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[Privat/Öffentlich (Notizen)... ]

Started by Textaris(txt*bot), November 17, 2010, 12:00:35 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote"Die öffentliche Meinung ist eine Buhlerin: Man sucht ihr zu gefallen, ohne sie zu achten."
- Jean Antoine Petit-Senn, Geistesfunken und Gedankensplitter

Quote"Öffentliche Meinungen über Themen, die dem Verstand schwer zugänglich sind, sind oft richtig, aber selten oder nie die ganze Wahrheit."
- John Stuart Mill, Die Freiheit

Quote"Das Familienleben ist ein Eingriff in das Privatleben."
- Karl Kraus, Fackel 270/271 34; Sprüche und Widersprüche

Quote"Privatsphäre ist wie Sauerstoff – man schätzt sie erst, wenn sie fehlt"
– John Emontspool


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Quote[...] Öffentlichkeit aller bedeutenden rechtlichen, politischen und wirtschaftlichen Vorgänge, sowie die öffentliche Meinungs- und Willensbildung gelten als Kriterien einer funktionierenden Demokratie. Für die der Gewaltenteilung unterliegenden staatlichen Organe ergibt sich daraus:

Die gesetzgebenden Organe (Legislative) beraten in demokratischen Staaten im allgemeinen öffentlich, soweit nicht besondere Umstände (z. B. Geheimhaltung) eine nichtöffentliche Behandlung erfordern.

Gerichtsverhandlungen (Judikative) einschließlich der Verkündung der Urteile und Beschlüsse sind in der Regel öffentlich (Deutschland: § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes). Obgleich im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnt, gilt Öffentlichkeit der mündlichen Verhandlung als Grundprinzip des Rechtsstaates.

...


Aus: "Öffentlichkeit und Demokratie" (6. November 2010)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96ffentlich

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Quote[...] Der Schutz der Privatsphäre ist im deutschen Grundgesetz aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1)[2] abzuleiten. Das besondere Persönlichkeitsrecht dient dem Schutz eines abgeschirmten Bereichs persönlicher Entfaltung. Dem Menschen soll dadurch ein spezifischer Bereich verbleiben, in dem er sich frei und ungezwungen verhalten kann, ohne befürchten zu müssen, dass Dritte von seinem Verhalten Kenntnis erlangen oder ihn sogar beobachten bzw. abhören können. Durch die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) und durch das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) wird der Schutzbereich konkretisiert. Die Ausnahmen hiervon (Abhören von Telefongesprächen und Wohnungen) werden als Lauschangriff bezeichnet und sind ebenfalls gesetzlich geregelt.

...


Aus: "Privatsphäre" (5. November 2010)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Privatsph%C3%A4re


Textaris(txt*bot)

#1
Quote[...] Durch den zur Pflicht gemachten Besuch der allgemeinbildenden Schulen wurden die Menschen zu Rechtssubjekten erzogen, und die Untertanen wurden fortan als patriotische freie Bürger (citizens) im Rahmen der Rechtsordnung bezeichnet. Die Kluft zwischen dem Bourgeois und dem Bürger (citizen), zwischen dem egoistisch-utilitaristischen Individuum, das nur an seine privaten Interessen denkt, und dem Citoyen, der sich den Belangen des Gemeinwesens und des Staates widmet, blieb damit bestehen. Solange Ideologien, in unreflektiert ideologischer Wahrnehmung, auf die Sphäre des Allgemeinen, Staatsbürgerlichen beschränkt bleiben, während die private Sphäre der egoistischen Interessen als "vorideologisch" gilt, ist allein die Unterscheidung zwischen Ideologie und Nichtideologie schon eine ideologische.

...


