der Gesellschaft, die sich gleichzeitig in eine Konsumgesellschaft verwandelt hatte und immer weniger Freiräume für diejenigen übrigließ, die vor der totalen Inwertsetzung flüchten wollten. Es gehört zur Logik der verwalteten Welt, dass Subversionsstrategien scheitern, okkupiert oder verharmlost werden. Der »Kompromiss zwischen ästhetischer Sublimierung und gesellschaftlicher Anpassung« (Adorno) bleibt ein fauler.

»Als wär's das letzte Mal« hat der Fotograf Bruno Stettler sinnigerweise seinen Teil in der Ausstellung genannt, der sich mit der Szene in Zürich auseinandersetzt. In den späten siebziger und frühen achtziger Jahren hat er unter anderem die Konzerte von Sham 69, The Clash oder Black Flag im »Shit«, »No Fun« oder »Swindle« fotografiert. Und natürlich auch die lokalen Bands, aus denen unter anderem Stephan Eicher (Grauzone) und Yello hervorgegangen sind. Es war eine Szene, die sich ­parallel zu London, Berlin oder Düsseldorf entwickelte und autonom daherkam – im doppelten Sinne. Doch wer erinnert sich noch an Kleenex oder Mother's Ruin? Und »Züri brännt« auch nicht mehr wie damals im Herbst 1981. Für Stettler hat die Ästhetik des Punk trotzdem überlebt: »Ich nutze für die Optik meiner Agentur das Unperfekte, Kaputte, das Understatement.« Promo mit den Mitteln des Punk, ein Treppenwitz der Geschichte als letzte Konsequenz?

Als wäre es Teil der Inszenierung, hat Facebook die Seite der Photobastei am 18. Januar für 30 Tage gesperrt. Der Sender SRF hatte in der Sendung »10 vor 10« einen Beitrag ausgestrahlt, in dem der Berliner Künstler Sven Marquardt zu Wort kam. Die Kamera schwenkte dabei über dessen Bilder. Sie zeigen »halbnackte Menschen in einer Post-Punk-­Ästhetik und auch nackte Busen und Brustwarzen«. Die Elemente verstießen gegen die Richtlinien des Social-Media Dienstes, heißt es. Von wegen sex sells!


Aus: "Bilder von Gegenentwürfen" Holger Pauler (31.01.2019)
Quelle: https://jungle.world/artikel/2019/05/bilder-von-gegenentwuerfen

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Haut und Haltung sind makellos, das Lächeln vertragserfüllend. Die Laune ist super, die Egos sind kleine Wellnessoasen: "Komm mit mir nach Instagram." Es ist die Welt des K-Pop. Das ist die Abkürzung für Popkultur aus Südkorea. Es ist eine Scheinwelt für Kinder und Jugendliche, von der postpubertäre Menschen nichts mitkriegen, solange nicht die einschlägige Mischung aus Klingelton-Elektro und Fertigteil-Hip-Hop aus dem Zimmer des Nachwuchses schallt.

K-Pop ist in den letzten Jahren ein Massenphänomen geworden. Zuerst schlug es in der Musik auf, längst dominiert es aber auch Filme, Fernsehserien und Werbung mit seinen schönen, jungen und glücklichen Menschen. Doch aus dem Schein brach in den letzten Monaten immer öfter das Sein durch: Suizide, Cybermobbing und Vergewaltigungen erschütterten diese Welt des Lächelns.

Ende November wurden die K-Pop-Stars Jung Joon-young und Choi Jong-hoon wegen Gruppenvergewaltigung zweier Frauen zu sechs und fünf Jahren Haft verurteilt. Im Oktober war die 25-jährige Sängerin Sulli der Girlgroup f(x) tot aufgefunden worden. Sie wurde im Netz wegen einer sich auf einem ihrer Fotos abzeichnenden Brustwarze gemobbt, soll an Depressionen gelitten und hat sehr wahrscheinlich Suizid begangen. 28 Jahre alt war Goo Hara alias Hara von der Girl-Group Kara, als sie Ende November starb. Auch hier wird Suizid vermutet. Und letzte Woche wurde der 27-jährige Cha In Ha tot aufgefunden, Suizid gilt als wahrscheinlich.

Den Grund dafür sehen viele in dem Druck, der auf den Retortenstars lastet. Zwar trägt K-Pop das Freiheitsversprechen des Pop nach außen, hinter den Kulissen herrscht aber ein strenges Regiment, denn K-Pop ist längst ein Wirtschaftsfaktor geworden. Allein die Boygroup BTS soll der südkoreanischen Wirtschaft über drei Milliarden Dollar beschert haben. BTS ist die Abkürzung für Bangtan Sonyeondan, was so viel wie "kugelsichere Pfadfinder" heißt. Sie waren die erste K-Pop-Band, die es in den USA an die Spitze der Charts geschafft hat, auch hierzulande notierte die Band in der Hitparade.

Doch die Charts sind nur eines von vielen Einschlagsgebieten. Das Medium dieser Kultur ist das Netz. Youtube, die sozialen Netzwerke, Instagram oder das chinesische Tiktok. Alles, was als Informationsträger dient. Denn an jeder erfolgreichen Gruppe hängt eine Verwertungskette, die das Interesse der Fans und ihre Nachfrage nach neuen Fanprodukten beständig nährt.

Die Stars spielen ergeben mit, aktualisieren beständig ihre Accounts, denn das Gefühl, mit ihnen via Handy auf Tuchfühlung zu sein, darf auf Fanseite nicht nachlassen. K-Popstar zu sein ist ein Rund-um-die-Uhr-Job.

Dem sind viele nicht gewachsen, gerade das Netz ist erbarmungslos. Fehlverhalten löst Liebesentzug aus, führt zu Cyber-mobbing und Hasspostings. Was Fehlverhalten ist, bestimmen die Verwertungsfirmen. Bis hin zum Beziehungsverbot ihrer Stars geht das. Sex? Drogen? Exzentrische Ansichten? Alles tabu. Sogar die Börsenkurse können unter Verfehlungen leiden.

Fit gemacht für dieses Leben werden die Auserwählten in mehrjährigen Trainee-Programmen. Untergebracht sind sie in Gemeinschaftswohnungen, trainiert wird bis zu 13 Stunden am Tag, Zeit für ein selbstbestimmtes Leben ist nicht vorgesehen, die Kids müssen liefern. Das ideale Einstiegsalter liegt bei zehn, elf Jahren. Unternehmen wie das 1995 gegründete SM Entertainment überlassen dabei nichts dem Zufall. SM, ein Name wie ein Zeichen, ist einer der großen Player des Genres.

Nicht einmal vor Schönheitsoperationen soll das Unternehmen zurückschrecken, um seine Protagonisten dem Ideal der K-Pop-Welt anzupassen: blasse Haut, kleine Nase, europäisch anmutende Augenlider. Im Stadtteil Gangnam in Seoul soll es mehr Schönheitschirurgen als Taxifahrer geben, und in keinem Land der Welt wird so viel plastisch herumgedoktert wie in Südkorea.

Gangnam ist ein Stichwort, das eine Zeitenwende im K-Pop einläutete. 2012 veröffentlichte der K-Pop-Star Psy das Lied Gangnam Style, das bis 2017 das mit 2,9 Milliarden Klicks erfolgreichste Youtube-Video gewesen sein soll. In seinem Windschatten setzte ein Boom ein, der heute an die 300 Gruppen umfasst.

Zu den akut wichtigsten zählen BTS, EXO, Wanna One, NCT, Got7, Seventeen oder Astro. Zwar tauchte die Musik schon zu Beginn der 1990er-Jahre auf, mit Psy und den sozialen Medien hat K-Pop nun aber eine enorme Dynamik entwickelt.

Die südkoreanische Gesellschaft ist Geschwindigkeit gewohnt; "Ppalli-Ppalli" – schnell, schnell – gilt als alltäglicher Normalzustand. Gleichzeitig fühlt man sich den Traditionen verpflichtet, hegt großen Respekt vor dem Alter – auch wenn dessen Vertreter sehr oft besoffen sind. Alkohol gilt als weithin akzeptierte Volksdroge, verkatert zu sein wird sogar im Job als Entschuldigungsgrund akzeptiert. Zudem hängt man einem Weltschmerz nach, dem Han.

Han beschreibt ein den Südkoreanern eigenes pessimistisches Grundgefühl, das sich nicht löst. Es reicht von der Idealisierung des Schmerzes über ein kollektives Leidensgefühl bis zum Hass und wurzelt in der Zeit, als Korea von Japan besetzt war, von 1910 bis 1945. Dieser Gemütszustand hat mit den aus ihm kommenden Filmen sogar ein eigenes Genre geschaffen.

K-Pop wird oft als Versuch gewertet, dem zu entkommen. Entstanden ist eine blendende Scheinwelt, ein Grenzgang aus sexy und bieder, aus frech und angepasst, hinter der eine Maschinerie steht, die Kindern ihre Kindheit und Jugend raubt. Anstatt dem Han zu entkommen, führt K-Pop immer öfter direkt dorthin. (Karl Fluch, 15.12.2019)


Aus: "Die Kehrseite des K-Pop: Depressionen, Vergewaltigungen, Suizide" Karl Fluch (15. Dezember 2019)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000112258602/die-kehrseite-des-k-pop-depressionen-vergewaltigungen-suizide

Quote
Hitecut

Das Besondere an diesen Missständen im K-Pop ist letztendlich vor allem die Intensität, mit der diese Phänomene dort auftreten. Dass Popstars Produkte ihrer Manager und Firmen sind ist bis zu einem gewissen Grad überall so. In Südkorea wird dieser Ansatz dann auf die Spitze getrieben, womit man scheinbar sogar Japan übertrifft, in dessen Idol-Industrie es aber grundsätzlich genauso abläuft (Beziehungsverbote etc.). ...


Quote
le Sucre

Habe auf YT vor einiger Zeit eine Doku, glaub es war ARTE, gesehen
zusammengefasst: die Musiker sind Gebrauchsgegenstand. Wer nicht pariert: fliegt, wer mehr als 53 kg hat: fliegt, wer dem Manager keinen runterholen will: fliegt.
Das was Britney Spears in den USA war ist im K-Pop zwanzigfach extremer. Nur sind hier nicht mehr die Boulevardblätter die Meute sondern die Instagram User.


Quote
der_wiedergänger

Die Kehrseite des K-Pop: Depressionen, Vergewaltigungen, Suizide
echt jetzt?

in der pop-welt ist gar nicht alles so zuckerlrosa, wie es dargestellt wird?
wahnsinn...


...


Textaris(txt*bot)

QuoteFdKatzoo7 #5

Mit 79 nochmal absahnen? Wozu?
Nun ist ein erhebliches Stück Musikgeschichte und Kulturgut in den Händen von Profitmaschinen.
Traurig.


