[....] Die Diskussion über Online-Razzien sei in den vergangenen Tagen "geradezu hysterisch geführt", bemängelte der CDU-Politiker: "Es wurde geradezu der Eindruck erweckt, als plane der Staat eine Schleppnetzfahndung im Internet, um zu sehen, was der Bürger so alles auf seiner Festplatte hat." Das sei nicht akzeptabel, wiederholte Bosbach die Einschätzung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU). Ein Sprecher des Innenressorts mahnte zugleich gegenüber dpa erneut zur Eile bei der Einführung einer gesetzlichen Regelung für verdeckte Online-Durchsuchungen: "Jede Verzögerung kann ein potenzielles Risiko bedeuten."
Der bayerische Innenminister Günther Beckstein bezweifelte gegenüber der Süddeutschen Zeitung unterdessen, ob die von Schäubles Beamten im Notfall erwogene "Behörden-E-Mail" als Türöffner für den so genannten Bundestrojaner "der Königsweg ist". Sicher sei jedoch, dass durch diese Variante "weniger in die Rechte Einzelner eingegriffen wird, als wenn man gefälschte E-Mails von Verwandten oder der Geliebten verschickt". Prinzipiell hielt der designierte bayerische Ministerpräsident an der Notwendigkeit von Netzbespitzelungen fest. Zwar sei notwendig, über den rechtsstaatlichen Rahmen von Online-Razzien zu diskutieren. "Dass es aber einen generellen rechtsfreien Raum im Bereich des PCs geben könnte, hielte ich für einen Systembruch." Zugleich glaubt der CSU-Politiker nicht, dass die unter anderem von Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) eingereichte Verfassungsbeschwerde "dazu führen wird, dass das Bundesverfassungsgericht Online-Durchsuchungen generell untersagt".
Laut dem Berliner Strafrechtler Ulf Buermeyer geht die Meinung in der juristischen Diskussion aber "fast einhellig dahin, dass das Gesetz wohl keinen Bestand haben wird in Karlsruhe". Allerdings sei die entscheidende Frage, auf welche Gründe im Einzelnen das Gericht seine Entscheidung stützen werde, erklärte der Richter im Deutschlandfunk. Er gehe davon aus, dass eine Online-Durchsuchung zum Zwecke der Überwachung der Telekommunikation direkt an der unverschlüsselten Quelle am heimischen PC "wohl verfassungsrechtlich weniger heikel ist als die Durchsuchung der Festplatte". Auf der anderen Seite werde "natürlich dann der Eskalation Tür und Tor geöffnet". Wenn der Bundestrojaner erstmals auf den Rechner eines Betroffenen eingepflanzt werden darf, habe der Staat "den virtuellen Fuß in die Wohnungstür gesetzt." Der Schritt vom Abhören der Internet-Telefonie hin zur "vollständigen Überwachung des Rechners" sei dann nur noch ein kleiner.
Die Pläne des Innenministeriums, Netzbespitzelungen drei Tage lang bei Gefahr im Verzug auch ohne richterliche Genehmigung durchführbar zu machen, sind nach Buermeyers Meinung kaum mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. Da die Online-Überwachung eines privaten Computers seiner Ansicht nach "nicht milder zu bewerten ist als ein großer Lauschangriff", könne er sich "nicht vorstellen, dass ein Gesetz Bestand hätte in Karlsruhe, das wesentlich niedrigere Hürden vorsieht." Bei der akustischen Wohnraumüberwachung sei es nämlich so, dass regelmäßig eine mit drei Richtern besetzte Kammer über diesen Zugriff entscheiden müsse.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) begrüßte inzwischen die öffentliche Diskussion über das Vorhaben Schäubles und forderte den Bundesinnenminister auf, die Bürger umfassend über die Konsequenzen aufzuklären und deren Ängste ernst zu nehmen. "Der Eindruck der Geheimniskrämerei über das, was der Gesetzgeber an polizeilichen Befugnissen und den Einsatz von technischen Mitteln plant, um der Herausforderung durch den weltweiten Terrorismus begegnen zu können, wäre kontraproduktiv", betonte der GdP-Vorsitzender Konrad Freiberg. Offensichtlich habe Schäuble nicht richtig eingeschätzt, "welche Bedeutung die moderne Technik mittlerweile für die Menschen hat und wie stark sie mit privaten Lebensbereichen verknüpft ist". Das gelte allerdings auch für Kriminelle und Terroristen. Wenn die Polizei aus dieser virtuellen Welt ausgeschlossen würde, könne sie dort auch die Bürger nicht schützen.
