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[Vernichtung von Daten (löschen)... ]

Started by Textaris(txt*bot), December 06, 2007, 04:53:03 PM

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Textaris(txt*bot)

Quote[...] Suchmaschinen wie Google müssen Verweise auf Artikel über Menschen nur dann aus ihren Trefferlisten löschen, wenn die Betroffenen offensichtlich falsche Angaben nachweisen können. Das hat der Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden. Die Betreiber sind demnach nicht verpflichtet, die Nachweise für Falschinformationen selbst zu ermitteln beziehungsweise auf die Betroffenen zuzugehen.

Im konkreten Fall ging es um ein Paar aus der Finanzdienstleistungsbranche. Die Kläger wollten, dass mehrere kritische Artikel über ihr Anlagemodell nicht mehr als Treffer auftauchen, wenn man bei Google nach ihren Namen sucht. Eine US-amerikanische Website hatte die entsprechenden Artikel veröffentlicht. Deren Betreiberin war wiederum Vorwürfen ausgesetzt, sie begünstige gezielt negative Berichte, um die Betroffenen damit zu erpressen.

Google entfernte die Links zu den Artikeln nicht. Zur Begründung hieß es, man könne nicht beurteilen, ob die Vorwürfe wahr seien.

Vor seinem Urteil hatte sich der Bundesgerichtshof an den Europäischen Gerichtshof gewandt. Dieser entschied Ende vergangenen Jahres dann, dass eine Suchmaschine Suchtreffer auszulisten habe, wenn Betroffene nachwiesen, dass die verlinkten Berichte offensichtlich unrichtige Informationen enthielten oder zumindest ein wichtiger Teil davon nicht richtig sei. Dabei müssten die Betroffenen aber lediglich Nachweise vorlegen, die "vernünftigerweise verlangt werden können", um die offensichtliche Unrichtigkeit festzustellen. An dieser Entscheidung orientierten sich die Karlsruher Richter nun.

Der BGH gab dem Paar allerdings in einem Punkt recht, nämlich, dass keine Fotos mit ihnen ohne jeglichen Kontext in den Trefferlisten angezeigt werden dürfen – sogenannte Vorschaubilder.

Bereits 2020 hatte der Bundesgerichtshof eine weitere Klage zum sogenannten Recht auf Vergessenwerden entschieden. Darin ging es um einen ehemaligen Geschäftsführer eines regionalen Wohlfahrtsverbands in Mittelhessen. Er wollte Google-Treffer entfernen lassen, die auf ältere Presseberichte verwiesen, die in Verbindung mit seinem vollen Namen über eine Erkrankung und ein Millionen-Minus seines Verbands berichteten. Darauf habe er keinen Anspruch, so das Gericht. Das Ereignis sei von erheblichem öffentlichem Interesse, begründeten die Richter ihr damaliges Urteil. Insgesamt, müsse aber in jedem einzelnen Fall abgewogen werden, ob das Persönlichkeitsrecht oder das Recht der Öffentlichkeit auf Informationen höher zu bewerten sei.


Aus: "BGH-Urteil: Google muss Suchergebnisse zu Personen nur bei Falschangaben löschen" (23. Mai 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/digital/datenschutz/2023-05/google-bgh-artikel-datenschutz

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Offenbar ohne es groß anzukündigen oder vorzuwarnen, wurden auf Reddit Chatnachrichten gelöscht, die vor dem Jahr 2023 verfasst wurden. Das haben US-Medien zusammengetragen, die von Reddit lediglich auf eine im Juni verfasstes Changelog verwiesen wurden. In dem teilte das Portal mit, dass Chatnachrichten aus dem Jahr 2023 ab dem 30. Juni auf eine neue Infrastruktur übertragen würden. Nur implizit geht daraus aber auch hervor, dass die älteren Nachrichten im Zuge dessen verloren gehen. Von einem Reddit-Administrator hieß es auf eine diesbezügliche Beschwerde, dass ältere Chats hoffentlich über den Datenexport abgerufen werden könnten. Das klappt aber offenbar nicht immer, zeigen weitere Beschwerden.