Quotedeep_franz #9

... Ich dachte er würde seinem Vorbild Woody Guthrie nacheifern, der die Rechte an seinem größten Hit so geregelt sehen wollte:
,,This song is Copyrighted in U.S., under Seal of Copyright # 154085, for a period of 28 years, and anybody caught singin' it without our permission, will be mighty good friends of ourn, cause we don't give a dern. Publish it. Write it. Sing it. Swing to it. Yodel it. We wrote it, that's all we wanted to do."

,,Dieses Lied ist in den USA für 28 Jahre urheberrechtlich geschützt unter der Siegelnummer 154085, und wer immer dabei erwischt wird, wie er's ohne unsere Erlaubnis singt, wird ein gewaltig großer Freund von uns sein, weil das alles uns völlig egal ist. Veröffentlicht's. Schreibt's auf. Singt's. Swingt dazu. Jodelt's. Wir haben's geschrieben, und mehr wollten wir nicht tun."


Quote
Ura5 #9.2

"Ein wenig schade. Ich dachte er würde seinem Vorbild Woody Guthrie nacheifern, der die Rechte an seinem größten Hit so geregelt sehen wollte:"

Danke für den Hinweis. Ich finde es auch seltsam, wie ein Künstler mit Anfängen in der Protestbewegung am Ende seines Lebens seine Lieder für eine 1/3 Milliarde Dollar an einen Konzern verkauft.


QuoteAchtung - Beitrag könnte deutliche Spuren von Ironie enthalten #15

I ain't gonna work on Maggie's farm no more
I ain't gonna work for Maggie's brother no more
Nah, I ain't gonna work for Maggie's brother no more

Well, he hands you a nickel
And he hands you a dime

And he asks you with a grin
If you're havin' a good time.


Quote
kapitalist #16

Ich biete die Rechte an allen meinen ZON-Kommentaren für 300 Euro an. Interesse?


Quoterasierpinsel #16.1

Schon mal was von "Schöpfungshöhe" gehört? Wohl eher nicht:
https://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%B6pfungsh%C3%B6he


QuoteDurch Schaden wird man klüger_Aber niemals klug #16.2

Schon mal was von "Ironie" gehört? Wohl eher nicht.


...

Kommentare zu: "Bob Dylan verkauft alle Songrechte an Musikkonzern" - Bob Dylan hat die Rechte an seinen mehr als 600 Songs an Universal Music verkauft. Medienberichten zufolge wird der Betrag auf mehr als 300 Millionen Dollar geschätzt. https://www.zeit.de/kultur/musik/2020-12/universal-music-bob-dylan-songrechte-verkauf

Textaris(txt*bot)

QuoteSchlophia #2

Er war alt, er brauchte das Geld.


Zu: "Musikindustrie: Neil Young verkauft großen Teil seiner Songrechte" (6. Januar 2021)
Der Investmentfonds Hipgnosis Songs Fund hält künftig 50 Prozent der Rechte an mehr als 1.000 Neil-Young-Songs. Wie viel Geld dafür floss, wurde nicht bekannt.
https://www.zeit.de/kultur/musik/2021-01/neil-young-musikindustrie-songrechte-verkauft


Textaris(txt*bot)

Quote[...] ,,Wir wurden von drei großen Playern aus der Finanzwelt angesprochen, ob wir uns als Partner an Akquisitionen beteiligen wollen", hatte BMG-Chef Hartwig Masuch im Januar angesprochen auf den boomenden Handel mit Musikrechten gegenüber der F.A.Z. erklärt und keinen Hehl daraus gemacht, dass die Bertelsmann-Musiksparte dieser Option sehr interessiert gegenüber steht.

Knapp zwei Monate später ist aus dem Interesse eine Allianz mit dem Finanzinvestor KKR geworden. Wie die Unternehmen am Mittwoch mitteilten wollen BMG und die Beteiligungsgesellschaft ,,ihre Kräfte bündeln, um einzelne Transaktionen zum Erwerb von Musikrechten zu realisieren". Die Expertise im Katalog- und Rechtemanagment auf Seiten von BMG und die finanziellen Mittel von KKR machten ,,Transaktionen aller Größenordnungen" möglich. Im Blick haben die Partner der Mitteilung zufolge Autorenrechte wie auch Rechte an Musikaufnahmen sowie andere wie beispielsweise Produzenten-Rechte und die damit verbundenen Tantiemenanteile.

,,Zusammen mit KKR sind wir bestens positioniert, um Rechteeignern attraktive Angebote zu machen", wurde Bertelsmann-Chef Thomas Rabe zitiert. Die Allianz biete ,,Rechteinhabern nun ein kapitalstarkes, finanziell nachhaltiges Zuhause für ihre Musik-Assets und die Gewissheit, dass ihre Songs und Aufnahmen professionell und respektvoll gemanagt werden", hieß es von Hartwig Masuch am Mittwoch.

Gerade für Autorenrechte an renommierten Katalogen wird seit einiger Zeit viel Geld gezahlt. Neben Bob Dylan haben auf diesem Feld jüngst auch Stars wie Shakira oder Neil Young Teile ihrer Rechte verkauft. Für die Autoren- wie Verlagsanteile an mehr als 600 Dylan-Songs soll Universal Music bis zu 400 Millionen Dollar gezahlt haben, was mehr als das 25-Fache der im Jahr zu erwartenden Tantiemen aus der Nutzung der Werke sein soll. Sehr kauffreudig zeigen sich insbesondere der an der Londoner Börse notierte Fonds Hipgnosis und der von Blackrock unterstützte amerikanische Verlag Primary Wave. Ersterer hatte bei den Katalogen von Shakira und Neil Young den Zuschlag erhalten.

Der Deal der Iconic Artists Group des Musik-Managers Irving Azoff mit den Beach Boys unterstrich kürzlich aber nochmal, dass auch andere Rechte abseits von Text und Kompositionen auf Interesse stoßen. Azoffs Gruppe hatte sich Mitte Februar einen Mehrheitsanteil an einem Rechte-Paket gesichert, das unter anderem Musikaufnahmen, Kompositionen sowie Markenrechte der Band umfasst. Auch KKR und BMG sind in letzter Zeit aktiv geworden: Während der Finanzinvestor einen Teil der Rechte (Autoren- sowie solche an Aufnahmen) von One Republic-Frontmann Ryan Tedder erworben hat, sicherte sich BMG Mick Fleetwoods Anteile an vielen Aufnahmen der Band Fleetwood Mac.

Der Reiz für Käufer und mit Blick auf die zu erzielenden Preise auch für an einem Verkauf interessierte Künstler liegt auf der Hand: Erst gestern vermeldete der Dachverband der Labelseite, die ,,International Federation of the Phonographic Industry" (IFPI), dass der globale Markt für Musikaufnahmen auch 2020 deutlich gewachsen ist. Mit einem Gesamtvolumen von 21,6 Milliarden Dollar ist er damit wieder auf einem Niveau wie zu Beginn der 2000er Jahre, bevor der sinkende Absatz von Tonträgern und die Piraterie die Musikindustrie in die Krise stürzten.

Der Wachstumstreiber ist seit Jahren das Musik-Streaming und auch wenn sich die Zuwachsraten in manchen etablierten Märkten leicht abschwächen, sieht die Branche etwa in Lateinamerika oder Afrika noch viel Potential. Zudem gibt es diverse weitere neue, gerade digitale Kanäle für die Vermarktung von Musik. Universal Music hat beispielsweise kürzlich gemeinsam mit Lego eine App für Kinder angekündigt.

,,Wenn es nicht zu erheblichen Verwerfungen im Rechtesystem kommt, sollten sich hohe Preise für Musikkataloge rentieren", gab sich BMG-Chef Masuch im Januar betont zuversichtlich. Erfahrung in Akquisitionen hat er ohnehin reichlich – ebenso wie KKR. Von 2009 bis 2013 hielt der Investor 51 Prozent an der kurz zuvor neugegründeten Bertelsmann-Musiksparte und war maßgeblich beteiligt an deren Aufbau. Heute ist BMG hinter Universal, Sony und Warner Music das viertgrößte Musikunternehmen der Welt mit Fokus auf den Verlagsbereich, der mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes erwirtschaftet.

In der Mitteilung verweisen beide Unternehmen darauf, dass viele der mehr als 100 BMG-Zukäufe von 2009 bis 2017 in der Zeit der Partnerschaft mit KKR getätigt wurden. Mit der neuen Allianz gehen aber nun ,,weder eine Übertragung oder ein Verkauf von Anteilen an BMG noch die Gründung eines Joint Ventures" einher. Ambitioniert geben sich die Partner gleichwohl dennoch, sehen sie sich mit ihrer Kooperation doch künftig als ,,den führenden Erwerber von Musikrechten".


Aus: "Bertelsmann und Finanzinvestor : BMG und KKR wollen gemeinsam Musikrechte kaufen"  Benjamin Fischer (24.03.2021)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/bertelsmann-und-finanzinvestor-bmg-und-kkr-wollen-gemeinsam-musikrechte-kaufen-17260629.html

Textaris(txt*bot)

QuoteDurchexerziert wird [] das Heilsversprechen des Plattformkapitalismus – die Rache der Nerds, deren Lebensinhalt nicht Sex, Drugs & Rock 'n' Roll sind, sondern Coding, Kaffee und Patentanmeldungen.

Aus: "Hohn und Spotify" Eine Rezension von Kristoffer Cornils (13. Oktober 2022)
"The Playlist" - Netflix erzählt die Geschichte von Spotify ...
Quelle: https://www.zeit.de/kultur/film/2022-10/the-playlist-spotify-fernsehserie-rezension/komplettansicht

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Gerhard Höllerich, der in den 1960er-Jahren wegen seines dunklen Teints als Roy Black im deutschen Schlager kurz auf dem Königsthron saß, wäre nun am 25. Jänner 80 Jahre alt geworden. Allerdings starb der Augsburger 1991 im Alter von nur 48 Jahren wohl auch an gebrochenem Herzen und einem Cocktail aus Medikamenten und drei, vier Promille Alkohol im Blut einsam in seiner Fischerhütte im bayerischen Heldenstein.

... Wie viele andere Kollegen hatte Roy Black über die Jahre ein ernsthaftes Problem mit seinem Beruf bekommen. Die Schere zwischen dem immerwährenden Sonnenschein in den Kulissen der TV-Hauptabendshows der 1960er- und 1970er-Jahre einerseits und den Niederungen von Bierzeltauftritten und Möbelhauseröffnungen der 1980er-Jahre andererseits klaffte zu weit auseinander.

... Schlager in seiner goldenen Zeit basiert, wenn er wahrhaftig von Sehnsucht, Einsamkeit, Verzweiflung und unerfüllter Liebe erzählt, immer auf der Tragödie. Die Tragödie kennt keine Ironie. Das dazugehörige, oft recht schablonenhaft mit dicker Farbe aufgetragene Pathos kann nicht auf Distanz zu sich selbst gehen. Auch wenn man es heute aufgrund der vielen schlechten Lieder kaum glauben mag, die das Genre seit seinen Anfängen in der Operette des ausgehenden Jahrhunderts hervorgebracht hat: Schlager ist eine ernste Sache.