"Einstellen statt ausweiten", lautet derweil das Votum des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV) im Hinblick auf Online-Razzien. Die Vereinigung rechnet bei einer Verabschiedung der Befugnisse mit gravierenden Auswirkungen auf Journalisten. Wer über Verbrechen recherchiere, könne ins Fadenkreuz der Online-Fahnder geraten, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Michael Konken: "Recherchefreiheit und Informantenschutz würden durch die drohende Online-Durchsuchung fundamental in Frage gestellt." Schäuble solle das Vorhaben "endlich ad acta legen und damit der Pressefreiheit gerecht werden".
31. August 2007 18:09
Durchgedreht:
Gulasch Nikov (mehr als 1000 Beiträge seit 05.05.05)
"weniger in die Rechte Einzelner eingegriffen wird, als wenn man
gefälschte E-Mails von Verwandten oder der Geliebten verschickt"
31. August 2007 18:27
Re: Durchgedreht:
trex0r (69 Beiträge seit 06.03.07)
Killerd schrieb am 31. August 2007 18:22
> Urkundenfälschung ?
Aspiringulasch mit blauen Bananen?
^
31. August 2007 19:03
Gemeine, heimtückische Niedertracht
Gaulois (304 Beiträge seit 27.03.06)
Wenn sich ein Innenminister Beckstein hinstellt, und das Verschicken
von gefälschten Behördenemails oder gar gefälschter persönlicher
Briefe als ernsthaft gangbaren Weg in der Verbrechensbekämpfung
hinstellt, so fügt er damit dem Ansehen des Staates und dem Frieden
in der Gesellschaft mehr Schaden zu, als es 100 wildgewordene Taliban
jemals erreichen könnten.
Dies sind die Methoden von Strauchdieben, Heiratsschwindlern und
Berufsverbrechern, und an gemeiner, heimtückischer Niedertracht
schwerlich zu überbieten. Sie sind eines Rechtsstaates schlicht
unwürdig. [...]
31. August 2007 19:18
Der Suizid-Thread
der_spiegel (mehr als 1000 Beiträge seit 24.09.04)
Lasst uns noch heute alle Selbstmord begehen.
Jeder neue Tag kann ein potenzielles Risiko bedeuten.
Aus: "Koalition vertagt Beratungen zu Online-Razzien" Stefan Krempl (31.08.2007)
Quelle:
http://www.heise.de/newsticker/meldung/95292-.-
[...] Der 78-seitige "Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt", datiert vom 11. Juli 2007, ist dem CCC von unbekannter Seite zugespielt worden. Der Entwurf hat es in sich. Der Bundesinnenminister will dem BKA deutlich mehr Befugnisse zur heimlichen Überwachung der Bevölkerung verschaffen, als bisher bekannt wurde. So sollen nicht nur unmittelbar Terrorverdächtige überwacht werden, sondern auch "Kontakt- und Begleitpersonen", wenn "die Verhütung dieser Straftaten auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre". Nach welchen Kriterien das im Einzelfall entschieden werden soll, sagt der Gesetzentwurf nicht.