Angekündigt hat Reddit den Datenverlust in einem Beitrag im Subreddit r/reddit am 22. Juni. Am Ende des Chatlogs heißt es, "wir wechseln auf eine neue Chat-Infrastruktur" und "wir migrieren alle Nachrichten, die ab dem 1. Januar 2023 abgeschickt wurden". Dass die restlichen Chat-Nachrichten dabei verloren gehen, steht dort nicht direkt. Losgehen sollte der Umzug dabei aber schon am 30. Juni, also lediglich acht Tage später. Vorab mitbekommen haben deshalb wohl nicht viele von der Migration und dem Datenverlust, was die sich seitdem häufenden Beschwerden erklärt.

Das US-Magazin Mashable hat Kritik von Nutzern und Nutzerinnen gesammelt, die die verlorenen Chats beklagen. Einer sagt demnach, dass er auf Reddit seine jetzige Ehefrau getroffen hat und sie nun die ersten gemeinsamen Nachrichten verloren hätten. Andere beschweren sich, dass über Jahre zusammengetragene Chats verloren seien. "Drei Jahre können doch nicht einfach so verschwinden", meint ein anderer User, der beklagt, plötzlich nicht mehr an die eigenen Nachrichten zu kommen. Darunter erfolgte die Antwort eines Admins, der auf den Datenexport verweist. Die diesbezügliche Anfrage lässt sich aber nur alle 30 Tage stellen. Einige beklagen, dass auch darin nicht alles enthalten sei, in einem von heise online geprüften Fall sind auf diesem Weg zumindest einige Chats aufgetaucht.

Nach einer Protestwelle ab Mitte Juni war auf Reddit zuletzt wieder weitgehend Normalität eingekehrt. Dann haben aber nicht nur die verlorenen Chat-Nachrichten für neuen Ärger gesorgt: Vergangenen Donnerstag kündigte das Portal außerdem an, dass das existierende System der Awards eingestellt wird. Seitdem können keine neuen Coins mehr erworben werden, mit denen man wiederum Awards kaufen kann. Bestehende Coins und Awards können demnach noch bis zum 12. September genutzt werden, danach wird das System komplett eingestellt. Was folgt, ist unklar, aber es gibt Hinweise, dass es für besonders beliebte Beiträge Geld geben könnte. Bislang gibt es aus der Community vor allem Kritik.

(mho)


Aus: "Reddit: Chathistorien von vor 2023 bei Datenumzug verloren gegangen" Martin Holland (17.07.2023)
Quelle: https://www.heise.de/news/Reddit-Chathistorie-von-vor-2023-bei-Datenumzug-verloren-gegangen-9218302.html

Quotekeeper_of_traaken, 17.07.2023 13:28

Reddit ist so etwas von tot . Cloud ist eben doch nur der Computer eines anderen, der damit macht was er will. ...


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Im Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter) sind etliche Links und Bilder aus Tweets abhandengekommen, die vor Dezember 2014 gepostet wurden. Erste Befürchtungen, dass die Bilder komplett gelöscht wurden, scheinen aber nicht zuzutreffen. Offenbar haben Veränderungen, die im Zusammenhang mit dem Link-Shortener stehen, die Probleme ausgelöst. Unklar ist, ob und wann das Problem behoben wird.

Unter der Vielzahl der betroffenen Nachrichten fand sich zeitweise auch einer der meistgeteilten Posts des Netzwerks, den die US-Schauspielerin Ellen DeGeneres im Jahr 2014 während einer Oscar-Verleihung postete. Auf dem bekannten Selfie ist sie mit Bradley Cooper, Jennifer Lawrence und anderen Prominenten zu sehen. Inzwischen wird dieses Bild aber wieder angezeigt, was für eine Vielzahl anderer Tweets hingegen nicht gilt. Betroffen sind zum Beispiel auch Bilder der ukrainischen Maidan-Revolution der Jahre 2013 und 2014. X/Twitter wird wegen seiner Unmittelbarkeit zum Geschehen auch gerne von Historikern als Quelle genutzt.