Aus: "Zeit der Monster - Ein Aufruf zur Radikalität" von Slavoj Zizek (monde-diplomatique.de, Ausgabe vom 12.11.2010)
Quelle: Quelle: http://www.monde-diplomatique.de/pm/2010/11/12.mondeText1.artikel,a0048.idx,14



Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eine Enthüllungsgeschichte der Wochenzeitung "Die Zeit" zeichnet ein negatives Bild, das der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE, Mathias Döpfner, in den zurückliegenden Jahren von Angela Merkel und den Ostdeutschen gehabt haben soll. Der Bericht fußt nach "Zeit"-Angaben auf internen Dokumenten aus dem Springer-Haus, insbesondere Mails und Chat-Nachrichten aus dem engsten Führungskreis: "Sie zeichnen, ergänzt durch Gespräche mit Insidern und Beteiligten, das Bild eines Vorstandsvorsitzenden, der getrieben von seiner Ablehnung Angela Merkels schien", schreibt die Wochenzeitung.

Dem "Zeit"-Bericht zufolge hat Döpfner in den internen Dokumenten auch über "intolerante Muslime" und Ostdeutsche gelästert. So wird Döpfner unter anderem mit dem Satz zitiert: "Die Ossis sind entweder Kommunisten oder Faschisten. Dazwischen tun sie es nicht." Die Enthüllungsgeschichte der "Zeit" geht auch auf die unterschiedliche Haltung von Döpfner und Friede Springer, der Witwe des Verlagsgründers Axel Springer, gegenüber der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel ein. Während die Merkel-Freundin Springer die Ex-CDU-Chefin sehr schätzte, hielt Döpfner sie laut der Zeitung "offenbar für irre oder gefährlich".

So soll Döpfner nach den von der "Zeit" zitierten Dokumenten auch die Intervention Merkels ("Tabubruch") nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen mit den Stimmen der AfD kritisiert haben. Die entsprechende "Bild"-Schlagzeile "Handschlag der Schande" habe Döpfner zwar als "taktisch" richtig, aber inhaltlich "komplett falsch" bezeichnet.

So soll er am 8. Februar 2020 über die Ablehnung der Unterstützung durch die AfD geschrieben haben: "Lieber PDS-Nachfolgeorganisation als Ministerpräsident als die Liberalen. Nur weil ein paar demokratisch gewählte AfD-Wichser ihn gewählt haben. Das Land hat jeden Kompass verloren. Und M. den Verstand. Sie ist ein Sargnagel der Demokratie. Bald hat die AfD die absolute Mehrheit." Mit "M." könnte laut "Zeit" Merkel gemeint gewesen sein.

Als Merkel und ihre Regierung im März 2020 den ersten Corona-Lockdown planten, soll Döpfner dem "Zeit"-Bericht zufolge "aufgeregte Nachrichten" verschickt haben: "Corona ist eine Grippe gefährlich für Alte und Kranke", schreibt er. Politik und Wirtschaftsführer würden "unsere offene Gesellschaft für immer zerstören". Weiter soll der Springer-Chef geschrieben haben: "Das Ganze ist so surreal. Kollektiver Verstandesverlust. Der Coup der Gefühligkeit. Das absolute Scheitern der Eliten. Es ist ein Endpunkt."

Am 25. März soll Döpfner laut "Zeit" geschrieben haben: "Das ist das Ende der Marktwirtschaft. Und der Anfang von 33." Ob er damit auf die Machtergreifung von Adolf Hitler 1933 anspielte, kann nur vermutet werden.

Derartige "Reminiszenzen" sollen dem "Zeit"-Artikel zufolge Döpfner nicht fremd gewesen sein. Zu seinen "Lieblingszielen" hätten dabei die Ostdeutschen gehört. So zitiert die "Zeit" Döpfner auch mit dem Satz: "Meine Mutter hat mich immer vor den Ossis gewarnt. Von Kaiser Wilhelm zu Hitler, zu Honecker, ohne Zwischendurch US-Reeducation genossen zu haben. Das führt in direkter Linie zur AfD."

Bereits in einer Nachricht vom 8. Oktober 2019 soll Döpfner dem "Zeit"-Bericht zufolge "zu 39 Jahren [sic, vermutlich ein Tippfehler, vermutlich waren 30 Jahre gemeint] einen Text zu schreiben, in dem ich die Wiederaufung [sic, vermutlich Tippfehler, vermutlich Widerrufung] der Wiedervereinigung fordere. Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die Ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen DDR eine Agrar- und Produktionszone mit Einheitslohn machen."