Zu den vorgesehenen Überwachungsmaßnahmen, von denen auch "Kontakt- und Begleitpersonen" betroffen sein könnten, gehört nicht nur die Rund-um-die-Uhr-Beschattung sondern auch der "Einsatz technischer Mittel außerhalb von Wohnungen in einer für den Betroffenen nicht erkennbaren Weise" sowie von "Vertrauenspersonen" und "verdeckten Ermittlern" (V-Leute). Die V-Leute sollen auch heimlich die Wohnung von Überwachten betreten dürfen, "bei Gefahr im Verzuge" sogar ohne richterliche Genehmigung.
In Anbetracht der Fülle der im Gesetzentwurf vorgeschlagenen Maßnahmen mit tief reichenden Grundrechtseingriffen sieht der CCC die Gefahr, dass bei Verabschiedung des Gesetzentwurfes "de facto eine Geheimpolizei [entsteht], wie sie in Deutschland zuletzt in der DDR existierte". Der CCC warnt deshalb ausdrücklich davor, "dem Gesetz auch nur teilweise zuzustimmen. Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten darf nicht weiter ausgehöhlt werden." [von Robert A. Gehring]
Aus: "CCC veröffentlicht Schäuble-Katalog" (Networld / 31.08.2007 / 13:46)
Quelle:
http://www.golem.de/0708/54477.html-.-
[....]
BERLIN. Eine neue Affäre beim skandalgebeutelten Bundesnachrichtendienst (BND) droht die Diskussion um Zulässigkeit und Missbrauchsgefahren bei Online-Durchsuchungen anzuheizen. Ein in Berlin tätiger Mitarbeiter des Geheimdienstes, der mit der Überwachung der elektronischen Kommunikation ausgewählter Botschaften betraut war, soll seine technischen Möglichkeiten auch privat genutzt haben. So wird dem Beamten vorgeworfen, während seines Dienstes den Email-Verkehr eines Deutschen ausgespäht zu haben, weil dieser ein Verhältnis mit seiner Frau hatte. Inzwischen soll die Berliner Staatsanwaltschaft in diesem Fall ermitteln.
Nicht nur im BND hat die Affäre für Verärgerung gesorgt, sondern auch in der Bundesregierung. "Zur Unzeit" sei diese Sache geschehen, heißt es. "Wir können uns jetzt eine Diskussion über den Missbrauch von elektronischen Überwachungsmöglichkeiten eigentlich nicht leisten", sagt ein Sicherheitsbeamter.
Geheimdienstexperten zufolge praktiziert der BND bereits seit Jahren die heimliche Ausspähung von PC. Das ist dem Dienst allerdings auch erlaubt, sofern er dies im Ausland durchführt. Der Verfassungsschutz soll seit Ende 2005 bis Anfang 2007 in zehn Fällen private Computer durchsucht und überwacht haben, nachdem dies am Ende der rot-grünen Regierungszeit von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) genehmigt worden war. Der Süddeutschen Zeitung zufolge sei in einem Fall der Computer eines in Berlin lebenden Terrorverdächtigen "angezapft" worden. Dabei seien die Fahnder heimlich in die Wohnung des Mannes eingedrungen, um den PC zu präparieren.
Aus: "BND: Beamter unter Verdacht" Andreas Förster (Berliner Zeitung, 31.08.2007)
Quelle:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/tagesthema/682376.html-.-
[...] Kommentar: Respekt. Minister Schäuble kämpft wirklich unerschrocken für unser aller Sicherheit. Statt ständig zu meckern, sollten wir ihn wirklich besser darin unterstützen und mitmachen. Zuerst wird per Bundestagsbeschluss die Online-Durchsuchung ohne Richterbeschluss ermöglicht. Und statt umständlich immer nur wenige Verdächtige und ihre Begleiter auszusuchen, wird einfach jeder überwacht. Denn so wirklich völlig unverdächtig ist ja eigentlich keiner.