X-Nutzer Tom Coates gehört zu denen, die das Problem am Wochenende als Erstes aufzeigten. X-Eigner Elon Musk und das Unternehmen haben sich bislang nicht dazu geäußert. Eine Pressestelle, an die Fragen gerichtet werden können, gibt es bei X nicht.

Links, die mit dem URL-Verkürzer von X/Twitter erzeugt wurden (t.co), erscheinen in den betroffenen Posts als reiner Text und können nicht angeklickt werden. Es erscheint inzwischen als wahrscheinlich, dass das Problem mit technischen Veränderungen im Jahr 2016 in Verbindung steht. Mit den Änderungen wurden Links in Tweets nicht mehr auf das Limit von damals 140 Zeichen angerechnet und stattdessen Daten als Metadaten in Tweets gespeichert. Diese Metadaten wurden bereits seit Ende 2014 angelegt – das Nichtvorhandensein der Daten bei älteren Tweets könnte folglich die Ursache sein.


Aus: "Verschwinden von alten Tweets: Links und Bilder-Probleme bei X (ehemals Twitter)" Malte Kirchner (21.08.2023)
Quelle: https://www.heise.de/news/Verschwinden-von-alten-Tweets-Links-und-Bilder-Probleme-bei-X-ehemals-Twitter-9268773.html

QuoteVah Raman

21.08.2023 10:30


2014 war Twitter noch schön

es wäre schade, wenn ausgerechnet die alten Inhalte verschwinden. Heute schwimmt meist Gülle durch die Timeline. Das will nun wirklich niemand sehen.
Eigentlich sollte ganz Twitter nach archive.org gesichert und anschliessend abgeschaltet werden.


...

Textaris(txt*bot)

... dass sich das brisante Dokument "aus dem Archivgut nicht mehr rekonstruieren" lasse. ...

Quote[...] Der Erlanger Doppelmord an dem Rabbiner Shlomo Lewin (69) und seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke (57) von 1980 rückt immer mehr in den Fokus der bayerischen Landtagsopposition. Auslöser sind die Veröffentlichungen des gemeinsamen Rechercheteams von Bayerischem Rundfunk und Nürnberger Nachrichten über ein bislang geheimes Dokument des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz.

Laut der Akte hatte ein V-Mann des Geheimdienstes kurz vor dem Doppelmord mögliche Mordvorbereitungen von Neonazis der Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) beobachtet. Über das Geheimpapier hatte als erstes die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtet.

"Erlanger Doppelmord 1980: Kurz vor der Tat trat V-Mann auf" (11.08.2023)
Vor knapp 43 Jahren wurden der jüdische Verleger Shlomo Lewin und seine Freundin Frida Poeschke in Erlangen ermordet. Der Täter kam aus der Neonazi-Szene. Nun zeigt sich: Ein Verfassungsschutz-V-Mann war nah dran am Täter und den Mordvorbereitungen.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/erlanger-doppelmord-1980-kurz-vor-der-tat-trat-v-mann-auf,TmT2Yci

Nun wollen die SPD-Landtagsabgeordneten Alexandra Hiersemann, Horst Arnold und Florian Ritter wissen, was die Sicherheitsbehörden damals unternommen hatten, um gefährdete Menschen zu schützen. Und ob der Doppelmord womöglich hätte verhindert werden können. Doch die Staatregierung verweist darauf, dass sich das brisante Dokument "aus dem Archivgut nicht mehr rekonstruieren" lasse. Das geht aus der Antwort des Innenministeriums an die SPD-Politiker hervor.

