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[Die Offene Gesellschaft und ihre Feinde... ]

Started by Textaris(txt*bot), January 22, 2007, 03:12:41 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...·] Chruschtschow hatte freilich keine Mühe, seinen Besucher zu überzeugen; das geht ebenfalls aus der Moskauer Mitschrift hervor. Der SED-Mann setzte vielmehr seinerseits auf ein Einmauern der Ostdeutschen, weil es "eine Reihe Fragen gibt, die bei offener Grenze nicht zu lösen sind".

...


Aus: ""Wir lassen euch jetzt ein, zwei Wochen Zeit"" (Redaktion einestages, 29.5.2009)
Wer befahl den Bau der Berliner Mauer? DDR-Gründer Walter Ulbricht? Moskaus Kreml-Chef Nikita Chruschtschow? Ein Dokument, das jetzt in einem russischen Archiv aufgetaucht ist, gibt Auskunft. Von Klaus Wiegrefe
Quelle: http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/4246/_wir_lassen_euch_jetzt_ein_zwei_wochen_zeit.html


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QuoteDie offene Gesellschaft ist ein Staatsmodell des österreichischen Philosophen Karl Popper, welches die größtmögliche Freiheit für jedes Individuum bieten soll. Der Staat soll dabei soweit wie möglich minimiert, allerdings nicht vollständig ausgeblendet werden. Poppers Vorstellung von der offenen Gesellschaft ist eng mit dem Liberalismus verbunden.

Der Begriff Offene Gesellschaft leitet sich vom Buchtitel Die offene Gesellschaft und ihre Feinde ab. In diesem Buch wendet sich Karl Popper gegen den Totalitarismus des Faschismus, Nationalsozialismus und Kommunismus, Ideologien, deren Ursprung er auf die Philosophie Platons, Hegels und Karl Marx', insbesondere deren Lehre von einer Gesetzmäßigkeit der Geschichte (siehe Historizismus), zurückführt.

In Offenen Gesellschaften ist im Gegensatz zu ideologisch festgelegten, geschlossenen Gesellschaften, die einen für alle verbindlichen Heilsplan verfolgen, ein intellektueller Meinungsaustausch gestattet, der auch kulturelle Veränderungen ermöglicht. Daher sind Meinungs- Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sowie religiöse Neutralität von grundlegender Bedeutung für Offene Gesellschaften.

Institutionen sind zwar unumgänglich, können in Offenen Gesellschaften aber geändert werden. Alles ist einer ständigen Kritik ausgesetzt.

Der Staat ist in einer Offenen Gesellschaft ein notwendiges Übel. Er soll zwar eine ausreichende Grundversorgung bereitstellen, aber den Bürgern keine Wohltaten erweisen. Popper schlägt als Maxime statt der Maximierung des Glücks die bescheidenere Minimierung des Leidens vor.

Die beste Staatsform ist nach Popper die Demokratie, die Popper neu definiert als eine Herrschaftsform, in der es möglich ist, die Herrscher ohne Blutvergießen auszutauschen. Dies, nicht etwa die Behauptung, dass die Mehrheit recht habe, sei der größte Vorzug der Demokratie.

Die westlichen Industrieländer begreifen sich selbst als Offene Gesellschaften. Dementsprechend hat etwa das deutsche Bundesverfassungsgericht die überragende Bedeutung insbesondere der Meinungsfreiheit und deren Vorrang gegenüber spezielleren Schutzrechten immer wieder betont.

Gegenbild der Offenen Gesellschaft in der Moderne ist der Totalitarismus



Aus: "Offene Gesellschaft" (01/2007)
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Offene_Gesellschaft


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Quote[...] 1945, noch während seiner Lehrtätigkeit in Neuseeland, erschien Poppers berühmtestes Werk: Die offene Gesellschaft und ihre Feinde, in dem er seinen Widerstand gegen alle Spielarten totalisierender Philosophie ideengeschichtlich untermauerte. Totalitäres Denken ist für ihn nicht erst ein Produkt des 19. oder 20. Jahrhunderts. Er spürt es bereits bei Platon auf, in dessen Konzeption eines hierarchisch gegliederten Staates er das Urmuster eines ideologischen "Aufstands gegen die Freiheit" erblickt.

[...] Doch nicht nur als politischer Philosoph, sondern auch als Wissenschaftstheoretiker hat Popper unhintergehbare Maßstäbe gesetzt. Er ging dabei von dem gleichen Kerngedanken aus wie in seinen gesellschaftstheoretischen Schriften: Geschlossene Systeme, die sich gegen Kritik immunisieren, sind zum Fortschritt unfähig, ersticken jede geistige Unabhängigkeit und Kreativität und gehen am Ende an ihrer eigenen Unbeweglichkeit zugrunde. Offene Systeme dagegen, die das Risiko einer Wiederlegung noch der scheinbar unverzichtbarsten Wahrheiten auf sich nehmen, sind nicht nur humaner, sondern erweisen sich auch als leistungsfähiger und erfolgreicher. Wissenschaftliche ebenso wie politische Systeme sind erst dann akzeptabel, wenn sie lernfähig und zur Selbstkorrektur in der Lage sind.

[...] Poppers Konzepte der "offenen Gesellschaft" und des "kritischen Rationalismus" verbanden den Skeptizismus der postidealistischen bürgerlichen Gesellschaft mit dem Erbe der Aufklärung und ihrer Überzeugung von der unendlichen Verbesserungsfähigkeit der menschlichen Verhältnisse. Er forderte, alle - auch die scheinbar unbezweifelbarsten wissenschaftlichen - Wahrheiten infrage zu stellen, und hielt doch - gegen alle Varianten des Relativismus - an der Annahme einer objektiven Wahrheit und der Einheit des Wissens fest. Er schlug damit nicht zuletzt eine Brücke zwischen dem angelsächsischen Empirismus und der kontinentalen Bewusstseinsphilosophie in der Tradition Kants.



Aus: "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde - Skeptischer Weltverbesserer: Vor hundert Jahren wurde der Philosoph Karl Raimund Popper geboren" Richard Herzinger (Die zeit; 31/2002)
Quelle: http://hermes.zeit.de/pdf/archiv/archiv/2002/31/200231_popper.xml.pdf


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Anlässe oder Vorwände für staatsbürgerliches Missvergnügen gibt es genug: Globalisierung, Reformdruck, Sparzwänge, Zuwanderung, neue soziale Ungleichheiten, ethnische Spannungen, Sicherheitsdefizite, Zukunftsängste der Mittelschichten, Hoffnungslosigkeit der Unterschichten, und das alles auf einmal in einem einzigen historischen Augenblick.

