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Author Topic: [Menschen in Schichten und Klassen... ]  (Read 514173 times)

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« Reply #1435 on: May 03, 2023, 03:37:07 PM »

Quote
[...] Bei der elektronischen Zeiterfassung müssen sich Arbeitnehmer für Pausen ausstempeln, auch für kurze Kaffeepausen. Was drohen kann, wenn man sich nicht dran hält, zeigt ein aktuelles Urteil.

Arbeitgeber können Mitarbeiter fristlos kündigen, wenn ein Arbeitszeitbetrug vorliegt. Das gilt auch, wenn eine Beschäftigte nur für etwa zehn Minuten Kaffee trinken geht und sich dafür nicht bei der elektronischen Zeiterfassung ausstempelt.

Eine Abmahnung ist entbehrlich, wenn die Beschäftigte ihre Tat leugnet und verschleiert. Dann kann sogar ein einmaliges Vergehen ausreichen, entschied das Landesarbeitsgerichts Hamm (Az.: 13 Sa 1007/22).

Zu der Entscheidung kam es nach einem kürzlich aufgetretenen Fall: Eine Raumpflegerin hatte sich zu Beginn ihrer Arbeitszeit bei dem Betrieb eingestempelt. Kurz danach ging sie im gegenüberliegenden Lokal einen Kaffee trinken. Für den Zeitraum stempelte sie sich bei der elektronischen Zeiterfassung nicht aus. Dabei wurde sie von ihrem Chef aber beobachtet.

Als er sie auf ihr Verhalten ansprach, leugnete die Frau dies zunächst. Erst als der Chef ihr anbot, ihr Beweisfotos auf seinem Handy zu zeigen, räumte die Raumpflegerin ihr Fehlverhalten ein.

Im Zuge dessen kündigte der Arbeitgeber die Frau fristlos, die mit einem Grad der Behinderung von 100 Prozent schwerbehindert ist. Vorher hatte er dazu die Zustimmung des Inklusionsamts eingeholt. Gegen diese Entscheidung klagte die Betroffene. Sie hielt die Kündigung für unverhältnismäßig. Ihr Argument: Es habe sich um ein einmaliges Vergehen gehandelt.

Die Kündigung wurde daraufhin vom Gericht als rechtmäßig eingestuft. Entscheidend dabei war das Verhalten der Beschäftigten nach der Tat. Der Vertrauensbruch sei enorm und rechtfertige eine fristlose Kündigung.

(mit dpa)


Aus: "Arbeitsrecht-Urteil: Mitarbeiterin macht zehn Minuten Kaffeepause und wird fristlos gekündigt" (03.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/karriere/elektronische-zeiterfassung-fuhren-zehn-minuten-kaffeepause-zur-kundigung-9757568.html
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« Reply #1436 on: May 07, 2023, 10:42:03 AM »

... Dabei entstanden mitunter hübsche Wortkreationen wie Mi.Schi-Lesbe (von Mittelschicht) oder HöTös (von höhere Töchter).  ...

Quote
[....] Ende der Achtziger gründeten sich Lesbengruppen aus der Arbeiter*innenklasse. Ein kurzweiliger Abend an der Berliner Schaubühne erinnerte jetzt an deren Aktivismus.

Ein Planschbecken gefüllt mit Zetteln steht in der Mitte des Schaubühnen-Studios. Es handelt sich um fotokopierte Flugblätter, die Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre von sogenannten Prololesbengruppen produziert wurden. Als Angehörige der Arbeiterklasse bezogen sie sich selbstbewusst auf den „Proleten“-Begriff und thematisierten Klasse, Privilegien und Diskriminierung innerhalb der linken Politszene.

„Die geltende Form der Auseinandersetzung schließt schon etliche Prololesben aus. Du wirst nur ,verstanden’ + ernst genommen, wenn du die richtige Sprache benutzen kannst“, heißt es etwa in einem Positionspapier aus dem Planschbecken, das komplett vorgelesen wird.

Auf dem Podium der Veranstaltungsreihe „Dyke Dogs“, die seit dieser Spielzeit lesbisch-queere Perspektiven an die Schaubühne bringt, sitzt Martina Witte, damals Mitglied einer Berliner Prololesben-Gruppe. Im Austausch mit vier aktuell zu Klassenverhältnissen arbeitenden jüngeren Kulturschaffenden berichtet sie sehr anschaulich von der bewegten Zeit.

„Dass über Unterschiede nie gesprochen wurde, hat uns schockiert“, sagt Witte. Dabei sei klar gewesen, dass einige Lesben mehr Zeit und Geld hatten als andere, was die jeweiligen Chancen, aktivistisch tätig zu sein, beeinflusste. Schmerzhaft seien die ständigen verbalen Abwertungen gewesen. Mit anderen darüber zu reden und sich über das „Habitus-Getue“ der Bessergestellten lustig zu machen, sei befreiend gewesen. Dabei entstanden mitunter hübsche Wortkreationen wie Mi.Schi-Lesbe (von Mittelschicht) oder HöTös (von höhere Töchter).

Es gab auch konkrete Aktionen wie Demonstrationen oder ein anonymes „Umverteilungskonto“ zur Unterstützung von Lesben in existenziellen Krisen. Bis zur Auflösung der Gruppe habe es gut funktioniert, so Witte. Sie selbst hat das Konto auch einmal in Anspruch genommen. Vor allem aber, sagt sie, „hatte der Gedanke etwas Beruhigendes“.

Sich nicht um Geld sorgen zu müssen, ist nicht zuletzt gut für die Gesundheit – und setzt Energien für politische Arbeit frei. Das Umverteilungskonto ist ein tolles Beispiel von Solidarität und Empowerment – wäre vielleicht einen Update-Versuch wert.

Eine kleine Hommage an die Prololesben läuft im Hintergrund des Salons: Lynn Takeo Musiol vom Dyke-Dogs-Kollektiv ist in einer Ecke damit beschäftigt, weiße T-Shirts per Siebdruck mit einem Prololesben-Dialog über die Umverteilung zu bedrucken. Am Ende dieses anregenden Queer-History-Abends können die Besucher*innen die Shirts erwerben – Preis nach Selbsteinschätzung.


Aus: "Auf der Spur der Prololesben: „Dyke Dogs“-Salon in der Schaubühne" Nadine Lange (05.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/auf-der-spur-der-prololesben-dyke-dogs-salon-in-der-schaubuhne-9770684.html

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« Reply #1437 on: May 08, 2023, 10:41:42 AM »

Quote
[...] Rund 27.400 aller in Deutschland erfassten Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen haben im Jahr 2019 Einkünfte von mindestens einer Million Euro gehabt – die meisten von ihnen waren Unternehmerinnen oder Unternehmer. Ein Fünftel der Einkommensmillionäre (5.400) bezog die Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit, wie das Statistische Bundesamt mitteilte. Einkünfte aus Kapitalvermögen könnten dabei "nur unvollständig abgebildet werden". In Hamburg und Bayern war die Millionärsdichte demnach am höchsten.

Im Schnitt erzielten die Millionärinnen und Millionäre den Statistikerinnen zufolge Einkünfte von 2,7 Millionen Euro. Den Reichensteuersatz zahlten 2019 demnach rund 114.500 Steuerpflichtige in Deutschland. Der Satz von 45 Prozent wurde 2019 ab einem Jahreseinkommen von 265.327 Euro fällig, bei Paaren ab einem Einkommen von 530.654 Euro. Auf diese Steuerpflichtigen entfielen 6,6 Prozent der gesamten Einkünfte in Deutschland und 13,2 Prozent der Steuersumme.

In Hamburg ist der Anteil der Millionärinnen und Millionäre an allen Einkommensteuerpflichtigen schon seit Jahren am höchsten. 2019 hatten dort zwölf von 10.000 unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigen Jahreseinkünfte jenseits der Millionengrenze. In Bayern waren es neun von 10.000 Steuerpflichtigen. Am geringsten war der Anteil in Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Bundesweit ist die Gesamtzahl der Millionäre von 2018 auf 2019 den Angaben nach um 4,6 Prozent gestiegen. Die Zahl derer, die den Reichensteuersatz zahlen mussten, wuchs um 2.200.

Für die Erhebung werteten die Statistiker die Lohn- und Einkommensteuerstatistik 2019 aus. Aufgrund der langen Fristen zur Steuerveranlagung ist sie laut Bundesamt erst etwa dreieinhalb Jahre nach Ende des Veranlagungsjahres verfügbar.


Aus: "Statistiker erfassen 27.400 Einkommensmillionäre in Deutschland" (8. Mai 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/geld/2023-05/statistisches-bundesamt-steuerdaten-millionaere-einkommen
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« Reply #1438 on: May 10, 2023, 09:21:29 AM »

Quote
[...] Der Bund hat einem Regierungsbericht zufolge im Bereich Flucht und Migration im vergangenen Jahr Kosten von rund 28 Milliarden Euro allein getragen. Mehr als 12 Milliarden davon wurden in die Bekämpfung von Fluchtursachen im Ausland investiert, rund 15 Milliarden sollten Länder und Kommunen direkt entlasten.

[...] Finanzminister Christian Lindner betonte [ ], ...  „Wir hatten über Jahre keine Kontrolle über die Einwanderung. Die muss nun hergestellt werden“, schrieb der FDP-Chef auf Twitter. Dabei müsse besser zwischen qualifizierter, humanitärer Einwanderung und irregulärer Migration unterschieden werden.

...


Aus: "Bund trug 28 Milliarden Euro für Flucht und Migration" (10.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/bericht-vor-fluchtlingsgipfel-bund-trug-28-milliarden-euro-fur-flucht-und-migration-9793622.html

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Quote
[...] Eigentlich kann man vieles von dem, was man über den bevorstehenden Gipfel zur Flüchtlingssituation wissen muss, schon an dem dafür kursierenden Begriff Showdown ablesen. Es wird ein harter Kampf um Geld werden, wahrscheinlich bis spät in die Nacht hinein. Und am Ende geht es für die Beteiligten aus Bund und Ländern wohl auch darum, den Eindruck zu erwecken, dass die Zahl der Asylsuchenden insgesamt gesenkt werden könne.

Es ist fast überflüssig zu erwähnen, dass bei dem Gipfel kein Vertreter der Geflüchteten zugegen sein wird. Statt auch deren Perspektiven aufzunehmen, spielen die Akteure das altbekannte Abschiebe-Bingo. Die Bild veröffentlichte Details eines Plans aus dem Bundeskanzleramt, demzufolge Olaf Scholz die Bewegungsrechte und die Privatsphäre Geflüchteter stark einschränken will, um mehr Abschiebungen zu gewährleisten. Die Länder und die CDU fordern ohnehin pauschal weniger Geflüchtete, laut einer gemeinsamen Beschlussvorlage mit dem Kanzleramt sollen "lageabhängig" Grenzkontrollen auch zu den benachbarten EU-Staaten kommen. Und selbst die Grünen sollen inzwischen der Idee von geschlossenen Lagern an den Grenzen der EU zugestimmt haben – potenziellen Knästen der Hoffnungslosen, in denen viele Menschen wohl vergeblich darauf warten würden, dass ihre Heimatstaaten sie zurücknehmen.

Diese Politik bezeichnet sich gern als vernünftig oder realistisch, doch sie ist das Gegenteil davon: Sie ist so naiv und kurzsichtig wie inhuman. Natürlich muss die Aufnahme und Versorgung von Geflüchteten adäquat finanziert werden, und sicher kann man auch darüber diskutieren, die vergleichsweise winzigen Zahlen an Geflüchteten aus Georgien und Moldau zu reduzieren, indem man diese Länder zu sicheren Herkunftsstaaten erklärt. Doch wer von Klartext redet und dabei die Hoffnung schürt, Deutschland könnte die Zahl der Aslyanträge substanziell senken, der muss dann auch klar sagen, was der Preis dafür ist. Nach jahrelangen fruchtlosen Debatten in der EU und in Deutschland ist nämlich offenkundig nur noch das Modell Orbán übrig geblieben: Eine zunehmend militarisierte Abschottung, deren Folge der Tod von immer mehr Menschen ist.

Man kann das mit dem hohlen Begriff der Hypermoral abtun, doch was schon heute täglich in der Ägäis, vor Lampedusa, am griechisch-türkischen Grenzfluss Evros oder auf der Balkanroute geschieht, ist ganz nüchtern betrachtet ein Verrat an unseren angeblichen Idealen von Rechtsstaat und Menschenwürde. Ersparen wir uns die Heuchelei: Der Westen steht offenkundig nicht für die Universalität der Menschenrechte. Und wenn wir doch helfen, dann unterscheiden viele zwischen kulturell akzeptablen Hilfesuchenden aus der Ukraine und jenen, die dem Morden in Syrien, Irak, Iran und Afghanistan entfliehen, aber in muslimisch geprägten Gesellschaften geboren wurden. 

Vermutlich könnten nicht mal jene Politiker, die dies eigentlich wollen, diesen Widerspruch auflösen, denn weder kann Deutschland die EU-Migrationspolitik allein verändern, noch gibt es dafür eine Mehrheit. Doch auf keinen Fall sollte man diesen Widerspruch mutwillig verschärfen. Denn das alltägliche Sterben Hilfesuchender an unseren Grenzen wird sich durch die vom Westen verursachte Klimakrise verschärfen und die Trennung zwischen legitimen Kriegsflüchtlingen hier und illegitimen Wirtschaftsflüchtlingen dort wird sich immer schwerer aufrechterhalten lassen. Wie sollen wir denn umgehen mit Menschen, die vor unerträglichen klimatischen Bedingungen flüchten müssen? Bleiben wir hart, werden wir einen doppelten Preis zahlen. Finanziell, weil immer mehr Geld dafür ausgegeben werden muss, Menschen mithilfe von Waffen und Zäunen fernzuhalten. Aber auch politisch. Denn wie kann eine Gesellschaft, deren Maßstab der Menschlichkeit derart verrutscht, auf die Dauer nach innen gerecht bleiben?

[ ... ] Der Westen – das hat sich seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wieder gezeigt – wird vielerorts nicht mehr als demokratisches Vorbild bewundert, sondern als illegitimer Machtpol wahrgenommen, dessen wirtschaftliche und militärische Stärke vor allem ein Erbe des Kolonialismus und bis heute andauernder Ausbeutung ist. Viele Regierungen in Lateinamerika, Afrika und Asien können sich der Unterstützung ihrer Bevölkerungen nach wie vor sicher sein, wenn sie den Westen als raffgierigen Hegemonen beschreiben, dessen angebliche Moral immer nur für die anderen gilt. 

[ ... ] 30 Jahre sind die Horrorzeiten von Lichtenhagen und Solingen her, als nahezu jeden Tag die Unterkünfte von Menschen brannten, die als fremd wahrgenommen wurden. 1992 schränkten CDU, SPD und Teile der FDP das Asylrecht enorm ein, um die rassistisch aufgeladene Stimmung zu entschärfen, die sie – untergehakt mit vielen Medien – teils selbst geschürt hatten. Was damals jeder sehen konnte, war das, worauf die AfD und ihr Vorfeld aus rechtsradikalen Reichs- und Wutbürgern noch heute setzen: Rechte Gewalt setzt sich in Deutschland am Ende durch.

Die wütende Abwehr von Zuwanderung – besonders im deutschen Osten, wo sie am meisten gebraucht wird – setzt besonders die CDU unter Druck, was wiederum auf Teile der SPD wirkt. Wer die Aufmerksamkeit von Olaf Scholz und Friedrich Merz will, sollte sich in neongelben Verkehrswesten vor sie stellen. Kaum etwas scheint ihnen mehr Angst zu machen als eine bürgerlich-radikalisierte Protestbewegung nach Art der französischen Gelbwesten. Diese Angst prägt die Klima- genau wie die Migrationspolitik. Und die Folge ist abermals eine sich selbst erfüllende, überparteiliche Überforderungserzählung, wie schon 1992.

[...] In Deutschland muss man länger suchen, um jemanden zu treffen, der auf einer Migrationspolitik mit menschlichem Antlitz und strategischer Weitsicht beharrt. Am ehesten findet man so etwas unter Kommunalpolitikern. Olaf Scholz dagegen, der für sich Anspruch nimmt, die effizientere Version von Angela Merkel zu sein, scheint die Altkanzlerin missverstanden zu haben. Forderungen der BILD-Zeitung in Bezug auf Geflüchtete zu erfüllen, das ist nicht führungsstark. Das ist hasenfüßig und politisch einfallslos.

Führungsstark wäre es, den Deutschen die Wahrheit zum Thema Zuwanderung zu sagen: Es werden weiterhin viele Menschen kommen, und eben nicht nur Hochqualifizierte, nicht nur solche Menschen, die dem paternalistischen Zuwandererideal noch des letzten sächsischen Hausmeisters entsprechen. Natürlich ist das eine Herausforderung, logistisch, politisch, ökonomisch, aber es ist auch eine Perspektive, moralisch glaubwürdig zu werden und gleichzeitig den Wohlstand zu erhalten. Vielleicht wären gar nicht so wenige Deutsche für eine solche Ehrlichkeit ganz dankbar.