Alexandra Hiersemann kritisiert, dass die Staatsregierung auf ihre Fragen "wichtige Antworten schuldig bleibt". Hinterbliebene wie die Öffentlichkeit hätten ein Recht darauf zu erfahren, ob der Hinweis eines Spitzels aus der Neonaziszene auf mögliche (Mit-)Täter zu Konsequenzen geführt habe.

Als Todesschütze gilt bislang der Neonazi Uwe Behrendt. Er gehörte der rechtsextremen WSG von Karl-Heinz Hoffmann an. Behrendt, damals 29, wohnte zusammen mit Hoffmann und dessen Lebensgefährtin Franziska B. im Schloss Ermreuth in Oberfranken. Er soll nach der Tat in den Libanon gereist sein und dort Selbstmord begangen haben. Zweifel an dieser These wecken die Beobachtungen, die der V-Mann des Verfassungsschutzes am 12. Dezember 1980, sechs Tage vor dem Doppelmord, bei einem Besuch im Ermreuther Schloss gemacht haben will.

In seinem Bericht an den Verfassungsschutz heißt es: "In der Küche waren Franziska B. und Behrendt. Die B. räumte einige Metallstücke weg. Hoffmann arbeitete an zwei Rohren, die wie Wasserleitungsrohre aussahen. Eines dieser Rohre war an beiden Enden ganz offensichtlich abgesägt, circa 40 Zentimeter lang und neues Metall. Auffallend war, dass Hoffmann dieses Rohr mit Stahlwolle so sorgfältig säuberte, dass man keine Fingerabdrücke mehr feststellen konnte. Er hat dieses Rohrstück nur mit Hilfe von Stahlwolle angefasst und in einen gleichlangen, runden Behälter gesteckt und darauf geachtet, dass er das Metallrohr nicht mit blanken Fingern berührte. Den Abfall füllte die B. eilig in eine Plastiktüte, die Behrend im Auftrag von Hoffmann ´außer Haus` brachte und versteckte."

Auch bei dem kurz danach verübten Doppelmord wurde ein selbst gebauter Schalldämpfer genutzt. Es steht also die Frage im Raum, ob der Geheimdienst wenige Tage vor dem Mord wusste, dass auf Schloss Ermreuth offenbar Schalldämpfer hergestellt wurden und von einer Gefährdungslage hätte ausgehen müssen. Denn solche Quellenberichte übermitteln V-Leute dem Verfassungsschutz in der Regel zeitnah.

Bei dem V-Mann soll es sich um Franz L. gehandelt haben, damals selbst Mitglied der WSG und enger Vertrauter von Hoffmann. Wenige Jahre nach dem Doppelmord wurde Hoffmann und Franziska B. der Prozess vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gemacht, nachdem herauskam, dass die Tatwaffe aus Hoffmanns Besitz stammte und eine am Tatort gefundene Sonnenbrille Franziska B. gehörte. Beide wurden am Ende des Prozesses 1986 freigesprochen.

Nun stellt sich heraus: Wenige Monate nach dem Doppelmord hatten auch die Verfassungsschützer ihren V-Mann Franz L. zu den Vorgängen im Schloss befragt. Dies geht aus dem Schreiben der Staatsregierung an die Erlanger Abgeordnete Alexandra Hiersemann hervor. Er habe aber das am Tatort gefundene Material, aus dem der Schalldämpfer hergestellt worden ist, nicht erkannt.

Hiersemann gibt sich mit diesen Antworten aber nicht zufrieden. Sie hakt mit einem neuen Fragenkatalog bei der Staatsregierung nach. Vor allem verlangt sie nach einer Erklärung, warum der Quellenbericht von Franz L., den das BR/NN-Rechercheteam zitieren, offenkundig im Archiv verschwunden sei.

Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth prüft inzwischen, ob genügend Gründe für die Wiederaufnahme von Ermittlungen vorliegen. Dann könnte es zu einem neuen Prozess kommen. Der Erlanger FDP-Landtagsabgeordnete Matthias Fischbach forderte, dass "der Prozess neu aufgerollt werden" müsse.


Aus: "Erlanger Doppelmord 1980: Brisantes Dokument verschwunden" (29.09.2023)
Quelle: https://www.br.de/nachrichten/bayern/erlanger-doppelmord-1980-brisantes-dokument-verschwunden,TrAvaNV

Shlomo Lewin oder Levin (geboren 13. Mai 1911 in Jerusalem; gestorben 19. Dezember 1980 in Erlangen) war ein deutscher Rabbiner und Verleger. Er war Vertreter der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und aktiver Antifaschist. Der Neonazi Uwe Behrendt, ein Mitglied der rechtsextremen Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG), erschoss Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke in ihrem Wohnhaus in Erlangen aus antisemitischen Motiven. ...
https://de.wikipedia.org/wiki/Shlomo_Lewin


Textaris(txt*bot)

Quote[...] Eigentlich war das Treffen vom Vormittag des 21. September, einem Donnerstag in der Sitzungswoche, Formsache. Zehn Abgeordnete traten im Saal 4.900 im Paul-Löbe-Haus des Bundestags zusammen, Mitglieder jenes Ausschusses, der den chaotischen Abzug aus Afghanistan untersuchen soll: Im Raum steht Regierungsversagen der letzten von Angela Merkel (CDU) geführten Koalition, nämlich bei der Evakuierung bedrohter Staatsbürger und Ortskräfte vor den Taliban im August 2021.

Genau deshalb tagte die kleine Gruppe und beriet ab 11.30 Uhr das weitere Vorgehen. Parlamentarische Aufklärung ist gesetzlich geregelt: Untersuchungsausschüsse haben weitreichende Sonderrechte und können selbst geheime Regierungsakten auswerten. Auch im Fall Afghanistan.

Die Tagesordnung sah daher keine Überraschungen vor: Viele Akten waren endlich eingetroffen – doch etwas fehlte. Prompt ergriff eine anwesende Vertreterin des Kanzleramts das Wort und offenbarte Erstaunliches: eine Löschaktion, ausgerechnet im Büro der früheren Kanzlerin. Aus dem Arbeitstreffen ist ein kleiner Politkrimi geworden.

Dass tatsächlich gelöscht wurde, belegt das vertrauliche Protokoll jener nicht öffentlichen Sitzung, das ZEIT ONLINE vorliegt ("Nur zur dienstlichen Verwendung"). Demnach trug das Kanzleramt vor, dass "personalisierte Kalendereinträge mit dem Ausscheiden aus dem Amt gelöscht" würden. Auch Merkels Kalender ist weg – nach 16 Jahren Kanzlerschaft.

Teilnehmende bestätigen: Das Kanzleramt war in der Sitzung bemüht, alles wie Routine aussehen zu lassen, doch der Vorgang birgt politischen Sprengstoff. Denn, auch das zeigt das Protokoll: Nicht nur Merkels Kalender verschwand, gelöscht wurden "Kalendereinträge von sämtlichen ausgeschiedenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern" des Kanzleramts sowie Termine von Ex-Kanzleramtschef Helge Braun (CDU).

Damit gingen sensible Regierungsdaten verloren, die laut Beweisbeschluss bereits seit Ende August 2022 im Untersuchungsausschuss vorliegen und dringend herbeigezogen werden müssten, um den Fall Kabul aufzuklären: Wieso wurden nicht mehr Menschen evakuiert? Wie ernst nahm man das? Die Kalender des Kanzleramts sind wichtig, um feststellen zu können, was man dort unternahm, als die afghanische Republik kollabierte. Wer hielt Stellung im Büro? Wer machte Wahlkreistermine oder gar Urlaub?

