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["Politik geht mich nichts an"... (Zarah Leander)]

Started by Textaris(txt*bot), March 15, 2007, 10:12:33 AM

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Textaris(txt*bot)

Zarah Leander (Aussprache: [ˌsɑːra leˈandəɹ], * 15. März 1907 in Karlstad, Schweden; † 23. Juni 1981 in Stockholm, Schweden; bürgerlicher Name Sara Stina Hedberg)
http://de.wikipedia.org/wiki/Zarah_Leander


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Quote[...] Leander gilt im allgemeinen als Paradebeispiel für die Durchhaltepropaganda der NS-Kulturpolitik. Dabei ist von Vertrauen in den Führer in dem Lied gar nichts zu spüren; es setzt stattdessen nur noch auf Wunder, auf Märchen und auf die Liebe. Es geht in dem Lied um den Geliebten in der Ferne - da allerdings, ist der Bezug zu den Erfahrungen der Soldatenfrauen von 1942 deutlich gegeben:

"Wenn ich nicht in meinem Herzen wüsste,
Dass du einmal zu mir sagst:
Ich liebe dich,
wär' das Leben ohne Sinn für mich."

Besonders wehrkraftsteigernd kann die Bedeutung, die dem Glück - und dem Leben - des Einzelnen in dem Lied zukommt, nicht gewesen sein. Erst in der letzten Strophe wird aus der Angst um den Geliebten traurige Gewissheit:

"Keinem ist mein Herz so gut gewesen
Wie dem einen,
der mich jetzt verlassen hat,
Der für mich nicht einen Gruß mehr hat,
der mich vergaß."

Die Trauer endet in dem frommen Wunsch nach Wundern:

"Ewig kann doch nicht verloren sein,
was ich besaß.
Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n
und dann werden tausend Märchen wahr".

Dieser im Schlussrefrain trotzig herausgedonnerte Glaube an ein Wiedersehen, offensichtlich wider besseres Wissen mit schon wahnsinnigem Dröhnen gesungen, ist das eigentlich Befremdende und Faszinierende an dem Lied. Die Deutschen haben sich darin wiedergefunden - für den Theaterkritiker Günther Rühle war sie "die ganz große Geliebte" der Deutschen - sie unterhielten zu ihr ein Suchtverhältnis. Was mit der NS-Kulturpolitik aber durchaus korrespondierte, war der tragische Stolz, den die Leander stilisierte, die aufrechte Haltung, mit der sie in ihren Liedern Angstzustände und Verlust thematisierte. Was den Nazis überhaupt nicht gefiel, war ihre Unabhängigkeit ("Ich bin, wie ich bin") und die düstere Stimmung, die sie im Laufe ihrer Karriere immer mehr kultivierte.

[...] Im November 1942 verließ Zarah Leander Deutschland, nachdem Goebbels sie vergebens gedrängt hatte, die deutsche Staatsbürgerschaft anzunehmen, und kehrte zurück nach Schweden, wo sie sich das riesige Gut Lönö kauft, samt 22 Inseln und einem Haus mit zwei Dutzend Zimmern.

Der "Politische Dienst für SS und Polizei" kommentierte den Fortgang des Stars mit den Worten: "Wir sind vor neuen Filmen bewahrt und die deutsche Frau kann wieder Atem holen." Das Blatt bescheinigt dem zuvor verehrten "Überweib" nun "trivialste Lüsternheit" und sieht die Deutschen als Opfer einer raffinierten Verführung, aus deren Beschreibung nun wirklich der ganze Wahnsinn des NS-Staates spricht: "In ihrer dunklen Altstimme vibrierte eine starke erotische Spannung. Sie fand eine neuartige aus dem Chanson entwickelte Methode, die Töne durch geheimnisvolle Vorgänge in der Nase in die Länge zu ziehen, um dann, wie von einer Sehne abgeschnellt, Dir spitze und verlockende Laute der Liebe in die empfindsame Gegend des Magens zu schleudern."

[...] Neben der schillernden, mondän drapierten Sexualität und der Vorliebe für Fern- und Heimweh gehört zu Zarah Leander das Kokettieren mit der Angst und das Bannen von Furcht. Wer die düsteren unter ihren Chansons hört, der spürt, wie viel Angst die Deutschen gehabt haben müssen, lange bevor sie den Krieg als verloren erkannten. Überall geistert es von kalten Sternen, leerer Fremde, vom eisigem All, düsterem Licht und bösen Ahnungen. Dem A konnte Zarah Leander die ganze Wärme des schwedischen Akzents geben:

"Niemand ahnt, wie lang es währt."