...



Aus: "Orbáns Traum" Aus einem Kommentar von Christian Bangel (10. Mai 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-05/migration-fluechtlingsgipfel-laender-bundesregierung-rassismus/komplettansicht

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fiete-hansen

Ausser dem moralischen Zeigefinger gibt es keine Aussage welches Land offene Grenzen hat und wie dort ggfs die Überlastung des Sozialsystems, Wohnungsmanngel, Kitaplätze etc erfolgreich gemanagt wird. Und ja, der Soziokulturelle Hintergrund spielt auch eine Rolle.


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4Racer2

„denn weder kann Deutschland die EU-Migrationspolitik allein verändern, noch gibt es dafür eine Mehrheit. “

Die Mehrheit der EU Staaten ist doch schon für eine strengere Migrationspolitik. Deutschland steht hier eher alleine da und wird von den anderen Staaten als Hindernis wahrgenommen, wenn es um eine Verschärfungen der Einreisemöglichkeiten von Migranten geht.


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GrafJ

Immer die Fachkräftefrage mit Flüchtlingsbewegungen zu vermischen ist meines Erachtens einfach falsch. Klar benötigt es ein Einwanderungsgesetz! Natürlich ist es aber auch an der Zeit die Heuchelei zu beenden und offen und ehrlich zu sagen, dass es Kontingente geben muss. Die AfD ist gleichauf mit SPD und Grünen - eine Partei die offen Rechtsnationalistisch ist. Wenn man möchte, dass es am Ende gar keine Flüchtlinge mehr gibt, macht man so weiter und überlastet die Gesellschaft und deren Wahrnehmung. Dann wird die AfD noch stärker und es kommen keine Fachkräfte mehr zu uns, da diese dann Angst vor Rassismus haben, wie im übrigen jetzt schon. Da es keine Partei gibt, die es schafft eine vernünftige Integration hinzukriegen mit allem was dazu gehört, muss es Kontingente geben. Stattdessen werden Flüchtlings-Kinder in Schulen gesteckt, die deren Ausbildung nicht fördern können mit der Konsequenz, dass die bisherigen Schüler zurück stecken müssen. Mit der Konsequenz, dass die die es sich leisten können, ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Solange der Staat in sämtlichen Gebieten der Integration versagt, sind zu viele Flüchtlinge für die Wahrnehmung der Gesellschaft zumindest schwer erklärbar und stärken eine Partei wie die AfD. Da hilft auch kein Anprangern der Humanität, denn die gibt es mit der AfD dann überhaupt nicht mehr.


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nachahmung

"Der Westen steht offenkundig nicht für die Universalität der Menschenrechte. "

Dafür stand der Westen nie. Wofür er aber stand, war das gute Geschäft, das ggf. militärisch flankiert und zur Gewissenserleichterung mit leer definierten Menschenrechten, Demokratie und Wohlstand garniert wird.


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« Last Edit: May 10, 2023, 09:50:58 AM by Textaris(txt*bot) »
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« Reply #1439 on: May 14, 2023, 11:37:22 AM »

Quote
[...]  Die meisten Menschen zählen sich zur Mittelschicht, obwohl sie nicht dazugehören.

David Gutensohn: Sie haben in einer repräsentativen Studie Menschen gefragt, zu welcher Schicht sie sich zählen. Was hat Sie dabei überrascht?

Marius Busemeyer [Professor für Politikwissenschaft an der Universität Konstanz]: Überraschend ist, wie viele Menschen sich der Mittelschicht zugehörig fühlen, obwohl das objektiv nicht stimmen kann. Diese verzerrte Wahrnehmung ist besonders stark bei reichen und sehr wohlhabenden Menschen zu beobachten. Sie ordnen sich der Mittelschicht zu, obwohl sie zu den obersten Prozenten gehören. [...] Beide Seiten – die Reichen und Menschen mit geringem Vermögen – unterschätzen, wie ungleich Vermögen in Deutschland verteilt sind. Menschen mit wenig Vermögen denken, sie seien Teil der Mittelschicht. Und die ganz Reichen glauben, dass sie nicht viel mehr besitzen als andere. Objektiv betrachtet ist Vermögen in Deutschland allerdings noch ungleicher verteilt als Einkommen. Die oberen fünf Prozent besitzen laut Studien 40 Prozent des gesamten Vermögens und 15 Prozent der gesamten Einkommen. Doch die Bevölkerung nimmt diese Ungleichheit nicht wahr.

David Gutensohn: Warum?

Busemeyer: [...] Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass andere nicht nur eine, sondern 20 Wohnungen besitzen. Oder dass einer Person die ganze Firma gehört, bei der man arbeitet. ... Mit harter Arbeit kann man sein Einkommen vielleicht verbessern und etwas aufsteigen, aber Vermögen aufzubauen, ohne zu erben, ist schwer geworden. Die Startchancen verschieben sich immer mehr zugunsten der bereits Reichen ...
...


Aus: ""Reiche Menschen unterschätzen, wie gut es ihnen geht"" (11. Mai 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/arbeit/2023-05/vermoegen-unterschaetzung-reiche-ungleichheit

-

"Deutsche unterschätzen ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen erheblich"
Das Konstanzer Ungleichheitsbarometer belegt die Wahrnehmung zunehmender Ungleichheit
Prof. Dr. Marius Busemeyer, Sharon Baute, Luna Bellani, Guido Schwerdt, Nanna Lauritz Schönhage Veröffentlicht am 11. Mai 2023
https://www.progressives-zentrum.org/ueberraschend-ist-wie-viele-menschen-sich-der-mittelschicht-zugehoerig-fuehlen-obwohl-das-objektiv-nicht-stimmen-kann/

https://www.progressives-zentrum.org/wp-content/uploads/2023/05/230510_UKZ004_Policy_Paper_12_Busemeyer-et-al_DE_RZ.pdf

" ... Bezüglich der langfristigen Entwicklung der Ungleichheit glauben 71 Prozent der Befragten, dass diese seit dem Jahr 2000 zugenommen habe. Nur 17 Prozent finden, sie habe abgenommen. Dass sie unverändert sei, meinen 12 Prozent. Danach befragt, ob die Ungleichheit in Deutschland stärker zugenommen habe als in anderen europäischen Ländern, ist eine relative Mehrheit von 35 Prozent der Meinung, dass diese „etwas höher“ als in anderen Ländern ist. Das kommt der Realität recht nahe: Laut Eurostat liegt die Ungleichheit der Einkommensverteilung in Deutschland knapp über dem EU-Durchschnitt. ..."
https://www.progressives-zentrum.org/publication/deutsche-unterschaetzen-ungleiche-verteilung-von-einkommen-und-vermoegen-erheblich/
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« Reply #1440 on: May 15, 2023, 10:38:21 AM »

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[...] Die Ausstellung „Jetzt und zehn Jahre davor“ in den Kunst-Werken versucht den Prozess der Gentrifizierung in Berlin-Mitte und in New Yorker Stadtvierteln abzubilden. Das Sammelsurium der Exponate aber lässt den unkundigen Besucher oft ratlos

... Es ist eines der beliebtesten Themen der Stadtsoziologie. Der amerikanische Geograf und Urbanismusforscher Neil Smith definiert die Problemstellung so: „Gentrification ist der Prozess, in dessen Verlauf zuvor verwahrloste und verfallene innerstädtische Arbeiterviertel für Wohn- und Freizeitnutzungen der Mittelklasse systematisch saniert und renoviert werden.“ Mit dem Verhältnis von Kulturproduktion, Gentrifizierung und Stadtentwicklung befasst sich nun eine Ausstellung in den KunstWerken.

Der explizit künstlerische Gesichtspunkt erklärt sich dadurch, dass es KünstlerInnen selbst sind, die das Phänomen Gentrifizierung überhaupt erst in Gang bringen. Vereinfachend: Künstler sucht billigen Wohn- und Arbeitsraum, Künstler entdeckt von der Stadtpolitik und Immobilienwirtschaft vernachlässigte Quartiere; sein Kunstschaffen führt zum Imagewandel des Viertels, bald ziehen Galeristen, Kreative und Bohemiens nach, Spekulanten involvieren sich. Resultat: Luxussanierung, Mietenexplosion, Verdrängung der ursprünglichen Bewohner und – hier beißt sich die Katze in den Schwanz – auch der Künstler.

... Die gesellschaftliche Funktion von Kunst manifestiert sich manchmal erst aus der Distanz. An dem Punkt, wo Erinnerungen entweder vergessen oder historisiert und bewahrt werden, setzt die Ausstellung „Jetzt und zehn Jahre davor“ an.

„Jetzt und zehn Jahre davor“, Kunst-Werke, Auguststr. 69, bis zum 9. Januar


Aus: "Die Archäologie der Aufwertung" MARCUS WOELLER (3. 12. 2004, Berlin S. 23)
Quelle: https://taz.de/Die-Archaeologie-der-Aufwertung/!666138/

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Quote
[...] Die Kreation von ‚besonderen Orten‘ geht mit der Überführung von Ortsbezügen in künstlerische Darstellungen einher. So verweist Richard Lloyd in seiner Beschreibung der Aufwertung in Wicker Park in Chicago auf die Zunahme von kulturellen Events im Quartier und die vielfache Nutzung der Nachbarschaft als Filmkulisse sowie in einer die Bohème idealisierenden Literatur (Lloyd 2006: 165f.). Andere Studie zeigen, dass insbesondere literarische Repräsentationen des Stadtteils den tatsächlichen Veränderungen vorausgingen und als symbolische Gentrifizierung den späteren Aufwertungen vorgelagert waren (Lang 1994: 499). Auch die Gestaltung und Benennung von Galerien, Clubs und Kneipen orientieren sich oft an literarischen Zitaten, die sich nur auf der Basis einer kultur-affinen Vorbildung rezipieren lassen. Künstler/innen und ihre Ausdrucksweisen verbinden sich in diesem Zusammenhang direkt mit der Konstitution eines neuen Raumbildes. Am Beispiel von Prenzlauer Berg in Ostberlin wurden „Kulturschaffende als Pioniere und Kunst als Türöffner der Aufwertung“ beschrieben (Bernt/Holm 2005). Internationale Beispiele zeigen, dass selbst  zenespezifische Ausdrucksformen und Protestbewegungen in solche neuen verwertungsorientierten Raumbilder integriert werden können (Blechschmidt 2007; Griesser; Ludwig 2008; Pruijt 2003, 2005; Uitermark 2004).

... In der zweiten Phase der Gentrifizierung wandelt sich die Wahrnehmung der Nachbarschaften. In Folge der Konzentrationsprozesse von kulturellen Aktivitäten. Zuvor unscheinbare oder vernachlässigte Quartiere werden zunehmend als In-Viertel, urban hotspots, Galerienmeilen und Künstlerquartiere rezipiert und verwandeln sich durch oftmals gezielte Marketinganstrengungen in der Wahrnehmung vieler zu ‚besonderen Orten‘. Durch die raumwirksamen Kulturpraktiken zunächst der noch wenigen ansässigen Kulturproduzenten (als Pioniere), später auch der von weiter weg kommenden Kulturkonsumenten (die dem symbolischen Lockruf des „In“-Viertels bzw. der „In“-Szene folgen) verändern sich die Raumbilder (zunächst als Image, dann auch real) der entsprechenden Nachbarschaft. In vielen Gentrifizierungsstudien wird diese Phase als eine symbolische Aufwertung beschrieben, die materielle Aufwertungsprozesse im Raumbild vorwegnimmt (Lang 1994).

... Doch welchen Einfluss haben künstlerischen Aktivitäten, wie Ausstellungen gestaltende Künstler/innen, Lesungen von Literaten, Auftritte von Musiker/innen oder Theateraufführungen (Lloyd 2006: 10ff.) auf die Veränderung der sozialen Zusammensetzung in Aufwertungsgebieten? Peter Marcuse unterscheidet in seiner Verdrängungssystematik (Marcuse 1986) nicht nur zwischen direkten (physical and economic displacement) und indirekten (exclusionary displacement) Verdrängungen, sondern ermöglicht uns mit dem Begriff des Verdrängungsdruckes (displacement pressure) eine Beschreibung individueller Auszüge oder Fluchten, die auf diesen Druck zurückgehen (Marcuse 1986: 156). Sozialstudien in vielen Aufwertungsgebieten bestätigen diese Verdrängungseffekte einer sich etablierenden Kunst- und Alternativszene: Noch ohne oder zu Beginn von baulichen Erneuerungsarbeiten im Gebiet ist im Ergebnis selektiver Wanderungsprozesse ein deutlicher Anstieg von Bewohner/innen mit höheren Bildungsabschlüssen zu verzeichnen. So ver doppelte sich in den Sanierungsgebieten von Prenzlauer Berg in Berlin der Anteil von Abiturient/innen bzw. Hochschulabsolvent/innen zwischen 1993 und 1998. Der bauliche Durchführungsstand zu diesem Zeitpunkt lag bei lediglich 30 Prozent des Gebäudebestandes. Die in den vergangenen Jahren
durchgeführten Modernisierungsarbeiten in mittlerweile fast 80 Prozent der Gebäude und die damit verbunden Mietsteigerungen haben drastischen Verschiebungen hinsichtlich der ökonomischen Situation der Bewohner/innen ausgelöst, die Anteile der Bildungselite haben sich in dieser Zeit nicht wesentlich verschoben (PFE 2008). Richard Lloyd berichtet ähnliche Entwicklungen in Wicker Park in Chicago. Dort hat sich in den ersten Jahren der Aufwertung die Anteil der Hochschulabsolvent/innen sogar verdreifacht, während die baulichen Aufwertungsmaßnahmen erst mit einer Verzögerung
zu den sozialen Bevölkerungsverschiebungen erfolgten (Lloyd 2006: 115ff.). Hintergrund für diese frühen Sozialstrukturveränderungen ist die selektive Attraktivität, die von der Etablierung kultureller und subkultureller Einrichtungen ausgeht.

... Der Rolle von Kultur und kulturellem Kapital in Gentrifizierungsprozessen geht weit über die Beteiligung von Künstler/innen als Akteure und künstlerischen Aktivitäten als Indikatoren der Aufwertung hinaus. In allen Phasen und verschiedenen Ebenen von Gentrifizierungsprozessen lassen sich kulturell vermittelte Aufwertungsdynamiken erkennen. Eine Kultur der Aufwertung umfasst dabei Aspekte der symbolischen Umbewertung von Nachbarschaften ebenso wie solche der immobilienwirtschaftlichen Aufwertung und des Bevölkerungsaustausches. Kultur ist Motor der symbolischen Aufwertung, Medium der Inwertsetzung und Instrument der sozialen Exklusion in aufgewerteten Wohnvierteln. Insbesondere in Pionierphasen der Aufwertung tragen künstlerische Aktivitäten und kulturell aufgeladene Raumnutzungen wesentlich zur Attraktivierung von Wohngebieten bei und sind oft Kern der medialen Rezeptionen und veränderten Raumbilder. Die auch infrastrukturelle Etablierung einer Kunst- oder Alternativszene wirkt in diesem Zusammenhang als Motor der Aufwertung, der nicht auf die Pionierphase der Aufwertung beschränkt bleibt. Insbesondere die Images von Szenevierteln wirken selbst nach dem Fortzug vieler Künstler/innen der Pionierphase nach und werden in die Vermarktungsstrategien des Immobilienmarktes inkorporiert: So verweisen etwa Immobilienanzeigen im Berliner Bezirk Friedrichshain – mit über 30 besetzten Häusern in den 1990er Jahren eine regelrechte Hochburg der besetzten Häuser – regelmäßig auf die „lebendige Atmosphäre“ und die „vielfältigen kulturellen“ Angebote. Für die Vermarktung von modernisierten Luxuswohnungen in einem ehemals besetzten Haus wurde explizit die Artefakte der Besetzerzeit erhalten: „Das Treppenhaus ist nach altem Vorbild instand gesetzt und geschmackvoll farblich gestaltet. Die schönsten Graffiti-Kunstwerke der Vergangenheit wurden mit Klarlack in das neue Treppenhaus integriert und erhalten.“ (IMMS 2009) – bei Mietpreisen von 2.500 Euro je Monat ein schmückendes Extra.

... Diese Aufwertungspotentiale der Kultur beschränken sich nicht auf den Kontext von Gentrifizierungsprozessen sondern werden seit den 1990er Jahren von Teilen der Immobilienwirtschaft und Stadtpolitik als gezieltes Instrument in Brandingstrategien für einzelner Standorte (Springer 2007, Lange 2007) oder als Entwicklungs- und Marketingkonzepte ganzer Städte (Häußermann/Siebel 1993; Lindner/Mutzner 2005; Mattissek 2008) aufgegriffen.

...