Dass Inhalte fehlen, die dies ausleuchten, sorgt für Ärger im Bundestag. Das Kanzleramt wurde zu einem Sonderbericht verdonnert, vertröstete die Obleute des Ausschusses am Dienstagabend jedoch abermals. Dort ist man sich der Sensibilität der Causa bewusst und pocht weiter auf Klärung. Auf Anfrage von ZEIT ONLINE sah sich das Kanzleramt den gesamten Dienstag über nicht imstande, offene Fragen zu beantworten.

Besonders misslich: BND und Verteidigungsministerium verfügten bereits kurz nach der Kabuler Luftbrücke Löschmoratorien, was zeigt, dass Sorgfalt sehr wohl geboten war, zumal ein Untersuchungsausschuss früh im Raum stand. Im Kanzleramt sind dennoch rund um Merkels Amtsausscheiden am 8. Dezember 2021 Daten vernichtet worden. Noch ist unklar, wer löschte, ob der Computer der Kanzlerin betroffen ist, sie womöglich beteiligt war und wann das alles ganz genau geschah. Ein Back-up soll nicht existieren.

Wie ZEIT ONLINE recherchierte, schrieb Merkel während der Kabul-Krise dienstliche SMS, etwa mit CDU-Kollegin Tanja Gönner, die damals im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) war und GIZ-Ortskräfte evakuieren musste.

Gönner, heute BDI-Chefin und Industrielobbyistin, hielt damaligen Unterlagen zufolge einen Handydraht zu Merkel ("haben kurz gesimst") und bekam von ihr im August 2021 Regierungsinformationen geschickt – was nicht veraktet wurde und im Untersuchungsausschuss nun genauso fehlt wie Merkels Kalender. Gönner kommentierte dies auf Nachfrage nicht.

Mit dem Vorgang konfrontiert, äußerte der Präsident des Bundesarchivs, Michael Hollmann, erhebliche Kritik: "In einer Demokratie haben Archive die Aufgabe, Regierungshandeln nachvollziehbar und nachprüfbar zu machen. Die für Öffentlichkeit, Medien und Wissenschaft wichtigen Informationen – analog oder digital – müssen wir bewahren. Das geht nur, wenn alles, was zum Verständnis der Entscheidungsprozesse notwendig ist, erhalten bleibt und dem Bundesarchiv angeboten wird."

Insbesondere digitale Kommunikation aus Leitungsbereichen, sagte Hollmann ZEIT ONLINE. Seine Sorge sei, dass wichtige Fakten für immer verloren gehen und Lücken das Misstrauen in die Politik verstärken.

Ralf Jacob, Vorsitzender des Verbands deutscher Archivarinnen und Archivare (VdA), kritisiert: "Das Kapitel Afghanistan beinhaltet zweifelsohne sensible Regierungsvorgänge, die unbestritten Informationen von historischer Dimension betreffen und das Interesse zukünftiger Archivnutzer hervorrufen. Schon allein deshalb hätte nicht ohne Mitwirkung der Archive gelöscht werden dürfen."

Der Ärger ist umso größer, da Verband und Bundesarchiv noch im September 2021 einen mahnenden Brief geschrieben haben. Er liegt der Redaktion vor und erreichte Merkels CDU nachweislich: Gefordert wurde schon darin "eine größere Sorgfaltspflicht bei der Aktenabgabe". Verluste fürchtend, erinnerte man an das Bundesarchivgesetz und das Gebot der Aktenmäßigkeit aller Verwaltung. Deutlicher ging es nicht – dennoch ist auch die Arbeit des heutigen Untersuchungsausschusses nun torpediert.

Im Bundestag fragt man sich: Wurden Daten gar mit Absicht gelöscht?

Der Vorgang berührt in jedem Fall die Macht-Arithmetik zwischen Exekutive und Legislative. Es geht um nicht weniger als Verfassungsorgantreue: So wäre es Verfassungsbruch, überschüttete eine Regierung einen Untersuchungsausschuss mit irrelevanten Aktenbergen, um die Arbeit zu erschweren. Fragt sich: Was ist daraus im Umkehrschluss abzuleiten, sollte eine Regierung Akten vorenthalten?

