[...] Die Coronavirus-Krise wird unter Wissenschaftlern als gefährlicher Ausnahmefall angesehen – entscheidend ist demnach, die Verbreitung zu verlangsamen. So soll auch ein befürchteter Kollaps des Gesundheitssystems vermieden werden.
Um diese Ziele zu erreichen, wird nach Informationen von Tagesspiegel-Checkpoint in Wissenschaftskreisen und internationalen Tech-Unternehmen jetzt eine außergewöhnliche Maßnahme diskutiert: Anstatt zu versuchen, die Kontaktpersonen von Infizierten durch zeitintensive und am Ende trotzdem ungenaue persönliche Abfragen herauszubekommen, könnte ein Abgleich von Bewegungsdaten etwa eines Handys die Ausbreitung drastisch verlangsamen.
Solche Ortsdaten werden zum Beispiel von Apple und Google minutenweise sehr genau für mehrere Wochen gespeichert. Für die Telekom verwies eine Sprecherin auf die hohen Datenschutzvorschriften, an die sich das Unternehmen halte. Daher sei es nicht möglich, die Bewegung einzelner, möglicherweise mit dem Coronavirus infizierte Kunden zurückzuverfolgen. Daten von Mobilfunkkunden würden bei der Telekom nur in anonymisierter Form vorliegen.
Darüber hinaus nutze man auch grundsätzlich keine Datensätze einzelner Nutzer. Die kleinste Einheit für eine Analyse umfasse immer mindestens die kombinierten Daten von 30 Nutzern. Zwar sei es grundsätzlich möglich, personenbezogene Bewegungs- und Kommunikationsdaten zur Verfügung zu stellen. Dies geschehe aber ausschließlich auf richterliche Anordnung hin für die staatlichen Ermittlungsbehörden, betonte die Sprecherin.
Doch wäre so ein Vorgehen mit den hiesigen strengen Datenschutzregeln vereinbar? Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sieht bestimmte Bedingungen vor, damit eine Datenverarbeitung rechtmäßig und zulässig ist. Neben der expliziten Einwilligung der Betroffenen gilt dies nach Artikel 6 DSGVO auch unter der folgenden Voraussetzung: „Die Verarbeitung ist erforderlich, um lebenswichtige Interessen der betroffenen Person oder einer anderen natürlichen Person zu schützen.“ Trotzdem wäre der Abgleich von Bewegungsdaten nach Einschätzung von Datenschutzexperten schwierig.
Es sei „auf den ersten Blick keine spezifische Rechtsgrundlage ersichtlich“, die die Erhebung von Bewegungsdaten zur Eindämmung des Coronavirus ermögliche, sagt eine Sprecherin des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV).
Ähnlich sieht es der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Ulrich Kelber. "Ein staatlich erzwungener Zugriff auf die Handydaten von Infizierten – wie er scheinbar aktuell in China praktiziert wird – wäre hier rechtlich gesehen mehr als problematisch“, sagte Kelber dem Tagesspiegel.
Neben der Frage, auf welcher Rechtsgrundlage ein entsprechendes Vorgehen erfolgen sollte, müsste auch die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs hinterfragt werden. Zu rechtfertigen sei eine derartige Maßnahme nur mit Zustimmung der Betroffenen, so Kelber weiter. „Die Betroffenen müssen vorher ausführlich über den Zweck der Erhebung, die Nutzung der Daten und die Speicherdauer informiert werden, damit Sie die potentiell für sie entstehenden Risiken abwägen können.“
In Berlin und anderen Bundesländern übermitteln die Gesundheitsämter die Namen möglicher Kontaktpersonen zum Teil noch per Fax. Sie sind zudem auf die Erinnerung der Infizierten und die Kenntnis der Namen möglicher Kontaktpersonen angewiesen. Bei vielen täglichen Begegnungen im öffentlichen Raum ist das jedoch nahezu unmöglich.
Nach Einschätzung des Robert-Koch-Instituts (RKI) wäre das Auslesen von Bewegungsdaten aus dem Mobiltelefon eine gute Möglichkeit, um Kontaktpersonen von Infizierten aufzuspüren und so die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. „Wir wissen inzwischen, dass das technisch möglich ist“, sagt RKI-Präsident Lothar Wieler.