Aus: "Gentrifizierung und Kultur: Zur Logik kulturellvermittelter Aufwertungsprozesse" Andrej Holm (2010)
Quelle: https://www.budrich-journals.de/index.php/stadtregion/article/download/4698/3869

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Quote
[...] Im New Yorker Institut für Architektur und Stadtforschung zeigte Gordon Matta-Clark 1976 seine Fotoserie „Window Blow Outs“: demolierte Fenster von Häusern in der Bronx, die Objekte von Immobilienspekulation geworden waren. In einer Nacht schlich der Künstler mit einem Luftgewehr in den Ausstellungsraum und schoss auch hier die Scheiben heraus. Eine Kampfansage an eine Stadtplanung, die sich am Reißbrett orientiert statt am Individuum. Und ein durchschlagendes Beispiel für einen Kunstanspruch, der über den zugestandenen Rahmen hinausgeht.

Mit seinem Aufschwung zur Kohlenmine des globalen Kunstbetriebs ist Berlin zuletzt oft mit dem New York der Sechziger verglichen worden. Nach den Mietsteigerungen und dem Rückgang frei verhandelbarer Räume zu urteilen, sind allerdings bereits die Siebziger im Gange.

Ein gewichtiger Unterschied zu damals ist, dass die Politik heute eine grundsätzlich andere Wertschätzung für Kunst zeigt. Kreative, aufgeschlossene Talente sind nach den Thesen des Soziologen Richard Florida die Kernressource für die Metropolen der Zukunft. In den Senatskanzleien von Hamburg und Berlin hat man diese Lehre womöglich besser verstanden als in der von Florida so genannten „kreativen Klasse“ selbst. Und so ist auch die Kunst zur Spekulationsmasse im Standortwettbewerb geworden.

Der ursprüngliche Plan für die Ausstellung „Based in Berlin“ brachte dieses Kunstverständnis ins Bild: Ein Zelt- und Containerdorf auf den vakanten Bauflächen am Hauptbahnhof als anregende Kulisse für Investorengespräche, bestückt von den Billiglohnkräften der Kunst. Die Zelte wären hinterher abgebaut worden, die Container umgenutzt, die Künstler weitergeschickt – die Investoren aber sollten bleiben. Strukturell betrachtet ist das so, als ob man den Strick, an dem man sich aufhängt, selbst gestalten darf.

...


Aus: "Kunst und Stadt: Nur zur Dekoration" Kolja Reichert (04.07.2011)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/kultur/nur-zur-dekoration-4563508.html

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2monitor 05.07.11 11:05

Die Immobilienwirtschaft bemächtigt sich des Raumes, in dem kreative Arbeit stattfindet und vereinnahmt damit die geleistete Arbeit der Kreativen, durch die Städte bewohnbar, menschlich und lebenswert werden, der Lohn ist dann die Verdrängung der Kreativen aus dem urbanen Raum durch gestiegene Mieten. Und die Politik flankiert dieses Handeln. ...


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[..] Innenstadt – Im Oktober eröffnet in der Innenstadt Kölns größte offene Kunstgalerie. Zahlreiche Besucher sind ihr gewiss, denn Ausstellungsorte sind die Hohe Straße und die Schildergasse. In Schaufenstern leerstehender Ladenlokale werden auf großformatigen Flächen Kunstwerke gezeigt. An der Aktion „Open Art Gallery“ sind die Stadt und der Verein Stadtmarketing beteiligt, die Köln Business Wirtschaftsförderungs-GmbH sowie Unternehmen aus der Immobilienbranche.

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Aus: "So will die Stadt Schildergasse und Hohe Straße aufwerten" Clemens Schminke (15.09.2022)
Quelle: https://www.ksta.de/koeln/koelner-innenstadt/stadt-koeln-neues-konzept-fuer-innenstadt-345067

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[...] Wer in Berlin in der Bildenden Kunst tätig ist und einen Atelierplatz sucht, hat es schwer: Immer häufiger müssen Künstlerinnen und Künstler ihre Häuser räumen, weil Investoren andere Pläne mit der Immobilie haben. Vielen Gemeinschaften sind dabei die Hände gebunden, Ausweichorte schwer bis überhaupt nicht zu bekommen. In Treptow-Köpenick hat sich deshalb das Netwerk NWAGTK gegründet, kurz für NetzwerkAteliergemeinschaften Treptow-Köpenick [https://nwagtk.de/].

„Die Atelierräume gehen verloren, die Preise steigen, es gibt keine Ausweichmöglichkeiten mehr! Es muss etwas passieren, was uns Künstler:innen das Arbeiten dauerhaft und sicher in Berlin ermöglicht! 2.000 subventionierte Ateliers reichen nicht. Subventionen können auch nicht die Lösung sein”, schreiben sie in ihrem Aufruf für das erste Vernetzungstreffen, das am Sonnabend, 25. März, am Flutgraben 3 in Treptow stattfindet

.„In Treptow-Köpenick haben wir erreicht, dass die Ämter Kultur, Stadtentwicklung, Bauen und Wirschaftsförderung mit uns zusammenarbeiten. Wir brauchen euch – wir müssen uns zusammentun, um jetzt mit der Senatsebene weiterzuverhandeln”, heißt es weiter.

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Aus: "Ateliers in Not: Neues Berliner Netzwerk will Räume für Kunst schaffen" Julia Schmitz (23.03.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/atelierplatze-netzwerk-will-raume-fur-kunst-schaffen-9529190.html

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[...] Berlin mag seine Kunst- und Kreativszene weiterhin als touristisches Aushängeschild nutzen, Fakt ist aber auch: Die Räume, in denen Künstlerinnen und Künstler ihrer Arbeit nachgehen können, werden immer weniger. Häuser werden verkauft, Mieten sprunghaft erhöht, Ausweichorte sind nur schwer zu finden. Die Situation ist prekär: Allein in Oberschöneweide sind derzeit über 100 Kunstschaffende von Verdrängung bedroht.

... Zwar können Kunstschaffende als Einzelpersonen Stipendien und Unterstützung vom Senat bekommen, eine strukturelle Förderung von Atelierhäusern gibt es hingegen nicht. Es bleibe die Frage, sagt Körbs, ob Berlin noch Kreativhauptstadt sei. „Gibt es die berühmte ‚Berliner Mischung‘ überhaupt noch?“

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Aus: "„Die Lage ist prekär“: Künstler:innen wollen Ateliersterben verhindern" Julia Schmitz (15.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/bezirke/die-lage-ist-prekar-kunstlerinnen-wollen-ateliersterben-verhindern-9788057.html

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« Reply #1441 on: May 20, 2023, 11:02:09 AM »

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[...]  Dass die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG) zu den Großspendern in der deutschen Parteienlandschaft zählt, ist keine Neuigkeit. Auch nicht, dass sie dabei den Unionsparteien mehr Geld spendet als den Bündnis/Grünen oder der SPD. Doch nun berichten abgeordentenwatch.de und das Nachrichtenmagazin ‚Der Spiegel‘ von einem „ominösen Treffen“, das „pikant“ gewesen sei.

... Bei abgeordnetenwatch.de heißt es dazu: „Pikant an dem Termin war, dass Merz und DVAG-Vorstand Helge Lach über ein Thema sprachen, das dem Konzern gerade Sorgen bereitet.

... Sowohl CDU als auch DVAG weisen jeglichen Zusammenhang zur ‚Provisionsthematik‘ zurück. Bei abgeordnentenwatch wird dennoch der gegenteilige Eindruck erweckt. Etwa, indem es in einer Zwischenüberschrift heißt: „Einen Monat vor Übergabe wurden CDU/CSU im Bundestag aktiv“. Damit wird ein kausaler Zusammenhang zwischen Kleiner Anfrage und Spende suggeriert. Für andere erklärte Gegner des Provisionsvertriebs ist das natürlich eine ‚Steilvorlage‘.


Aus: "DVAG-Parteispende wird zum Politikum" (19.04.2023)
Quelle: https://www.versicherungsbote.de/id/4910245/DVAG-Parteispende-wird-zum-Politikum/

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[...] Wenn die Deutsche Vermögensberatung AG Gutes tun will, ist für Öffentlichkeit meist gesorgt: Ein Fotograf hält die symbolische Scheckübergabe an gemeinnützige Initiativen wie die Tafeln oder den Verein “Wir helfen Kinder” für ein größeres Publikum fest.

Wenig transparent geht es zu, wenn die DVAG Geld an politische Parteien verteilt. Kürzlich machten abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL ein ominöses Treffen des Konzerns mit CDU-Chef Friedrich Merz publik, das am 14. März in der Berliner Parteizentrale stattfand. Bei dem Termin soll eine Spende in Höhe von 100.000 Euro übergeben worden sein. So jedenfalls stellt es die DVAG dar, ohne Einzelheiten zu nennen. Die CDU wollte sich zu den genauen Umständen nicht äußern.

Nun wird klar, in welcher Form das Geld geflossen ist. Nach Informationen von abgeordnetenwatch.de und SPIEGEL stellte die DVAG der CDU einen Scheck aus. Das räumte die Partei auf Anfrage der Bundestagsverwaltung ein. Diese wollte klären, ob es sich um eine unzulässige Barspende gehandelt hatte.

Scheckspenden sind nicht verboten, dürften aber selten sein. Die Bundestagsverwaltung hat nach eigenen Angaben keinerlei Informationen zur “Üblichkeit bzw. Häufigkeit dieses Spendenwegs”.

Gebräuchlich ist die Praxis aber bei der DVAG. Wenn der Konzern Geld an Parteien verteilt, greift er offenbar regelmäßig zum Scheckbuch. So wie im letzten Bundestagswahlkampf.

Im August 2021, wenige Wochen vor der Wahl, ließ die Deutsche Vermögensberatung AG den Grünen und der SPD jeweils 100.000 Euro zukommen – per Scheck, wie die Parteien auf Anfrage mitteilten. Ein SPD-Sprecher sagte, der Verrechnungsscheck sei an den Schatzmeister "weitergeleitet" worden. In welchem Rahmen die Spende an die Sozialdemokraten übergeben wurde, lässt die Regierungspartei offen.

Die Grünen erklärten, die Spende sei an einen "Mitarbeiter der Fundraisingabteilung der Bundesgeschäftsstelle" übergeben worden, ohne auf die genaueren Umstände einzugehen. Von der DVAG habe man bereits 2017 und 2019 Schecks in einer Gesamthöhe von 60.000 Euro bekommen.   

Auch CDU und FDP erhielten im Bundestagswahlkampf viel Geld von der DVAG. Im Fall der CDU ist eine 300.000 Euro-Spende vom 13. Juli 2021 bekannt, von der FDP eine Zuwendung über 150.000 Euro wenige Tage zuvor. In welcher Form das Geld floss, ließen die Parteien offen.

Die DVAG hält sich ebenfalls bedeckt. Man spende “seit Jahrzehnten an alle demokratischen Parteien”. Warum der Konzern dabei auf Schecks zurückgreift, wollte eine Sprecherin nicht sagen.

Worin die Vorzüge eines Schecks liegen, zeigte sich vor wenigen Wochen. Mitte März wollte die DVAG der CDU eine Spende in Höhe von 100.000 Euro zukommen lassen. Das in Frankfurt am Main ansässige Unternehmen hätte das Geld aufs Parteikonto überweisen können. Doch die DVAG zog es offenbar vor, die Spende im Konrad Adenauer-Haus zu übergeben: an Parteichef Friedrich Merz persönlich, wie eine Konzernsprecherin angibt.

Pikant an dem Termin war, dass Merz und DVAG-Vorstand Helge Lach über ein Thema sprachen, das dem Konzern gerade Sorgen bereitet. In der EU-Kommission gibt es Überlegungen, Provisionen für Anlageberatungen zu verbieten. Die DVAG will ein Provisionsverbot verhindern, denn es würde ihr Geschäftsmodell massiv treffen.

Rund einen Monat vor dem Treffen mit dem DVAG-Lobbyisten hatte sich die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag dem Thema angenommen. Über eine parlamentarische Anfrage erkundigte sie sich nach der Position der Bundesregierung zu einem möglichen Provisionsverbot. Parallel verbreiteten die zuständigen Finanzexperten der Fraktion eine Pressemitteilung: Sollte ein EU-weites Provisionsverbot kommen, drohten "unabsehbare Folgen für deutsche Kleinanleger". Ein ähnliches Schreckensbild zeichnet die Versicherungslobby.

Die DVAG weist einen Zusammenhang zwischen der “Provisionsthematik­” und der Spende zurück. Auch die CDU bestreitet eine Verbindung. "Es gibt zwischen dem Treffen des Parteivorsitzenden mit Herrn Dr. Lach und der Spende der DVAG an die CDU keinerlei Zusammenhang", erklärte ein Sprecher. Ob sie weitere Scheckspenden von dem Konzern erhalten hat, wollte die CDU nicht mitteilen.

Andere Parteien tun sich ebenfalls schwer mit Transparenz. Auf die Frage nach möglichen DVAG-Spenden per Scheck antwortete die FDP ausweichend. Alle Spenden seien “nach den gesetzlichen Vorschriften entgegengenommen und veröffentlicht” worden.


Aus: "DVAG verteilte Hunderttausende Euro an Parteien – per Scheck" Martin Reyher (14.04.2023)
Quelle: https://www.abgeordnetenwatch.de/recherchen/parteispenden/dvag-verteilte-hunderttausende-euro-an-parteien-per-scheck

Die Deutsche Vermögensberatung AG (DVAG)
https://de.wikipedia.org/wiki/Deutsche_Verm%C3%B6gensberatung

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« Reply #1442 on: May 20, 2023, 12:44:36 PM »

Quote
[...] In Deutschland lebende Ausländer sollen künftig unter bestimmten Voraussetzungen schon nach drei Jahren einen deutschen Pass beantragen können. Ein entsprechender Gesetzentwurf sei bereits '"so gut wie fertig", wie das von der Sozialdemokratin geführte Ministerium am Freitag bestätigte.

Zuvor hatten mehrere Medien über die Pläne Faesers berichtet, mit denen sie das umzusetzen gedenkt, was die Regierungsparteien in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben. Ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger sollen künftig nicht nur schneller an einen deutschen Pass kommen, auch andere Voraussetzungen sollen deutlich heruntergefahren werden.

Die Zahl derer, die mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Deutschland leben, ist groß: Laut Statistischem Bundesamt sind das 11,8 Millionen Menschen im Jahr 2021. 1,17 Prozent der Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit sind 2021 eingebürgert worden - bei denen, die mehr als zehn Jahre in Deutschland leben waren es 2,45 Prozent.

Derzeit muss der einbürgerungswillige Ausländer maximal acht - mit besonderen Integrationsleistungen aber mindestens sechs - Jahre lang "dauerhaft und rechtmäßig in Deutschland" leben, ehe er überhaupt einen Anspruch auf Einbürgerung hat. Die hat er dann aber auch nur unter bestimmten Voraussetzungen.

So muss sein Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung unbefristet sein. Neben mündlichen werden auch schriftliche Sprachkenntnisse verlangt, und man muss einen Einbürgerungstest bestehend aus 33 Fragen mit mindestens 17 richtigen Antworten bestehen. Dabei hat man immer vier Antwortmöglichkeiten und sollte unter anderem wissen, dass das Wappentier Deutschlands nicht das Pferd ist, Elsass-Lothringen kein Bundesland und die Pressefreiheit als Grundrecht nicht abgeschafft werden kann.

Zudem darf man kein verurteilter Straftäter sein, muss für seinen Lebensunterhalt sorgen können und seine bisherige Staatsangehörigkeit "grundsätzlich" aufgeben. Letztere Regel kennt allerdings jetzt schon zahlreiche Ausnahmen.

Weder sind alle Details des neuen Gesetzesentwurfs bekannt, noch ist davon auszugehen, dass alle alten Regeln über Bord geworfen werden. Die Kernpunkte von Faesers Plänen hat das Ministerium am Freitag jedoch bekanntgegeben:

    * Die Einbürgerung soll künftig in der Regel schon nach fünf statt nach acht Jahren möglich sein.
    * Für Angehörige der so genannten Gastarbeitergeneration sollen die Hürden für die Einbürgerung gesenkt werden.
    * Die Möglichkeiten zur Mehrfachstaatsangehörigkeit sollen ausgeweitet werden.

Im Koalitionsvertrag der Ampelparteien ist zudem vereinbart worden, dass die Einbürgerung bei besonderen Integrationsleistungen - etwa in Schule oder Beruf - schon nach drei Jahren möglich sein soll. Bei Senioren, die älter als 67 Jahre alt sind, will Faeser die bisher verlangten formellen Sprachnachweise streichen. Stattdessen soll künftig die "Fähigkeit zur mündlichen Verständigung" ausreichen.

In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren einen rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat.