Springer-Chef Döpfner wies inzwischen die Vorwürfe zurück. Der "Zeit"-Artikel basiere auf "aus dem Zusammenhang gerissenen Text- und Gesprächsschnipseln", erklärte Döpfner in einer internen Konzernmitteilung. Er habe "natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands".

Der Springer-Vorstandsvorsitzende ging auch auf den Vorwurf ein, er nehme Einfluss auf das Profil von "Bild". Das sei als CEO und Miteigentümer sein Job, sagte Döpfner. Aber über allem stehe die Freiheit der Redaktionen.

Die Zeit,epd (dni,ans)



Aus: "Springer-Chef Döpfner äußerte sich abfällig über Ostdeutsche und Merkel" (MDR AKTUELL, 14. April 2023)
Quelle: https://www.mdr.de/nachrichten/deutschland/politik/springer-chef-ossis-merkel-zeit-bild-doepfner-zitate-100.html

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Quote[...] Generell sind Verleger berechtigt, die politische Tendenz ihrer Medien zu bestimmen. Das Problem sieht Pörksen in der Direktheit, mit der Döpfner in das redaktionelle Geschehen eingegriffen haben soll. ,,Die Chefredakteurin der ,Bild'-Zeitung hat sich ja genau gegen diese Intervention und gegen diese Instrumentalisierungsversuche verwahrt. Denn es gibt für Journalistinnen und Journalisten nichts Schlimmeres als diese massive Beschädigung von Glaubwürdigkeit. So eine Aura des Verdachts, der Verdacht, sie könnten im Grunde genommen weisungsgebunden agieren."

Laut dem Medienwissenschaftler gibt es bei Skandalen immer eine Aufschwungs- und eine Deutungsphase. Dabei gehe es um die Frage: Ist das, was als Skandal behauptet wird, tatsächlich einer?

Interessant sei in diesem Fall, dass es keinen langen Kampf um die Deutungshoheit gegeben habe. ,,All die Versuche der Abschwächung haben nicht funktioniert, sondern es war sehr schnell klar: Die Inhalte der Enthüllung sind zu stark", sagt Pörksen. Erwartbar sei nun eine zweite Entscheidungsphase im Prozess der Skandalisierung, in der sich zeigen werde, ob sich die Skandalzone vom Fall Reichelt zum Fall Döpfner nun womöglich zum Fall Springer ausweiten werde. Das könnte auch davon abhängen, wie erfolgreich zwei in dieser Woche geplante Veröffentlichungen werden: Zum einen das neue Buch von Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre, der als Schlüsselroman rund um das Medienhaus Springer erwartet wird. Zum anderen der Spotify-Podcast ,,Boys Club – Macht & Missbrauch bei Axel Springer", in dem es um das System hinter dem ehemaligen ,,Bild"-Chef Julian Reichelt gehen soll.




Aus: "Reicht die Entschuldigung des Springer-Chefs?" (Text: Pia Behme | Bernhard Pörksen im Gespräch mit Antje Allroggen | 17.04.2023)
Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/doepfner-entschuldigung-chat-nachrichten-springer-bild-100.html

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Der Chef des Springer-Konzerns hat nach viel Kritik an seinen umstrittenen Chatnachrichten um Entschuldigung gebeten. Es handele sich um private Äußerungen. ... Indirekt bestätigte der Springer-Chef in seinem Beitrag für Bild zwar nun, dass bestimmte Formulierungen wie die über Ostdeutsche von ihm stammten. Zugleich will er sie aber als persönliche Aussagen verstanden wissen. "Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – mir gelingt es nicht immer, private Nachrichten im korrekten Ton zu schreiben", heißt es in seinem Text.  ... Der 60-Jährige fährt fort: "Wenn ich wütend oder sehr froh bin, wird mein Handy zum Blitzableiter. Ich schicke dann manchmal Menschen, denen ich sehr vertraue, Worte, die 'ins Unreine' gesagt oder getippt sind. Weil ich davon ausgehe, dass der Empfänger weiß, wie es gemeint ist. Und weil ich mir nicht vorstellen kann oder will, dass jemand diese Worte an Dritte weitergibt." Dies sei nun aber geschehen. "Daraus kann man viele Lehren ziehen. Das habe ich getan. ...
https://www.zeit.de/kultur/2023-04/mathias-doepfner-springer-bild-entschuldigung (16. April 2023)

QuoteDirekte Demokratie 1

,,...forderte eine FDP-freundliche Berichterstattung vor der Bundestagswahl."