Die daraus herrührende emotionale Melange aus vagen Befürchtungen und konkreten Verlusterfahrungen ist die optimale Mischung für neue antidemokratische Bewegungen. Quer durch Europa sind diese populistischen Konjunkturritter anzutreffen und verbreiten Schrecken, vor allem unter den etablierten Parteien. Unter Berufung auf »das Volk« und dessen bekannt gesundes Empfinden setzen sie ihre Themen auf die Tagesordnung und vergiften mit ihrem Antiliberalismus das politische Klima.

Sie sickern ein ins Milieu der traditionellen Mitte, ernten Zustimmung in Teilen des Bürgertums, noch mehr im Milieu der politisch Frustrierten und Verdrossenen, die [ ] schon [ ] Berlusconi seinerzeit zu mobilisieren verstanden hat, nämlich jene verführbaren »Millionen von apolitischen, passiven Leuten«, die der italienische Schriftsteller und Germanist Claudio Magris in Anlehnung an Karl Marx »Lumpenbürgertum« nennt.

Historisch betrachtet, ist das der »populistische Moment«. Die Verführbaren warten auf den Verführer. Oder, um mit dem Sozialwissenschaftler Helmut Dubiel zu sprechen: Das ist die »Stunde der Rattenfänger.« Insofern stehen die westlichen Demokratien am Eingang zu dem Tunnel, der in eine andere politische Qualität des Zusammenlebens führen dürfte.

Die neue Ordnung am Ende dieser Reise hieße aller Voraussicht nach zwar noch Demokratie, mit der Regierungsform und der politischen Kultur der offenen westlichen Gesellschaft hätte sie aber nur noch Restfunktionen gemeinsam – Wahlen, Parteien, gelegentliche Regierungswechsel, ein bisschen Sozialstaat, viel Sicherheitskräfte, in Deutschland natürlich den Bildungsföderalismus. Im Übrigen entstünde aller Wahrscheinlichkeit nach aber jene »nachdemokratische« Welt, die Colin Crouch in seinem Buch Post-Democracy warnend beschreibt: ein formaldemokratisches Gemeinwesen mit relativ wenig Spielraum für zivilgesellschaftliche Aktivitäten und demokratischen Meinungsstreit, mit viel Effizienz, wenig diskursivem Schnickschnack und im Zweifel einer kunterbunten berlusconesken Unterhaltungsindustrie, die ihre Konsumenten gnädig betäubt.

Ein Rundblick über das politische Terrain der westlichen Demokratien zeigt, dass einiges von der Mängelliste Burumas, Crouchs und anderer längst Wirklichkeit ist. Personenkult statt Programmdebatte, Marketing statt Politik, Spin-Doktorei statt Information, Info-Häppchen statt Berichterstattung, das alles ist bekannt. Zum Alltagsarsenal der Gegenwart gehören inzwischen aber auch handfeste Eingriffe in die Pressefreiheit, weitreichende Gesetzesänderungen als Reaktion auf den Terrorismus, Kurskorrekturen im Umgang mit Zuwanderern als Antwort auf wachsende Integrationsprobleme, Rechtsbeugungen, Schikanen und Übergriffe der Justizbehörden, die in der Regel ungeahndet bleiben, nicht zu vergessen die internationale Folterdebatte. Von Guantánamo ganz zu schweigen.

Eine Fülle von Details, viel »Unverfängliches« darunter, manches unerlässlich, anderes nur als Antwort auf populistischen Druck verständlich. Nichts davon ist übrigens undemokratisch implantiert worden, manches wurde sogar verhindert. Dennoch sind einige der Veränderungen in den Augen etwas empfindlicherer Bürger nichts anderes als stetige kleine Freiheitsverluste, scheibchenweise abgehobelte Bürgerrechte.

Daraus könnten durchaus solche potenziellen geschichtlichen »Übergänge« werden, von denen der Dresdner Historiker Gerhard Besier in seinem Buch über die europäischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts schreibt. Er fordert, beim Studium der Unrechtsregime auch die Übergänge zu erforschen, die vergleichsweise »unverfänglichen« Anfänge. Das deutsche Unheil hat schließlich klein angefangen, genauer gesagt: mit einer demokratischen Wahl in der Schlussphase einer Krise der Demokratie.

Alles Panikmache, das Panfaschismussyndrom der üblichen Verdächtigen von 1968? In der Tat sind Defizite der parlamentarischen Demokratie oft beklagt worden. Von »Unregierbarkeit der Demokratien« redeten schon in den siebziger Jahren die Verantwortlichen von Washington bis Bonn, Konservative wie Sozialdemokraten. Richard von Weizsäcker zum Beispiel kritisierte die Machtversessenheit der Parteien und deren »Arroganz der Macht«.

Heute aber geht es offenkundig um mehr als nur um den Ärger mit Protestbewegungen, Parteien oder Reformstaus. Zur Debatte stehen die Belastbarkeit und die Leistungsfähigkeit der Demokratien. Der in vielfältigen Umfragen, seriösen und oberflächlichen, gemessene Vertrauensverlust der Bürger, das sinkende Interesse an der Politik und die in den meisten Ländern sinkende Wahlbeteiligung werden zunehmend als Problem empfunden. Sie entfalten eine eigene, sich selbst beschleunigende Wirkung: Die traditionellen Parteien und die Vertreter der politischen Klasse werden insgesamt nervös, reagieren auf diese Entwicklung ängstlich, wagen sich nicht mehr an schwierige politische Themen heran und fürchten niemand so sehr wie die Wähler. Währenddessen fühlen die neuen populistischen Volksverführer sich legitimiert, im Namen der Verführten »denen da oben« den Kampf anzusagen.

Gemeinsam ist diesen neuen Volkstribunen, von Rumänien bis Holland und Dänemark, von Andalusien bis Kärnten und Brandenburg, eine extreme Ausländerfeindlichkeit und ein rassistisches Weltbild, mit dem sie die Volksparteien der Mitte in Bedrängnis bringen. Dabei sind die nationalistischen Rechtsradikalen aus Bulgarien und Rumänien, die nun mit den Westrechten eine gemeinsame Fraktion im EU-Parlament bilden, mit ihren rassistischen Sprüchen jenseits von gut und böse sogar den Auschwitz-Leugnern aus Frankreich oder Österreich peinlich.