Ein kleines Team des RKI habe mit Mitarbeitern anderer Institutionen in den vergangenen beiden Tagen eine entsprechende „Skizze“ erstellt: „Das sind erste Überlegungen.“ Es werde in Ruhe besprochen, ob das für die Gesellschaft akzeptabel wäre. Für ihn sei klar, dass das nur möglich wäre, „wenn der einzelne seine Daten auch spenden würde“.
Die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz (KI) werden in der Medizin heute schon umfangreich genutzt. Dabei geht es etwa um die Bilderkennung bei pathologischen Befunden oder in der Krebsbehandlung.
Allerdings klagen Mediziner, Wissenschaftler und Gesundheitspolitiker in Deutschland immer wieder darüber, dass hiesige Datenschutz-Bedenken häufig dem Patientenwohl entgegenstünden. Das zeige auch das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG), das Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerade auf den Weg schickt – und das der Bekämpfung von Epidemien künftig Steine in den Weg legen könnte, so die Befürchtung.
Das PDSG regelt Datenschutzbestimmungen für die elektronische Patientenakte (ePA), die im kommenden Jahr allen gesetzlich Versicherten angeboten werden muss. In der Akte sollen Patientendaten zusammengeführt werden, die Versicherten bestimmen, ob sie die ePA nutzen und worauf ihre behandelnden Ärzte Zugriff bekommen. Mit dem PDSG werde Daten- über Seuchenschutz gestellt, beklagt der Deutsche Landkreistag. Die kommunalen Gesundheitsämter hätten bei Epidemien keinen Zugriff auf die ePA-Daten, könnten diese also auch nicht zur Eindämmung von Infektionskrankheiten nutzen.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) soll laut Gesetzentwurf zwar an das System angeschlossen werden, über die die ePA-Inhalte ausgetauscht und eingespeist werden. Allerdings hätten Amtsärzte nur sehr eingeschränkte Zugriffsrechte: Nämlich ausschließlich auf elektronische Impfdokumentationen und U-Untersuchungshefte. Ausgeschlossen wäre damit die Nutzung aller anderen Daten, zum Beispiel beim Ausbruch von Tuberkulose-Erkrankungen.
Solche Daten würden, sagte die beim Landkreistag für Digitalisierungsfragen zuständige Leiterin Ariane Berger, bislang von den Gesundheitsämtern genutzt werden können, „sofern sie elektronisch vorliegen“. Die Möglichkeit fiele mit dem PDSG weg. Gerade vor dem Hintergrund der beginnenden Coronavirus-Epidemie wirke eine solche Regelung völlig kontraproduktiv, meint Berger. Die jetzt vorgesehen Regelungen für den ÖGD würden „es diesem unmöglich machen, seine Aufgaben im Zuge der Gefahrenabwehr“ zu erfüllen.
Aus: "Robert-Koch-Institut erwägt Handy-Tracking" Lorenz Maroldt Fabian Löhe Robert Ide Oliver Voß Thomas Trappe (05.03.2020)
Quelle:
https://www.tagesspiegel.de/politik/coronavirus-infizierte-aufspueren-robert-koch-institut-erwaegt-handy-tracking/25613154.htmllinx 05.03.2020, 21:41 Uhr
Ein staatlich erzwungener Zugriff auf die Handydaten von Infizierten – wie er scheinbar aktuell in China praktiziert wird
Woher stammt denn diese Info?
Laut Heise kann man sich die App instasllieren, um Einschränkungen umgehen zu können. Von Zwang steht da nichts
https://www.heise.de/newsticker/meldung/Quarantaene-oder-nicht-China-setzt-gegen-den-Coronavirus-auf-eine-App-4675737.html
marla44 05.03.2020, 17:10 Uhr
Totale Überwachung - oder Tod. Das sind wohl die einfallsreichen Alternativen.
Denkerin 05.03.2020, 16:43 Uhr
Bevor man in kopflosem Aktionismus die Grundrechte aushebelt, sollte man erstmal dafür sorgen dass alle Verdachtsfälle getestet werden können und die medizinische Versorgung aufrechterhalten bleibt.
Zwiebelchen 05.03.2020, 16:43 Uhr
In Polen gibt es jetzt den ersten labortechnisch nachgewiesenen Corona-Fall. Die betroffene Person war auf einer Karnevalsfeier im Kreis Heinsberg. In Berlin hätte man ihn nicht getestet, weil Heinsberg nach wie vor laut RKI kein Risikogebiet ist.