Die Einbürgerung ist im Staatsangehörigkeitsgesetz geregelt. Um die für seine Änderung nötige Mehrheit zu organisieren, scheint in der Ampelkoalition noch Abstimmungsbedarf zu bestehen. Der FDP sei wichtig, "dass wir Migration in den Arbeitsmarkt voranbringen, nicht in die sozialen Sicherungssysteme", so Fraktionschef Christian Dürr. Dies ist allerdings bereits im aktuellen Gesetz bereits geregelt und steht, nach allem was man hört, auch nicht zu Disposition.

Von Union und AfD gab es für den Vorstoß Faesers am Freitag keine Zustimmung, dafür aber aus den Reihen der eigenen Partei und von der Linksfraktion. Die ganz großen Hürden sind derzeit für die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung nicht in Sicht. Dass die Änderungen im Parlament hitzige Debatten auslösen dürften, ist indes zu erwarten: "Nancy Faeser behandelt unsere Staatsbürgerschaft wie eine Billigware am Black-Friday", sagte etwa der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU).

Gökay Sofuoglu, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, hofft dennoch, dass auch die Union zustimmt und das Thema nicht "emotionalisiert" wird: "Ich begrüße die Initiative, den hier lebenden Menschen bereits nach fünf oder sogar drei Jahren die Chance auf die deutsche Staatsbürgerschaft zu geben. Besonders, weil die Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft gewährt wird, das ist dabei entscheidend."

Sofuoglu betont die Bedeutung von Einbürgerungskampagnen im nächsten Schritt: "Wir müssen Hürden abbauen, damit Menschen sich für die deutsche Staatsbürgerschaft entscheiden und sich politisch stärker einbringen."

Petra Bendel, Vorsitzende des Sachverständigenrates für Migration, betrachtet unkomplizierte Einbürgerungen als richtiges Signal - vor allem mit Blick auf die an die Staatsbürgerschaft gebundene politische Teilhabe: "Wenn sehr, sehr viele Menschen ausgeschlossen sind von dieser politischen Teilhabe, dann sind sie auch ein Stück weit ausgegrenzt."


Aus: "Neues Gesetz: Innenministerin Faeser plant Einbürgerung nach fünf Jahren" (25.11.2022)
Quelle: https://www1.wdr.de/nachrichten/einbuergerung-deutschland-verkuerzung-wartezeit-100.html

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[...] Von den in der Bundesregierung geplanten erleichterten Einbürgerungen sollen laut SPD-Chef Lars Klingbeil auch die Gastarbeiter der 1960er Jahre profitieren. Sie könnten nun viel leichter Deutsche werden, sagte Klingbeil am Freitag der Deutschen Presse-Agentur.

„Dieser Generation wurde nie ein Integrationsangebot gemacht. Sie haben oft ihr Leben lang hart gearbeitet“, betonte er. „Für mich ist das eine Frage von Respekt vor der Lebensleistung der Gastarbeiter-Generation.“

Die Ampel-Regierung hat sich auf Grundzüge eines neuen Staatsbürgerschaftsrechts mit leichterer Einbürgerung geeinigt. Ausdrücklich davon ausgeschlossen sein sollen Menschen, die aus antisemitischen, rassistischen, fremdenfeindlichen oder sonstigen menschenverachtenden Beweggründen Straftaten begangen haben.

Das sieht ein neuer Entwurf des Innenministeriums vor, der unter anderem mit dem Justizressort abgestimmt wurde. Er liegt der Deutschen Presse-Agentur vor, zunächst berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ (Freitag) darüber.

„Wir wollen Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland machen, in das ausgebildete Fachkräfte gerne kommen“, sagte Klingbeil. Wer sich zu den deutschen Grundwerten bekenne, die Sprache beherrsche und wirtschaftlich für sich und seine Familie sorgen könne, solle in Deutschland auch demokratisch mitbestimmen dürfen. „Das macht uns als vielfältige Gesellschaft stark“, betonte der SPD-Chef.

Kern der Gesetzespläne, zu denen bereits ein erster Entwurf vorgelegt worden war, ist eine Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit für Einbürgerungen von acht auf fünf Jahre. Bei besonderen Integrationsleistungen sollen auch drei Jahre genügen. Der neue Entwurf soll nun zur Abstimmung an Länder und Verbände gehen. (dpa)


Aus: "„Eine Frage von Respekt“: Klingbeil sieht durch neues Einbürgerungs-Gesetz die Gastarbeiter-Generation gewürdigt" (19.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/politik/eine-frage-von-respekt-klingbeil-sieht-durch-neues-einburgerung-gesetz-die-gastarbeiter-generation-gewurdigt-9847928.html
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lemonhorse

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« Reply #1443 on: May 20, 2023, 12:52:00 PM »

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[...] Im Streit über eine Anhebung der Schuldenobergrenze in den USA ist am Freitagabend eine weitere Verhandlungsrunde zwischen der Regierung von Präsident Joe Biden und Republikanern, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben und für eine Zustimmung massive Ausgabenkürzungen fordern, ergebnislos zu Ende gegangen.

„Wir hatten ein sehr, sehr offenes Gespräch darüber, wo wir stehen und wo wir hin müssen“, sagte der republikanische Abgeordnete Garret Graves nach dem Treffen in Washington. Verhandlungen seien das aber nicht gewesen. Es seien keine Fortschritte erzielt worden.

„Wir haben ernsthafte Differenzen“, räumte auch die Sprecherin der US-Regierungszentrale, Karine Jean-Pierre, am Samstag am Rande des G7-Gipfels im japanischen Hiroshima ein. US-Präsident Joe Biden sei aber zuversichtlich, dass es einen Weg nach vorne gebe und eine Lösung möglich sei. Biden sei auch während seiner Teilnahme am G7-Gipfel eng in die Verhandlungen eingebunden.

„Ich glaube immer noch, dass wir einen Zahlungsausfall vermeiden können und etwas Anständiges zustande bringen werden“, sagte Biden in Hiroshima. Auf die Frage, wie besorgt er über die Verhandlungslage sei, entgegnete er: „Überhaupt nicht.“ Es handele sich um Verhandlungen, da gebe es immer verschiedene Phasen.

Etwas gereizt reagierte Biden dabei auf Zwischenrufe eines Journalisten. „Seien Sie still“, fuhr der Präsident den Reporter an. Biden und der republikanische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, haben eigentlich eine Einigung bis Sonntag angepeilt. Dann soll der Präsident vom G7-Gipfel zurückkehren.

Noch aber offenbart sich die Lage als verfahren. Zwischenzeitlich waren die zähen Verhandlungen am Freitagabend sogar unterbrochen worden - nachdem beide Seiten zuvor ermutigende Signale ausgesendet hatten. Die republikanischen Unterhändler verließen die Gespräche nur etwa eine Stunde nach Beginn, wie US-Medien berichteten.

Am Abend seien die Parteien dann wieder an den Verhandlungstisch zurückgekehrt. Der leitende Berater der Weißen Hauses, Steve Ricchetti, verließ am Freitagabend den Sitzungssaal und sagte Reportern, er wolle die Gespräche nicht beurteilen. Wann die Gespräche fortgesetzt werden sollen, ist ungewiss.

Der republikanische Unterhändler Patrick McHenry sagte, er sei nicht zuversichtlich, dass beiden Seiten an diesem Wochenende eine Einigung erzielen, die dann in den kommenden Tagen dem Kongress zur Verabschiedung vorgelegt werden könnte.

Gestritten wird in Washington über eine Anhebung der Schuldenobergrenze des Bundes von 31,4 Billionen Dollar. Sollte keine Einigung zustande kommen, droht den USA schon Anfang Juni die Zahlungsunfähigkeit. Ein Zahlungsausfall der weltgrößten Volkswirtschaft könnte eine globale Finanzkrise und einen wirtschaftlichen Abschwung auslösen.

Ein Streit über die Schuldenobergrenze ist in den USA zwar vergleichweise häufig und oft kam es zu Einigungen erst in letzter Minute. In den USA legt das Parlament in unregelmäßigen Abständen eine solche Grenze fest und bestimmt, wie viel Geld sich der Staat leihen darf.

Diesmal ist das Prozedere ausgeartet in erbittertes parteipolitisches Gezerre zwischen Bidens Demokraten und den oppositionellen Republikanern. Die Republikaner fordern massive Ausgabenkürzungen, Ausgabenobergrenzen und überdies Arbeitsanforderungen für Bürger zu schaffen, die bestimmte staatliche Sozialleistungen beziehen. Biden und seine Demokraten wehren sich dagegen, dass es vor allem bei Bildung und Sozialleistungen zu Kürzungen kommt.

Wegen des innenpolitischen Streits hatte Bidens Teilnahme am G7-Gipfel in Japan zeitweise sogar auf der Kippe gestanden. Er sagte schließlich den zweiten Teil seiner Auslandsreise - einen Besuch in Papua-Neuguinea und Australien - ab, um am Sonntag direkt nach den Beratungen in Hiroshima nach Washington zurückzukehren.

Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan sagte, der Schulden-Streit komme auch bei den Gesprächen des Präsidenten in Hiroshima zur Sprache. „Es ist definitiv ein Thema von Interesse hier auf dem G7-Gipfel“, sagte Sullivan. Andere Länder wollten wissen, wie die Verhandlungen liefen. „Und der Präsident hat seine Zuversicht zum Ausdruck gebracht, dass er glaubt, dass man zu einem Ergebnis kommt, das einen Zahlungsausfall verhindert.“ Das Thema löse beim G7-Gipfel allerdings „keinen Alarm“ aus, betonte er. (Reuters, dpa)


Aus: "Weißes Haus spricht von „ernsthaften Differenzen“: Weitere Verhandlungsrunde im US-Schuldenstreit geplatzt" (20.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/internationales/weisses-haus-spricht-von-ernsthaften-differenzen-weitere-verhandlungsrunde-im-us-schuldenstreit-geplatzt-9849260.html

Quote
Paul_Kalbautzke, 20.05.23 09:48

    31,4 Billionen Dollar

Entspricht immerhin 100.000 Dolllar Schulden pro US Staatsbürger. Vierköpfige Familie = 400.000 Dollar Schulden.

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« Reply #1444 on: May 23, 2023, 11:34:48 AM »

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[...] Sie lassen sich auf Wartelisten setzen und zahlen mittlere fünfstellige Summen: Warum immer mehr Eltern ihre Kinder auf teure Internate schicken und welches Angebot Schüler dort bekommen.

Auf der Videoplattform TikTok gibt es Einblicke in viele Lebenswelten – auch in die einer Internatsschülerin. Eine Nutzerin zum Beispiel, knapp 13.000 Follower, beschreibt sich auf der Videoplattform TikTok als „German boardingschool student“ und zeigt dort ihren Alltag: Aufstehen, fertigmachen, kurz das Zimmer filmen. Frühstück mit Mitschülerinnen. Dazwischen immer wieder – und damit in einem deutlichen Unterschied zu anderen Gleichaltrigen – Aufnahmen des Schlosses Neubeuern, das seit 1925 eine Schule ist und inzwischen als eines der renommiertesten deutschen Internate gilt. Eltern zahlen knapp 50.000 Euro Schulgebühr pro Jahr.

Ihr zuletzt veröffentlichtes Video hat die Schülerin passenderweise mit dem Abba-Song „Money, Money, Money“ hinterlegt. In einem anderen Kurzfilm filmt sie ihre Anreise nach Neubeuern, man sieht eine Reisetasche der Luxusmarke MCM, einen Beutel mit Louis-Vuitton-Logo und den Zwischenhalt im Restaurant. Er hat über eine Million Aufrufe.

Janka Zöller kennt die Familien, die ihre Kinder auf die oft teuren Internate schicken. Sie ist Geschäftsführerin von Töchter & Söhne, einer Beratung für die Auswahl von Internaten, Summer Schools oder Universitäten. Alles Institutionen, die renommiert sind, in ihren Broschüren engmaschige Betreuung anpreisen – und hierzulande bis etwa 50.000 Euro pro Jahr kosten können.

„Das öffentliche Schulsystem ist für viele keine Option mehr“, berichtet Zöller. Als Folge rücken dann verstärkt die Privatschulen in den Fokus der Familien – und dazu gehören auch Internate. Die stünden finanziell meist gut da, seien digitalisierter und hätten „kleinere Klassen und motiviertere Lehrer“, sagt die Beraterin, also eine bessere akademische Betreuung. Gerade Schülerinnen und Schüler, die Schwierigkeiten wie zum Beispiel eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hätten oder besonders begabt seien und sich an öffentlichen Schulen langweilten, könnten von kleineren Klassen und mehr Angeboten profitieren.

„Internate verzeichnen in den vergangenen Jahren gestiegene Beliebtheit“, berichtet Ellen Jacob, Bundesgeschäftsführerin beim Verband Deutscher Privatschulverbände (VDP). Gerade bei beliebten Internaten gebe es Wartelisten und ein „enormes Interesse“, erklärt Jacob: Familien suchten internationale Abschlüsse und Angebote.

Für die Klientel, die ihre Kinder auf solche Schulen schicken, spielten auch andere Punkte eine Rolle: Eine „Statussache“ beispielsweise, erklärt Janka Zöller. Eltern wünschen sich, dass der Nachwuchs dort früh in ein Netzwerk hineinkomme. Außerdem förderten Internate, sich vom Elternhaus früh zu lösen. Andere könnten fernab des eigenen Zuhauses besser lernen. „Kinder lernen auch, Teil einer Gemeinschaft zu sein, Verantwortung zu übernehmen, Kompromisse einzugehen“, sagt Zöller.

Zöller sagt auch: „Der Begriff ‚Eliteinternate‘ ist in Deutschland sehr negativ geprägt, wenngleich Schulen wie Salem so genannt werden.“ Dennoch sei der Unterschied zu Privatschulen im angelsächsischen Raum groß: „Ein extremer Elitegedanke ist hierzulande in den Schulen nicht vorhanden.“

Die renommierten Internate kosten meist zwischen 40.000 und 50.000 Euro jährlich, hinzu kommen Aufnahmegebühren, die häufig zwischen 400 und knapp 2000 Euro liegen, sowie Nebenkosten für beispielsweise Kleidung, Unternehmungen oder Bücher. Neben dem besseren Betreuungsschlüssel gibt es meist verschiedene Sprach- und Musikkurse (die dann extra kosten) und ein breites Angebot an Aktivitäten – Schloss Salem bietet beispielsweise Bogenschießen, Chinesisch, Fechten, Kunsthandwerk, einen Mathe-Club und „Pre-Engineering“ an. Auch Handwerk lehrt die Schule: Angebote reichen von Schreinern, Fotografieren über Schmieden bis zu Schneidern.

Deutschlands Internate können auch Schülerinnen und Schüler aus weniger gut betuchtem Hause besuchen – mit einem Teil- oder Vollstipendium. Schloss Salem teilte auf Anfrage mit, dass 20 bis 25 Prozent der Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Jahren mindestens ein Teilstipendium erhalten habe. Man sei bestrebt, den Anteil noch weiter zu erhöhen, heißt es außerdem. Wie hoch die Quote der Stipendiaten internatsübergreifend ist, sei nicht erfasst, heißt es vom VDP.

Preise der renommierten Internate
Schloss Torgelow   3499 Euro
Louisenlund           3567 Euro
Schule Marienau   3400 Euro
Schloss Salem           3850 Euro
Schloss Neubeuern   4120 Euro
Kurzpfalz-Internat   3830 Euro
Quelle: eigene Recherche

Schloss Salem berichtet außerdem von einer starken Nachfrage, weshalb man schon seit einigen Jahren Wartelisten für bestimmte Jahrgänge führe. Lehrkräfte akquiriere man „direkt am Markt“ und könne denen einen attraktiven Arbeitsplatz bieten inklusive umfangreicher Weiterbildung – und den Familien eine „hohe Unterrichtsgarantie“.

Janka Zöller berät mit ihrem Team auch Familien, wenn es darum geht, eine Schule im Ausland zu besuchen. Gerade ein oder zwei „Terms“ auf einer der renommierten Privatschulen Englands sehen ihrer Erfahrung nach manche als Investition in die Bildung des Nachwuchses – für die ein Ärztepaar dann eben auf einen teuren Urlaub verzichtet.

Schweizer Luxus-Internate hingegen seien nur für einen sehr kleinen, ausgewählten Kreis an Interessenten zugänglich – die Kosten übersteigen dann doch die allermeisten Budgets. „Dieses Geld spart man nicht einfach zusammen.“ So verlangen Schweizer Eliteinternate wie Le Rosey oder das Institut auf dem Rosenberg umgerechnet gut 140.000 Euro für ein Schuljahr.



Aus: "Deutschlands Eliteinternate: Was sie kosten und wer sie besucht" Svenja Gelowicz (21. April 2023)
Quelle: https://www.wiwo.de/erfolg/hochschule/privatschulen-deutschlands-eliteinternate-was-sie-kosten-und-wer-sie-besucht/29064720.html

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[...] Eltern müssen über 150.000 Euro auf den Tisch legen – pro Schuljahr: Der Institutsleiter eines Schweizer Eliteinternats über Unternehmerkinder und ihre Ausbildung, Statussymbole und Drogentests.