... Gerhard Höllerich ist am 9. Oktober 1991 gestorben. Dem Schlagergenre als Warnung geht Roy Black immer noch unter uns um. (Christian Schachinger, 25.1.2023)



Aus: "Schlager - Roy Black zum 80. Geburtstag: Schön ist es, auf der Welt zu sein" Christian Schachinger (25. Jänner 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/2000142876568/roy-black-zum-80-geburtstag-schoen-ist-es-auf-der

QuoteJohnfitzgerald

Gerhard Höllerich (Roy Black) hatte viele Gemeinsamkeiten mit Manfred Nidl - Petz (Freddy Quinn), der auch Rock'n Roll machen wollte und sich von Polydor auf die damals sehr lukrative Schlagerschiene drängen ließ. Freddy Quinn durfte sogar, den für ihn geschriebenen Hit "Blue Spanish Eyes" nicht auf Polydor veröffentlichen, weil er auf Englisch war und das die Fans der deutschen Seemannslieder verunsichern hätte können. Al Martino sagte Danke!
An der Schlagerlüge gescheitert ist auch Ludwig Hirtreiter (Rex Gildo), der vermutlich homosexuell war, was zum aufgebauten Klischee so gar nicht passte. Er beging nach Alkohol- und Tablettenmissbrauch letztendlich Selbstmord.
Die Schlagerwelt war und ist nichts für schwache Gemüter.


Quotewunderbarer falschmünzer

Marketingprodukt

Bei Roy Black waren offenbar drei Marketingpunkte für die Schlagerindustrie wichtig:
Aussehen, samtige Stimme, Lenkbarkeit bzw. Käuflichkeit.

...


QuoteDie in der Tinte sitzen

Schön ist es auf der Welt zu sein...

Das war immer das Schlusslied bei uns in der Rockkneipe :-))


QuoteLogik anyone?

Schlager ist jetzt auch nicht meine Welt, auch wenn ich vielleicht nach dem 7. Bier doch das eine oder andere Lied nicht so schlecht finde.
Was ich aber unglaublich witzig finde ist dieses "da sind die Texte so dümmlich". Ja, eh. Wie in jeder Musikrichtung. Nur offenbar kümmert es keinen (oder viele verstehen es nicht), wenn es auf Englisch gesungen wird. Ganz ehrlich, was ist intellektuell herausragend an "Du bist nichts als ein Jagdhund, Weinst die ganze Zeit, Du hast noch nie ein Kaninchen gefangen, Und du bist kein Freund von mir"? (so als Beispiel, weil im Artikel ja Schlager mit Rock'n'Roll verglichen wird).


QuoteSpartacus der Sklavenbefreier

Es kann eben nicht jeder ein Leonard Cohen sein. ...


QuoteLernen Sie Geschichte

Unglaublich wie bekannt der war.

Er ist mit vertraut, obwohl er schon 32 (!) Jahre tot ist. Hätte ich nie gedacht, dass das so lange her ist. Und dabei bin ich ganz und gar kein Schnulzenfan und war es als Jugendlicher auch nicht.


QuoteTumen

Peter Sloterdijk aus seinem Tagebuch "Zeilen und Tage" zitierend, würde den Werdegang von Roy Black wohl ,,Man wollte eine Sonne werden und ist ein Sparbuch geworden" nennen.
Was waren das noch für Kämpfe in den 1970 und teilweise 80er Jahren zwischen der Eltern bzw. Großerelterngeneration und den Buben und Mädchen bzw. Jugendlichen in diesen Jahren.

Die einen liebten die vor Liebe schmachtenden Songs, die auch von der fernen Stränden der Welt träumten, die anderen waren entweder schon sozialisiert mit der Musik der 60er Jahre oder des in den 70er Jahren aufkommenden Glam Rock.

Und ja, Roy Black wurde zu seiner Zeit vom Publikum und Teilen der Feuilletons richtigehen verabscheut. Kein Wunder, dass er sich das zu Herzen genommen hat.


Quotejoy division

In den 60ern war Black ein Publikumsliebling (bis zu 250 Auftritte im Jahr, TV-Sendungen, Filme, Showangebote...), sie meinen wohl die 70er Jahre, wo er die Gunst des Publikums verloren hatte. ganz schlimm ist die Film mit Waltz gezeigte Szene im Bierzelt, die tatsächlich fast 1:1 nach einer Originalaufnahme entstanden ist (ich habe zufällig das Original gesehen).


Quoteopfer der schwarzblauen Regierung

Otto sagte ja mal, das thema seiner Doktorarbeit war "Der deutsche Schlager und andere Geisteskrankheiten"


QuoteStigmatodactylus Aquamarinus

Je älter er wurde, desto stärker wurde der Konflikt in ihm - der Spagat seinen Fans (Muttergeneration) zu gefallen und den Anständigen zu spielen und der Wunsch, ein Rockstar zu sein. Seine Umgebung hat es ihm auch nicht leicht gemacht.
Der Mann der Herzen war schon ein ziemliches Klischee. Seine Kinder hatten sicher nichts davon.


QuoteKråpfnbäckSimale

Kinder?


QuoteKråpfnbäckSimale

Oh. Tatsächlich.


QuotePoster Nr.3

anfang der 60er war er ein teenieschwarm! der hing in jedem kinderzimmer, nix mit muttergeneration.


QuoteStigmatodactylus Aquamarinus

Aber für viele Mütter war er der attraktive Schwiegersohntyp.


QuoteDidulica

Unnützes Wissen Teil 354: Anita Hegerland war später dann die Lebensgefährtin von Mike Oldfield.


QuoteNureinpiefke

Unnützer Post 3843: Wie interessant!


...

Textaris(txt*bot)

#126
Quote[...] Die Musikindustrie wird von Profitinteressen weniger Grosskonzerne bestimmt, und Hörer wie Musiker zeigen wenig Bereitschaft, dagegen eine Haltung zu entwickeln. ... Sondern: «Die erste Frage aller Musik ist – taugt die Musik etwas? Kann diese Musik die Welt bewegen? Doch über Inhalte wird immer weniger gesprochen.»

... Aber Seliger erweist sich, aller Empathie und Erzürnung zum Trotz, in seinem Buch auch als kühler Diagnostiker, der die genannten Entwicklungen in einem grösseren Rahmen begreifen kann. Das System triumphiert, weil seine Träger es so wollen: die Firmen, die Politik, die Konsumenten, die die Preise zahlen und die eben diese Vertreter wählen, die erst die politischen Rahmenbedingungen bilden. Und nicht zuletzt die von der «Kreativindustrie» angezogenen jungen Menschen, die sich für Hungerlöhne aufreiben. «Es geht darum, eine Arbeitswelt zu inszenieren, in der sich Sklaverei wie Freiheit anfühlt (...) und die bestmöglichen Kandidaten für die bestmögliche (Selbst-)Ausbeutung zu gewinnen, und dafür Kandidaten zu finden, denen jegliches Klassenbewusstsein ausgetrieben wurde, die statt dessen die Kunst der Selbstinszenierung beherrschen.»

... Seliger: «Man kann Grunge als Reaktion auf die Gier des ungehemmten Kapitalismus verstehen, für den Michael Douglas in Wall Street stand.» Und erinnert daran, dass die grosse Gründerzeit des Rock als Protestform, die Sechziger Jahre, einmal Festivalveranstaltungen auch als politische Manifestation gegen herrschende Zustände begriffen hat: «In Monterey [einem kalifornischen Hippiefestival] ging es nicht um Konsum, sondern um Musik, um Kunst. Das waren Zeiten, als auch Filme eine Kunstform waren und keine Geldmaschine, als es in der Musik um etwas ging, um die Darstellung von Entfremdung, um das Erforschen und Herausbilden von Freirämen, um eine andere Gesellschaft mit einer anderen Kultur. Die meisten Festivals unserer Tage sind dagegen eine einzige Konsumveranstaltung, eine Animation zum Vergnügen. Es geht um Freizeitspass, um Fun.»

Dagegen ist an sich nicht viel zu sagen, allerdings ortet Seliger mit marxistischem Blick in der Kulturindustrie eine Zerstreuungsindustrie, die ihre «Herrschaft» ausübt, um noch mehr Profit herauszuschlagen. «Schon Adorno und Horkheimer haben sich an dem Begriff Fun gerieben. Fun ist ein Stahlbad. Die Vergnügungsindustrie verordnet es unablässig. Diesem Stahlbad, das da Fun heisst, unterziehen sich die Konsumenten unserer Tage freiwillig.»

...


Aus: "Kritik an der Musik, die nur noch ein Geschäft ist" Andreas Schneitter (17.01.2014)
Quelle: https://tageswoche.ch/kultur/kritik-an-der-musik-die-nur-noch-ein-geschaeft-ist/

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Quote[...] Zusammengefasst lässt sich sagen, dass der Endverbraucher die Zügel in der Hand hält und der Markt sich in erster Linie nach ihm zu richten hat. Der Erfolg jedes Produktes wird von der Käuferschaft bestimmt und daher muss jegliches Handeln in der Branche letzten Endes mit dem Nutzer vereinbar sein. Die Branche kann nicht gegen die Bedürfnisse der Kunden angehen, da eine starke Abhängigkeit besteht , und das bedeutet, dass mit allen von der Zielgruppe gewünschten Distributionswegen gearbeitet werden muss um größtmöglichen Erfolg zu erzielen. Kundenorientiertes Arbeiten ist das Leitmotiv nach dem sich die Branche und deren Beteiligte richten müssen um erfolgreich zu sein. ...


Aus: "Joshua Oldenburg - Musikstreaming: Ein ökonomischer Distributionsweg für die Musikbranche?" (2014)
Quelle: https://monami.hs-mittweida.de/frontdoor/deliver/index/docId/6113/file/Bachelorarbeit+-+Joshua+Oldenburg+Final.pdf

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Quote[...] Das Plus fällt nicht so stark aus wie noch 2021, doch auch ohne den Sondereffekt Corona und angesichts der im Zuge des Krieges allgegenwärtigen Preissteigerungen ist der globale Markt für Musikaufnahmen im vergangenen Jahr stabil gewachsen.

Ein Gesamtumsatz in Höhe von 26,2 Milliarden Dollar bedeutet einen Zuwachs von 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie der Dachverband der Labelseite, die ,,International Federation of the Phonographic Industry" (IFPI), am Dienstag in London mitteilte. 2021 war die Branche noch um 18,5 Prozent gewachsen. Das diesjährige Plus liegt in etwa auf dem vor der Pandemie im Jahr 2019 erfassten Niveau (8,2 Prozent). Die Zahlen sind nicht inflationsbereinigt, der Verband passt aber jedes Jahr die vorangegangenen Werte an die aktuellen Wechselkurse im Verhältnis zum Dollar an, sodass die Daten der zurückliegenden Jahre verglichen mit den vorangegangenen IFPI-Berichten teils variieren. So wurde der Gesamtumsatz 2021 im Bericht aus dem Frühjahr 2022 mit 25,9 Milliarden Dollar angegeben.

