Liebes Tagebuch,
heute Morgen habe ich Rüdiger, der auch in der Mangoldtstraße wohnt, an der
Bushaltestelle wiedergetroffen.
Während wir auf den Bus warteten, erzählte er mir dass er am letzten
Wochenende im Treppenhaus seinem Nachbarn, dessen Radio in der Küche auf der
Fensterbank steht und immer auf sehr laut gestellt ist, begegnet war. Dieser
klagte ihm sein Leid indem er schilderte, dass das Fahrrad, mit dem er immer
durch die Nachbarschaft fuhr, mal wieder einen platten Reifen hatte. Diesmal
war der abgerissene Zweig eines Dornenstrauches schuld.“ Jaa, was musste
dieser auch einfach auf dem Radfahrweg herumliegen!“, soll sein Nachbar
geschimpft haben. Als wenn es keine anderen Probleme auf dieser Welt geben
würde. Naja - hilfsbereit und gar nicht faul wie Rüdiger nun mal ist stellte
er diesem Nachbarn sein Flickzeug schenkungsweise zur Verfügung damit das
besagte Fahrrad wieder einsatzfähig sein sollte. Anbei übergab er ihm noch
eine Einladung zu einem Lampionfest mit Verkleidungszwang, auf dem auch andere
Nachbarn in der Mangoldtstraße und Umgebung auf etwas Abwechslung in ihrem
tristen Alltag hoffen dürften.
Wie zum Beispiel die zwei Omas ,die ein Stockwerk unter ihm wohnten und sich des
Öfteren nach Rüdigers Wohlbefinden erkundigten. Mal war es der linke Fuß der
ihn schmerzte oder der Zahnarztbesuch, der noch ausstand. Rüdiger erzählte
mir, dass zwei seiner Zähne etwas kariös seien, aber das ganze soll noch
nicht so schlimm sein, dass sie gezogen werden müssen. Üblicherweise klagen
doch die alten Frauen über ihre Krankheiten, doch im diesem Falle war es etwas
anders, denn sie erfreuten trotz ihres hohen Alters an bester Gesundheit.
Vielleicht liegt es ja, so vermutete Rüdiger, an den Haustieren die diese
beiden Damen als ihre Mitbewohner ausgaben. Die eine hat zwei Wellensittiche
mit den Namen Lukas und Jim Knopf, die andere wiederum besitzt einen Kater, der
den Namen Horst-Oliver trägt und sehr dick und faul sein soll, weil dieser den
lieben langen Tag auf dem Fernsehsessel herumliegt, der im Wohnzimmer steht
während die alte Frau die ihn füttert sich mit der Couch als Sitzplatz
abgefunden haben soll.“ Jaaa, so spielt sich das Leben in der Mangoldtstraße
nun mal ab“, scherzte Rüdiger und vergaß nicht zu erwähnen dass auch die
beiden alten Damen eine Einladung überreicht bekamen.
Der Linienbus stoppte an der Haltestelle und die Menschen die an der selbigen
standen stiegen ein und stempelten ihre Fahrkarten ab. Ich nahm einen
Fensterplatz in Beschlag und Rüdiger setzte sich neben mich. Damit ihm die
Busfahrt nicht zu langweilig und eintönig vorkam fragte er mich unter anderem
ob ich mir denn eine neue Prepaidkarte für mein Handy gekauft oder ob es etwas
Besonderes in meiner Privatpost gegeben hätte. Ich kam mir am frühen Morgen
etwas überrannt und willengelähmt vor und antwortete ihm in unglaublicher
Weise doch zum Teil auf eine nicht aufhörende Flut an Fragen, die noch kommen
sollte. Irgendwann war der Zeitpunkt für Rüdiger gekommen um auf das rote
Halteknöpfchen zu drücken, damit der Bus an der nächsten Haltestelle
stoppte. Aus seinem schwarzen Rucksack, den er immer bei sich trug, holte er
einen ganzen Stapel Einladungen hervor, um diesen dann unter das Volk, das
sich auch im Bus befand, zu bringen. Unter anderem bekam auch ich eine
Einladung in die Hand gedrückt und bevor er ausstieg vergaß er nicht zu
erwähnen, dass er auch etliche Großanzeigen in den Frauenzeitschriften in
Bezug auf sein bevorstehendes Lampionfest drucken ließ, die beim Friseur oder
Arzt zuhauf herumlagen. Dann stieg er aus dem Bus aus um seinem Tagewerk
nachzugehen, das daraus bestand den Tag von Arbeitsbeginn bis zum allseits
beliebten Feierabend vor einem Computerbildschirm zu sitzen, vor dem er
verschiedene Zeitungen und Illustrierte liest, gezuckerte Waffeln aus dem
Supermarkt isst und um stilles Wasser aus Plastikflaschen zu trinken.