Svenja Gelowicz: Herr Gademann, Sie leiten das wohl teuerste Internat der Welt. Wie viele Luxuslimousinen reihen sich bei Ihnen auf dem Rosenberg, wenn ein neues Schuljahr beginnt – samt Designerkleidung, teuren Handtaschen, Pelzmänteln?

Bernhard Gademann:  Das ist natürlich eine Klischeevorstellung. Die meisten unserer Schülerinnen und Schüler kommen mit dem Zug vom Flughafen. Ich will es vorneweg nehmen: Wer bei uns mit dem Wohlstand und den Errungenschaften seiner Familien angibt, der ist, das sage ich auch den Schülern knallhart, ein Loser. Teure Handtaschen oder Luxusuhren, sowas ist eher der oberen Mittelschicht wichtig. Unsere Familien sind auf einem Level, wo Statussymbole egal sind.

Svenja Gelowicz: Weil sie alle so reich sind, dass es keine Abgrenzung mehr wäre?

Bernhard Gademann: Die Schüler bekommen bei uns und bei ihren Freunden nicht mehr Anerkennung dadurch.

Svenja Gelowicz: Also kein Privatjet mit diskretem Landeplatz; kein Chauffeurdienst zum Internat?

Bernhard Gademann: Auch diese Form der Anreise kann es geben. Aber es interessiert niemanden.

Svenja Gelowicz: Was zahlen Eltern bei Ihnen für die Ausbildung ihrer Kinder?

Bernhard Gademann: Eltern können pro Schuljahr mit 150.000 Franken rechnen. Unser System besteht aus Grundgebühren und individuellen Gebühren: Fährt das Kind Ski, belegt es bestimmte Zusatzkurse – je nachdem variieren die Gebühren. So oder so erhalten die Kinder dafür ein exzellentes Programm.

Svenja Gelowicz: An teuren Privatschulen gibt es oft Wartelisten. Auch bei Ihnen?

Bernhard Gademann: Ja. Grob gilt: Auf vier Anmeldungen gibt es einen Internatsplatz. Gerade in den Klassen 11 und 12 nehmen wir zu diesem Zeitpunkt im Jahr eigentlich niemanden mehr auf. Wir achten bei der Zulassung auch auf Diversität, unser Internat besuchen Kinder aus 55 verschiedenen Nationen und wir wollen eine gute Mischung in den Klassen.

Svenja Gelowicz: Dann bekommt ein Italiener in Klasse 8 vielleicht keinen Platz mehr, aber eine Kubanerin?

Bernhard Gademann: Richtig.

Svenja Gelowicz: Gibt es auch Stipendien?

Bernhard Gademann: Eine ganz geringe Zahl, wir haben nicht mehr als fünf pro Jahr – wir erhalten keine staatliche oder andere Unterstützung dafür. Die Plätze sind alle belegt und auch schon den Vorjahren vorgemerkt. Die Nachfrage ist hoch, aber wir können sie nicht erfüllen.

Svenja Gelowicz: Sie sagten eingangs, Statussymbole spielen bei Ihnen keine Rolle mehr, sie sind überwunden. Was bedeutet für Sie der Begriff Elite?

Bernhard Gademann: Die Elite ist eine Gruppe von Personen, die über Erfahrungen, Wissen und die richtigen Tugenden verfügen, mit denen sie Führungspositionen übernehmen können. Das ist nicht verwerflich, denn sie können so einen positiven Einfluss auf Politik, Gesellschaft und Wirtschaft haben. Wir möchten alle, dass das Flugzeug von einem Piloten geflogen wird, nicht von einem Mechaniker.

Svenja Gelowicz: Wissen Ihre Schülerinnen und Schüler um ihre Privilegien?

Bernhard Gademann: Das ist ein wichtiger Punkt – privilegiert zu sein, ist per se nicht das Problem. Das Problem ist, privilegiert zu sein und sich dessen nicht bewusst zu sein. Auf der einen Seite sind die unglaublichen Chancen, auf der anderen Seite die Verantwortung, die damit einhergeht – das kann problematisch sein. Wir setzen uns damit viel auseinander, das ist Teil unserer Schulkultur. Die Schülerinnen und Schüler sollen sich untereinander für ihre Persönlichkeiten respektieren, für ihre Freundschaften und eigenen Errungenschaften.

Svenja Gelowicz: Sie bieten verschiedene Abschlüsse. Welche stehen bei den Familien am höchsten im Kurs?

Bernhard Gademann: Beliebt sind das International Baccalaureate Diploma, die britischen A-Levels und auch die Advanced Placements, die an den Top-Unis in den USA sehr beliebt sind, aber auch in Deutschland oder der Schweiz Zugang zu guten Hochschulen ermöglichen. Das Institut auf dem Rosenberg bietet jedem Schüler ein individuelles Lehrprogramm. Wir nehmen die Ziele des Schülers und arbeiten von da an rückwärts: Wo will er oder sie studieren? Welche Prüfungen müssen dafür bestanden, welche Praktika absolviert werden? Welche Enrichtmentkurse zahlen auf dieses Ziel ein?

Svenja Gelowicz: Dafür bezahlen die Familien viel Geld. Wer sind Ihre Kunden?

Bernhard Gademann: Meistens kommen die Kinder aus Unternehmerfamilien. Auch da haben wir eine Vielfalt – von der achten Generation eines Familienunternehmens bis zur ersten Generation der Gründer eines Tech-Konzerns aus dem Silicon Valley. Wir haben viel Einsicht in die Wirtschaft durch die Eltern. Wohin entwickelt sich der Arbeitsmarkt, wie entwickeln sich Geschäftsmodelle? Solche Inhalte können wir dann in einen Kurs einfließen lassen. Das ist eines der Probleme, die andere Schulen haben: Realität und Schulstoff klaffen massiv auseinander.

Svenja Gelowicz: Ist das den öffentlichen, häufig klammen Schulen gegenüber fair? Viele sind angesichts des Lehrermangels schon froh, wenn sie ihren Unterricht regulär durchführen können.

Bernhard Gademann: Ich meine damit sowohl öffentliche als auch private Schulen. Wichtig ist es, neue Dinge auszuprobieren. Viele unserer Errungenschaften sind nicht unbedingt von den Finanzen abhängig, sondern eine Einstellungssache. Wir haben das Privileg, Dinge ausprobieren und Innovationen vorantreiben zu können. Vieles könnte man aber auch an einer öffentlichen Schule umsetzen.

Svenja Gelowicz: Zum Beispiel?

Bernhard Gademann: Es ist doch so: Die Eltern sind unglücklich, die Lehrer sind unglücklich, die Schüler auch. Man sollte zurück zum Ursprung gehen: Die Einrichtung hat beispielsweise 700 Schüler, einen Auftrag – und limitierte Ressourcen. Künstliche Intelligenz beispielsweise kann jetzt schon in der Lehre unterstützen. Und bei uns kann beispielsweise ein Neuntklässler mit den Zwölftklässlern im Mathekurs sitzen. Und umgekehrt geht es genauso. Es ist kein Wunder, dass sich Schüler an traditionellen Schulen nicht für den Stoff interessieren – der ist oft langweilig und veraltet. In einem Kursbuch, das nur fünf Jahre alt ist, stimmt schon vieles nicht mehr!

Svenja Gelowicz: Mutmaßlich landen viele Ihrer Schüler in einflussreichen Positionen. Wie bereiten Sie ein Kind darauf vor, CEO zu werden?

Bernhard Gademann: Keiner unserer Schüler muss CEO werden. Er kann. Das ist mir wichtig. Unserer Eltern bewegen sich in Sphären, wo dieser Druck weg ist. Die Philosophie der Eltern, aber auch bei uns geht in eine andere Richtung: Es ist egal, was der Schüler oder die Schülerin macht, ob sie Ingenieurin oder Designer werden wollen. Der Anspruch ist aber, dass der- oder diejenige versucht, so viel Wert wie möglich in dem Bereich zu generieren, das Beste zu geben, zu Hundertprozent dahinterzustehen.

Svenja Gelowicz: Ist das nicht illusorisch, wenn man in den Kreisen eines Familienunternehmens aufwächst und im Subtext das Thema Nachfolge von klein auf mitschwingt?

Bernhard Gademann: Ich habe mal das Zitat einer Mutter gehört, die dazu sagte: Es ist ein goldener Käfig, aber das Türchen ist offen. Es besteht kein Zwang. Und man kann Literaturwissenschaften studieren und danach immer noch Chefin eines Tech-Unternehmens werden. Eltern, die ihre Kinder zu uns schicken, suchen sich diese Philosophie auch bewusst aus Wir wollen, dass unsere Schüler Leidenschaften finden und verfolgen. Unsere Schüler haben einen riesigen Vorsprung im Leben – und sie haben Eltern, die ihnen die Wahl des Berufs überlassen. Der einzige Druck ist, selbst etwa zu kreieren. Wir wollen keine Durchschnittlichkeit. Das muss aber nicht heißen, dass Erfolg nicht auch auf kleinem Level stattfinden kann – als Künstlerin, als Architekt oder eben als CEO, die eine Konzernstruktur baut und Aktionäre managt. 

Svenja Gelowicz: Sie bieten genau das auch in Ihren Kursen an: Geldanlage, Unternehmensnachfolge.

Bernhard Gademann: Wir wollen dieses Angebot machen und finden es wichtig, dass sich auch Kinder mit diesen Themen beschäftigen. Auch ein Siebtklässler kann eine tolle Meinung und Ideen dazu haben, wie eine Unternehmensnachfolge geplant werden kann. Aber: Wir haben viele spezifische Kurse, die den Schülern ein umfängliches Bild vermitteln sollen. Ein CEO muss die Geschichte der Menschheit verstehen, muss wissen, wie Politik und Naturwissenschaften funktionieren, wie sich Gesellschaften entwickeln, muss Zusammenhänge verstehen. Als Spezialist hat man keine Chance, erfolgreich zu sein.

Svenja Gelowicz: Dem Institut auf dem Rosenberg gegenüber gibt es auch einige Vorbehalte. Immer noch gibt es das Image einer abgehobenen Super-Schule für Reiche, verschlossen gegenüber der Außenwelt. Stört Sie das?

Bernhard Gademann: Zu unserer Kultur auf dem Rosenberg gehört es, Menschen nicht vorzuverurteilen – dazu gehört auch, ob jemand arm oder reich ist. Wir beschäftigen uns damit, die absolut beste Ausbildung der Welt zur Verfügung zu stellen. Wir teilen unsere Expertise gerne. Wir haben ein Ziel und arbeiten konstant an uns, deshalb ist nicht so wichtig, was andere über uns sagen. Davon lassen wir uns nicht ablenken.

Svenja Gelowicz: Stimmt es, dass Sie Ihre Schüler auf Drogen testen?

Bernhard Gademann: Absolut, diese Drogentests gibt es. Da darf man auch nicht naiv sein, die und auch Alkoholtests ziehen wir durch. Wie sagt man: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Alles andere wäre unverantwortlich. 


Aus: "Eliteinternat in St. Gallen „Teure Handtaschen oder Luxusuhren sind eher der oberen Mittelschicht wichtig“" Interview von Svenja Gelowicz (19. Mai 2023)
Quelle: https://www.wiwo.de/erfolg/hochschule/eliteinternat-in-st-gallen-teure-handtaschen-oder-luxusuhren-sind-eher-der-oberen-mittelschicht-wichtig/29140596-all.html
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« Reply #1445 on: May 24, 2023, 10:08:06 AM »

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[...] Wirtschaftssanktionen erzeugen einer Studie zufolge hohe Schäden in den Zielländern, besonders für die ärmere Bevölkerung. Sanktionen durch die Vereinten Nationen (UN) führen zu einem Rückgang des Wachstums in den betroffenen Ländern von jährlich zwei Prozentpunkten, wie das Münchner Ifo-Institut am Dienstag zu seiner Untersuchung mitteilte.

Auf zehn Jahre hochgerechnet komme dies einem Einbruch der Wirtschaftsleistung pro Kopf um 25 Prozent gleich. Einseitige Sanktionen durch die USA führen demnach zu einem jährlichen Rückgang des Wachstums um knapp einen Prozentpunkt. Langfristig entspricht dies einem Einbruch der Leistung der Wirtschaft pro Kopf um 13 Prozent.

„Wirtschaftssanktionen treffen regelmäßig den Teil der Bevölkerung in den sanktionierten Ländern am stärksten, der in oder nahe der Armut lebt“, sagte der Leiter der Ifo-Forschungsgruppe Steuer und Finanzpolitik, Florian Neumeier. „Dies war in der Vergangenheit vor allem bei US-Sanktionen der Fall. Studien zeigten zum Beispiel, dass durch die 2012 verhängten Sanktionen gegen den Iran vor allem die junge, ungebildete Bevölkerung auf dem Land zu leiden hatte.

Die Studie basiert auf Auswertungen von 160 Ländern. Davon waren 67 im Zeitraum von 1976 bis 2012 von Wirtschaftssanktionen betroffen. „In der Vergangenheit wurden Sanktionen meist gegen kleinere Volkswirtschaften verhängt“, sagte Neumeier. „Aus den Analysen können wir daher nicht ableiten, wie die aktuellen Sanktionen auf eine große Volkswirtschaft wie Russland wirken.“

In ärmeren Ländern führen Sanktionen auch zu einer geringeren Lebenserwartung in der Bevölkerung. Bei solchen Maßnahmen durch die UN verringere sich die Lebenserwartung der Bevölkerung um durchschnittlich 1,2 bis 1,4 Jahre.

Bei Sanktionen durch die USA sinkt die Lebenserwartung demnach um knapp ein halbes Jahr. „Die Unterscheidung zwischen der Lebenserwartung von Männern und Frauen zeigt außerdem, dass Frauen von der Verhängung von Sanktionen stärker betroffen sind“, sagte Neumeier.


Aus: "Neue Ifo-Studie: Weltweit vor allem arme Menschen von Wirtschaftssanktionen betroffen" (23.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/neue-studie-weltweit-vor-allem-arme-menschen-von-wirtschaftssanktionen-betroffen-9863381.html

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« Reply #1446 on: May 24, 2023, 11:52:59 AM »

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[...] Berlin – Es handelt sich um einen der spektakulärsten Vermisstenfälle der letzten Jahre: Im April 2018 war Karl-Erivan Haub, einer der reichsten Männer Deutschlands, spurlos beim Skifahren in den Schweizer Bergen verschwunden. Der damals 58-Jährige war Geschäftsführer und Mitinhaber der Unternehmensgruppe Tengelmann, zu der neben der Supermarktkette Tengelmann auch Obi und Kik gehören. Der Wert der Unternehmensgruppe, die der Familie Haub gehört, wurde 2017 auf 4,2 Milliarden Euro geschätzt.

... Nach etwa einer Woche wurde die intensive Suche eingestellt, man ging von einem tragischen Unglück aus. Gut drei Jahre nach seinem Verschwinden, im Mai 2021, wurde Karl-Erivan Haub vom Kölner Amtsgericht für tot erklärt. Sein Bruder Christian Haub übernahm das Ruder – und dessen Anteile in Milliardenhöhe.

... In einem Interview mit der Welt äußerte von Boetticher aufgrund ihrer Recherchen den Verdacht, dass „Karl-Eriwan Haub in dubiose Geschäfte verstrickt war und mithilfe des russischen Geheimdienstes FSB in Russland abgetaucht sein könnte“. Gerüchte, dass es Verbindungen nach Russland gibt, existieren schon länger.

... Eine große Rolle bei von Boettichers Recherchen spielt eine mysteriöse Russin, Veronika E. Sie arbeitete für eine Event-Agentur, die demnach im Jahr 2004 den Geburtstag von Haubs Mutter Helga in Sankt Petersburg organisiert hatte. Die Journalistin fand Hinweise darauf, dass Haub und Veronika E. dann in regelmäßigem Kontakt standen und sich häufig zur gleichen Zeit am gleichen Ort aufhielten. Zudem habe Veronika E. wohl Verbindungen zu den russischen Geheimdiensten.

Außerdem gehören zu von Boettichers Recherchematerial biometrische Überwachungsaufnahmen aus Moskau aus dem Jahre 2021, die den verschwundenen Haub zeigen sollen. Diese sollen von einer israelisch-amerikanischen Ermittlungsagentur stammen. Besonders brisant: Die Aufnahmen seien angeblich auch dem Bruder Christian Haub vorgelegt worden.

Laut der Journalistin sei Christian Haub schon im Mai 2021 eine „unfassbare Fülle an Indizien“ vorgelegen, die nahelegen, dass sein Bruder in Moskau lebe. Sie sagte der Welt: „Darüber hat er das Amtsgericht Köln im Unklaren gelassen und seinen Bruder für tot erklären lassen. Damit könnte er die Grundlage für einen Milliardendeal geschaffen haben.“

...


