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["Politik geht mich nichts an"... (Zarah Leander)]

Started by Textaris(txt*bot), March 15, 2007, 10:12:33 AM

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Textaris(txt*bot)

Quote[..] An Verehrerinnen und Verehrern hat es Zarah Leander auch im Westdeutschland der Nachkriegsjahrzehnte bis zu ihrem Tod 1981 nicht gemangelt, bis in die Reihen der 68er hinein – ungeachtet ihrer fragwürdigen Rolle als Vorzeigestar der Ufa in der Zeit des Nationalsozialismus.

... Viele Stars der deutschen Unterhaltungskultur sind emigriert – Zarah Leander hingegen kam 1937 nach Berlin. Sie hatte sich für eine Karriere unter dem Hakenkreuz entschieden und wurde zum bestbezahlten Star im Land. Und das obwohl sie ganz und gar nicht ins nationalsozialistische Frauenbild passte mit ihren roten Haaren, der außergewöhnlich tiefen Stimme sowie der Verkörperung eines fortschrittlichen Konzepts weiblicher Selbstbestimmtheit.

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Aus: "Zarah-Leander-Abend in Frankfurt: Jedes Lied ein Drama" Stefan Michalzik (01.03.2023)
Quelle: https://www.fr.de/kultur/theater/zarah-leander-abend-in-frankfurt-jedes-lied-ein-drama-92117384.html

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Quote[...] Mehr als 100.000 Reichsmark will Propagandaminister Joseph Goebbels 1936 dem deutschstämmigen Hollywoodstar Marlene Dietrich für jeden Film zahlen - wenn sie nach Deutschland zurückkäme. Dazu freie Auswahl der Stoffe und Regisseure. Goebbels sucht eine schöne Schauspielerin für seine Nazi-Propaganda. Doch die Dietrich lehnt ab. So bietet Goebbels diese höchste Gage aller UFA-Stars schließlich einer jungen Schwedin an, die sich mit Musicals einen Namen gemacht hat. Zarah Leander willigt ein.

... Marlene Dietrich wird nach dem Kassenschlager "Der blaue Engel" der höchstbezahlte weibliche Hollywoodstar der 30er Jahre. Zarah Leander steht dem kaum nach. Allein ihren Film "Die große Liebe" sehen 27 Millionen Zuschauer in ganz Europa.

Es ist nicht nur die Politik, die die beiden Schauspielerinnen zu Konkurrentinnen der Filmwelt macht. Auch persönlich ist der Unterschied zwischen ihnen groß. Zarah Leander hält ihr Privatleben geheim und gibt sich als Star zum Anfassen. Marlene Dietrich lebt ihre zahllosen Affären mit Frauen und Männern aus und hält mit ihren Launen die Studios auf Trab. Doch vor allem stehen die beiden Frauen stellvertretend für den Kampf zweier Systeme - Demokratie gegen Diktatur. Während sich die eine durch das Dritte Reich laviert und ihren eigenen Vorteil über moralische Erwägungen stellt, tritt die andere offen als Gegnerin Hitlers auf. Ein Duell, das weit mehr ist als die Konkurrenz zweier Diven.

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Aus: "Marlene Dietrich gegen Zarah Leander - Film von Michael Wech" (Dokumentationen, )
Quelle: https://www.phoenix.de/sendungen/dokumentationen/marlene-dietrich-gegen-zarah-leander-a-117286.html

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Quote[...] Das Beharren der russischen Operndiva Anna Netrebko darauf, sie sei ,,nur" Künstlerin, bezeichnet Sasha Marianna Salzmann als Unsinn. Künstler seien so wenig unpolitisch wie Körper. Sie richteten sich an ein Publikum, sie entäußern sich, interagieren.

... Ein Richter am Internationalen Gerichtshof in Den Haag sei einmal gefragt worden, wie er das aushalte, die Berichte von Gräueltaten jeden Tag. Seine Antwort: Er schaut sich im Museum Vermeer an. Wenn es darum geht, wie die Kunst sich in Kriegszeiten engagieren kann, gilt es auch das zu verteidigen: die politisch-unpolitische Sphäre der Schönheit.


Aus: "Diskussion in der Akademie der Künste: Der Krieg und die Künste" (07.04.2022)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/diskussion-in-der-akademie-der-kuenste-der-krieg-und-die-kuenste/28236272.html

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Quote[...] Die ARD zeigt von Michael Wech das ,,Duell" der Diven Zarah Leander und Marlene Dietrich (23.30 Uhr)

... Nein, sie bereue nichts, sie sei gerne nach Deutschland gekommen, sie habe sich für Politik nie interessiert ...


Aus: "Kann denn Hitler Sünde sein?" JAN FEDDERSEN (25.3.2013)
Quelle: https://taz.de/!503738/

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Zarah Leander (1907 in Karlstad, Schweden; † 1981 in Stockholm - bürgerlicher Name Sara Stina Hedberg) ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Zarah_Leander

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Quote[...] ZARAH LEANDER ist rätselhafter Mythos, faszinierende Legende und noch immer gefeierter Star – gleichzeitig jedoch ein Produkt des Nationalsozialismus. Während ihre großen Filme heute langsam in Vergessenheit geraten, bleibt der Zauber ihrer Lieder ungebrochen. ...


Aus: "Zarah 47 – Das totale Lied" (21. August 2024)
Quelle: https://www.bremerhaven.de/de/veranstaltungen/zarah-47-das-totale-lied.150938.html

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Quote[...] Sie hatte es nicht leicht als Kind. Aufgewachsen mit zwei jüngeren und zwei älteren Brüdern im schwedischen Karlstad, musste sich Zarah Leander (†74, geboren als Sara Stina Hedberg) behaupten. Die Bengel feixten: ,,Schaut euch mal diese riesen Füße an!" Und sie lachten über ihre Sommersprossen. Gut, dass es zu Hause noch das Kindermädchen gab. Die kleine Sara mit dem feuerroten Haar war ihr Liebling, und das Mädchen konnte nicht genug davon bekommen, wenn die warmherzige Deutsche ihr vorlas, Volkslieder sang oder Geschichten erzählte. Alles sog sie auf: die Wörter in der fremden Sprache, deren Klang. Sie mochte das gern, es war ihr vertraut. Vielleicht weil ihre Urgroßmutter aus Hamburg stammte und Vater Anders ein paar Jahre in Leipzig studiert hatte.