Statt die Liste der Risikogebiete zu aktualisieren und die Regelung - Tests bei Mensch zu Mensch Kontakt mit verfizierten Infizierten - zu lockern, erwägt man beim RKI ernsthaft Handytracking. Wofür so ein Virus doch alles gut ist...
-
[...] Das Szenario ist dystopisch. Über Mobilfunkdaten werden die Bewegungen von Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert haben, verfolgt. Wer mit ihnen in Kontakt kam, wird per SMS angewiesen, sich unverzüglich in Quarantäne zu begeben. In Israel ist dieser Privatsphäre-Albtraum Realität. Am Montagabend setzte Premierminister Benjamin Netanyahu die Notfollbestimmung im Kraft, berichtet die New York Times. Gelten soll sie zunächst für 30 Tage. Eine Genehmigung des Generalstaatsanwalts vorausgesetzt, können Behörden nun auf die Daten zugreifen, um die Ausbreitung von COVID-19 einzudämmen.
Der israelische Premier sieht das Gleichgewicht zwischen den Rechten des Einzelnen und den Bedürfnissen der Gesellschaft durch die Notfallsbestimmung nicht in Gefahr. Vom israelischen Inlandsgeheimdienst Shin Bet heißt es, dass mit den Daten Leben gerettet werden könnten.
Bürgerrechtler sehen hingegen den bisher größten Test für die israelische Demokratie. Selbst in Krisen wie dieser müssten Bürgerrechte erhalten bleiben, kritisiert der Datenschützer Malkiel Blass. Er verstehe, dass Infektonen und Ansteckungen verhindert werden müssten. Aber es sei unvorstellbar, dass Bürgerrechte wegen der Panik um das Virus mit Füßen getreten würden, sagte Blass, der von 2004 bis 2012 stellvertretender Generalstaatsanwalt war: "Und zwar in einem Ausmaß, das für die Bedrohung und das Problem völlig unverhältnismäßig ist."
Gesammelt werden die Mobilfunkdaten zu Zwecken der nationalen Sicherheit, wie von den Behörden bestätigt wird, mindestens seit 2002. Details darüber, um welche Daten es sich genau handelt, wie sie gespeichert werden, oder ob und wann sie gelöscht werden, ist nicht bekannt. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sie den Namen des Anschlussinhabers, Verbindungsdaten, Zahlungen sowie Standortdaten, die bei der Verbindung der Geräte mit Mobilfunkmasten erhoben wurden, umfassen.
Darüber, wer unter welchen Bedingungen auf die Daten zugreifen konnte und wie sie genutzt wurden, kann bestenfalls spekuliert werden. Laut einem Gesetz aus dem Jahr 2002 können sie bei "Bedrohungen durch Terror, Sabotage, Spionage und der Aufdeckung von Staatsgeheimnissen" genutzt werden. Das dies in der Vergangenheit auch wiederholt geschehen sei und Mobilfunkdaten in großem Ausmaß an die Behörden übermittelt wurden, bestätigten Ministerialbeamte der "New York Times".
Mit den Daten kann jedenfalls problemlos festgestellt werden, wo sich welcher Anschlussinhaber zu welchem Zeitpunkt befindet. Die israelischen Dienste seien gut darin geübt zwischen geeigneten Zielen, also solchen, die verdächtigt werden die nationale Sicherheit zu gefährden und unschuldigen Zivilisten zu unterscheiden, sagt ein ehemaliger Shin-Bet-Offizier der Zeitung.
Bei der Nutzung der Daten in der Coronakrise gehe es nicht darum, unschuldige Leute zu tracken oder ihre Privatsphäre zu verletzen, sondern um den Einsatz bestehender Technologie, um infizierte Personen ausfindig zu machen, die Tausende andere anstecken könnten.
Das bleibt nicht unwidersprochen. Wem sein Recht auf Privatsphäre wichtig sei, sollte sich Sorgen machen, sagt die Wissenschaftlerin Tehilla Shwartz Altshuler vom israelischen Demokratieinstitut: Die Coronakrise sei kein Krieg oder eine Intifada: "Es ist ein ziviles Ereignis und sollte auch wie eines behandelt werden."