Endlich hatte auch ich mal Feierabend und schlenderte die Mangoldtstraße
entlang, be- staunte bunte Vögel, die auf den Ästen der Bäume ihre lustigen
Lieder sangen und die Menschen beobachteten wie sie zum Beispiel ihre Autos in
die Parklücken steuerten, sinnentleert vor sich hinstolperten und weiterhin
versuchten, einen guten Eindruck zu machen. Ein Blick auf den azurblauen Himmel
ließ mich die Vermutungen anstellen, dass der Donnerstagnachmittag doch noch
richtig schön werden könnte. Um nicht gegen irgendwelche Laternenpfähle oder
andere Weghindernisse zu laufen, wie es mir neulich widerfahren ist, beschloss
ich meinen Blick wieder auf das Geschehen vor mir zu richten und ich meinte
meinen Augen nicht zu trauen, was sich so in einer Lücke zwischen zwei
Personenkraftwagen tat. Ein nackter Mann mit einem rosafarbenen und
augenscheinlich selbstgehäkelten Häubchen auf dem Kopf und einer Zahnbürste
in der linken Hand kroch aus ihr hervor und stellte sich aufrecht um das
Meisterwerk auf dem Kopfsteinpflaster zu betrachten, das er wohl soeben
fabriziert hatte. Bei näherem Hinsehen entpuppte sich diese merkwürdige
Gestalt als der Rüdiger, mit dem ich doch morgens im Bus so manches
launenerheiternde Gespräch führte. Ich fragte ihn was er in diesem
merkwürdigen Aufzug denn da so mache und es sollte auch nicht lange dauern,
bis ich eine Antwort erhielt. Er schaute mich mit schiefen Kopf an und sagte:
“Du Dummerle. Ja weißt du das denn nicht? Ich veranstalte doch ein
Lampionfest, zu dem auch du von mir höchstpersönlich eingeladen worden bist,
und dazu muss man sich ja gründlich vorbereiten. Man kann den Gästen doch
keinen schmutzigen Festplatz zur Ver-fügung stellen. Und das was du auf meinem
Kopf siehst ist meine Arbeitbekleidung, die mit Liebe in jeder Masche
angefertigt worden ist.“ Ich wollte es nicht so recht glauben was Rüdiger
heute Morgen im Bus so von sich gab, doch er schien es tatsächlich ernst zu
meinen. Weiterhin sprach er zu mir, dass er sich der Gefahr bewusst ist Ärger
auf sich zu ziehen wenn die muslimischen Nachbarn ihn so bei der Arbeit sehen
könnten. Ihre eventuellen Schimpf-tiraden verglich er auch sogleich mit
Terrorismus, dem er ja den Einhalt gebieten könnte, indem er den Schutzmann
aus der Nummer 27 bescheid sage. In gleichem Atemzug müsste man ihm ja auch
noch eine Einladung überreichen .Zu seinem Bedauern fügte er an, das man ihn
dafür tadeln müsste, das er dies noch nicht getan habe.