Ein glücklicher Zufall, dass auch ihr Klavierlehrer deutsch war. Der brachte ihr nicht nur wichtige Ausdrücke bei, er erkannte und förderte ihr musikalisches Talent. ...

[...] Als sie 1936 bei der deutschen UFA unterschrieb, war sie schon so berühmt, dass sie sich die Drehbücher selbst aussuchen durfte. Zarah Leander sang und spielte mit einer Leidenschaft, als lebte sie ihre Rollen und Lieder. Verliebt sein, verführt werden, träumen, aber auch Sehnsucht, Wehmut und Trauer – darum ging es in ihren Hits wie ,,Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen" und ,,Kann denn Liebe Sünde sein?".

24 Millionen Platten hat sie verkauft. Sie wurde verehrt, aber auch verurteilt: Warum bezog sie nicht mal nach dem Krieg Stellung und distanzierte sich von den Nazi-Größen, die sie als Künstlerin gefördert hatten? Sie zog sich zurück, ihre zweite Ehe scheiterte. ,,Es ist nicht alles Glanz, manchmal hat eine Diva auch Depressionen", sagte sie im Fernsehen, als sie sich Anfang der 50er wieder in die Öffentlichkeit wagte.

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Dieser Artikel erschien zuerst in der Printausgabe von FRAU MIT HERZ. Weitere spannende Star-News liest du in der aktuellen FRAU MIT HERZ! – Jeden Samstag neu am Kiosk.


Aus: "Zarah Leander (†74): Ihr Leben voller Höhen und Tiefen" (14.01.2024)
Quelle: https://www.ok-magazin.de/schlager/zarah-leander-74-ihr-leben-voller-hoehen-und-tiefen-96467.html
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Quote[...] Die Schauspielerinnen Zarah Leander, Marika Rökk, Lída Baarová und Kristina Söderbaum stiegen im nationalsozialistischen Deutschland zu gefeierten Leinwandstars auf und genossen die Unterstützung des Regimes. Leander distanzierte sich nach dem Krieg von den Nationalsozialisten, Rökk erklärte, sie habe sich nur um ihre Kunst gekümmert, Baarová und Söderbaum verstanden sich als Opfer der Umstände. Fest steht, dass sie alle freiwillig nach Deutschland kamen und blieben, als das Nazi-Regime ihnen den kometenhaften Aufstieg ermöglichte, bekräftigt die Autorin Evelyn Steinthaler. In ihrem Buch "Schau nicht hin - Kunst als Stütze der Macht" (Kremayr & Scheriau) beleuchtet sie die Geschichte der Diven des NS-Kinos.

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Aus: "Filmdiven der Nazizeit" (21. Februar 2024)
Quelle: https://oe1.orf.at/programm/20240221/750115/Filmdiven-der-Nazizeit

Quote[...] Bücherwurm, Rezension aus Deutschland vom 17. März 2024
2,0 von 5 Sternen Gehässig!

Wie kann man diese vier großen Künstlerinnen nur so durch den Kakao ziehen? Ich glaube kaum, daß das Publikum, das während des Krieges ins Kino gegangen ist, auch nur im Entferntesten darüber nachgedacht hat, daß es von Seiten des Staates durch die Filme manipuliert werden könnte. Die Leute waren froh, ein bißchen Unterhaltung, tolle Stars, mitreißende Musik, wundervolle Kostüme und schöne Kulissen genießen zu können. Keiner wird sich über den Inhalt der Lieder Gedanken gemacht haben - wozu auch? Alle vier Damen haben in wundervollen Filmen mitgewirkt und für eineinhalb Stunden die Leute ihre Sorgen vergessen lassen. Es ist schon interessant, daß gerade Marika Rökk bis an ihr Lebensende ein absoluter Publikumsliebling war und mit vielen Bambis geehrt wurde - und das völlig zu Recht! Sie muß also etwas gekonnt haben, denn sonst hätte sie sich in diesem Geschäft nicht über Jahrzehnte halten können!

Die Sprache kam auch auf den Film "Heimkehr" mit Paula Wessely. Ich möchte nicht wissen, was ihr passiert wäre, wenn sie sich geweigert hätte, darin mitzuwirken. Es ist immer leicht, Jahrzehnte später zu urteilen, was damals geschehen ist. Zu behaupten, daß diese Damen das Regime mitgetragen haben, ist wohl mehr als übertrieben. Sie haben ihren Beruf ausgeübt, wollten erfolgreich sein, sonst nichts. Man kann heute in jedes Lied alles, was man will, hineininterpretieren, auch wenn die Textdichter damals etwas ganz anderes gemeint bzw. gedacht haben.

Außerdem sind mir im Kapitel über Marika Rökk 3 Fehler aufgefallen: Sie wurde nicht am 13.11. (Seite 77) geboren, sondern am 3.11.. Außerdem hieß ihr Bruder Eduard und nicht Edmund (Seite 76). Und Rökk schreibt man immer noch mit kk (Seite 78). Ein bißchen genauer recherchieren würde nicht schaden!

Ich habe fast den Eindruck, daß das Publikum damals und die Fans heute, die diese Stars immer noch verehren (mich eingeschlossen!!!), als Nazis abgestempelt werden.

Für mich ein recht gehässig geschriebenes Buch, und die ewig Genderei trägt auch nicht zu einem Lesegenuß bei!