Aus: "Verschwundener Tengelmann-Milliardär in Russland? Video sorgt in mysteriösem Fall für Furore" (23.05.2023)
Quelle: https://www.merkur.de/wirtschaft/karl-erivan-haub-verschwundener-tengelmann-milliardaer-wohl-in-russland-gesichtet-zr-92297980.html

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Almdudler (05/2023)

Ich fand es seinerzeit schon sehr seltsam dass er in den Bergen trotz intensiver Suche und Schneemangel nicht gefunden wurde.


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[...] Ein neues Buch befasst sich mit der Frage, ob der frühere Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub wirklich tot ist. Fast interessanter sind die Erkenntnisse über dubiose Berater aus dem Firmenumfeld.

Am Morgen des 7. April 2018 verlässt der Chef des Handelsimperiums Tengelmann und damit Herrscher über Ketten wie Obi und Kik, sein 5-Sterne-Hotel im schweizerischen Zermatt. Er nimmt die erste Gondel auf den Berg. Eine Kamera am Skilift der Bergstation „Klein Matterhorn“ filmt ihn ein letztes Mal. Dann verliert sich die Spur von Karl-Erivan Haub. Die einen sind sicher, dass der Milliardär am 7. April 2018 bei einem Skiausflug in den Schweizer Alpen tödlich verunglückte. Andere sind es nicht, so wie die Journalistin Liv von Boetticher. Sie hat hierzu bereits eine Doku für RTL gedreht und jetzt ein Buch geschrieben mit dem Titel: „Die Akte Tengelmann und das mysteriöse Verschwinden des Milliardärs Karl-Erivan Haub“. Und dieses Buch beginnt erfrischend ehrlich:

Anfang Januar 2021 habe sie von ihrer Chefin den Auftrag erhalten, sich mit Haub zu befassen und sei zunächst nicht sonderlich begeistert gewesen. „Weder von Karl-Erivan Haub noch vom Rest seiner Familie habe ich bis dato gehört“, schreibt von Boetticher. Aber den Auftrag abzulehnen, sei auch nicht infrage gekommen. Und so begann ihre Recherche zum möglichen Unfalltod von Karl-Erivan Haub, die sie nicht nur nach Zermatt, sondern auch nach Moskau führen sollte. Die Autorin gibt sich überzeugt, dabei mindestens gute Indizien dafür gesammelt zu haben, dass Haub nicht am 7. April 2018 tödlich verunglückt ist. Zu diesen Indizien zählen etwa Fotos aus einem biometrischen Überwachungssystem in Moskau, die einen lebendigen Karl-Erivan Haub nach seinem offiziellen Todestag zeigen sollen. Im Buch sind die Fotos nicht abgebildet. Es ist nicht möglich, Herkunft und Authentizität zu prüfen.

Aufschlussreich sind die Recherchen aber auch unabhängig von der Frage, ob Karl-Erivan Haub noch lebt. Denn sie geben Einblick in die Arbeit einiger zweifelhafter Berater, die sich offensichtlich im Firmenumfeld tummelten und – laut Autorin – Teil eines Katz-und-Maus-Spiels „im Erbschaftsstreit um Macht und Milliarden bei Tengelmann“ waren.

Um den wichtigsten Mann aus der Truppe geht es gleich zu Beginn. Aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes sei es ihr nicht möglich, „diese Person beim Namen zu nennen“, schreibt von Boetticher. Und das bedauere sie zutiefst, „denn bei dieser Person handelt es sich meiner Wahrnehmung nach um einen der skrupellosesten Akteure der ganzen Geschichte.“ Erstmals habe sie den Mann im Januar 2021 kontaktiert, weil sie davon ausgegangen sei, dass er einen sehr guten Draht zu Christian Haub habe, dem Bruder des verschwundenen Karl-Erivan Haub. Und dieser Mann scheint anfangs ein großes Interesse daran gehabt zu haben, von Boetticher bei ihrer Recherche zu unterstützen. Es gab offenbar Telefonate und Treffen. Mails und Unterlagen wurden ausgetauscht. Haubs Kontakte in Russland wurden thematisiert, genauso Geschehnisse rund um den Tag, an dem der Milliardär verschwand und auch innerfamiliäre Streitigkeiten. Der Mann kannte sich scheinbar aus.

Viel wichtiger aber ist: Er brachte von Boetticher mit zwei Sicherheitsberatern zusammen, die sich bereits seit Monaten mit der Frage befassten, ob Haub noch leben könnte oder besser gesagt: Die Herren suchten offenbar bereits seit Monaten Indizien dafür, dass Haub noch lebt. Von Boetticher schreibt, die Berater seien seinerzeit davon ausgegangen, dass Karl-Erivan Haub in Russland untergetaucht sei. Die beiden Männer hätten angegeben, dass sie „über Kontakte vor Ort“ und gegen eine Bezahlung von Hunderttausend Euro sowohl ein Foto von Haub als auch Informationen dazu besorgen könnten, wo und unter welchem Namen er mittlerweile lebt.

Anfangs hätten sie sich noch gesträubt, mit der Journalistin zusammenzuarbeiten. Aber ihr Kontakt habe Druck gemacht. Von Boetticher vermutet, dass das Ziel war, „die internen Ermittlungsergebnisse durch unsere journalistische Recherche nicht nur unabhängig prüfen zu lassen, sondern vielmehr die Theorie zu unterfüttern, der ehemalige Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub könne sein Verschwinden absichtlich herbeigeführt haben.“ Und offenbar war es dem Berater auch wichtig, dass darüber breit berichtet wird.

Ziemlich plötzlich – so klingt es jedenfalls im Buch – wollten die Unterstützer mit der Suche nach dem verschollenen Manager dann aber nichts mehr zu tun haben. Karl-Erivan Haub wurde für tot erklärt. Von stichhaltigen Indizien dafür, dass er noch leben könnte, war nun keine Rede mehr – was zeitlich im  Zusammenhang mit einer Einigung innerhalb der Familie Haub hinsichtlich des Tengelmann-Erbes stand.

Zufall?

Die Akte Tengelmann und das mysteriöse Verschwinden des Milliardärs Karl-Erivan Haub – ein Buch von Liv von Boetticher, erschienen im Finanzbuch Verlag


Aus: "Die düstere Geschichte von Karl-Erivan Haub" Melanie Bergermann (23. Mai 2023)
Quelle: https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/ehemaliger-tengelmann-chef-die-duestere-geschichte-von-karl-erivan-haub/29158284.html?wt_mc=zeitparkett

https://www.wiwo.de/unternehmen/handel/nach-verschwinden-gericht-erklaert-verschollenen-tengelmann-chef-fuer-tot/27191604.html

https://www.wiwo.de/my/unternehmen/handel/tengelmann-chef-christian-haub-es-wird-eine-gewaltige-schliessungswelle-geben/26994640.html

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« Reply #1447 on: May 25, 2023, 12:10:55 PM »

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[...] München – Die Europäische Zentralbank hat den Leitzins Anfang Mai erneut erhöht und so für einen Zinsanstieg gesorgt. Die Banken haben deshalb in den vergangenen Monaten nicht nur die Zinsen für Tages- und Festgeld angehoben – auch die Dispozinsen sind gestiegen. Wer sein Konto überzieht, muss dafür also mehr Geld zahlen. Der durchschnittliche Dispozins dürfte mittlerweile bei 10 bis 12 Prozent im Jahr liegen.

... Der Dispo trifft Millionen Deutsche: Zu Jahresbeginn haben mindestens 4,5 Millionen Menschen hierzulande ihr Konto überzogen, meldet das Handelsblatt und beruft sich dabei auf eine Umfrage im Auftrag des Kreditvergleichsportals Smava. Demnach steht zudem nahezu ein Drittel der Menschen, die ihr Konto überziehen, mit mehr als 2000 Euro im Minus. Zwar könne mehr als die Hälfte der Betroffenen den Dispo innerhalb eines Monats wieder ausgleichen, doch acht Prozent stecken mehr als ein Jahr darin fest.

...


Aus: "Steigende Dispozinsen: Konto überziehen immer teurer – Wann sich ein Wechsel lohnt" Lisa Mayerhofer (24.05.2023)
Quelle: https://www.fr.de/wirtschaft/dispozinsen-konto-ueberziehen-immer-teurer-wann-sich-ein-wechsel-lohnt-92295889.html

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Quote
[...] In Frankfurt wohnen 74 Prozent der Menschen zur Miete, deutschlandweit liegt der Schnitt bei 53 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2021 sahen noch mehr Frankfurter:innen den teuren Wohnraum als größtes Problem an, fast jede:r Vierte gibt dies an. Allerdings wird es in Stadtteilen wie etwa Nordend, Bornheim und Ostend oder Hausen, Praunheim und Rödelheim öfter als im Stadtdurchschnitt genannt. In Kalbach-Riedberg etwa taucht dieses Thema gar nicht in den Top 5 der größten Probleme auf.

Für ihre Wohnkosten müssen die Frankfurter:innen einen großen Teil ihres Haushaltsnettoeinkommens aufwenden, im Durchschnitt 29 Prozent. Je geringer das Einkommen, desto größer wird der Anteil. Wer etwa weniger als 1700 Euro im Monat zur Verfügung hat, muss durchschnittlich 54 Prozent für die Miete aufwenden.

...


Aus: "Wohnen ist das größte Problem für Menschen in Frankfurt – Auto nicht mehr meistgenutztes Verkehrsmittel" Sandra Busch (25.05.2023)
Quelle: https://www.fr.de/frankfurt/wohnen-ist-das-groesste-problem-fuer-frankfurterinnen-und-frankfurter-92299995.html

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[...] Eine Erhebung im Auftrag von Immowelt ergab, dass Hamburgs Haushalte zwar wohlhabender sind, als im Bundesschnitt – allerdings liegen sie nur sieben Prozent darüber. Gleichzeitig sind die Mieten 53 Prozent höher als im rechnerischen Schnitt von ganz Deutschland. Neuvertragsmieten liegen laut Immowelt an der Elbe bei 12,20 Euro, im Bundesschnitt sind es acht Euro.

Klaus Wicher, Landeschef des Sozialverbands Hamburg: „Die Mietpreise nähern sich in Hamburg allmählich dem Kipppunkt, ab dem für viele das Einkommen – oder die Rente – kaum für die Miete reicht.“

„Schon vor der steigenden Inflation hat die Miete meist die Hälfte des Haushaltseinkommens aufgefressen. Jetzt wird die Situation brenzlig“, warnt Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg. „Wir brauchen dringend bezahlbaren Wohnraum. Die Stadt muss alle Hebel in Bewegung setzen, um den Bau von Sozialwohnungen in Hamburg wieder anzukurbeln.“

Der Sozialverband (SoVD) lobt Maßnahmen wie das Wohngeld plus und die Erweiterung des Kreises der Sozialwohnungsberechtigten. Das könne aber nur erste Abhilfe schaffen. Klaus Wicher: „Wenn aber die Mieten weiter nach oben gehen, kann selbst die beste Politik die Entwicklung kaum aufhalten. Dann kann es Jahre dauern, bis Gegenmaßnahmen greifen.“ Eine wichtige Maßnahme sei der soziale Wohnungsbau. Der aber stagniert.

„Wir müssen mehr Sozialwohnungen bauen.“ Der SoVD Hamburg fordert den Neubau von 5000 neuen Sozialwohnungen pro Jahr. Das hat einen Grund: Im Januar 2022 gab es knapp 78.000 Sozialwohnungen, ihr Anteil am Gesamtbestand lag bei etwa acht Prozent. Tendenz fallend.

Von hohen Mieten besonders betroffen sind Einkommensschwache, Ältere, aber zunehmend auch Menschen mit mittleren Einkommen. Immer mehr Anteile von Lohn und Gehalt müssen laut Mieterverein für das Wohnen aufgebracht werden und fehlen woanders. Die Angst, sich keine Wohnung mehr leisten zu können, verunsichert viele. Wicher verweist auf eine besondere Mietergruppe: Rentner. Ihr Altersgeld steigt um 4,7 Prozent. Die Inflation 2022 lag bei 6,9 Prozent.

Der Mieterverein kritisiert seit Jahren die hohen Neuvertragsmieten in Hamburg, die zeigten, dass die Mietpreisbremse nicht ausreiche. Die Immowelt-Analyse verdeutliche das erneut, denn die durchschnittliche Neuvertragsmiete von 12,20 Euro pro Quadratmeter liegt 31 Prozent über der Durchschnittsmiete von 9,29 Euro des aktuellen Hamburger Mietenspiegels (2021). „Wir brauchen dringend bezahlbaren Wohnraum. Die Stadt muss alle Hebel in Bewegung setzen, um den Bau von Sozialwohnungen in Hamburg wieder anzukurbeln.“

Durch den Mietanstieg im vergangenen Jahr hat sich das Ungleichgewicht von Wohnkosten und Kaufkraft in vielen Großstädten laut Immowelt weiter vergrößert. Zwar werde sich das verfügbare Einkommen der Deutschen 2023 voraussichtlich um nominal 3,2 Prozent erhöhen. Durch den deutlichen Anstieg der Verbraucherpreise, der im vergangenen Jahr bei 7,9 Prozent lag, dürften die Zuwächse beim Einkommen jedoch aufgezehrt werden.


Aus: "Mieten steigen, Kaufkraft sinkt! So weit klafft die Schere in Hamburg auseinander" Sandra Schäfer (24.03.2023)
Quelle: https://www.mopo.de/hamburg/mieten-steigen-kaufkraft-sinkt-so-weit-klafft-die-schere-in-hamburg-auseinander/

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[...] Müchen - Die monatliche Miete ist für Millionen Menschen in Deutschland eine schwere finanzielle Belastung. 1,5 Millionen Haushalte in Deutschland gaben im vergangenen Jahr 50 Prozent und mehr ihres Nettoeinkommens für die Kaltmiete aus, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden am vergangenen Freitag mitteilte. Strom, Gas und Wasser sind dabei nicht inbegriffen.

Weitere 1,6 Millionen Haushalte geben zwischen 40 und 50 Prozent ihres Nettoeinkommens aus, um sich ihre Wohnung leisten zu können.

... Im vergangenen Jahrzehnt war die Mietbelastung in Deutschland nach Daten der europäischen Statistikbehörde Eurostat trotz steigender Mieten sogar leicht zurückgegangen. Denn viele Menschen profitierten von Lohnerhöhungen, die über den sehr niedrigen Inflationsraten lagen. Im vergangenen Jahr sind die Lebenshaltungskosten wegen der hohen Inflation jedoch sehr viel schneller gestiegen als die Einkommen.

Entspannung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Haupttreiber des rapiden Anstiegs der Mieten im vergangenen Jahrzehnt waren Immobilienpreise. Mittlerweile steigen sie nicht mehr, doch Mieter werden davon voraussichtlich nicht profitieren. "Die Bautätigkeit geht beängstigend zurück", sagt Stephan Kippes, Marktforscher des Immobilienverbands Deutschland Süd. Wohnungen werden wohl knapp bleiben.

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Aus: "Bei vielen Münchnern geht fast die Hälfte des Einkommens für die Miete drauf" Carsten Hoefer, Jörn Bender, Martina Scheffler (16. April 2023)
Quelle: https://www.abendzeitung-muenchen.de/muenchen/bei-vielen-muenchnern-geht-fast-die-haelfte-des-einkommens-fuer-die-miete-drauf-art-890411

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[...] In vielen deutschen Großstädten stehen die Wohnkosten in einem ungünstigen Verhältnis zur Kaufkraft. Besonders groß ist die Kluft zwischen Miete und verfügbarem Einkommen in München und Stuttgart. Das zeigt eine Analyse von immowelt, bei der die angebotenen Kaltmieten mit der durchschnittlichen Kaufkraft pro Kopf in den Stadtkreisen über 500.000 Einwohnern sowie den reichsten Stadt- und Landkreisen Deutschlands verglichen wurden. Die Vergleichsdaten zur Kaufkraft pro Einwohner stammen von der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). Das höchste verfügbare Einkommen aller untersuchten Großstädte haben Bewohner in München. Die jährliche Kaufkraft in der Isar-Metropole liegt bei 33.857 Euro pro Kopf - 29 Prozent mehr als der Bundesdurchschnitt (26.271 Euro). Allerdings beträgt der Quadratmeterpreis für Wohnungen in der Isar-Metropole bei Neuvermietung im Median 18,80 Euro und liegt damit 135 Prozent über dem Bundesmittel von 8,00 Euro.

Durch den Mietanstieg im vergangenen Jahr hat sich das Ungleichgewicht von Wohnkosten und Kaufkraft in vielen Großstädten weiter vergrößert. Die hohe Inflation verschärft die finanzielle Situation von Mietern zusätzlich. So sorgt etwa der starke Anstieg der Energiepreise dafür, dass die Nebenkosten zunehmend zur zweiten Miete werden. Zwar wird sich das verfügbare Einkommen der Deutschen 2023 voraussichtlich um nominal 3,2 Prozent erhöhen. Durch den deutlichen Anstieg der Verbraucherpreise, der im vergangenen Jahr bei 7,9 Prozent lag, dürften die Zuwächse beim Einkommen jedoch aufgezehrt werden.

