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["Moral ekelt mich an"... (Bruno Dumont)]

Started by Textaris(txt*bot), April 12, 2007, 12:59:02 PM

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Textaris(txt*bot)

,,Moral", hat Federico Fellini einmal zu Verstehen gegeben, sei ,,ein ständiger Kampf gegen die Rebellion der Hormone". ...
Aus: ,,Der Chronist der Dekadenz" Johann Ritter (27.12.2009), cineastentreff.de

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Quote[...] Anfangs habe ich Philosophie unterrichtet an Schulen. Ein glücklicher Lehrer war ich nicht. Diese ewige Erweckungsarbeit: Ich konnte verstehen, dass die Schüler sich sträubten. Wörter sind meist das debilste Mittel, um etwas auszudrücken. Im Film erreiche ich dasselbe Ziel auf andere Weise.

[...] Was läuft denn schon über das Denken? Der Mensch ist aus einem Körper gemacht, aus Sinneswahrnehmungen, alles folgt der Natur - das Wünschen, die Lust, die Gewalt, die Liebe. Moral hat da gar nichts verloren. Moral ekelt mich an. Und wenn das Publikum mich auspfeift, dann nehme ich das hin, wie damals den Tumult unter den Schülern.

[...] Meine Filme injizieren ein Serum, einen Impfstoff. Ich verabreiche bewusst die Krankheit, damit die natürliche Abwehr erwacht. Ich schockiere. Es ist dann am Publikum, Antikörper zu entwickeln.

[...] Kant hat gesagt, der Mensch sei ein krummes Holz. Das Bild hilft mir beim Handwerk des Filmemachens. Meine Filme sind so: verwachsen, krumm. In der Verzerrung, in der Ungeschicktheit, im Ungenauen steckt unsere Wahrheit.

[...] ,,Twentynine Palms" ist unverstellt autobiografisch, also gar kein eigentlich geistiges Werk, sondern folgt dem Zufall der Realität. Wobei auch hier die Wahrheit der Dinge erst im Bild entsteht, nicht aus den Dingen selbst. Ein Paar: Es fährt rum, es isst, es fickt, es guckt Fernsehen im Motel. Sehr primitiv, das alles. Nur den Schluss habe ich erfunden, um aus der Sache rauszukommen.

[...] Ich arbeite am liebsten mit Laien. Schauspieler sind immer schon bereit, ich aber will den Widerstand des Darstellers. Mit David war das kein Problem, er ist kein Profi, er fügte sich. Katia musste ich ausdrücklich am Spielen hindern. Ich zwang sie, eine Figur zu entwickeln, die ganz von ihr ausgeht. Nach zwei Tagen hatte ich sie so weit, aber dafür machte sie mir das Leben zur Hölle.

[...] Nein, ich bin kein verzweifelter Mensch. Ich habe nur einen Sinn für das Tragische.


Aus: ",,Moral ekelt mich an"" Der französische Regisseur Bruno Dumont und sein Film ,,Twentynine Palms" - Von Jan Schulz-Ojala
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/kultur/archiv/11.04.2007/3192961.asp

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http://en.wikipedia.org/wiki/Bruno_Dumont


Textaris(txt*bot)

Quote[...] "Ich filme das, was ich nicht verstehe", sagt Bruno Dumont. Der 60-jährige Franzose erhielt beim Filmfestival in Locarno einen Ehren-Leoparden für sein Werk, das manchmal wunderlich, sehr oft verstörend und immer voller Neugier ist. "Wäre ich nicht neugierig, würde ich keine Filme drehen, denn das ist meine Triebkraft".
Dumont hat mit Filmen wie "L'Humanité" (1999) über ein brutales Sexualverbrechen oder auch "Flanders" (2006) über einen Mann mit traumatischen Kriegserlebnissen gezeigt, welche Themen ihm am nächsten liegen: Es geht um die Erforschung brutaler, extremer Gewalt ebenso wie um Sexualität und ihre Abgründe. ... "Ich sehe das Kino als eine Form der Konversation", erläutert Dumont seine Sicht auf die laufenden Bilder. "Diese Bilder stellen die Kommunikationsebene mit dem Zuschauer her, sie treten mit ihm in einen Dialog. Ich glaube, dass das Kino der Film unseres Innenlebens sein kann".

... Auffallend ist Dumonts jüngste Hinwendung zum Skurrilen, zur Komödie, die man in seinen früheren Arbeiten vergeblich suchte. "Ich habe erst vor einigen Jahren die Komödie für mich entdeckt. Ich glaube, dass jedes Drama, wenn man nur tief genug gräbt, am Ende aus einer Komödie entsprungen ist. Die Komödie ist ein gefallenes Drama, bleibt aber dennoch stets dramatisch".

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Aus: "Bruno Dumont: "Kino ist Konversation"" (05.08.2018)
Quelle: https://www.wienerzeitung.at/themen/filmfestival-locarno/981055-Bruno-Dumont-Kino-ist-Konversation.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Emotional erleben wir Moralisierung einer bisher sachbezogenen Diskussion wie einen plötzlichen Ortswechsel aus gemäßigten Breiten in große Kälte oder Hitze. In diesen neuen Gefilden, so spüren wir, gelten andere Spielregeln als vor der Moralin-Injektion; es geht schlagartig und dramatisch um mich, nicht mehr um etwas, das sich in sicherer Entfernung außerhalb befindet.

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Aus: "Das Gift der Moralisierung" Michael Andrick (10.02.2024)
Quelle: https://www.freitag.de/autoren/michael-andrick/debattenkultur-das-gift-der-moralisierung