Quotewolfgang neubacher, Rezension aus Deutschland vom 22. Februar 2024
5,0 von 5 Sternen

"Blond = gut, dunkelhaarig = böse"

So lautete die Gleichung von Propagandaminister Goebbels, der für den Aufschwung der deutschen Filmindustrie nach 1933 verantwortlich war: "...Goebbels sah die große Bedeutung der Filmunterhaltung für die Machterhaltung des Regimes."

[...] dabei, [war] Zarah Leander, "...kein Nazi, aber die größte Geschäftsfrau". ... Immer wieder weist die Autorin darauf hin, dass diese Filme mit ihrer - manchmal subtilen - Botschaft die Kriegsjahre "überdauerten" und nach 1945 im Kino, aber meist im Fernsehen (Samstag-Nachmittags-Programm!) liefen und ihr interessiertes und dankbares Publikum fanden.


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Quote[...] Leander gilt im allgemeinen als Paradebeispiel für die Durchhaltepropaganda der NS-Kulturpolitik. Dabei ist von Vertrauen in den Führer in dem Lied gar nichts zu spüren; es setzt stattdessen nur noch auf Wunder, auf Märchen und auf die Liebe. Es geht in dem Lied um den Geliebten in der Ferne - da allerdings, ist der Bezug zu den Erfahrungen der Soldatenfrauen von 1942 deutlich gegeben:

"Wenn ich nicht in meinem Herzen wüsste,
Dass du einmal zu mir sagst:
Ich liebe dich,
wär' das Leben ohne Sinn für mich."

Besonders wehrkraftsteigernd kann die Bedeutung, die dem Glück - und dem Leben - des Einzelnen in dem Lied zukommt, nicht gewesen sein. Erst in der letzten Strophe wird aus der Angst um den Geliebten traurige Gewissheit:

"Keinem ist mein Herz so gut gewesen
Wie dem einen,
der mich jetzt verlassen hat,
Der für mich nicht einen Gruß mehr hat,
der mich vergaß."

Die Trauer endet in dem frommen Wunsch nach Wundern:

"Ewig kann doch nicht verloren sein,
was ich besaß.
Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n
und dann werden tausend Märchen wahr".

Dieser im Schlussrefrain trotzig herausgedonnerte Glaube an ein Wiedersehen, offensichtlich wider besseres Wissen mit schon wahnsinnigem Dröhnen gesungen, ist das eigentlich Befremdende und Faszinierende an dem Lied. Die Deutschen haben sich darin wiedergefunden - für den Theaterkritiker Günther Rühle war sie "die ganz große Geliebte" der Deutschen - sie unterhielten zu ihr ein Suchtverhältnis. Was mit der NS-Kulturpolitik aber durchaus korrespondierte, war der tragische Stolz, den die Leander stilisierte, die aufrechte Haltung, mit der sie in ihren Liedern Angstzustände und Verlust thematisierte. Was den Nazis überhaupt nicht gefiel, war ihre Unabhängigkeit ("Ich bin, wie ich bin") und die düstere Stimmung, die sie im Laufe ihrer Karriere immer mehr kultivierte.

[...] Im November 1942 verließ Zarah Leander Deutschland, nachdem Goebbels sie vergebens gedrängt hatte, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, und kehrte zurück nach Schweden, wo sie sich das riesige Gut Lönö kauft, samt 22 Inseln und einem Haus mit zwei Dutzend Zimmern.

Der "Politische Dienst für SS und Polizei" kommentierte den Fortgang des Stars mit den Worten: "Wir sind vor neuen Filmen bewahrt und die deutsche Frau kann wieder Atem holen." Das Blatt bescheinigt dem zuvor verehrten "Überweib" nun "trivialste Lüsternheit" und sieht die Deutschen als Opfer einer raffinierten Verführung, aus deren Beschreibung nun wirklich der ganze Wahnsinn des NS-Staates spricht: "In ihrer dunklen Altstimme vibrierte eine starke erotische Spannung. Sie fand eine neuartige aus dem Chanson entwickelte Methode, die Töne durch geheimnisvolle Vorgänge in der Nase in die Länge zu ziehen, um dann, wie von einer Sehne abgeschnellt, Dir spitze und verlockende Laute der Liebe in die empfindsame Gegend des Magens zu schleudern."

[...] Neben der schillernden, mondän drapierten Sexualität und der Vorliebe für Fern- und Heimweh gehört zu Zarah Leander das Kokettieren mit der Angst und das Bannen von Furcht. Wer die düsteren unter ihren Chansons hört, der spürt, wie viel Angst die Deutschen gehabt haben müssen, lange bevor sie den Krieg als verloren erkannten. Überall geistert es von kalten Sternen, leerer Fremde, vom eisigem All, düsterem Licht und bösen Ahnungen. Dem A konnte Zarah Leander die ganze Wärme des schwedischen Akzents geben:

"Niemand ahnt, wie lang es währt."

Dieses A lässt Schlimmes ahnen - ihr tiefschwarzes, todesgewisses Schlummerlied sang die Leander mit einer Zärtlichkeit, mit der man einem toten Menschen die Lieder schließt:

"Sterne streuen fremdes Licht
 und die Stille summt
 Dunkel fällt auf Dein Gesicht
 wenn das Lied verstummt
 Schlafe ein, schlafe ruhig ein."



Aus: "Wiegenlied für Todgeweihte" Autor: Harald Jähner (Berliner Zeitung - Feuilleton, 14.03.2007)
Vor hundert Jahren wurde Zarah Leander geboren - sie war der erste Gruftie-Star
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0315/feuilleton/0006/index.html

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Quote[...] Niemand ist von der Ufa besser bezahlt worden als die Leander. Dank ihrer unvergleichlichen Stimme machte sie die "Kriegserziehungsfilme", wie die Nationalsozialisten das Genre selbst nannten, zu Kassenmagneten. Zum Wichtigsten wurde das 1942 von Rolf Hansen inszenierte Rührstück "Die große Liebe": Aus Afrika abkommandiert, lernt ein Oberleutnant der Luftwaffe (Viktor Staal) die Varieté-Sängerin Hanna Holberg (Leander) kennen. Kriegsbedingte Trennungen gefährden die Beziehung, bis Hanna begreift, wohin sie gehört - an die Seite des heldenhaften Mannes. Vorher singt sie allerdings noch ein bisschen. "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n" und "Davon geht die Welt nicht unter".