Dieses A lässt Schlimmes ahnen - ihr tiefschwarzes, todesgewisses Schlummerlied sang die Leander mit einer Zärtlichkeit, mit der man einem toten Menschen die Lieder schließt:

"Sterne streuen fremdes Licht
und die Stille summt
Dunkel fällt auf Dein Gesicht
wenn das Lied verstummt
Schlafe ein, schlafe ruhig ein."



Aus: "Wiegenlied für Todgeweihte" Autor: Harald Jähner (Berliner Zeitung - Feuilleton, 14.03.2007)
Vor hundert Jahren wurde Zarah Leander geboren - sie war der erste Gruftie-Star
Quelle: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2007/0315/feuilleton/0006/index.html

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Quote[...] Niemand ist von der Ufa besser bezahlt worden als die Leander. Dank ihrer unvergleichlichen Stimme machte sie die "Kriegserziehungsfilme", wie die Nationalsozialisten das Genre selbst nannten, zu Kassenmagneten. Zum Wichtigsten wurde das 1942 von Rolf Hansen inszenierte Rührstück "Die große Liebe": Aus Afrika abkommandiert, lernt ein Oberleutnant der Luftwaffe (Viktor Staal) die Varieté-Sängerin Hanna Holberg (Leander) kennen. Kriegsbedingte Trennungen gefährden die Beziehung, bis Hanna begreift, wohin sie gehört - an die Seite des heldenhaften Mannes. Vorher singt sie allerdings noch ein bisschen. "Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n" und "Davon geht die Welt nicht unter".

28 Millionen Deutsche haben den Film damals gesehen, die Alliierten haben ihn 1945 sofort verboten. Zarah Leander ist sich bis zu ihrem Ende keiner Mitschuld bewusst gewesen. Sie blieb bei ihrem Standpunkt, den sie in ihren Memoiren bezogen hatte: "Politik geht mich nichts an ... Wo steht denn geschrieben, dass ausgerechnet Künstler etwas von Politik verstehen müssen?"


Aus: "Zarah Leander Die Diva wäre heute 100 Jahre alt geworden: Das "Wunnnder" aus Schweden"
Von Barbara Möller (15. März 2007)
Quelle: http://www.abendblatt.de/daten/2007/03/15/706633.html

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Quote[...] Ein Garant für ihre enormen Erfolge in Deutschland war Bruno Balz, der für sie einen Hit nach dem anderen schrieb und damit auch seine Haut vor dem KZ rettete, wie Regisseur Pudenz berichtet. ,,Er war schwul und kam frei, weil er den Nazis versprach, auch einige Durchhaltelieder zu komponieren." Balz schrieb in den 24 Stunden nach seiner Freilassung aus Gestapohaft ,,Davon geht die Welt nicht unter" und ,,Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh'n". ....


Aus: "Frankfurt: Zarah Leander, die Diva im Keller" Von: Andreas Hartmann (24.02.2023)
Quelle: https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-zarah-leander-die-diva-im-keller-92108726.html

Textaris(txt*bot)

Quote[...]  Guido Knopp nannte sein Zarah-Porträt zu unserem Leidwesen "Hitlers Frauen", und obwohl er die Archive in halb Europa durchsuchen lies, ist ihm kein Bildmaterial in die Hände gefallen, die den Titel der Sendung untermauert. Aber es ist trotzdem ein sehr interessantes Porträt geworden, wie übrigens auch die Sendung "Legenden" in der ARD, dies sage ich nicht nur, da ich auch da beratend mitwirkte, sondern weil alle Aspekte der damaligen Zeit berücksichtigt wurden.
Hinterfragen, eingefahrene Meinungen auch mal in Frage stellen, dies verstehe ich unter wissenschaftlich arbeiten. Es gibt so viele Quellen und Aussagen von Zeitzeugen die belegen, dass die Leander ihrer Karriere wegen und der Menschen die sie hier und auf der halben Welt liebten, bis 1942 in Deutschland arbeitete. Sie leiten daraus die Frage ab, ob sie eventuell doch eine Sympathisantin des Regimes gewesen sei.