Als mit Abstand wichtigster Einzelposten steuerte das Streaming 17,5 Milliarden Dollar zum Umsatz bei. Der Anteil werbefinanzierter Angebote und von Abo-Modellen liegt den Daten zufolge nunmehr bei 67 Prozent nach 65,5 Prozent im Jahr 2021. Zum Vergleich: Auf dem deutschen Markt für Musikaufnahmen waren es zuletzt 73,3 Prozent. Das Plus blieb mit 11,5 Prozent wie erwartet hinter den mehr als 20 Prozent Zuwachs aus 2021 zurück. 12,7 Milliarden Dollar trug alleine das Abogeschäft bei (plus 10,3 Prozent). Die Zahl der für Dienste wie Spotify, Apple, Amazon, Youtube Music und andere zahlenden Nutzer lag laut dem Verband zum Ende des vergangenen Jahres bei 589 Millionen. Im Vorjahr waren es 523 Millionen gewesen.

Alle Dienste schütten rund zwei Drittel ihrer Einnahmen an die Rechteinhaber aufseiten der Musikindustrie aus. Grob geschätzt knapp 80 Prozent landet bei der Aufnahme, also bei den Labels. Der übrige Teil geht an die Rechteinhaber der zugrundeliegenden Texte und Kompositionen, vertreten durch Verwertungsgesellschaften und Verlage. Diese Einnahmen sind in der IFPI-Statistik nicht enthalten. Wie viel letztlich bei Interpreten und Songwritern ankommt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab – nicht zuletzt von den individuellen Verträgen mit Labels, Verlagen oder Vertrieben. Die große Bedeutung des Streamings unterstreicht zum Beispiel ein Blick auf die Jahresbilanz des weltgrößten Musikunternehmens Universal Music. 5,3 Milliarden Euro des Gesamtumsatzes in Höhe von 10,3 Milliarden Euro stammten 2022 aus diesem Bereich, der Streaming-Beitrag des Verlagsgeschäft nicht hinzugerechnet.

Zulegen konnte das zweite Jahr in Folge auch der Umsatz mit physischen Tonträgern wie Vinyl und CD. Das Plus fällt mit 4 Prozent allerdings deutlich niedriger aus als jenes im Streaming. Auch hier zeigt sich das Abflauen der Pandemie-bedingten Sonderkonjunktur, besonders bei Vinyl. 49,8 Prozent der Umsätze stammen dem Bericht zufolge aus Asien. Nicht zuletzt auf dem weltweit zweitgrößten Markt für Musikaufnahmen, Japan, verkauft sich die CD auch weiter gut. Das Plus rührt jedoch primär aus dem anhaltenden Wachstum im Bereich Vinyl (plus 17,1 Prozent). Die Einnahmen aus der Wahrnehmung von Auf­führungsrechten stiegen um 8,6 Prozent, während jene aus der Nutzung von Aufnahmen in Filmen, Werbung oder Videospielen mit 22,3 Prozent das stärkste Wachstum verzeichneten.

Gerade in westlichen Märkte mit höherem Preisniveau, die aber nicht mehr so stark wachsen wie andere, dürften die Rufe nach Preiserhöhungen der Streamingdienste lauter werden. Auch auf der Vorstellung des Berichts wurde das Thema angerissen.So sind zwar abermals alle 62 betrachteten Märkte gewachsen. Die Zuwachsraten jedoch unterscheiden sich mitunter deutlich: Legten die Regionen Lateinamerika und Afrika südlich der Sahara um 25,9 Prozent respektive 34,7 Prozent zu, fiel das Plus in Nordamerika und Europa mit 5 beziehungsweise 7,5 Prozent deutlich geringer aus.

Auch der weltgrößte Markt für Musikaufnahmen, die USA, wuchs nur um 4,8 Prozent, wohingegen beispielsweise Brasilien (plus 15,4 Prozent), Südafrika (plus 31,4 Prozent) oder auch China (28,4 Prozent) deutlich stärker zulegten. China überholte so auch Frankreich als fünftgrößten Markt und folgt nun direkt hinter Deutschland. Die Top drei bilden unverändert die USA, Japan und Großbritannien. Alleine Kanada und die USA stehen weiterhin für 41,6 Prozent des Marktes. Brasilien verdrängte derweil Italien aus der Liste der 10 größten Märkte und rangiert nun vor Australien auf Platz 9.

Für Deutschland weist der IFP-Bericht ein Plus von 2,2 Prozent aus – deutlich weniger als die vom Bundesverband Musikindustrie (BVMI) Ende Februar vermeldeten 6,1 Prozent. Hintergrund sind laut BVMI un­terschiedliche Berechnungsmethoden. So arbeitet man in Deutschland etwa mit dem Handelsumsatz, während der Dachverband das Einkommen der Musikindustrie he­ranzieht.

Quelle: F.A.Z.



Aus: "Die Musikindustrie bleibt auf Wachstumskurs" Benjamin Fischer (21.03.2023)
Quelle: https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/digitec/globale-bilanz-fuer-2022-die-musikindustrie-bleibt-auf-wachstumskurs-18765081.html

https://www.heise.de/news/Nach-20-Jahren-Deutsche-Musikindustrie-knackt-wieder-2-Milliarden-Umsatz-7530327.html


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Quote[...] Im vergangenen Jahr legte der Rapper Massiv ein Geständnis ab. Ja, er habe schonmal Streams gekauft, also Geld bezahlt, um die Abrufzahlen von Songs künstlich nach oben zu treiben. Der Berliner, den viele auch in seiner Rolle als Latif Hamady in der Serie ,,4 Blocks" kennen, ist einer der wenigen, die das bislang eingeräumt haben. Dabei ist die Praxis in der Musikbranche weit verbreitet. ,,Jeder tut es, keiner redet darüber", sagte Massiv in seiner Beichte auf Youtube.

Wie groß das Ausmaß ist, zeigt eine Studie des französischen Centre National de Musique (CNM): ,,Zwischen ein und drei Milliarden Streams wurden als betrügerisch erkannt", heißt es darin. Doch die Dunkelziffer liegt noch höher.

,,Es gibt in der Branche Vermutungen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Manipulationsversuche außerhalb der von der französischen Studie analysierten 10.000 wichtigsten Titel stattfindet", sagt Florian Drücke, Chef des Bundesverbandes der Musikindustrie (BVMI). Und da sich die Zahlen nur auf die entdeckten Betrugsfälle beziehen, dürfte das tatsächliche Ausmaß ohnehin noch darüber liegen.

Trotzdem ist die Untersuchung für Drücke ein wichtiger Schritt und könne einen ,,Beitrag zur Versachlichung einer Diskussion leisten, die bisher leider von vielen Vermutungen und Behauptungen getrieben wird". Der Verband fände daher auch eine Erhebung für den deutschen Markt gut, für den es bislang keine vergleichbaren Zahlen gibt. ,,Das Thema könnte ganz aktuell im Rahmen der beauftragten Musik-Streaming-Studie berücksichtigt werden", sagt Drücke.

Die Untersuchung wurde von Kulturstaatsministerin Claudia Roth in Auftrag gegeben, im Zentrum stehe dabei jedoch die Prüfung bestehender und gegebenenfalls alternativer Vergütungsmodelle im Musikstreaming. Erste Zwischenergebnisse werden für das dritte Quartal 2023 erwartet.
Auch wenn für Deutschland bislang Zahlen fehlen, dürften auch hier die jährlichen Betrugsfälle mit Musikstream im Milliardenbereich liegen. ,,Vermutlich bewegt sich das auf einem ähnlichen Niveau", glaubt jedenfalls Drücke. Das bestätigt auch Mareile Heineke, Deutschlandchefin des französischen Musikstreamingdienstes Qobuz. ,,Was uns angeht, wissen wir, dass die Zahlen in anderen Ländern, also auch in Deutschland, gleich sind", sagt Heineke.

Auch Rapper Massiv hat wahrgenommen, wie verbreitet es ist, dass Songs massenhaft gegen Bezahlung auf Streamingplattformen aufgerufen werden. ,,Alle, alle, alle kaufen", klagte er. Es gebe nur wenige Ausnahmen wie Haftbefehl, Sido oder Capital Bra, doch viele andere ,,kaufen sich systematisch nach oben an die Spitze".

Denn je mehr Streams ein Titel hat, umso öfter landet er in Playlists und wird dort wieder gehört. In den Charts platzierte Songs werden dann auch wieder öfter angehört, sodass letztlich eine Aufwärtsspirale entsteht. Wer dabei nicht mitmacht, würde ,,ablosen" und könne nicht mithalten. Massiv vergleicht das mit Bodybuilding, wo man ohne Steroide auch keine Chance habe. Und so dachte er als Labelmanager, er müsste seine Künstler mit allen Mitteln unterstützen und kaufte Streams.

Möglich ist das mit wenigen Klicks, entsprechende ,,Dienstleistungen" bieten dutzende Anbieter im Internet an. 100.000 Spotify-Plays kosten dort beispielsweise 179,99 Euro, eine halbe Million Streams gibt es für 699,99 Euro. Auf vielen Seiten wird damit geworben, solch ein ,,Ranking Boost" sei inzwischen gängig. ,,Fast jeder kauft jetzt Spotify Streams", schreibt ein Anbieter, ,,es ist fast nicht mehr möglich, dass man ohne einen kleinen künstlichen Boost erfolgreich wird", heißt es bei einem anderen. Gerade bei neuen Künstlern verstärken sie so das Gefühl, ohne Betrug kaum bekannt werden zu können.
Die Musikindustrie hat zwar schon viele solcher Streaming-Manipulation-Webseiten verklagt und auch immer wieder Gerichtsverfügungen gegen solche Angebote erreicht. Die letzten Urteile stammen jedoch von 2021, seither sind zahlreiche neue Seiten entstanden. Ob auch Spotify rechtlich gegen solche Seiten vorgeht, ist unklar.

Der Marktführer ist zum Thema Klickbetrug wenig auskunftsfreudig. Das Unternehmen hatte zunächst ein Gespräch in Aussicht gestellt, antwortete dann auf einen Fragenkatalog jedoch nur mit einem generellen Statement. Man nehme die Manipulation von Streaming-Angeboten sehr ernst, verfüge aber seit langem über Mittel, ,,um solche Aktivitäten zu verhindern, aufzudecken und zu entschärfen, was zu greifbaren Ergebnissen geführt hat".
Allerdings weist das schwedische Unternehmen Künstler darauf hin, dass ,,künstliches Streaming" und die Nutzung bezahlter Dienste von Drittanbietern verboten sind. Wer erwischt wird, dessen Musik könne von der Plattform entfernt werden, zudem würden Lizenzzahlungen einbehalten und die Anzahl der Streams berichtigt, um beispielsweise sicherzustellen, dass Charts die Beliebtheit von Künstlern und Songs korrekt abbilden.