Quotedemotor

Das Ganze jetzt auf die Ebene persönlicher Verfehlungen und gar Meinungsfreiheit zu verlagern, ist ziemlicher Unsinn. Döpfner und sein Springer Konzern ist ein Hort konservativer, z.T. rechtsnationaler medialer Stimmungsmache. Das wissen seine Leser so gut wie die, die auf diesen populistischen Quark seit Jahrzehnten verzichten. BILD ist ein bedauerlicher und unschöner Teil unserer politischen und gesellschaftlichen Kultur mit grosser Reichweite, der nicht so bald verschwinden wird. Leider wird auch unseriöser Journalismus, der auf Verunsicherung und Desinformation ausgerichtet ist, vom Grundrecht der Pressefreiheit geschützt. Man sollte allerdings darauf achten, wo die Grenzen zur offenen antidemokratischen Polemik überschritten werden. Sonst drohen irgendwann auch bei uns Verhältnisse wie im bildungsfernen Amerika oder im Deutschland der 30er Jahre des vorigen JH.


Quote
My two cent

Das Einzige was Herr Döpfner bedauert ist, dass die Sache irgendwie an die Öffentlichkeit gekommen ist. Ansonsten wird sich wohl kaum etwas ändern. Seine Einstellung ist die, die sie ist. Wer glaubt das Herr Döpfner irgendeinen Wert auf einen journalistischen Wertekanon legt dem ist nicht zu helfen. Der Springer Verlag mit seinem Flagschiff Bild Zeitung ist ein Propaganda Mittel der politischen Einflussnahme. Man fragt sich immer was schlimmer ist, die Puppenspieler oder die Puppen. ...


QuoteBoNT

Im schnelllebigen Medienzirkus des 21. Jahrhunderts wird in vier Wochen niemand mehr davon reden. Isso, auch wenn's eigentlich frustrierend ist.


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Quote[...] Ist die Aufregung um die geleakten Döpfner-Äußerungen ein Momentum? Eines, das über die angebliche oder tatsächliche Relevanz der Mail- und SMS-Verbalien weit hinausgeht? Die Fragmente ohne Kontext, Adressaten und Antworten werden für bare Münze genommen. Hier zeigt sich derMathias Döpfner, wie er wirklich leibt und lebt, denkt und handelt. Seine ausgreifende Publizistik gilt dann nur als matter Abglanz, als eine geschönte, geglättete Ausarbeitung seiner tatsächlichen Überzeugungen.

Schieben wir den skandalisierten und radikalisierten Springer-CEO mal beiseite, taucht eine Grundfrage auf: Besitzt das privat Geäußerte eine größere Relevanz als die öffentliche Äußerung? Spricht eine Person im Privaten ehrlicher, mehr Wahres, hat die Privatlogik eine unwiderlegbare Konsistenz?

Solche Fragen sind mehr als intellektuelles Glasperlenspiel. Sie berühren eine Grundkonstante menschlicher Kommunikation, die grundsätzliche Annahme, dass die Lüge die Ausnahme im Gesagten und Geschriebenen ist, dass das, was gerade der Journalismus wo, wann und von wem auch immer transportiert, so und nicht anders gemeint ist. Der Zeitungsartikel als Antithese zur These ,,Der lügt ja wie gedruckt".

Je mehr aus privaten SMS-, Chat- und Mail-Mitteilungen geleakt, also veröffentlicht wird, desto mehr wird sich der Glaubwürdigkeitsgraben verbreitern. Der Zweifel wird wachsen, das Vertrauen muss erodieren, als wahr und echt und authentisch kann nur noch gelten, wenn öffentliches und privates Denken, Schreiben und Handeln zur Deckung kommen.