[...] Die Schauspiel- und Gesangskunst der Leander wurde auch von Gegnern des Regimes als tröstend empfunden. [...] Trost durch die Leander erfuhr auch der, von den Nazis verjagte Jude, Viktor Klemperer, Professor in Dresden, der über seinen letzten Kinobesuch im Reich in seinen berühmten Tagebüchern am 30. Januar 1938 schreibt: "... gestern die HABANERA mit Zarah Leander gesehen, geradezu erschütternd gut." Zur selben Zeit genießt in Italien, der später berühmte Regisseur Federico Fellini die Stimme der Leander: "Immer, wenn sie sang, bekam ich eine Gänsehaut, sie war die Löwin, von der sich ein Mann gerne auffressen lassen würde" sagte er in einem Interview bei den Berliner-Filmfestspielen 1988.

Diese Anmerkungen musste ich machen, um zu belegen, dass diese Fakten nicht in ein Ausstellungskonzept passen, das die Leander-Karriere bzw. deren Wahrnehmung, auf das Dritte Reich reduzieren will. Die selbstgerechten Nachgeborenen, tragen oft wenig zu einem differenzierten Bild bei, wenn es darum geht darüber nachzudenken, wie unsere Eltern und Großeltern diese leidvolle Zeit überstanden haben.
Zarah Leanders Karriere kann ich nur erklären und begreifen, ich meine im politischen Sinn, indem ich sie nicht auf das damalige Deutschland reduziere, sondern Europa und die Lebenswirklichkeit dieser Zeit versuche zu begreifen. Dabei fallen mir auch immer wieder drei Namen ein: Ingrid Bergman, Gary Cooper und Jean Cocteau. Ingrid Bergman, der neue Star aus Schweden, und spätere Casablanca-Darstellerin, drehte 1938 ihren ersten deutschsprachigen Film für die Ufa in Berlin.

[...] Gary Cooper, Marlene Dietrichs Lieblings-Partner, besuchte 1938 die Ufa-Stadt in Babelsberg. Bei dieser Gelegenheit lernte er auch Zarah Leander kennen, die Bilder von diesem Treffen gingen damals um die halbe Welt. In Frankreich war die Leander besonders populär, wie die vielen Titelbilder belegen und zwar schon ab 1938. In Paris synchronisierte sie ihre Filme, allerdings nur die Gesangspassagen, besang Schallplatten in französischer Sprache, verkehrte in Künstlerkreisen und wurde auch von dem Dichter Jean Cocteau empfangen.
Zarah Leanders Wahrnehmungs-Horizont bewegte sich folge dessen zwischen Berlin, Zürich, Stockholm und Paris. Zwischen ihren Ufa-Kollegen, ihren Pariser-Freunden, Gary Cooper - hier wage ich sogar zu behaupten, sie war länger mit ihm zusammen, als in ihren sechs Berliner Jahren mit Hitler -, die Stockholmer Freunde sollen nicht unterschlagen werden, besonders Karl Gerhard, ein erklärter Hitler-Gegner. In Schweden liefen alle ihre Filme, auch nach Kriegsausbruch, vor ausverkauften Häusern. Das neutrale Schweden hatte ein gutes Verhältnis zum Hitler-Staat, besonders wirtschaftlich. Man war außerdem stolz, nach Greta Garbo wieder eine Landsmännin in einer internationalen Karriere zu sehen.
Die Leser der Schweizer Film-Zeitung wählten die Leander, neben dem Hollywood-Star Tyrone Power, 1940 zum beliebtesten Filmstar.

Und nun frage ich Sie, meine Damen und Herren, muss das nun alles aus pädagogisch-wissenschaftlichen Gründen unterschlagen werden?

[...] Goebbels wollte sie durch die Deutsche Staatsangehörigkeit ans Reich binden, da er ihr ungehindertes Reisen mit Misstrauen beobachtete. In diesen Jahren wurde sie sowohl vom deutschen, schwedischen wie auch vom amerikanischen Geheimdienst überwacht. Dossiers aus der damaligen Zeit tauchen daher immer wieder mal auf, und sorgen für Schlagzeilen. Dadurch kann sie sicher nicht zu einer erklärten Gegnerin der Nazis stilisiert werden, aber eben auch nicht zu einer Sympathisantin. Diese Fülle an Informationen haben sie ganz einfach überfordert, daher haben sie den einfacheren Weg beschritten, den pädagogisch-wissenschaftlichen.