Vor drei Jahren wurde das Thema im deutschen Hiphop intensiv diskutiert. Auslöser war eine Recherche des ,,Y-Kollektivs" zu Chart-Manipulationen, es folgten zahlreiche Vorwürfe. Seither scheinen Gegenmaßnahmen aber zu greifen. Es gab eine ,,Fake-Streams-Bereinigung", sagte beispielsweise Patrick Thiede, Chef des Hiphop-Labels Chapter One in einem Podcast.
So kamen 2022 innerhalb von einer Woche 13 Deutschrap-Songs auf vier Millionen Streams, im Jahr davor waren es noch mehr als doppelt so viele gewesen. Auch Haftbefehl wunderte sich: ,,Wo sind denn diese ganzen Rapper hin, versteh' ich nicht?", fragte er 2022 auf Instagram. Im Vorjahr hätten sie noch 150 Millionen Klicks gehabt.
Doch wenn jedes Jahr Milliarden Streams manipuliert werden und einzelne Künstler oder deren Management sich schon mit wenigen tausend Euro Abrufzahlen in Millionenhöhe kaufen können, wie groß ist der Einfluss dieses Klickbetrugs auf die Charts?

Beim BVMI gibt es dazu einen eigenen Prüfungsausschuss. Doch der letzte bekannte Fall, wo dieser tätig geworden ist, stammt aus dem Jahr 2016, damals wurde der Musiker Dave Ramone für acht Wochen aus der Wertung genommen, nachdem Manipulationen aufgeflogen waren. Damals wurden dafür noch MP3-Downloads gekauft, seit dem Siegeszug des Streamings ist Betrug technisch noch einfacher geworden.
Daher hat der internationale Dachverband der Musikindustrie IFPI mit zahlreichen Labels, Plattformen und Organisationen im Jahr 2019 sogar eine Koalition zur Bekämpfung von Streaming-Manipulationen gebildet. Obwohl die Industrie seither deutlich mehr tut, gibt es keine Informationen darüber, ob und wie oft auch Chartplatzierungen korrigiert wurden. Verbandschef Drücke sagt, ihm seien aus den vergangenen fünf Jahren keine Fälle bekannt. ,,Viele Versuche werden offenbar mittlerweile von den Streaming-Anbietern rechtzeitig identifiziert und die Auswirkungen eingedämmt und erreichen uns insofern nicht."
Dass die Gegenmaßnahmen der Musikplattformen greifen, bestätigt auch Björn Nowak. Er arbeitet selbst in führender Position in der Musikbranche, will sich aber nicht unter seinem richtigen Namen äußern, um keine Probleme wegen Vertraulichkeitsvereinbarungen zu bekommen.

,,Die Anbieter sind definitiv extrem viel besser geworden, die Sachen zu entdecken und rauszufiltern", sagt Nowak. Das zeige offenbar Wirkung: Inzwischen müsse er sehr viel seltener gegen Künstler aktiv werden, bei denen Unregelmäßigkeiten entdeckt wurden. So gab es 2020 pro Monat mehr Betrugsmeldungen, als im gesamten Jahr 2022. ,,Das heißt aber nicht, dass es nicht noch viel mehr hintendran gibt, was unentdeckt bleibt und das ist Hauptproblem", sagt Nowak.

Dabei meint der Musikmanager insbesondere ein Bereich, den er ,,Fraud Music" nennt. Auf diese ,,Betrugs-Musik" entfallen nach seiner Einschätzung inzwischen sogar 70 bis 80 Prozent des künstlichen Streamings. Dabei handelt es sich um Songs, die gar nicht gemacht werden, um ein Publikum zu erreichen, sondern einzig um damit Geld von den Musikplattformen abzugreifen.
Auch das Phänomen ist nicht neu, hat sich über die Jahre aber deutlich verändert. ,,Die Qualität der Fraud-Musik ist extrem gut geworden", sagt Nowak. Während man früher oft schon beim ersten Hören sagen konnte, welche Stücke nicht aus wirklich musikalischem Interesse entstanden seien, sei diese Unterscheidung jetzt nicht mehr so einfach möglich.
Dabei könnte das Phänomen mit der Betrugsmusik noch ganz am Anfang stehen. ,,Ich glaube, das wird noch viel schlimmer, wenn man bedenkt, welche Qualität von Musik man mit Künstlicher Intelligenz erzeugen kann", sagt Nowak. Nur anhand der Musik werde man bald nicht mehr erkennen, ob die Titel ,,Fraud-Musik" seien.
Und auch in anderen Bereichen haben die Betrüger dazu gelernt. Spotify und Co. zahlen für jeden Stream Geld aus, sobald dieser 30 Sekunden lang abgespielt wurde. Daher waren die Fake-Musikstücke am Anfang auch oft nur etwas länger als 30 Sekunden. ,,Das ist natürlich extrem auffällig und leicht zu identifizieren", sagt Nowak. Nun dauern die Tracks eben eine Minute und 28 Sekunden. Trotzdem sei die Länge weiter ein Identifikationsmerkmal.

Auch sonst gibt es zahlreiche Indikatoren, mit denen das künstliche Abspielen von Musik identifiziert wird. ,,Wenn ein Künstler im Monat von einhundert Leuten gehört wird, aber mit seinem Album auf 200.000 Streams kommt, sieht das schon komisch aus", sagt Simon Zetsche, der unter anderem Namen ein Team zur Betrugserkennung leitet.

In der Regel schlagen die Alarmsysteme an, sobald es deutliche Abweichungen vom normalen, statistischen Hörverhalten gibt. Kommt ein Großteil der Hörer aus bestimmten Orten? Wie oft werden die Songs am Computer abgerufen oder per Handy-App? Sind die Nutzer bei der Telekom oder haben sie einen billigen Prepaid-Vertrag? Wie ist das Verhältnis von Streams zwischen Spotify, Apple Music oder anderen Plattformen? Zu all diesen Fragen wissen die Anbieter, welche Verteilungen im Schnitt normal sind, besondere Ausschläge zeigen daher einen möglichen Betrug an.
Eindeutig ist der Nachweis jedoch nicht. Das fängt damit an, wie lange einzelne Accounts am Tag laufen oder wie oft ein Nutzer bestimmte Songs am Tag hört. Doch wo hört das Verhalten eines fanatischen Fans auf und beginnt systematischer Betrug? ,,Das ist tatsächlich ein schmaler Grat und ich glaube, deswegen ist auch die Dunkelziffer noch höher", sagt Heineke. Zumal viele Künstler ihre Fans auch extra aufrufen, Songs in Dauerschleife zu hören. Es müsse daher wirklich eindeutig erkennbar sein, dass es sich um einen Betrug handele, bevor ihr Streamingdienst Qobuz eingreife. ,,Wenn ich einen neuen Song 100 Mal am Tag höre, würde das nicht reichen. Es müsste noch viel krasser sein", sagt Heineke.

Doch lohnt es sich überhaupt, Musik nur dafür zu erzeugen, um dann mit selbst generierten Abrufen Geld zu verdienen? Schließlich klagen selbst bekannte Künstler immer wieder, wie wenig das Streaming einbringe. Das Problem dabei ist, dass deren Plattenfirmen meist den Großteil der Gelder erhalten. ,,Wer als Musiker 20 Prozent bekommt, ist schon richtig gut dabei, wir sprechen eigentlich eher von 10 Prozent", sagt Nowak. Fraud-Musik wird dagegen ohne Labels hochgeladen, dann könne man als Faustregel mit einer Million Streams 3500 Euro verdienen.

Wenn also Profile von zehn Fake-Künstlern erzeugt werden, die jeder ein Album mit zehn Titeln haben, müsste jeder Song 833 Mal abgespielt werden, um insgesamt auf eine Million Streams zu kommen, rechnet der Manager vor. Dass ein Titel 833 Mal gestreamt werde, sei nicht besonders auffällig. ,,Selbst das Zehnfache ist noch relativ wenig und so kann man hochrechnen, was da an Summen zusammenkommen kann", sagt Nowak.
Wie geschäftsmäßig das abläuft, zeigte auch der ,,Bayerische Rundfunk" gerade in seiner Dokumentation ,,Dirty Little Secrets". Dort nennen sie die gefälschten Künstler ,,Geistermusiker". Eine davon nennt sich Amandine Moulin, doch die angebliche Pariser Pianistin ist ein schwedischer Mann. Der erfolgreichste Titel von Geistermusikerin Moulin wurde sogar mehr als 13 Millionen Mal gestreamt. Und auf der beliebten ,,Peaceful Piano"-Playlist stammen laut BR 60 Prozent der rund 300 Titel von sogenannten ,,Geistermusikern".

Die Titel dafür zu erzeugen, geht dank generativer KI so einfach wie nie. Google hat mit MusicLM ein Tool entwickelt, das Musik per Texteingabe produziert. Die Entwickler von Riffusion haben den Text-Bild-Generator Stable Diffusion mit Spektrogrammen trainiert, also Aufnahmen von Tonfrequenzen. Auch damit lassen sich per Knopfdruck gewünschte Musikelemente erzeugen.
Lucian Grainge, Chef von Universal Music, warnte kürzlich vor einer ,,Flut von ungewollten Inhalten". Erzeugt wird die auch mithilfe des Start-ups Boomy. ,,Erstellen Sie in Sekundenschnelle eigene Songs, auch wenn Sie noch nie Musik gemacht haben", werben die Kalifornier. 15,6 Millionen Stücke hätten Nutzer schon erstellt, das entspräche 14,8 Prozent der weltweit je aufgenommenen Musik. Dass es dabei um ein paar schnelle Cent geht, wird auch schnell deutlich: Bei den wichtigsten Fragen geht es vor allem darum, wie und wann die Tantiemen verteilt und ausgezahlt werden. Boomy hilft auch direkt bei der Verbreitung auf den Streamingdiensten und betreibt dort beispielsweise eigene Playlisten.
Damit die KI-Musik aber auch so oft gehört wird, dass es sich lohnt, muss offenbar massiv nachgeholfen werden. Im Mai hat Spotify darauf reagiert und zehntausende mit Boomy erzeugte Titel gelöscht, sowie den Zugang des Start-ups gesperrt.
Inzwischen ist die Sperre wieder aufgehoben, Boomy hat seine Nutzungsbedingungen etwas angepasst und erklärt, man habe sich der Förderung eines ,,gesunden Musikmarktes" verschrieben, was sich unter anderem am ,,Engagement für Bot-Prävention" zeige.

Doch die Debatte um die Folgen von KI in der Musik hat gerade erst begonnen. Berlins neuer Kultursenator Joe Chialo (CDU) sprach gerade von einem ,,Epochenbruch" und kündigte an, in den nächsten zwölf Monaten eine Konferenz zur Rolle von KI im Kulturbetrieb zu organisieren. ,,Dass wir bei diesem Thema noch gar nicht denkfähig sind, beunruhigt mich sehr", sagt Chialo, der früher selbst als Musikmanager gearbeitet hat.
Und auch Spotify-Gründer Daniel Ek, der den Wandel vom Musikkauf zum Streaming-Abo maßgeblich vorangebracht hat, staunt angesichts der Möglichkeiten von generativer KI. Vor Investoren sagte Ek im Frühjahr, er glaube nicht, dass er so etwas in der Technologie je gesehen habe.