Die Rechtspopulisten entfalten auch Wirkung in der Sozialpolitik, wo sie den Reformparteien in den Arm fallen, besonders deutlich die dänische Rechtspopulistin Pia Kjærsgaard. Insgesamt sind Europas Rechtspopulisten sozialpolitisch »links« so wie die ex-kommunistischen Linkspopulisten. Gern nennen sie sich »neue Arbeiterparteien«, was die sozialdemokratischen Originale natürlich quält. So gerieten Europas Modernisierungsparteien in eine Zwickmühle: Den Neoliberalen und Konservativen veränderten sie zu wenig, den Linkspopulisten zu viel, und den Rechtspopulisten waren sie zu großzügig bei Leistungen an Zuwanderer und »Asylanten«. Auf diese Weise verloren die Sozialdemokraten eine europäische Bastion nach der anderen.

Eine der Folgen dieses ewigen Dilemmas der Reformer ist die Rückkehr der Mitte-Parteien zu Vorsicht und Zögerlichkeit. Nicht nur SPD-Chef Kurt Beck hat ein Ende der Reformpolitik in Aussicht gestellt, wohl wissend, dass »Reform« seit »Agenda 2010« und »Hartz IV« ohnehin ein Schimpfwort ist. Auch der holländische Christdemokrat Jan Peter Balkenende hatte im Wahlkampf 2006 eine Belastungspause angekündigt, was sich als zentraler Beitrag zu seinem späteren kleinen Wahlsieg entpuppte. Dass die Demokratien sich dank politisch verordneter Atempause von ihren Krisensymptomen erholen würden, darf man indes bezweifeln. Globalisierung, Souveränitätsverluste, Zuwanderung bleiben ihnen erhalten, da können sie noch so lange Luft holen. Ratsam wäre es allerdings, die Denkpause für Reformen zu nützen, die eine Erneuerung und Vitalisierung der Demokratie zum Ziel haben, doch noch überwiegt Ratlosigkeit.


Aus: "Stunde der Rattenfänger" Von Werner A. Perger (DIE ZEIT, 18.01.2007 Nr. 04)
Quelle: http://www.zeit.de/2007/04/Europa?page=1


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Popper legte seine Ansichten zur Wissenschaftstheorie im Werk Logik der Forschung dar, das 1934 zuerst auf Deutsch erschien und in nachfolgenden englischen und deutschen Ausgaben stetig erweitert und überarbeitet wurde.

Popper behauptet darin, dass wissenschaftlicher Fortschritt dadurch geschehe, dass bestimmte Theorien durch Experimente widerlegt ("falsifiziert") werden. In einem evolutionsartigen Selektionsprozess setzen sich so diejenigen Theorien durch, die "wahrheitsnäher" sind. Sicheres Wissen kann dabei allerdings nie erreicht werden; alles Wissen ist vorläufig.

Da wissenschaftliche Sätze niemals bewiesen werden können, ist das einzige Kriterium für die Wissenschaftlichkeit eines Satzes seine (prinzipielle) Falsifizierbarkeit. Ein Satz, der etwas über die Realität aussagt, muss widerlegt werden können; Sätze, die nicht widerlegt werden können (etwa Morgen regnet es oder auch nicht), sagen nichts über die Realität aus und liefern keinen Erkenntnisgewinn.

So können wir zwar nicht sicher wissen, ob eine Theorie wahr ist, aber sehr wohl, dass eine bestimmte Theorie falsch ist: nämlich wenn ein Experiment sie widerlegt. Durch dieses "Aussieben" falscher Theorien kommen wir, so Popper, der Wahrheit immer näher, ohne sie jemals zu erreichen. Durch diese Umkehrung des klassischen Versuchs, Theorien zu "beweisen", kommt Popper zur ungewohnten Forderung: Wissenschaftler sollten versuchen, ihre Theorien zu widerlegen bzw. mit entscheidenden Experimenten (experimentum crucis) Theorien auszusieben. Er betont zwar auch die Notwendigkeit der Kreativität beim Aufstellen einer Theorie; wichtig für den Fortschritt sei allerdings vor allem die kritische Überprüfung, die nur von den "wahrheitsnächsten" Theorien bestanden wird.

Besonderen Wert legt Popper darauf, dass der wissenschaftliche Fortschritt nicht durch logische Induktion erfolge und nicht mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung beschreibbar sei. Diese Ansichten hatten von Aristoteles ausgehend die meisten Wissenschafttheoretiker vertreten, auch Mitglieder des Wiener Kreises. Zur Frage der Induktion beharrt Popper darauf, dass man aus Einzelfällen kein allgemeines Gesetz ableiten, sondern nur allgemeine Sätze widerlegen könne. Auch die Versuche, aus Einzelfällen wenigstens Wahrscheinlichkeiten von Theorien abzuleiten, hält er für verfehlt und liefert in seinem Buch mehrere mathematische und philosophische Argumente, um die Unsinnigkeit von Sätzen wie Theorie A ist mit 80%iger Wahrscheinlichkeit wahr zu zeigen.

Popper betont, dass sein Ansatz allein methodologischer Art sei und keineswegs metaphysische Aussagen treffe. Die metaphysische Frage, ob es überhaupt "Naturgesetze" gibt, lässt er bewusst offen, auch wenn er persönlich die Argumente dafür für überzeugender hält.

Außer in der Logik der Forschung legte Popper diese Ansichten in den Schriften Die beiden Grundprobleme der Erkenntnistheorie, Die Quantentheorie und das Schisma der Physik und Objektive Erkenntnis. Ein evolutionärer Entwurf dar. In Vermutungen und Widerlegungen (englisch Conjectures and Refutations) wandte er die Methode auch praktisch an.

Poppers Ansatz wurde in philosophischen Kreisen vielfach und mit unterschiedlichen Argumenten kritisiert, insbesondere durch die relativistischen Positionen von Thomas Kuhn oder Paul Feyerabend, letzterer zweifelte sogar den Nutzen eines Faches wie der Wissenschaftstheorie überhaupt an. Imre Lakatos versuchte aufgrund der Kuhnschen Kritik eine Reformulierung des Falsifikationimus.