28 Millionen Deutsche haben den Film damals gesehen, die Alliierten haben ihn 1945 sofort verboten. Zarah Leander ist sich bis zu ihrem Ende keiner Mitschuld bewusst gewesen. Sie blieb bei ihrem Standpunkt, den sie in ihren Memoiren bezogen hatte: "Politik geht mich nichts an ... Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet Künstler etwas von Politik verstehen müssen?"


Aus: "Zarah Leander Die Diva wäre heute 100 Jahre alt geworden: Das "Wunnnder" aus Schweden"
Von Barbara Möller (15. März 2007)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2007/03/15/706633.html

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Quote[...] Ein Garant für ihre enormen Erfolge in Deutschland war Bruno Balz, der für sie einen Hit nach dem anderen schrieb und damit auch seine Haut vor dem KZ rettete, wie Regisseur Pudenz berichtet. ,,Er war schwul und kam frei, weil er den Nazis versprach, auch einige Durchhaltelieder zu komponieren." Balz schrieb in den 24 Stunden nach seiner Freilassung aus Gestapohaft ,,Davon geht die Welt nicht unter" und ,,Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n". ....


Aus: "Frankfurt: Zarah Leander, die Diva im Keller" Von: Andreas Hartmann (24.02.2023)
Quelle: https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-zarah-leander-die-diva-im-keller-92108726.html

Textaris(txt*bot)

#1
Quote[...] Was ist Mythos? Was Wirklichkeit? ... Was sich nie verändert, ist, wie außergewöhnlich Zarah Leander die Menschen polarisiert. Bis heute wird sie genauso intensiv verachtet wie sie verehrt wird.

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Aus: "Die Akte Zarah Leander - Film von Simone Dobmeier und Torsten Striegnitz" (2013)
Quelle: https://www.phoenix.de/sendungen/dokumentationen/die-akte-zarah-leander-a-102056.html

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Quote[...]  Guido Knopp nannte sein Zarah-Porträt zu unserem Leidwesen "Hitlers Frauen", und obwohl er die Archive in halb Europa durchsuchen lies, ist ihm kein Bildmaterial in die Hände gefallen, die den Titel der Sendung untermauert. Aber es ist trotzdem ein sehr interessantes Porträt geworden, wie übrigens auch die Sendung "Legenden" in der ARD, dies sage ich nicht nur, da ich auch da beratend mitwirkte, sondern weil alle Aspekte der damaligen Zeit berücksichtigt wurden.

Hinterfragen, eingefahrene Meinungen auch mal in Frage stellen, dies verstehe ich unter wissenschaftlich arbeiten. Es gibt so viele Quellen und Aussagen von Zeitzeugen die belegen, dass die Leander ihrer Karriere wegen und der Menschen die sie hier und auf der halben Welt liebten, bis 1942 in Deutschland arbeitete. Sie leiten daraus die Frage ab, ob sie eventuell doch eine Sympathisantin des Regimes gewesen sei.

[...] Die Schauspiel- und Gesangskunst der Leander wurde auch von Gegnern des Regimes als tröstend empfunden. [...] Trost durch die Leander erfuhr auch der, von den Nazis verjagte Jude, Viktor Klemperer, Professor in Dresden, der über seinen letzten Kinobesuch im Reich in seinen berühmten Tagebüchern am 30. Januar 1938 schreibt: "... gestern die HABANERA mit Zarah Leander gesehen, geradezu erschütternd gut." Zur selben Zeit genießt in Italien, der später berühmte Regisseur Federico Fellini die Stimme der Leander: "Immer, wenn sie sang, bekam ich eine Gänsehaut, sie war die Löwin, von der sich ein Mann gerne auffressen lassen würde" sagte er in einem Interview bei den Berliner-Filmfestspielen 1988.

Diese Anmerkungen musste ich machen, um zu belegen, dass diese Fakten nicht in ein Ausstellungskonzept passen, das die Leander-Karriere bzw. deren Wahrnehmung, auf das Dritte Reich reduzieren will. Die selbstgerechten Nachgeborenen, tragen oft wenig zu einem differenzierten Bild bei, wenn es darum geht darüber nachzudenken, wie unsere Eltern und Großeltern diese leidvolle Zeit überstanden haben.
Zarah Leanders Karriere kann ich nur erklären und begreifen, ich meine im politischen Sinn, indem ich sie nicht auf das damalige Deutschland reduziere, sondern Europa und die Lebenswirklichkeit dieser Zeit versuche zu begreifen. Dabei fallen mir auch immer wieder drei Namen ein: Ingrid Bergman, Gary Cooper und Jean Cocteau. Ingrid Bergman, der neue Star aus Schweden, und spätere Casablanca-Darstellerin, drehte 1938 ihren ersten deutschsprachigen Film für die Ufa in Berlin.