Das ist juristisch komplex: Staatsrechtler verweisen aber auf den Grundsatz, dass eine Regierung Kontrollrechte des Parlaments zu achten und Rücksicht zu nehmen hat. Sie muss einen Untersuchungsausschuss auch dann aktiv unterstützen, wenn die Untersuchung gegen sie gerichtet ist und Beweismittel im Original vorlegen. Zu klären bleibt im Fall Merkel, ob es sich bei dem Kalender  – nicht nur politisch – um irreguläre Datenvernichtung handeln könnte. Denn Regierungsdaten gehören gespeichert, selbst wenn sie auch nur möglicherweise den Untersuchungsgegenstand betreffen könnten.

Dass Abgeordnete Interna einer Merkel-Regierung nicht einsehen können, geschieht indes nicht zum ersten Mal. Man erinnere sich an Ursula von der Leyen (CDU): Als diese die Bundeswehr führte, prüfte ein Untersuchungsausschuss 2019 dort fragwürdige Beratergeschäfte, was Handydaten einschloss. Trotzdem löschte das Ministerium gleich zwei Blackberrys von der Leyens. Es folgten europaweite Schlagzeilen und Strafanzeigen in Berlin. Der politische Schaden? Immens. Ob das Kanzleramt daraus gelernt hat? Zweifelhaft.

Archivare fordern eine neue Transparenzkultur. Bundesarchiv-Präsident Hollmann sagt: "Die Regeln für die Aufbewahrung interner Kalender, E-Mails oder SMS müssen deutlicher und genauer gefasst werden."

Angela Merkel, die Bundeskanzlerin a. D., trat nach Abwesenheit zuletzt wieder öffentlich auf. Im Dezember 2024 lässt sich ein weiterer Termin für Merkel nicht verhindern: ihre Zeugenaussage vor dem Untersuchausschuss.

Der dürfte so einige Fragen haben.


Aus: "Kanzleramt vernichtete Merkels persönlichen Kalender" Christian Schweppe (11. Oktober 2023)
Quelle: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-10/afghanistan-abzug-angela-merkel-kanzleramt-daten

QuoteNichtNochmalSo

Das hat eine lange Tradition. Schon Helmut Kohl hat einige Akten mit nach Hause genommen. Die Journalistin Gaby Weber versucht diese seit Jahren für die Historiker zugänglich zu machen. Bislang ohne Erfolg.

VdL ist hier ja auch als Beispiel genannt worden. Daraus folgen nie persönliche Konsequenzen. Deshalb ist meiner Meinung nach Deutschland auf dem Demokratie Index zu gut eingeordnet. Wenn man sich Rechtsstaat nennt, muß so ein Verhalten harte Folgen haben!


QuoteYarramalong

    Das hat eine lange Tradition. Schon Helmut Kohl hat einige Akten mit nach Hause genommen.

Ist das alles? Helmut Kohl hat bei seinem Abgang die Festplatten der Computer im Bundeskanzleramt gründlich putzen lasen. Er wusste auch genau, warum er das tat. Sonst wüßten wir, wem er sein Ehrenwort gegeben hatte. Das hat ihn immerhin das Ehrenamt bei der CDU gekostet.


QuoteHyperoxid

Klassischer CDU-Move.


QuoteDogwalker

Das ,,Kanzleramt" ist ein wenig indifferent.
Wer hat konkret gelöscht und wer hat die Anweisung erteilt.
Das sollte ja wohl noch im Gedächtnis geblieben sein.


QuoteAtlas Weltenträger

"Der politische Schaden? Immens. Ob das Kanzleramt daraus gelernt hat? Zweifelhaft."