Neben dem "Falsifikationismus" ist ein starker "Indeterminismus" der wichtigste Bestandteil von Poppers Weltsicht. Er sah sich hierin vor allem von der Quantenmechanik bestätigt. Metaphorisch behauptete er einmal, bisher habe man sich auch Wolken wie sehr komplexe Uhrwerke vorgestellt; tatsächlich seien aber eher Uhrwerke nur scheinbar sehr geordnete Wolken. Diesen Indeterminismus übertrug er auch auf gesellschaftliche Zustände.

[...] Poppers gesellschaftstheoretisches Hauptwerk ist The Open Society and Its Enemies (dt. Die offene Gesellschaft und ihre Feinde) aus dem Jahr 1945. Darin rechnet er mit den Gedankenmodellen von Platon, Hegel und Marx ab, die seiner Meinung nach totalitäre Systeme befördert haben. Als Gegenbild dieser geschlossenen Gesellschaften entwirft er eine Offene Gesellschaft, die nicht am Reißbrett geplant, sondern pluralistisch ist und sich in einem endlosen Prozess von Kritik und Verbesserungen fortentwickelt.

Dem göttlichen Philosophen Platon wirft Popper vor, insbesondere mit seinen späteren Werken Politeia (Der Staat) und Nomoi (Die Gesetze) das Grundmodell des totalitären Staates ausgearbeitet und propagiert zu haben. Damit habe er auch Verrat an seinem Lehrer Sokrates begangen, der, wie Popper darlegt, in Platons "idealem Staat" als Aufrührer hingerichtet worden wäre. Platons Ablehnung der attischen Demokratie und seine Bevorzugung eines autoritären Regimes sogenannter Philosophenkönige, die nichts mehr mit dem sokratischen Philosophen zu tun haben und explizit Lügenpropaganda verwenden dürfen, versucht Popper mit vielen Textstellen zu belegen. Platon sei damit der erste und wichtigste Propagandist einer geschlossenen Gesellschaft gewesen, in der es keine Veränderung gibt und Eliten diktatorisch herrschen. Auch sei Platon ein Verbreiter der Verfallstheorie der Gesellschaft, nach der die Gesellschaft ursprünglich in einem "guten" (geschlossenen) Naturzustand ("Mythos von der Horde") war und jede Öffnung, Liberalisierung und Emanzipation Zeichen von Dekadenz und Verfall sind. Diese Lehre sei wichtiger Bestandteil der Propaganda aller Diktaturen geworden.


Bruchstück aus: "Karl Raimund Popper" (22. Januar 2007)
Quelle: http://www.philosophenlexikon.de/popper.htm


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eine Äußerung von Horst Teltschik, Organisator der Sicherheitskonferenz, stößt parteiübergreifend auf Empörung und Unverständnis. Teltschik sagte am Mittwoch in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk auf die Frage, ob ihn die Demonstrationen gegen die Tagung störten: "Es ist die Tragik jeder Demokratie, dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf und dass man politisch Verantwortliche in einer Demokratie schützen muss. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.''

"Es scheint mir die Tragik des Herrn Teltschik zu sein, dass er den Wesenskern einer Demokratie nicht verstanden hat'', kommentierte Bürgermeister Hep Monatzeder die Äußerung. Als Demokrat habe sich der ehemalige Berater von Bundeskanzler Kohl "disqualifiziert''.

Monatzeder: "Wenn er auch noch Diktaturen huldigt, zeigt es, welch Geistes Kind er ist.'' Siegfried Benker, Fraktionschef der Grünen im Rathaus, sagte, vom Organisator der Konferenz, die Demokratie und Stabilität in der Welt fördern wolle, müsse man erwarten, dass er Meinungsfreiheit als demokratische Errungenschaft einzuordnen wisse.

Benker erinnerte daran, dass die Konferenz auch aus Steuermitteln des demokratischen Staates finanziert werde. "Teltschik muss akzeptieren, dass seine Veranstaltung auch politische Gegner zum öffentlichen Mitreden animiert.''

Während sich Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) nicht äußerte, nannte SPD-Fraktionschef Helmut Schmid Teltschiks Aussage "unmöglich'': "Sie zeigt eine innere Einstellung.'' Schmid betonte, dass Politiker-Treffen wie die Münchner Konferenz auf der ganzen Welt von Demonstrationen begleitet würden. Diese seien "völlig gerechtfertigt.''

Als "völlig unangebracht'' bezeichnete auch Hans Podiuk, stellvertretender Fraktionschef der Rathaus-CSU, Teltschiks Äußerung. "Ich glaube, da hat er einen Aussetzer gehabt.'' Podiuk erklärte sich dies mit dem "Druck'', unter dem der Konferenz-Chef stehe, weil er ständig von einer Szene, "die bis in den linksradikalen Bereich hinein'' reiche, und von "Gewalttätern'' angegriffen werde. Dies entschuldige solche Äußerungen aber nicht.

Horst Teltschik räumte auf Nachfrage der SZ ein, dass seine Aussage "missverständlich'' gewesen sei. "Es war ein Fehler.'' Dass er gegen Meinungsfreiheit sei, könne ihm aber niemand unterstellen. Seine Äußerung sei nicht auf die Gegendemonstrationen bezogen gewesen. "In der Tat halte ich es aber für eine Tragik, dass in einer Demokratie, wo die Versammlungsfreiheit im Grundgesetz verankert ist, die Sicherheitskonferenz und die Politiker mit einem Großaufgebot von Polizei geschützt werden müssen.''

Wären die Demonstrationen friedlich, bräuchte man nicht diesen Aufwand. "Sie stiften Unfrieden'', so Teltschik. Die Aufregung um das Interview halte er für "etwas künstlich''. Benker sei Mitorganisator der Demos, und Monatzeder gehöre derselben Partei an. "Ich habe ihnen Futter gegeben'', so Teltschik. ,,Ich werde deshalb aber keinen Kotau machen vor diesen beiden Herren.''



Aus: ""In Diktaturen würde so etwas nicht passieren" - Der ehemalige Berater von Helmut Kohl und Organisator der Sicherheitskonferenz in München nennt es im Interview tragisch, "dass bei uns jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf" Von Bernd Kastner " (07.02.2007)
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/,zm3/muenchen/artikel/232/101131/


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Hinter verschlossenen Türen. Das Geheimnis der Papstwahl. im WDR Fernsehen Sonntag 03. April 2005, 16.25 Uhr - 16.55 Uhr Wiederholung, 08....