[...] Gary Cooper, Marlene Dietrichs Lieblings-Partner, besuchte 1938 die Ufa-Stadt in Babelsberg. Bei dieser Gelegenheit lernte er auch Zarah Leander kennen, die Bilder von diesem Treffen gingen damals um die halbe Welt. In Frankreich war die Leander besonders populär, wie die vielen Titelbilder belegen und zwar schon ab 1938. In Paris synchronisierte sie ihre Filme, allerdings nur die Gesangspassagen, besang Schallplatten in französischer Sprache, verkehrte in Künstlerkreisen und wurde auch von dem Dichter Jean Cocteau empfangen.
Zarah Leanders Wahrnehmungs-Horizont bewegte sich folge dessen zwischen Berlin, Zürich, Stockholm und Paris. Zwischen ihren Ufa-Kollegen, ihren Pariser-Freunden, Gary Cooper - hier wage ich sogar zu behaupten, sie war länger mit ihm zusammen, als in ihren sechs Berliner Jahren mit Hitler -, die Stockholmer Freunde sollen nicht unterschlagen werden, besonders Karl Gerhard, ein erklärter Hitler-Gegner. In Schweden liefen alle ihre Filme, auch nach Kriegsausbruch, vor ausverkauften Häusern. Das neutrale Schweden hatte ein gutes Verhältnis zum Hitler-Staat, besonders wirtschaftlich. Man war außerdem stolz, nach Greta Garbo wieder eine Landsmännin in einer internationalen Karriere zu sehen.
Die Leser der Schweizer Film-Zeitung wählten die Leander, neben dem Hollywood-Star Tyrone Power, 1940 zum beliebtesten Filmstar.

Und nun frage ich Sie, meine Damen und Herren, muss das nun alles aus pädagogisch-wissenschaftlichen Gründen unterschlagen werden?

[...] Goebbels wollte sie durch die Deutsche Staatsangehörigkeit ans Reich binden, da er ihr ungehindertes Reisen mit Misstrauen beobachtete. In diesen Jahren wurde sie sowohl vom deutschen, schwedischen wie auch vom amerikanischen Geheimdienst überwacht. Dossiers aus der damaligen Zeit tauchen daher immer wieder mal auf, und sorgen für Schlagzeilen. Dadurch kann sie sicher nicht zu einer erklärten Gegnerin der Nazis stilisiert werden, aber eben auch nicht zu einer Sympathisantin. Diese Fülle an Informationen haben sie ganz einfach überfordert, daher haben sie den einfacheren Weg beschritten, den pädagogisch-wissenschaftlichen.


Aus: "Paul Seilers Rede anlässlich der Zarah Leander Ausstellungseröffnung im Filmmuseum Potsdam" (01.05.2004)
Quelle: http://www.zarah-leander.de/aktuell.htm

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Zarah Leander hat wie keine andere die Sehnsucht der Deutschen nach dem geheimnisumwitterten Weib gestillt. Ihre heroischen Frauenfiguren entsprachen so gar nicht dem faschistischen Frauenbild und bestätigten es dennoch. Sie war ein Naturereignis, ihre tiefe Stimme bezauberte ganz Europa, ihr traumwandlerischer Blick sollte über die Abgründe des Dritten Reiches hinweg täuschen. Täter wie Opfer verehrten den Star mit dem biblischen Namen Zarah. Als sie 1943, noch vor dem Fall von Stalingrad, in ihre schwedische Heimat zurückging, fühlten sich die Deutschen verlassen. Ihre Filme liefen aber weiterhin im Kino, die Ufa konnte und wollte nicht auf die enormen Einnahmen verzichten.

Aufgebaut wurde sie als deutsche Greta Garbo und als Ersatz für die nach Hollywood entschwundene Marlene Dietrich. Sie war der Vamp mit Bodenhaftung, die Diva, die in DIE GROSSE LIEBE (1942) zur Soldatenfrau mutiert und damit bis zum Kriegsende über 27 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Hier spiegelten und vermischten sich die realen Erfahrungen ihrer Zuschauer und Zuschauerinnen mit der unterschwelligen Propaganda. In Schweden wurde sie nach 1942 als Nazi-Star angefeindet, die Rückkehr ins Rampenlicht war mühsam. In Deutschland hatte man sie nicht vergessen, vor allem in der Bundesrepublik konnte sie als Sängerin mühelos an ihre alten Erfolge anknüpfen. Zarah Leander war trotz ihres Lampenfiebers süchtig nach der Zuneigung ihres Publikums. Selbstironisch bis zur letzten Butterfahrt war sie nicht von Auftritten abzuhalten.

Böse Zungen behaupteten, dass ihre Konzerte immer montags stattfänden, weil da die Frisöre frei hätten. Zarah hatte immer ein Herz für die Schwulen, die es ihr mit übergroßer Anhänglichkeit und Zuneigung dankten. Kein anderer Star hat den - auch nach dem Dritten Reich verfolgten - Schwulen so nahe gestanden wie Zarah Leander. War's ihre tiefe Stimme, ihre ironische Mütterlichkeit, die Anstrengung, die es sie kostete, auch im Alter den Vamp zu geben oder doch eher ihre frivolen Liedtexte? Sie bot den Schwulen ein Gefühl des Verstandenseins. Nicht ganz unschuldig daran war ihr bevorzugter Songtexter Bruno Balz, der, selber schwul und mehrfach in die Mühlen der Justiz geraten, wusste, wovon er schrieb und welche Sehnsüchte seine Texte bedienten.


Aus: "Kann denn Liebe Sünde sein?" (Wolfgang Theis; 03/2007)
Quelle: http://www.berlin.de/kultur-und-tickets/kultur/ausstellungen/070301_leander_mayer/index.html


Textaris(txt*bot)

#3
Zarah Leander im Interview (zarah bei werner höfer) 1966
http://www.youtube.com/watch?v=zcZpBZLYveU

Zarah Leander Interview 1970
http://www.youtube.com/watch?v=acc2znIyJdk




Textaris(txt*bot)

Quote[...] Leanders Geschichte ist typisch dafür, dass man sich im letzten Jahrhundert eben nicht aus der Politik heraushalten konnte." Genau das aber habe die selbst für die Nazi-Ideologie wenig empfängliche Schwedin aber "bis zu ihrem Tod wie eine Fahne vor sich hergetragen".