Die journalistische Sucht und die individuelle Sehnsucht nach dem Ausleuchten von Hinter-, Schlaf und Gedankenzimmern ist bei Gott nicht neu. Was schon in analogen Zeiten gang und gäbe war, hat in der digitalen Sphäre nur seine Erweiterung gefunden. Mit geleakten Äußerungen glauben wir in die Köpfe der Schreiberinnen und Schreiber schauen zu können. Nicht nur, dass wir das glauben, wir sind überzeugt davon. Das ist der Resonanzboden, auf dem der Döpfner-Skandal wachsen und gedeihen kann: Abgeleitet aus dem Grundsatz, dass einer wie Döpfner (und nicht nur er) zwei Döpfners ist: der öffentliche und der private.

Der Springer-CEO wird dieser Doppelhelix nur entkommen, wenn er den Doppel-Döpfner zusammenschrumpft. Wenn der Leak nichts anderes hergibt als die öffentliche Äußerung. Was für eine Herausforderung - für alle.




Aus: "Weit mehr als nur ein Skandal" Ein Kommentar von Joachim Huber (17.04.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/weit-mehr-als-nur-ein-skandal-der-aufstieg-des-leaks-zur-wahrheit-9668990.html


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Es ist die nächste überraschende Volte im Streit zwischen dem ehemaligen ,,Bild"-Chef Julian Reichelt und dem Axel-Springer-Verlag, seinem ehemaligen Arbeitgeber. Wie der ,,Spiegel" berichtet, soll Reichelt dem Verleger des Berliner Verlags, Holger Friedrich, interne Nachrichten aus dem Springer-Führungskreis erst angeboten und später unaufgefordert geschickt haben.

Springer hatte vergangene Woche eine Millionenklage gegen Reichelt eingereicht; einer der Vorwürfe: unerlaubte Weitergabe von internen Informationen.

Im Berliner Verlag erscheint die ,,Berliner Zeitung". Friedrich bestätigte den Vorgang gegenüber dem ,,Spiegel" und in einem Interview mit dem ,,Manager Magazin". Außerdem habe Reichelt Dokumente an die Redaktion der ,,Berliner Zeitung" geschickt. Nach Sichtung des Materials habe man sich dort gegen eine Veröffentlichung entschieden und das Material vernichtet, erklärte Friedrich.

Friedrich informierte laut eigener Aussage Springer schriftlich über den Vorgang. Bei Springer selbst will man zur Sache keinen Kommentar abgeben. Ob die Informationen von Friedrich in der Klage gegen Reichelt zum Einsatz kommen, ist aktuell unklar.

Friedrich sagt zu dem Fall im Interview mit dem ,,Manager Magazin": ,,Ich habe entschieden, sie (die Informationen, Anm. d. Red.) nicht zu verwenden, weil dies gegen Persönlichkeitsrechte und weitere professionelle Standards verstoßen hätte. Es wäre schlicht rechtsmissbräuchlich gewesen." Private Nachrichten sollten auch privat bleiben, findet Friedrich.

Der Vorgang ist aus mehreren Gründen erstaunlich. Die bei Springer erscheinende Zeitung ,,Welt" hatte 2019 über Holger Friedrich berichtet, unter anderem darüber, dass er als Spitzel für die DDR-Staatssicherheit tätig war, und aus seiner Stasi-Akte zitiert. Die Enthüllungen sorgten damals auch für internen Ärger in der Redaktion der ,,Berliner Zeitung". Dass Friedrich nun Springer in der Causa Reichelt unterstützt, ist zumindest nicht selbstverständlich.

Hinzu kommt, dass Informanten, die sich an Journalisten wenden, normalerweise anonym bleiben, Quellenschutz genießen.

Friedrich spricht gegenüber dem ,,Manager Magazin" von einem ,,Grenzfall", der intern diskutiert worden sei. ,,Es ist eine Frage professioneller Standards, den anderen darüber zu informieren, dass mir unsaubere Informationen zur Verfügung gestellt wurden. Und ich habe nicht die Informationen zur Verfügung gestellt, die habe ich vernichtet", erklärt er. Und weiter: ,,Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der private Informationen von exponierten Personen öffentlich werden."