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Quote[...]  WELT ONLINE: Sie haben, so wurden Sie zitiert, unter bestimmten Voraussetzungen den Abschuss von Flugzeugen gutgeheißen. Stellen Sie sich damit gegen das Karlsruher Urteil zum Luftsicherheitsgesetz?

Bischof Walter Mixa: Leider bin ich sehr verkürzt zitiert worden. Ich habe bereits im September bei einer Veranstaltung der Militärseelsorge darauf hingewiesen, dass der Abschuss eines von Terroristen entführten Passagierflugzeuges zur Rettung einer größeren Zahl von Menschen moraltheologisch eine äußerst schwierige Frage ist. Bei einem solchen Einsatz muss das Leben unschuldiger Menschen gegen das Leben anderer Unschuldiger abgewogen werden. Auch wenn es hierfür gute Gründe geben mag, stehe ich einer solchen Abwägung sehr zurückhaltend gegenüber.

WELT ONLINE: Was sollte also aus kirchlicher Sicht geschehen?

Bischof Walter Mixa: Um eine angemessene Position zu entwickeln, sollte sich die Deutsche Bischofskonferenz gemeinsam mit Moraltheologen, Juristen, Politikern und Vertretern der Bundeswehr hinter verschlossenen Türen zusammensetzen.


Aus: " Religion: Bischof Mixa will, dass "die Kirche nervt"" (20. November 2007)
Quelle: http://www.welt.de/politik/article1378946/Bischof_Mixa_will_dass_die_Kirche_nervt.html





Textaris(txt*bot)



Quote[...] Bohley: Das vordringlichste war, diese geschlossene Gesellschaft aufzubrechen. Denn solche Gesellschaften haben immer etwas Enges und Kleinkariertes, die DDR war das 40 Jahre lang. Wenn man da etwas bewegen wollte, musste man es aufknacken.

[...]

SPIEGEL ONLINE: Sie waren in der besonderen Situation, die DDR 1988 zeitweise verlassen zu müssen. Hat dieser Aufenthalt im Westen Ihren Blick auf die DDR verändert?

Bohley: Ich glaube, dass es mir einiges leichter gemacht hat, weil ich zu bestimmten Dingen im Westen ein anderes Verhältnis gewonnen habe. Zuvor waren wir immer der Meinung, dass man sich nicht Opposition nennen darf, weil das eine Provokation des Staates sein könnte. Im Westen war mir aber klar geworden, dass zu einer funktionierenden Gesellschaft auch eine Opposition gehört. Und je stärker die Opposition, desto besser ist das für die Gesellschaft und die Regierenden. Wichtig war auch für mich zu erkennen, dass es eine Opposition außerhalb der Kirche braucht, weil dieses Dach die Leute letztlich nur erdrückt hat.

SPIEGEL ONLINE: Diese Gesellschaft war lange Zeit von einer langen Sprachlosigkeit geprägt. Wann waren Sie sicher, dass es einen Neuanfang braucht?

Bohley: Für mich war die Gesellschaft nie sprachlos und stumm. Sie war es nur im öffentlichen Raum. Aber an jedem Küchentisch wurden Probleme diskutiert, viel mehr als heute. Die Leute waren politisch ziemlich bewusst und kannten die Situation im Lande.

SPIEGEL ONLINE: Die Vertreter der SED – haben Sie die als Ansprechpartner akzeptiert?

Bohley: Man muss das in seiner Zeit sehen. Niemand hat ja bis zum 9. November geglaubt, dass es die DDR in einem Jahr nicht mehr gibt. Es ist deshalb geschwindelt, wenn Leute heute sagen, dass die Einheit ihr Ziel war. Wir wollten die Strukturen aufbrechen, Menschenrechte garantiert bekommen und die Chance haben, sich einmischen zu können, ohne dafür kriminalisiert zu werden.


...



Aus: "DDR-Opposition - "Wir sind Gejagte gewesen"" (4.9.2009)
Das Gespräch führte Steffen Reichert.
Quelle: http://einestages.spiegel.de/static/authoralbumbackground/4910/_wir_sind_gejagte_gewesen.html

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Bärbel Bohley
http://de.wikipedia.org/wiki/B%C3%A4rbel_Bohley


Textaris(txt*bot)

" ... Im heutigen französischen Verständnis ist Laizismus zu einem politischen Ideal geworden, das die Grundsätze der Neutralität des Staates gegenüber den Religionen, deren Gleichbehandlung sowie die Glaubensfreiheit zum Ziel hat. Laizismus ist ein Verfassungsprinzip. Religion ist ausschließlich Privatangelegenheit, woraus folgt, dass Religion nicht nur keine staatliche, sondern auch keine öffentliche Funktion hat. ..." (26. Februar 2020)
https://de.wikipedia.org/wiki/Laizismus

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" ... Multikulturalismus (zumeist abwertend auch Multi-Kulti oder Multikulti) ist der Oberbegriff für eine Reihe sozialphilosophischer Theorieansätze mit Handlungsimplikationen für die Gesellschaftspolitik eines Staates. ... Ziel des Multikulturalismus ist die multikulturelle Gesellschaft, in der es keinen staatlichen oder auch nichtstaatlichen Anreiz oder ,,Druck" zur Assimilation geben soll. Die ethnischen und kulturellen Gruppen sollen hingegen einzeln existieren. Dabei beruht dieses Modell auf dem Postulat, dass die (Angehörigen der) jeweiligen Ethnien sich gegenseitig Verständnis, Respekt, Toleranz entgegenbringen und einander als gleichberechtigt ansehen können. Kanada wird des öfteren als positives Beispiel für die Umsetzung des Multikulturalismus angeführt. ... "
https://de.wikipedia.org/wiki/Multikulturalismus (7. Juli 2020)

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Quote[...] Multikulturalismus ist ein trügerisches Wort, weil es viel weitreichendere Implikationen hat, als man auf den ersten Blick vermutet. Wenn wir an Multikulturalismus denken, denken wir meistens an die bunte Begegnung zwischen vielfältigen Traditionen, Bräuchen, Speisen, Kleidung, Musik usw. Aber der Multikulturalismus hat auch politische Konsequenzen und kann aus der Pluralität der Traditionen zu einer Pluralität der Rechte führen, was problematisch ist.

