[...] Es ist eben auch für die abgebrühten Besucher eines Pornofilm-Kinos immer noch ein Skadalon, die Intimität eines filmerotischen Momentes mit Dritten zu teilen. Zu glauben, das Überspielen der eigenen Emotionen durch Coolness und/oder Lachen sei ein Privileg der Pubertierenden, ist angesichts von Sexualität grundfalsch. Ich will mich von dieser Erkenntnis auch gar nicht ausnehmen: Miriam und ich saßen ja direkt vor der Privatleben-Exhibitionistin und haben geschwiegen. Wir haben den Film nur an wenigen stellen im Flüsterton zueinander kommentiert und ihn - aus kühler filmwissenschaftlicher Distanz? - selbst in den Hardcore-Sequenzen “ernsthaft rezipiert”. Diese Abgeklärtheit ist die andere Seite der Medaille.
Aus: "PFF: »Mein Freund fickt zum Glück besser!«" (Zum 3. PornFilmFestival, 23. Oktober 2008, 10:06 Uhr, Autor: Stefan Höltgen, in: Festival-Tagung-Messe, Filmtagebuch, Stimulationsraum)
Quelle:
http://www.simulationsraum.de/blog/2008/10/23/%c2%bbmein-freund-fickt-zum-gluck-besser%c2%ab/-.-
[...] Zuerst habe ich mir im Kino “Eiszeit” einen sehr instruktiven Vortrag von Stephan Wolf über die Frage das Privaten in der Pornografie gehört. Zentrale Thesen waren:
1. Private Porn ist ein Widerspruch in sich. In dem Moment, wo eine Kamera oder ein Publikum anwesend sind, ändert sich das Verhalten des Gefilmten und wird “unprivat”.
2. Private Porn, wie sie auf Clip-Portalen wie Youporn, yutuvu und anderen gezeigt werden, verlieren ihren pornografischen “Wert” in dem Moment, wo das Gesicht der Protagonisten nicht zu sehen ist.
3. Private Porn in der Art der Clips von “Beautiful Agony”, in denen nur das Gesicht gezeigt wird, öffnet dem Fake Tür und Tor.
Die Gegenüberstellung von “Fake” und “authentisch” halte ich (natürlich) für etwas problematisch. Authentizität ist keine Eigenschaft des Bildinhaltes, sondern der Form in Verbindung mit der medienhistorischen Vorbildung des Zuschauers. Insofern war das letzte von Wolf herangezogene Filmbeispiel aus “Beautiful Agony” besonders interessant. Hatten sich die mir bekannten Clips der Seite zuvor darauf beschränkt, einzelne Frauen(gesichter) mit starrer Kamera in einer Plansequenz zu filmen, so hat das vorgeführte Beispiel drei Modelle gezeigt, dramaturgisch (im Hinblick auf ein Erreichen der “Klimax”) montiert und mit Authentizitätsmarkern versehen: Hinter dem Körper derjenigen, die gerade im Bildvordergrund zu sehen ist, sieht man eine andere Protagonistin und die Kamera, die sie filmt. Zum Erreichen der Authentizitätssuggestion ist dabei sowohl die Montage als auch das filmische Beiwerk (Ton und Setting) entscheidend.
Als Gradmesser für Privatheit, wenngleich sie nach der ersten These sowieso unmöglich ist, die Betonung bestimmter “body parts” heranzuziehen, klang allerdings überaus plausibel für mich. Wolf leitete das aus der Frühgeschichte des Films her und verwies auf den kurzen Film “The Kiss” von 1896, in welchem der Kuss als damals größtmögliche Abbildung des Privaten auf das Gesicht konzentriert ist und in Großaufnahme gezeigt wird.
Vielleicht erklärt sich damit auch die seltsame Faszination, die Bukake-Aufnahmen im Pornofilm haben, weil sie die für die Pornografie konstitutiven “body parts” miteinander in einem Bild kombinieren. Ich erinnere mich, dass in der Videothek in Jena, in der ich Mitglied war, der mit Abstand am häufigsten Verliehene Film ein Porno war, auf dessen Cover nichts anderes als ein mit Sperma übersätes Gesicht war. Auf der Rückseite waren dann ausschließlich ähnliche Screenshots. In Anbetracht der landläufigen Annahme, dass es der nackte weibliche Körper sei, der pornografisches Interesse auslöst, hat den Videothekar und mich schon damals das empirische Gegenteil überrascht.
Aus: "PFF: Selfploitation" (24. Oktober 2008, 09:57 Uhr, Autor: Stefan Höltgen, in: Festival-Tagung-Messe, Stimulationsraum)
Quelle:
http://www.simulationsraum.de/blog/2008/10/24/pff-selfploitation/-.-
[...] Ich habe dann noch ein paar Fragen zur Produktion von “Happy Video Privat” gestellt, die mir vor allem den Hintergrund des “Privaten” etwas verdeutlichen sollten. Erfahren habe ich, dass die Wohnungen der Darsteller so gut wie nicht umgeräumt wurden für die Filmaufnahmen. Kunstlicht sei nur äußerst selten verwendet worden. Am stärksten hat sich der filmische Prozess in der Postproduktion auf das Material eingewirkt: Was man in den einzelnen Folgen sieht, ist ein (pornografisch montierter!) Zusammenschnitt aus etwa 60 Minuten Rohmaterial. Mag sein, dass Pornografie beim Filmen nicht die Intention gewesen ist - am Schneidetisch entsteht sie jedoch unweigerlich. Das Rohmaterial ist bestimmt durch seinen (quasi) dokumentarischen Charakter und Einstellungen, die die Unsicherheit und die Fragen der Protagonisten wiedergeben. So etwas gehört aber nicht in einen Pornofilm.
Interessant waren dann auch noch die Erläuterungen über die Vorgespräche und das Verhalten der Darsteller im Angesicht der Kamera (man erinnere sich an den vorherigen Bei-/Vortrag über Privacy and Porn). Während in den Interviewszenen die Technik schnell vergessen war, hat sie in den Fickszenen zu erhöhter Unsicherheit und Angst bei den Darstellern geführt. Die Kamera wurde zu einem nunmehr aktiven Beobachter (klar, Nah- und Detailaufnahmen kann man als Gefilmter wohl nur schwer ignorieren). Als Reaktion hierauf begannen die Darsteller sich wie Porno-Schauspieler zu verhalten. Sie wurden schnell und hektisch und haben ihren Auftritt dann teilweise sogar an erlernten pornografischen Sequenzen orientiert (Stellungswechsel, besondere Praktiken etc.) Wenn das kein schöner Beleg für die sexual-konstruktivistische Macht von Pornografie ist …
Aus: "PFF: »Das ist so erfolgreich, weil es so ungeil ist.«" (24. Oktober 2008, 10:34 Uhr, Autor: Stefan Höltgen, in: Festival-Tagung-Messe, Stimulationsraum)
Film & Diskussion: Harry S. Morgan “Happy Video Privat”
Quelle:
http://www.simulationsraum.de/blog/2008/10/24/pff-%c2%bbdas-ist-so-erfolgreich-weil-es-so-ungeil-ist%c2%ab/