Aus: "Chart-Platz zu verkaufen: KI befeuert Milliarden-Betrügereien im Musik-Streaming" Oliver Voß (18.06.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/chart-platz-zu-verkaufen-ki-befeuert-milliarden-betrugereien-im-musik-streaming-9981268.html


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Quote[...] Pro Song, der jährlich nur 999 Mal angehört wird, bekommen die Rechteinhaber:innen bisher einen lächerlichen Betrag von etwa 3,50 Euro. Dafür kriegt man an der Theke maximal ein kleines Bier ...

Wer also mit Spotify ernsthaft Geld verdienen möchte, muss sich ohnehin bereits nach der Streamingdecke strecken und weit häufiger angehört werden, als 1000 Mal.

... Spotify schmückt sich gerne mit einem vielfältigen Angebot, will diese Vielfalt aber nicht bezahlen. Produkte zu nutzen, die nicht entlohnt werden, ist ganz streng genommen eine sehr perfide Art von Diebstahl. Gleichzeitig wird das Versprechen der Demokratisierung des Musikmarktes, nämlich dass alle Musik hören und Künstler:innen niedrigschwellig ins Business rutschen können, endgültig gebrochen.

... Das neue Signal von Spotify ist, dass alle, die sich jenseits des Mainstreams bewegen, künstlerische Risiken eingehen oder eben noch ganz am Anfang stehen, wertlos sind. Der Musikmarkt und seine ohnehin prekären Bedingungen erreichen gerade einen neuen Tiefpunkt.

...


Aus: "Spotifys neues Bezahlmodell: Sagt doch einfach, dass ihr Musiker verachtet!" Ein Kommentar von Silvia Silko (16.11.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/spotifys-neues-bezahlmodell-sagt-doch-einfach-dass-ihr-musiker-verachtet-10789942.html

Quotehanatol
16.11.23 20:49

Weniger als 3 Streams pro Tag - bei 515 Mio aktiven Nutzern, davon 210 Mio zahlenden Nutzern: das ist schon ziemlich irrelevant. Und dafür will man auch noch Geld? Man sollte dankbar sein, dass man diese theoretische Reichweite kostenlos nutzen darf. ...


QuoteGastGast
16.11.23 20:41

Ich verstehe die Aufregung nicht. Weder muss ein Künstler seine Werke bei Spotify anbieten noch muss ich den Dienst nutzen. Den Rest regelt der Markt.


QuoteErwin
18.11.23 15:06
@GastGast am 16.11.23 20:41

Spotify ist, neben den paar anderen Musikstreaming Oligarchen, der Markt.


Quotedrisokk
17.11.23 12:02

Schön blöd, wer seine mühsam selbst produzierten Tracks einfach Spotify schenkt, welche umgehend von eben Spotify als Werbematerial verramscht werden. Die dadurch vermeintlich erkaufte Reichweite ist wohl eher Illusion ...


QuoteMelatonin
17.11.23 10:16

Ich empfehle Bandcamp, wo ich viele musikalische Perlen gefunden habe und das Musikangebot im subversiven Bereich deutlich größer ist als bei Spotify. Je nach Einstellung der KünstlerInnen kann man deren Alben ein paar Male gratis hören, bis man beim xten Mal um eine kleine Spende gebeten wird. Fairer und direkter geht es meiner Meinung nach nicht. Und außerdem ist die App nicht annähernd so nervtötend wie Spotify.


Quotegrg123
18.11.23 13:22

    Die Abwärtsspirale für Musiker jenseits des Mainstreams dreht sich weiter.

Das ist Quatsch! Weil die Musiker auf 3,50 € verzichten müssen, gehen sie pleite? Ich höre übrigens auch viel Musik "jenseits des Mainstream" und binde diese gerne in Playlists ein, was zur Förderung beiträgt. Dadurch bekomme ich von Spotify auch haufenweise Vorschläge mit vollkommen unbekannten Künstlern, die sonst niemals Beachtung finden würden.



QuoteSchartinMulz
17.11.23 14:54

Viele Kommentare zeigen, dass nicht nur Spotify Musiker verachtet, sondern auch ein Teil der Kundschaft.
Zumindest wenn es um Musiker geht, die nicht den ganz großen Erfolg haben.
Die bekommen bisher ganz wenig Geld und demnächst gar keins mehr.
Werden zwar hier und da gespielt, aber das Geld dafür bekommen die Großen.
Und das wird hier noch schön geredet.



Quotehanatol
17.11.23 17:22
@SchartinMulz am 17.11.23 14:54

p.s. die "Großen" sind es auch, für die die meisten Leute ein Abo abschließen und überhaupt erst Kohle in die Kasse spülen.


Quotetiber5
16.11.23 21:53
,,Pro Song, der jährlich nur 999 Mal angehört wird, bekommen die Rechteinhaber:innen bisher einen lächerlichen Betrag von etwa 3,50 Euro."

In der Zeit vor Spotify hätte man damit aber auch kein Geld verdient.
Nicht jedes Hobby reicht zum Leben...


QuoteWufflau
16.11.23 21:39

Das ist natürlich schlecht, aber ich kann nicht wirklich nachvollziehen, warum sich Künstler nicht organisieren und gemeinsam Druck auf die Plattformen ausüben. Oder ein paar der superreichen Künstler bauen eine eigene Plattform auf, die den Ansprüchen der Künstler mehr entgegenkommt. Alle schimpfen auf die Plattformen und lassen sich dann rumschubsen, dabei haben sehr viele von den Künstlern unglaubliche Reichweiten und Publicity, davon träumen andere gesellschaftliche Gruppen, deren berechtigte Interessen oft übergangen werden.


QuoteMelatonin
17.11.23 10:12
@Wufflau am 16.11.23 21:39

Sie überschätzen die Macht von einzelnen KünstlerInnen. Der Markt wird von einer Handvoll Musikkonzerne komplett bestimmt. Hierzu gab es bereits etliche Versuche (in Deutschland u.a. mit Jennifer Rostock oder Peter Maffay). Ähnlich geht es zu mit Livegigs. Ich empfehle dazu John Olivers Beitrag zu ticketmaster, welche die Vermarktung von Konzerten weltweit bestimmen. Selbst Größen wie Pearl Jam haben dagegen keine Chance. Entweder man spielt das Spiel mit, oder man bekommt keine Konzerte mehr.


QuoteMcSchreck
16.11.23 21:33

Spotify ermöglicht umgekehrt völlig unbekannten Musikern, einer Masse bekannt zu werden. Wer als Musiker weltweit weniger als 1.000 mal gehört wird (für mindestens 1 Minute), kann kaum erwarten, damit Geld zu verdienen. In der Fußgängerzone kriegt man auch nicht mehr als 3,50, wenn im ganzen Jahr nur 1.000 Leute für die Musik anhalten, um es mal leicht überspitzt zu sagen.

Ich bin Kunde und seit einiger Zeit Aktionär. Spotify ist für jeden Musiker noch um ein vielfaches fairer als Youtube oder die vielen anderen Möglichkeiten von Streming, wo die Leute nämlich exakt gar nichts bezahlen.


Quotemacthepirat
16.11.23 21:13

Dieseganzen Online-Dienste sind eigentlich Raubrittermodell. Sie bestehlen ihre Kunden, egal ob das Kreative oder Nutzer sind. Youtube versucht gerade seine Nutzer zu zwingen entweder den Adblocker abzuschalten oder aber ein Abo abzuschließen damit der Kunde keine Werbeunterbrecher ertragen muss. Und das Geld für die Werbeeinnahmenm wird nicht gerecht an die kreativen verteilt, da werden Miniatursummen ausgezahlt.


QuoteHansiW
16.11.23 21:08
Fair ist anders. Allerdings ist es auch immer eine Frage welche Funktion man Spotify zuspricht. Spotify bietet mir den Service jederzeit quasi jede beliebige Musik hören zu können und kleinen Künstlern die Möglichkeit gehört zu werden.

Früher hat man als wenig bekannter Künstler auch nichts an Rechten eingenommen sondern musste seine Musik Live unters Folk bringen und konnte da wenn man gut war noch was am Merch Stand verdienen.

Wenn ich auf ein Konzert gehe und der Künstler gut war kaufe ich ein Tshirt und nen Tonträger (unabhängig davon, dass diese vermutlich selten/nie gehört werden weil spotify bequemer ist).

Und wenn ich einen Künstler gerne höre dann geh ich auf sein Konzert wenn er in der Stadt ist und der Kreis schließt sich.


Quotedon-dirko
16.11.23 18:56

Unglaublich, was sich Spotify da erlaubt, hoffen wir auf einen Shit-Storm, der sie zum Einlenken zwingt. Aber ich fürchte, gerade die kleineren Künstler haben dafür weder die Fanbase noch eine starke politische Lobby.
Kritisieren lässt sich an Spotify noch mehr, z. B. dass 30-Sekunden-Abrechnungsmodell: Ein Titel, der nur 29 Sekunden gespielt wird, wird nicht vergütet, aber ein Titel, der 6 Minuten gehört wird, wird auch nur wie einer vergütet, der nur 30 Sekunden lief. Das führt zu einer kreativen Verarmung der Musik: längere Titel werden bestraft, 3 kurze Titel mit 2,5 Minuten nacheiner gehört bringen die 3-fache Vergütung wie ein entsprechend längerer Titel.
Das System Spotify belohnt kommerziell produzierte Massenware und bestraft künstlerisch anspruchsvolle Musik, weil sie die Gelder entsprechend umverteilt.
Hinzu kommt, dass sich Künstler eine bessere Platzierung in den algorithmisch generierten Playlisten "erkaufen" können, indem sie sich auf einen prozentual (noch) geringeren Vergütungsanteil einlassen. Mit vielfältigen Konsequenzen: Die Nutzer erhalten keine rein an ihrem Geschmack ausgerichteten Empfehlungen, sondern welche, die sich an den kommerziellen Interessen von Spotify orientieren. Und seitens der Künstler wird der Druck erhöht, sich ebenfalls auf diesen Deal einzulassen und die Tantiemen weiter zu senken.
Aus Sicht von Spotify sicher sehr clever, aber da zeigt sich mal wieder das hässliche Gesicht der Plattformökonomie.


...

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Quote[...] Spotify ist schon lange bekannt dafür, kein gerechtes Bezahl-System für Musiker*innen zu haben, die auf dem Portal gehört werden, sondern eher denen mehr zu bezahlen, die öfter gehört werden, als unbekannteren Künstlern, die nicht so oft gehört werden. Ab nächstem Jahr soll das alles aber noch viel schlechter werden: von 2024 an soll Titeln, die weniger als 1000 Mal gehört wurden, gar nichts mehr ausgezahlt werden. Zum einen werden die Beträge auf diejenigen umverteilt, die mehr Klicks haben und schon mehr verdienen, zum anderen will Spotify sich so Millionenbeträge einsparen. Die Reichen werden reicher, auf Kosten der "Kleinen".