Aus: "Geheimdienst trackt Smartphones von Corona-Infizierten" (17.03.2020)
Quelle:
https://futurezone.at/netzpolitik/geheimdienst-trackt-smartphones-von-coronavirus-infizierten/400783520-
[...] In Berlin und anderen Bundesländern übermitteln die Gesundheitsämter die Namen möglicher Kontaktpersonen von Coronapatienten zum Teil noch per Fax. Das könnte sich bald ändern. Nach Tagesspiegel-Informationen wird in Wissenschaftskreisen und internationalen Tech-Unternehmen jetzt eine außergewöhnliche Maßnahme diskutiert: Anstatt zu versuchen, die Kontaktpersonen von Infizierten durch zeitintensive und am Ende trotzdem ungenaue Abfragen herauszubekommen, könnte ein Abgleich von Bewegungsdaten etwa eines Handys die Ausbreitung drastisch verlangsamen.
Bisher läuft das Tracking der Bewegungsdaten analog ab – und offensichtlich unkoordiniert. So sollen Menschen, die aus Ländern wie Italien, China, Südkorea und dem Iran per Bus, Bahn oder Flugzeug nach Deutschland kommen, so genannte „Aussteigerkarten“ ausfüllen, wie Innenminister Horst Seehofer (CSU) Ende Februar erklärte.
Damit solle gewährleistet werden, dass die Eingereisten beim Auftreten eines Corona-Falls kontaktiert werden können. Doch eine Woche später ist offenbar noch immer unklar, wer diese Karten verteilt und wie die Daten überhaupt gesammelt, zusammengeführt und ausgewertet werden.
Bei der Deutschen Bahn werden die Karten tatsächlich in Papierform verteilt. Sie sollen vom Zugpersonal „bei Bedarf“, also im Verdachtsfall, verteilt werden, sukzessive würden die Züge damit ausgestattet. Wie viele Züge bisher solche Karten mitführen, wann ein „Verdachtsfall“ besteht und wie viele Karten bereits an Behörden weitergeleitet wurden, teilte der Bahn-Sprecher nicht mit.
Apple und Google etwa speichern jedoch Ortsdaten minutenweise sehr genau für mehrere Wochen. Auf ihren Servern können auch Bewegungsprofile der vergangenen Wochen abgespeichert sein.
In Deutschland haben laut Alf Zugenmaier, Professor an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München, im Wesentlichen zwei Akteure Zugriff auf Bewegungsdaten: „Netzbetreiber wie die Telekom oder O2 und App-Anbieter, denen ich auf meinem Smartphone eine Berechtigung erteilt habe.“
Doch Bewegungsdaten von Telekom, O2 oder Vodafone reichen wahrscheinlich nicht aus. Netzbetreiber in Deutschland seien technisch in der Lage, Mobiltelefone geografisch zu lokalisieren. Dies werde beispielsweise genutzt, wenn über ein Telefon ein Notruf abgesetzt wird. Die Ortung erfolge dabei aber punktuell – üblicherweise senden Mobilfunkgeräte nicht kontinuierlich Daten über ihren Standort.
Einen Datenbestand von Bewegungsdaten möglichst vieler Bundesbürger, den die staatlichen Gesundheitsstellen nun einfach für die Eindämmung des Coronavirus anzapfen können, gibt es also nicht.
Es sei „auf den ersten Blick keine spezifische Rechtsgrundlage ersichtlich“, die die Erhebung von Bewegungsdaten zur Eindämmung des Coronavirus ermögliche, sagt eine Sprecherin des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV). Auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber sieht solche Eingriffe rechtlich problematisch, denkbar sei es mit einer freiwilligen Zustimmung der betroffenen Personen.
Die umstrittene Praxis der Vorratsdatenspeicherung, bei der Provider in Deutschland bestimmte Daten für eine mögliche spätere Strafverfolgung durch staatliche Organe abspeichern müssen, hilft beim Kampf gegen Corona auch nicht: „In der Vorratsdatenspeicherung finden sie nur eine Liste der Kommunikationsvorgänge, keine lückenlosen Bewegungsdaten der Handynutzer“, sagt Zugenmaier.
So könnte der Staat zwar nachverfolgen, wann jemand sein Mobiltelefon benutzt habe, nicht aber, wo sich der Handybesitzer zwischen zwei Telefonaten überall bewegt haben könnte. Gegen die Vorratsdatenspeicherung laufen zudem Klagen, das Bundesverwaltungsgericht hatte im September 2019 den Fall an den europäischen Gerichtshof verwiesen und die Speicherpflicht bis zur Entscheidung ausgesetzt.
