David is portrayed as the moral alien, from the first minutes of the film. ... Straw Dogs (1971)
https://wasiswill.wordpress.com/2015/12/13/straw-dogs-1971-david-sumner/---
Wer Gewalt sät ist ein US-amerikanischer Thriller von Regisseur Sam Peckinpah aus dem Jahr 1971. Der Film basiert auf einem Roman des Schriftstellers Gordon Williams mit dem Titel The Siege of Trencher's Farm. ... Prisma: „Sam Peckinpahs Film ist eine Studie über die Mechanismen der Gewalt, eindringlich und effektvoll inszeniert und äußerst schwer verdaulich. Ein Meisterstück, das leider selten zu sehen ist. Und wenn, dann meist gekürzt und zerschnippelt. Dabei geht es Peckinpah nicht, wie ihm vorgeworfen wurde, um Gewaltverherrlichung. Gewalt ist bei Peckinpah – im Gegensatz zum sauberen und sterilen Actionkino der heutigen Zeit – immer mit Schmerz und Leid verbunden und nie bequeme Problemlösung.“...
https://de.wikipedia.org/wiki/Wer_Gewalt_s%C3%A4t (02/2016)
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Straw Dogs – Wer Gewalt sät
Originaltitel: Straw Dogs
Produktion USA 1971
Laufzeit: 113 Minuten
Kinostart: 30.03.1972
Regie: Sam Peckinpah
Straw Dogs, Sam Peckinpahs nihilistisches Meisterwerk um instabile Geschlechterverhältnisse ... Ein Mann hantiert unbeholfen mit einem Gewehr herum und zielt auf Rebhühner. Der Hügel, auf dem er steht, positioniert ihn im Bild selbst als Beute, umkreist von mehreren im Dickicht verteilten Jägern, die ihn mit abfälligen Blicken anvisieren. Zwischenschnitte zeigen einen Geschlechtsakt, der als Vergewaltigung beginnt, sich aber in einer erotischen Spannung entlädt, vor der die Frau schließlich kapituliert. Zurück auf dem Hügel: Der Mann konnte in der Zwischenzeit endlich ein Tier erlegen, betrachtet sein Opfer aber mit Reue. Hieran fehlt es dem nächsten Vergewaltiger, den ein weiterer Schnitt zeigt, wie er die nunmehr panische Frau missbraucht.
Die oben beschriebene, virtuos montierte Szene aus Sam Peckinpahs Straw Dogs – Wer Gewalt sät (Straw Dogs) sowie dessen Klimax sorgte 1971 für die Fortführung einer Kontroverse über explizite Gewaltdarstellungen, die bereits in den späten sechziger Jahren mit heute gleichermaßen etablierten Klassikern wie Bonnie und Clyde (Bonnie and Clyde, 1967) und Peckinpahs Western The Wild Bunch (1969) begann. Straw Dogs fand sich danach in vielen Ländern auf dem Index wieder. Seine ungekürzte Fassung wurde in Großbritannien erst 2002 zugänglich gemacht, nun zieht der deutsche Verleiher nach.
Peckinpah beginnt seine Gordon-Williams-Adaption zunächst mit der Festlegung einiger Oppositionen, die in ähnlicher Form dem Westerngenre zugrunde liegen. Die Rolle des zivilisierten Vernunftmenschen erfüllt der Mathematiker David Sumner (Dustin Hoffman), der mit seiner Frau Amy (Susan George) in deren Heimatdorf in Cornwall zieht. Die entgegengesetzte Bedrohung des Barbarischen manifestiert sich in den männlichen Dorfbewohnern, sogar in der Szenerie von Cornwall selbst, die Peckinpah dem gängigen Postkartenklischee zum Trotze als tristes Brachland darstellt. Überdies teilt Straw Dogs einige der Motive des amerikanischen Backwoodslashers. Die Dorfgemeinde erscheint rückständig und vormodern, größtenteils bevölkert von unheilvollen, teils debilen Gestalten, deren Handlungen stets dem Instinkt verhaftet sind und somit in ihrer Unberechenbarkeit bereits die Möglichkeit einer Eskalation andeuten. So ist es auch in erster Linie ein konstanter psychologischer Terror, den Peckinpah als Unterton seines Filmes verankert.