Nach dem Multikulturalismus sollten die verschiedenen Kulturen so, wie sie sind, akzeptiert werden und dürfen nicht infrage gestellt werden. Das Problem dabei ist, dass die Kulturen keine unveränderlichen und beschlossenen Objekte sind, sondern vielmehr soziale Prozesse, die ständig in Bewegung sind und die letztendlich vom Austausch einzelner Menschen leben – jeder mit seinen eigenen Erfahrungen, Gedanken, politischen und ethischen Überzeugungen, die nicht völlig von der Herkunft oder der religiösen Zugehörigkeit bestimmt sind.

Die Falle des Multikulturalismus ist die, dass man vor lauter Respekt vor den Kulturen Gefahr läuft, die Verletzungen der Menschenrechte der einzelnen Individuen zu übersehen oder sogar zu fördern.

Im Jahr 1972 hat eine Amish-Familie in den USA gefordert, dass ihre Kinder von der Schulpflicht befreit werden, weil nach ihren eigenen religiösen Überzeugungen die Grundschule für die Kinder ausreichte und weiter in die Schule zu gehen, ihre Erlösung gefährdet hätte. Der oberste Gerichtshof der USA hat diese Anfrage angenommen, weil sie auf religiösen Gründen basiert.

Ein solches Sonderrecht den Amish anzuerkennen bringt die Verletzung des Rechts der Kinder auf Bildung mit sich und stellt eine Diskriminierung im Vergleich zu den anderen Kindern dar. Eine Verletzung mit großen Folgen: Da die Amish-Kinder keine Möglichkeit hatten, weiter in die Schule zu gehen, hatten sie auch keine Freiheit, ihr Leben selbstbestimmt zu führen.

Um Menschenrechte immer und überall zu schützen, brauchen wir eine strenge Laizität, die die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt und ihnen alles andere unterordnet. Überall wo Religionen eine große Rolle im öffentlichen Leben spielen, werden Menschenrechte (und insbesondere Frauenrechte) verletzt. Wir brauchen nicht weit umherzuschauen, um das zu beweisen: In Polen will die Regierung, die tief von der katholische Kirche beeinflusst ist, aus der Istanbul-Konvention gegen Gewalt gegen Frauen austreten.

Aber was heißt Laizität? Laizität ist das politische Prinzip, das sich ausgehend vom historischen Prozess der Trennung von Kirche und Staat durchgesetzt hat und das heute noch einen Schritt weitergehen muss. Bisher stellte sich das Problem nämlich rein als eine Frage der Macht dar (der Staat gegen eine Kirche, die säkulare Ambitionen hatte) – ein Problem, das man durch die Aufteilung der Machtbereiche lösen konnte, indem man dem Kaiser gab, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist.

Heutzutage reicht das nicht mehr und der ,,Kaiser" muss einerseits dafür sorgen, dass ,,Gott" nicht gegen die Grundprinzipien des demokratischen Staates verstößt, angefangen bei den Grundrechten des Einzelnen; und andererseits muss der ,,Kaiser" die kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und materiellen Voraussetzungen dafür schaffen, dass die ­einzelnen Bürger tatsächlich in die Lage versetzt werden, ihre eigenes Leben selbst zu bestimmen.

Seit rund 20 Jahren umgibt uns ein Narrativ, das uns in ein ,,wir" und ein ,,die anderen" aufteilen will und uns in einen fatalen ,,Konflikt der Kulturen" zwingt. In Wahrheit gibt es aber keinen Kulturenkonflikt, was es allerdings tatsächlich gibt, ist ein ganz und gar politischer Konflikt, der jeder Kultur der Welt inhärent ist: ein Konflikt zwischen reaktionären und fundamentalistischen Kräften auf der einen Seite und progressiven Kräften und Verfechtern der Menschenrechte auf der anderen. Ganz oft, und oft ohne Absicht, rutschen die Multikulturalisten auf die Seite der Reaktionäre.

Das Folgende ist der Bericht einer Mutter, deren Tochter, eine muslimische in Großbritannien lebende Frau, sich zivilrechtlich von ihrem Mann hatte scheiden lassen: ,,Mein Exschwiegersohn tauchte in unserer örtlichen Moschee auf und verkündete den Betenden, dass ich eine ,unmoralische Frau' sei und meine Töchter zwinge, sich zu prostituieren. Er bat die Ältesten, ihm zu helfen, sich seine Frau und die gemeinsamen Kinder zurückzuholen, um ihre Seelen zu retten. Die Moschee (in East London) schickte eine Delegation zu mir nach Hause. Fünf Männer tauchten an meiner Haustür auf. Sie sagten mir, ich müsse meine Tochter zwingen, zu ihrem Mann zurückzukehren. Ich sagte ihnen, dass Lubna sich hatte scheiden lassen, doch sie antworteten, die englische Scheidung sei nichts wert und gelte nicht vor dem islamischen Gesetz."

Deswegen musste am Ende diese Frau vor ein ,,Scharia-Gericht" gehen, um eine muslimische Ehescheidung zu bekommen und endlich in Ruhe gelassen zu werden.

Ein Bericht der britischen Regierung schätzt, dass in Großbritannien Dutzende solcher Scharia-Gerichte aktiv sind, die über die Ehescheidungen entscheiden. Das Problem betrifft nur Frauen, weil Männer, laut der Scharia, über das Recht der Verstoßung verfügen, den sogenannten Talāq. Der Bericht wurde heftig kritisiert, weil er diese Gerichte nicht als illegal erklärt. Die Begründung dafür lautet ,,die Scharia-Räte decken in manchen muslimischen Gemeinschaften einen Bedarf ab. Es besteht ein Bedarf an religiöser Scheidung, dem aktuell die Scharia-Räte entgegenkommen."

Ich frage mich: Wessen Bedürfnissen kommen diese Gerichte entgegen? Denen der Frau, die einfach in Ruhe ihr Leben führen möchte, oder denen der Männer der Community, die die Freiheit der Frau nicht akzeptieren?

Wenn wir in dieser Geschichte das religiöse Element entfernen, wären wir mit einem klassischen Fall von Stalking konfrontiert und hätten keine Zweifel, auf welche Seite wir uns stellen sollen. Wenn wir aber wieder das religiöse Element einfügen, scheint es plötzlich nicht mehr ein Fall von Stalking, sondern eine religiöse und kulturelle Frage zu sein, die mit Samthandschuhen und gebührendem ,,Respekt" behandelt werden muss.

