[...] Paris (RP). Eigentlich hätte Bernard F. am Morgen des 26. Februar seinen Dienst in der Leitzentrale des Atomkraftwerks von Avoines in Westfrankreich antreten sollen. Aber der dreifache Familienvater, seit zehn Jahren in dem Kraftwerk beschäftigt, erschien nicht. Man fand ihn später tot in seinem Ferienhäuschen - Selbstmord. Seinen Abschiedsbrief hatte Bernard F. an seinen Arbeitgeber adressiert, den staatlichen Stromkonzern EDF. Es handelte sich bereits um den dritten Selbstmord unter den AKW-Angestellten binnen sechs Monaten.
[...] Die makabere Suizid-Serie bei den Atomstromern ist kein Einzelfall. Im Februar waren die Franzosen bereits durch eine ähnliche Häufung von Selbstmorden beim Autokonzern Renault aufgeschreckt worden. Ausgerechnet im ultramodernen, lichtdurchfluteten Renault-Entwicklungszentrum bei Paris nahmen sich innerhalb von nur vier Monaten drei Mitarbeiter das Leben. Der Ingenieur Raymond D. (38), Vater eines fünfjährigen Sohns, hatte sich in seiner Wohnung aufgeknüpft. Auch er hinterließ eine Klageschrift gegen die Arbeitsbedingungen in seinem Unternehmen. Zuvor war bereits einer seiner Kollegen aus dem fünften Stock des Bürogebäudes gesprungen. Ein anderer hatte sich in einem Zierteich auf dem Firmengelände ertränkt.
Die drei waren Mitarbeiter eines Teams, das auf Anordnung des neuen Renault-Chefs Carlos Ghosn in kürzester Zeit 26 neue Modelle entwerfen soll.
[...] Einige der betroffenen Unternehmen haben bereits versprochen zu reagieren. Renault-Chef Carlos Ghosn, der von einem der Lebensmüden persönlich für seine verzweifelte Lage verantwortlich gemacht worden war, will ein Suizid-Vorbeugeprogramm für seinen Konzern ausarbeiten lassen. Einstweilen wurde im Renault-Entwicklungszentrum ein Stab von Psychologen eingerichtet, die sich um die gestressten Ingenieure kümmern sollen. Ähnlich beim Stromkonzern EDF, wo Arbeitsmediziner neuerdings auch die seelische Verfassung der Angestellten untersuchen. Für EDF nicht nur eine moralisch, sondern auch juristisch höchst bedeutsame Frage: Unlängst hatte die zuständige Berufgenossenschaft den Selbstmord eines Mitarbeiters im AKW von Avoines als "arbeitsbedingt" eingestuft.
Aus: "Die Hölle am Arbeitsplatz: Selbstmordserie in der Industrie erschüttert Frankreich" (17.03.2007)
Quelle:
http://www.rp-online.de/public/article/aktuelles/politik/ausland/418698-.-
[...] Weil er Probleme am Arbeitsplatz hatte, schoss ein Züricher Anlageberater im Juli 2004 zwei seiner Vorgesetzten in den Kopf. Anschließend ging der 56-Jährige in sein Büro und tötete sich selbst. "Es ist ein großer Fehler zu sagen, das sind Einzelpersonen", meinte der Tiroler Kriminalpsychologe Thomas Müller. Fälle von Gewalt am Arbeitsplatz - wenn auch nicht mit tödlichen Folgen - gehen "exorbitant nach oben", sagte der Bestsellerautors anlässlich des "3. Information-Security-Symposium" in Wien.
Aus: "Probleme entladen sich zunehmend am Arbeitsplatz: Gewaltfälle gehen nach oben" (03/2007)
Quelle:
http://www.networld.at/index.html?/articles/0713/35/168910.shtml-.-
[...] Dramatische Stunden in Detroit: Ein entlassener Wirtschaftsprüfer hat sich Zugang zum Bürogebäude seines ehemaligen Arbeitgebers verschafft und dort um sich geschossen. Zwei Menschen kamen ums Leben, ein weiterer wurde schwer verletzt. Die Polizei stellte den Täter schließlich.
Chicago - Der Täter war nach Angaben der Polizei wütend darüber, dass er in der vorigen Woche entlassen worden war. Lokalen Zeitungen zufolge hatte die Firma in einem Vorort von Detroit im US-Bundesstaat Michigan zwar die Türschlösser ausgewechselt, der 38-jährige gelangte gestern dennoch in die Büroräume und schoss dort um sich.
Aus: "AMOKLAUF: Entlassener Angestellter erschießt zwei Kollegen" (10. April 2007)
Quelle:
http://www.spiegel.de/panorama/justiz/0,1518,476321,00.html-.-
[...] Jahrelang leiden sie still und leise vor sich hin. Dann kommt der Tag, an dem resignierte Mitarbeiter ausrasten und sich aufgestauter Frust entlädt. Gewalt am Arbeitsplatz: 22 Fälle mit Toten und Schwerverletzten wurden bislang bekannt, die Dunkelziffer ist höher.
Stets erscheint Stefan A. korrekt in Anzug und Krawatte zur Arbeit - bis der stellvertretende Abteilungsleiter einer Möbelabteilung eines Tages zum Amokläufer wird. Ganz in Weiß gekleidet, betritt der damals 24-Jährige die Marketingabteilung mit einem 80 Zentimeter langen Samurai-Schwert. Er will sich von der obersten bis zur untersten Etage seiner Firma durcharbeiten, wird er später im Prozess aussagen. Er hat sich immer benachteiligt gefühlt. Seine Opfer kennt er nur flüchtig.
Seiner Kollegin Christl von der Gathen trennt er den rechten Arm mit dem Schwert ab. Die Schwerverletzte muss mit ansehen, wie der bis dahin unauffällige Stefan A. drei Mitarbeiter niedermetzelt und eine junge Frau tötet. "Dann stehe ich zwischen Schreibtisch und Schrank und höre die Anderen schreien oder rufen und sehe meine linke Hand, die so quer gespalten war und ein bisschen hoch gegangen ist und dann auch die rechte Hand, die so nach unten hing."
Auch fast vier Jahre nach dem Vorfall kann von der Gathen ihren rechten Arm nur mit Mühe bewegen. Was Stefan A. zu der Tat bewegte, kann sie ebenso wenig begreifen wie ihre Kollegen. Jens Hoffmann, Leiter des Instituts für Psychologie und Sicherheit an der TU Darmstadt, bescheinigt Amokläufern eine lang verborgene Wut und einen schwachen Selbstwert. Eines Tages wollten sie es der Welt zeigen. Dann laufe eine Art angeborener "Jagdmodus der Gewalt" ab - kühl, berechnend und zielgerichtet: "Wenn sie mal anfangen damit, lassen sie sich sehr, sehr selten stoppen."
[...] Experten sehen als Ursache für das Phänomen den flexibilisierten Arbeitsmarkt: befristete Arbeitsverträge, Leiharbeiter, Mini-Jobber, Dauer-Praktikanten und nicht zuletzt eine Hire-and Fire-Politik. Das Klima ist rauer geworden, der Konkurrenzkampf um Arbeitsplätze brutaler. Das womöglich lebenslange Angestelltenverhältnis, die traditionelle Übereinkunft zwischen Arbeitnehmer und -geber, Engagement und Loyalität für einen sicheren Arbeitsplatz zu tauschen, gibt es immer seltener.
Aus: "Wenn Kollegen durchdrehen: Immer mehr Gewalt am Arbeitsplatz" von Christian Esser und Birte Meier (09.04.2007)
Quelle:
http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/7/0,1872,5261351,00.html