Es war bis jetzt schon verschwindend gering, was unbekanntere Musiker bekamen. Was, wie der Name des Artikels besagt, Musiker-verachtend ist. Gar nichts mehr zu bezahlen, die Titel aber dennoch anzubieten, ist, wie der Artikel erkennt, eigentlich Diebstahl. Außerdem werden mit dem neuen Modell nur noch Mainstream Artists gefördert, was die Entwicklung der Kunst erstickt:

    Das neue Signal von Spotify ist, dass alle, die sich jenseits des Mainstreams bewegen, künstlerische Risiken eingehen oder eben noch ganz am Anfang stehen, wertlos sind. Der Musikmarkt und seine ohnehin prekären Bedingungen erreichen gerade einen neuen Tiefpunkt.


Künstlerische Freiheit wird also nicht mehr unterstützt ... Den meisten Konsumenten ist es mühselig, sich mit dieser Info auseinanderzusetzen, und sie behalten achselzuckend die App und nutzen sie weiterhin ...


Aus: "Spotify's neues Bezahlmodell: noch Musikerverachtender als bisher" Dorothea Tachler (Dienstag, 21.11.2023)
Quelle: https://www.piqd.de/dashboard/spotify-s-neues-bezahlmodell-noch-musikerverachtender-als-bisher

Textaris(txt*bot)

#129
Quote[...] Es graut mir schon jetzt vor dem Tag, an dem die Insta-Stories der Welt wieder mit den bunten Kacheln des Spotify-Jahresrückblicks zugepflastert sein werden. Dann teilen meine Freund:innen stolz, wie sie unbekannte Bands und vielfältige Genres gehört haben, während ich mich für meinen Musikgeschmack einfach nur schäme.

2023, das weiß ich schon jetzt, wird meine Nummer 1 der Song "Blank Space" von Taylor Swift sein. Das ist mir so unangenehm, dass ich einfach gar nichts teilen werde. Aber warum eigentlich? Warum ist mir ausgerechnet ein Song peinlich, den wahrscheinlich täglich Millionen Menschen hören?

Liegt es daran, dass der Song schon neun Jahre alt ist? Oder daran, dass Taylor Swift eine Multimillionärin ist, die ich durch meine Streams unfreiwillig noch ein bisschen reicher mache? Oder ist es eine tief in mir sitzende Misogynie, sodass ich Musik von Frauen automatisch schlechter finde als die eines jaulenden Mannes mit Gitarre?

Wahrscheinlich von allem ein bisschen.

Vor allem aber ist es eine einfache Gleichung, die mir früh ins Gehirn gepflanzt wurde: Popmusik = peinlich.

Die Herabwürdigung jeder kommerziell erfolgreichen Musik ist zu einem Automatismus geworden, der sich von kritischen Feuilletonist:innen auf alle übertragen hat, die sich irgendwie überhaupt für Musik interessieren. Sie sind der Überzeugung, Popmusik sei ein Massenprodukt, seelenlos produziert von der bösen Musikindustrie, um superviel Geld zu verdienen. Diese Hits seien also gar keine richtige Musik.

Dabei findet man diese "richtige Musik", die so "deep" ist, am Ende auch nur durch stundenlanges Suchen in irgendwelchen Datenbanken. So kann man dann verächtlich auf diejenigen herabschauen, die sich ihren Geschmack von den Radios und Global-Hit-Playlists dieser Welt vorgeben lassen. Das klingt extrem anstrengend und freudlos, und ich kann versprechen: Das ist es auch.

Denn wer darauf besteht, dass der Lieblingssong etwas extrem Individuelles zu sein hat, ein Song, der nur einem selbst und sonst niemandem gehört, der verkennt die große Magie von Musik als Massenphänomen.

Es schmälert mein Erlebnis nicht, wenn ich nur einer von vielen bin, die Gefühle zu einem Taylor-Swift-Song haben.

"Blank Space"
https://youtu.be/e-ORhEE9VVg


"Blank Space" ist der perfekte Song zum Autofahren, im besten Sinne radiooptimiert und hat einen Refrain ("So it's gonna be forever / Or it's gonna go down in flames"), der mich mit einer riesigen Wärme füllt. Dass es anderen offenbar genauso geht, macht den Song nur noch schöner.

Eigentlich könnte ich mich also sogar darin bestärkt fühlen, dass ich mit meinen Emotionen und der Projektion meines Lebens auf irgendeinen Popstar nicht allein bin. Dieses tiefe Gefühl der Verbundenheit, das kann kein DIY-Album mit 70 Hörer:innen auf SoundCloud in diesem Maße erzeugen.

Trotzdem werde ich die Scham für meinen Musikgeschmack auch in dieser Spotify-Jahresrückblicks-Saison nicht vollständig ablegen können. Mein innerer zynischer Tocotronic hörender Teenager in Röhrenjeans und mit tief ins Gesicht gekämmtem Pony ist noch zu stark, um völlig cringebefreit zu meiner großen Zuneigung für klischeehafte Chartmusik zu stehen.

Doch eines Tages, da bin ich mir sicher, wird mir der Sieg im Kampf gegen die Scham gelingen. Das hier ist ein Anfang. Aus dem "guilty pleasure" wird dann nur noch "pleasure" werden. Und ich werde endlich die Person sein können, die ich schon immer war.


Aus: "I ❤️ Taylor" Sebastian Hotz (27. November 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/campus/2024/01/taylor-swift-spotify-jahresrueckblick-musik-el-hotzo

QuoteAltervorSchönheit

Ich kann mit Taylor Swift nichts anfangen und schäme mich nicht dafür.


QuotePhanta

In der gleichen Phase, lieber Verfasser, war ich vor ein paar Jahren auch. Nur, dass es bei mir nicht um Taylor Swift ging (und Misogynie keine Rolle spielte, aus verschiedenen Gründen). Zu merken, dass man nur irgendwelche angelernten Mainstream-Verabscheuungsmuster fühlt, die es gar nicht braucht, war sehr befreiend. Ich teile meinen Spotify-Rückblick zwar auch nicht, aber nicht aus Scham, sondern weil ich in sozialen Medien nicht poste und bis vor wenigen Wochen auch Spotify nicht genutzt habe ;)


Quoteeat_the_rich

Das ist/war nicht nur beim Mainstream so. In meiner Jugend in den 90ern gab es zuerst auch ganz klare Trennlinien, was man gehört hat und was nicht: Hip-Hop hören kein Metal, wer Metal hört nix Elektronisches etc usw Und Pop ging schon mal gar nicht.

Wenn man irgendwann merkt, dass die Grenze, die man ziehen sollte, nicht zwischen den Genres liegt sondern zwischen gut gemacht und Schund oder meinetwegen wirkt/wirkt nicht, dann ist das in der Tat sehr befreiend.


QuoteJochenB

Taylor Swift ist anders als die anderen. Sie ist nahbar, plaudert mit allen und bleibt trotz ihrer Bekanntheit irgendwie auf dem Teppich. Das zieht einen in den Bann. Genau damit macht die einen unglaublichen Batzen Geld. Anders gesagt - die hat es faustdick hinter den Ohren.


Quote
Vorki

Sorry, aber der Artikel ist mir persönlich zu oberflächlich. ...


QuoteMadro

Wer wisen will wer die heutige Pop-Musik schreibt sollte diesen Artikel lesen. Nichts von den schwülstigen Sätzen wie "ich schrieb den Song als ich in XY Stimmung war". Die meisten Songs von Tayler Swift und Co. werden von 2 Männer geschrieben.

"Every song you love was written by the same two guys"
By Social Links for Larry Getlen, Published Oct. 4, 2015
Songwriting today is not the romantic notion of one kid with a guitar. As John Seabrook writes in his new book "The Song Machine," it's an impersonal, assembly-line-driven process that would make Henry Ford proud.
https://nypost.com/2015/10/04/your-favorite-song-on-the-radio-was-probably-written-by-these-two/


QuotePhanta

Na und? Diese Frage nach Authentizität gehört doch auch nur zu dem Potpourri der Gründe für Popmusik-Scham, wie sie im Artikel beschrieben wird. Und ist Unsinn. Ein Song wird nicht besser, nur weil die Person, die ihn performt, ihn auch geschrieben hat. Diese Nachwehen des romantischen Geniekultes sind inzwischen nur noch ermüdend.


Quoteeat_the_rich

Skandal im Theater-Betrieb: Lars Eidinger hat nicht Hamlet selber geschrieben.


Quote
volumen

... Ich kenne elaborierte Intellektuelle, die auf Musikantenstadl stehen. Ich kenne knallharte Wissenschaftler, die nur bei Helene Fischer weich werden.
Man muss sich nicht kratzen, wenn es andere Leute juckt.


QuoteDie Antwort ist_42

Taylor Swift... langweilige Fahrstuhlmusik für gelangweilte Großstädter. Da fehlt bei mir alles, was in mir Emotionen auslöst.  ...


QuoteBIRP

Ach komm, Popmusik ist genau genommen doch peinlich. Da nutzt das ganze Hin- und Her-Gehotze auch nix.


QuoteMampf.Mampf

Ich finde, dass Taylor Swift wirklich tolle Beine hat!
Die Musik von ihr vergesse ich immer direkt.


QuoteStephan

Es ist mir ein absolutes Rätsel, was an Taylor Swift irgendwie toll sein soll. Flache Songs, leere Texte, dünne Stimme, künstliche Musik-Arrangements...
Kein Erkennungsmerkmal - außer, dass es halt keines gibt, was ja auch schon wieder ne Kunst ist. ...


QuoteBeckmonk

Es ist gut, dass Menschen, die gerne Schlager- und Popmusik -kurzum Mainstream- hören, dies ungehemmt, immer und stets machen können.  ...


Quoteberberisse

Lektüretipp: Über Pop-Musik von Diedrich Diederichsen - Vielleicht wird es besser mit ein bisschen Hintergrundwissen?
Ganze Generationskohorten von Pop-Fans hat er angeregt und aufgestört: Diedrich Diederichsen. Nun erscheint mit Über Pop-Musik das Ergebnis seines lebenslangen Nachdenkens über Pop.Über Pop-Musik ist ein kluges, ein kontroverses Buch, dessen Thesen ganze Gebäude eilig zusammengezimmerter Übereinkünfte zum Einsturz bringen werden. Pop-Musik, sagt Diederichsen, ist gar keine Musik. Musik ist bloß der Hintergrund für die viel tiefer liegenden, viel weiter ausstrahlenden Signale des Pop. Pop ist ein Hybrid aus Vorstellungen, Wünschen, Versprechungen. Er ist ein Feld für Posen und Pakte, für Totems und Tabubrüche. Der Autor bezieht seine Argumente aus Semiotik und Soziologie ebenso wie aus der Geschichte und Gegenwart der Pop-Kultur und aus den angrenzenden Gebieten Jazz, Kino, Oper. Es dürfte das erste Buch sein, das der ganzen Vielgestaltigkeit des Phänomens Rechnung trägt, und das einzige, in dem gleichzeitig Theodor W. Adorno und Congo Ashanti Roy auftreten. Und es ist ein sehr persönliches Buch. Diederichsen greift immer wieder auf die eigenen Erfahrungen zurück, sein Initiationserlebnis war ausgerechnet ein Konzert des bleichen Bluesrockers Johnny Winter. Was er über dessen Auftritt schreibt, gilt für viele, die nach dem Zweiten Weltkrieg aufgewachsen sind: Pop hat »eingelöst, was wir alle immer schon geahnt hatten, aber als Kinder nie ganz genau wussten: dass es etwas gibt. Nicht, wovon Winter heulte, war wichtig, sondern dass in komischen Geräuschen ein Weg zur Welt war.«
https://www.kiwi-verlag.de/buch/diedrich-diederichsen-ueber-pop-musik-9783462045321


Quotemartinhf

"Pop-Musik, sagt Diederichsen, ist gar keine Musik. Musik ist bloß der Hintergrund für die viel tiefer liegenden, viel weiter ausstrahlenden Signale des Pop."
Dann wäre es richtig zu sagen: "Pop ist mehr als Musik."