Friedrich fordert in dem Interview eine Debatte über Medienethik, also darüber, welche Informationen Medien veröffentlichen sollten und welche nicht. Wo Friedrich in der Sache steht, daraus macht er kein Geheimnis. Er kritisiert die Enthüllungen der ,,Zeit", die kürzlich interne Chatnachrichten von Springer-Chef Mathias Döpfner veröffentlichte.

,,Die Frage ist doch, inwieweit es journalistischen Qualitätsstandards entspricht, wenn man die private, persönliche Kommunikation eines Vorstandsvorsitzenden veröffentlicht, so wie es die ,Zeit' gerade getan hat. Das hat aus meiner Sicht bestenfalls Unterhaltungswert; das kann man gerne in der Yellow Press machen, aber nicht in der seriösen Presse", erklärt Friedrich. Die ,,Zeit" gehört zur Hälfte zur DvH Medien GmbH, die auch Anteilseigner des Tagesspiegels ist.

Weniger medienphilosophisch geht es derweil zwischen Reichelt und Springer zu. Laut einem Bericht des ,,Spiegel" wird es am 9. Juni zu einem ersten Termin zwischen den beiden Parteien vor dem Arbeitsgericht in Berlin kommen. Neben einer arbeitsrechtlichen Auseinandersetzung hat Springer aber jetzt auch strafrechtliche Schritte gegen Reichelt eingeleitet. Springer wirft Reichelt demnach ,,Betrug" vor. Ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft bestätigte dem ,,Spiegel", dass derzeit geprüft werde, ,,ob sich aus der Anzeige ein Anfangsverdacht für eine Straftat ergibt, der zur Aufnahme von Ermittlungen berechtigen würde".

Auf der anderen Seite prüft der Ex-,,Bild"-Chef aktuell eine Klage gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, seinen Rausschmiss betreffend. Das Verfahren, das zur Kündigung führte, sei nicht mit der nötigen Sorgfalt geführt worden, sagt Reichelts Anwalt Ben Irle. Unter anderem seien Vorwürfe gegen Reichelt, die seinen Machtmissbrauch gegenüber Kolleginnen betreffen, nicht ausreichend geprüft worden.

Tatsächlich deuten Chatverläufe zwischen Reichelt und einer mutmaßlich betroffenen Mitarbeiterin, über die das Branchenportal ,,Medieninsider" zuletzt berichtete, darauf hin, dass zumindest in diesem Fall die sexuelle Beziehung einvernehmlich war, die Avancen sogar teilweise von der Mitarbeiterin ausgingen.


Aus: "Update WhatsApp mit Interna: Verleger Holger Friedrich informierte Springer über Reichelt-Leak" Benjamin Reuter (27.04.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/whatsapp-mit-interna-verleger-holger-friedrich-informierte-springer-uber-reichelt-leak-9728432.html


Textaris(txt*bot)

... Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch entschuldigte sich Purra für ihre ,,dummen Kommentare", betonte aber, dass sie diese als Privatperson getroffen habe. ...

Quotebelo2013
14.07.23 16:32

Also eine Politikerin äußert sich öffentlich zu gesellschaftlichen Themen und später wird dann von ihrer Partei festgestellt dass das ja "privat" war.
Als Folge müsste die Dame eigentlich zu Beginn jeder Rede kundtun, ob das Gesagte dann privat oder dienstlich ist?

...


Quote[...] Finnlands neue rechtskonservative Vier-Parteien-Regierung steht weniger als einen Monat nach Amtsantritt vor einer schweren Krise. Die Vorsitzende der mitregierenden liberalen ,,Schwedischen Volkspartei", Anna-Maja Henriksson, ging erneut auf Distanz zu ihrem Koalitionspartner, den rechten ,,Wahren Finnen".

Hintergrund sind wiederholte rassistische Ausfälle von einigen ihrer Kabinettskolleginnen.