Jetzt wäre es natürlich lästig, wenn man 80 Millionen Trojaner an die Bundesbürger versenden müsste. Da wäre es doch praktisch, wenn der gleich in Windows Vista fest eingebaut wäre. Wär´vielleicht eine Idee für das nächste Service Pack? Und in Linux muss auch ein BKA-Trojaner sein. Ubuntu und Kubuntu nicht vergessen.
Oder noch besser: Der Bundes-Trojaner - vielleicht bald schon EU-Trojaner - wäre in einem Chip auf dem Mainboard fest verdrahtet. Dann kämen Querdenker wie die Tom´s Hardware-Community gar nicht erst auf dumme Gedanken. Wir sollten uns als Verbraucher zusammentun und das von Microsoft, Novell und der Mainboard-Industrie einfordern. Mehr Überwachungs-Qualität. Kein PC darf mehr das Werk verlassen ohne Überwachungs-Chip. Kombiniert mit einem nicht abschaltbaren PC und einer nicht abschaltbaren Internetverbindung und einer nicht abschaltbaren Webcam wird der Chip zu unserem ständigen aufmerksamen Begleiter zuhause.
Außerdem überwachen wir uns dann alle gegenseitig. Das ist Pflicht. So selbstverständlich wie das Zähne Putzen. Natürlich bleiben auch Politiker, BKA-Präsidenten, Ackermänner, Vorstandsvorsitzende und Minister nicht verschont. Es überwacht einfach jeder jeden. Es gibt kein Oben und kein Unten mehr.
Und jeder, der überwacht, muss auch Verdächtige melden. Und wer überwacht und andere meldet, wird auch selbst überwacht und gemeldet. Und Outlook hat standardmäßig schon die entsprechende BKA-Stelle im E-Mail-Adressbuch eingetragen.
Deutschland wäre endlich wieder mal Vorreiter - im Überwachen als Lebensstil. Dann hätten wir endlich die Sicherheit, für die der Minister Schäuble so unerschrocken kämpft.
Die Terroristen bräuchten wir dann auch nicht mehr fürchten. Denn die hätten ihr Ziel ja erreicht.
Aus: " Online-Durchsuchung: Noch mehr, noch schärfer" (Freitag, 31. August 2007 von Mehmet Toprak)
Quelle:
http://www.tomshardware.com/de/Bundestrojaner-Schauble-Innenministerium-BKA,news-239836.html-.-
Terrorbekämpfung contra Freiheitsstaat Übersicht über eine hitzige Debatte (AKTUELL VOM 31.08.2007)
Der Streit um die Online-Durchsuchung ist Teil einer breit angelegten Debatte um die Terrorismusbekämpfung. Die Ankündigung von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU), sogenannte Bundestrojaner, also staatliche Virenprogramme, gegebenfalls als Behörden-Mitteilung zu versenden, empfinden viele als Angriff auf die Privatsphäre.
Neben diesem Projekt wurden eine Reihe anderer Themen in die Diskussion eingebracht, die darauf hinauslaufen, dem Staat im Anti-Terror-Kampf deutlich erweiterte Kompetenzen zu geben. Kritiker befürchten eine Aushöhlung des Rechtsstaates und unverhältnismäßige Einschränkungen der bürgerlichen Freiheitsrechte.
Einige Gesetzesänderungen wurden bereits durchgesetzt: Die sogenannte Anti-Terror-Datei ermöglicht es Polizei wie Geheimdiensten gleichermaßen, auf persönliche Informationen Verdächtiger zuzugreifen. Ebenso ist der ab November 2007 allgemeinverbindliche biometrische Pass Bestandteil des Anti-Terror-Konzepts. Dagegen wurde eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes, die den Abschuss entführter Flugzeuge realisiert hätte, vom Bundesverfassungsgericht abgewiesen. Viele andere Konzepte sind noch nicht endgültig entschieden, stehen noch zur Debatte.
Deutschlandradio hat zu den einzelnen Themen umfangreich berichtet. Anbei eine Auswahl von Beiträgen und Interviews...
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http://www.dradio.de/aktuell/664301/