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Aus: "Filmdiva, Nazi-Liebling und Schwulenidol" Von Thomas Borchert/DPA (15. März 2007)
Quelle: http://www.stern.de/kultur/film/zarah-leander-filmdiva-nazi-liebling-und-schwulenidol-584757.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] [Manuel Brug, geboren 1965 in München, dort Studium der Theaterwissenschaft, Musikwissenschaft, Romanistik, Komparatistik und Publizistik. Mitarbeit beim Bayerischen Rundfunk, Beiträge beim Bayerischen Fernsehen für »Capriccio« und »Kulturweltspiegel«. Seit 1988 Theater-, Musik- und Tanzkritiker bei der Süddeutschen Zeitung. Danach Redakteur bei Opernwelt, Wochenpost und Tagessspiegel. Seit 1998 verantwortlicher Redakteur für klassische Musik, Tanz und Musical bei der Welt. Beiträge für Radio, Fernsehen, diverse Zeitungen, Zeitschriften, und Anthologien. 1999 Kritikerpreis der Salzburger Festspiele. | https://www.schallplattenkritik.de/jury/manuel-brug]

[...] Zarah. Neben der Stimme, diesem aus brustigen Alttiefen vibratoreich und durchdringend, sinnlich bebebend und unverkennbar sich aufschwingendem Erregungsorgan erste Güte für jeden Deutschen, war der Name das Wiedererkennbare, wirklich Einzigartige an dieser seltsamen Frau. Doch auch der war, wie so vieles was folgen sollten, eine große Lüge, ein Wegtauchen vor der Wirklichkeit, ein sich Flüchten in die künstlichen Welten des Films und des Diventums.

Denn auch ohne jeden semitischen Hintergrund hätte die am 15 März 1907 im schwedischen Karlstad geborene, am 23. Juni 1981 gestorbene Sara Stina Hedberg mit diesem Namen in Nazideutschland nie Karriere machen können. Als Zarah Leander war das schon leichter. Und genau das wollte die großgewachsene, grobknochige Frau mit dem flächigen Gesicht und den – durch einen leichten Silberblick bedingt – so ,,seelenvoll" wirkenden Augen.

[...] Die Herren von der Ufa griffen zu. Und Zarah Leander sagte ,,ja", schloss wissenden Auges, für zunächst 200.000 Reichsmark, 53 Prozent davon auszahlbar in Devisen, den Pakt mit dem Kinoteufel – weil sie wusste, mehr als diese große Wiener Premiere wäre sonst für sie nicht drin gewesen. Zu begrenzt waren ihre schauspielerischen Mittel, zu ,,junonisch" ihre Erscheinung.

Aber die Deutschen wollten das, und so ist sie bis heute untrennbar mit unserer kollektiven Erinnerung verbunden, wurde geschmäht als ,,Nazisirene", aber eben auch unverbrüchlich geliebt, am treuesten von ihrem Berliner Fan Paul Seiler. Weil sie das Fremde, das Geheimnisvolle, das Anti-Deutsche, aber auch das Duldende, Entsagungsvolle verkörperte, freilich nicht nur in Kriegszeiten. Bis heute haben sich diese Stimme, ihre Lieder – viel mehr als die meist vergessenswert mittelmäßigen Filme - festgefressen in den Gehörgängen, unverrückbar, als akustische Wegmarke einer Zeit.

Und die Leander schaute weg, duckte sich hindurch, schuf sich ihre eigene, gar nicht nazikonforme Babelsberger Gegenwelt. Durchlitt von 1937 bis 1942 zehn Spielfilme als Schwedin, Dänin, Russin, ja sogar als Maria Stuart (,,Das Herz der Königin"). Ging gleich ,,Zu neuen Ufern" und in ,,La Habanera" zum Drehen nach Teneriffa, beides Filme von Detlef Sirk, der anschließend emigrierte, als Douglas Sirk in Hollywood Karriere machte. Sie hätte es wissen müssen: von nun an ging's nämlich bergab – künstlerisch; die Reputation war eh schon ruiniert. Doch die Fassade glänzte. Mit allen damaligen PR-Mitteln war sie aufgebaut, gemacht worden. Und ihre Lieder wurden von Anfang an zu den Signaturtiteln dieser ganz besonders artifiziellen Kinostarlaufbahn.

,,Der Wind hat mir ein Lied erzählt" ,,Yes, Sir!" und ,,Ich steh' im Regen" schmetterte Sie zu Anfang noch und war, zwar selbstbewusst aber eben doch ins traditionelle Rollengefüge sich einordnend, immer die unterdrückte, gequälte, leidende Ehefrau oder ledige, vom Vater verfluchte Mutter. Ersatzopfer und Projektionsfläche für später sich millionenfach vor Kummer verzehrende Soldatenfrauen.

Besonders perfide in ,,Es war eine rauschende Ballnacht" als von dem triefäugigen Aribert Wäscher emotional traktierte Gattin, die – kurz vor Kriegsbeginn 1939 – und unter Beugung jedweder Historie - den schwulen Peter Tschaikowsky liebt. Als der an der Cholera stirbt, leuchtet nur noch sie, wie immer zur statischen Großaufnahme gefroren, im Licht ihres Exklusivkameramanns Franz Weihmayr. Und Leo Slezak bibbert dazu pathetisch: ,,Gott nimmt dir den Lebendigen und gibt ihn dir unsterblich wieder." Tusch. Schwarzblende.

Das ging so bis hin zu ihrem letzten Film ,,Damals". Damals, 1943, war Zarah Leander ausgebombt und endlich sehend geworden, nach Geldstreitereien mit Goebbels persönlich auf ihr schwedisches Landgut Lönö abgerauscht. Ihr Werk kam in den Giftschrank.