Ich glaube, diese "Mehr" ist das, womit diese Leute ein Problem haben.


QuoteWissenIstMacht888

"Liegt es daran, dass der Song schon neun Jahre alt ist?"

Nein.

"Oder daran, dass Taylor Swift eine Multimillionärin ist, die ich durch meine Streams unfreiwillig noch ein bisschen reicher mache?"

Zwingt dich irgendwer? Und ja, wenn die Musik austauschbar ist, wie die von Swift definitiv ist, würde ich überlegen all das streaming geld lieber jemand anderem hinterher zu werfen.

"Oder ist es eine tief in mir sitzende Misogynie, sodass ich Musik von Frauen automatisch schlechter finde als die eines jaulenden Mannes mit Gitarre?"

Wer nicht zwischen absolut ätzenden Kommerzpop und echter Kunst unterscheiden kann, stellt sich wohl solche geschlechtsfokussierten Fragen. Niemand hat ein Problem mit echter Frauenpower. Ich könnte wahrscheinlich die längste Liste ever schreiben, wenn es um coole Musikerinnen geht. Aber vor allem Musikliebhaber wie ich haben ein Problem damit wenn einzelne Künstler auf dreisteste Art und Weise alles Andere verdrängen, indem sie schamlos overfeatured werden. Indem wahrscheinlich sogar die Musikindustrie kleine Tageszeitungsredakteure anschreibt um die Werbetrommel noch ein wenig mehr zu rühren. Es. Ist. Widerlich.


Quoteclehmann

     Musikliebhaber wie ich...

Selbstverliebtes Geblubber. Wären Sie ein "Musikliebhaber", wie Sie behaupten, dann wüssten Sie, dass auch "Kommerzpop" echte Kunst sein kann. Und Sie würden Musik nicht ausschließlich nach der Akzeptanz in Ihrer "Musikliebhaber"-Bubble beurteilen.

Das Gegreine über den Kommerz in der Musikindustrie ist auch so alt wie der Wald. Ist aber auch ein Distinktionsmerkmal der "Musikliebhaber". Ich habe noch keinen Shampooliebhaber jammern gehört, sein Lieblingsshampoo habe keine Chance, weil Schauma seine Marktmacht so schamlos ausnutzt...;)


QuoteWissenIstMacht888
Antwort auf @clehmann

Entfernt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Redaktion/LW


Quote
votecriders
Antwort auf @clehmann

"Ich habe noch keinen Shampooliebhaber jammern gehört, sein Lieblingsshampoo habe keine Chance, weil Schauma seine Marktmacht so schamlos ausnutzt...;)"

...aber gibt es denn überhaupt ein Shampoo jenseits von Schauma??


Quotevolumen

Auf schamloseste Weise overfeatured ? Kann Swift nix für, Sie werfen der Industrie vor, dass sie ein gut laufendes Produkt kapitalistisch vermarktet. Kommerzpop ist ja immerhin ok für Sie, solange es kein ätzender Kommerzpop ist. Sie sollten Sich mal selber reden hören.

Ich finde es prinzipiell gut, dass Sie Sich für "echte Kunst" stark machen, aber es klingt sehr nach Rufen im Walde. Ich wüsste nicht, für was der Kolumnist sich rechtzufertigen hätte und selbstverständlich ist die geäußerte Beschwerde überflüssig.


QuoteWissenIstMacht888
Antwort auf @volumen

"Kommerzpop ist ja immerhin ok für Sie, solange es kein ätzender Kommerzpop ist. Sie sollten Sich mal selber reden hören."

Vielen Dank, dass im Gegensatz zu diesem anderen Kommentator verstanden haben, dass es mir nicht um das Kommerzielle an sich geht. Mir geht es darum, wie grauenhaft schlecht und vor allem langweilig Popmusik sein darf, wenn sie nur richtig vermarktet wird.


...

Quote[...] Taylor Swift soll ein mittelmäßiger Popstar sein? Von wegen! Ein Widerspruch

... Ist sie zu angepasst, zu berechnend, zu kommerziell? Vielleicht. Aber egal. Sie ist zuallererst ein Popstar und ein verdammt genialer dazu. Wir Millennials müssen unseren Eltern nicht zeigen, wie rebellisch wir sind, die nehmen uns oft eh nicht ernst. "So call it what you want, yeah, call it what you want", um Tay Tay zu zitieren. Wir kuscheln uns gerne unter die Decke ihrer Lyrics und tanzen zu ihren Beats – mit offenem Herzen und wachem Verstand, so wie sie es tut.


Aus: "Tay Tay ist Tay Tay" (20. Dezember 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/2023/54/taylor-swift-popmusik-erfolg-frauen

QuoteZooey

Nächster Schritt der Blockbusterisierung der populären Unterhaltung. ...


Quote
splashX

Was ist schlimm daran, möglichst vielen Leuten zu gefallen? Nicht Mainstream sein zu wollen ist so ... Mainstream.


QuoteMcEoy

Ihre Stimme hat absolut keinen Wiedererkennungswert. Jedes Mal, wenn ich einen 0815 Fahrstuhlsong im Radio höre und nicht weiss, wer das ist - mit 50%iger Wahrscheinlichkeit Taylor Swift...


Quotehappylotti

Taylor Swifts Musik kann ich nichts anfangen. Aber offensichtlich macht sie viele Menschen glücklich, verdient viel Geld damit und ist ein freundlicher Mensch. Also alles Gut.


QuoteSimplicio

"In Taylor Swifts Songs erkennen wir uns selbst, ..."

Sie vielleicht, ich nicht.


QuoteKommentare sind wichtig

In den 1980ziger Jahren gab es Modern Talking und Bad Boys Blue, Musik ähnliche Richtung Kommerzpop. ...


Quotewolfgang faller

Sie ist gegen Trump! Im heutigen Amerika ist das schon mal ein Zeichen von Intelligenz. ...


QuoteBowhome 4eva

OK cool.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Als Boney M-Produzent Frank Farian die beiden schwarzen Jungs Rob und Fab trifft, weiß er, dass er die Stars für sein nächstes Projekt gefunden hat. Den Song ,,Girl you know it's true" hat Farian mit anderen Sängern schon im Kasten.

Das Problem: optisch machen sie nichts her. Diese beiden athletischen Tänzer dagegen mit ihren langen eingeflochtenen Zöpfen sehen geradezu absurd gut aus und für die weiße 80er-Jahre Bundesrepublik aufregend exotisch. Als Pop-Duo ,,Milli Vanilli" sollen sie das Gesicht des Songs werden.

Es geht um Illusionen und Täuschungen in diesem Film, aber auch darum, inwiefern Menschen willens sind, sich täuschen zu lassen. Frank Farian hat aus dieser Gratwanderung ein Geschäftsmodell gemacht.

Matthias Schweighöfer spielt ihn als genialen Musiker und erfolgsbesessenen Geschäftsmann. Zwar umweht ihn immer die leicht piefige Aura von Kartoffelsuppe, aber er produziert einen Hit nach dem anderen.

Vor allem hat er begriffen, wie MTV die Regeln des Popbusiness geändert hat: nicht auf die Stimme, auf den Look kommt es an. Und den verkörpern Milli Vanilli perfekt. Auch in den USA werden die beiden zu Megastars.

Der Ruhm steigt ihnen allerdings schnell zu Kopf. Bald hält sich Rob für größer als Elvis oder die Beatles. ,,Girl you know it's true" schildert den rasanten Aufstieg und den brutalen Absturz von Milli Vanilli. Die Freunde Rob und Fab führen als die zuweilen etwas unzuverlässigen Erzähler selbst durch den Film ihres Lebens.

Regisseur und Drehbuchautor Simon Verhoeven gibt Robert Pilatus und Fabrice Morvan die Deutungshoheit über ihre Geschichte zurück, die sie lange verloren hatten. Denn nachdem Frank Farian zugab, dass die beiden nie selbst gesungen hatten, duckten sich alle Verantwortlichen aus Plattenfirma und Management weg. Den gewaltigen Shitstorm für diesen Deepfake des analogen Zeitalters bekamen ausschließlich die enttarnten Playback-Sänger ab.

Simon Verhoeven entwirft auch ein Bild des Musikbusiness der späten 80er und frühen 90er Jahre. Meist sind es Weiße, die Schwarze Künstler ausbeuten: in diesem Fall neben den scheinbaren Sängern von Milli Vanilli auch die echten Stimmen der Band oder die afroamerikanische Hip Hop Crew Numarx, deren Song ,,Girl you know it's true" Farian für seinen Welthit nutzte.

Man hätte sich den Stoff durchaus als schärfere Satire auf die Popmusikbranche vorstellen können. Zwar spart Verhoeven auch die düsteren Seiten nicht aus: erzählt wie Farian das Projekt völlig entgleitet, wie Robert Pilatus drogensüchtig wird und mit nur 33 Jahren an einer Überdosis stirbt.

Aber insgesamt wirkt der Film doch überraschend versöhnlich und will niemandem wirklich weh tun. Durchweg unterhaltsam und auch berührend ist ,,Girl you know it's true" dennoch geworden.

Die beiden Hauptdarsteller Tijan Njie und Elan Ben Ali sind eine großartige Besetzung. Die liebevolle Ausstattung, allen voran die überbordenden Kostüme, versetzen einen mitten in die 80er. Simon Verhoeven erzählt temporeich vom peinlichsten Popskandal des 20.Jahrhunderts.

Dessen Ausmaß dürfte sich Jüngeren vermutlich gar nicht mehr erschließen. Schließlich ist Lip Sync, also das synchrone Bewegen der Lippen zu fremdem Audio-Inhalt, auf TikTok heute ein eigenes gefeiertes Genre.


Aus: ",,Girl you know it's true": Milli Vanilli waren mehr als der peinlichste Popskandal des 20. Jahrhunderts" Julia Haungs (19.12.2023)
Quelle: https://www.swr.de/swr2/film-und-serie/der-peinlichste-popskandal-der-80er-jahre-girl-you-know-its-true-erzaehlt-die-geschichte-von-milli-vanilli-100.html