 Nach München weist Stuttgart die größte Kluft zwischen Kaufkraft und Mieten auf. Das verfügbare Einkommen pro Einwohner in der Schwaben-Metropole liegt bei 28.993 Euro und damit 10 Prozent über dem Deutschlandwert. Die mittlere Angebotsmiete von 13,80 Euro pro Quadratmeter übertrifft den bundesweiten Durchschnitt allerdings um 73 Prozent. Auch in Frankfurt hält die Kaufkraft nicht mit den Wohnkosten Schritt: Während das verfügbare Einkommen in der Bankenstadt den Durchschnitt der Republik um 10 Prozent übertrifft, liegen die Mietpreise bei Neuvermietung 69 Prozent darüber. Bei einer mittleren Angebotsmiete von 13,50 Euro pro Quadratmeter müssen die Einwohner Frankfurts somit einen beträchtlichen Teil der 28.963 Euro, die ihnen jährlich pro Kopf zur Verfügung stehen, für das Wohnen ausgeben.

"Vor allem in den teuersten Großstädten sind die Wohnkosten den Einkommen enteilt", sagt Felix Kusch, immowelt Country Managing Director. "Die enormen Mietpreisanstiege der vergangenen Jahre sowie die derzeit hohe Inflation sorgen dafür, dass Mieter zunehmend an ihre finanzielle Grenze stoßen. Es braucht daher dringend eine Offensive beim geförderten Wohnungsbau, sodass Wohnen auch für Menschen mit geringem Einkommen wieder leistbar wird. Denn falls die Mieten am freien Markt weitersteigen, dürfte die Schere zwischen Wohnkosten und Kaufkraft in Zukunft sogar noch weiter auseinandergehen."

 Auch in Berlin klaffen Angebotsmieten und Kaufkraft weit auseinander. Bei Neuvermietung kostete der Quadratmeter 2022 im Median 11,60 Euro. Das sind 45 Prozent mehr als der deutsche Durchschnitt. Im Gegensatz zu den Bewohnern anderer deutscher Millionenstädte verfügen die Berliner aber über eine unterdurchschnittliche Kaufkraft. Mit 24.683 Euro pro Kopf liegt das verfügbare Einkommen in der Hauptstadt 6 Prozent unter dem Bundesmittel.

In mehreren anderen Großstädten ist die Kaufkraft zwar ebenfalls unterdurchschnittlich, das Gleiche trifft allerdings auf die Mieten zu. Vor allem im Osten Deutschlands besteht ein deutlich ausgewogeneres Verhältnis zwischen Kaufkraft und Mieten. In Dresden ist die Kluft am geringsten - dort liegt das verfügbare Einkommen 6 Prozent unter dem deutschen Mittelwert, die Angebotsmieten 5 Prozent darunter. Auch in Leipzig besteht nur ein geringes Ungleichgewicht: Die Einwohner der sächsischen Großstadt verfügen über 10 Prozent weniger Kaufkraft als der deutsche Durchschnitt, während die Mieten um 6 Prozent niedriger sind.

 In den reichsten Landkreisen Deutschlands besteht trotz hoher Einkommen oftmals ebenfalls eine große Schere zwischen Mieten und Kaufkraft. Im bayerischen Starnberg, dem wohlhabendsten Landkreis, haben die Bewohner zwar pro Kopf 40 Prozent mehr Kaufkraft als im Rest der Republik, müssen aber eine um 86 Prozent höhere Miete bezahlen (14,90 Euro). Im benachbarten Landkreis München sind die Angebotsmieten mit 16 Euro pro Quadratmeter sogar doppelt so teuer wie im Deutschlandmittel. Die Kaufkraft liegt allerdings nur 34 Prozent über dem deutschlandweiten Schnitt.

Neben dem Umland von München zählen auch Landkreise im Einzugsgebiet von Frankfurt am Main zu den reichsten Deutschlands. Im Hochtaunuskreis etwa, der im Nordwesten der Mainmetropole liegt, übersteigt das verfügbare Einkommen den Bundesschnitt um 27 Prozent. Die Strahlkraft von Frankfurt macht sich allerdings auch bei den Mietpreisen bemerkbar. Wohnungssuchende zahlen für den Quadratmeter 11,50 Euro - das sind 44 Prozent mehr als im Bundesmittel.

Berechnungsgrundlage:
Datenbasis für die Berechnung der Mietpreise in den untersuchten 13 Stadtkreisen über 500.000 Einwohnern und den Stadt- und Landkreisen mit der höchsten Kaufkraft waren Mietwohnungen (Bestand ohne Neubau, 40 bis 120 Quadratmeter) die 2022 auf immowelt.de inseriert wurden. Dabei wurden ausschließlich Angebote berücksichtigt, die vermehrt nachgefragt wurden. Die Mietpreise spiegeln den Median der Nettokaltmieten bei Neuvermietung wider. Der Median ist der mittlere Wert der Angebotspreise. Die Kaufkraft gibt das nominal verfügbare Nettoeinkommen der Bevölkerung inklusive staatlicher Transferzahlungen wie Renten, Arbeitslosen- und Kindergeld an. Die Vergleichsdaten zur Kaufkraft pro Einwohner stammen aus einer am 15. Dezember 2022 veröffentlichten Pressemitteilung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK).

"G R A F I K E N Z U R P R E S S E M I T T E I L U N G - Große Kluft zwischen Kaufkraft und Mieten – steigende Wohnkosten und Inflation verschärfen Lage für Mieter Analyse der Kaufkraft im Vergleich zu den Angebotsmieten in den 13 größten deutschen Stadtkreisen und reichsten Stadt- und Landkreisen - Berechnungsgrundlage: Datenbasis für die Berechnung der Mietpreise in den untersuchten 13 Stadtkreisen über 500.000 Einwohnern und den Stadt- und  Landkreisen mit der höchsten Kaufkraft waren Mietwohnungen (Bestand ohne Neubau, 40 bis 120 Quadratmeter) die 2022 auf immowelt.de inseriert wurden. Dabei wurden ausschließlich die Angebote berücksichtigt, die vermehrt
nachgefragt wurden. Die Mietpreise spiegeln den Median der Nettokaltmieten bei Neuvermietung wider. Der Median ist der mittlere Wert der Angebotspreise. Die Kaufkraft gibt an, wie viel Einkommen
einer Person für Konsum und Lebenserhaltungskosten zur Verfügung steht. Die Vergleichsdaten zur Kaufkraft pro Einwohner stammen aus einer am 15. Dezember 2022 veröffentlichten
Pressemitteilung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK). - Barbara Schmid (Director Corporate Communications) immowelt GmbH • Nordostpark 3-5 • 90411 Nürnberg • Deutschland
https://content.cdn.immowelt.com/iw_group/Redaktion/Pressemitteilungen/2023/2023_03_21_Tabellen_Kaufkraft_Mieten.pdf

Über immowelt: immowelt ist Teil der AVIV Group, eines der größten digitalen Immobilien-Tech-Unternehmen der Welt. Die immowelt Mission ist es, künftig alle Schritte der Immobilientransaktion zu digitalisieren, um diese für alle Beteiligten so unkompliziert und einfach wie möglich zu gestalten.  ...

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Aus: "Große Kluft zwischen Kaufkraft und Mieten - steigende Wohnkosten und Inflation verschärfen Lage für Mieter" (21.03.2023)
Quelle: https://www.presseportal.de/pm/24964/5468254

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« Reply #1448 on: May 28, 2023, 12:17:13 PM »

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[...] Eine italienische Hilfsorganisation sucht auf dem Mittelmeer nach einem Schiff in Not. Dass die Küstenbehörden nichts wüssten, sei "schwer zu glauben", teilte sie mit.

Drei Tage nach dem Notruf eines Flüchlingsboots mit 500 Migranten an Bord ist die Suche einer italienischen Hilfsorganisation ergebnislos verlaufen. Ihr Schiff Life Support habe keine Überreste eines Bootsunglücks entdeckt, und die Menschen seien auch nicht in Italien an Land gegangen, teilte die Nichtregierungsorganisation Emergency in Mailand mit. "Es ist schwer zu glauben, dass keine Küstenbehörde weiß, wo diese 500 Personen sind".

Möglicherweise sei es den Migranten gelungen, den Motor zu reparieren und Richtung Sizilien zu fahren oder sie seien von einem anderen Schiff gerettet worden, hieß es. Die italienische Küstenwache äußerte sich nicht. Oder die Menschen seien zurück nach Libyen gebracht worden. Von dort brechen viele seeuntaugliche Boote in Richtung Italien auf, organisiert von Menschenschmugglern. Emergency teilte mit, dass die libyschen Behörden bestritten, dass die Passagiere dorthin zurückgebracht worden seien. In Libyen verbringen viele Migranten Monate unter unmenschlichen Bedingungen in Internierungslagern.

Der Notruf des Schiffs war am Dienstag von der Nichtregierungsorganisation Alarm Phone empfangen worden, die Seenotrufe von Migrantenbooten entgegennimmt. Die Migranten berichteten, der Motor sei ausgefallen. Das Schiff trieb zuletzt auf hoher See 320 Kilometer von der libyschen Hafenstadt Benghasi und 400 Kilometer von Sizilien und Malta entfernt. Am Mittwochmorgen sei der Kontakt abgebrochen.

Emergency teilte mit, ihr Schiff Life Support sei nach 32 Stunden in dem Gebiet im zentralen Mittelmeer angekommen und habe am Donnerstag 24 Stunden lang in internationalen Gewässern nach dem mutmaßlichen Boot in Seenot gesucht. Wegen schlechteren Wetters habe die Suche am Donnerstagabend beendet werden müssen. Am Freitag sagte ein Sprecher, die Suche laufe weiter.

Unterdessen kenterte ein anderes Boot mit Geflüchteten vor der griechischen Insel Mykonos. Dabei starben zwei Frauen und ein Mann, mindestens zwölf Menschen werden vermisst, teilte die griechische Küstenwache am Freitag mit.

Auf der Flucht über das Mittelmeer sind im ersten Quartal dieses Jahres so viele Menschen gestorben wie seit 2017 nicht mehr, insgesamt mindestens 441. Die Vereinten Nationen kritisieren "Verspätungen und Lücken" staatlicher Rettungsmissionen.


Aus: "Suche nach verschollenem Schiff mit 500 Migranten ergebnislos" (27. Mai 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2023-05/mittelmeer-schiff-migranten-verschollen-suche-libyen

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Svenglückspilz

Ein vermisstes Kreuzfahrtschiff mit 500 Passagieren, da wäre aber der Teufel los.


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Am4ranth

Und ein weiterer Tag bricht an, an dem wir unsere sogenannten christlichen Werte im Mittelmeer absaufen lassen und uns stattdessen alle darum sorgen machen sollen, dass es eine Rezension gibt. Unsere Gesellschaft hat moralisch jeglichen Kompass verloren und treibt im stumpfen Überkonsum orientierungslos auf dem Meer der Ignoranz umher.


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Mirgas

Hoffen wir dass der Grund für das Nicht finden nicht ist, dass sie untergingen.


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VonKindernFernhalten

Wenn man die Kommentare hier liest, ist das christliche Abendland längst untergegangen.


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[...] Erneut haben sich Hunderte Menschen auf den Weg gemacht, übers Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Ihr Schiff geriet in Seenot. Nach Angaben der Hilfsorganistion Ärzte ohne Grenzen konnten die 599 Migranten an Bord aber gerettet werden.

 Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen hat nach eigenen Angaben mit einem Schiff 599 Flüchtlinge auf dem Mittelmeer aus Seenot gerettet. Die Menschen, darunter Kinder, seien am Samstag vor Sizilien aus einem überfüllten Schiff aufgenommen worden, teilte die Organisation mit. Das zur Rettung eingesetzte Schiff "Geo Barents" habe sich zu Ausbildungszwecken in der Region aufgehalten.

Zuvor hatte es Berichte über ein seit Mittwoch vermisstes Schiff gegeben, auf dem sich etwa 500 Migranten befunden haben sollen. Laut der italienischen Hilfsorganisation Emergency hätten zwei Schiffe 24 Stunden lang erfolglos nach dem Boot gesucht, das nach einem Motorausfall auf hoher See trieb. Ob es sich bei den jetzt geretteten Migranten um jene auf dem zunächst verschollenen Schiff handelt, wurde bislang nicht bekannt.

Ärzte ohne Grenzen erklärte, die Flüchtlinge müssen auf Anordnung der italienischen Behörden nun in der Hafenstadt Bari an der Ostküste an Land gebracht werden. Die Fahrzeit dorthin betrage rund 40 Stunden.

 Hilfsorganisationen haben der italienischen Regierung in der Vergangenheit vorgeworfen, sie erschwere Rettungsaktionen, indem sie Schiffe nach der Aufnahme von Flüchtlingen in weit entfernt gelegene Häfen schicke.

Die rechtsgerichtete Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni verfolgt eine restriktive Migrationspolitik. Seit Jahresbeginn sind nach Daten des Innenministeriums mehr als 47.000 Flüchtlinge in Italien angekommen. Im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres waren es rund 18.000.


Aus: "Fast 600 Migranten aus Seenot gerettet" (28.05.2023)
Quelle: https://www.tagesschau.de/ausland/europa/fluechtline-rettung-mittelmeer-100.html
« Last Edit: May 29, 2023, 12:27:16 PM by Textaris(txt*bot) »
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« Reply #1449 on: May 31, 2023, 02:03:17 PM »

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[...] Der 72-Jährige gilt als einer der geistigen Väter des Cum-Ex-Betrugssystems, mit dem sich Investoren eine einmal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Aktiendividenden vom Finanzamt mehrfach erstatten ließen. Dazu verschoben sie um den Stichtag für die Auszahlung der Dividende herum untereinander Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch. Experten schätzen den Gesamtschaden durch den Cum-Ex-Betrug auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Richterin Mittelsdorf erklärte, Berger sei zwar nicht der Erfinder der Cum-Ex-Struktur gewesen, die bereits vor ihm hauptsächlich im Eigenhandel der Banken erfolgreich umgesetzt worden sei. Jedoch habe er für deren Verbreitung unter vermögenden Privatinvestoren gesorgt und diesen ein „Rundum-sorglos-Paket“ angeboten.

... „Die Urteile gegen Hanno Berger senden wichtige Signale: Der Rechtsstaat ist wehrhaft, auch Menschen wie Hanno Berger stehen nicht über dem Gesetz“, kommentierte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Klar sei aber auch: „Wir befinden uns erst am Anfang der juristischen Aufklärung“, so Schick. Nur sehr wenigen der insgesamt 1.700 Beschuldigten sei mehr als zehn Jahre nach dem Stopp der unseriösen Geschäfte der Prozess gemacht worden.

... Gegen Berger wurden zwei getrennte Prozesse geführt, da sich die Staatsanwaltschaften in Frankfurt und Köln, die jeweils die Auslieferung Bergers angestrengt hatten, nicht auf eine Zusammenführung der beiden Verfahren einigen konnten. In Bonn hatten die Ankläger Berger vorgeworfen, einen Steuerschaden von gut 278 Millionen Euro verursacht zu haben.

Razzien bei Banken wegen des Cum-Ex-Komplexes gibt es immer noch, zuletzt etwa in den Frankfurter Büros der japanischen Investmentbank Nomura sowie von BNP Parisbas und in Frankreich bei den Großbanken Société Générale, BNP Paribas und HSBC. Die Deutsche Bank musste im September zusammen mit der Warburg Bank und The Bank of New York Mellon 60 Millionen Euro wegen der illegalen Aktiengeschäfte an den Fiskus zurückzahlen.


Aus: "Mehr als acht Jahre Haft" (30. 5. 2023)
Quelle: https://taz.de/Urteil-gegen-Cum-Ex-Schluesselfigur/!5934787/

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[...] Das Wiesbadener Landgericht hat zu Recht im Cum-Ex-Prozess nicht nur Hanno Berger verurteilt, sondern das Versagen der Politik im Kampf gegen illegalen Aktiengeschäfte angeprangert. Der Kommentar.

Das Urteil gegen Hanno Berger war keine Überraschung mehr. Mit den Cum-Ex-Tricks hat ein Netzwerk aus Superreichen und Steuerfachleuten hohe Millionensummen vom Staat erbeutet, und Berger war ein Konstrukteur dieser Deals. Der uneinsichtige Hesse hat bis zum Schluss nicht verstanden, dass sein Handeln nicht nur hochgradig asozial war, sondern auch illegal.