"Extreme Rechte in der Regierung: Finnische Ministerin Riikka Purra wegen rassistischer Postings unter Druck"
Vor Jahren verfasste die Politikerin unter einem Blog fremdenfeindliche und gewaltverherrlichende Kommentare. Dafür muss sie sich nun rechtfertigen – und erhält Rückendeckung vom Regierungschef.
https://www.tagesspiegel.de/internationales/extreme-rechte-in-der-regierung-finnische-ministerin-riikka-purra-wegen-rassistischer-postings-unter-druck-10135093.html

Henriksson hatte ihre Fraktion zu einer Krisensitzung zusammengerufen. ,,Wir werden die Gesamtlage aus verschiedenen Perspektiven besprechen", sagte sie der Tageszeitung ,,Hufvudstadsbladet". ,,Ich blicke sehr ernst auf diese Situation."

Gemeint sind damit finnische Medienberichte, denen zufolge die stellvertretende Ministerpräsidentin Riikka Purra im Jahr 2008 auf einem rechten Blog unter dem Pseudonym ,,riikka" mehrere rassistische Kommentare verfasst haben soll.

Dabei soll sie nicht nur das N-Wort genutzt, sondern etwa über ,,türkische Affen" geschrieben haben. In weiteren Kommentaren soll sie gefragt habe, ob ,,jemand Lust hätte, auf Bettler zu spucken". Zudem soll sie zur Gewalt gegen somalische Jugendliche und Schwarze aufgerufen haben. Sie sei ,,voller Hass", hieß es an anderer Stelle.

Als Reaktion auf die Berichte fordert die Opposition eine Unterbrechung der parlamentarischen Sommerpause und will, dass sich Purra, die auch Vorsitzende der ,,Wahren Finnen" ist, einem Misstrauensvotum stellt.

,,Finnlands Somalischer Verbund", eine Selbstorganisation von Einwanderern, hat Purra am Donnerstag wegen ihrer Äußerungen bei der Justizkanzlei des Parlaments in Helsinki gemeldet. Eine Petition mit über 50.000 Unterschriften fordert zudem ihren Rücktritt. Diesen hat Purra bereits ausgeschlossen. Sie werde ihren Posten ,,unter keinen Umständen" verlassen, sagte sie am Mittwoch.

Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch entschuldigte sich Purra für ihre ,,dummen Kommentare", betonte aber, dass sie diese als Privatperson getroffen habe. Finnlands konservativer Regierungschef Petteri Orpo sprach ihr daraufhin sein Vertrauen aus.

,,Die Regierung ist funktionsfähig, unsere Arbeit funktioniert", sagte er dem öffentlich-rechtlichen Sender Yle am Donnerstag. ,,Anstehende Gesetzesvorhaben, die im Einklang mit dem Regierungsprogramm stehen, werden planmäßig auf den Weg gebracht."

Auch Parlamentssprecher Jussi Halla-aho stützt seine Parteikollegin Purra. Es war sein Blog, auf dem sich Finnlands stellvertretende Regierungschefin vor 15 Jahren rassistisch äußerte. Wegen ähnlicher Äußerungen ist Halla-aho selbst bereits vom Obersten Gerichtshof des Landes verurteilt worden.

Die Forderung aus der Opposition, die Sommerpause für einen Misstrauensantrag gegen seine Parteifreundin Purra zu unterbrechen, lehnt auch er ab. Auf Twitter schrieb Halla-aho, dass für ein erfolgreiches Votum eine parlamentarische Mehrheit erforderlich sei und einzelne Stimmen aus der Opposition dafür nicht ausreichen würden.

Doch die vier Regierungsparteien sind sich uneins. Insbesondere die liberale Schwedische Volkspartei hadert mit dem rechten Koalitionspartner.

Die rassistischen Äußerungen der stellvertretenden Ministerpräsidentin sind bereits der dritte Skandal der finnischen Regierung, die erst am 20. Juni vereidigt worden ist.