Sogar ihr vorletzter Film ,,Die große Liebe" von 1942, versehen mit den Prädikaten ,,Staatspolitisch wertvoll", ,,Künstlerisch wertvoll", ,,Volkstümlich wertvoll" und ,,Jugendwert". Der erfolgreichste Ufa-Streifen. 27 Millionen Zuschauer. Ein Durchhaltefilm, heute nur mit Schnittauflagen zu sehen.

Dabei ein pessimistisches, fast realistisches, durch nachgedrehte Szenen propagandistisch zugespitztes Werk über das Warten auf den Fliegeroffizier, die Hoffnung, die Verzagtheit. Zarah Leander, ist darin beinahe entzaubert, fährt U-Bahn in Berlin, weint wie alle anderen deutschen Frauen auch.

Und singt ihre zwei ambivalentsten Lieder, später als Durchhalteschlager geschmäht: ,,Davon geht die Welt nicht unter" und ,,Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen"; geschrieben von Bruno Balz, ihrem Lieblingstexter, in Plötzensee, wo er wegen seiner Homosexualität saß.

Der Rest war Nachspiel. Zarah Leander, von den Schweden gehasst, von den Deutschen immer noch geliebt, die sich auf den Trümmern ihrer Karriere recht bequem einrichtete. Als alternde Frau in schlechten Filmen, als Schwulenidol, als bassstimmige Kuriosität von gestern in längst vergessenen Sixties-Operetten von Peter Kreuder wie ,,Madame Scandaleuse" oder ,,Wodka für die Königin". Doch auch der heute Hundertjährigen hat das nichts anhaben können. Mag auch ihr Bild vergilben, es ist frisch, hört man sie nur singen, 1937, noch vor dem fatalen Ufa-Vetrag: ,,Merci mon ami, es war wunderschön."

Zarah Leanders sämtlichen deutschen Lieder sind eben bei Hänssler auf zwei CDs neu erschienen. Ach ihrer zehn Ufa-Filme und auch ihre Nachkriegs-Werke wie ,,Gabriela" oder ,,Cuba Cabana" sind auf DVD verfügbar.


Aus: "Die große Lüge der Zarah Leander" Manuel Brug (14.03.2007)
Quelle: https://www.welt.de/kultur/article761383/Die-grosse-Luege-der-Zarah-Leander.html


Textaris(txt*bot)

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Quote[...] Die Lieder aus dem Film sind Evergreens, der Streifen verschwand jedoch in der Versenkung: Die Rede ist von der Romanze ,,Die große Liebe" mit Zarah Leander und Viktor Staal in den Hauptrollen. Am 12. Juni 1942 kam der NS-Propagandafilm, den viele Millionen Vorfahren der gegenwärtigen Deutschen während des Weltkriegs sahen, ins Kino. Die Rechte an ihm liegen heute bei der Murnau-Stiftung in Wiesbaden. Der Film gilt als der größte Kinoerfolg während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. In den Wochen nach der Premiere in Berlin sollen ihn etwa 28 Millionen Menschen in den Lichtspielhäusern des NS-Staates gesehen haben.

,,Die große Liebe" unter der Regie von Rolf Hansen (1904-1990) war der vorletzte Film, den die schwedische Schauspielerin Zarah Leander (1907–1981) bei der Ufa drehte, bevor sie 1943 Deutschland verließ. Nach dem Krieg wurde ihr das Machwerk als Propaganda für Nazideutschland angelastet. Die Hits ,,Davon geht die Welt nicht unter" und ,,Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n", komponiert von Michael Jary, stammen jedoch aus dem Film.

Das Schicksal des Textdichters Bruno Balz (,,Kann denn Liebe Sünde sein?", ,,Der Wind hat mir ein Lied erzählt") ist eine besonders widerliche NS-Anekdote. Doch dazu später mehr.

Der Durchhaltestreifen wurde mitten im Krieg produziert: Es geht um den Fliegeroffizier Paul Wendlandt (Staal) und die Varieté-Sängerin Hanna Holberg (Leander). Sie lernen sich in Berlin kennen, als der Soldat für einen Tag aus Nordafrika in der Hauptstadt weilt. Die Penetranz, mit der er die Sängerin für sich gewinnen will, dürften heutige Zuschauer wohl eher als Stalking betrachten. Damals aber galt derlei eher als schickes Umwerben und als romantisch. Jedenfalls machen die Kriegseinsätze des männlichen Helden und die Auftritte der Sängerin ein regelmäßiges Zusammensein der Verliebten schwer.

Sängerin Hanna spricht ihre Enttäuschung über den allzu engagierten Mann auch aus: ,,Er fährt heut' Nacht wieder weg – ohne Befehl." Das wird aber im Laufe des Films natürlich als Egoismus vorgeführt.

Die Hochzeit des Paares muss mehrmals verschoben werden. Als Wendlandts bester Freund fällt, will er sich von Hanna trennen. Doch dann wird er selbst abgeschossen, und Hanna, die nach dem Beginn des Kriegs gegen Russland allmählich Verständnis fürs Militärische aufbringt, besucht ihren verletzten Verlobten im Lazarett.

Es ist ein bizarres Happy End für das Paar. Dem Publikum wird unverhohlen eine Lektion in Unterordnung und vor allem weiblicher Opferbereitschaft für das große Ganze erteilt. In weiteren Rollen sind Grethe Weiser als Hannas geschwätzige Zofe Käthe und Paul Hörbiger als Hannas Musikdirektor Alexander Rudnitzky zu sehen – der Komponist liebt die Sängerin, steht ihr bei, muss aber auf sie verzichten. Er ist weich und ein Verlierertyp, kein so harter Kerl wie der Flieger.

Für einen Unterhaltungsfilm wird ungewöhnlich offen mit dem Krieg umgegangen. Gezeigt werden Nächte im Luftschutzkeller, aber eben auch ,,völkischer" Zusammenhalt und Stolz während der Bombardierungen.