Berger fühlte sich zu Unrecht verfolgt. Auch wenn er in diesem Punkt irrt: Es wäre falsch, den ehemaligen Finanzbeamten als alleinigen Schurken abzustempeln. Das würde den Blick verstellen auf eine ganze Branche der Gier, auf die strukturellen Defizite bei der Kontrolle und damit auf ein politisch nicht vollständig aufgearbeitetes Staatsversagen.

Die strafrechtliche Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals ist für die Justiz mühevoll. Das Wiesbadener Landgericht hat hier mit seiner nüchternen Verhandlungsführung ein gutes Bild abgegeben – und deutlich auch das Versagen der Politik beim Kampf gegen die illegalen Aktiengeschäfte angeprangert.

Das Geschäft mit der „Steuervermeidung“ blüht auch jenseits von Cum-Ex-Skandalen. Kaum jemand verkörpert die Skrupellosigkeit dieses Geschäftsmodells so sehr wie der unscheinbare Herr Berger. Für ihn hat es sich am Ende nicht ausgezahlt.


Aus: "Cum-Ex: Geschäft mit der Gier" Pitt von Bebenburg (30.05.2023)
Quelle: https://www.fr.de/meinung/geschaeft-mit-der-gier-92311844.html

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... Berger hatte sich durch eine Flucht in die Schweiz jahrelang der deutschen Justiz entzogen. Er wurde im Februar 2022 ausgeliefert und im vergangenen Dezember am Landgericht Bonn zu acht Jahren Haft verurteilt. ...


Aus: "Acht Jahre und drei Monate: „Mister Cum-Ex“ Hanno Berger zu langer Haftstrafe verurteilt" (31.05.2023)
Quelle: https://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/finanzen/cum-ex-urteil-erwartet-mister-cum-ex-hanno-berger-droht-lange-haftstrafe-9896621.html

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FrankNFurter
30.05.23 15:04

    Berger hatte die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen und sich als Opfer eines Justizskandals gesehen.

Lustig! wieso dann das:

    Berger hatte sich durch eine Flucht in die Schweiz jahrelang der deutschen Justiz entzogen.

Muss ich ausgerechnet in die Schweiz fliehen, wenn ich unschuldig bin? Man muss sich mal klar machen, wie viele Kindergärten und Schulen man bauen könnte, von dem Steuergeld das wir alle gezahlt haben und dass sich diese Person widerrechtlich angeeignet hat. 8,5 Jahre Haft sehe ich da noch als ein Schnäppchen an.

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« Reply #1450 on: June 01, 2023, 11:43:15 PM »

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[...]  Mehr als 3,5 Millionen Menschen in Deutschland haben mehr als eine Arbeitsstelle. Die Zahl hat sich in den vergangenen 20 Jahren mehr als verdoppelt. Deutschland werde zum Niedriglohnland, klagt der Generalsekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Philipp Schumann: "Bei zwölf Euro Mindestlohn verdient man bei einer 42-Stunden-Woche ganztags etwas weniger als 2200 Euro. Das entspricht nur etwa 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in Deutschland und reicht damit zum Leben nicht aus."

Morgens Zeitungen austragen, mittags Kurierfahrten, nachmittags Jobben im Buchladen, abends Kellnern in der Cocktail-Bar: Herrschen auf unserem Arbeitsmarkt bald amerikanische Verhältnisse? Schumann würde das bejahen. Erst wenn die Betroffenen etwa 80 Prozent des Durchschnittseinkommens verdienten, bräuchten sie keine zwei oder mehr Jobs mehr. Dazu aber müsste der Mindestlohn bei 17 bis 18 Euro die Stunde liegen.

 Als am 1. Oktober 2022 der Mindestlohn auf zwölf Euro die Stunde erhöht wurde, erhofften sich viele eine Verbesserung ihres Lebensstandards. Die Inflation aber machte diese Hoffnung zunichte. Fast 17 Prozent der Bevölkerung in Deutschland waren laut dem Paritätischem Armutsbericht zuletzt von Armut betroffen, Tendenz steigend: Die rasant kletternden Preise der vergangenen Monate machen immer mehr Arbeitende zu armen Leuten.

Zum Beispiel eine sechsköpfige Familie aus Wetzlar: Mutter Anika muss seit Anfang des vergangenen Jahres mehreren Jobs nachgehen, damit sie über die Runden kommt. Denn die Lebenshaltungskosten - im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 22 Prozent gestiegen - setzten ihr und ihrer Familie zu.

Vor der Inflation reichten das Gehalt ihres Mannes als Industriemechaniker in Vollzeit und Anikas Teilzeitjob aus. Danach aber fehlten der Familie fast 700 Euro im Monat. Seitdem sind sie im Dauerstress: Er arbeitet im Drei-Schicht-System, sechs Tage die Woche; sie arbeitet als Mehrfachbeschäftigte ohne Wochenenden durch.

 Anika ist Schulbegleiterin, Teilhabeassistentin im Kindergarten und Verkäuferin in der Bäckerei. "So viele Jobs gleichzeitig sind eine absolute Belastung, total erschöpfend. Wir sind eigentlich nur noch am Arbeiten und Denken, wie wir unsere Jobs, unsere vier Kinder und sämtliche Termine organisieren können." 

Als Verkäuferin in der Bäckerei bekommt sie zwölf Euro die Stunde. Als Schulbegleiterin verdient sie 15 Euro. Einfacher wäre ihr Leben mit nur einem Job, zum Beispiel als pädagogische Fachkraft. Aber damit dieser zum Leben reicht, müsste er doppelt bezahlt sein. 

 Das Phänomen der Mehrfachbeschäftigung auf dem deutschen Arbeitsmarkt beschränkt sich schon lange nicht mehr nur auf Menschen im Niedriglohnsektor. Es zieht sich vom Schulabgänger ohne Abschluss bis hin zum Akademiker. Olaf Karg zum Beispiel hat Sozialrecht studiert. Bis Ende vergangenen Jahres war er noch Vermittler für Baufinanzierung. Durch den Zinsanstieg aber brach sein Geschäft zusammen, und seitdem arbeitet er als Multijobber. Er ist Tonassistent auf Konferenzen, DJ und Rettungsassistent. 

"In den schlimmsten Monaten fehlten mir hohe vierstellige Summen Euro. Mit nur einem Job hätte ich 1000 Euro zu wenig und käme an meine finanziellen Grenzen", erklärt der 53-Jährige seine Situation. Aufträge abzulehnen kann er sich nicht leisten, dann könnten lukrative Folgeaufträge ausbleiben.

 "Wenn ich nach einem Sieben-Stunden-Tag als Tontechniker nach Hause komme und dann noch zu einem Einsatz als Rettungsassistent auf eine Messe gerufen werde, kann es schon mal zu einem 14-, 15-Stunden-Tag kommen", sagt er. Und dann wird die Mehrfachbeschäftigung auch für Karg zur absoluten Belastung. 

Seine Konstante als Multijobber ist die Unsicherheit, seine Hoffnung für die Zukunft finanzielle Sicherheit, weniger Stress und die Möglichkeit einer besseren Zeitplanung. Das sind Wünsche, die sich Olaf Karg mit vielen anderen Multijobbern teilt. Aber mit den steigenden Kosten und niedrigen Löhnen werden sie wohl kaum erfüllt werden können.


Aus: "Wenn selbst zwei Jobs nicht zum Leben reichen" Katrin Wegner, hr  (29.05.2023)
Quelle: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/verbraucher/multijobber-working-poor-mehrere-jobs-arbeitswelt-100.html
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« Reply #1451 on: Yesterday at 02:10:22 PM »

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[...] Kaum etwas trägt so effektiv zur Klimakatastrophe bei wie Privatflüge – und das Geschäft boomt wie nie zuvor. An einer der weltweit grössten Privatjetmessen hat die Branche in Genf ihre Entrücktheit zelebriert.

Die Frau hinter dem Empfangspult streckt ihr Handy entgegen: Man solle ihr die Fragen doch per E-Mail schicken. «Scannen Sie einfach den Strichcode, dann werden Sie alle meine Kontaktdaten finden», erklärt sie. Die Frau arbeitet für die Marketingabteilung von AV Fuel, einem der zahlreichen Treibstofflieferanten, die in den Palexpo-Hallen am Genfer Flughafen präsent sind – und mit «grünem» Treibstoff für sich Werbung machen, dem «Sustainable Aviation Fuel». Wie gross denn der Anteil dieses neuen Treibstoffs in der Branche sei, hätte man wissen wollen (kleiner Hinweis: Beim gesamten Flugverkehr sind es derzeit 0,1 Prozent). Nein, auf die Schnelle könne sie das wirklich nicht beantworten, sagt die Frau. Dann entgleisen ihr kurz die Gesichtszüge. Sie habe andere «wichtige Tasks», entfährt es ihr auf die Frage, ob sie nicht direkt eine E-Mail mit der Antwort schreiben könne, weil die Frage schliesslich schon gestellt sei und ja auch nicht so kompliziert.

Unangenehmer als offene Ablehnung ist nur eines: wenn einem die eigene Unwichtigkeit durch Überfreundlichkeit signalisiert wird. Durch herablassend nonchalantes Abwimmeln. An der Privatjetmesse «European Business Aviation Convention & Exhibition», kurz Ebace, erfährt man diese Behandlung insbesondere dann, wenn man als Besucher:in hier eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Die Messe, die letzte Woche am Genfer Flughafen stattfand, ist ein Zusammentreffen der Superreichen und ihrer Hofierer:innen. Oder wie es die Veranstalter formulieren: «Ein führender Anlass und der jährliche Begegnungsort für die europäische Business-Aviation-Community».

Die Besucher:innen der Ebace werden in gläsernen Shuttlebussen zum Ausstellungsgelände gefahren. Junge Männer in Massanzügen werden vor den Hallen ausgespuckt. Wer dort Einlass zur grössten Branchenmesse Europas bekommt, wird von den Messeveranstalterinnen EBAA und NBAA – europäischen und amerikanischen Privatjetinteressengruppen – genau orchestriert. Online registrieren konnte sich nur, wer Mitglied einer der beiden Organisationen ist oder zumindest privat oder beruflich mit Privatjets zu tun hat. Von der Presse sind jene Vertreter:innen willkommen, die vorzugsweise für Aviatikbranchenmagazine Passagen schreiben wie die folgende, zu finden im deutschen «Fliegermagazin»: «Die Business Aviation legt, was den aktiven Klimaschutz angeht, unglaublich gut vor. Stichworte: Sustainable Aviation Fuel, Winglets, Folienbespannung der Aussenhaut, neueste Flügel-Aerodynamik. Bei so viel Klimaschutz werden Neuerungen der Kabinen-Ausstattung dieser Tage in Genf schon fast zur Nebensache.»

Der WOZ teilten die Veranstalterinnen schriftlich mit: Die Kriterien für die Presseakkreditierung würden leider nicht erfüllt. Doch dann, nach längerem Stehengelassenwerden beim Presseeinlass, taucht Michael auf, «Senior Vice President und Partner» einer amerikanischen PR-Agentur. Der Mann überbringt einen Badge und eine Visitenkarte, auf der steht: «The Power of True». «Melden Sie sich, wann immer Sie Fragen haben», sagt Michael.

Und dann also ist man drin. Auf dem Treppenaufgang zum Privatjettyp «Gulfstream G650» posiert ein junger Typ. In den Händen eine stillose Luxusaktentasche, auf der Nase eine golden glänzende Sonnenbrille, die zur Uhr am Handgelenk passt. Der Mann geht mit dem Rücken zum Flugzeug die Treppen hoch und runter, lässt den Blick in die Ferne schweifen, dann tauschen Fotograf und Model die Rollen. Der vom Charterunternehmen Qatar Executive präsentierte Flieger ist der einzige, der an diesem frühen Donnerstagnachmittag für den Durchschnittsmessebesucher geöffnet ist. Im Innern des mit flauschigem Teppichboden und glänzenden Marmorabdeckungen ausgestatteten Jets haben sich drei Frauen in die hellen Ledersitze gefläzt. Sie streichen ehrfürchtig über die Armlehnen. «Wir fertigen die Jets sonst immer nur ab», sagt eine von ihnen zur anwesenden Flugbegleiterin, «jetzt sehen wir endlich auch einmal einen von innen.» Erster Gedanke: So ist man bei den Reichen auch ohne Geld willkommen. Zweiter Gedanke: Sind die Verheerungen des Kapitalismus nicht auf traurige Weise noch sinnloser und tragischer, wenn die Welt der Superreichen so reizlos ist, so schäbig?

Denn eines steigt beim Betreten der Messe sofort in die Nase: der masslose Gestank von viel zu viel Parfüm, das sich in die abgestandene Luft mischt. Dazu all die Hässlichkeiten, die Luxus ausstrahlen sollen: golden eingepackte Stehtische, Lounges mit Leuchtelementen, Riesenvasen mit Kunstblumen.

Es ist wohl weniger die Angst vor einer kritischen Berichterstattung, die Journalist:innen hier mit kritischen Fragen auflaufen lässt, als vielmehr die Berufsauffassung der Presseverantwortlichen. Diese lautet offensichtlich: Jede atmosphärische Störung für die reiche Kundschaft gehört vermieden. Denn während im Globalen Süden Inseln untergehen, verkauft die Ebace ihren Kund:innen ein Lebensgefühl: jenes der wohlverdienten Gediegenheit. Der Exklusivität. Des ewigen Fortschritts. «Wir haben die Lücke zwischen Ihnen und den besten Orten auf der Welt geschlossen», bewirbt die Leuchtreklame eines Privatjetcharterservice dessen Dienste. Weitere Leuchtslogans: «Menschliche Leistung erhöhen, betriebliche Exzellenz voranbringen.» Oder: «Erfolg ist immer in Ihrer Reichweite.»

Draussen auf dem Rollfeld, wo etwa fünfzig Flieger von Herstellern wie Boeing, Dassault oder Pilatus gezeigt werden, sind rote Teppiche ausgebreitet, die meisten Treppen zu den Fliegern mit einer Kordel abgesperrt. Sorry, es sei gerade eine private Führung im Gang, teilen freundliche Mitarbeiter:innen mit. «Nur auf Einladung» steht auf den Schildern der grössten Luxusflieger. «Haben Sie einen Pressetermin?» Andernfalls könne man leider nicht helfen. «Fragen Sie bei den Messeständen nach Adam, er wird Ihnen weiterhelfen.»

Die Zahl der Flüge mit Privatjets hat laut einer aktuellen Studie von Greenpeace im vergangenen Jahr drastisch zugenommen. Mit fatalen Folgen fürs Klima: Ein Jet stösst in der ersten Flugstunde nach dem Abheben rund drei Tonnen CO₂ aus. Wobei Wissenschaftler:innen davon ausgehen, dass der tatsächliche Klimaeffekt sogar rund dreimal stärker ist. Ein durchschnittlicher Jet stösst in einer einzigen Stunde also neun Tonnen CO₂-Äquivalente aus – während durchschnittliche Europäer:innen etwa elf Tonnen Treibhausgase pro Jahr verursachen (oder ein wenig mehr, wenn man auch hier das Fliegen dreifach zählt).

Wie die Greenpeace-Studie zeigt, gab es in Europa im Jahr 2022 volle 64 Prozent mehr Starts von Privatjets als im Vorjahr. Mit einem Plus von fast 63 Prozent bildet die Schweiz diese Entwicklung sehr gut ab. Der Studie zufolge hat sich die weltweite Privatjetflotte in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt, seit der Pandemie hat sich das Wachstum der Branche noch beschleunigt. Und die Schweiz ist ganz zuvorderst dabei: 35 000-mal hoben privat oder geschäftlich genutzte Privatflugzeuge mit Düsenantrieb im letzten Jahr hierzulande ab. Klammert man die kleine Insel Malta aus, wird damit pro Kopf nirgendwo sonst in Europa so viel privat geflogen wie im Land der Gigi Oeris und Nick Hayeks – mit Genf als einer der Hauptdrehscheiben.

Dass sich am ersten Tag der Ausstellung einige Hundert Klimaaktivist:innen Zugang zur Messe verschafft und Flugzeuge blockiert haben, ist auf der Ebace nur eine Randnotiz. Die hätten ihren Punkt gemacht, sagt die freundliche Pressefrau von Opus Aero – einem Unternehmen, das Flieger an reiche Kunden vermittelt und eines der grössten Flugzeuge der Show ausstellt. «Alles, was ich dazu sagen kann, ist: Die Branche existiert, und sie wird nie verschwinden.»


Aus: "Aviatik: Wie abgehoben kann man sein?" Sarah Schmalz (Nr. 22 – 1. Juni 2023)
Quelle: https://www.woz.ch/2322/aviatik/wie-abgehoben-kann-man-sein/!D1T764R42J5

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kusto

Mi., 31.05.2023 - 21:38

... Leider ist diese Arroganz der Superreichen nur die Spitze des Eisbergs am Genfer Flughafen. Das setzt sich fort bei den Yachten, den Villen und natürlich bei den Privatbanken. ...


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