Ich werde mich hüten ihn jemals mit einem Tadel, einer Rüge oder einen Verweis
zu miss-billigen und so konzentrierte ich mich darauf ihm die Fragen zu stellen,
wo und wie er das Lampionfest denn veranstaltet werden wolle. Aufgeregt und
voller Vorfreude schilderte er mir das die Festivität auf der Straße
stattfinden soll weil der Innenhof vom Hause, indem er wohnt ja dafür viel zu
klein sei .Das Festzelt ist auch schon gebucht und werde rechtzeitig aufgebaut,
mit beleuchtbaren Lampions und Blumengestecken zur optischen Verschönerung
geschmückt und mit Tischen und Bänken voll gestellt werden. Auf meine Frage
ob das schon alles wäre fuchtelte er mit der Zahnbürste in der Hand wilde
Kreise in die Luft und ließ das Gespräch so richtig ausufern. Natürlich habe
er daran gedacht, so versicherte er mir, dass für die Gäste Speis und Trank
zur Leibesstärkung zur Verfügung stehen werden. Diese sollte aus
Joghurtgetränken, Käse- und Mettwurstbrötchen, Diätcola, Salzstangen, und
natürlich nicht zu vergessen, gezuckerten Supermarktwaffeln bestehen. Ich
versuchte diesen Sachverhalt in meinem Kopf zu verarbeiten was mir aber schwer
gelang.“ Aha“, konnte ich nur sagen als ich ihn von oben bis unten
anschaute, weil er ja heute in seiner Arbeitskleidung sein Fest vorbereitete.
Meine innerliche Neugierde wuchs aber doch an als ich ihn fragte ob er auch in
diesem Aufzug sein Fest veranstalten würde. Er verneinte seine Antwort und
fügte hinzu, dass er in einem ganz besonderen Outfit erscheinen würde. Dieses
Outfit soll aus einem roten Kleid bestehen, das mit weißen Herzen verziert ist
und zusätzlich ein schönes Schleifchen auf der Rückseite haben soll.
Zusätzlich will er sich auch noch zur seiner Selbstverwirklichung ein
Allemania Aachen Stirnband um den Kopf binden, von dem gelb-schwarze Fransen
herabhängen .Als Fußbekleidung sollen seine Eisbärentatzenpuschen, die er
letzten Monat im Schuhgeschäft käuflich erwarb, herhalten.
Ich fing richtig an zu staunen, als er mich fragte ob ich noch mehr wissen
wolle, was sein Lampionfest betrifft. Ich bekam ein kleines Gesicht und sagte
leise ja.
Er holte tief Luft und begann mir seine Pläne mitzuteilen: „Also…, ich
stelle mir das so vor: Am Samstagabend um 19.00 Uhr beginne ich mit einer
Biographievorlesung , indem die erotischen Reize von Angela Merkel einen
erheblichen Themenschwerpunkt bilden. Danach eröffne ich das Festbankett, an
dem sich die Gäste bei Speis und Trank stärken können. Dabei findet eine
Pudelausstellung und parallel ein Tätowierwettbewerb statt, an dem die Gäste
sich beteiligen und eine Symbiose des Ganzen herstellen können. Als weiteren
Höhepunkt des Festaktes werden dann Trapezkünstler mit einer Vorführung ihr
Können zum Besten geben, gefolgt von einer Elefantenparade, an der auch alle
Kinder der Mangoldtstraße ihren Heidenspaß haben werden. Das ganze Treiben
wird abgerundet von Discotanzanimateuren und einem Orchester, deren Repertoire
aus den Ballermannhits der letzten sieben Jahre besteht und als genialen
Abschluss wird es dann ein halbstündiges Feuerwerk geben, das noch viel
farbenfroher sein wird als das von der letzten Kieler Woche. Noch Fragen?“
.“Ja. Von welchem Geld willst du das Ganze denn bezahlen? Hast du geerbt oder
so?“ gab ich ihm zu verstehen.“ Mein lieber Freund“, sagte er als er mir
seine rechte Hand liebevoll auf die Schulter legte,“ du bist ganz schön
neugierig.“ Aber nun denn –wenn es dich so brennend interessiert, werde ich
dir diese Frage beantworten: Von dem Geld was ich als 1 Euro Jobber verdiene. Am
liebsten hätte ich laut losgelacht, doch ich wollte Rüdiger nicht verletzen
und so begnügte mich mit einem verschmitzten Grinsen. Ich verabschiedete mich
von ihm und sagte zu ihm das ich mich schon jetzt auf sein Fest freue was sein
Gemüt sehr erheiterte. Daraufhin begann er wieder mit seiner Arbeit und ich
ging meines Weges, weil ich noch eine Flasche Pflanzenöl im Supermarkt zu
kaufen hatte, damit ich mir Pfannkuchen braten konnte die sehr lecker
schmeckten.