Es verwundert zunächst nicht, dass David, zumal Amerikaner, im Dorf wie ein Aussätziger behandelt wird. Dass der bekennende Pazifist am Ende einen nach dem anderen der in sein Haus eindringenden Dörfler, die ‚reuigen Hunde’ des Titels, mit graphischem Einfallsreichtum umbringen wird, genauso wenig. Peckinpah treibt Davids Ausbruch und die Demontage seines Selbstverständnisses mit einer stringenten Logik voran, die auch Horror- und Thrillerfilmszenarien unterliegt. Gegenwehr wird hier angesichts irrationaler Vorgänge meist zur zwingenden Notwendigkeit, und in Straw Dogs drückt sich in dieser Unabdingbarkeit auch die nihilistische Tendenz aus, die Peckinpah-Filmen eigen ist. Straw Dogs ist aber weitaus mehr als ein pessimistisches soziologisches Experiment über die These, Gewalt produziere Gegengewalt. Der Katalysator für Davids Wandlung ist noch anderswo zu verorten, sieht sich ihre Veräußerlichung doch in der Beziehung zu Amy angelegt.
Die erste Einstellung von Amy in Straw Dogs ist ein Close-Up, eine Subjektive auf ihre Brüste, die sich mangels BH klar abzeichnen. Ein Bild, das sie mit der Form einer liberaleren, aber auch freizügigeren Sexualität, mit der die späten sechziger Jahre identifiziert werden, assoziieren. Als bewusstes Objekt der Blicke und Begierde der männlichen Cornwaller weiß sie sich auch zum Missfallen Davids oft zu inszenieren, was viele Kritiker damals als selbsterklärende Ermutigung einer Vergewaltigung lasen. Nach dieser Deutung erhält Amy, und mit ihr ein bestimmtes historisches Frauenbild, die Quittung für einen vermeintlich provokativen Umgang mit Männern.
Das Spiel der Blicke, das Peckinpah in Straw Dogs mit seiner subjektiven Kamera und fließenden, dann wieder fragmentarischen Montage immer wieder entfacht, ist jedoch ein derartig komplexes, dass es solch reduzierte Ansätze unterläuft. Die Position von Amy im Blickfeld der Dörfler wechselt zunehmend. Mal ist sie kontrollierende, einladende Instanz, dann entgleitet ihr diese Autorität. Eine Tatsache, die ihre Vergewaltigung als traurige Konsequenz erscheinen lassen muss, nur dass man Handlungshergänge nicht mit derselben Bestimmtheit berechnen kann wie die Wahrscheinlichkeiten, denen sich David als Mathematiker widmet. So ist es letztendlich auch ein komplizierter Diskurs über die Idee des Opfers, den Peckinpah in Straw Dogs effektiv und gehörig ambivalent führt.
Die beiden Fronten, die in dem zaghaften David und den rohen Cornwallern aufeinander treffen, entsprechen letztlich zweierlei Entwürfen von Maskulinität. Überdies deutet Peckinpah anhand einer Reihe von Provokationen, die Amy als Affront gegen Davids männliche Integrität konzipiert, schon früh an, zu welcher Variante sie sich mehr hingezogen fühlt. Der eheliche Akt vollzieht sich dann auch eher spielerisch, bar jeder Erotik, und steht in verstörendem Kontrast zu der sexuell aufgeladenen Schlüsselszene des ersten Missbrauchs. Die Ehe und Kompatibilität der Sumners werden zudem in unzähligen Szenen von Peckinpah in Frage gestellt. Straw Dogs’ männlicher Protagonist – und hierin unterscheidet er sich grundlegend von einer nicht nur dem Western eigenen traditionellen Figur des patriarchalischen Helden – definiert sich lediglich über den Intellekt und lässt zum Bedauern Amys jegliche Statur vermissen. Daran ändert auch der Initiationsritus der Jagd zunächst nichts, dem David zum Schein unterzogen wird.
Nach dieser Logik müsste er im gnadenlosen Finale des Films als Held hervorgehen. Dass dies nicht der Fall ist, liegt an der Durchlässigkeit und Ambivalenz der in Straw Dogs dargestellten Geschlechterbilder und Wertvorstellungen, die den Film unmissverständlich zu einem Dokument seiner Zeit machen. Davids Überschreitung der eigenen Grenzen ist absolut und unumkehrlich. Wie es am Ende in der Bejahung einer moralischen Bankrotterklärung heißt: „I don’t know my way home“.
Aus: "Straw Dogs – Wer Gewalt sät" Katharina Stumm (16.07.2007)
Quelle:
http://www.critic.de/film/straw-dogs-wer-gewalt-saet-930/