Die Rhetorik vom ,,Respekt vor den Kulturen" ist für die Menschenrechte brandgefährlich. Das lässt sich mit der Geschichte von Rita Atria ­illustrieren, die wie ich aus Sizilien stammt. Rita war die Tochter eines Mafiosos, der, als sie elf Jahre alt war, getötet wurde. Nach dem Tod des Vaters nahm Ritas älterer Bruder seinen Platz in der mafiösen Organisation ein. Im Juni 1991 wurde auch der Bruder getötet. Die erst 17-jährige Rita ­beschloss, mit der Polizei zusammenzuarbeiten, und wandte sich an den Richter Paolo Borsellino.

Rita wurde sofort ins Schutzprogramm aufgenommen: Neue Identität, geheimer Wohnort. Im Juli 1992 wurde der Richter Borsellino in der sogenannten Strage di Via d'Amelio in Palermo ermordet. Rita ertrug die Situation nicht länger und stürzte sich eine Woche danach aus dem siebten Stock der Wohnung in Rom, in der sie unter Polizeischutz lebte.

Ritas Familie hat sie immer verleugnet, ihre Mutter ist nicht zu ihrer Beerdigung gegangen, und sie hat sogar den Grabstein ihrer eigenen Tochter mit Hammerschlägen zerstört.

Warum? Weil Rita die Familie ,,verraten" hatte, weil sie der Gemeinschaft ,,den Respekt verweigert" hatte. Aber welchen Respekt war Rita ihrer Kultur schuldig? Sie entstammte dieser Kultur, dennoch besaß sie den Mut, ihre eigene Kultur infrage zu stellen, ihr im Namen der Gerechtigkeit und der Freiheit ,,den Respekt zu verweigern", wofür sie einen sehr hohen Preis zahlen musste.

Ritas Geschichte ist die Geschichte all jener, die in jedem Winkel dieses Planeten, in jedem kulturellen Kontext patriarchalische und autoritäre Muster infrage stellen und die beschuldigt werden, den Traditionen, der Kultur und der Gemeinschaft den Respekt zu verweigern, beschuldigt von denen, die den Status quo aufrechterhalten wollen.


Aus: "Debatte um Identitäten und Multikulti: Die gewollte Spaltung" Cinzia Sciuto (19. 8. 2020)
Quelle: https://taz.de/Debatte-um-Identitaeten-und-Multikulti/!5702485/

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Quote[...] Die Gesellschaften Europas, in denen wir heute ­leben, werden zunehmend komplex. Ethnische, religiöse und kulturelle Konflikte durchziehen sie und machen eine Suche nach neuen Entwürfen des Zusammenlebens erforderlich. Will eine Gesellschaft kulturelle Vielfalt und Persönlichkeitsrechte unter ­einen Hut bringen, das zeigt Cinzia Sciuto in ihrem Buch, muss sie zwischen Staat und Religion unterscheiden. Sie muss laizistisch sein. Laizität ermöglicht den diversen Spielarten von Religionen und Weltsichten erst, in einer pluralistischen Gesellschaft nebeneinander zu existieren. Sie garantiert auf der einen Seite die Religionsfreiheit, gleichzeitig legt sie jedoch Prinzipien fest, von denen nicht abgewichen werden darf, auch nicht im Namen irgend­einer Gottheit. Laizität ist die vorpolitische Voraus­setzung für ein ziviles Zusammenleben in einer komplexen Gesellschaft, in dem die Freiheiten und Menschenrechte von allen respektiert werden.
Dieser politische Essay in der Art wie die von Carolin Emcke oder Hamed Abdel-Samad zeigt die problematische Kehrseite des Multikulturalismus. Wo Anerkennung und Respekt für die Identitäten der diversen ethnischen, religiösen und kulturellen Bestandteile einer Gesellschaft eingefordert werden, läuft man Gefahr zu vergessen, dass jeder Einzelne Träger seiner subjektiven Rechte ist und keine Gruppenzugehörigkeit diese ihm streitig machen kann. Cinzia Sciuto stellt die Prioritäten wieder auf die Füße: Das Individuum ist Träger von Identitäten und Zugehörigkeiten, anstatt dass es von seiner Zugehörigkeit definiert wird.



Laizität und Menschenrechte in einer vielfältigen Gesellschaft
Originaltitel: Non c'è fede che tenga
Übersetzung: Johannes von Vacano
Rotpunktverlag, 08/2020
Einband: Gebunden
Sprache: Deutsch
ISBN-13: 9783858698865
Umfang: 180 Seiten



Aus: "Buch  - Cinzia Sciuto: Die Fallen des Multikulturalismus" (2020)
Quelle: https://www.jpc.de/jpcng/books/detail/-/art/cinzia-sciuto-die-fallen-des-multikulturalismus/hnum/9870542

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#7


Quote[...] [Viola Nordsieck ist freie Journalistin und angehende Lehrerin. Ihre Promotion in Philosophie befasste sich u. a. mit dem französischen Philosophen Henri Bergson und erschien unter dem Titel ,,Formen der Wirklichkeit und der Erfahrung" bei Karl Alber. Ihr nächstes Buch erscheint 2020 beim Neofelis Verlag, ein Kollektivprojekt mit dem Titel ,,Kultur und Politik des prekären Lebens"]

... Die ,,offene Gesellschaft" gilt vielen heute einfach als eine, in der alle tun und lassen, denken und sagen können, was sie möchten. Dabei hatte der Ausdruck ursprünglich eine präzisere Bedeutung. Um genau zu sein, sogar zwei unterschiedliche Bedeutungen.

Bekannt wurde der Ausdruck durch das Buch ,,Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" des Philosophen Karl Popper, der es 1945 publizierte als neoliberale Intervention gegen Kommunismus und Faschismus. Den Ausdruck ,,offene Gesellschaft" hat er von einem Philosophen übernommen, der, wie Popper sagte, absolut alles anders denke als er selbst: Henri Bergson. In dem damals viel gelesenen Buch ,,Die beiden Quellen der Moral und der Religion" (1932) entwarf der französische Philosoph das Bild von der offenen und der geschlossenen Gesellschaft.