Ja, der politische Schaden war so immens, dass Von der Leyen sogar EU-Kommissionspräsidentin werden durfte. Und läuft momentan nicht ein ähnliches Verfahren in der EU?

Das ist doch alles nur noch ein ganz großer Witz.


Quote
Schreibt

... Lupenreine Demokraten im Dienste der Wähler .


Quote
Cala 2

In Wahrheit ein Riesenskandal für unsere Demokratie. Vertrauen schafft man so nicht. ...


Quotenamevergeben2

Die Konservativen halten nun mal nichts vom Konservieren, das hat Tradition. ...


Quotemartymarty

Es wird doch immer alles VT oder Populismus abgetan, aber man sieht doch wie gehandelt wird.
Ausversehen gelöschte SMS. Wer kennt es nicht...


QuoteChief Joseph 64

Die Löscharbeiten im Bundeskanzleramt dienten allein dem Wähler/Souverän, denen wohl nicht zugetraut wurde mit brisantem Material umgehen zu können. Dem Souverän wurde schlicht jede Souveränität abgesprochen. Kurz und schmerzlos.


QuoteZEIT-Leser-seit-immer

Nun laufen die Verschwörungstheoretiker wieder auf Hochtouren.


QuoteUniKrebsforscher

Merkel & Co. haben das scheinbar in Kauf genommen. Demokratie braucht Transparenz.


...

Textaris(txt*bot)

Quote[...] Der US-Konzern Google wird in den nächsten Tagen, genauer gesagt ab 1. Dezember, große Aufräumarbeiten beginnen und inaktive Google-Konten löschen. Im Mai hatte Google diesen Schritt im Rahmen von neuen Richtlinien bereits angekündigt. Der STANDARD hat berichtet. Wer seine Accounts weiterhin nutzen möchte, auch wenn diese zuletzt brachlagen, sollte sich gleich noch einmal einloggen.

Wer in der letzten Woche nicht online war und jetzt die Angst hat, sich schnell an den PC oder ans Smartphone setzen zu müssen, der oder die sei beruhigt. Tatsächlich visiert Google Accounts an, die seit mindestens zwei Jahren nicht mehr benutzt wurden. Betroffen sind sämtliche Google-Dienste, die mit dem Account verknüpft sind, also Google Docs, Google Drive, Google Kalender sowie Youtube. Weiters muss es sich um private Accounts handeln. Konten von Unternehmen oder Organisationen sind ausgenommen. Überrascht sollte man von der Aktion nicht sein, schließlich haben alle Betroffenen in den letzten Monaten bereits eine Mail mit allen Informationen erhalten.

Warum Google die Konten löscht, begründet das Unternehmen mit Sicherheitsbedenken. Ältere Accounts seien beispielsweise nicht mit einer Zwei-Faktor-Authentifizierung ausgestattet, auf die Google allerdings viel Wert legt. Zudem sollen länger ungenutzte Konten oftmals schwächere Passwörter haben, würden sich demnach für Identitätsdiebstahl und ähnlichen Online-Missbrauch eignen.

Wer alte Konten, auch wenn man sie zuletzt nicht benutzt hat, behalten möchte, dann sollte man sich vor dem 1. Dezember 2023 in genau diesem Konto anmelden. Dann findet man auch eine Mail mit der möglichen Löschungsdrohung und der Erklärung, was man tun muss, damit dies nicht geschieht. Google spricht von einer "Aktivität", also etwa eine Datei auf Google Drive speichern, eine App im Google Play Store laden oder ein Youtube-Video anschauen.

Wer das dazugehörige Passwort vergessen hat, der kann sich über die diversen Sicherheitsfragen dieses wieder besorgen beziehungsweise ein neues anlegen. (red, 29.11.2023)


Aus: "Ab 1. Dezember löscht Google inaktive Accounts" (29. November 2023)
Quelle: https://www.derstandard.at/story/3000000197447/ab-1-dezember-loescht-google-inaktive-accounts