Wirtschaftsminister Vilhelm Junilla räumte nur zehn Tage nach Amtsantritt wegen früherer Verbindungen in die Neonazi-Szene und rechten Äußerungen seinen Posten. Anfang Juli zogen die Finanz-, Innen- sowie Justizministerinnen wegen Sympathien rechter Verschwörungstheorien scharfe Kritik von Opposition und Zivilgesellschaft auf sich.



Aus: "Streit um rassistische Hetze: Zerbricht Finnlands Koalition an den Rechten?" Maxi Beigang (17.07.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/internationales/streit-um-rassistische-hetze-zerbricht-finnlands-koalition-an-den-rechten-10148767.html


Textaris(txt*bot)

#5
Quote[...] Seit ein paar Tagen kann man auf Netflix die Dokuserie ,,Depp vs. Heard" streamen; fast zeitgleich erlebt der deutsche Literaturbetrieb einen großen MeToo-Skandal.

Über den Gerichtsprozess von Amber Heard und Johnny Depp im Frühjahr 2022 wurde auf allen Kanälen ausführlich berichtet. Über den MeToo-Skandal im deutschen Literaturbetrieb hat auch die taz berichtet: Valentin Moritz hat im von ihm mit herausgegebenen Buch ,,Oh Boy", in dem sich 18 Au�to�r*in�nen kritisch mit (ihrer) Männlichkeit auseinandersetzen, über einen sexualisierten Angriff von ihm geschrieben.

Jetzt kam raus, dass die Geschichte nicht nur wahr ist (das wird in Text und Autorenbio, der ,,die eigene Übergriffigkeit" eingesteht, stark angedeutet), sondern dass sein Opfer diese Tat explizit nicht in einem Text verarbeitet sehen wollte, was Moritz und der Verlag wussten.

Diese Fälle sind anders gelagert und nur schwer miteinander zu vergleichen. Aber sie werfen beide eine wichtige Frage auf, die wir uns immer wieder stellen müssen: Wer darf eigentlich welche Geschichte erzählen – gerade wenn es um traumatische Erlebnisse von Einzelpersonen geht? Mit dem Erbe von toten Promis wird eh wild umgegangen, was zu katastrophal schlechten Filmen wie ,,Blond" über Marilyn Monroe oder biografisch haarsträubend falschen wie ,,Bohemian Rhapsody" über Freddie Mercury führt. Ich fürchte allerdings, sich darüber zu ärgern ist verlorene Liebesmüh.

Doch wenigstens mit jenen, die am Leben sind, sollte sensibler umgegangen werden. Wenn eine Privatperson Nein sagt, ist es wirklich komplett unverfroren, sie trotzdem zum Zentrum eines Essays zu machen. Und auch das Privatleben von Personen der Öffentlichkeit gehört uns nicht – und dann den gleichen Spott, mit dem Amber Heard überzogen wurde, ein Jahr später erneut auszuschlachten ist in meinen Augen ebenfalls total verwerflich. Ich verstehe einfach nicht, warum es Leuten nicht in den Kopf geht, dass andere Respekt verdienen und ihre Traumata nicht medial ausgeschlachtet werden sollten.

Das hier ist die letzte Ausgabe meiner ,,Gossip Girl"-Kolumne, und da ist es passend, dass ich nochmal Anlass hatte, wie schon in der ersten über Amber Heard zu schreiben. Ich hoffe, ich konnte in diesen zwölf Monaten vermitteln, dass sich mit Prominenten zu beschäftigen nicht nur schlicht Klatsch und Tratsch bedeuten muss, sondern dass wir durch die Art, wie Celebritys auf die Öffentlichkeit reagieren und wie wir wiederum Celebritys wahrnehmen und behandeln, zugleich viel über uns als Gesellschaft aussagt und die Richtung, in die wir uns bewegen.

Das kann bei großen Themen wie Rassismus oder Queerfeindlichkeit der Fall sein oder bei jenen, über die man nicht sofort stolpert. Vielen Dank für euer Interesse an ,,Gossip Girl", wir lesen uns an anderer Stelle wieder!


Aus: "Reden über MeToo: Das Privatleben der anderen" Kolumne von Isabella Caldart (21.8.2023)
Quelle: https://taz.de/Reden-ueber-MeToo/!5950839/