Eine kaum fassbare Geschichte ereignete sich bei der Filmproduktion rund um den Textdichter Bruno Balz, der oft als Hitlers Hitschreiber bezeichnet wird. Balz überlebte zwar den Krieg und starb erst 1988 mit 85 Jahren, er wurde aber als Schwuler von den Nazis verfolgt.

Der Publizist Florian Illies beschreibt in seinem Buch ,,Liebe in Zeiten des Hasses" das erlittene Leid: ,,Bruno Balz wird auf Erlass von Joseph Goebbels für 24 Stunden aus dem Gestapo-Gefängnis in der Prinz-Albrecht-Straße 8 entlassen. Balz hat wegen seiner Homosexualität eingesessen, ist tagelang gefoltert worden, aber die Ufa hat Goebbels signalisiert, dass der neue Film von Zarah Leander nicht ohne Lieder von Balz zu Ende gedreht werden könne."

Und weiter heißt es bei Illies: ,,Balz wird im Morgengrauen nach Babelsberg gefahren. Unter den Augen der Gestapo schrieb er dort in nur 24 Stunden zwei seiner größten Songs: ,Ich weiß, es wird einmal ein Wunder geschehen' und ,Davon geht die Welt nicht unter'. Beides erweist sich als unzutreffend."

Über den letzten Satz von Illies ließe sich streiten. Balz selbst hatte ja getextet: ,,Davon geht die Welt nicht unter, / sieht man sie manchmal auch grau, / einmal wird sie wieder bunter, / einmal wird sie wieder himmelblau, / geht mal drüber und mal drunter, / wenn uns der Schädel auch graut, / davon geht die Welt nicht unter, / sie wird ja noch gebraucht."


Aus: "Der Textdichter kam aus dem Folterkeller der SS" Gregor Tholl (11.06.2022 )
Quelle: https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article239289461/Zarah-Leanders-Hit-Der-Dichter-kam-aus-dem-Folterkeller-der-Gestapo.html

QuoteAndreas V.

 Die von Florian Illies aufgewärmte Legende um den aus den Folterkellern der Gestapo zum Textdichten abkommandierten Bruno Balz ist nachgewiesenermassen falsch. Balz war lediglich einmal 1936 kurz in U-Haft, danach arbeitete er unbehelligt bei einem Jahressalär von ca. 400.000 Reichsmark. Aber die andere Version klingt halt so viel dramatischer...


QuoteMarcel F.

 1936 war er monatelang in Haft und 1941 wurde er noch einmal verhaftet da er mit einem Mann erwischt wurde. Er wurde tagelang gefoltert und kam wegen den Film frei. Ohne den Film vermutlich nicht und der Erfolg des Filmes hat ihn dann sozusagen geschützt.


QuoteAndreas V.

 Dies ist die von Balz' inzwischen verstorbenen Lebensgefährten Jürgen Draeger verbreitete Version, für die es keinerlei Beweise gibt. Der Leipziger Dokumentarfilmer Jens Berger hat dies intensiv erforscht und nachgewiesen: Fake News im Sinne einer schwulen Märtyrergeschichte.


QuoteMarc M.

 Es sind sehr schöne Lieder, welche unvergessen sind.
So etwas giebt es nicht wieder.


QuoteIsabella K.

 Sehr gut, an das Schicksal von Bruno Balz zu erinnern. Man hat die Melodie, den Text und die Sängerin im Kopf - aber Komponisten und Liedtexter werden meisten vergessen oder nicht beachtet.


QuoteRheintochter

 Ich fand beide Texte (besonders "ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n und dann werden alle Träume wahr") eigentlich schon immer ziemlich subversiv.
So, wie im kurz vor Kriegsende nach Fertigstellun noch verbotenen "Große Freiheit  Nr. 7", wo Hans Albers auf die La-Paloma-Melodie singt "einmal muss es vorbei sein". Was angeblich der Grund für das Verbot war.


QuoteMontgomery

 Tolle Schauspielerin, markante Stimme, atraktive Frau . Vater und Großvater waren Fans von der Leander.


QuoteBernd S. Paul

 "Der Film aber verschwand in der Versenkung"  - ist dem so?
Der Film ist in der Originalfassung  im deutschen Fachhandel erwerbbar. 

Ob der Film als Durchhaltestreifen gedacht war, bezweifele ich stark. Das Drehbuch entstand wahrscheinlich schon vor dem Überfall auf die Sowjetunion und wurde entsprechend der neuen Kriegslage aktualisiert. Und im Spätsommer 1941, dem Drehbeginn zu dem Film, ging man in Berlin noch siegestrunken von einem raschen Sieg aus.
Bruno Balz hätte für meinem Geschmack eine größere Würdigung verdient, aber das kann zur Not jeder selbst durch das Lesen seiner Kurzbiografie bei Wikipedia nachholen.


QuoteGuntram S.

 Ihr eigentlicher Vorname war Sara. Da das ein jüdischer Name ist, wurde daraus in Deutschland Zarah. Trotzdem soll Goebels sie bei einem Treffen gefragt haben: ,,Zarah ... Ist das nicht ein jüdischer Name?". Zarah soll geantwortet haben: ,,Oh, vielleicht, aber was ist mit Josef?"


QuoteSven-Felix Kellerhoff, Redaktion Geschichte

 @Guntram S.: Ja, diese Anekdote  habe ich auch schon mal gehört. Wenn sie nicht wahr sein sollte, so wäre sie zumindest sehr gut erfunden.


QuoteRolf J K.

 Geschichte versteht man als Erlebnis der Zeit in der man Lebt. Bewertungen spaeterer Generationen werden niemals koorekt oder emotional richtig sein.

Ich bin im Krieg zur Welt gekommen, ich weiss nur soviel von meinen Eltern, dass jedes Lied und jeder Film die Todesangst und das Leiden in den Bombennaechten ertraeglicher machte. ...


QuoteAndi S.

 Ja, genau das war der Zweck solcher Filme. Sie haben es richtig erfasst.


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