Seine offene Gesellschaft hat keine ökonomische Zweckrationalität im Zentrum, sondern besteht aus Akteuren, die auch emotionale und soziale Bedürfnisse haben und in der Lage sind, diese zu erkennen. Demgegenüber würden sich die zweckrationalen Entscheidungen eines homo oeconomicus letztlich immer als kurzsichtig und selbstzentriert erweisen. Die Verantwortung für das Gemeinwesen dürften deshalb nicht die Einzelnen selbst tragen, sondern sie müsste kollektiv übernommen werden. In allen Werken Bergsons betont er die Wichtigkeit eines Denkens über Zweckrationalität hinaus. Konkret hieße das heute: soziale Gerechtigkeit, Klimagerechtigkeit, und ein Mitdenken für alle, die Teil der Gesellschaft sind.

Bergson beschreibt die individuelle Haltung als eine Art emotionaler Grundausrichtung, die in wechselnden Stufen offen oder geschlossen sein kann und sich im Handeln, Fühlen und Denken der Menschen ausdrückt. Ist diese Haltung eher eine geschlossene, dann wird sich die Aufmerksamkeit und die Liebe der Menschen auf einen engen Kreis beschränken, etwa die eigene Kernfamilie. Eine offenere Haltung zeigt sich darin, dass Ambiguität nicht als bedrohlich, sondern als interessant wahrgenommen wird. In Ergänzung zu Bergson können wir sagen: Eine prekäre, ständig bedrohte Existenz wird einer offenen Haltung nicht förderlich sein.

In welchem Maß eine Gesellschaft offen ist, zeigt sich nicht nur an ihrer Verfasstheit, sondern vor allem an den Erfahrungen, die Menschen machen. Es braucht Vertrauen in die Gemeinschaft, damit Menschen den Mut haben, offen zu sein. Solange Menschen etwa rassistisch ausgeschlossen werden oder in Lagern zurück und dem Tod überlassen werden, solange darüber nachgedacht wird, ob es verschmerzbar ist, dass Menschen mit Vorerkrankungen sterben, mit denen sich noch viele Jahre gut leben ließe: so lange werden Menschen der Gesellschaft nicht vertrauen – so lange ist sie eben keine offene. Denn alle wissen, dass im Zweifel auf sich selbst zurückgeworfen sind, dass sie es nur schaffen können, wenn sie selbst zu den Starken gehören.

Bergson betont, dass es die offene Gesellschaft nicht gibt: beide Tendenzen sind immer vorhanden. Das Ideal einer offenen Gesellschaft aber wäre so gestaltet, dass alle Menschen sich sicher fühlen könnten. Wer immer also dieses Ideal bemüht, sollte sich über die Ambiguität des Begriffes klar sein und deutlich machen, ob es um eine neoliberale Fiktion von Ideologiefreiheit geht oder um eine Entwicklung hin zu einer offenen Haltung, die auf die Gemeinschaft vertraut.


Aus: "Offen heißt, offen für alle Menschen" Überlegungen von Viola Nordsieck (13.05.2020)
Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/ueber-das-wesen-einer-offenen-gesellschaft-offen-heisst.1005.de.html?dram:article_id=476492

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Quote[...] Wissen rettet Leben (Montag, 25. Januar 2021)

Die größte Stärke der Wissenschaft ist ihre Offenheit. Ihre Fähigkeit, neue Erkenntnisse aufzunehmen und alte Erkenntnisse zu verwerfen. Ein Wissenschaftler wird von seiner Unwissenheit angetrieben. Er hat Fragen, er hat Zweifel und er begibt sich auf die Suche nach Antworten. Er muss in der Lage sein, im Licht neuer Erkenntnisse seine Meinung zu einer Forschungsfrage zu ändern. Flexibilität und Diskursfähigkeit sind, neben Intelligenz und Ausbildung, für ihn elementar.

Religionen und Ideologien sind im Gegensatz zur Wissenschaft geschlossene Systeme. Ihre Anhänger glauben, sie befänden sich exklusiv im Besitz der Wahrheit. Sie haben keine Fragen, weil sie alle Antworten in ihren heiligen Schriften besitzen. Sie haben auch keine Zweifel. Wer zweifelt, ist für religiöse und ideologische Organisationen untauglich. Ein gläubiger Christ oder Muslim, ein Marxist oder ein Faschist werden ihre Meinung niemals ändern. Sie haben die Bibel und den Koran, Das Kapital und Mein Kampf.

Der Laie hält die Offenheit und Wandlungsfähigkeit der Wissenschaft für eine Schwäche. ,,Erst war die Erde eine Scheibe, jetzt ist sie plötzlich eine Kugel. Entscheidet euch endlich mal!" Das Wissen ist für ihn in Stein gemeißelt. Es kann für ihn in der Wissenschaft keine unterschiedlichen Meinungen geben. Er begreift nicht, dass es ohne offenen Diskurs keinen Fortschritt gibt. Was der Laie als Fehler betrachtet, ist in Wirklichkeit einer der größten Revolutionen der Menschheit. Es gibt keine absolute Wahrheit. Jeder kann sich irren. Wir können unser Wissen weiterentwickeln.

Wer hat die rettenden Impfstoffe gegen Covid-19 entwickelt? Waren es Priester oder Politiker, Demonstranten oder Volksverhetzer? Es waren Wissenschaftler aus aller Welt. Ihnen sind wir zu Dank verpflichtet und nicht den Schwätzern, die glauben, sie wären im Besitz der absoluten Wahrheit. Sie haben zur Lösung des Problems nichts beigetragen. Forschungserfolge sind der einzige Weg aus der Krise.

P.S.: Vor vielen Jahren, als ich noch in einem Forschungsinstitut gearbeitet habe, war ich einmal mit einer Frau zum Abendessen verabredet, die bei RTL gearbeitet hat. Als sie mir in vorwurfsvollem Ton erklärte, die Wissenschaftler wüssten auch nicht alles, musste ich sehr lachen. Dann habe ich ihr den Grund meiner ausgelassenen Heiterkeit genannt: Niemand kennt die eigene Unwissenheit und Unzulänglichkeit besser als ein Wissenschaftler. Die größten Vollidioten erkennen Sie zuverlässig daran, dass sie ihre persönliche Meinung für ein unwiderlegbares Naturgesetz halten.


Aus: "Wissen rettet Leben" Matthias Eberling (Januar 25, 2021)
Quelle: https://kiezschreiber.blogspot.com/2021/01/wissen-rettet-leben.html