Aus: "Paul Seilers Rede anlässlich der Zarah Leander Ausstellungseröffnung im Filmmuseum Potsdam" (01.05.2004)
Quelle: http://www.zarah-leander.de/aktuell.htm

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Zarah Leander hat wie keine andere die Sehnsucht der Deutschen nach dem geheimnisumwitterten Weib gestillt. Ihre heroischen Frauenfiguren entsprachen so gar nicht dem faschistischen Frauenbild und bestätigten es dennoch. Sie war ein Naturereignis, ihre tiefe Stimme bezauberte ganz Europa, ihr traumwandlerischer Blick sollte über die Abgründe des Dritten Reiches hinweg täuschen. Täter wie Opfer verehrten den Star mit dem biblischen Namen Zarah. Als sie 1943, noch vor dem Fall von Stalingrad, in ihre schwedische Heimat zurückging, fühlten sich die Deutschen verlassen. Ihre Filme liefen aber weiterhin im Kino, die Ufa konnte und wollte nicht auf die enormen Einnahmen verzichten.

Aufgebaut wurde sie als deutsche Greta Garbo und als Ersatz für die nach Hollywood entschwundene Marlene Dietrich. Sie war der Vamp mit Bodenhaftung, die Diva, die in DIE GROSSE LIEBE (1942) zur Soldatenfrau mutiert und damit bis zum Kriegsende über 27 Millionen Zuschauer in die Kinos lockte. Hier spiegelten und vermischten sich die realen Erfahrungen ihrer Zuschauer und Zuschauerinnen mit der unterschwelligen Propaganda. In Schweden wurde sie nach 1942 als Nazi-Star angefeindet, die Rückkehr ins Rampenlicht war mühsam. In Deutschland hatte man sie nicht vergessen, vor allem in der Bundesrepublik konnte sie als Sängerin mühelos an ihre alten Erfolge anknüpfen. Zarah Leander war trotz ihres Lampenfiebers süchtig nach der Zuneigung ihres Publikums. Selbstironisch bis zur letzten Butterfahrt war sie nicht von Auftritten abzuhalten.

Böse Zungen behaupteten, dass ihre Konzerte immer montags stattfänden, weil da die Frisöre frei hätten. Zarah hatte immer ein Herz für die Schwulen, die es ihr mit übergroßer Anhänglichkeit und Zuneigung dankten. Kein anderer Star hat den - auch nach dem Dritten Reich verfolgten - Schwulen so nahe gestanden wie Zarah Leander. War's ihre tiefe Stimme, ihre ironische Mütterlichkeit, die Anstrengung, die es sie kostete, auch im Alter den Vamp zu geben oder doch eher ihre frivolen Liedtexte? Sie bot den Schwulen ein Gefühl des Verstandenseins. Nicht ganz unschuldig daran war ihr bevorzugter Songtexter Bruno Balz, der, selber schwul und mehrfach in die Mühlen der Justiz geraten, wusste, wovon er schrieb und welche Sehnsüchte seine Texte bedienten.


Aus: "Kann denn Liebe Sünde sein?" (Wolfgang Theis; 03/2007)
Quelle: http://www.berlin.de/kultur-und-tickets/kultur/ausstellungen/070301_leander_mayer/index.html


Textaris(txt*bot)

#3
Zarah Leander im Interview (zarah bei werner höfer) 1966
http://www.youtube.com/watch?v=zcZpBZLYveU

Zarah Leander Interview 1970
http://www.youtube.com/watch?v=acc2znIyJdk




Textaris(txt*bot)

Quote[...] Leanders Geschichte ist typisch dafür, dass man sich im letzten Jahrhundert eben nicht aus der Politik heraushalten konnte." Genau das aber habe die selbst für die Nazi-Ideologie wenig empfängliche Schwedin aber "bis zu ihrem Tod wie eine Fahne vor sich hergetragen".

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Aus: "Filmdiva, Nazi-Liebling und Schwulenidol" Von Thomas Borchert/DPA (15. März 2007)
Quelle: http://www.stern.de/kultur/film/zarah-leander-filmdiva-nazi-liebling-und-schwulenidol-584757.html