Auch der Experte mahnt: „Die wichtigen Fragen zu Datenschutz und Privatsphäre müssen vor einer App-Entwicklung diskutiert werden.“
Mediziner, Wissenschaftler und Gesundheitspolitiker klagen in Deutschland immer wieder darüber, dass hiesige Datenschutz-Bedenken häufig dem Patientenwohl entgegenstünden. Das zeige auch das Patientendaten-Schutzgesetz (PDSG), das Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerade auf den Weg schickt – und das der Bekämpfung von Epidemien künftig Steine in den Weg legen könnte, so die Befürchtung.
Das PDSG regelt Datenschutzbestimmungen für die elektronische Patientenakte (ePA), die im kommenden Jahr allen gesetzlich Versicherten angeboten werden muss. In der Akte sollen Patientendaten zusammengeführt werden, die Versicherten bestimmen, ob sie die ePA nutzen und worauf ihre behandelnden Ärzte Zugriff bekommen.
Mit dem PDSG werde Daten- über Seuchenschutz gestellt, beklagt der Deutsche Landkreistag. Die kommunalen Gesundheitsämter hätten bei Epidemien keinen Zugriff auf die ePA-Daten, könnten diese also auch nicht zur Eindämmung von Infektionskrankheiten nutzen.
Der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) soll laut Gesetzentwurf zwar an das System angeschlossen werden, über die die ePA-Inhalte ausgetauscht und eingespeist werden, allerdings hätten Amtsärzte nur sehr eingeschränkte Zugriffsrechte: nämlich ausschließlich auf elektronische Impfdokumentationen und U-Untersuchungshefte. Ausgeschlossen wäre damit die Nutzung aller anderen Daten, etwa beim Ausbruch von Tuberkulose.
Solche Daten würden, sagte die beim Landkreistag für Digitalisierungsfragen zuständige Leiterin Ariane Berger, bislang von den Gesundheitsämtern genutzt werden können, „sofern sie elektronisch vorliegen“. Die Möglichkeit fiele mit dem PDSG weg. Gerade vor dem Hintergrund der Corona-Epidemie wirke eine solche Regelung völlig kontraproduktiv, meint Berger.
Die jetzt vorgesehenen Regelungen für den ÖGD würden „es diesem unmöglich machen, seine Aufgaben im Zuge der Gefahrenabwehr“ zu erfüllen.
Unter der deutschen Bevölkerung gibt es zahlreiche, gerade ältere Menschen, deren Handys kein Ortstracking zulassen. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom vom Januar 2020 nutzen 76 Prozent der Bundesbürger ab 16 Jahren ein Smartphone. In der Altersgruppe 65 plus sind es nur 40 Prozent. Dabei gehören insbesondere ältere und kranke Menschen zu den Hauptrisikogruppen bei den Coronakranken.
Außerdem: Was passiert, wenn durch das Tracking zeitgleich tausende Menschen aufgefordert werden, sich testen zu lassen, weil sie vor Tagen in einer U-Bahn mit einem Coronainfizierten gefahren sind? Vermutlich wären die Gesundheitseinrichtungen in einem solchen Fall von einem Tag zum anderen überfordert.
In China wird dieses Verfahren sehr umfangreich praktiziert (siehe nebenstehenden Beitrag). Auch in Korea gibt es bereits Apps, die anzeigen, an welchen Orten infizierte Personen festgestellt wurden. Dabei werden auch Alter und Nationalität der Erkrankten genannt und wo sie sich zuvor aufgehalten haben.
Die Daten werden von den Behörden veröffentlicht, die Entwickler der Apps „Corona 100m“ und „Corona Map“ nutzen die Informationen, indem sie sie auf Karten veranschaulichen. Allein „Corona 100m“ war in den ersten drei Wochen mehr als eine Million Mal heruntergeladen worden.
Aus: "Mit Handy-Tracking auf der Suche nach Infizierten" (05.03.2020)
Sebastian Christ Paul Dalg Robert Ide Fabian Löhe Lorenz Maroldt Antje Sirleschtov Sonja Álvarez Oliver Voß Miriam Schröder Thomas Trappe
Quelle:
https://www.tagesspiegel.de/politik/dem-coronavirus-auf-der-spur-mit-handy-tracking-auf-der-suche-nach-infizierten/25615356.html